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Regenbogenfamilie

Teil 31 - Erste Umbaupläne

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Gegen sieben Uhr wurde ich am Sonntagmorgen wach, im Haus schien es bisher noch ruhig zu sein. Draußen war es bereits hell und ich weckte Thomas und bat ihn, mit mir zusammen das Frühstück für unsere Gäste vorzubereiten. Er meinte, eigentlich würde er gerne noch im Bett bleiben, aber wenn ich ihn schon so schön bitte, dann könnte er mir das nicht abschlagen. Wir küssten und schmusten noch ein paar Minuten, bevor wir endgültig unser Bett verließen und nach unten in die Küche gingen.

Es war inzwischen doch schon kurz nach halb acht, als wir endlich in der Küche standen und uns in die Vorbereitungen für ein ausgiebiges Frühstück stürzten. Thomas füllte die Kaffee­maschine mit frischem Wasser, legte das Filterpapier ein und füllte dieses mit Kaffeepulver. Ich suchte derweilen im Gefrier­schrank nach den Brötchen und Brezen, die ich anschließend in den Back­ofen legte zum Aufbacken.

Während der Kaffee durchlief und meine Semmeln und Brezen im Backofen langsam vor sich hin bräunten, deckten wir im Esszimmer gemeinsam den Früh­stücks­­tisch für acht Personen. Zwischendurch verschwand Thomas wieder in der Küche, füllte den fertigen Kaffee in eine Thermoskanne und bereitete eine zweite Kanne Kaffee zu, da wir beide der Meinung waren, eine Kanne würde heute Morgen vermutlich nicht ausreichen.

Kurze Zeit später folgte ich ihm in die Küche, um unseren Kühlschrank und den Vorratsschrank zu plündern. Milch, Käse, Wurst, Butter, Margarine, Honig und verschiedene Konfitüren stellte ich auf ein Tablett. Währenddessen hatte Thomas aus dem Backofen die fer­tigen Semmeln und Brezen geholt und sie in ein Brotkörbchen gelegt.

Mit der ersten Thermoskanne Kaffee und dem frischen Gebäck ging er zurück ins Esszimmer. Ich folgte ihm mit meinem beladenen Tablett. Nach wenigen Minuten war der Tisch fertig gedeckt und wir beschlossen, den Rest der Bande aus den Betten zu scheuchen.

Da ich Alejandro und Jorge wecken sollte, führte mich mein Weg direkt zum Gästezimmer in der ersten Etage, Thomas eilte weiter ins Dachgeschoss zu den vier Jungs. Zuerst klopfte ich nur zaghaft, als ich jedoch nichts hörte, versuchte ich mein Glück mit etwas kräftigerem Anklopfen. Es blieb trotzdem ruhig und so öffnete ich vorsichtig die Tür des Gäste­zimmers und ging ans Bett zu den beiden Schlafenden. Die beiden lagen eng aneinander gekuschelt und schienen immer noch zu schlafen. Ich tippte Alejandro an, um ihn aufzuwecken.

Plötzlich packte mich Alejandro und zerrte mich ins Bett, womit ich in diesem Moment überhaupt nicht gerechnet hatte. Völlig überrumpelt lag ich plötzlich zwischen den beiden. Thomas, der die Jungs schon geweckte hatte und bereits wieder auf dem Weg nach unten war, hatte meinen kurzen Aufschrei vernommen und kam zum Gästezimmer, um festzustellen, warum ich so plötzlich den Schrei losgelassen hatte.

Im Türrahmen stehend meinte er zu uns: „Geht das nicht etwas leiser, wenn du von zwei hübschen Männern in die Mangel genommen wirst? Das sieht richtig zum Anbeißen aus, du zwischen den beiden, fast wie ein belegtes Brötchen.“

Verblüfft schaute ich ihn an und erwiderte: „Das einzige, wo du jetzt reinbeißen darfst, steht im Esszimmer und liegt nicht hier im Gästezimmer. Hilf mir lieber wieder aus dem Bett, bevor ich noch von den beiden vernascht werde.“ Kaum hatte ich das gesagt, lachten Alejandro und Jorge laut los.

