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Liebe und Vertrauen
Teil 3
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Informationen
- Story: Liebe und Vertrauen
- Autor: sika
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Coming Out
Inhaltsverzeichnis
- Alkohol
- Neuer Arzt
- Hamburg
- Christian / Sylvia
- Selbstfindung
- Krankenhaus
- Streit
- Berlin
- Die Abschlussfeier
Alkohol
Luka und Frank waren mit einigen Leuten aus ihrem Studiengang in der Kölner Altstadt unterwegs. Sie hatten in der Woche die Leistungsnachweise und Beurteilungen zu ihren Vordiplomen erhalten und hatten nun einen guten Grund zu feiern. Luka hatte mit Auszeichnung bestanden, auch Frank war mit seiner Benotung zufrieden.
Sie zogen durch einige Kneipen und waren auch schon mehr als angeheitert.
Luka, der sonst eher nur Bier trank, ließ sich diesmal zu einigen Cocktails überreden, was ihm natürlich überhaupt nicht bekam.
Ihm wurde furchtbar schlecht. Er schaffte es gerade noch bis zur Toilette um sich über die Schüssel zu hängen.
Frank kam direkt hinter ihm, auch er hatte mindestens genau so viel getrunken, konnte sich aber noch halten.
Nachdem sein Magen sich halbwegs wieder beruhigt hatte, verließen ihn die Kräfte und er sackte völlig fertig auf den Boden.
"Luka-Schatschi, allesch klaaar bei diiiiirrr?", lallte Frank besorgt.
Luka saß mit geschlossenen Augen an der Wand gelehnt und konnte nur noch die Hand mit einem Victoryzeichen heben.
"Hmmm..."
"Scholln wir Tom ruuuuufn?"
"Hmmm..."
"Ok, ischhh maaach das schoooon. Duu bleibscht einfach hier schitschen.
Ischhhh schaffffff dassss."
Er kramte in Lukas Hosentasche rum und nach einiger Zeit hatte er das Handy in der Hand.
Es dauerte natürlich etwas, bis er auf dem Display Toms Namen gefunden
hatte und auf `anwählen` drücken konnte.
Tom wartete im ´Brothers`. Eigentlich war ausgemacht, dass sie sich zum Schluss hier treffen wollten, um gemeinsam nach Hause zu fahren.
Es war schon ziemlich spät, als sein Handy klingelte. Am Klingelton erkannte er sofort, dass es Luka war.
"Hallo mein Engel!"
"Tommmm? Bischu daaaas?"
"Frank? Was ist passiert? Wo ist Luka?" Toms Herz setzte vor Schreck kurz aus.
"Allesch klaaar. Hihi. Er ischt hier bei mir, auf´m Boden hihi... ähm... kann schu kommeeeen..."
"Was? Was ist mit Luka? Wo seid ihr?" Langsam stieg Panik in Tom hoch.
"Der hat gekooooozzzzt aber jesch schläääft er wie ´n Bääääbiiii.“
„Frank, wo seid ihr?“ Einmal tief durchatmen.
„Wiiir schind im Baracuda... aufm Klooo. Komm schu."
"Ja, bin schon unterwegs. Bleibt einfach da. Ich komme!", und schon machte er sich im Laufschritt auf den Weg.
Tom eilte durch die Straßen und hatte auch schnell das ´Baracuda` erreicht.
Zielstrebig eilte er Richtung Toilette und sah Luka in einer Kabine auf dem Boden sitzend selig schlafen. Frank stand an der Tür gelehnt, hatte aber auch die Augen geschlossen und hielt noch immer das Handy in der Hand.
„Hey, Frank. Wach auf.“ Tom tippte ihn kurz an und dieser öffnete auch sofort die Augen.
„Allesch klar! Hab allesch unter Kontrollllle. Ihm isch nix passiiiiert. Allesch in Ordnung.“
„Ja, hast du prima gemacht. Könntest du da jetzt bitte rauskommen. Ich will zu Luka.“
„Klaaar maaach isch.“
Frank schlich an der Wand entlang und machte Platz. Tom kniete sich sofort zu Luka. Untersuchte ihn zuerst fachmännisch und nahm ihn dann in den Arm.
„Luka, aufwachen.“
„Schlaaafn, lass mich schlaaafn.“, lallte Luka ganz leise vor sich hin.
„Nein Luka, du musst aufwachen, wir fahren jetzt nach Hause.“
„Nein, ich will hier schlafen.“ Er versuchte sich rumzudrehen und wenn Tom ihn nicht festgehalten hätte, wäre er mit dem Kopf auf den Boden geknallt.
„Luka bitte, du kannst hier nicht schlafen. Komm, steh auf. Ich helfe dir.“
Er stand mit Luka im Arm auf und führte ihn zum Waschbecken. Er machte ein paar Tücher nass und legte sie Luka auf die Stirn.
„Bäh, das ist kalt und nass.“ Luka wehrte sich und wollte die Tücher wegdrücken, schaffte es aber nicht.
„Du musst endlich wach werden.“
Langsam zeigte es auch Wirkung. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis Luka so wach war, dass ihm bewusst wurde wo er war. Er warf sich etwas Wasser ins Gesicht und spülte sich den Mund aus.
„Puh, bin ich voll. Aber so viel hab ich gar nicht getrunken. Nur ein paar von den leckeren Cocktails.“
„Wenn du sonst nur Bier oder Wein trinkst, haut das natürlich voll rein. Wie fühlst du dich?“
„Ziemlich KO und müde. Bringst du mich ins Bett.“ Er lehnte seinen Kopf an Toms Schulter und schlief fast wieder ein.
„Hey, Luka, jetzt schlaf nicht wieder ein. Wir müssen Frank auch mitnehmen.“
Der stand noch immer dösend an der Wand neben der Tür, mit dem Handy in der Hand.
Tom legte Luka einem Arm um die Schulter, nahm Franks Hand und führte sie raus.
„Na kommt, ihr Saufbrüder, wir gehen nach Hause.“
Es dauerte natürlich etwas, ehe er mit den Beiden sein Auto erreicht hatte und sie dann endlich fahren konnten.
Als sie in der Garage hielten, hatte er wieder große Mühe die Beiden wach zu bekommen und sie ins Bett zu verfrachten.
Am nächsten Morgen war Toms erster Gang ins Bad. Als er wieder zurück ins Schlafzimmer wollte, blieb er an der Tür stehen und betrachtete Luka, wie dieser so verführerisch dalag. Er hatte ihn am Abend bis auf die Boxer ausgezogen, doch diese war nun ein wenig verrutscht und gab einen guten Blick auf das knackige Hinterteil frei.
Luka wurde auch langsam wach, ihm fehlte wohl die angenehme Wärmequelle. Er drehte sich ein wenig, machte die Augen auf und sah Tom im Türrahmen stehen.
„Aaah, los schimpf schon mit mir, wie blöd ich bin, den ganzen Scheiß zu trinken.“
„Du bist wunderschön.“ Tom kam langsam auf das Bett zu.
„Was???“
„Weißt du eigentlich, wie verführerisch du gerade jetzt aussiehst?“
„Ich muss furchtbar aussehen, so wie ich mich fühle.“ Er zog die Decke über sich.
„Hast du Kopfschmerzen oder tut dir irgendwas weh?“ Tom streichelte ihn sanft über die Wange.
„Nein, ich glaub nicht. Aber ich fühle mich als hätte ich die ganze Nacht durchgekotzt.“
„Naja, hast du ja auch. Das war auch dein Glück. Du scheinst das Meiste der Kloschüssel übergeben zu haben und das ist besser als wenn du alles noch in deinem Körper hättest.“
Tom legte sich wieder ins Bett.
„Ich habe vielleicht einen Schreck bekommen als Frank an deinem Handy war. Aber er hat das einzig Richtige getan, wir sollten ihm dankbar sein.“ Er zog Luka zu sich heran.
„Er hat dich angerufen? Das habe ich gar nicht mitgekriegt.“
„Als ich kam hast du auf dem Boden gesessen und geschlafen, dann habe ich dir einen nassen Lappen auf die Stirn gelegt.“
„Ah ja, ich glaube daran kann ich mich wieder erinnern. Bäh, der Geschmack danach war voll eklig.“
„Möchtest du was trinken? Oder essen? Ich hole dir was.“
„Etwas zu trinken wäre nicht schlecht. Ich glaube essen kann ich noch nichts.“
Tom reichte ihm eine Flasche, die er noch neben dem Bett stehen hatte und Luka trank auch gierig.
Nach einer Weile ging er kurz ins Bad. Nachdem er sich erleichtert und die Zähne geputzt hatte, rief er: „Schaaaatz, hilft du mir beim Duschen?“
„Aber gerne doch, meine Engel.“
Neuer Arzt
Tom saß an seinem Schreibtisch und sprach noch einige Krankenberichte in sein Diktiergerät, als ihn Klaus zu sich rief.
Er war inzwischen nicht mehr in der Notaufnahme, sondern auf Station, um sich dort intensiv auf die Facharztprüfungen vorzubereiten.
Er machte noch seinen Bericht fertig und ging dann rüber.
"Ah, hallo Tom, darf ich dir Dr. Christian Mertens vorstellen. Er ist ein neuer Assistenzarzt hier in der Inneren. Er interessiert sich sehr für das Projekt, und das ist Dr. Thomas Hollbach."
"Guten Tag, Dr. Mertens, freut mich Sie kennen zu lernen.", begrüßte Tom den Neuen und reichte ihm die Hand.
"Ja, freut mich auch außerordentlich, Professor Schumann hat mir schon einiges über Sie und Ihr HIV-Patienten-Betreuungs-Projekt erzählt und ich finde das absolut toll. Wenn man selbst homosexuell ist, hat man doch direkt einen besseren Draht zu der Szene. Die Homos und Junkies lassen sich doch bestimmt viel lieber von ihresgleichen untersuchen. Verstehen Sie mich jetzt bitte nicht falsch. Ich bin selbst homosexuell. Ich finde das einfach nur toll und würde mich gerne auch in das Projekt einbringen." Während er sprach hielt er Toms Hand die ganze Zeit fest. Tom musste sie ihm fast gewaltsam entziehen.
Er fühlte sich ein wenig überfahren von der direkten Art des neuen Arztes und sah dann Klaus fragend an.
"Entschuldige Tom, wenn ich schon zu viel gesagt habe, aber ich finde du könntest etwas medizinische Unterstützung brauchen. Diesen Part übernimmst du inzwischen ja ganz alleine. So hast du eventuell etwas mehr Zeit für die Arbeiten im Labor und deinen Abschluss. Dr. Mertens musste wegen seiner Homosexualität die Klinik wechseln. Er wird dann hier seine Facharztprüfungen ablegen. Es gibt doch leider immer noch viel zu viele intolerante Menschen, die in einer anderen sexuellen Neigung ein Problem sehen."
"Ja, tut mir leid, dass Sie deswegen Schwierigkeiten hatten.“, sagte Tom zu
Dr. Mertens, dann wand er sich wieder zu dem Professor: „Vielleicht hast du ja Recht. Ich könnte schon Unterstützung brauchen, das kommt nur etwas plötzlich.“
Wieder zu dem Neuen: „Aber ok! Dr. Mertens, Sie können ja dann Freitagnachmittag bei uns vorbei schauen, dann zeige ich Ihnen alles und stelle Sie meinen Leuten vor."
"Ja gerne, ich freue mich jetzt schon darauf, Dr. Hollbach." Christian sah ihn strahlend an.
"Gut, dann sehen wir uns am Freitag."
Tom ging dann wieder in sein Behandlungszimmer und machte die nächsten Berichte fertig.
Freitagnachmittag nahm Tom Dr. Christian Mertens mit zu dem Anbau direkt hinter dem Labor, in dem die Räumlichkeiten für das Projekt waren. Er wollte ihn gerade vorstellen, als er zu einem Patienten gerufen wurde.
"Sorry, ich muss wieder auf Station. Sarah, könntest du ihm bitte alles zeigen." Er sah sie bittend an.
"Klar doch und ab mit dir."
"Danke." Tom lief schnell rüber.
"Ja also, wie du gerade gehört hast, ich bin Sarah, Psychologiestudentin und für die seelische Betreuung zuständig.“, stellte Sarah sich vor. „Tja, hier geht alles etwas lockerer zu, wir duzen uns alle. Ich hoffe das ist für dich in Ordnung."
"Ja sicher, gerne, ich bin dann Christian."
"Gut, dann komm mal mit."
Sarah führte ihn dann in alle Räume, stellte die anderen Mitarbeiter vor und erzählte ihm, was so alles gemacht wurde usw.
Luka, der gerade an einer Statistik arbeitete, begrüßte den neuen Arzt auch sehr freundlich, in der Hoffnung, dass Tom ein wenig mehr Zeit für ihn hätte.
Tom wurde wieder auf Station aufgehalten.
Das war der einzige negative Punkt in ihrer Beziehung: Tom hatte wenig Zeit.
Wenn er dann ein Wochenende frei hatte, hatte er andere Verpflichtungen, wie
z. B.: die Aidshilfe, mit ihren diversen Veranstaltungen oder er musste lernen, oder etwas schriftlich vorbereiten, oder er war einfach nur müde und kaputt von den langen Diensten.
Zwischendurch machte er kurz per Telefon mit Luka aus, dass er ruhig am Abend schon mal vorgehen sollte. Sie würden sich dann im Club treffen.
Als Tom dann endlich Schluss machen konnte und sich gerade umzog, kam Christian in das Umkleidezimmer, bewunderte Toms freien Oberkörper und ging auf ihn zu.
"Haaaalllllloooo!!!", sagte er extra lang gezogen und strich einfach mit einer Hand über Toms Brust.
"Hey, was soll das?" Tom ging einen Schritt zurück.
"Du bist wunderschön, ich muss dich einfach anfassen." Christian sah ihn weiter unverblümt an.
"Lass das gefälligst!", sagte Tom entschieden, griff sich sein Hemd und zog es schnell über.
"Och, schade. Ich würde gerne mehr von dir sehen."
"Vergiss es, ich habe einen festen Partner." Tom drehte sich zur Seite und schlüpfte in seine Schuhe.
"Ach, das macht doch nichts." Christian lächelte ihn zuckersüß an.
"Das macht sehr wohl was, ich liebe meinen Freund." Schnell band er sich die Schuhe.
"Er muss es ja nicht wissen. Ich werde ihm bestimmt nichts verraten. Hast du heute schon was vor?"
"Ja allerdings, ich werde jetzt ins „Brothers“ gehen und meinen Freund dort treffen." Mit der Jacke in der Hand ging Tom zum Ausgang.
"Ist das ein Homo-Club?“ Christian folgte ihm dreisterweise.
"Ja, ist es."
"Kann ich mit?“, bettelte er mit Hundeblick. “Ich meine, ich bin ja noch neu in der Stadt und vielleicht sind da ja noch mehr so Prachtexemplare wie du."
Tom überlegt einen Moment.
"Naja, wenn du im Projekt mitarbeiten willst, solltest du dich ja auch in den Clubs sehen lassen. Aber konzentriere dich bitte auf die Anderen, ok."
"Ja, ja, ich hab schon kapiert.", meinte Christian, aber er dachte nicht im Traum daran Tom in Ruhe zu lassen.
Tom nahm also Christian mit und sie fuhren ins „Brothers“.
Sie gingen zu der Stammecke und es kam auch sofort ein Kellner mit einem vollen Tablett und sie nahmen sich jeweils ein Getränk.
Da Christian keinen Freund sah der Tom begrüßte, startete er gleich den nächsten Versuch.
"Durch das Projekt duzen wir uns ja alle, wir müssen also unbedingt noch Brüderschaft trinken." Er zog Tom einfach an sich und zwang ihm einen Kuss auf und wollte auch mit seiner Zunge in Toms Mund eindringen. Aber Tom schubste ihn sofort wieder von sich und sagte:
"Ich hatte doch gesagt, du sollst das lassen. Verdammt!"
Luka stand an einer Ecke der Theke und sprach gerade mit jemand, den er von der Uni kannte, als er Tom endlich kommen sah, mit Christian im Schlepptau. Diese gingen in die Stammecke der WG. Dann konnte Luka nur noch sehen, wie Christian seinen Arm um Tom legte, ihn an sich zog und küsste, aber Tom ihn auch sofort ärgerlich wieder wegdrückte.
Auf dem Weg nach oben zu seinem Patienten ging Tom dann zu Luka und begrüßte ihn zärtlich, was Christian von seinem Platz aus nicht sehen konnte.
„Hallo, mein Engel.“, flüsterte er ihm ins Ohr und hauchte einen Kuss darauf.
„Was war das denn gerade?“, begrüßte er Tom ein wenig eifersüchtig.
„Du hast es gesehen?“
„Ja sicher, war ja eindeutig.“
„Ach, das darfst du nicht so eng sehen. Weil wir uns vom Projekt alle duzen, wollte er unbedingt Brüderschaft trinken.“, schwächte Tom ab.
„Na, die Anderen und mich hat er aber ohne Kuss geduzt.“
„Nicht eifersüchtig sein, mein Engel. Ich liebe nur dich.“, sagte Tom und gab Luka einen Kuss auf die Nasenspitze. „Hör mal, ich gehe noch kurz zu Pete hoch, dann können wir auch sofort nach Hause fahren. Ich habe keine große Lust mehr lange hier zu bleiben. Ich will lieber mit dir alleine sein.“
„In Ordnung, bis gleich dann.“ Das stimmte Luka doch gleich wieder versöhnlicher.
„Gib mir ein paar Minuten. Ok.“
Während Tom bei Pete war, stellte sich Luka wieder zu den Leuten aus der WG. Christian sprach ihn auch gleich an.
"Hallo, wir kennen uns doch, du hilfst auch beim Projekt mit?"
"Ja, und?" Luka war ein kleines bisschen angesäuert.
"Hast du Toms Freund hier schon gesehen?", fragte Christian ihn direkt.
"Wie bitte?" Luka traute seinen Ohren nicht und sah Christian verwirrt an.
"Ich bin mal gespannt, wie der aussieht? Das muss ja „der Supertyp“ sein.", plapperte dieser weiter und trank an seinem Bier.
"Ach ja, wieso das denn?" Bei Luka klingelten jetzt alle Alarmglocken.
"Naja, wenn er „Mich“ zurückweist! Er wollte sich hier mit ihm treffen, aber der scheint ihn ja versetzt zu haben."
