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Nackt

Teil 6

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Inhaltsverzeichnis

27. BUCH - Nachtruhe

Oder ... Was man nachts in Betten anstellt

Mittlerweile waren alle verschwunden. Nur noch Tom, Martin und Toni waren da.

»Du Tom, könnte ich kurz meine Mutter anrufen und ihr Bescheid geben, dass ich später nach Hause komme?«

»Sicher, aber du kannst auch gerne bei uns im Gästezimmer übernachten.«

»Gerne, denn das Gespräch wird sicher länger dauern. Und meiner Mutter ist es bestimmt so auch lieber, wenn ich bei dir übernachte, und nicht mehr so spät ganz alleine nach Hause radle.«

»Das Telefon ist oben im Wohnzimmer. Warte, hier ist der Schlüssel.«

Tom warf Toni den Schlüssel zu, er fing ihn und ging dann die Treppe hinauf. Martin hatte während der Unterhaltung in seinem Rucksack gekramt und ein kleines Päckchen hervor geholt.

»Hier, das ist mein Geschenk für dich.«

»Vielen Dank. Darf ich es gleich aufmachen?«

»Sicher, es würde mich freuen.«

Vorsichtig entfernte Tom das Band und das Papier. Es war eine kleine Schmuckschatulle, in der sich ein silberner Ring mit der Gravur 'In Love' befand. Tom strahlte über das ganze Gesicht. Er steckte den Ring an und umarmte Martin. Tom hauchte ihm ein leises 'Dankeschön' ins Ohr und gab ihm einen Kuss ...

»Wenn ihr zwei euch dann mal wieder losreißen könntet, dann könnten wir hier endlich etwas sauber machen.« Toni stand wieder im Hobbyraum und grinste die beiden frech an.

»Alles klar mit deiner Mutter.«

»Ja. Sie war einverstanden, dass ich hier übernachte.«

»Gut, und was ist jetzt mit Dirk los?«

»Später, lasst uns erst den Müll einsammeln. Ich würde gerne etwas abschalten, bevor ich euch davon erzähle.«

»Gut, dann ran an die Arbeit, und keine Müdigkeit vortäuschen.«

Da mussten erst mal alle Lachen. Als die drei beim Aufräumen waren, kamen Sonja und Heinz zurück. Tom erklärte ihnen kurz, dass Toni im Gästezimmer übernachten würde, und dann begaben sie sich auch schon ins Bett. Die drei Jungs alberten noch ein wenig herum, bevor sie nach oben gingen.

»Hast du vielleicht eine Shorts für mich, Tom? Ich hab ja nicht damit gerechnet hier zu übernachten.«

»Kein Problem.« Tom öffnete den Schrank. »Hier ist eine Shorts und ein Handtuch. Eine neue Zahnbürste liegt auf der Ablage und Seife und Shampoo sind auch in der Dusche.«

Tom zeigte Toni schnell die Dusche und ging dann selbst mit Martin ins Bad, das am anderen Ende des Gangs war. Als das Haus gebaut wurde, hatten seine Eltern darauf bestanden zwei Bäder einbauen zu lassen, falls es in der Früh mal schnell gehen musste. Nacheinander stiegen Martin und Tom in die Dusche, und als alle drei fertig waren, trafen sie sich wieder in Toms Zimmer. Toni machte es sich auf Toms Couch bequem, während sich Tom und Martin mit dem Bauch auf sein Bett legten.

»So, aber jetzt erzähl mal, warum Dirk so ausgerastet ist.«

»Das ist aber ne länger Geschichte und ich muss etwas ausholen.«

»Kein Problem, schieß los!«

»Also, es war vor etwa einem halben Jahr, da war ich bei Dirk daheim zu Besuch. Es war ein richtig netter Abend. Wir haben Videos geschaut und uns mit Chips vollgefressen. Naja, irgendwann wollten wir dann doch schlafen gehen. Während Dirk in der Dusche war, hab ich aus meinem Rucksack mein Duschzeug genommen und den Rucksack wieder auf den Stuhl, der mit etlichen Zeitschriften belegt war, zurückgestellt. Leider nicht richtig, denn er fiel herunter. Aber nicht nur der Rucksack, sondern auch die Magazine. Als ich sie dann wieder aufheben wollte, sind mir einige Magazine mit Männern aufgefallen. Ich hab dann mal kurz reingeblättert, um zu sehen, was es genau war. Naja, und da kam er wieder zurück ins Zimmer. Er hat mich angeschrien, was mir denn einfällt einfach in seinen Sachen zu wühlen und wieso ich ihm nachspioniere ... Ich hab versucht die Situation zu erklären, aber er wollte es nicht verstehen. Ich bin dann einfach in die Dusche gegangen. Als ich zurückkam, stand mein Rucksack vor seiner Zimmertür und ein Zettel lag daneben. Er hatte seine Zimmertür abgeschlossen und geschrieben, ich sollte auf dem Sofa im Wohnzimmer pennen. Ich bin dann früh am nächsten Morgen einfach heimgefahren.«