Zuerst schaute ich verblüfft zu Thomas und dann auf die beiden. Nachdem sich Alejandro wieder beruhigt hatte, erklärte er mir: „Das wird uns auf Mallorca fehlen, eure Art, so locker miteinander umzugehen, ich freue mich schon heute, wenn wir zum Jahresende wieder­kommen und für immer in eurer Nähe leben werden.“

Jorge sagte dann irgend etwas auf Spanisch, das uns Alejandro wie folgt übersetzte: „Ich freue mich auch, zum einen auf euch, aber vor allem auf die Arbeit mit den Tieren auf dem Gutshof. Wenn es möglich wäre, würde ich sofort hierbleiben, aber da die Sache erst zum Ende des Jahres spruchreif wird, werde ich mich noch bis dahin gedulden müssen.“

Bevor ich darüber nachdachte, sagte ich: „Seid ihr euch so sicher, dass ihr im kommenden Jahr auf dem Gutshof arbeitet? Viel­leicht ist Thomas wegen eurer Aktion so eifersüchtig und ver­sucht ab sofort mit allen Mitteln zu verhindern, dass ihr wieder in meine Nähe kommt, um mich zu vernaschen oder in euer Bett zu zerren. Ihr solltet euch das noch einmal reiflich überlegen.“

Thomas, der sofort verstanden hatte, dass ich die zwei mit meiner Aussage nur auf dem Arm nehmen wollte, so als kleine Rache für ihren hinterlistigen Anschlag, spielte mit und erklärte Alejandro und Jorge, die etwas bedröppelt schauten: „Das ist mein Peter, und wenn den einer anknabbern oder vernaschen darf, dann bin ich das. Wer mir da in die Quere kommt, muss mit drastischen Strafen rech­nen.“

Während er dies sagte, war er nähergekommen und zog mich aus dem Bett der beiden und grinste mich frech an. Ich sagte den beiden noch: „Beeilt euch, wir warten unten auf euch am Frühstückstisch, ich höre die Jungs schon auf der Treppe.“

An der Tür drehte ich mich noch einmal um und fragte, ob sie ihren Koffer schon gepackt haben. Alejandro meinte, das würden sie sofort nach dem Frühstück erledigen.

Kurz nach den vier Jungs standen wir ebenfalls im Esszimmer, Philipp hatte inzwischen die zweite Kanne Kaffee aus der Küche geholt. Der Rest saß bereits am Esstisch und wartete auf uns. Wir setzten uns zu den Jungs und warteten auf Jorge und Alejandro, die jedoch nicht lange auf sich warten ließen.

Während des Frühstücks unterhielten wir uns vor allem über die heute anstehenden Dinge. Philipp bot an, mit Marcus zusammen Jorge und Alejandro zum Flughafen nach München zu bringen, dann könnte Thomas bei uns zu Hause bleiben. Ich lehnte jedoch sofort ab, da ich die die zwei Jungs hier brauchte für die Besprechung mit Sebastian und Alexandra.

Sie wollten noch mit mir über meine Ansage diskutieren, aber mein Entschluss stand fest. Jonas und Tim hatten mich genau beobachtet, als ich meinem Sohn und seinem Freund klar machte, dass sie hierzubleiben hätten.

Nach dem Frühstück gingen Jorge und Alejandro wieder nach oben, um endgültig ihre Koffer zu packen. In der Zwischenzeit hatten die vier Jungs im Esszimmer alles weggeräumt und Philipp und Marcus waren noch in der Küche, um dort für Ordnung zu sorgen. Jonas fragte mich, warum ich vorher so energisch dagegen gewesen war, dass Marcus und Philipp zum Flughafen fahren.

Ich meinte: „Ganz einfach, ich brauche die beiden hier, wenn nachher Alexandra und Sebastian zum Gespräch kommen. Wenn sie mit Alejandro und Jorge zum Flughafen fahren, sind sie erst wieder gegen fünfzehn Uhr hier, ich will aber die Zeit nutzen, um mit euch jungen Hüpfern über meine weiteren Pläne für den Gutshof zu sprechen. Wenn ihr in der Zwischenzeit ins Gästezimmer umziehen wollt, bevor Sebastian mit seiner Freundin kommt, solltet ihr das möglichst bald machen. Philipp und Marcus helfen euch sicher gerne dabei.“

Ich ging ins Wohnzimmer, setzte mich auf die Couch und holte mir aus dem großen Kuvert die nächsten kleinen Briefe meines Vaters mit den für mich bestimmten Informationen. Die Briefe zwei und drei enthielten keine Neuigkeiten, das alles hatte uns Vater bereits auf seinem Sterbebett auf Mallorca erzählt. Der vierte Brief brachte dann aber doch eine Überraschung zutage. In ihm war sämtlicher Im­mobilienbesitz, den Vater in den letzten Jahren auf Mallorca gekauft hatte, fein säuberlich aufgelistet.

Ich staunte nicht schlecht, da ich bisher immer davon ausge­gangen war, dass die Finca der bisher einzige Immobilienbesitz auf der Insel sei. Alle diese Wohnungen und Häuser sind nicht im Privatbesitz meiner Eltern, sondern bereits in die extra gegründete Gesellschaft eingegangen, die nach dem Tod meiner Mutter in eine Stiftung umgewandelt werden soll.