"Hab ich das jetzt richtig verstanden, du willst also was von Tom?", fragte Luka zur Sicherheit noch mal nach.
"Ja allerdings, er ist einfach zum anbeißen.", schwärmte Christian weiter.
"Ach, wirklich. Ist mir noch gar nicht aufgefallen." Luka schüttelte innerlich den Kopf und dachte bei sich: Na den werde ich ein bisschen ärgern.
"Naja, für dich ist er natürlich viel zu alt. Aber für mich ist er genau richtig." Christian war sehr von sich überzeugt.
"Echt, sag bloß." So langsam stieg in Luka wieder Wut hoch.
"Ich krieg ihn schon noch rum. Eben hab ich ihn gesehen, als er sich umgezogen hat. Wow, hat der einen Body.", schwärmte Christian mit leuchtenden Augen.
"Du hast ihn nackt gesehen?" Luka konnte es nicht fassen. Er hätte ihm am liebsten den Hals umgedreht.
"Naja, zumindest oberhalb, aber das lässt auf so manches schließen."
"Ach ja! Was ist, wenn er dich nicht will?"
"Och, ich habe noch jeden gekriegt, den ich wollte. Man hat ja so seine Tricks. Die Tatsache, dass sein Freund nicht da ist, steigert meine Chancen ungemein."
"Na, wenn du meinst."
Jetzt sah Luka wie Tom schon Richtung Ausgang unterwegs war und ihm ein Zeichen gab ihm zu folgen.
Da Christian mit dem Rücken zum Ausgang stand, konnte er das nicht sehen.
"Na, ich wünsche dir dann viel Erfolg, man sieht sich." Luka nahm sich seine Jacke, verabschiedete sich von den anderen und ging raus zum Auto, wo Tom schon wartete.
"Was grinst du denn so?", wollte Tom wissen, während sie in den Wagen stiegen und losfuhren.
"Och, ich habe gerade ein wenig deinen Christian verarscht.", lachte er frech vor sich hin.
"Er ist nicht mein Christian. Aber ok, ein wenig ärgern kannst du ihn ruhig. Er ist ziemlich von sich eingenommen. Was war denn?"
"Och, da fragt der mich doch tatsächlich, ob ich deinen Freund gesehen hätte."
"Du hast ihm natürlich nicht gesagt, dass er vor ihm steht." Tom musste an einer roten Ampel anhalten und nutzte die Gelegenheit seinem Engel schnell einen Kuss zu geben.
"Ich konnte mich so gerade noch beherrschen. Er will noch einiges anstellen um dich zu kriegen."
"Aber da hat er leider Pech gehabt, ich bin schon an einen süßen, jungen Blondschopf vergeben, den ich über alles liebe."
"Das will ich aber auch hoffen."
Zu Hause machten sie es sich dann richtig gemütlich und verbrachten eine romantische Nacht zusammen in der sie sich gegenseitig ihre Liebe zeigten.
Bei der täglichen Visite begegnete Tom immer wieder Christian, der es auch irgendwie mehrmals schaffte ihn zu berühren oder zu mindest sehr nah bei ihm zu stehen. Bei den ersten paar Malen konnte Tom es noch als Zufall ab tun, aber
nach der vierten und fünften Berührung sah er ihn böse an, sagte leise: "Lass das!" und stellte sich an die andere Seite.
Am zweiten Tag zog Christian das Gleiche ab, dann nervte es Tom doch schon gewaltig.
Mittwoch nach der Visite fragte Christian doch tatsächlich dreisterweise, ob Tom nach Dienstschluss mit ihm zusammen was Essen wollte.
"Nein, ich treffe mich gleich mit meinem Freund."
"Möchtest du ihn mir nicht mal vorstellen, wir können ja auch zu dritt was Essen?"
"Nein, das können wir nicht! Ich möchte mit ihm alleine sein. Wann kapierst du es denn endlich?" Damit drehte Tom sich um und ließ Christian einfach stehen.
Tom kam heute sogar pünktlich raus und ging dann gemütlich rüber zur Uni um Luka abzuholen.
Er bemerkte nicht, dass Christian ihm folgte.
Dieser staunte nicht schlecht, als er sah wie Tom Luka sehr innig und liebevoll begrüßte und sie dann Händchen haltend zu Toms Wagen gingen und zwischendurch kleine Streicheleinheiten austauschten. Christian kochte vor Wut.
<Diese kleine Mistkröte, na denen werde ich aber die Suppe gewaltig versalzen.>
Da Tom ab Samstagmittag Dienst hatte, fuhr Luka nach Hause. Sie hatten dafür den Freitagabend ausführlicher genossen.
Als am Sonntag Christian dann mit Tom alleine in einem Raum war, bemitleidete er ihn zuerst wegen des Wochenenddienstes und schwärmte dann von einer irren Discothek: "Und rate mal, wen ich da gesehen habe. Diesen Luka, der auch im Projekt mithilft, er war dort mit einem Typ wild knutschend auf der Tanzfläche."
"Ach wirklich!" Tom sortierte gerade die Akte eines Patienten und sah noch nicht mal hoch.
"Ja, er fummelte in der Hose des anderen und hat niemanden mehr um sich herum wahrgenommen.", setzte er noch eins drauf.
"Na, dann hatte er wenigstens seinen Spaß!"
Christian wunderte sich schon sehr über die relaxte Reaktion "Was? Du lässt dir das gefallen?“ Er steigerte sich so noch mehr in seine Wut: “Ich weiß, dass ihr zusammen seid. Ich habe euch gesehen. Tom, wach auf! Er betrügt dich! Du musst unbedingt Schluss machen. Du hast was viel Besseres verdient als diese kleine untreue Kröte." Er fasste Tom am Arm und wollte ihn zu sich ziehen.
"Stopp! Bevor du weiter redest.“ Tom befreite sich von Christians Arm. „Zufällig weiß ich, dass Luka das Wochenende überhaupt nicht hier in Köln war, also kann er auch unmöglich in dieser Disco gewesen sein. Warum belügst du mich? Du hast ihn überhaupt nicht gesehen. Jetzt lass mich in Ruhe mit deinen falschen Verleumdungen. Ich weiß dass Luka mich niemals betrügen würde." Er schubste ihn weg und verließ den Raum.
Hamburg
Tom kam ziemlich müde aus seiner Nachtschicht nach Hause als Cora ihm gleich erzählte, dass seine Cousine Kristina angerufen hatte und er möglichst bald zurück rufen sollte. Da seine Cousine noch nie angerufen hatte, machte er sich natürlich Sorgen.
Er aß noch eine Kleinigkeit und ging dann hoch in seine Wohnung um in Ruhe
telefonieren zu können.
Er wählte die Nummer, die Cora notiert hatte und wartete ab.
Nach dem 5. Klingeln:
"Kristina Hollbach!"
"Hallo Kristina, hier ist Thomas! Was ist passiert?"
"Ah, hallo Thomas. Schön dass du so schnell zurück rufst. Du wunderst dich wahrscheinlich ziemlich über meinen Anruf. Wie geht es dir?"
"Mir geht es gut. Aber du rufst doch sicher nicht an, weil du wissen willst wie es mir geht. Jetzt sag schon, was ist los bei euch in Hamburg?"
"Ja genau, das ist richtig. Ich... ähm ... ich weiß gar nicht wie ich anfangen soll.“, druckste Kristine rum, aber dann sagte sie: „Also es geht um unsere Oma, sie ist gefallen und liegt jetzt im Krankenhaus mit Oberschenkelhalsbruch."
"Und was sagen die Ärzte?", wollte Tom wissen.
"Ja, das ist ja das Problem. Die Ärzte sagen sie müsste operiert werden, irgendwelche Schrauben oder so. Ich kenne ja nichts davon. Aber Oma weigert sich. Sie will nie wieder laufen oder am liebsten nur noch sterben. Sie hört nicht auf uns und stellt sich total stur. Die Ärzte sagen, es wäre nur ein ganz normaler Eingriff, aber sie brauchen Omas Einverständnis, aber sie will nicht."
"Und du meinst, auf mich würde sie hören?", fragte er zweifelnd.
"Naja, es wäre zumindest ein Versuch. Immerhin studierst du doch Medizin."
"Eigentlich bin ich ja sogar schon fertig mit meinem Studium, aber das ist sicher nicht bis zu euch durchgedrungen."
„Du hast schon deinen Doktor?, fragte Kristina überrascht: „Nein, das wussten wir nicht. Hier wird ja über dich nicht gesprochen. Dein Vater schweigt sich ja aus."
„Ja, schon lange. Ich stecke mitten in den Vorbereitungen zu den Prüfungen zum Facharzt.“ Tom hatte auch nichts anderes erwartet.
"Oma weiß es aber."
"Ja mag sein, sie weiß zumindest mehr als wir. Deshalb sind wir ja auch auf dich gekommen. Oma hat nämlich zwischen zwei Weinanfällen gesagt: <Ach, wenn Thomas doch hier in Hamburg wäre.> Da fiel uns ein, dass du ja nach Köln gegangen bist um Medizin zu studieren."
Nach einer kurzen Pause sagte er dann: "Ich muss sehen ob ich meinen Dienst so verschieben kann, dass ich nach Hamburg komme. Weißt du was, ich versuche hier das irgendwie zu regeln und dann rufe ich dich wieder an."
"Oh ja, das ist doch mal ein Wort. Wir hatten so gehofft, dass du das sagen würdest.“ Man hörte gleich die Erleichterung in ihrer Stimme. „Sie wird bestimmt auf dich hören. Sag Bescheid, wann du kommst. Bis dann."
"Ja, tschüß."
Tom brauchte etwa eine Stunde um seinen Dienst so zu verschieben oder mit Kollegen zu tauschen, dass er ab Freitagmittag frei hatte. Dann rief er noch Luka an.
"Hallo, meine Engel, was hältst du von einem Wochenende in Hamburg?"
"Hallo, Schatz. Wie? Ein Wochenende in Hamburg?"
Tom erklärte Luka alles.
"Also, wir fahren Freitag direkt nach der Uni los, das heißt du fährst und ich schlafe, weil ich dann wahrscheinlich total K.O. bin und wir kommen Sonntag wieder zurück."
"Und du hältst es für eine gute Idee, dass ich mitkomme?"
"Ja natürlich will ich dass du mitkommst. Ich brauche dich doch. Ich zeige dir dann Hamburg, wir können eine Hafenrundfahrt machen oder so, alles was du willst."
"Meinst du nicht, dass du lieber die Zeit mit deiner Familie verbringen solltest?"
"Nein, meine ich nicht. Ich werde natürlich als erstes zu meiner Oma ins
Krankenhaus fahren und da alles regeln. Meine Verwandten muss ich nicht unbedingt sehen. Ich habe sie vor vier Jahren das letzte Mal gesehen, zu Omas fünfundsiebzigsten Geburtstag."
"Und deinen Vater?"
"Ich glaube nicht, dass er mich sehen will. Aber das werden wir ja merken, wenn wir da sind."
"OK, dann auf nach Hamburg."
Es würde schon ziemlich anstrengend werden, aber Luka freute sich auch darauf. Wenn das mit der Oma geklärt war, würde er Tom für sich haben. Kein Krankenhaus, keine Kneipenbesuche, nur er und Tom.
Sie machten es so wie besprochen und Luka fuhr die ganze Strecke. Bis er kurz vor Hamburg auf einen Rastplatz abbog und Tom mit einem zärtlichen Kuss aufweckte. Sie tranken Kaffee und aßen eine Kleinigkeit und dann setzte sich Tom hinters Steuer. Er kannte sich ja besser in Hamburg aus.
Als sie das Krankenhaus erreichten, war es schon früher Abend und Tom machte sich auch sofort auf den Weg zu seiner Oma.
Als Tom das Krankenzimmer seiner Oma betrat, brach sie sofort in Tränen aus. Tom ging auf sie zu und versuchte sie zu beruhigen. Erst nach einer ganzen Weile konnte sie wieder sprechen: "Thomas, meine Junge, du bist wirklich hier."
"Ja Oma, Kristina hat mich angerufen und gesagt, dass du hier liegst. Jetzt erzähle mir wie das passiert ist."
Sie erzählte ihm alles und er schaffte es immerhin schon, dass sie nicht mehr sterben wollte. Er versprach am nächsten Tag wieder zu kommen und mit den Ärzten zu reden.
Währenddessen blieb Luka im Auto sitzen. Die Fahrt war anstrengend. Er hatte die Rückenlehne runtergedreht und wollte ein wenig entspannen.
Er döste so vor sich hin, als plötzlich eine sehr hübsche, junge, zierliche Frau mit schwarzen, langen Locken an sein offenes Fenster trat und lächelnd zu ihm sagte:
"Entschuldigung, aber ist das vielleicht das Auto von Thomas Hollbach?"
"Ähm, ja. wieso?"
Luka hatte sich etwas erschrocken. Er hatte nicht damit gerechnet angesprochen zu werden.
Er machte die Lehne wieder hoch, sodass er saß.
"Ja, so viele Kölner Autos stehen hier ja nicht rum. Ich bin Kristina Hollbach, Thomas´ Cousine."
"Oh, hallo, mein Name ist Luka Wilke. Ich habe Tom hierher gefahren, damit er schlafen konnte. Er hatte die Nacht durchgearbeitet, um frei zu bekommen."
"Aber warum wartest du denn im Auto? Komm doch mit rein. Wir können doch einen Kaffee trinken. Meine Mutter ist schon vorgegangen, aber ich wollte sehen, wer in dem Wagen sitzt.", plapperte Kristina munter drauf los.
"Ich will aber nicht stören." Er zögerte noch.
"Ach was, jetzt komm schon mit rein."
"Naja, wieso nicht." Luka verriegelte das Auto und folgte Kristina.
Als sie das Krankenzimmer betraten, wurde er dann auch Toms Großmutter und Tante Charlotte vorgestellt.
Sie unterhielten sich noch eine ganze Weile bis Tom dann sagte: "So jetzt sollten wir aber los."
Sie verabschiedeten sich von der Großmutter und auf dem Weg zum Parkplatz fragte Tante Charlotte: "Wo wollt ihr denn jetzt hin?"
"Was essen und dann in ein Hotel, wir sind müde. Ich habe die Nacht durchgearbeitet, damit ich frei bekomme und Luka ist gleich nach der Uni die ganze Strecke gefahren.", antwortete Tom.
"Das kommt ja gar nicht in Frage. Ihr fahrt mit zu uns. Wir haben extra Essen vorbereitet und das Gästezimmer herrichten lassen. Und für deinen Fahrer wird ein weiteres Gästezimmer fertig gemacht."
"Ach, mach dir doch nicht so viele Umstände. Wir können doch auch in ein Hotel."
"Nein, das ist ja wohl das Mindeste, was wir tun können. Du bist immerhin extra aus Köln hierher gekommen und Mutter macht schon wieder einen positiveren Eindruck. Morgen hast du sie bestimmt von der Notwendigkeit der Operation überzeugt. So und jetzt los. Den Weg kennst du ja hoffentlich noch."
"Ja sicher."
Inzwischen waren sie bei den Autos angekommen.
Sie stiegen in den Wagen und Tom seufzte tief durch und fuhr dann los.
"Deine Tante und deine Cousine sind aber irgendwie nett.", meinte Luka als sie schon ein Stück gefahren waren.
"Ja, ich weiß auch nicht, ich habe sie anders in Erinnerung. Vielleicht sind sie so nett, weil sie ja was von mir wollen."
"Wissen sie Bescheid, ich meine weswegen du mit deinem Vater Streit hast?"
"Kein Ahnung, ich glaube nicht. Ich habe mit ihnen nie darüber gesprochen. Ich habe mit ihnen eigentlich noch nie viel gesprochen. Wenn ich in Hamburg war, dann habe ich meine Oma besucht. Die anderen Verwandten habe ich nur auf großen
Feiern getroffen. Ich musste meinem Vater damals versprechen meiner Oma niemals etwas von meiner perversen Neigung zu sagen.“
„Wie verhalten wir uns denn jetzt? Ich meine, ich würde nicht so gerne wo anders schlafen.“
„Natürlich wirst du bei mir schlafen. Ich habe nicht vor, uns zu verstecken. Wenn sie blöde reagieren können wir ja immer noch in ein Hotel.“
„OK, in Ordnung.“
Während der Fahrt erzählte Tom aus seiner Kindheit.
„In dem Haus, zu dem wir jetzt fahren, habe ich gewohnt bis ich ins Internat kam.“
„Wie alt warst du da?“
„Zehn, direkt nach der Grundschule. Dann ist meine Mutter nach Köln zurück. Sie hat es hier nicht mehr ausgehalten. Mein Vater hatte sich schon ein paar Jahre vorher eine Wohnung in Hamburg gekauft, ganz in der Nähe des Geschäftshauses. Seit dem wohnt Onkel Georg mit seiner Familie in dem Haus.“
„Leitet dein Vater das Unternehmen alleine?“
„Nein. Er und mein Onkel leiten die Handelsfirma zusammen die schon mein Urgroßvater aufgebaut hat, also ein altes Familienunternehmen. Mein Cousin Jan ist auch in einer leitenden Position und wird das Ganze wohl mal erben.“
„Und du natürlich nicht?“
„Ach, ich bin doch sowieso das schwarze Schaf der Familie. Erstens ist Jan älter als ich, zweitens zeigte er wohl schon früh seine Fähigkeiten in Mathe und Wirtschaftslehre, woran ich ja nicht so viel Interesse hatte. Ich hatte immer schon lieber Bio, Latein und die sozialen Fächer. Er war übrigens auf dem gleichen Internat, war aber zum Glück schon drei Jahre weg. Er hat von dem ganzen Palaver nichts mitgekriegt.“
„Wird er auch da sein?“
„Keine Ahnung, werden wir ja sehen. Wie gesagt, ich weiß nicht viel über meine Verwandten, nur was Oma mir so erzählt hat. Aber sie wissen ja auch nichts über mich.“
Sie hatten inzwischen die Innenstadt verlassen und fuhren durch umliegende Dörfer, bis sie auf einen riesigen Gutshof fuhren.