»Und deswegen war er heute so launisch?«

»Nein, nein. Das war nur der Anfang. Die nächsten Wochen passierte nichts. Als wir uns am Montag in der Schule trafen, redete er wieder ganz normal mit mir. Ich hab ihn natürlich nicht mehr auf den Abend angesprochen, so gab es wenigstens keinen Streit. Naja, zu Pfingsten sind wir zusammen mit noch vier anderen Kumpels nach Frankreich gefahren. Ich hab mir mit ihm das Zimmer geteilt. Naja, eines Abends, ich war grade in der Dusche, da kam er herein und fragte, ob er mich stören würde, weil er sich etwas frisch machen wollte. Mir war es eigentlich egal und er putzte sich die Zähne. Ich hab mir grade die Haare einschampuniert, als er den Vorhang öffnete und mich fragte, ob er mir meinen Rücken einschäumen sollte. Ich war total überrumpelt von der Aktion und wusste nicht mal, was ich sagen sollte. Ich dachte ja, er wäre einfach bloß betrunken, oder wollte nen doofen Scherz machen, also nickte ich. Er fing an meinen Rücken einzuschäumen. Aber dabei blieb es nicht, er streichelte auch sanft über meine Brust und meinen Hintern. Ich genoss es richtig, was er machte. Langsam wanderten seine Hände nach vorne zu meinem Schwanz. Und auch ich schäumte ihn ein. Ich drehte mich dann langsam um und verteilte das Duschgel, das ich in der Hand hatte, zärtlich auf seinem Körper. Sein mit Wassertropfen befeuchteter Körper sah einfach toll aus. Endlich war das, was ich mir seit Monaten erträumt hatte, wahr geworden. Zärtlich streichelten wir gegenseitig unsere Körper. Unsere Lippen näherten sich und wir küssten uns. Wir haben dann mit unseren Händen und Lippen den ganzen Körper des anderen erforscht.«

»Soll das heißen, du bist schwul?« fragte Martin neugierig dazwischen.

»Ja, das soll es heißen. Aber wieder zu Dirk. Die restlichen Urlaubstage verliefen super. Wenn wir mit den anderen zusammen waren, dann haben wir das perfekte 'Kumpelpaar' abgegeben, und wenn wir in unserem Zimmer waren, dann genossen wir gegenseitig unsere Nähe. Es war so schön und hätte noch viel schöner werden können. Aber als wir wieder daheim waren, hat mich Dirk ständig zurückgewiesen. Ich hab versucht ihn darauf anzusprechen, aber er wollte nicht mal wahrhaben, dass etwas zwischen uns passiert ist. Er war so kalt zu mir. Nicht mal mehr die Freundschaft vor dem Urlaub war noch da.«

Eine vereinzelte Träne lief Tonis Wange hinunter. Er wischte sie mit den Handrücken weg.

»Im Tal der Tränen liegt auch Gold
Komm lass es zu, dass du es holst«
(»Wenn du jetzt aufgibst« von Rosenstolz; Text: AnNa R. and Pater Plate)

»Ihr müsst wissen, dass seine Eltern absolut konservativ sind und so etwas nie dulden würden. Ihm wurde von klein an beigebracht, dass es abartig sei, wenn sich zwei Männer oder zwei Frauen lieben. Ihr hättet mal miterleben sollen, wie seine Eltern über diese Leute hergezogen sind. Egal ob es Leute in einer Talkshow waren oder bloß zwei Freundinnen, die sich in der Stadt zu Begrüßung ein Küsschen auf die Wange gaben.
Und dann hatte er nochmal, wie meinte er, einen 'schwachen Moment', in dem wir uns geküsst und gestreichelt haben. Aber plötzlich sprang er einfach auf, lief zur Tür hinaus und rannte weg. Ich lief ihm hinterher. Auf einer Brücke blieb er stehen. Ich habe versucht ihn aufzuhalten, und wollte ihn vom Geländer einfach runterziehen, aber er drohte mir, dass er springen würde, wenn ich auch nur einen Schritt näher kommen würde. Er hat mich beschimpft, ich wäre der Teufel und Gott würde ihn auf die Probe stellen und durch mich hatte er die Ehre seiner Eltern verletzte. Es würde für ihn keinen anderen Ausweg mehr geben als zu springen. Ich hab dann auf ihn eingeredet. Ich weiß nicht mal mehr, was ich gesagt hatte, alles, was mir in den Sinn kam, hab ich ihm gesagt. Ich bin über drei Stunden da gestanden und hab einfach nur geredet und geredet. Irgendwann ist er dann zusammengesunken und hat einfach losgeheult. Ich hab ihm dann von der Brüstung geholfen, mich mit ihm auf den Boden gesetzt und ihn einfach nur festgehalten. Als die Sonne schon am Aufgehen war, hab ich ihn dann noch Heim gebracht. Seit dem hat es keine Zwischenfälle mehr gegeben, aber sobald ich mit ihm allein bin, sucht er so schnell es geht das Weite ...«

Als Toni zu Ende geredet hatte, war eine bedrückende Stille im Raum. Weder Tom noch Martin wussten, was sie sagen sollten. Und Toni versuchte seine Tränen zurückzuhalten, was ihm aber nur schwer gelang.

»Du liebst ihn immer noch?«

»Ja, mehr als alles andere. Ich würde ihm so gerne helfen, aber ich weiß nicht wie! Ich hab schon alles versucht. Ich wollte mit ihm reden, er hat abgeblockt. Ich hab ihm einen Brief geschrieben, er hat ihn zerrissen ...«

Die drei redeten noch eine Weile über Dirk, bevor sich Toni auf den Weg zum Gästezimmer machte und auch Martin und Tom sich schlafen legten.

»Komm zurück
Ist alles dunkel hier
Viel zu kalt
Und ich erfriere schon
Ich kann nicht mehr
Schlafen ohne dich«
(»Viel zu kalt« von Rosenstolz; Text: AnNa R. and Peter Plate)

28. BUCH - Klärende Gespräche

Oder ... Wieso geklärte Fragen immer neue Fragen aufwerfen

Müde und verschlafen standen Tom und Martin am nächsten Vormittag gegen elf Uhr auf. Leise gingen sie in die Küche, in der schon seine Eltern, Monika und Hans saßen. Nur Toni schlief noch.