Die Aufstellung enthielt des Weiteren eine Liste mit zusätzlichen Immobilien, die Vater noch kaufen und in die Ge­sell­schaft einbringen wollte. Hier fand ich auch die Ruf­nummer des Im­mobilienmaklers, mit dem er etwa vier Wochen vor seinem Tod bereits verhandelt hatte.

Ich überlegte kurz, ob ich den Makler auf der Insel Mallorca am Sonntag stören könnte, entschied mich dann doch dafür, ihn sofort anzurufen. Nach mehrmaligem Anklingeln wurde abgenommen und der Makler meldete sich. Ich erklärte ihm mein Anliegen, natürlich auf Deutsch, wobei ich ihm zuerst die Nachricht vom Tod meines Vaters übermittelte.

Da er viel mit deutschen Investoren verhandelte, hatte er sehr gut deutsche Sprachkenntnisse, so dass eine Verständigung mit ihm ohne größere Schwierigkeiten möglich war. Er fragte mich, ob mit dem Tod meines Vaters die Kaufabsichten für die Immobilien meines Vaters hinfällig seien und er die Grundstücke, Häuser und Wohnungen wieder auf dem Markt anbieten könne.

Ich erklärte ihm, dass es auf ausdrücklichen Wunsch meines Vaters beim Kauf der Immobilien bleiben werde. Ich erklärte ihm, dass meine Mutter in etwa zwei Wochen vorübergehend wieder auf Mallorca sei und sie dann im Namen der Firma, die Vater und sie gegründet hatten, die Kaufverträge unterschreiben könnte. Ich konnte ihm zu diesem Zeitpunkt leider noch nicht verbindlich zusagen, wann ich wieder auf der Insel sei, da er mich gerne kennenlernen würde.

Deshalb versprach ich ihm, mich auf alle Fälle bei ihm zu melden, wenn ich das nächste Mal nach Mallorca fliegen würde. Dass ich am Ende doch früher flie­gen müsste, als ich es mir bisher vorgestellt hatte, wurde mir zu diesem Zeit­punkt bereits bewusst, da ich auch mit Herrn Garcia noch sprechen und unseren Vertrag entsprechend anpassen musste wegen der weiteren Immobilien, die bereits gekauft waren und die neu hinzukommen würden in den nächsten Wochen.

Thomas kam ins Wohnzimmer, nachdem ich mein Gespräch mit dem Makler beendet hatte, und fragte mich, wen ich am heiligen Sonn­tag und noch dazu zu so früher Stunde gestört hätte. Ich drückte ihm den vierten Brief von Vater in seine Hand und meinte, er solle doch erst einmal diese Anweisung lesen.

Während er las, konnte ich seinen Gesichtszügen entnehmen, dass er mindestens genauso über­rascht war wie ich. Nachdem er mit dem Lesen fertig war, erzählte ich von meinem Gespräch mit dem Makler und dass wir vereinbart hatten, dass alles nach Vaters Wunsch ablaufen werde und wir, besser gesagt die von meinen Eltern gegründete Gesellschaft, die Wohnungen kaufen wird.

Mutter soll nach ihrer Rückkehr nach Mallorca die Kaufverträge im Namen der spanischen Firma unterschreiben. Ich werde wohl oder übel auch noch einmal in nächster Zeit nach Mallorca fliegen müssen, um mit Herrn Garcia und der Bank alles zu regeln.

Da ich nicht regelmäßig auf die Insel fliegen will, will ich alle Konten so umstellen, dass ich von Deutschland aus Zah­lun­gen online erledigen kann. Das würde in Zukunft aber auch für alle Konten hier in Deutschland gelten.

Jorge und Alejandro tauchten im Wohnzimmer auf und erklärten, dass ihre Koffer gepackt seien und bereits im Flur stünden. Die vier Jungs seien mit dem Umzug von Jonas und Tim und dem Aufräumen ihres Zimmers beschäftigt. Ich bat die beiden sich zu setzen, damit wir mit ihnen noch ein kurzes Gespräch führen konnten, bevor es für die beiden zum Flughafen ginge und damit zurück in die Heimat von Jorge.

Ich erzählte ihnen vom Inhalt des Briefes, den ich kurz vorher gelesen hatte, der noch weitere Immobilien auf Mallorca aufgelistet habe und gleichzeitig den Auftrag enthielt, die von Vater bereits ausgewählten zusätzlichen Immobilien zu erwerben. Ich bedauerte noch einmal, dass die beiden nicht auf Mallorca bleiben wollten, aber ich erklärte ihnen, dass ich ihren Wunsch, sich zu verändern und auf dem Gutshof mitzuarbeiten, sehr wohl verstehen und auch akzeptieren werde.