„Wow, ist das groß. Hier hast du gewohnt?“
„Ja, aber es sieht toller aus als es ist. Ich habe mich hier nie wohl gefühlt und meine Mutter auch nicht. Mein Vater war nie besonders herzlich zu uns, alles ging hier steif und kalt zu.“
Sie hielten vor den Garagen und stiegen aus. Tante Charlotte und Kristina, die gleich neben ihnen parkten, gingen schon Richtung Haustür und winkten sie heran.
Luka staunte nur wie großzügig das Gebäude auch von innen aussah.
„Kommt rein, ich sage nur eben Bescheid, dass das zweite Zimmer hergerichtet wird.“
„Ach, ähm, Tante Charlotte, das muss nicht sein, wir schlafen in einem Zimmer.“, sagte Tom mit fester Stimme.
„Wie bitte, ich verstehe nicht.“ Tante Charlotte sah ihn verwirrt an.
„Luka ist mein Freund. Wir sind zusammen.“ Um es noch deutlicher zu zeigen legte er einen Arm um Lukas Schulter.
„Ach, du meinst, oh..., dass habe ich nicht gewusst.“
„Wenn das ein Problem ist, können wir auch wirklich in ein Hotel.“
„Nein, wieso denn, das ist überhaupt kein Problem, ich bitte dich, Thomas. In welcher Welt lebst du denn.“
„Naja, es soll Menschen geben, die nicht damit klar kommen, dass ihre Söhne schwul sind.“
„Du meinst nicht zufällig deinen Vater damit? Jetzt wird mir auch so einiges klar. Ihr hattet nicht Streit, weil du nach Köln bist, sondern weil er mit deiner Homosexualität nicht umgehen konnte.“
„Genau so ist es. Er hat mit euch nie darüber gesprochen?“
„Nein, dein Vater ist sehr verschlossen, wenn es um dich geht. Er kommt auch nur noch selten hier raus.“ Sie führte sie durch eine große Türe ins Esszimmer. „So jetzt kommt aber rein und setzt euch, ihr habt sicher großen Hunger. Das Essen wird gleich aufgetragen.“
Sie betraten das Esszimmer und nahmen am Esstisch Platz. Während des Essens musste Tom von seiner Arbeit im Krankenhaus berichten.
Kristina, Tante Charlotte und Onkel Gregor, der inzwischen auch eingetroffen war, hörten sehr interessiert zu und warfen auch immer Zwischenfragen ein. Sie fragten auch nach Luka und seinem Studium.
Als sie fast fertig waren, wurde Onkel Gregor ans Telefon gerufen.
Wenig später ließ er Tom in sein Arbeitszimmer rufen und reichte ihm den Hörer.
„Thomas, dein Vater möchte mit dir sprechen.“
Er musste zuerst tief durchatmen, dann nahm er den Hörer und meldete sich.
„Hallo Vater, hier ist Thomas.“
„Thomas, wie kannst du es wagen auch noch einen deiner Liebhaber mitzubringen.“, schimpfte er gleich los. „Das ist ja wohl die größte Unverschämtheit die du dir leisten konntest. Du hattest doch versprochen, es nicht in der Familie zu verbreiten.“
„Was, ich hatte nur versprochen es Oma nicht zu sagen, mehr nicht und das habe ich auch nicht getan.“, verteidigte er sich. „Außerdem ist Luka mein fester Freund.“
„Gregor sagt, dass er sehr jung ist. Gehörst du jetzt auch noch zu den Pädophilen.
Stehst du nicht nur auf Männer sondern jetzt auch noch auf Kinder? Du bist so was von pervers. Ich schäme mich so einen Sohn zu haben.“
„Aber Vater, so ist das nicht. Luka ist schon 20. Er ist doch kein Kind mehr. Ich liebe ihn.“
„Pah, Liebe. Werde endlich vernünftig.“ Sein Vater wurde immer lauter. „Du bist doch jetzt Arzt, du kommst doch bestimmt an die entsprechenden Medikamente, um diese abartigen Hirngespinste zu heilen.“
„Vater, Homosexualität ist keine Krankheit, deshalb muss man sie auch nicht heilen.“
„Früher gab es auch gewisse Methoden, wie man dagegen vorgehen konnte, aber heute wird so was ja geduldet.“
„Und das ist auch gut so. Vater, warum kannst du mich nicht einfach so akzeptieren, wie ich bin. Ich kann es nicht ändern. Ich bin nun mal schwul, ich liebe Luka und werde hoffentlich für den Rest meines Lebens mit ihm zusammen bleiben.“ Tom versuchte ruhig zu bleiben, doch sein Vater schimpfte aufgebracht weiter:
„Das ist doch lächerlich. Du musst doch endlich zu Verstand kommen. Zwei Männer, das ist doch unmöglich. Du wirst dich sofort von ihm trennen und dir eine Frau suchen. Hast du mich verstanden.“
„Nein Vater, das werde ich nicht. Hier gehen unsere Meinungen absolut auseinander. Es macht keinen Sinn, dass wir uns weiter darüber streiten. Ich werde morgen zu Oma ins Krankenhaus fahren und das mit den Ärzten regeln und dann fahre ich wieder nach Köln und du bist mich wieder los. Machs gut.“
Er legte auf, blieb aber noch sitzen um sich wieder zu beruhigen. Solche Gespräche hatte es schon viele gegeben und sie endeten immer im Streit.
Nach einer Weile ging er wieder ins Esszimmer. Luka blickte ihm beunruhigt entgegen. Tom setzte sich wieder neben ihm. Er drückte ihm zur Beruhigung einen Kuss auf die Lippen und hielt seine Hand.
„Bist du in Ordnung?“, fragte Luka besorgt, als er Toms aufgewühltes Gesicht sah.
„Ja, nur die üblichen Streitigkeiten.“, schwächte er ab.
Onkel Gregor schaltete sich jetzt ein: „Tut mir wirklich leid, wenn du meinetwegen Streit hattest. Hätte ich ihm lieber nicht sagen sollen, dass du hier bist.“
„Nein, nein, das ist schon in Ordnung. Ich hatte ja selber vor ihn anzurufen. Jetzt hat es sich ja damit erledigt.“
„Er kann einfach nicht damit umgehen, dass sein Sohn schwul ist.“
„Er muss es aber irgendwann akzeptieren, denn ich werde mich nicht ändern und ich werde auch meine Liebe zu Luka nicht verleugnen. Das ist eben so und wenn er es nicht kapiert, dann hat er eben Pech gehabt. Ich brauche ihn nicht.“ Damit war für Tom die Sache eigentlich erledigt.
„Ich weiß noch, als er es erfahren hatte.“, erzählte Onkel Gregor. „Da habe ich ihn betrunken in seinem Büro gefunden. Das war das einzige Mal, dass er mit mir darüber gesprochen hat.“
„Du hast das immer schon gewusst?“, fragte jetzt Tante Charlotte überrascht.
„Ja, aber ich musste ihm versprechen, es niemandem zu sagen, auch dir nicht, was ja jetzt hinfällig geworden ist. Er hatte gehofft, dass es nur eine Phase sei und du wieder normal würdest.“
Nach einer Weile sagte Tom: „Tja, die Phase wird mein Leben lang anhalten. Ich glaube, wir werden jetzt zu Bett gehen, es war ein anstrengender Tag.“
Tom nahm Luka an die Hand und eine Angestellte zeigte ihnen das Gästezimmer.
Als die Tür hinter ihnen geschlossen war:
„Oh man, was für ein Tag.“, sagte Luka nur noch. Sie zogen sich aus, kuschelten sich aneinander und schliefen auch beide schnell ein.
Am nächsten Morgen duschten sie nacheinander, frühstückten in aller Ruhe mit Tante Charlotte und Kristina. Dann fuhr Tom mit seiner Tante wieder ins Krankenhaus. Nach einem langen Gespräch mit dem zuständigen Arzt und einer guten Stunde Überredungskünste hatte Tom es geschafft, dass seine Oma zu der notwendigen Operation bereit war. Mit dem Versprechen sie dann in der Reha zu besuchen verabschiedete sich Tom.
Währenddessen hatte Luka sich mit Kristina unterhalten. Er erzählte von Toms Einsatz in der Kölner Homoszene, seinem Kampf gegen Aids und seinem Projekt.
Kristina interessierte sich auch sehr dafür, wie sie sich kennen gelernt hatten und wie das so ist in einer homosexuellen Beziehung. Sie kamen allerdings zu dem Schuss, dass sie sich nicht sonderlich von einer Heterobeziehung unterschied.
Als Tom dann wiederkam machten sie sich auf um sich Hamburg anzusehen. Sie machten auch wirklich eine Hafenrundfahrt, gingen dann lecker essen und fuhren abends wieder zu dem Anwesen außerhalb von Hamburg. Am nächsten Tag fuhren sie direkt nach dem Frühstück Richtung Köln. Toms Dienst sollte um 14 Uhr beginnen.
Christian / Sylvia
Es war inzwischen Sommer und sie hatten sich einigermaßen an einen gewissen Rhythmus zwischen Dienst, Bereitschaft und freies Wochenende gewöhnt. Sie genossen die gemeinsamen Stunden umso intensiver.
Christian hatte noch nicht aufgegeben. Er hatte die Beiden einige Wochen beobachtet. Er sah, dass Luka immer wieder auf Tom warten musste. Dann begann er mit einer neuen Taktik.
Eines Abends sah er Luka allein im `Brothers` stehen, stellte sich zu ihm
und begann auf ihn einzureden:
„Du wartest schon wieder auf ihn? Ich sehe dich oft auf ihn warten. Wie lange willst du das denn noch mitmachen? Ihm sind seine Patienten ja wohl viel wichtiger als du.“
„Lass mich in Ruhe, du nervst.“ Luka drehte demonstrativ den Kopf weg. Er wollte nicht weiter zuhören, aber Christian stänkerte munter weiter:
„Vielleicht ist er ja auch gar nicht bei einem Patienten. Vielleicht hat er sich ja einen neuen Lover gesucht, einen Älteren und Erfahreneren. Du wartest hier ja brav.“
„Jetzt höre mir mal gut zu! Tom ist oben bei Pete und ihm geht es in letzter Zeit wirklich schlecht. Ich habe keine Lust mir von dir so einen Blödsinn anzuhören. Such dir jemand anderen, den du ärgern kannst.“
Luka ließ ihn einfach stehen und stellte sich an die Theke zu Norbert.
Als Tom wenig später runter kam, sprach er noch mit Norbert, was dieser die
nächsten Tage bei der Pflege beachten sollte. Dann gingen die Beiden aber auch bald nach Hause.
Den Rest des Wochenendes hatte Tom nur Bereitschaft, somit hatte er viel Zeit für Luka. Was sie auch ausgiebig nutzten.
Simon, der lange in der WG gewohnt hatte, war jetzt endlich zu seinem Freund gezogen.
Die Bewohner hatten sich geeinigt, dieses Mal eine weibliche Mitbewohnerin zu nehmen. Die Wahl fiel auf Sylvia, sie war 23 und studierte Psychologie.
Sie kam auch mit den Jungs ganz gut klar, sie wusste ja vorher, dass sie in eine Homo-WG einzog.
Tom hatte es ihr besonders angetan. Sie hatte sich gleich bei der ersten
Begegnung in ihn verliebt.
Dass er so gar nicht auf ihre Annäherungsversuche reagierte, machte sie schon etwas wütend. Er hatte ihr von Anfang an gesagt, dass er einen Freund hätte und ihn sehr lieben würde. Als sie Luka kennen lernte, konnte sie ihn verständlicher Weise überhaupt nicht leiden und zeigte das auch bei jeder Gelegenheit.
Freitag ging Luka wie üblich mit Frank von der Uni mit nach Hause. Sie aßen zusammen mit allen und gingen abends gemeinsam ins `Brothers´.
Luka war gerade mit Markus und Frank auf der Tanzfläche, als er ziemlich
offensichtlich von einem jungen Mann angemacht wurde.
Normalerweise wurde er nicht angemacht, gerade hier im `Brothers` wusste doch jeder, dass er zu Tom gehörte.
Er flüsterte ihm ins Ohr:
„Na Süßer. Ich habe gehört ihr nehmt es nicht so genau und macht es auch mit anderen.“
„Was, wer sagt denn so etwas?“
„Och, das hat mir ein Vögelchen gezwitschert. Wollen wir mal kurz rausgehen?“ Er legt den Arm um Luka und wollte ihn zur Tür führen.
„Nein, Ich werde nicht mit dir gehen. Ich warte hier auf Tom.“
„Das dauert bestimmt noch, bis dahin sind wir längst fertig.“
„Lass mich los, ich gehe mit niemandem mit.“
Luka befreite sich aus der Umarmung und ließ den Typen stehen.
„Schade aber auch.“
Dann kam Markus auf ihn zu und sagte: „Hör mal, Luka, da scheinen üble Gerüchte im Umlauf zu sein. Du würdest Tom betrügen und Tom hätte was mit dem anderen Doc, usw.“
„Moment mal! Wer sagt das?“
Markus deutete auf einen jungen Mann den Luka noch nie hier gesehen hatte.
„Wer ist das? Den kenne ich nicht. Was soll das?“
„Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass das schon die Runde macht.“
„OK, dann werde ich der Sache mal auf den Grund gehen.“
Er atmete einmal tief durch und ging dann zu dem Typen:
„Kannst du mir mal verraten, warum du hier solche Lügen verbreitest? Was soll das?“
Der Typ grinste frech vor sich hin.
„Wieso Lügen? Mein letzter One-Night hat von dem Doc geschwärmt, wie toll er im Bett abgeht und so. Von dir hat er auch erzählt, dass du sehr willig warst und was er alles mit dir angestellt hat.“
„Was? Das ist ja wohl die Höhe.“ Luka packte ihn an den Kragen. „Los raus mit der Sprache. Wer erzählt so einen Scheiß?“
„Ich weiß nur, dass er Chris hieß und er gesagt hat, ich solle das hier ein bisschen rum erzählen. Wenn du mich jetzt bitte loslassen könntest. Ich möchte gehen. Schönen Abend noch...“
Luka war viel zu geschockt um irgend etwas zu tun. Er ließ ihn jedoch los und der Typ ging raus als wenn nichts gewesen wäre.
Als Tom dann endlich kam erzählte Luka ihm die ganze Geschichte.
„Was ist das für ein Idiot? Ich frage mich, was er sich von solchen Aktionen verspricht. Der macht sich doch bloß lächerlich.“
„Er will uns auseinander bringen und dich dann trösten. Ist doch klar. Wenn ich den in die Finger kriege.“ Luka war immer noch reichlich sauer.
„Das lässt du schön bleiben, dann zeigt er dich an wegen Körperverletzung. Nein, ich werde mit ihm reden. So geht das nicht weiter. Wer weiß, was er sich noch einfallen lässt.“
Wenige Tage später ergab sich eine Gelegenheit, als Christian mal wieder hinter ihn her schlich, da stellte Tom ihn zur Rede.
„Kannst du mir mal verraten, was du mit solchen Aktionen bezweckst?“
„Ich weiß nicht was du meinst. Du siehst heute wieder ausgesprochen gut aus, weißt du das eigentlich?“
„Lass den Mist. Und diese Lügenverbreiterei lässt du gefälligst auch sein. Was wirft das denn für ein Licht auf uns und somit auch auf unser Projekt. Die Leute vertrauen und respektieren mich und solche Lügen werfen immer ein schlechtes Licht auf das Gute was wir erreichen. Also unterlasse bitte in Zukunft solchen Quatsch.“
„Du brauchst mich ja nur an dich ranzulassen, dann erledigt sich die Sache von ganz alleine. Eine Nacht, mehr will ich nicht.“
„Vergiss es. Das werde ich nicht tun. Warum hast du eigentlich deine alte Stelle verloren? Hast du da auch so was abgezogen? Wir stehen kurz vor den Abschlüssen, willst du diese Stelle etwa auch gefährden. So dumm kannst du nicht sein. Das alles für eine Nacht. Nein Christian, das ist es nicht wert.“
„Tom, ich will dich.“
„Christian, ich werde niemals mit einem anderen schlafen als mit Luka. Ich liebe ihn über alles und ich werde ihn niemals betrügen. Entschuldige mich jetzt bitte, ich habe zu arbeiten.“
Damit ging Tom zu seinem nächsten Termin.
Nach dem Abendessen saß Tom mit einigen Leuten aus der WG zusammen und trank noch gemütlich Kaffee. Sie quatschten über alles Mögliche und es gab wie immer viel zu lachen.
Als Sylvia aufstand, nahm sie ihre eigene und Toms leere Tasse und ging zur Kaffeemaschine. Danach stellte sie seine mit frisch duftenden Kaffee wieder vor ihm hin.
"Danke, sehr nett von dir.", sagte Tom und rührte auch gleich Zucker ein und nahm wieder einen Schluck von dem warmen Getränk.
Dann klingelte Toms Handy.
„Hallo mein Engel, hast du auch endlich Feierabend?“
Da Donnerstag war, hatte Luka im Büro seines Vaters gearbeitet.
„Ja, ich mache es mir gerade in meinem Zimmer gemütlich. Wie war dein Tag?“
„Ganz ok. Diese Woche bin ich ja im Labor und nicht auf Station, da ist es nicht ganz so stressig.“ Er stand auf und ging nach oben in seine Wohnung um in Ruhe mit Luka zu reden.
Sie unterhielten sich eine ganze Zeit, bis Tom sagte: „Ich hätte dich jetzt gerne bei mir. Mir wird schon ganz warm, wenn ich mir vorstelle, dass du hier wärst und mich berühren würdest.“
„Ja, ich wäre jetzt auch lieber bei dir, als hier alleine in meinem Bett.“
„Luka, ich liebe dich und ich fände es geil, wenn du mir jetzt einen runterholen würdest, aber du bist ja nicht hier, dann muss ich es eben selber machen.“
„Was?... Tom, was machst du?“
„Ich lege mich jetzt aufs Bett, mache meine Hose auf und wichse und wünsche mir nichts sehnlicher, dass du jetzt hier wärst, mein Engel!“
„Tom, hast du was getrunken oder was ist mit dir los?“ Luka starrte ungläubig vor sich hin.
„Nein, nur Kaffee. Luka...“ Tom machte noch weitere anzüglichen Bemerkungen.
„Tom, du bist doch sonst nicht so. Du hast doch irgendwas.“
„Ah Luka, mir ist ganz warm.“, wunderte sich Tom.