»Morgen alle miteinander«, kam es von den beiden Jungs.

Die beiden setzten sich erst mal an den Tisch und nahmen sich ein Brötchen. Tom erzählte von der gestrigen Geburtstagsfeier und riss auch kurz die Sache mit Dirk an. Wenig später kam auch Toni dazu, und nachdem alle gefrühstückt hatten, brach Toni nach Hause auf, Toms Eltern und Hans würden den Keller aufräumen, während Tom und Monika etwas spazieren gingen. Sie wollten runter zum nahegelegenen See, und da Martin direkt dort wohnte, begleitete er sie ein Stück.
Gegen 14 Uhr kehrten Tom und Monika wieder zurück, da Monika bald abreisen musste. Man trank noch eine Tasse Kaffee zusammen und dann brachen sie und Hans auch schon wieder nach Hause auf. Herzlich verabschiedeten sie sich von den anderen und Tom versprach sie bald zu besuchen.

Es war mittlerweile später Nachmittag, Tom hatte es sich gerade auf seinem Bett gemütlich gemacht. Sein Zimmer fing an sich zu drehen. Immer schneller wurden die rotierenden Bewegungen ...

Als Martin daheim ankam, erwartete ihn schon seine Mutter. Sie wollte erfahren, wie es auf der Party gestern war. Während des Mittagessens erzählte er davon. Wie er Tom küsste und kurz darauf alle Leute ruhig waren. Auch erzählte er von Dirk, wobei er aber das nächtliche Gespräch mit Toni ausließ. Anschließend setzte er sich an seinen Computer und spielte noch etwas. Mit der Zeit taten ihm die Augen weh und er schaltete den PC ab. Er ging noch einmal auf die Toilette, bevor er sich auf seinem Bett ausstreckte. Sein Zimmer fing an sich zu drehen. Immer schneller wurden die rotierenden Bewegungen ...

Beide sahen nichts mehr, nur noch eine Masse aus nicht definierbaren Farben war schemenhaft zu erkennen. Nach und nach beruhigte sich die Bewegung wieder, bis sie völlig zum Stillstand kam. Sie kannten den Raum, in dem sie waren. Noch vor ein paar Tagen waren sie in ihren Träumen an diesem Ort. Der Stuhl drehte sich noch immer langsam. Es schien, als hätte er nie aufgehört sich zu drehen. Die beiden standen mit dem Rücken zur Tür. Auf der kleinen Sofa-Ecke, die sich rechts von ihnen befand, saßen Tobi, Andy und Flo. Sie blickten die beiden an, aber keiner sagte ein Wort. Tobi deutete auf die noch freie Couch. Langsam gingen Martin und Tom darauf zu und setzten sich. Nachdem sich Tobi zurechtgerückt hatte, begann er zu sprechen.

»Ich freue mich euch zu sehen. Andy und Flo habt ihr ja schon auf dem Jahrmarkt kennengelernt.«

»Ja, und was willst du von uns?« fragte Tom etwas wirsch.

»Ich will euch erklären, was es mit den seltsamen Dingen auf sich hat, die ihr in den letzten Wochen erlebt hab.«

»Na da bin ich aber gespannt«, mischte sich auch Martin ein.

»Lasst es mich erklären, dann werdet ihr es verstehen.« Er machte eine kurze Pause, dann begann er erneut zu reden. »Also, ihr seid Auserwählte, im Kampf gegen die 'Bösen'.«

»Aha, also wir sind gut, und sollen irgend jemand mit Karate niederstrecken. So ein Blödsinn. Ich gehe wieder.« Tom stand auf und wollte zur Tür gehen.

»Warte, so einfach ist das nicht, es steckt viel mehr dahinter. Und auch Karate werdet ihr nicht zwingend brauchen. Bitte hör mich an, danach kannst du immer noch gehen.«

Tom sah kurz zu Martin, der ihm zunickte und dann setzte er sich wieder.

»So, jetzt hört mir bitte sehr aufmerksam zu, und lacht nicht. Alles, was ich euch jetzt erzähle, ist war, auch wenn es abstrus klingen mag.«

Tobi machte eine spannungssteigernde Pause, bevor er anfing.

»Also, als mit dem Urknall die Erde entstand und die ersten Menschen kamen, wurde auch die Liebe geschaffen. Aber schon damals gab es einen Gegenpart, den Hass, er war in zweierlei Hinsicht nötig. Erstens um das Gleichgewicht herzustellen, andererseits um zu überleben. Hätte damals der Mensch alles und jeden geliebt, hätte er nie überlebt. Er brauchte ein gewisses Maß an Hass, damit er Tiere erlegen konnte und so weiter. Damit der Hass aber nicht überhandnahm, wurde er in Zaum gehalten durch die Wüstenrose. Sie alleine hat die Kraft den Hass zurückzudrängen. Er ist schon einige Male ausgebrochen, wurde aber immer wieder durch die Liebe und ihre Helfer besiegt. Er bemächtigt sich über seine Helfer an wehrlosen Menschen, die er so umprogrammiert, dass sie alles Gute zerstören wollen.«

»So weit, so gut«, unterbrach Martin, »aber wer oder was ist die Liebe? Und was sollen wir hier, wir sind noch nicht mal erwachsen.«

»Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen. Also, ich bin die Liebe, und ihr vier seid meine Helfer. Es gibt noch mehr Menschen, die uns beistehen, aber sie haben keine Kräfte.«

»Was für Kräfte?«

»Also, die zwölf Zeichen haben in einem Wissensbereich sehr große Fähigkeiten, und können uns dadurch mit Informationen versorgen. Die vier Elemente, also ihr, habt verschiedene übersinnliche Kräfte, die durch eure Steine, die ihr vor kurzem gefunden habt, aktiviert werden. Ihr hattet diese Fähigkeiten schon vorher, aber ihr könnt sie nur mit Hilfe des Steines einsetzten.«