Sie könnten sich das noch einmal in Ruhe überlegen und sollten mir spätestens in zwei Wochen das Ergebnis ihrer Überlegungen mitteilen, wobei mir aber eigentlich von vorneherein bewusst war, dass sich an ihrer Entscheidung nichts mehr ändern würde.

Alejandro meinte dann, er hätte bisher auch nichts davon gewusst oder eventuell geahnt, dass Vater inzwischen mehrere Immobilien auf Mallorca gekauft hätte, da er von ihm auch keinen weiteren Auftrag zur Poolpflege erhalten habe. Ich erinnerte sie noch einmal an die Aufgabe, Vaters Büro so schnell wie möglich transportfähig einzupacken und den Transport der Kisten und Möbel zu uns nach Rosenheim zu organisieren.

Ich hörte die Jungs auf der Treppe poltern und ein Blick zur Uhr verriet mir, dass es langsam Zeit wurde, sich von Alejandro und Jorge zu verabschieden, damit sie rechtzeitig vor ihrem Abflug am Flughafen in München sind. Kaum standen die vier Jungs im Zimmer, als Philipp meinte: „Ich will ja nicht aufdringlich sein, aber wenn ihr euren Flieger sicher erreichen wollt, solltet ihr so langsam in die Gänge kommen, nicht dass ihr wegen eines Staus auf der Autobahn nur noch die Schlusslichter eures Flugzeugs seht.“

Ich musste lachen, als ich mir bildlich vorstellte, wie Alejandro und Jorge dem Flugzeug hinterherblicken und auf die nicht vorhandenen Rücklichter starren. Thomas schaute mich an und fragte, was ich so lustig finde.

So erklärte ich: „Ich habe mir gerade vorgestellt, wie Alejandro und Jorge am Flughafen stehen und den nicht vorhandenen Schlusslichtern ihres Fliegers hinterherblicken“, was dazu führte, dass jetzt auch Jonas und Tim lauthals lachten.

Jorge und Ale­jandro schauten sich an und Alejandro erwiderte: „Der Flieger wird schon nicht ohne uns fliegen, wir müssen morgen beide wieder arbeiten, aber du liegst sicher richtig damit, dass wir so langsam aufbrechen sollten.“ Die beiden standen auf und gingen in den Flur, um ihre Jacken anzuziehen. Wir folgten ihnen und beglei­teten sie zu Thomas' Wagen, wo als erstes die beiden Kof­fer eingeladen wurden.

Alle umarmte Alejandro und Jorge noch einmal und wünschte ihnen einen guten Heimflug. Ich erinnerte Thomas noch daran, nicht zu vergessen, dass er auf dem Rückweg Kuchen für die nachmittägliche Kaffeerunde mit­bringen solle, wenn möglich soll er doch bei Francesco vorbeifahren und dort einkaufen. Sie setzten sich ins Auto, Thomas startete den Motor und schon rollten sie los. Wir winkten ihnen noch kurz hinterher und gingen dann zurück ins Haus.

Ich fragte die Jungs, ob der Umzug ins Gästezimmer bereits abge­schlossen sei oder ob sie noch etwas Zeit benötigen würden. Jonas meinte, er und Tim würden noch rund zehn Minuten brauchen, dann seien sie mit allem fertig. Marcus meinte nur, bei ihnen oben im Dachgeschoß sei alles wieder wie vorher. Ich ging mit meinem Sohn Philipp und Marcus ins Wohnzimmer, während Tim und Jonas nach oben entschwanden.

Ich setzte mich wieder auf die Couch und bat die Jungs, sich zu setzen. Kurz erzählte ich von der Überraschung in Opas Briefen. Ich fragte die beiden: „Könnt ihr in den nächsten Tagen nach einer vernünftigen Software suchen, mit der man zum einen die Buchhaltung für verschieden Unternehmen oder Projekt abwickeln kann. Für die Verwaltung der Wohnungen sollte es auch eine Nebenkostenabrechnung beinhalten und die Ver­buchung der Mieteingänge sollte wohnungsbezogen möglich sein. Denkt vor allem daran, dass die Nebenkosten für die spanischen Immobilien nach landesüblichem Recht abzuwickeln sind.