„Tom, was ist mit dir? Was hast du genommen?“
„Ich sag doch, ich habe nur Kaffee getrunken. Sylvia hat mir doch nur Kaffee eingeschüttet. War wohl zu stark, jetzt bin ich total aufgedreht. Mir ist immer noch so heiß. Luka ich bin total verrückt nach dir, sag was nettes, ich will deine Stimme hören.“
„Das ist doch nicht nur vom Kaffee, Tom. Sie hat dir da was rein getan. Ich komme jetzt zu dir. Das geht nicht mit rechten Dingen zu.“
„Ja, komm zu mir. Ich will dich. Luka, ich liebe dich.“
„Tom, ich fahre sofort los und bin so schnell wie möglich bei dir. Schließe deine Tür ab und bleib bitte im Bett liegen, meinst du, du kannst es solange aushalten.“
„Ja, aber beeile dich. Ich bin total verrückt nach dir!“
Luka hatte jetzt keinen Nerv den Zug zu nehmen, also fuhr er mit seinem Auto über die Autobahn nach Köln. So war er auf jeden Fall schneller. Er machte sich die größten Sorgen.
<Er ist doch sonst nicht so. Er benutzt solche Ausdrücke sonst nie. Diese Sylvia hat ihm bestimmt was in den Kaffee getan um ihn zu verführen. Diese blöde Kuh, wenn ich die in die Finger kriege, na die kann was erleben. Hoffentlich hat er auch die Tür zugeschlossen, sonst liegt sie gleich neben ihn im Bett und grabscht an ihn rum. Ich glaube, dann werde ich wahnsinnig.>
In der Zwischenzeit ging Tom eiskalt duschen, aber seine Erregung ließ nicht nach.
Während das Wasser rauschte, hörte er zum Glück das Klopfen nicht und auch nicht Sylvias Bitten die Tür aufzumachen. Als er das Wasser abstellte war alles wieder still. Er trocknete sich schnell ab, legte sich nackt aufs Bett, spielte mit sich selbst und wartete sehnsüchtig auf Luka.
Als Luka dann endlich kam, begrüßte er ihn stürmisch und riss ihm fast die Kleider vom Leib.
„Luka, endlich, ich halte das nicht mehr lange aus. Ich will dich, jetzt sofort.“ Er überhäufte ihn mit Küssen und verschlang ihn fast.
Sie hatten in dieser Nacht sehr viel Sex. Irgendwann hörte Luka auf zu zählen. Für ihn war es eine völlig neue Erfahrung Tom so hemmungslos zu erleben. Sonst war er immer sehr zärtlich und vorsichtig, bereitete ihn mit einem ausgiebigen Zungenspiel vor. Doch heute ging er sehr schnell ran und trieb sich selbst immer wieder an.
Doch irgendwann ließ die erregende Wirkung nach und Tom wurde plötzlich ganz übel. Er sprang auf und schaffte es gerade noch bis ins Bad. Luka stand natürlich mit auf und sah den sich übergebenden Tom über der Kloschüssel hängen. Er kniete sich neben ihn und sprach beruhigend auf ihn ein, doch der Ärmste kotzte sich sozusagen die Seele aus dem Leib. Immer wenn man dachte es war überstanden, dann kam eine neue Welle. Es ging ihm wirklich verdammt dreckig und ihm war furchtbar kalt. Luka holte eine Decke und legte sie über den Zitternden.
Erst nach einer ganzen Weile konnte er Tom in einen warmen Jogginganzug stecken und ihn wieder zurück ins Bett bringen. Einen Eimer mit etwas Wasser stellte er vorsichtshalber noch neben das Bett.
Inzwischen war es auch schon morgen. Luka wartete noch bis Tom eingeschlafen war, duschte schnell, zog sich an und ging dann runter. Er musste unbedingt zur Uni, weil heute der Abgabetermin für eine wichtige Hausaufgabe war.
Unten nahm er Cora zur Seite, sagte ihr, dass Tom sich übergeben hätte, er aber jetzt schlafen würde und dass sie nach ihm sehen solle, wenn er aufwacht und dass sie auf gar keine Fall Sylvia zu ihm lassen sollte. Dann ging er mit Frank zur Uni. In der Bahn rief er noch im Krankenhaus an und sagte ebenfalls, dass Tom sich die ganze Nacht übergeben hätte, er jetzt endlich eingeschlafen wäre und dass er nicht in der Lage wäre ins Labor zu kommen.
Als Cora nach ca. zwei Stunden ein lautes Rumsen aus Toms Wohnung hörte, lief sie schnell hoch um zu sehen, was passiert war.
Sie fand Tom mit dem Kopf über der Kloschüssel. Nachdem sich sein Magen wieder entleert hatte, saß er zitternd auf dem Boden.
„Hey, geht´s wieder? Lebst du noch?“
„Ich weiß nicht. Ich fühle mich eher nicht so.“
„Was hältst du von einer schönen Dusche? Ich suche dir inzwischen frische Sachen raus. Du hast dich voll gemacht.“
Cora ging ins Schlafzimmer und suchte im Schrank nach Unterwäsche und einen frischen Schlafanzug. Als sie mit den Sachen wieder ins Bad kam, saß Tom immer noch auf der Erde.
„Tom? Kannst du nicht aufstehen?“
„Ich weiß nicht.“ Er saß da wie ein Häufchen Elend.
„Komm, ich helfe dir.“
„Cora, das ist mir so unangenehm.“
„Ach was. Das muss dir nicht peinlich sein. Wie oft habe ich mich damals eingesaut und du hast mich wieder sauber gemacht. Jetzt tue ich nur das Gleiche für dich.“
Cora half ihm vorsichtig hoch, zog ihm die beschmutzten Sachen aus und stellte ihn unter die Dusche. Das hieß im Klartext: Tom stützte sich an den Fließen ab und Cora duschte ihn ab.
Dann half sie ihm beim Abtrocknen und Anziehen. Sie setzte ihn zunächst auf den Klodeckel und bezog noch schnell das Bett neu. Dann verfrachtete sie Tom hinein und deckte ihn gut zu. Er zitterte immer noch.
„Du zitterst die ganze Zeit. Das ist doch keine normale Magenverstimmung. Tom, du bist der Doktor. Was ist mit dir?“
„Cora, hast du gestern meinen Restkaffee weggeschüttet?“, fragte er nach einer Weile mit klappernden Zähnen.
„Ja sicher, du bist ja hochgegangen. Der war ja dann kalt.“
„Gut.“ Er war total erschöpft und schloss die Augen.
„Tom, was war denn mit dem Kaffee?“
„Nichts, vergiss es.“ Er schloss wieder die Augen und wollte nur noch schlafen.
„Du sagst mir jetzt sofort, was mit dem Kaffee war. Davon ist dir doch nicht schlecht geworden, den haben wir doch alle getrunken.“
„Cora, beruhige dich. Mit eurem Kaffee war ja auch alles in Ordnung. Nur in meinem war was drin.“
„Wie bitte?“
„Ja, Sylvia hat mir doch die Tasse in der Küche noch mal voll gemacht. Wir vermuten, dass sie dann was rein getan hat.“
„Aber warum sollte sie dir denn ein Magenmittel gegeben haben?“
„Nein, kein Magenmittel, ein Aphrodisiakum und das mit Überdosis.“
„Was? Ohh.“
„Ja, deshalb ist mir jetzt so schlecht, es war viel zu viel von dem Zeug. Zum Glück hat Luka dann angerufen. Nicht auszudenken, wenn ich die Tasse ganz ausgetrunken hätte.“
„Bist du dir sicher? Ich meine, das ist schon eine ganz schöne Anschuldigung.“
„Sie kann es nur gewesen sein. Sonst habe ich nichts anderes zu mir genommen als ihr anderen auch.“
„Geht es denn jetzt wieder einigermaßen?“
„Naja, mir ist kalt und ich bin müde. Wann kommt Luka wieder?“
„Er wollte nur die wichtigsten Vorlesungen besuchen und dann gleich wieder kommen.“
„Ja, hoffentlich... bald.“ Tom war wieder eingeschlafen.
Nachdem Luka an der Uni alles erledigt hatte, beeilte er sich schnell wieder zu Tom zu kommen. Als er die Villa betrat, sah er Sylvia am Küchentisch sitzen und ging sofort auf sie zu:
„Du blöde Kuh! Was sitzt du hier noch rum? Warum packst du nicht endlich deine Koffer und verschwindest? Du hättest ihn fast umgebracht! Wie konntest du ihm das antun. Du bist ja total verrückt. Wenn er den Kaffee ausgetrunken hätte, wäre er jetzt tot.“
„Was?... Aber das habe ich nicht gewollt.“, sagte sie und wurde kalkweiß im Gesicht.
„Nein, schon klar dass du was anderes wolltest. Du bist aber anscheinend noch zu blöde um die Gebrauchsanweisung richtig zu lesen. Du hast viel zu viel reingetan. Du dämliche Ziege. Wie bescheuert kann man denn sein.“
Cora, die gerade die Treppe runter kam und alles mit angehört hatte, kam jetzt dazu.
„Ich glaube, es wird das Beste sein, wenn du dir eine andere Wohnung suchst. Solche Leute wollen wir hier nicht haben.“
„Aber, das habe ich nicht gewollt. Es tut mir so leid.“ Sie brach in Tränen aus, was Luka allerdings nicht im Geringsten rührte.
„Diese Krokodilstränen kannst du dir jetzt auch sparen. Dein Plan hat nicht funktioniert. ICH hatte die geile Nacht mit ihm und nicht du. Und jetzt verschwinde.“
„Kann ich mich denn wenigstens noch bei ihm entschuldigen?“
„NEIN!!!“, kam es von Cora und Luka wie aus einem Mund.
Nachdem Sylvia schniefend in ihr Zimmer gegangen war um ihre Sachen zu packen und Luka im Stillen bis zehn gezählt hatte, um sich zu beruhigen, fragte er Cora: „Wie geht es ihm?“
„Jetzt schläft er wieder. Er hatte sich wieder übergeben, dabei hatte er sich ziemlich eingesaut. Dann habe ich ihm beim Duschen geholfen, frisch angezogen und wieder ins Bett gepackt. Das Bett habe ich auch frisch bezogen, das sah ja echt schlimm aus.“
Luka grinste verlegen: „Ich sagte ja, wir hatten ne geile Nacht. Bis es umschlug und er nur noch überm Klo hing.“
„Du musst doch auch völlig fertig sein. Hast du überhaupt etwas geschlafen?“
„Nein, wann denn? Ich bin ziemlich alle. Ich lege mich etwas zu ihm.“
„Ja, tu das. Gute Nacht, Luka.“
„Nacht, Cora. Und danke.“
„Wofür? Ich habe nur für ihn getan, was er auch für mich gemacht hat.“
Luka schleppte sich fast nur noch die Treppe hoch, schlich sich ins Schlafzimmer, zog sich die Jeans aus und ließ sich seufzend neben Tom ins Bett fallen. Er kuschelte sich an ihn und schlief sofort ein.
Sie konnten einige Stunden friedlich schlafen, bis Luka von seinem knurrenden Magen geweckt wurde.
Er trank einen kräftigen Schluck Wasser aus der Flasche die er sich ans Bett gestellt hatte. Er war zwar ganz leise aber von der Bewegung wurde Tom doch wach.
"Ah, da bist du ja, mein Engel!" Er streckte die Hand nach Luka aus.
"Tom, wie fühlst du dich?" Er wand sich sofort um, fühlte Toms Stirne, aber er hatte keine erhöhte Temperatur.
"Es geht so. Ich glaube es ist überstanden."
Luka fuhr mit seiner Hand über Toms Bauch, wanderte weiter in die Hose und fühlte dass sein Glied weich war, dann zog er seine Hand wieder zurück.
"Ja, ich glaube auch, dass du es überstanden hast.", und gab ihm einen Kuss auf die Lippen.
Tom hob eine Hand und strich über Lukas Wange: "Wie geht es dir denn? Ich kann mich nicht mehr so richtig an alles erinnern. Ich weiß nur, dass ich ziemlich brutal zu dir war. Habe ich dir sehr weh getan?"
"Ach, es geht. War nicht so schlimm. Du warst nicht zu brutal, das könntest du gar nicht. Es war halt einfach zu oft, deshalb brennt es etwas."
Sofort strich Tom über den armen Po. "Hast du dir denn was drauf getan, dass es besser heilt?", fragte er besorgt.
"Ja natürlich! Du hast doch im Bad eine Wundsalbe, die habe ich genommen."
"Ok, die ist gut. Luka, es tut mir so leid, was ich dir angetan habe. Ich bin ja praktisch über dich hergefallen. Kannst du mir das jemals verzeihen. Ich schäme mich dafür."
"Hey Tom, so schlimm war es doch gar nicht." Er grinste Tom verschmitzt an: "Also, wenn ich ganz ehrlich bin, hat es mich sogar richtig angeturnt, wie du dich so hast gehen lassen."
"Was? Wie meinst du das denn?" Tom verstand überhaupt nicht mehr. Er hatte sich schon die größten Vorwürfe gemacht.
"Naja, sonst bist du ja immer sehr sanft und vorsichtig, um mir ja nicht weh zu tun. Wenn wir es mal etwas temperamentvoller machen, dann ja wohl eher, wenn ich dich nehme. Aber diesmal hattest du das einfach vergessen und bist so ohne Bremse drauf losgegangen. Irgendwie hat mir das gefallen."
"Luka, du bist... ach, ich liebe dich so sehr." Sie versanken in einem innigen Kuss.
Nachdem sie sich wieder von einander lösten, meinte Tom weiter:
"Weißt du eigentlich, dass du mir das Leben gerettet hast?"
"Ich habe dir doch nur in die Nacht beigestanden."
"Das meine ich nicht. Ich meine, wenn du nicht im richtigen Moment angerufen hättest, hätte ich den Kaffee ganz ausgetrunken und wer weiß was dann mit mir passiert wäre. Ich habe ja höchstens drei Schluck von dem Gebräu getrunken."
Luka umarmte Tom ganz fest: "Denke nicht darüber nach, bitte! Ich habe sie schon zusammen geschrieen und hoffe, sie ist nachher auch weg wenn ich runter gehe. Wenn nicht, kann ich für nichts mehr garantieren. Dieses verdammte Miststück hätte dich beinahe umgebracht."
Selbstfindung
Wieder einige Wochen später war Luka wie so oft allein im ´Brothers` und wartete auf Tom, der noch bis zehn Uhr Dienst hatte.
Er tanzte mit Frank und Markus, welche aber immer wieder von irgendwelchen Typen angetanzt wurden. Frank flirtete natürlich heftig mit den jeweiligen Interessenten. Auch Markus wurde hin und wieder angesprochen. Nach einiger Zeit zog Frank mit einem breitschultrigen Kerl ab.
Luka verbrachte noch einige Lieder mit Markus auf der Tanzfläche bis auch dieser mit jemandem verschwand.
Er wunderte sich, wie so oft, dass man hier im `Brothers´ ja wirklich sehr schnell angesprochen wurde:
<Alle anderen werden schnell angesprochen, nur ich nicht. Jedenfalls von niemanden, der offensichtlich mit mir flirten will. Nicht dass ich das unbedingt will. Ich warte ja auf Tom, liebe ihn ja auch sehr und freue mich auf ihn, aber wundern tut mich das schon.>
Auf dem Weg zu seinem Tisch wurde Luka dann aber doch von einem sehr netten jungen Mann angesprochen, den er hier noch nie gesehen hatte. Aber dieser wurde sofort von seinem Kumpel zurückgerufen: "Nein, nicht, das ist doch der Kleine vom Doc."
Er traute seinen Ohren nicht, aber als der junge Mann sich gleich verabschiedete und umdrehte, konnte Luka ihm nur hinterher starren.
<Was war das denn gerade? Das glaube ich ja wohl nicht. Ich bin doch kein Hund. Der Kleine vom Doc????? Das ist ja nicht zu fassen.>
Luka war richtig sauer.
Kurz darauf kam auch noch eine SMS von Tom, dass es wohl noch etwas länger dauern würde.
Jetzt hatte Luka die Nase aber gestrichen voll. Er schrieb Tom zurück, dass er nach Hause gehen würde, er hätte keine Lust mehr zu warten.
Zu Hause in Toms Wohnung, machte er es sich mit einer Flasche Bier vorm Fernseher gemütlich. Die erste Flasche hatte er aus Frust ziemlich schnell runtergekippt. Die zweite folgte dann auch relativ zügig.
Als Tom von seinem Dienst zurück kam, hatte er schon die genügende Bettschwere und schlummerte selig von sich hin. Tom war auch ziemlich fertig, kuschelte sich an ihm und schlief auch schnell ein.
Am nächsten Morgen war Lukas Ärger schon wieder verraucht, wobei die Schmuseeinheiten mit Tom und das anschließenden gemeinsame Frühstück im Bett einen großen Teil dazu beigetragen hatten. Sie verbrachten einen schönen Samstagnachmittag und abends zogen sie zusammen durch die Kölner Altstadt.
Sonntagmittag musste Tom wieder ins Krankenhaus und Luka fuhr nach Krefeld.
Am Dienstag, als Luka mit Frank die Mittagspause verbrachte, erzählte Luka von
seinem Erlebnis und seinem Ärger über die Äußerung: „Der Kleine vom Doc“.
Frank musste schon arg an sich halten um nicht laut loszulachen. Er fand das
Ganze eigentlich lustig.
"Tom ist eben eine Respektperson und keiner wagt es dich anzumachen. Du bist
eben mit Tom zusammen."
"Aber ich bin doch nicht sein Hund oder so. Mit mir kann man doch auch reden. Ich bin eine eigenständige Person und nicht nur das Anhängsel vom Doc." Luka fühlte wieder die Wut in sich aufsteigen.
"Du bist mit Tom zusammen.", wiederholte Frank nur.
"Bin ich denn nicht attraktiv genug, dass mich überhaupt jemand anspricht?“, fragte Luka an sich zweifelnd. „Wenn jemand mit mir redet, geht es meistens darum, wann Tom denn kommt oder wann er Zeit hat oder wo er gerade ist."
Das schien ja jetzt ein größeres Problem zu sein.
"Hast du mit Tom schon darüber gesprochen?", fragte Frank etwas ernster.
"Nein, er lacht mich bestimmt genauso aus wie du. Aber mich ärgert das schon gewaltig."