»Aha, und wieso schafft es dieser Hass immer wieder auszubrechen?«

»Nun ja, er manipuliert das Gehirn eines Menschen, der dann die Wüstenrose von ihrem Platz entfernt und dadurch kann er entkommen. Es ist zwar äußerst schwer, da ihm die Wüstenrose die Kräfte verringert, aber bei sehr labilen Menschen schafft er es doch immer wieder, dass sie willig werden. So hat er es schon oft gemacht. Ein recht aktuelles Beispiel ist wohl Hitler gewesen, oder auch andere Schreckensdiktatoren. Es lässt sich geschichtlich sehr genau zurückverfolgen, wann er ausgebrochen war, und wann nicht.«

»Aber wieso wird dieser Kerl nicht einfach vernichtet?«

»Das habe ich schon versucht euch zu erklären. Die Liebe, also ich, brauche ihn zum Überleben. Gibt es ihn nicht mehr, bin auch ich gestorben, und das für immer. Nie wieder würde es einen liebenden Menschen geben. Es gäbe keine Freundschaften mehr. Nichts, alles wäre weg. Ihr seht also, wie kompliziert die Lage ist.«

»Und warum gerade wir?«

»Nun ja, ihr seid schon immer, seit es mich gibt, meine Helfer. Ihr lebt immer ein normales Menschenleben und werdet danach wiedergeboren, in einem anderen Körper zwar, aber immer als Mann. Daher bedarf es auch nicht viel Training, bis ihr mit euren Kräften umgehen könnt. Ihr lernt es schnell, wenn auch nicht sofort. Ein wenig dauert es schon.«

»Und was für Kräfte habe wir, wenn du sie schon ansprichst?«

»Ihr habt alle eine mentale Kraft. Flo kann durch bloße Gedanken Gegenstände bewegen, du Tom, kannst dich astral projizieren, Andy kann sich unsichtbar machen und Martin, du kannst die Zeit anhalten. Was das genau bedeutet werde ich euch morgen erklären. Jetzt zu den Elementarkräften. Ihr alle seid einem Element zugeordnet und habt eine Kraft, die mit eurem Element zusammenhängt. Flo ist die Erde und kann Erdbeben erzeugen, Tom, du bist das Feuer und kannst Feuerbälle werfen, Andy ist das Wasser und kann eine Flut bilden, und Martin, du bist die Luft und kannst einen Sturm einleiten. Ihr könnt eure Kräfte, also die Elementarkräfte untereinander bündeln, also Pärchenweise, zu dritt, oder auch zu viert, je nachdem, was gerade nötig und möglich ist. Zudem könnt ihr euch alle in dieses Gebäude hier projizieren, aber nur hierher, außer Tom natürlich.«

»Und du? Du kämpfst nicht mit?«

»Nicht aktiv, da das viel zu gefährlich wäre. Wenn man mich vernichten würde, gäbe es nur noch puren Hass auf der Welt, da ihr sofort eure Kräfte verlieren würdet und niemand mehr die Bösen aufhalten könnte. Aber ich helfe euch von hier aus. Ich kann mit euch allein über Gedanken kommunizieren. Untereinander könnt ihr das auch, aber es ist sehr anstrengend und bedarf einer Menge Training, bis es so funktioniert. Und ich habe Visionen und kann euch dadurch warnen, falls etwas Unvorhergesehenes eintreffen sollte. Ich glaube das ist genug für heute. Wir treffen uns Morgen wieder, dann reden wir weiter. Ich werde euch rufen. Und nun noch eine angenehme Nachtruhe.«

»Aber, ich wüsste noch gerne ...«

»Genug für heute, sonst wird es zu viel«, unterbrach ihn Tobi.

Und schon lösten sich die Körper der beiden auf, nur um sich ihn ihren Zimmern sofort wieder zu materialisieren.

Tom und Martin konnten in dieser Nacht nur schwer einschlafen. Kaum hatten sie sich bettfertig gemacht, als ihnen auch schon tausend Fragen durch den Kopf schossen. Wieso gerade ich? Was erwartet mich jetzt? Was sind das für Kräfte? Und wie funktionieren sie überhaupt? Erkenne ich überhaupt, wer Böse und wer Gut ist? Was macht eigentlich unser Sportlehrer dort? Wieso sind nur Männer dort? War das nur ein Scherz? War es Einbildung? Oder war es doch Realität ...? War es nicht vielleicht ...? Was ist das ...? Wieso sind die ...? ... Viel später in dieser Nacht waren sie endlich eingeschlafen. Friedlich lagen sie ihn ihren Betten und gaben sich ihren Träumen hin.

29. BUCH - Erziehungsmethoden

Oder ... Wieso Spucke nass ist

Am nächsten Morgen wachte Tom verschlafen auf. Er hatte schlecht geschlafen. Immer wieder tauchten Bilder von merkwürdigen Gestalten auf, die ihn unverschämt angrinsten. Mit verzerrten Stimmen hatten sie ihm Drohungen an den Kopf geworfen und versucht ihn einzuschüchtern. Sein Körper tat ihm weh. Er hatte das Gefühl als wäre er die ganze Nacht gerannt und hätte dabei noch mit Hanteln in den Armen trainiert. Langsam stieg er aus seinem Bett und ging ins Bad. Als er sich im Spiegel ansah, erschrak er. Sein Gesicht war bleich, die Augen klein und auch sein Kopf tat ihm weh. Kurzum, er fühlte sich wie ausgekotzt. Er stellte das Wasser an und stieg unter die Dusche. Angenehm prasselte das Wasser auf ihn herab. Es tat gut, es fühlte sich so entspannend an. Nach und nach kam Leben in seine müden Glieder. Unterbewusst hoffte er, dass er heute in Ruhe duschen konnte und nicht wieder 'weggeholt' werden würde. Er zuckte erneut zusammen. Ihm fiel wieder ein, was gestern Abend passiert war. Wie er und Martin bei Tobi standen und er ihnen erzählte, was auf sie zukommen würde. War das alles nur ein Traum, oder war es wirklich geschehen ...?