Wenn mit diesem Programm auch noch der gesamte Zahlungsverkehr online abge­wickelt werden könnte, dann wäre das mehr als optimal. Ihr könnt euch ruhig ein paar Tage Zeit lassen, bevor ihr mir eure Vorschläge unterbreitet. Bitte denkt auch daran, euch zu überlegen, welche Hardware wir dafür benötigen. Schaut bitte auch, welche Erweiterungen für die Software vorhanden sind, da ich heute noch nicht weiß, was in der Zukunft alles benötigt wird.“

Die beiden überlegten kurz und Philipp fragte nach: „Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, suchst du eine Software, mit der du neben der normalen Buchhaltung durch Erwei­terungsmodule auch spezielle Anwendungen anbinden möchtest, sie soll sozusagen auch für zu­künftige Erkenntnisse tauglich sein. Ob sie alle deine mög­lichen Wünsche abdecken kann, können wir dir nicht unbedingt ga­ran­tieren. Wir werden uns in den nächsten Tagen schlau machen und dir dann dazu unsere Vorschläge unterbreiten.“

Es klopfte an der Tür und Tim und Jonas erschienen im Wohnzimmer. Sie hatten sich kaum zu uns gesetzt, als die Türklingel die Ankunft von Alexan­dra und Sebastian ankündigte. Ich ging zur Haustür, öffnete und bat die beiden ins Haus. Sie hängten ihr Jacken an die Garderobe und folgten mir ins Wohnzimmer.

Dort begrüßten sie die vier Jungs sofort herzlich. Ich fragte, ob jemand was zum Trinken will, Philipp meinte, er hole schnell noch Gläser und Getränke und dann könnten wir begin­nen. Ich fragte Marcus, ob er seinen Laptop holen könne, damit er sich während unserer Gesprächsrunde Notizen macht. Er eilte nach oben, holte statt des Notebooks ein Tablet, mit dem er sich Notizen machen wollte. Fast gleichzeitig kam auch Philipp mit den Gläsern und den Getränken ins Wohnzimmer.

Da jetzt alle etwas zu trinken hatten oder momentan noch nichts wollten, fing ich an, den beiden Neuen erst einmal das Wichtigste zu erklären. Ich erzählte ihnen von der Aufgabe, die mir mein Vater mit seinem Tod übertragen hatte, die Familie als Familienober­haupt zu führen.

Ich erwähnte auch, dass der bisherige Pächter des Gutshofes zum Jahresende aufhören wird, da er seinen Pachtvertrag gekündigt hat und dass Jonas und Tim zusammen mit Alejandro und Jorge zukünftig den landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Teil des Gutshofes bewirtschaften wollen.

Auch den Plan mit einem Hofladen im Gut Sonneneck und einem dazugehörigen Café stellte ich ihnen kurz vor. Danach bat ich Philipp, seine Idee mit den Ferien auf dem Bauernhof für Kinder aus benachteiligten Familien und eventuell auch für deren Eltern zu erklären. Als Philipp mit seinen Erläuterungen geendet hatte, übernahm ich wieder die Rolle des Sprechers.

„Philipp hat euch soeben seine Überlegungen für dieses Projekt vorgestellt. Er hat dabei jedoch einen äußerst wichtigen Punkt nicht berücksichtigt. Die Kinder, aber auch ihre Eltern werden sicher auch hin und wieder hungrig sein und dafür brauchen wir eine Küche, die die Feriengäste mit Essen versorgt. Nachdem du, Sebastian, gestern über eure Zukunftsplanung gesprochen hast, habe ich mir einige Gedanken dazu gemacht.

Deshalb habe ich euch eingeladen, denn du, Sebastian, könntest die Küche als Chef übernehmen. Hinzu kommt, durch deine zweite Ausbildung als Hotelfachmann könntest du zusammen mit deiner Alexandra den Beherber­gungsbetrieb verant­wortlich leiten.

Was mir dabei noch nicht gefällt, ist die Tatsache, dass diese Nutzung nur in den Ferien stattfinden würde. Deshalb jetzt an euch alle die Frage, gibt es weitere Möglichkeiten, ein solches Haus zusätzlich und nach Möglichkeit ganzjährig zu nutzen?“

Ich trank einen Schluck Wasser und sprach weiter: „Ich erwarte nicht sofort von euch Antworten oder Vorschläge, wir stehen erst am Anfang des Projekts Umgestaltung des Gutshofs Sonneneck. Als Projektleiter werde ich euch immer wieder zu Projekt­besprechungen einladen, aber immer nur diejenigen, die für dieses Gespräch wirklich gebraucht werden.

Philipp und Marcus habe ich bereits beauftragt, sich nach Computersoftware und ent­sprechender Hardware umzusehen, damit wir auf einem kleinen Server alle Unterlagen und Besprechungs­ergebnisse zusam­mentragen, die dann von allen Beteiligten jederzeit einge­sehen und er­gänzt werden können.