Frank überlegte eine Weile, dann meinte er: "Was wäre denn, wenn du in einer anderen Stadt, also wo niemand weiß, wer Tom ist, in einen Schwulenclub gehen würdest? Was meinst du, wie die Typen auf dich fliegen werden? Du siehst klasse aus, hast etwas Unschuldiges an dir und doch wirkst du stark und selbstbewusst. Darauf stehen die Typen, glaube mir, ich weiß wovon ich spreche."
"Ich denk drüber nach. Aber alleine gehe ich nicht in einen Schwulenclub.
Was ist, wenn ich wieder blöd angemacht werde und ich mich nicht wehren kann. Da hätte ich viel zu viel Schiss. Außerdem will ich ja gar nicht angemacht oder abgeschleppt werden. Ich liebe doch Tom."
„Aber irgendwas scheint dir ja wohl zu fehlen. Ist er denn nicht lieb zu dir oder sagt er dir nicht, dass er dich liebt oder dich schön findet?“
„Doch sicher sagt er mir das, sehr oft sogar. Vielleicht zu oft.“, überlegte Luka: „Es klingt manchmal schon ein wenig nach Routine. Ach, ich weiß auch nicht wie ich das ausdrücken soll. Vielleicht ist bei uns schon alles etwas eingefahren. Im Moment geht mir das jedenfalls tierisch auf die Nerven.“
„Du solltest auf jeden Fall mit Tom darüber reden. Es scheint ja wohl schon ein größeres Problem mit euch zu sein.“
„Ich glaube, ich bin das Problem. Ich bin mit mir selbst nicht im Reinen. Ich bin 20 Jahre alt und über 1 Jahr mit Tom zusammen. Ich liebe ihn wirklich und es wäre wirklich schön, wenn das für den Rest meines Lebens so bliebe. Aber ich bin nicht sein Anhängsel.“
„Vielleicht solltest du das mal aus einer anderen Sicht betrachten. Also ich meine, es ist ja auch eine gewisse Art von Schutz. Du kannst durch die gesamten Kölner Schwulenclubs gehen, ohne auch nur ein einziges Mal blöd angemacht zu werden.“ Frank versuchte seine Bedenken zu zerstreuen und etwas Positives darin zu sehen.
„Toll, vielleicht will ich ja aber mal angesprochen werden. Nur um zu wissen, dass ich Chancen hätte, wenn ich denn wollte.“
„Dann wären wir wieder an dem neutralen Ort angelangt, wo niemand Tom kennt.“
„Ich will Tom aber nicht hintergehen. Ich weiß ja, ich müsste stolz sein, dass ich so einen tollen Freund habe. Aber er ist der Herr Doktor und ich bin nur der kleine Student.“
„Ich kann mich nur wiederholen: Sprich mit Tom darüber und finde eine Lösung, dass du dich nicht mehr so klein fühlst. Das bist du nämlich nicht. Wer euch beide kennt, der weiß, dass ihr gleichberechtigt seid und du dich nicht Tom unterordnest. Das darfst du dir doch nicht von so einer blöden Äußerung einreden lassen.“
„Ach Frank, du hast ja Recht.“
Am Mittwoch holte Tom Luka von der Uni ab. Sie machten noch ein paar Besorgungen und Tom bemerkte, dass Luka sehr ruhig war.
Auf dem Rückweg sprach er ihn darauf an.
„Was ist mit dir? Du bist so still! Ist irgendetwas?“
„Ähm... nein... ja. Können wir nicht gleich zu Hause darüber reden.“
„Klar, wir sind ja bald da.“
Nachdem sie unten alle begrüßt hatten, gingen sie hoch in Toms Wohnung.
„Na dann. Raus mit der Sprache. Was ist los?“
„Tja... was ist los? Ich weiß es selber nicht so genau... . Tom, bin ich attraktiv?“
„Was????“, fassungslos starrte Tom ihn an. „Wie bitte?“
„Ich meine, wenn wir uns nicht kennen würden, würdest du mich in einem Club ansprechen.“
„Luka, was soll das? Ich liebe dich. Ich liebe alles an dir. Du bist für mich der schönste Mensch den ich kenne. Ich habe dich gleich vom ersten Tag an attraktiv gefunden. Mich hat doch nur dein Alter abgeschreckt, nichts anderes. Ich verstehe nicht, was du plötzlich hast. Ich liebe dich.“
„Ja, das weiß ich ja und ich liebe dich ja auch. Aber die Sache ist die: wenn ich im `Brothers` auf dich warte, tanze ich ja meistens etwas mit Frank, Markus oder den Anderen. Und alle werden regelmäßig angesprochen und angemacht. Währenddessen ich überhaupt nicht angesprochen werde. Nicht, dass ich unbedingt mit irgendwem flirten will, ich warte ja auf dich und freue mich, wenn du dann endlich kommst. Aber mit mir redet keiner, außer einer fragt nach dir. Die Krönung ist aber dann am Freitag passiert: Da hat mich nämlich doch mal ein Typ angesprochen, er wurde aber sofort von seinem Kumpel zurückgepfiffen mit den Worten: Nicht, das ist der Kleine vom Doc.
Kannst du dir vorstellen, wie ich mich da gefühlt habe? Nein, wahrscheinlich nicht. Du bist ja der große Doc und ich bin der kleine Student.“
„Luka, nein ich verstehe nicht so wirklich das Problem. Was ist falsch daran, wenn alle wissen, dass du zu mir gehörst.“ Tom griff nach Luka, sah ihm tief in die Augen und strich ihm über die Wangen. „Wenn das nicht wäre, könntest du ja nicht mal in Ruhe was trinken, ohne dass du gleich angemacht würdest.“
Luka zog sich wieder zurück: „Das glaube ich nicht. Ich stehe stundenlang und trinke in aller Seelenruhe mein Bier, ohne dass mich auch nur irgendwer anspricht, abgesehen von Christians Aktion.“
Nach einer Weile fragte dann Tom: „Und wie sollen wir das jetzt deiner Meinung nach ändern?“
„Ich weiß noch nicht. Frank meint...“
„Du hast mit Frank schon darüber gesprochen?“, unterbrach Tom ihn ein wenig sauer.
„Ja, Frank meinte ich solle da auf jeden Fall mit dir drüber reden und er hatte auch eine Idee.“
„Und die wäre?“, fragte Tom sehr misstrauisch.
„Er meinte, ich könnte ja in einer anderen Stadt, also auf jeden Fall nicht hier in Köln in einen Schwulenclub gehen und herausfinden ob ich es wert bin angesprochen zu werden.“
„Und er will mit dir irgendwo in einen Schwulenclub gehen!“
„Nein, nicht er. Du gehst mit mir dahin.“, bestimmte Luka.
„Was??? Ich soll auch noch zusehen wie du von anderen angemacht wirst? Da verlangst du aber ganz schön viel von mir.“
„Ich weiß, aber alleine traue ich mich nicht. Und ich will dich ja auch gar nicht hintergehen. Ich hätte halt gerne gewusst wie es wäre wenn... Verstehst du?“
„Nein, ich verstehe es nicht. Aber wenn du es unbedingt möchtest, dann machen wir das. Aber wenn einer zu aufdringlich wird, werde ich eingreifen. Ich werde nicht zusehen wie du abgeschleppt wirst.“
„Genau deshalb möchte ich ja, dass du dabei bist. Ich will nur angesprochen werden mehr nicht, um meinetwegen und nicht weil mich jemand fragt wann der Doc denn kommst.“
Luka hatte im Internet einige Schwulenbars in Düsseldorf rausgesucht die alle nicht weit voneinander entfernt lagen.
Luka war schon etwas aufgeregt. Irgendwie freute er sich auf diese Aktion. Er hatte sich sogar noch die Haare schneiden lassen. Ein neues Hemd hatte er auch an.
Bei Tom hielt sich die Begeisterung verständlicherweise in Grenzen. Er konnte das Alles nicht so wirklich nachvollziehen.
Sie fuhren also am Samstag nach Düsseldorf, erkundeten dort ein wenig die Altstadt und betraten etwas später die erste Bar. Luka ging an die Theke und bestellte sich eine Cola und Tom zog sich in eine Ecke zurück um das Spiel zu beobachten.
Es dauerte auch tatsächlich nicht lange, da stellte sich schon ein junger Mann zu Luka und fragte ihn nach Feuer.
Da Luka aber Nichtrauer war hatte er natürlich kein Feuerzeug, doch der Barmann reichte ein Päckchen Streichhölzer und so konnte Luka ihm Feuer geben.
Der junge Mann stellte sich als Daniel vor und fragte ob Luka das erste Mal hier wäre usw. Sie unterhielten sich eine ganze Weile und Daniel zeigte großes Interesse. Doch als Luka dann sagte, er würde hier auf seinen Freund warten, verabschiedete dieser sich wieder.
Doch Luka blieb nicht lange alleine. Wieder kann jemand auf ihn zu und fragte, ob er Lust hätte zu tanzen. Doch auch das schlug Luka aus. Er hätte zwar gerne getanzt, aber am liebsten mit Tom.
Sein Blick ging rüber zu seinem Freund, der ihn die ganze Zeit beobachtete.
Doch Luka hatte gar keine Zeit darüber nach zu denken, denn schon wieder kam ein Typ auf ihn zu und wollte ihm ein Getränk ausgeben, aber Luka lehnte ab und hielt sich an seiner Cola fest.
Dann stellte sich wieder ein Mann zu Luka und fragte direkt:
„Na, du bist aber ein Schöner, wie wäre es denn mit uns beiden?“
„Nein danke, ich warte hier auf meinen Freund.“ Die Antwort hatte ja eben auch gut funktioniert.
„Ach ja, du wartest hier aber schon eine ganze Zeit. Er wird dich wohl versetzt haben.“
„Nein, er kommt gleich.“
„Wir könnten uns so lange ja ein wenig die Zeit vertreiben.“ Er legte den Arm um Luka und zog ihn an sich. Doch Luka löste sich schnell wieder und trat ein Stückchen zur Seite.
„Lass das bitte, mein Freund ist sehr eifersüchtig.“
„Dazu müsste er erst mal hier sein. Aber OK. Du willst nicht! Schade. Du siehst echt klasse aus und wir hätten bestimmt viel Spaß miteinander.“
Tom war schon fast aufgesprungen als er sah wie der Typ den Arm um Luka gelegt hatte, aber als dieser wieder losließ entspannte er sich auch wieder. Lange würde er das nicht mehr aushalten. Aber er hatte Luka ja versprochen das mit ihm durch zu ziehen, sonst würde er sich ewig als sein Anhängsel fühlen. Hoffentlich hat er bald die Nase voll von dieser ständigen Anmache.
Luka blieb nicht lange alleine an der Theke stehen, schon gesellten sich diesmal zwei junge Männer zu ihm und wollten ihn überreden doch mit ihnen ein paar schöne Stunden zu erleben.
Wieder sagte er, dass gleich sein Freund kommen würde. Aber die Beiden glaubten ihm nicht.
„Der muss aber schön blöd sein, wenn er dich hier so alleine stehen lässt. Da muss er sich nicht wundern, wenn du plötzlich weg bist.“
„Ja, er kann doch nicht im Ernst erwarten, dass so was Süßes wie du hier lange stehen kann ohne abgeschleppt zu werden. Komm mit uns, dein Freund hat für heute eben verloren.“
„Nein, ich werde nicht mit euch gehen. Lasst mich in Ruhe.“
Einer der Beiden streckte nun die Hand aus und berührte Lukas Gesicht. Er wollte einen Schritt zurückgehen, stieß aber mit dem Rücken gegen der Anderen und der hielt ihn auch sofort an den Armen fest, sodass der Andere mit seinem Gesicht näher kann und die Lippen auf Lukas legte. Die Zunge forderte Einlass doch Luka presste seine Lippen fest zusammen und er versuchte sich aus der Umklammerung zu lösen.
Das war absolut zu viel und Tom lief sofort zur Theke rüber und riss Luka von den Anderen los und zog ihn in seine Arme.
„Das reicht jetzt! Verschwindet!“
„Ach ne. Du hast ja wirklich einen Aufpasser.“, sagte der Eine zu Luka.
Und der Andere meinte zu Tom: „ Du solltest deinen Schatz nicht so lange hier alleine warten lassen. So was Leckeres könnte dir echt schnell abhanden kommen.“
Die Beiden zogen ab und Luka klammerte sich schon fast in Toms Umarmung.
„Fahren wir nach Hause?“, fragte Luka ganz leise und zögerlich.
„Alles was du willst, mein Engel. Hast du jetzt genug?“
„Ja, bring mich zurück nach Köln.“
„Ich wüsste nicht was ich jetzt lieber täte.“
Schweigend fuhren sie das Stück Autobahn von Düsseldorf nach Köln. Allzu weit war es ja nicht. Immer wieder sah Tom zu Luka rüber und kurz vor ihrer Abfahrt bemerkte er die Tränen, die über Lukas Wangen liefen. Er fuhr von der Autobahn runter und hielt gleich an der ersten Parkmöglichkeit an.
Er nahm Luka in die Arme und dann fing Luka erst richtig an zu heulen.
„Luka, bitte beruhige dich wieder. So schlimm war es doch gar nicht.“
„Doch, es tut mir alles so leid. Tom, bitte entschuldige, dass ich so blöde bin. Du liebst mich so sehr, dass du das alles mitmachst und ich Idiot suche bei anderen die Bestätigung, dabei gibst du sie mir fast täglich. Tom ich liebe dich so sehr.“
Tom küsste ihm die Tränen weg.
„Ach Luka, ja ich liebe dich und ich tue alles was in meiner Macht liegt um dir das zu zeigen und zu beweisen. Luka ich liebe dich, ich liebe deine wundervollen blauen Augen, auch wenn sie gerade etwas verheult sind und ich liebe es deine vollen Lippen zu küssen.“
Und genau das tat Tom jetzt ausgiebig, bis sie sich wieder voneinander lösen mussten um nach Hause zu fahren.
„So, jetzt fahren wir aber schnell nach Hause. Ich will alle Stellen an dir küssen die ich liebe, da habe ich einiges zu tun.“
Er startete wieder den Motor und fuhr so schnell es möglich war zur Villa.
Krankenhaus
Es war Freitagabend und die Beiden waren bei Klaus und Brigitte Schumann
zum Essen eingeladen. Sie unterhielten und amüsierten sich gut, hatten einen richtig netten Abend. Gegen 22 Uhr verabschiedeten sie sich und wünschten eine gute Nacht. Tom wollte unbedingt noch kurz bei Pete vorbeischauen, da sein Zustand sich zusehends verschlechterte.
Als sie etwas später beim „Brothers“ ankamen, standen einige der Jungs vor der Tür. Es war ein richtig warmer Abend und sie wollten noch nicht in das stickige Lokal.
Tom ging dann aber doch rein um nach seinem Patienten zu sehen. Luka blieb draußen bei Oli, Markus und Frank.
Sie quatschten eine ganze Weile, bis eine Gruppe von fünf jungen Männern auf sie zukamen und sie anpöbelten, von wegen Schwulenverein usw. Frank konnte natürlich seinen Mund nicht halten und maulte kräftig zurück, sie sollen sich um ihren eigenen Mist kümmern und so gab ein Wort das andere.
Als einer der Typen dann Frank angriff, sprang Luka dazwischen und befreite Frank wieder. Dann packte ein anderer Luka von hinten und der Nächste schlug Luka mehrmals kräftig in den Magen.
Dann ging alles sehr schnell.
Oli wurde an den Haaren gepackt und gegen die nächste Häuserwand geschleudert. Er blutete aus der Nase und sackte kraftlos in sich zusammen.
Markus versuchte sich zwar zu wehren, hatte aber keine Chance gegen diese brutalen Schläger. Er steckte etliche Fausthiebe ein, bis auch er mit dem Kopf gegen eine Wand geschlagen wurde und zusammenbrach.
Franks Gegner bedrohte ihm mit einem Messer, welchem er anfangs noch geschickt ausweichen konnte, doch als ein Zweiter ebenfalls ein Messer zog, wurde er in die Enge gedrängt und mit einem Schnitt im Gesicht und mehreren am Arm verletzt.
Luka hatte sich inzwischen aus der Umklammerung befreit und stieß seinen Gegner nieder und trat ihn dann voll in die Weichteile, sodass dieser sich schreiend und vor Schmerz krümmend auf dem Boden wälzte. Darauf reagierten die Beiden mit den Messern und gingen auf Luka los, attackierten ihn und stachen mehrmals brutal zu.
Dann ertönten die Sirenen der Polizeiwagen, die Schläger ließen von Luka ab, schnappten sich ihren Kumpel, der immer noch auf der Erde lag, und wollten verschwinden. Aber die Polizisten sprangen ebenso schnell aus den Wagen und liefen hinter ihnen her.
Bewusstlos brach Luka, aus mehreren Messerstichen blutend, zusammen.
Tom war noch oben bei Pete in der Wohnung. Als er die Sirenen hört, die direkt vor dem Haus endeten, rannte er schnell runter um eventuelle erste Hilfe leisten zu können. Als er unten ankam, herrschte schon das Chaos. Doch er sah nur Luka blutüberströmt da liegen. Er war sofort bei ihm. Irgendjemand warf ihm einen Erste Hilfe Kasten zu und er versuchte die Blutungen zu stoppen. Inzwischen waren noch andere Helfer zur Stelle, die sich um die Verletzten kümmerten, bis der Notarzt und die Krankenwagen kamen.
Da Luka am schwersten verletzt war, wurde er als Erster behandelt und mit Blaulicht ins Krankenhaus gebracht. Tom blieb natürlich bei ihm, folgte bis in den OP.
Dr. Altan aus der Notaufnahme kümmerte sich sofort um Luka. Tom lief ziemlich nervös hin und her. Er stand eigentlich mehr im Weg, als dass er helfen konnte.
Als Dr. Altan merkte, dass er sich den auftretenden Komplikationen nicht gewachsen sah, ließ er die Schwester nach dem Chefarzt rufen, welcher auch sofort kam. Tom, der nur noch panisch die inzwischen angeschlossenen Geräte beobachtete, wurde als erstes, auf Anweisung des Chefarztes, von einer Schwester aus den OP gebracht. Er musste draußen warten und wäre fast verrückt geworden vor Sorge um Luka, da halfen auch die beruhigenden Worte der Schwester nichts.