Er stellte das Wasser ab und nahm sich ein Handtuch. Als er sich abgetrocknet hatte, rasierte er sich und putze seine Zähne. Immer noch etwas verschlafen, wenn auch schon fitter ging er in sein Zimmer zurück. Er öffnete seinen Schrank und nahm sich frische Kleidung heraus. Zum Glück war heute ein Feiertag, so konnte er den Tag wenigstens gemütlich angehen. Als er die Schranktür schloss, fiel sein Blick auf seinen nackten Körper. Er erkannte sich zwar, und doch hatte er sich verändert. Er konnte zwar nicht genau sagen, was anders war, aber er fühlte sich ... erwachsener. Ja, das war es. Anders konnte er es nicht beschreiben. Aber wenn man ihn genau beobachtet, fiel einem auf, dass sein Babyspeck verschwunden war, und er mittlerweile einen richtig gut definierten Körper hatte. Nicht, dass er überaus muskulös war, das nicht, aber sein Körper war deutlich gestrafft. Es schien, als hätte sich sein ganzes Fett, von dem er zwar nicht viel hatte, in Muskelmasse umgewandelt. Auch sein Gesicht hatte noch immer den jugendlichen Charme, aber trotzdem waren die Gesichtszüge härter geworden. Auch andere Stellen seines Körpers hatten sich verändert. Er wurde langsam ein richtiger Mann ...

Er zog sich seine Shorts, Socken und seine neue Jeans an. Das T-Shirt, das er ausgewählt hatte, paßte nicht. Es spannte an den Schultern. Er zog es wieder aus, nahm ein etwas größeres aus dem Schrank. Obwohl es sich auch deutlich an seinen Körper anschmiegte, war es nicht zu klein. Er ging zurück ins Bad und verwuschelte seine Haare noch mit etwas Gel und ging dann nach unten. Dort warteten schon seine Eltern.

»Morgen.«

»Morgen Tom, Martin hat angerufen. Du sollst ihn nach dem Frühstück besuchen. Er möchte was mit dir besprechen.«

»Alles klar.«

Er nahm sich eine Semmel und Kaffe und begann zu frühstücken. Als er fertig war, zog er sich noch Schuhe an und machte sich auf den Weg zu Martin. Er hatte die Haustür schon zugezogen, aber irgendetwas hielt ihn fest, und es war ihm, als hätte er etwas vergessen. Er ging wieder zurück ins Haus und in sein Zimmer, aber er wusste nicht, was er missen könnte. Er hatte alles bei sich. Den Geldbeutel, die Schlüssel, eine Jacke, falls es kühl werden sollte. Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Sein Stein, er hatte ihn noch immer in der Hosentasche seiner anderen Jeans. Er kramte in der Tasche, fand das Gesuchte und konnte sich endlich auf den Weg machen.

Tom stand an der Bushaltestelle und sah auf den Fahrplan. Der nächste Bus würde erst in einer Stunde fahren, also entschloss er sich, die U-Bahn zu nehmen. Voller Enthusiasmus ging er die Stufen hinunter. Innerlich war er etwas genervt, immerhin musste er jetzt mit einer halben Stunde Fahrzeit rechnen. Die U-Bahn fuhr gerade ein. Mit schnellen Schritten rettete er sich noch in den letzten Waggon, bevor er die unfreundliche Stimme des Schaffners hörte.

»Zurückbleiben, bitte«, dröhnte es mit lautem Krachen und Knacken aus dem Lautsprecher. Wobei das 'Bitte' wohl eher als Befehl aufzufassen war, denn als Hinweis. Während sich die Türen schlossen, entdeckte Tom eine freie Sitzgruppe. Zielstrebig ging er darauf zu. Er setzte sich und sah sich die anderen Passagiere etwas an. Dort hinten saß eine Mutter mit ihrem Sohn, der wohl gerade ein neues Feuerwehrauto mit Sirene geschenkt bekommen hatte, denn er steuerte es alles andere als zielsicher durch den Gang. Alle paar Dezimeter krachte es gegen einen Haltepfosten oder eine Sitzbank. Hinter ihm war eine junge Familie, die ihrem Kind, das im Kinderwagen saß versuchten zu erklären, dass es doch still sein sollte. Aber die leisen Versuche musste das Kind überhört haben, denn es brüllte, als würde man es gerade auf glühende Kohlen gesetzt haben. Weiter hinten im Abteil saß ein älteres Ehepaar, das sich lautstark über die missratene Jugend unterhielt.

»De frechen Kinda soit ma olle in a Erziehungslager stecka. Do lernas endlich wia ma si richtig benimmt. Erst gestan hot si oana neba mi highockt und sein, wia hoast des doch, w-a-l-k-män so laut gsteid, dass man net moi mehr sei eigns Woat verstandn hot.«

»Jo mei, die heidign Eitan bringa eahnare Kinda hoit koan Anstand mehr bai.«

Tom löste sich von diesem Gespräch, denn soeben war eine Mutter mit ihrem Kind eingestiegen und setzte sich ihm gegenüber. Das Kind nahm neben Tom Platz und schaute ihn unentwegt an. Ständig spielte das Kind mit seinem Sabber zwischen den Zähnen. Es machte Geräusche als würde es durch Matsch gehen. Plötzlich spuckte das Kind seinen Sabber aus, genau auf Toms Ärmel. Toms Blick wanderte unruhig zwischen der Mutter und dem Kind hin und her. Er wartete immer noch darauf, dass die Mutter etwas zu dem Kind sagte, und sich bei Tom entschuldigen würde, aber keine Reaktion. Die Mutter lächelte nur freundlich zu Tom. Hatte sie nicht bemerkt, was ihr Sohn gerade gemacht hatte?