Da fällt mir gerade ein, wir sollten uns eine Website für den Gutshof einrichten, auf der wir später unsere Angebote darstellen können. Wir sollten für alle Be­teiligten eine E-Mail-Adresse mit dieser neuen Domain einrichten. Ich denke, diese Aufgabe fällt wieder an euch, Marcus und Philipp.“

Wieder nahm ich einen Schluck Wasser und sagte zu Tim und Jonas gerichtet: „Wenn ihr in den nächsten Tagen zum Gutshof rausfahrt und euch mit dem Pächter trefft, fragt ihn, welche Software er derzeit für seine Verwaltung im Einsatz hat. Vielleicht können euch Philipp oder Marcus begleiten, damit sie sich ein Bild davon machen und in die weitere Planung einbeziehen können.“ Alle vier nickten mit den Köpfen, was ich als Zusage betrachtete.

Ich fragte, ob einer jetzt etwas zu den bisher vorgestellten Plänen sagen wollte. Es war Sebastian, der sich meldete und meinte: „Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass Alexandra und ich uns in diesem Projekt einbringen können, aber sind die Ertragserwartungen so hoch, dass das am Ende nicht in eine Pleite führen kann?“

Nach kurzer Überlegung antworte ich ihm: „Sicher, die Gefahr be­steht immer, aber wenn eure Ideen, die euch hoffentlich noch ein­fallen, gut sind, glaube ich nicht, dass es so weit kommen wird. Im Übrigen habe ich einen Vorschlag, der möglicherweise erheblich zur Ver­bes­serung der Rentabilität beitragen kann. Das ist eigentlich der Haupt­grund, warum ich Alexandra und Sebastian überhaupt einge­laden habe.

Mir kam gestern Abend im Café von Sebastians Vater die Idee, ein Restaurant in den Gutshof zu integrieren, um dort Firmen- und Fami­lienfeiern abzuhalten. Dabei könnte ich mir durchaus vorstellen, nicht nur Feiern, sondern, wenn es funktioniert, auch einen normalen Restau­rantbetrieb, eventuell mit Biergarten in den Sommermonaten, zu eröffnen. Wir hatten doch am Freitag den Lei­chenschmaus in den beiden größeren Räumen auf der rechten Seite des Gutshauses und der Bereich würde sich hervorragend für diesen Zweck eignen.“

Mein Vorschlag löste großes Erstaunen bei den Jungs und bei Alexandra aus. Sebastian meinte cool: „Mit dem Vorschlag, ein Restaurant zu planen, hast du mich jetzt endgültig überzeugt, ich bin auf alle Fälle dabei, selbst wenn Alexandra bei diesem Plan nicht mitziehen will. So eine Chance lasse ich mir keinesfalls entgehen, dann hat meine Schwester die Möglichkeit, Vaters Café später allein zu über­nehmen und zu betreiben und wir müssten uns nicht den Gewinn teilen. Wobei ich ehrlicherweise gestehen muss, Startkapital kann ich nicht mitbringen, dafür reichen meine bisherigen Einkünfte als Auszubildender einfach nicht aus.“

Ich sah, wie es in Alexandras Gehirn arbeitete, bis sie schließlich erklärte: „Warum sollte ich nicht mit­machen wollen, ich finde die Idee ebenfalls großartig, nur, was geschieht, wenn wir zwei eines Tages feststellen, dass wir privat doch nicht so gut zusam­menpassen?“

Nach kurzer Überlegung antwortete ihr Sebastian: „Ich sehe da kein Problem, du hast die Möglichkeit, weiter mit uns in diesem Projekt zusammenzuarbeiten oder dir etwas Neues zu suchen. Ich glaube fest an unsere Liebe und kann und will mir das nicht einmal vorstellen. Im Übrigen sind wir nicht die einzigen, die hier in der Runde sitzen, die nicht das gleiche Problem be­kommen könnten. Auch Philipp, Marcus, Jonas und Tim könnte das passieren.“

Die vier Angesprochenen lachten und Marcus meinte dazu: „Stimmt, aber Philipp und ich kennen uns einfach schon zu lange, da ist die Gefahr vielleicht nicht ganz so groß wie bei euch beiden. Selbst bei Jonas und Tim sehe ich da weniger Chancen, das ist zumindest mein Ein­druck, den ich die letzten Tage gewonnen habe. Total aus­schließen kann man es sicher nicht.“

Ich mischte mich wieder ein und erklärte ihnen: „Ihr vergesst dabei, dass eine Trennung nicht nur von euch selbst ausgehen kann, ich habe meine Gabi durch eine schwere Krankheit ver­loren und mit Thomas einen neuen Partner gefunden, der jetzt mit mir durch dick und dünn geht. Keiner weiß so genau, was einem das Leben so bringen wird, und für alles findet sich zu gegebener Zeit eine Lösung.