Nach, wie es Tom schien, endloser Zeit, ging die Tür auf und Chefarzt Dr. Feldhausen kam zu ihm und teilte ihm mit, dass einige lebenswichtige Organe verletzt waren, sie einige komplizierte Eingriffe unternehmen mussten und um den Heilungsprozess nicht zu gefährden sie den Patienten in ein künstliches Koma gelegt hätten. Der Patient würde jetzt auf die Intensivstation gebracht und dann könnte Tom wieder zu ihm.
Tom brauchte ein paar Minuten um das Gehörte zu verdauen und machte sich dann auf den Weg zur Intensivstation.
Nachdem er seine grüne Schutzkleidung anhatte, konnte er den Intensivbereich betreten. Dann sah er Luka da liegen, an mehreren Geräten und Schläuchen angeschlossen.
Er kannte den Anblick ja nun wahrhaftig von seinen eigenen Patienten, aber seinen Engel da so liegen zu sehen war fast zu viel für ihn. Er ging langsam auf das Bett zu, nahm Lukas Hand in seine und strich ganz vorsichtig mit dem Daumen über den Handrücken. Je länger er Luka anschaute, umso schwerer war es für ihn die Tränen zurückzuhalten, bis er es nicht mehr schaffte. Er senkte seinen Kopf und begann bitterlich zu heulen.
Er blieb die ganze Nacht an Lukas Bett, betrachtete immer wieder die Geräte die Lukas Lebensfunktion überwachten, bis sich eine Hand auf seine Schultern legte und er hoch schreckte. Professor Schumann trat neben ihm, prüfte ebenfalls die Geräte und sagte nur: „Er wird es schaffen. Dr. Feldhausen meint, dass es gut aussieht.“
Tom sah ihn mit roten Augen an: „Ja, das ist alles woran ich mich festhalten kann. Ich will ihn nicht verlieren. Ich liebe ihn. Ich weiß nicht ob ich ohne ihn leben kann und will.“
„Tom, sag so was nicht. Er wird wieder gesund und ihr werdet ein schönes gemeinsames Leben haben, aber jetzt musst du stark sein, Tom. Luka würde nicht wollen, dass du jetzt aufgibst. Du weißt, dass er im künstlichen Koma einiges mitbekommen kann. Wenn er aufwacht kann er sich vielleicht an einiges erinnern. Es ist bestimmt besser für ihn, wenn er einen positiv denkenden Tom in seinen Erinnerungen hat. Mhmm, was meinst du?“
Tom sah ihn eine Weile nachdenklich an.
„Ja, du hast wie immer Recht. Ich habe mich zu sehr runterziehen lassen.“
„Tom, du musst jetzt stark sein. Ach, da fällt mir ein. Sind seine Eltern benachrichtigt worden?“
„Ja, die sind auf dem Weg hierher. Ich weiß gar nicht was ich ihnen erzählen soll. Ich war doch gar nicht dabei als es passierte.“
„Was hältst du davon, ich bleibe hier und du gehst die Anderen fragen, was genau vorgefallen ist. Ich weiß, dass zwei von ihnen zur Überwachung hier bleiben mussten. Sie sind auf Station 3.“
„Danke. Ich bin so schnell wie möglich wieder zurück.“
Tom brauchte wirklich nicht lange. Er erkundigte sich wo die Beiden lagen, rüttelte Markus wach und ließ sich genau erzählen, was vorgefallen war.
Dann spurtete er schnell wieder zurück.
Wenig später trafen auch Lukas Eltern ein. Nachdem sie die entsprechende Schutzkleidung an hatten wurden sie zu Lukas Bett geführt. Monika konnte sich überhaupt nicht beherrschen, nach einem Blick auf Luka drehte sie sich zu ihrem Mann, vergrub ihr Gesicht in seine Schulter und schluchzte laut los. Joachim starrte auf seinen Sohn und auch ihm liefen Tränen über die Wangen. Als er sich halbwegs wieder gefangen hatte, fragte er: “Tom, was genau ist mit ihm?“
Tom erklärte zunächst was während der Notoperation bei Luka gemacht wurde, dass er in ein künstliches Koma gelegt wurde, damit die Wunden heilen können und er in vier Tagen wieder geweckt werden würde. Er müsse danach noch eine Weile künstlich ernährt werden , bis der Magen seine Funktion wieder aufnehmen konnte.
Mit der Weile hatte auch Monika sich wieder einigermaßen beruhigt.
„Aber er isst doch so gerne!“
„Wenn er aufwacht, wird er noch keinen Hunger haben. Das ist außerdem das kleinste Problem.“
„Wieso? Was kann denn noch passieren?“, fragt Monika ängstlich.
„Die größten Schwierigkeiten macht der Kreislauf. Luka hat sehr viel Blut verloren und das Herz arbeitet jetzt nur auf Sparflamme. Solange er an der Herz-Lungenmaschine angeschlossen ist, kann eigentlich nichts passieren. Die kritische Phase ist wenn er aufwacht und er diese Funktionen wieder selbständig übernehmen muss. Aber dann ist auch Professor Feldhausen dabei und wird entsprechen reagieren.“
Monika blickte sehnsüchtig zu ihrem Sohn „D... darf ich ihn berühren?“
„Aber natürlich!... Komm hier herum!... Es gibt Erkenntnisse, dass sich Komapatienten an Dinge erinnern können die sie während der Zeit erlebt haben.“
Monika ging um das Bett und nahm Lukas Hand, die nicht mit dem Tropf verbunden war und strich ganz vorsichtig über den Handrücken.
Nach einer halben Stunde mussten sie die Intensivstation wieder verlassen. Tom ging mit ihnen, es mussten noch einige Formalitäten erledigt werden. Dann machten sie aus, dass Monika jetzt zwar mit nach Hause fuhr, sie aber am Nachmittag wieder kommen würde und für die nächsten Tage in der WG wohnen sollte, damit sie schneller zu Luka konnte. Als sie gefahren waren, rief Tom noch Cora an, damit sie das Gästezimmer herrichten konnte. Dann ging er wieder zu Luka.
Luka blieb vier Tage im künstlichen Koma. Monika fuhr dreimal am Tag zu ihm. Wenn sie bei ihm war erzählte sie ihm immer schöne Dinge die sie als Familie erlebt hatten, in der Hoffnung er könnte sie auch hören.
Tom war während der Zeit von Dienst freigestellt und natürlich rund um die Uhr in der Intensivstation. Bis Klaus ein Machtwort sprach: “Tom, du siehst furchtbar aus. Du wirst jetzt nach Hause fahren und dich schlafen legen. So geht das nicht weiter.“
„Aber ich will bei ihm sein.“
„Wenn Luka aufgeweckt wird, braucht er einen starken und gesunden Tom und keine Mumie. Genauso siehst du nämlich aus. Wann hast du das letzte Mal geschlafen?“
„Keine Ahnung, Ich kann mich nicht mehr erinnern.“
„Also jetzt keine Widerrede. Du nimmst dir jetzt ein Taxi und fährst nach Hause. Ich werde hier bleiben.“
„Dann wird Brigitte böse sein.“
„Glaub mir, sie wird böse, wenn du jetzt nicht sofort fährst. Und jetzt verschwinde. Los! Ab mit dir!“
Dann war auch der vierte Tag um. Tom sah diesem Tag mit größter Sorge entgegen. Er musste sich zwingen nicht an alle Komplikationen zu denken, die eventuell auftreten könnten. Dr. Feldhausen entschied aber nach einer gründlichen Untersuchung, dass es an der Zeit war die Narkose wieder ausschleichen zu lassen und gab Luka das entsprechende Mittel. Ein ganzes Ärzteteam war anwesend um während der Aufwachphase die verschiedensten Tests und Untersuchungen zu machen. Zunächst konnten sie nur die Reflexe und Reaktionen auf akustische Reize überprüfen, doch immer länger blieben Lukas Augen offen. Tom war die ganze Zeit bei Luka und als dieser das erste Mal bewusst Tom wahrnahm, sah er ihn fragend an. Dann wollte der entsprechende Arzt die nächsten Tests machen und Tom musste ein wenig zur Seite gehen. Lukas Augen folgten der Bewegung, was schon einen Großteil der Tests ausmachte.
Tom ergriff Lukas Hand und strahlte seinen Engel nur an. Luka wurde weiter gründlichst untersucht und nach ca. einer Stunde, als Dr. Feldhausen die Erlaubnis gab, durften auch seine Eltern zu ihm.
Alle waren froh, dass Luka das Gröbste überstanden hatte. Jetzt musste er nur noch eine Weile künstlich ernährt werden, bis sein Magen und einige andere Organe ihre vollständige Funktion wieder aufnehmen konnte. Er wollte genau wissen, was in der Zeit alles passiert war, wie es den Anderen ginge usw. Er blieb noch einen Tag auf der Intensivstation bis man ihn dann auf ein Zimmer brachte.
Am Morgen als Luka aufwachte fühlte er sich richtig fit. Nachdem die Krankenschwester ihn gewaschen und versorgt hatte, kam auch seine Mutter schon.
Er hatte kaum noch Schmerzen, nur die Nähte zwickten ein wenig. Sie freute sich natürlich, dass es ihrem Sohn gut ging. Luka schickte sie auch bald nach Hause um für ihn Wäsche zu holen, er hatte ja immer noch das Krankenhaushemdchen an. Am Nachmittag würde er das erste Mal aufstehen dürfen, dann wollte er wenigstens eine Unterhose anhaben. Als sie gerade weg war, rief er Frank an, er solle ihm seine Tasche bringen, bevor er zur Uni gehe.
Tom hatte natürlich inzwischen wieder Dienst und begrüßte ihn zwischendurch kurz, musste aber schnell wieder zu einem anderen Patienten.
Als Monika dann kam war sie ziemlich beladen. Sie hatte die Wäsche für Luka. Sie quasselten eine Weile, dann wollte sie sich auf den Weg nach Krefeld machen um dort nach dem Rechten zu sehen. Sie war ja jetzt einige Tage in Köln gewesen und ihre Eltern hatten sich um Matti gekümmert.
Sobald seine Mutter sich verabschiedet hatte, kramte Luka seine Bücher, das Notizbuch und einen Stift heraus und begann zu arbeiten.
Als Tom etwas später wieder nach ihm sehen wollte, glaubte er seinen Augen nicht, als er die ausgebreiteten Bücher auf Lukas Bett liegen sah.
"Was soll das denn werden?", maulte er gleich los.
"Hallo Schatz, ich liebe dich auch!", antwortete Luka freudestrahlend. "Mir geht es prima! Warum soll ich nicht ein bisschen an meinem Referat arbeiten. Ich bin fünf Tage im Rückstand."
"Verdammt Luka! Du hast vier Tage im Koma gelegen und seit gestern erst wieder bei Bewusstsein. Du kannst doch nicht einfach so tun als wäre nichts passiert. Du wirst das alles jetzt sofort wieder einpacken und dich ausruhen."
"Aber ich bin ausgeruht, Tom. Ich fühle mich gut. Das ist doch überhaupt nicht anstrengend, was ich hier mache. Ich lese ein bisschen und mache mir Notizen."
"Nein Luka. So geht das nicht. Das wird jetzt eingepackt und ich nehme alles mit, sonst machst du gleich weiter, sobald ich die Türe raus bin."
Während Tom das sagte, schlug er auch schon die Bücher zu und packte sie in die Tasche.
"Hey, das kannst du nicht machen, du verschlägst mir ja die Seiten.", maulte Luka und hielt sein Notizbuch krampfhaft fest. "Das kriegst du aber nicht."
"Luka! Ich möchte hier jetzt nicht mit dir streiten. Aber als dein Arzt sage ich -DU WIRST DICH JETZT AUSRUHEN.- Hast du mich verstanden!"
Er zerrte Luka auch das Notizbuch aus den Händen, stopfte es in die Tasche und brachte alles in sein Büro.
Jetzt war Luka doch ziemlich geschockt. So hatte Tom noch nie mit ihm gesprochen. Er grübelte, aber ihm war eigentlich nicht wirklich bewusst, warum Tom jetzt so wütend war. Er sollte sich doch freuen, dass es ihm schon so gut ging.
Dann kam eine Krankenschwester lächelnd in sein Zimmer, gab ihm ein Schlafmittel in die Kanüle die in seinem Arm steckte, machte ohne etwas zu sagen sein Bett in Liegestellung und ging wieder.
Das musste auf Toms Anweisung gemacht worden sein. Etwas Wut stieg in ihm
hoch. Aber so richtig konnte er sich nicht reinsteigern, denn schon bald schlief er ein.
Am späten Nachmittag kam Frank ihn besuchen. Sie quatschten über die ganze Aktion und wie es den Anderen ergangen war.
Markus und Oli waren beide mit Verdacht auf Gehirnerschütterung zur Beobachtung ins Krankenhaus eingewiesen worden. Markus konnte am nächsten Morgen mit ein paar Prellungen und einem Veilchen entlassen werden. Aber Oli musste noch eine Nacht länger bleiben, da sich die Gehirnerschütterung bestätigte und seine Nase gebrochen war. Dann beschrieb er Oli, wie er aussah mit der verbundenen Nase. Er selbst musste „nur“ mit ein paar Stichen genäht werden und konnte noch in der Nacht nach Hause.
Frank erzählte ihm auch die wichtigsten Dinge von der Uni, die Luka verpasst hatte.
Er hatte schon alle Unterlagen für ihn kopiert, weil er doch wusste wie ehrgeizig Luka war.
Luka wollte die Kopien gerade in sein Schränkchen verschwinden lassen, damit Tom ihm nicht wieder alles abnehmen konnte. Aber da kam Tom auch schon ins Zimmer und hatte es gerade noch gesehen.
"Ich glaub´s ja nicht. Hast du schon wieder was zu lernen da?", polterte er auch gleich schon wieder los.
"Tom, du siehst doch, dass ich es in den Schrank lege und mich nicht sofort darauf stürze. Also beruhige dich wieder."
"Ich werde mich nicht beruhigen. Frank, du nimmst diese Sachen jetzt wieder mit. Luka wird hier nicht lernen. Falls ihr es noch nicht gemerkt haben solltet, das hier ist ein Krankenhaus. Und die Patienten sind hier um gesund zu werden und nicht um zu lernen. Klar." Er drückte dem verblüfften Frank die Unterlagen in die Hände.
"Frank, würdest du jetzt bitte gehen. Wir reden heute Abend miteinander. Bitte."
Frank schaute von Tom zu Luka, machte den Mund auf und wieder zu. Dann akzeptierte er den Rauswurf und ging mit einem "Tja, bis dann."
"Tom, du hast ihn einfach rausgeworfen. Was soll das?" Luka sah ihn verständnislos an.
Tom setzte sich mit aufs Bett und ergriff Lukas Hand.
"Luka, ich glaube wir sollten einiges klarstellen."
"Ja? Ich höre."
"Nur um es noch mal in deine Erinnerung zu bringen. Du hast eine schwere Operation hinter dir, warst vier Tage im Koma und bist jetzt erst den zweiten Tag bei Bewusstsein. Wir sind alle froh, dass du das so gut überstanden hast. Die Notärzte haben alles getan um dein Leben zu retten. Deine Mutter, Klaus und ich haben fast die ganze Zeit an deinem Bett gesessen und dich überwacht. Wir alle hatten furchtbare Angst dich zu verlieren. Und du? Du siehst das alles ganz locker. Denkst, du bist wieder wach und kannst gleich wieder loslegen. Luka! Was du brauchst ist Ruhe. Dein Kreislauf ist noch nicht stabil. Du wirst noch künstlich ernährt. Deine Wunden müssen heilen. Bitte sieh das doch ein."
Luka sah ihn schuldbewusst mit großen Augen an und sagte dann: „Tut mir leid. Du hast ja Recht. Aber ich fühle mich so fit.“
„Ach Luka, das liegt doch nur an den Medikamenten die du bekommst. Während des Komas waren doch deine ganzen Körperfunktionen auf ein Minimum runtergeschraubt und jetzt muss alles wieder angekurbelt werden. Aber es dauert noch etwas, bis alle Organe wieder komplett selbstständig arbeiten. Und deshalb brauchst du viel Ruhe und Schlaf. Wenn du nicht freiwillig ruhig liegen bleibst, muss ich dich mit Schlafmitteln dazu zwingen. Aber das möchte ich nicht. Du musst schon so viel andere Medikamente nehmen.“
„Wie lange dauert das denn noch, bis alles wieder richtig funktioniert und ich nach Hause kann?“
„Oh, das wird sich schon noch ein paar Tage hinziehen. Deine Wunden sehen sehr gut aus. Ich denke, wir können Morgen damit anfangen, dass du etwas trinken darfst. Dann werden wir sehen inwieweit die Organe arbeiten.“
„Und warum machen wir das nicht jetzt?“
„Auf gar keinen Fall. Außerdem kann ich das nicht alleine entscheiden. Professor Feldhausen will dich morgen zuerst untersuchen und dann wird er bestimmen was du darfst und was nicht. Heute hast du nur brav hier zu liegen und dich auszuruhen.“
„Darfst du mir denn wenigstens einen Kuss geben?“
„Aber natürlich darf ich das.“
Er beugte sich über Luka und berührte ganz zart dessen Lippen. Aber damit gab Luka sich natürlich nicht zu frieden. Er packte Tom am Nacken und hielt ihn fest während er mit seiner Zunge dessen Mund eroberte. Nachdem es Tom schaffte sich wieder zu lösen: „ Ach Luka, ich bin so froh, dass das Gröbste überstanden ist. Ich hatte solch eine Angst dich zu verlieren. Ich liebe dich und ich will nicht ohne dich sein. Jetzt musst du nur wieder gesund werden. Tu bitte nichts, was das gefährden könnte, bitte Luka.“
„Ich liebe dich auch und ich verspreche dir: Ich werde brav sein.“
Streit
Inzwischen waren einige Monate vergangen. Luka war wieder gesund, er musste nur noch mit sehr scharfen Gerichten vorsichtig sein. Der Alltag war wieder eingekehrt. Tom hatte wie üblich wenig Zeit. Die meiste Zeit nahmen die Vorbereitungen für diverse Prüfungen über sein Fachgebiet in Anspruch. Luka hatte natürlich dafür Verständnis, aber dann war er froh, als bald alle Prüfungen abgelegt waren und er seinen Tom wieder für sich hatte.