»Haben Sie eigentlich nicht bemerkt, was ihr Sohn gerade gemacht hat?«

»Doch, aber was soll ich denn tun?«

»Ihm vielleicht sagen, dass er das nicht tun darf?«

»Das kann ich nicht.«

»Und wieso nicht?«

»Mein Kind wird antiautoritär erzogen. Wenn er die Lust verspürt etwas zu tun, dann darf er das auch.«

»Wenn Sie sich gerne von Ihrem Kind anspucken lassen wollen, dann ist es Ihre Sache, aber bei anderen Leuten sollte er es doch lassen.«

»Ich kann ihm das nicht verbieten. Er soll sich frei entfalten können.«

Toms Wut begann immer mehr zu kochen. Er kramte in seiner Tasche nach einem Taschentuch und wischte seinen Arm ab. Das Kind neben ihm spielte wieder mit seiner Spucke.

»Aber entschuldigen könnten Sie sich schon.«

»Wieso denn? Das ist doch nur etwas Spucke, die trocknet doch wieder.«

»Bitte? Ich finde das äußerst unappetitlich.«

Es machte Platsch und ein erneuter Spuckefleck war auf Toms Jacke. Mittlerweile war Toms Wut so weit am kochen, dass er sich zu dem Kind drehte und ihm seinerseits auf die Schulter spuckte. Normalerweise war er äußerst gut erzogen, aber so etwas Unverschämtes hatte er noch nie erlebt. So handelte er ohne lange zu überlegen und sühnte Gleiches mit Gleichem. Das Kind kreischte und fing an zu heulen, entgeistert starrte ihn die Mutter an.

»Was fällt Ihnen ein einfach meinen lieben Sohn anzuspucken?« fuhr ihn die Mutter schroff an.

»Ach wissen Sie, ich bin auch antiautoritär erzogen worden. Mir war eben gerade nach spucken.«

Ungläubig schaute die Mutter zu Tom, der sich freundlich lächelnd erhob, da der Zug gerade in die Haltestelle einfuhr, an der er die U-Bahn wechseln musste. Er stieg um und konnte dieses Mal ohne größere Probleme fahren, nur einer trat ihm auf dem Fuß, entschuldigte sich aber sofort dafür.

30. BUCH - Noch Mehr Gespräche

Oder ... Wieso man sich konzentrieren sollte

Martin war gerade mit dem Frühstück fertig. Er hatte kurz vorher bei Tom angerufen. Er wollte unbedingt mit ihm reden, er musste wissen, ob die Begegnung gestern wirklich passiert war, oder ob ihm sein Kopf einen Streich spielte. Nachdem er telefoniert hatte, ging er unter die Dusche. Wie Tom fühlte auch er sich an diesem Morgen nicht besonders fit. Aber die Dusche belebte seinen müden Körper. Er stellte das Wasser ab und nahm sich ein Handtuch. Nachdem er sich frische Kleidung angezogen hatte, nahm er sich ein Magazin und begann zu lesen. Er hatte noch nicht mal den ersten Artikel ganz gelesen, als es auch schon an der Haustür schellte.

»Hi Tom, komm rein.« Martin gab ihm einen Kuss, den er doppelt so intensiv erwiderte.

Wenig später in Martins Zimmer unterhielten sich die beiden. Martin saß auf seinem Bett und Tom hatte auf dem Stuhl am Schreibtisch Platz genommen.

»So, du wolltest mir reden.«

»Ja, wollte ich, und will ich immer noch. Es ist wegen gestern. Ich bin total verwirrt, ich weiß nicht mal, ob das alles passiert ist ...«

»Verwirrt bin ich auch, aber es ist sicher passiert, immerhin waren wir zusammen dort. Das an sich ist zwar schon verwirrend, aber irgendwie leuchtet es mir ein. Was ich allerdings nicht verstehe, ist die Sache mit den Kräften und dem Gut und Böse und so weiter.«

»Da steig ich auch nicht so ganz durch. Wie benutzt man die Kräfte überhaupt, und wie funktionieren sie? Kann man damit Menschen richtig verletzen? Oder wie?«

»Wenn ich das wüsste, würde ich es dir gerne sagen ...«

»Ich werde es euch sagen«, hallte es von einer fernen Stimme.

Plötzlich fing der Raum an sich zu drehen, und kurz darauf waren Tom und Martin wieder in dem wohlbekannten Zimmer von Tobi.