Zu deinem Einwand, dass du kein Startkapital mitbringen kannst, den Einwand kannst du getrost beiseitelegen, wenn, dann wird das Restaurant durch den Gutshof errichtet und du und Alexandra stehen als leitende Mitarbeiter auf der Gehaltsliste des Gutshofes.“

Nach einer kurzen Pause sprach ich weiter: „Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, seid ihr alle mit von der Partie bei diesem Projekt. Nächsten Samstag findet nach­mittags die nächste große Familienzusammenkunft zum Projekt Gutshof statt, zu dem auch ihr beide, Alexandra und Sebastian, eingeladen seid. Das soll nicht bedeuten, dass wir jetzt einfach Schluss machen, wir haben uns extra heute zusammengesetzt, um vielleicht nächste Woche schon ein detaillierteres Konzept vorlegen zu können. Wir sollten dies­en Nachmittag nutzen und an unseren Plänen feilen“, meinte ich.

Ich bat Marcus, uns eine kurze Zusammenfassung zu geben, was er bisher notiert hatte. Zuerst erklärte er, dass wir das Ganze in Teil­projekte gliedern sollten und festlegen, wer an den Teilprojekten beteiligt ist. Ich schlug vor, dass ich in allen Projekten beteiligt sein sollte und Thomas als mein Stellvertreter be­stimmt wird. Für den Bereich Landwirtschaft und Gemüse­anbau sind Jonas und Tim sowie Jorge zuständig, sobald er am Jahresende nach Deutschland umge­zogen ist.

Für den Restau­rantbetrieb soll Sebastian als Teil­projektleiter eingesetzt werden. Für den Bereich der Beherbergung sollte Alexandra die Verant­wortung übernehmen und für die gesamte IT und IT-Infra­struktur einschließlich des Internetauftritts sind Philipp und Marcus zu­ständig. Alejandro wird die technische Verant­wortung für alle Bau­­maßnahmen haben und für Reparaturen an den Gebäuden zuständig sein. Der Vorschlag für den Hofladen und für das Café im Gutshof stammt von Martina, also soll sie die Verant­wortliche dafür werden.

Zum Abschluss fragte ich alle Beteiligten, ob sie meinem Vor­schlag zustimmen könnten. Der Vorschlag wurde von allen An­wesenden angenommen und so von Marcus schriftlich fest­gehalten. Bei einem Blick zur Uhr fiel mir auf, dass es in­zwischen bereits nach vierzehn Uhr war und damit Alejandro und Jorge in Kürze abfliegen würden.

Thomas würde somit in Kürze zu Hause eintreffen und wir könnten es uns dann an der Kaffeetafel gemütlich machen. Ich schlug vor, jetzt zu unter­brechen und später am Kaffeetisch weiterzumachen. Philipp erklärte sich bereit, den Kaffee aufzusetzen, und Marcus wollte mit Tim und Jonas den Esstisch eindecken.

Ich blieb mit Alexandra und Sebastian allein im Wohnzimmer zu­rück. Sebastian fragte mich, wie ich auf sie beide gekommen sei, um sie an dem Projekt zu beteiligen.

Ich erklärte ihnen: „Ganz einfach, gestern beim Abendessen hast du uns doch erzählt, dass du bereits eine Ausbildung zum Koch abgeschlossen hast und derzeit noch eine weitere Ausbildung als Hotelfachmann machen würdest, wo du auch deine Alexandra kennengelernt hast.

Ich bin deshalb davon ausgegangen, dass sie ebenfalls eine Lehre zur Hotelfachfrau macht und ihr beide diejenigen sein könntet, die sich um diesen Bereich kümmern.“ Zum Abschluss erklärte ich ihm, dass ich von ihm erwarte, dass er nach seiner Ausbildung zum Hotel­fachmann noch den Meisterlehrgang für Köche absolviert, denn wenn wir Auszubildende einstellen wollen für die Küche, brauchten wir einen entsprechend qualifizier­ten Chefkoch.

Dasselbe gelte für Alexandra, auch sie müsse sich weiterbilden, um jungen Leuten im Beherbergungsbetrieb eine Ausbildung zu ermög­lichen. Sie lachte und meinte dazu, sie hätte kein Problem damit. Ich erzählte den beiden, dass wir mit unseren Studie­renden diesbezüglich kein Problem hätten, da sie mit ihrem Ab­schluss automatisch den Nachweis hätten.