Tom saß hochkonzentriert im Labor an seinem PC und sortierte alle Forschungsergebnisse.
Klaus hatte ihn angewiesen, alle Informationen über die Projektarbeit, insbesondere die Forschungsergebnisse, für die Robert-Koch-Stiftung e. V. für Wissenschaft und Forschung in Berlin zusammen zu stellen. Ebenso die Berichte über die Behandlung und Betreuung ihrer Patienten. Denn dort lag ein Antrag für einen Förderpreis vor und nun wurden genauere Angaben angefordert.
Er war ziemlich unter Zeitdruck. Am Montag musste alles fertig sein, damit es nach Berlin geschickt werden konnte. Aber es war eine irrsinnige Menge an Material, Unterlagen von fast drei Jahren, die Tom aufbereiten musste.
Er war also entsprechend genervt als Luka am Freitagmittag von der Uni kam und ihn liebevoll begrüßte. Sie hatten eigentlich vor, nach längerer Zeit, sich ein schönes gemütliches Wochenende zu machen.
„Was hast du denn?“, wunderte sich Luka, als er nicht gerade herzlich empfangen wurde.
„Ach Scheiße, ich habe jetzt überhaupt keine Zeit. Ich muss das ganze Wochenende die Berichte und Ergebnisse durcharbeiten für die Robert-Koch-Stiftung in Berlin. Wir können alles andere vergessen. Wenn ich durchmache, habe ich vielleicht eine Chance es bis Sonntagabend zu schaffen.“
„Was?... Aber du hattest doch voriges Wochenende auch schon keine Zeit für mich. Mann, du hast fast gar keine Zeit mehr. Kann ich dir denn irgendwie helfen, dann geht es schneller.“, bot Luka an.
„Nein leider nicht. Es geht hier ja überwiegend um die Betreuung der Patienten und die Forschung. Sarah stellt mir ihre Arbeiten auch zusammen. Hierbei kannst du mir leider nicht helfen.“
„Soll ich jetzt das ganze Wochenende zuschauen, wie du genervt am PC hängst, dazu habe ich auch keine Lust.“
„Es wird das Beste sein, wenn du nach Hause fährst. Ich habe echt keine Zeit. Aber das ist total wichtig, es geht um die Unterstützung und Anerkennung unseres Projektes.“
„Klar, das Projekt ist natürlich mal wieder am wichtigsten.“ Luka war sauer und traurig.
„Hey, ich habe jetzt weder Zeit noch Lust mit dir deswegen zu streiten. Wir reden nächste Woche darüber. Ok?“
„Nein, das ist nicht ok. Aber ich habe ja keine andere Wahl. Ich fahre nach Hause und viel Spaß mit deinen Berichten.“
Luka knallte die Tür zu und fuhr beleidigt nach Hause.
Im Zug musste Luka sich schon schwer zusammen nehmen, dass er nicht anfing zu heulen vor Wut. Er hatte sich so auf das Wochenende gefreut und dann so was.
Zu Hause feuerte er die Schuhe in die Ecke und zog sich in sein Zimmer zurück.
Seine Mutter wunderte sich ihn zu sehen, sie hatte ja eigentlich nicht mit ihm gerechnet.
Als sie zufällig an seinem Zimmer vorbei ging, wunderte sie sich noch mehr, keine Musik, kein Fernseher, alles still.
Sie klopfte an, öffnete die Tür und sah ihren Sohn auf seinem Bett liegen, das Gesicht ins Kopfkissen vergraben.
„Luka?“
Als Antwort kam nur ein tiefes Seufzen.
„Luka, ist was passiert?“ Sie setzte sich zu ihrem Sohn auf die Bettkante und strich ihm über den Rücken.
Langsam drehte er sich um und sah seine Mutter aus verheulten Augen an.
„Wir haben uns gestritten. Er hat mal wieder keine Zeit für mich. Immer ist alles andere wichtiger, vor allem das Projekt.“
„Hattet ihr euch da nicht auf einen vernünftigen Mittelweg geeinigt?“ Sie reichte ihm ein Taschentuch, das auf dem Nachttisch lag. Luka wischte sich über die Augen und putzte sich dann die Nase.
„Ja sicher, aber voriges Wochenende hatte er ja Dienst und Zeit für sein Projekt und dieses Wochenende wollten wir eigentlich zusammen verbringen. Aber jetzt muss er diesen blöden Bericht für die Robert-Koch-Stiftung schreiben.“
„Das ganze Wochenende?“
„Ja, anscheinend, ist natürlich unheimlich wichtig. Auf jeden Fall wichtiger als ich.“
„Ich weiß ja nicht so viel darüber, aber wenn die Robert-Koch-Stiftung etwas von Tom will, hört sich das schon ziemlich wichtig an.“
„Ach, ja sicher ist es wichtig.“, lenkte Luka ein. „Es geht da um einen Förderpreis für das Projekt, den das Krankenhaus bekommen könnte, wenn die das Konzept gut finden. Er war auch schon ziemlich genervt als ich kam und wollte mich nicht bei sich haben.“
„Wahrscheinlich ruft er gleich an und es tut ihm wieder leid.“, versuchte seine Mutter ihn zu trösten.
„Das sollte ihm auch leid tut. Es ist ja das Mindeste, dass er sich entschuldigt. Ach, man.“ Er seufzte aus tiefstem Herzen.
„Kommst du gleich runter zum Essen.“, wollte seine Mutter ihn ablenken. Sie nahm ihm das Taschentuch aus der Hand und warf es in den Mülleimer.
„Ja. Ich dusche noch eben, dann komme ich.“
Tom rief nicht an.
Er war voll mit seinen Aufbereitungen beschäftigt, so dass er absolut die Zeit vergaß. Mit viel Kaffee und anderen kleinen Hilfsmitteln hielt er sich wach. Als Sarah kam und ihm ihrer Unterlagen brachte, stellte sie fest, dass er noch nichts gegessen hatte. Sie besorgte ihm etwas aus der Krankenhausküche und zog sich aber auch sofort wieder zurück.
Erst Samstagnachmittag, als ihm die Finanzamtunterlagen in die Finger kamen, fiel ihm Luka wieder ein.
>Scheiße, Luka. Der ist bestimmt noch sauer.>
Er griff zum Telefon.
„Hallo, mein Engel.“
„Hallo, Tom. Bist du fertig?“
„Nein, leider noch nicht. Ich wollte mich nur mal melden.“
„Melden?“
„Naja, ich war gestern etwas kurz angebunden.“
„Ja, das warst du. Aber du willst ja nächste Woche mit mir drüber reden, wenn du ein wenig Zeit für mich übrig hast.“
„Du bist immer noch sauer.“
„Was denkst du denn? Natürlich bin ich sauer. Ich hatte mich auf ein schönes Wochenende gefreut und du schickst mich weg. Toll.“
„Aber ich konnte doch nicht wissen, dass die jetzt so schnell die Berichte sehen wollen. Du weißt doch wie wichtig das ist. Wenn die uns den Förderpreis geben, können wir ganz anders arbeiten. Mensch, Luka das weißt du doch.“
„Ja sicher, weiß ich das. Aber jetzt sind es die Berichte, letztens waren es die Facharztprüfungen, nächstes Mal ist es wieder etwas anderes. Es kommt viel zu oft etwas Wichtiges dazwischen, Tom. Ich will mit dir zusammen sein, und das nicht nur wenn ich Glück habe, jedes zweite Wochenende ein paar Stunden, das ist mir zu wenig.“
„Luka, ich... ach verdammt, jetzt kann ich da auch nichts ändern.“ Klick
„Tom?“
Den ganzen Abend war Luka schlecht gelaunt und sehr betrübt. Selbst Matti konnte ihn nicht aufheitern und er zog sich früh in sein Zimmer zurück.
Am nächsten Morgen ging er wie immer wenn er zu Hause war mit seinem
Bruder Brötchen holen. Dann das gemeinsame Frühstück mit der Familie.
Luka hatte sich das Wochenende wirklich anders vorgestellt. Jetzt saß er mit Mattis Gameboy im Garten und langweilte sich zu Tode.
Dann stand plötzlich Tom vor ihm.
„Tom? Was...?“
„Ich hab es nicht mehr ausgehalten. Entschuldige, mein Engel. Du hast ja so Recht, wir haben viel zu wenig Zeit für uns.“
„Tom? Ich...“ Luka sah ihn verwundert an: „Bist du denn jetzt fertig?“
„Nein, noch nicht ganz. Kai macht jetzt gerade die restlichen Ausdrucke und zieht dann alles auf CDs. Den Rest schaffe ich schon noch bis Montag. Jetzt müssen wir das mit uns erst mal klären.“
„Ja, das sollten wir. Wie hast du dir das denn jetzt gedacht?“
Tom setzte sich zu Luka.
„Ich habe während der Fahrt nachgedacht und wenn ich bald fertig bin, also noch die restlichen praktischen Prüfungen abgelegt habe, rede ich mit Klaus, dass ich nur die Hälfte meiner Dienstzeit auf Station bin und die Betreuung der Patienten geht ja nach Terminabsprache. Dann könnte ich den Rest der Zeit für das Projekt und die Forschung verwenden. Dann mache ich nur noch ein Wochenende im Monat Dienst und drei hätte ich dann frei, eventuell mal Bereitschaft. Was hältst du davon.“
„Du meinst also, dann hättest du auch mehr Zeit für mich?“
„Ja natürlich, dann hätten wir drei Wochenenden und vielleicht ab und zu mal einen Wochentag. Lernen muss ich dann ja auch nicht mehr so viel. Also müssen wir jetzt nur noch die wenigen Wochen überstehen.“
„Na, dann wollen wir hoffen, dass das alles so funktioniert.“ Luka war da schon noch etwas skeptisch.
„Willst du denn noch mit mir zusammen sein?“ Tom hob Lukas Kinn und sah ihn ernst in die Augen.
„Natürlich will ich dich noch, du Idiot. Ich liebe dich doch.“, dann nahm Luka Tom in die Arme, sie küssten sich und kuschelten eine ganze Weile.
„Ich liebe dich und ich will dich auf keinen Fall verlieren. Ich verspreche dir, mich zu bessern. Ich brauche dich doch.“, hauchte Tom ihm ins Ohr, dann gingen sie in Lukas Zimmer um noch ein paar Stunden gemeinsam zu verbringen.
Montag war alles fertig und wurde zur Robert-Koch-Stiftung geschickt.
Am Mittwoch holte Tom Luka von der Uni ab, sie bummelten ein wenig durch die Stadt und blieben den Rest des Tages gemütlich zu Hause. Nur zum Essen gingen sie kurz runter.
Für Freitagabend hatte Tom sich etwas Besonderes überlegt und mit Coras Hilfe würden es auch bestimmt klappen. Sie sollte ein tolles Abendessen vorbereiten. Den Tisch in seiner Küche hatte er mit einer weißen Tischdecke, einzelnen roten Rosenblütenblättern, zwei Kristallkerzenleuchtern und einer roten Rose in der Mitte romantisch gedeckt.
Er ging wie üblich nach seinem Dienst ins `Brothers` wo Luka schon mit Frank und den Anderen vorgegangen war. Kurz begrüßte er seinen Engel, ging dann hoch zu seinem Patienten und kam auch relativ schnell wieder zurück. Er war schon etwas aufgeregt, weil er sich nicht sicher war, wie Luka reagieren würde. Er schlich sich von hinten an Luka heran und umarmte ihn zärtlich. Sie tanzen ein wenig, aber dann sagte Tom: „Ich würde jetzt gern mit dir alleine sein. Können wir gehen?“
„Von mir aus gerne. Hast du denn schon alles bei Pete erledigt?“
„Ja, er ist gut versorgt und schläft jetzt. Für seine Verhältnisse ging es ihm heute relativ gut. Aber es geht trotzdem langsam dem Ende zu. Bald hat er die Qualen überstanden.“ Er schaute auf seine Uhr.
„Komm, lass uns gehen.“
Nach Coras Zeitplan würde sie jetzt gerade damit beginnen das fertige Essen hochzubringen und auf die Warmhalteplatten zu stellen.
Mit dem Wagen brauchten sie etwa 5 Minuten bis zur Villa, die ja in der Kölner Innenstadt lag.
„Hast du heute keinen Hunger? Sonst holst du dir doch immer noch was unterwegs.“
„Ähm, ... ich ähm kann mir ja später was warm machen.“
Jetzt wäre Tom fast aufgeflogen.
Als sie das Haus betraten, war niemand zu sehen. Sie gingen sofort hoch und als Tom die Wohnungstür aufmachte, sah man nur leichten Kerzenschimmer aus der Küche.
„Was ist denn...?“ Luka betrat die Küche. „Oh Tom, ein Candle-Light-Dinner? Haben wir was zu feiern, von dem ich nichts weiß?“
„Ja, so was in der Art. Aber setz` dich erst mal und dann sollten wir auch essen, sonst wird es noch kalt. Cora hat sich besonders viel Mühe gegeben.“
Und das taten sie auch. Es schmeckte vorzüglich und das Timing war perfekt.
Nachdem sich Luka gesättigt zurücklehnte: „Sagst du mir jetzt, wieso wir so romantisch zu Abend essen?“
„Ja, ähm... Luka... ich... ach, ich weiß gar nicht wie ich anfangen soll. Ich hatte mir das alles so toll überlegt und jetzt ist alles weg. Also, Luka, ich liebe dich über alles, dass weißt du und ich will, dass das für immer so bleibt. Ich werde auf jeden Fall dafür sorgen, dass wir mehr Zeit miteinander verbringen können. Es tut mir wirklich leid, dass so oft was dazwischen kommt und du dann das Nachsehen hast und auf mich warten musst.“
„Ja, das wäre schön, aber du hast doch gesagt, dass sich nach deinem Abschluss einiges ändern wird.“
„Ja, und ich denke ich werde da bei Klaus volle Zustimmung bekommen.“
Tom stand jetzt auf, griff in eine Schublade und ging vor Luka auf die Knie.
„Luka, ich liebe dich und will für immer mit dir zusammen sein. Ich weiß ja, dass du eigentlich noch zu jung dafür bist. Aber ich frage dich: Willst du den Rest deines Lebens mit mir verbringen?“
„Tom... ich...“ Er sah ihn mit großen Augen an. Mit so etwas hatte er wahrhaftig nicht gerechnet.
Als Luka zögerte, meinte Tom: „Das heißt ja nicht, dass wir es sofort eintragen lassen müssen. Aber würdest du bis dahin meinen Ring tragen?“
„Tom, ich wünsche mir nichts sehnlicher als für immer mir dir zusammen zu sein und bei dir zu sein. Ja Tom, ich werde deinen Ring tragen.“
Tom nahm Lukas linke Hand und steckte ihm den Ring an und Luka machte das gleiche bei Tom. Dann zog Luka Tom zu sich und fing seine Lippen zu einem langen innigen Kuss. Als sie sich wieder lösten:
„Aber wir warten noch ein wenig, ja?“
„Ja natürlich, nicht sofort. Wir suchen uns dann einen guten Zeitpunkt aus, vielleicht wenn du mit dem Studium durch bist oder auch später. Wir werden sehen.“
Dann führte Tom seinen Engel in sein Schlafzimmer.
Berlin
Professor Schumann rief Tom zu sich ins Büro.
"Hallo Tom. Ich wollte mit dir über deine Zukunft sprechen. Du hast ja jetzt deine Prüfungen zum Facharzt abgelegt und ich zweifle nicht im Geringsten daran, dass du sie mit Bravur bestanden hast. Dass du hier an der Uniklinik bleibst ist ja wohl klar, darüber waren wir uns ja alle schon einig. Aber wie sind deine genauen Vorstellungen über die Zukunft in unserem Hause?"
"Ja. Ich wollte sowieso nach dem Abschluss mit dir darüber reden. Ich hatte mir überlegt, dass ich nur die Hälfte meiner Dienstzeit auf Station bin und die andere Zeit mit Forschung verbringe bzw. im Labor stecke."
"Ja, so in etwa habe ich mir das auch schon gedacht, wie so oft sind wir wieder einer Meinung. So nach und nach möchte ich dich als meinen Nachfolger einweisen, sodass du irgendwann die Leitung des Labors übernehmen kannst. Ich habe das auch schon bei der Klinikleitung angesprochen.“
„Du denkst doch nicht etwa daran kürzer zu treten?“ Das konnte Tom sich beim besten Willen nicht vorstellen. Er kannte Klaus immer nur im Einsatz und mit einem vollen Terminkalender.
„Tja, jetzt wo Brigitte schwanger ist und wir bald zu dritt sind, möchte ich schon ein wenig mehr Zeit für meine Familie haben. Ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste. Wenn man die Fünfzig erreicht hat, sollte man vielleicht einen Gang runter schalten. Das habe ich mir zumindest vorgenommen.“
"Was hältst du eigentlich von Dr. Mertens?"
"Naja, also, über sein fachliches Wissen will ich nicht urteilen, aber Christian ist nicht gerade die Idealbesetzung für das Projekt."
"Wie meinst du das? Könntest du bitte etwas konkreter sein."
"Ähm tja... Ich will ihn ja jetzt nicht schlecht machen, aber mir sind da einige Dinge zu Ohren gekommen.“ Tom zögerte zuerst. „Also, er macht wohl die Patienten an. Ich weiß zum Beispiel von Timo, ein Patient der regelmäßig zur Untersuchung kommt, dass er von Christian massiv angemacht worden ist. Sarah hat mir auch von einem Patienten erzählt, der wieder gegangen ist, weil er sich bedrängt gefühlt hat und lieber ein anderes Mal wiederkommen wollte. Das geht natürlich nicht. Vor allem die Leute, die das erste Mal zu uns kommen, kostet es schon genug Überwindung mit ihren Ängsten und Problemen. Da ist eine Anmache natürlich absolut unangebracht."
"Ich habe mir schon so was gedacht. Mir ist auch so einiges zugetragen worden. Mir ist auch nicht entgangen, dass er dich ziemlich umgarnt hat."
"Das ist richtig. Aber ich glaube, inzwischen hat er kapiert, dass er Luka und mich nicht auseinander bringt."
"Tja, ich glaube, das schafft nichts und niemand. ... Dann werde ich ihm nahe legen, sich wo anders zu bewerben."
Am darauf folgenden Montag nach der Visite sprach Klaus Tom auf die bevorstehende Reise nach Berlin an. Es war geplant, dass die Beiden nach Berlin fahren und dort Rede und Antwort zu ihrem Projekt stehen sollten.