»Hallo ihr zwei. Ich hoffe ihr habt gut geschlafen.«

»Naja, ich hab mich heute morgen wie gerädert gefühlt.«

»Ich auch.«

»Das ist ganz normal. Durch die Steine, die ihr habt, wird euer Körper verändert. Er wird stärker, definierter und reifer. Es ist ungefähr so, wie wenn Kinder einen Wachstumsschub haben. Da schmerzen auch die Glieder.«

»Ach so, deshalb hat heute mein T-Shirt so gespannt.«

»Genau, aber ihr habt doch ganz andere Fragen. Stellt sie und ich werde antworten.«

»Wie benutzt man die Kräfte? Und das Wichtigste vielleicht: Wie erkenne ich, ob jemand mit Hass erfüllt ist oder einfach nur schlecht drauf ist.«

»Also die Kräfte werden mit euren Gedanken gebildet. Kurz gesagt: Ihr denkt daran einen Sturm herbeizurufen und er wird kommen. Das ist aber wirklich die ganz kurze Form. Die lange Erklärung mit Übungen dazu folgt später. Eure Kräfte können keinen Menschen verletzten, solltet ihr einmal eure Kräfte auf einen wirken lassen, werden sie an ihm vorbei ziehen und sich in Nichts auflösen. Also keine Angst, es wird kein Mensch durch eure Hand sterben. Auch der Hass nicht. Aber ihn treffen eure Kräfte und ihr könnt ihn schwächen, so dass ich ihn mit der Wüstenrose wieder 'einsperren' kann. Das ist die einzige Sache, die nur ich machen kann.
Aber jetzt zurück zu eurer zweiten Frage: Ihr werdet die Menschen mit Sicherheit erkennen, die von Hass befallen sind. Diese Menschen haben ein Wesen um sich, das nur ihr erkennen könnt. Aber seid vorsichtig, es erkennt euch auch. Die Aura, die euch umgibt, ist für ihn sichtbar, und daher müsst ihr schnell reagieren, sonst werdet ihr angegriffen. Ihr versteht schon, was ich meine.«

»Ja, so in etwa schon, aber wie sieht denn dieses Wesen aus?«

»Dazu wollte ich gerade kommen«, grinste sie Tobi an. »Also, diese Wesen sehen erst einmal so aus wie du und ich, also wie ganz normale Menschen. Der einzige Unterschied ist der, dass sie durchsichtig sind. Also wie ein Schatten wirken, der sich hinter einem Menschen bildet, wenn er gegen die Sonne schaut. Daher heißen sie auch Schattenmänner. Es ist schwer sich vorzustellen, wie sie aussehen, aber ihr werdet es sofort wissen, wenn einer vor euch steht.«

»Ich hab mal eine ganz andere Frage: Wieso sind wir eigentlich alle Männer. In diesem ganzen Gebäude habe ich noch keine einzige Frau gesehen. Vermutlich ist sogar die Putzfrau ein Mann.«

»Nicht nur vermutlich, sondern ganz sicher. Es war schon immer so, dass wir Männer waren. Es liegt daran, dass Männer körperlich kräftiger sind, daran ändert auch die Emanzipation nichts, und daher besser kämpfen können. Aber damit wir auch etwas gefühlvoller sind als Männer, sind wir alle schwul.«

Tom und Martin standen mit offenen Mündern da. Sie hatten mit vielem gerechnet, aber damit nicht.

»Genauso seid ihr zwei und Andy und Flo immer ein Paar.«

»Und du? Bist du alleine?«

»Nein, das nicht, aber ich habe immer einen 'normalen' Freund. Und noch etwas. Wir haben alle keine Väter.«

»Das stimmt aber nicht. Ich habe einen Vater.«

»Ja, in gewisser Weise schon. Aber eure leiblichen Väter sind nicht bei euch. Daher musste dein Vater auch verschwinden, Martin. Es war sozusagen vorbestimmt, dass er von deiner Mutter aus dem Haus gejagt wird. Das war jedes Mal, als du geboren wurdest so. Und bei dir Tom war es auch immer so, dass du bei 'fremden' Eltern aufgewachsen bist. Andys Vater starb jedes Mal kurz nachdem Andy geboren wurde. Und Flo war immer das Kind einer alleinerziehenden Mutter, die nie genau wusste, wer der Vater ihres Kindes war. Nur bei mir ist es etwas anders, ich kenne meine beiden Eltern nicht. Sie sterben immer kurz nach meiner Geburt.«

Die beiden waren sprachlos. Ungläubig sahen sie Tobi an, der ohne große Regung in seinem Drehstuhl saß.

»So, aber genug der Ahnenforschung. Kommen wir jetzt zu euren Kräften. Gestern habe ich euch ja erzählt, welche Kräfte ihr habt. Also, wollen wir mit den Übungen beginnen.«

Als Tobi seine letzten Worte gesprochen hatte, transportierte er alle auf eine Art Sportplatz, der ringsherum von weißem Nebel umgeben war. Auf dem übergroßen Spielfeld waren etliche Gegenstände aufgebaut. Ein paar alte Vogelscheuchen waren da, auf einem Balken waren Flaschen aufgestellt, dann gab es noch ein paar Papierstapel, und so weiter. In einer Ecke befand sich auch ein großes Gehege mit Hasen.»

»Lasst uns mit den mentalen Kräften beginnen. Flo und Andy, ihr könnt alleine üben gehen, ich werde später zu euch sehen.«

Flo und Andy gingen zu ihren Plätzen, während Tom und Martin angeregt Tobis Worten zuhörten.