“Tom, hast du dich schon selig und moralisch auf die Fahrt nach Berlin
eingestellt?"
"Ja natürlich, es ist doch alles vorbereitet und zeitlich abgestimmt, wenn wir ankommen. Eigentlich kann nicht mehr viel schief gehen. Wieso?"
"Naja, da wäre noch ein kleines Problem. Wir wissen ja alle, dass du am besten über alles Bescheid weißt und die werden ja wahrscheinlich auch überwiegend dich befragen.“ Der Professor machte eine Denkerpause. „Naja, du weißt ja auch, dass es Brigitte im Moment nicht so besonders geht, ihr ist morgens immer übel und die Gynäkologen sagen, dass es ja sowieso eine Risikoschwangerschaft ist, weil sie ja schon 38 Jahre alt ist und ich würde sie nicht so gerne alleine lassen. Ich kann doch da eigentlich nicht viel ausrichten. Ich weiß doch viel weniger als du. Es ist doch inzwischen dein Projekt, ich helfe doch da nur noch.“ Tom wollte protestieren. „Tom, ich würde doch nur dabei sitzen und ein schlaues Gesicht machen."
"Du meinst also allen Ernstes ich soll alleine nach Berlin fahren? Geht es Brigitte wirklich so schlecht? Hat sie darum gebeten, dass du hier bleiben sollst?"
"Nein natürlich nicht. Sie würde mich erwürgen, wenn sie wüsste, dass ich dich jetzt darum bitte. Du kennst sie. Sie tut immer so, als wenn alles toll wäre, aber ich merke doch, wie sie sich jeden Morgen übergibt und dann völlig entkräftet wieder ins Bett schleicht."
"Aber, kann denn ihre Schwester nicht die beiden Tage bei ihr bleiben?"
"Das würde sie nie zulassen.“ Er tat so, als ob er überlegen würde. „Weißt du was, ich schreibe dir ein hammermäßiges Empfehlungsschreiben, von mehreren Professoren und Chefärzten unterzeichnet. Das wirkt viel besser, als wenn ich mitfahre. Was hältst du davon, wenn du Luka mitnimmst und ihr euch noch ein schönes Wochenende in Berlin macht? Wenn du nervös bist, kann er dich auch bestimmt viel besser beruhigen als ich."
"Aber, das ist so eine große Sache, davon hängt so viel ab. Wenn ich das vermassele? Ich ähm... ich hab Schiss!"
„Tom, da gibt es nichts mehr zu vermasseln, entweder denen gefällt das Konzept oder eben nicht. Da müsstest du als Person schon negativ auffallen, und das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Tom, du hast ein sicheres Auftreten, ein sympathisches Äußeres und von deinen Fachkenntnissen ganz zu schweigen. Ich bin davon überzeugt, dass du die alle in kürzester Zeit von deinem Konzept überzeugt hast. Du machst das garantiert hervorragend. Das weiß ich."
„Aber...?“
„Toooom, du wirst das hervorragend meistern, davon bin ich überzeugt. Du machst dir anschließend mit Luka noch ein schönes Wochenende. Seht euch Berlin an und so. Ich werde jetzt in der Verwaltung Bescheid geben, dass die dort die Zimmer und die Flüge ändern lassen und du rufst jetzt Luka an.“
Damit verließ der Professor den Raum und ließ Tom zweifelnd zurück.
Luka hatte schon Semesterferien und arbeitet jetzt ganztags als Urlaubsvertretung im Steuerbüro seines Vaters. Als Tom am Nachmittag anrief freute er sich über die nette Abwechslung.
„Luka, mein Engel, ich brauche dich.“
„Ach ja, wofür denn?“ Luka wunderte sich über die Verzweiflung in Toms Stimme.
„Kannst du dir Freitag frei nehmen?“
„Wieso denn, du bist doch dann in Berlin?“
„Ja, und du musst mit mir fahren, bitte.“
„Was, wieso das denn jetzt auf einmal?“
„Brigitte geht es nicht so gut und Klaus möchte sie nicht so lange alleine lassen.“
„Geht es ihr denn so schlecht?“
„Eigentlich ist es die ganz normale Übelkeit am Morgen wie bei vielen Schwangeren am Anfang, bis der Körper sich eingestellt hat.“
„Weißt du was ich glaube, das mit Brigitte ist nur ein Vorwand.“
„Wie meinst du das?“
„Naja, wenn Klaus mitfährt, dreht sich alles um ihn, alles läuft über seinen Namen und die Juroren werden natürlich lieber mit einem Herrn Professor Dr. Dr. reden, als mit einem jungen Doktor der kurz vor seinem Facharztabschluss steht. Aber es ist dein Projekt und Klaus will sich nicht mit deinen Leistungen brüsten. Du sollst die Förderung und Anerkennung bekommen.“
„Meinst du? So habe ich das noch gar nicht gesehen. Ich hatte jetzt einfach Panik, weil er mich da ins kalte Wasser schmeißt. Du kommst aber doch mit, ja?“
„Ja, wenn ich das Papa so erkläre, gibt er mir bestimmt frei. Ich denke das klappt.“
„OK, dann ruf mich heute Abend an. Wir sollen uns dann noch ein schönes Wochenende in Berlin machen und Sonntag erst zurück fliegen. Klaus hat schon die Flüge und die Zimmer ändern lassen.“
„Wow, der ist aber schnell. Bis heute Abend, ich freue mich auf Berlin.“
Am frühen Freitagmorgen war es dann soweit. Cora hatte sie zum Flughafen Köln/Bonn gefahren. Sie mussten noch in der Sicherheitszone warten, bis sie endlich in den Flieger steigen durften. Tom lief wie angestochen herum, er war sehr nervös.
„Tom, jetzt setzt dich doch hin, so wirst du doch nur noch unruhiger. Es dauert eben noch, bis wir in Berlin sind, dann kannst du immer noch nervös werden.“
„Ja, ich weiß ja, ich bin schrecklich. Ich glaube ich drehe gleich durch, wenn die uns nicht bald einsteigen lassen.“
„Deshalb fliegen wir aber auch nicht eher ab. Die halten sich genau an den Flugplan.“
„Ja, ja und diese beiden gaffenden Weiber machen mich auch noch wahnsinnig.“
Luka hatte die beiden kichernden Mädchen noch gar nicht wahrgenommen, aber jetzt wo er in die Richtung schaute, kicherten sie gleich noch mehr. Um dem Ganzen einen Riegel vorzuschieben, zog er kurzerhand Tom zu sich und küsste ihn ausgiebig. Erstens um Tom etwas abzulenken und zweitens hörte das Gekicher schlagartig auf und die Mädchen drehten sich geschockt weg.
Als sie dann endlich im Flugzeug saßen, versuchte Luka so gut wie er konnte Tom zu unterhalten. Er erzählte von Mattis Sturz mit den In-Linern, von einem Film den er sich mit Alex im Kino angesehen hatte und diverse anderen Dinge. Nach einer Stunde Flugzeit landeten sie auch schon in Berlin. Sie fuhren mit dem Taxi in das reservierte Hotel, welches in der Nähe der Robert-Koch-Stiftung lag. Sie hatten nicht mehr viel Zeit, Toms Termin war um 11 Uhr. Sie schafften es gerade noch die Koffer auf das Zimmer zu bringen und sich kurz frisch zu machen, dann mussten sie auch schon los. Das war auch gut so, denn so konnte bei Tom die Nervosität nicht mehr so ausarten.
Als sie die Stiftung betraten und sich vorstellten, wurden sie in den entsprechenden Anhörungssaal geführt.
Der Raum war in zwei Bereiche geteilt. Luka wurde in den schon gut besetzten Zuschauerbereich geführt und Tom durfte auf einem für ihn bereitgestellten Stuhl Platz nehmen.
Lautes Gemurmel erfüllte den Raum, bis die Tür geschlossen wurde.
Nach einer kurzen Begrüßung und Vorstellung aller anwesenden Personen kam der Vorsitzende auch direkt zur Sache und fragte Tom nach etlichen Details und Abläufe seiner Forschungsarbeiten, dann fragte er weiter:
„Herr Dr. Hollbach, würden Sie uns bitte erklären, was Sie bewogen hat ein kleines Forschungsprojekt an Ihrer Universitätsklinik so auszubauen, dass es unseren Förderpreis verdient hätte.“
„Ja, es war am Anfang, also vor ca. vier Jahren ein kleines Projekt von ein paar Medizinstudenten, welche die Betreuung der HIV-Patienten ausbauen wollte. Nachdem das Projekt nach sechs Wochen beendet war, hatten einige der Studenten beschlossen weiter zu machen, das Ganze noch etwas zu intensivieren. Wir hatten durch Professor Schumann Kontakte zu HIV-Patienten in den verschiedenen Krankheitsgraden bekommen, die uns auch gerne unterstützen und neue Behandlungsmethoden austesten wollten. Leider sind inzwischen die anderen Gründer der Gruppe an andere Kliniken gewechselt.“
„Über die Forschungen haben wir ja alles in Ihren ausführlichen Berichten lesen können. Sie haben aber auch noch andere Dinge in Ihrer Projektarbeit eingefügt. Bitte erzählen Sie uns davon.“
„Ja, ein weiterer großer Teil unseres Projektes ist die Aufklärung. Wir arbeiten mit der Aidshilfe Köln eng zusammen, bekommen das gesamte Informationsmaterial von ihnen, welches wir in fast allen Kölner Clubs verteilen.
Dann haben wir noch die psychologische Betreuung der infizierten Patienten integriert. Eine Mitarbeiterin hat gerade ihre Doktorarbeit über die Psyche unheilbarer Patienten geschrieben. Ebenso brauchen die Leute, die mit ihren Ängsten zu uns kommen, seelischen Bestand, bis das Ergebnis feststeht. Wenn es dann positiv ist stehen wir ihnen dann medizinisch und psychologisch zur Seite. Ebenso haben wir Mitarbeiter, die in der Drogen- und Stricherszene unterwegs sind, wo leider immer noch sehr sorglos mit dem ganzen Thema Aids umgegangen wird.“
„Und Ihr Hauptaufgabengebiet ist... ?“
„Seit meiner Tätigkeit an der Uniklinik ist es in erster Linien die medizinische Betreuung der Patienten und die Aufklärung in der homosexuellen Szene.“
„Das heißt, Sie verkehren regelmäßig in den entsprechenden Lokalitäten?“
„Das ist richtig, ich verteile dort die neuesten Infobroschüren, rede mit den Besitzern, Geschäftsführern oder Kellnern. Immer wieder sprechen mich dann auch Leute an und stellen ihre Fragen. Man kennt mich in der Kölner Szene.“
„Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie auch homosexuell sind?“
„Ja, das ist richtig. Aber mein Privatleben hat damit nichts zu tun.“
„Doch, in gewisser Weise schon. Wir würden gerne auch etwas von Ihnen und Ihrer Lebensweise erfahren.“
„OK, also ich bin homosexuell und lebe in einer festen Beziehung. Ich wohne in einer zur WG umgebauten Villa. Dort lebe ich mit sieben weiteren Personen. Eine Mitbewohnerin sorgt für eine gesunde Ernährung und führt den Haushalt. Ansonsten arbeite ich auf der Station für innere Medizin und der klinischen Infektiologie in der Kölner Uniklinik, sowie im wissenschaftlichen Labor, das sich in erster Linie mit der HIV-Immunologie und der HIV-Pathogenese beschäftigt. Meine Freizeit verbringe ich größtenteils mit der Projektarbeit, gehe zu Veranstaltungen der Aidshilfe Köln, helfe bei der Planung von Aktivitäten oder Gruppenarbeiten unseres Projektes und pflege den Kontakt zu eventuell wichtigen Leuten aus der Szene. “
„Wie steht ihr Partner zu Ihren vielen Aktivitäten?“
„Er unterstützt mich natürlich. Er begleitet mich bei den Streifzügen durch die Kölner Clubs. Er hat einige der Statistiken die Ihnen hier vorliegen erstellt. Dann hat er zum Beispiel unseren Stand für den Weihnachtsbasar im Klinikum gebaut, wo wir dieses Jahr schon zum zweiten Mal die Besucher über uns informieren konnten. Im Moment steckt er voll in den Vorbereitungen für den Stand, den wir am CSD aufstellen wollen.“
„Also haben sie auch von dieser Seite sehr tatkräftige Unterstützung.
... Gut...
Ich denke wir haben uns jetzt alle ein Bild von Ihnen und Ihrem `Projekt` machen können. Ich danke Ihnen, dass sie uns so bereitwillig Auskunft gegeben haben und wünsche Ihnen noch einen schönen Aufenthalt hier in Berlin.“
Damit stand der Vorsitzende auf und verließ den Raum. Mit einem Nicken zum Abschied folgten ihm die anderen Verantwortlichen. Erst jetzt sackte Tom in sich zusammen. Er war völlig am Ende mit seinen Nerven. Die Besucher verließen auch langsam den Saal und Luka ging zu ihm.
Er legte den Arm um ihn und sagte: „Du warst einfach großartig.“
„Meinst du? Das war schwerer als jede Prüfung die ich bis jetzt abgelegt habe.
Was meinst du, ob sie uns die Förderung geben?“
„Aber natürlich, oder hast du ein negatives Wort gehört? Ich nicht! Wenn die was gegen dich gehabt hätten, dann hätten die dich in der Luft zerrissen. Tom, jetzt hast du es hinter dir. Komm, wir gehen.“
„Ja, nichts wie raus hier.“ Er griff nach Lukas Hand und sie verließen das Ministerium.
Sie verbrachten noch ein wundervolles Wochenende in der Landeshauptstadt,
mit vielen Sehenswürdigkeiten, entspanntem Abendessen und einem Ausflug in
die Szene. Sonntagmittag ging ihr Flieger nach Köln. Am Flughafen stand
dann Klaus um sie abzuholen und wollte alles genauestens berichtet haben.
Die Abschlussfeier
Heute war der große Tag der Abschlussfeier. Die frisch gebackenen Fachärzte hatten ihre Anerkennungen und Bescheinigungen schon im kleinen Rahmen erhalten und heute Abend sollte die große gemeinsame offizielle Feier sein, zu der die neuen Fachärzte mit ihren Angehörigen eingeladen hatten.
Tom hatte Cora, Luka und Lukas Eltern eingeladen. Auch seinem Vater hatte er eine Einladung geschickt, war aber davon überzeugt, dass er nicht kommen würde.
Die verschiedenen Professoren der einzelnen Fachrichtungen hielten der Reihe nach ihre Ansprachen und würdigten ihre jeweiligen Absolventen. Das war natürlich für die jeweils anderen eine etwas langweilige Angelegenheit. Doch als dann als Letzter Professor Schumann ans Mikrofon trat, horchten alle noch mal auf.
„Sehr verehrte Damen und Herren, darf ich Sie noch ein letztes Mal um Ihre Aufmerksamkeit bitten. Auch ich gratuliere Ihnen allen von ganzem Herzen. Nun will ich mich auch gar nicht allzu lange mit dieser Rede hier aufhalten, denn wir sind ja hier um diese Leistungen gebührend zu feiern. Aber etwas Besonderes muss ich noch mit sehr großem Stolz verkünden:
Lieber Tom, ich habe mir erlaubt, die Antwort der Robert-Koch-Stiftung etwas zurück zu halten. Du warst ja kürzlich selbst in Berlin und hast unser Projekt dort vorgestellt. Du bist dabei auf sehr offene Ohren gestoßen und die Verantwortlichen haben beschlossen, unser Projekt zu fördern und somit unser Klinikum finanziell zu unterstützen.
Ebenso sollen auch in anderen Unikliniken solche oder ähnliche Projekte aufgebaut und gefördert werden. Ich bin davon überzeugt, es wird an den jeweiligen Stellen nicht an tatkräftigen Helfern mangeln. Du wirst ihnen auch sicher gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen. Dafür und für vieles andere mehr möchte ich dir meine Hochachtung und tiefsten Dank aussprechen. Viele der hier anwesenden Ärzte, so hoffe ich, haben durch die Mitarbeit an diesem Projekt sehr viel gelernt.
Ich selbst bin auch zu der Erkenntnis gekommen, dass man sehr viel erreichen kann, wenn man von einer Sache überzeugt ist und dafür kämpft. Aber man ist nichts, ohne die Hilfe Anderer.
Jeder noch so starke Mensch braucht auch einen ebenso starken Partner an seiner Seite.
Ich danke Ihnen.“
Die Leute applaudierten und bejubelten die jungen Fachärzte.
Auch Tom wurde von seinen Gästen umarmt und beglückwünscht.
Nachdem ein wenig Ruhe eingekehrt war, sich alle Gratulanten wieder zu ihren Plätzen begeben hatten, kam plötzlich ein großer, an den Schläfen leicht ergrauter Mann, auf Tom zu. Man erkannte sofort die Ähnlichkeit.
Es war Toms Vater. Tom griff nach Lukas Hand, als ob er Halt suchen würde.
„Guten Abend, Thomas! Ich bin sehr stolz auf dich. Du scheinst mit diesem Projekt ja wirklich etwas bewegt zu haben.“
„Vielen Dank, Vater, schön dass du kommen konntest.“
„Professor Schumann hatte mich eindringlich gebeten, an deiner Abschlussfeier teilzunehmen, jetzt weiß ich ja auch warum.“
„Meiner Einladung allein wärst du also nicht gefolgt?“
Der Druck an Lukas Hand wurde langsam stärker.
„Ich habe dir einen Vorschlag zu machen. Wie ich gerade gehört habe, bist du bei diesem Projekt auf finanzielle Hilfe angewiesen. Ich werde dich mit einer angemessenen Summe unterstützen, stelle aber dafür eine Bedingung.“
„Und die wäre?“
Toms Finger krampften sich langsam immer fester in Lukas Handballen, aber dieser unterdrückte den Schmerz.
„Du wirst diesen Jungen jetzt aus der Stelle loslassen und deinen Lebenswandel ändern.“
Stille, niemand wagte auch nur einen Laut von sich zu geben.
„Ich werde mich niemals von Luka trennen. Nicht für alles Geld der Welt. Mit ihm verbindet mich nämlich etwas, was du nicht kennst. Man nennt es VERTRAUEN und LIEBE.“
Ende
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