»Also, zuerst zu dir Tom. Du musst dir ein genaues Bild machen von dem Ort, an den du dich projizieren willst. Das soll heißen, du kannst nur an Orte gelangen, die du auch kennst. Zumindest für den Anfang. Mit der Zeit braucht die Ortsbeschreibung immer ungenauer zu sein, dann ist es nur noch wichtig, du kennst die Person, zu der du gelangen willst. Aber vorerst musst du dir den Raum in deinen Gedanken genau herstellen. Und wenn nur ein Grashalm falsch steht, wird es nicht gelingen. Später kannst du auch andere Leute mit dir nehmen, du musst nur eine körperliche Verbindung mit ihnen herstellen, also sie an den Händen fassen, oder so. Aber dazu bedarf es einer Menge Übung, und, das ist jetzt wichtig für euch beide. Ihr dürft euch während der Ausführung nicht ablenken lassen, sonst geht es schief. Also wirklich konzentriert sein ist mit das Wichtigste. Versuch einfach mal einen Meter von hier entfernt hin zu projizieren. Inzwischen werde ich Martin etwas erklären, wie er die Zeit anhält.«

»Aber wie soll ich mich denn an einen anderen Ort projizieren, wenn er die Zeit anhält?«

»Das ist kein Problem. Martin kann nur für andere die Zeit anhalten, wir werden davon nicht beeinflusst. Also er kann seine Mutter erstarren lassen, einen Bösen, die Kaninchen dort hinten, aber niemals uns. Wie schon einmal erwähnt, die Kräfte können uns nicht verletzten.«

Tom versuchte sich an einen anderen Ort zu projizieren, aber es klappte nicht. Immer wieder warf er Blicke zu Martin, um zu sehen, ob er mit seinen Hasen schon Erfolg hatte.

»Also Martin, auch du musst dir vorstellen, dass die Hasen sich nicht mehr bewegen. Am Anfang ist es schwer, da du keinen genauen Punkt fixieren kannst, da sie sich ständig bewegen, aber mit der Zeit wirst du geübter und es bedarf nur noch einem kurzen Blick, bis alles erstarrt ist. Ach ja, anfangs ist deine Kraft noch sehr schwach, also die Objekte bleiben nicht lange in ihrer Erstarrung, aber mit etwas Übung kannst du sie auch über einen längeren Zeitraum fixieren. Noch etwas Wichtiges, wenn du in einem Raum bist, dann kannst du nur die Leute und Gegenstände in diesem Raum erstarren lassen. Auf Leute außerhalb dieses Raumes wirkt deine Kraft nicht und sei vorsichtig. Sobald jemand Fremdes den Raum betritt, wird die Erstarrung aufgelöst. Und nun versuch es mal.«

Tom und Martin übten fleißig ihre Kräfte auszuführen, aber anfangs scheiterten beide. Nach und nach gelang es Martin die Hasen für ein paar Sekunden zu fixieren, aber viel zu schnell waren sie wieder aus ihrer Starre befreit und sprangen wild in ihrem Gehege herum. Tom ging es nicht besser. Auch er stand am Anfang immer wieder an seinem alten Platz, so sehr er sich auch konzentrierte, es wollte einfach nicht gelingen. Plötzlich löste sich sein Körper auf, aber Bruchteile einer Sekunde später war er wieder an der gleichen Stelle, an der er gerade gestanden hatte.

»Du bist auf dem richtigen Weg«, rief ihm Tobi zu.

Tobi ging herum und gab den Übenden seine Anweisungen und Tipps, wie sie es noch besser machen konnten. Nach unzähligen Übungsversuchen holte er die beiden zu sich.

»Also, das reicht für heute. Ihr könnt auch daheim diese Übungen machen, es ist sehr wichtig, dass ihr schnell die Sachen drauf habt. Wichtig ist nur, übt nicht außerhalb eines eurer Häuser. Ihr könnt auch zusammen üben, aber immer in der Wohnung eurer Eltern. Dort können euch die Schattenläufer nicht aufspüren, da um das Haus durch eure Kräfte eine Art Schutzschild gelegt wurde, aber eben nur um eure Häuser. Also versucht nicht auf der Schultoilette oder sonst wo eure Kräfte einzusetzen. Dort könnten euch die Schattenläufer aufspüren und angreifen und für einen Kampf seid ihr noch nicht bereit. Und noch etwas. Übt nur, wenn keine Fremden in eurer Nähe sind, und schließt die Zimmertür und den Vorhang, damit euch niemand sieht, sonst werdet ihr noch vom FBI abgeholt.« Tobi lachte, und auch Tom und Martin konnten sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Nachdem sich die Jungs verabschiedet hatten, machten sie sich auf den Weg nach Hause, natürlich nicht zu Fuß.

An diesem Abend waren Tom und Martin in Toms Zimmer und schauten etwas fern. Fest aneinandergekuschelt saßen sie auf seinem Bett und zärtlich streichelte Martin über Toms Arm. Plötzlich stand Tom auf und ging zum Fenster, auf das der Regen prasselte. Tropfen um Tropfen fand sich und rann das Glas herunter. Tom starrte auf die Straße. Irgendwo in der Ferne flackerte eine alte Laterne.
Martin beobachtete Tom, der nun schon längere Zeit am Fenster stand. Hin und wieder fuhr ein Auto vorbei und seine Lichter erhellten die Straße, nur um sie im nächsten Moment wieder in mondbeschienenes Grau zu verwandeln. Es war eine bedrückende Stille im Raum. Irgendwann durchbrach Martin dieses Schweigen.

»Tom, was ist mit dir?« fragte er sanft.

»Nichts.«

»Doch, ich kenn dich inzwischen ganz gut, und ich weiß, wann mit dir etwas nicht stimmt.«

»Ach, lass uns schlafen, wir müssen morgen wieder in die Schule.«

Tom löste sich vom Fenster und zog sich seine Kleidung aus. Auch Martin machte sich bettfertig, und kurze Zeit später lagen die beiden auch schon im Bett.

»So, was ist los?«, mit Entschlossenheit fragte Martin noch einmal.

»Ich habe Angst«, erwiderte Tom.

»Ich auch.«

Fest umarmte er Tom und gab ihm einen zärtlichen Kuss. Und kurze Zeit später lagen die beiden friedlich in ihren Armen und schliefen. Sie konnten ja nicht wissen, was bald passieren würde. Denn nicht weit weg von Toms Haus unterhielten sich einige düstere Gestalten ...

To be continued

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