Danach wollte Sebastian wissen, warum Christoph, sein Cousin, bisher nicht berück­sichtigt sei. Ich antwortete ihm, dass er beim gestrigen Gespräch keine Andeutung in diese Richtung unter­nommen habe, viel­leicht ergibt sich im Verlauf der weiteren Planun­gen eine Mög­lichkeit, ihn mit an Bord zu nehmen.

Zwischenzeitlich hatte ich mitbekommen, dass Thomas zu Hause angekommen war und im Esszimmer mit den Jungs sprach. Kurze Zeit später trat er ins Wohnzimmer und meinte, wir könnten zum Kaffee kommen. Wir folgten ihm ins Esszimmer, wo wir von den Jungs bereits erwartet wurden.

Während des Kaffeetrinkens wurde über unser Projekt kein Wort gesprochen, es ging eher um private Dinge wie zum Beispiel, wie Sebastian und Alexandra sich kennengelernt haben oder wie die Jungs gemerkt hätten, dass sie schwul seien und wie sie sich ihrem Freund gegenüber geoutet hatten.

Die Kuchenplatte war leergeräumt und auf den Kuchentellern fanden sich nur noch einzelne Krümel. Kaffee hatten alle noch in ihrer Tasse, als ich beschloss, die nächste Gesprächsrunde zu starten: „Das, was ich euch jetzt zu sagen habe, ist selbst für Thomas noch vollkommen neu, diese Entscheidung ist erst in den letzten Minuten an der Kaffeetafel gereift.

Ich werde morgen mit meinem Chef ein Gespräch führen und ihn bitten, mich aus meiner bisherigen Verantwortung zu entlassen, da ich auf Dauer einer Doppel­belastung zum einen für den Gutshof und auf der anderen Seite in der Arbeit sicher nicht gewachsen sein werde. Ich will ihm vorschlagen, Thomas als meinen Nachfolger zu bestimmen, sofern Thomas überhaupt Interesse daran hat. Wenn er plant, lang­fristig ebenfalls in den neuen Familienbetrieb einzusteigen, soll er mir das sagen und ich überlasse meinem Chef die Entschei­dung über meinen Nachfolger.“

Thomas schaute mich an und meinte mit einem Lächeln: „Oh, du willst mir deinen Posten aufhalsen und machst dich vom Acker. Ich darf dann zukünftig an deiner Stelle die Kohlen aus dem Feuer holen beim Chef.“

Nach einer kurzen Unterbrechung sprach er weiter: „Spaß beiseite, klar freut mich, wenn ich deine Aufgaben in der Firma über­nehmen darf. Ich habe damit aber erst gerechnet, wenn du in einigen Jahren in die Rente gehen würdest. Auf der anderen Seite könnte ich mir gut vorstellen, irgendwann im Familienbetrieb mitzu­arbeiten, aber wenn ich mir die Notizen von Marcus so ansehe, sind alle bisherigen Projektteile gut aufgeteilt und eine gewisse Konti­nuität bei unserem Arbeitgeber wäre vorerst gegeben. Ich kann mich später immer noch entscheiden und sagen, dass ich in den Familien­betrieb um- oder einsteigen will.“

Damit war für mich die schwerste Ankündigung für den heutigen Tag vom Tisch, ich wusste ganz sicher, dass ich mich dabei auf Thomas ver­lassen konnte. Als Nächstes wollte ich noch ein paar weitere Gedanken loswerden, die ich mir bereits zum Projekt Gutshof gemacht hatte.

„Wie ihr alle wisst, bin ich auf dem Gutshof aufgewachsen und kenne die örtlichen Gegebenheiten besser als ihr. Für den Vorschlag von Philipp könnte ich mir vorstellen, dass wir das alte Gesindehaus auf dem Grundstück verwenden können. Dort waren früher bis zu achtzig Leute untergebracht, die in der Land­wirtschaft und im Gutshaus gearbeitet haben.

Ich werde Mutter fragen, ob es Pläne von allen Gebäuden gibt, dann können wir mit einem Architekten die Planungen für den Umbau in Angriff nehmen. Sollte es keine alten Pläne geben, brauchen wir erst eine Bestands­aufnahme des Gebäudes“, erklärte ich.

„Jonas und Tim wollen im Verwalterhaus wohnen, wenn ich das rich­tig sehe. Dort werden wir ab Januar auch unsere ersten Büroräume für die Gutsverwaltung einrichten. Im Gutshaus selbst wird es etwas komplizierter, auf jeder Etage ist der Einbau von zwei Wohnungen möglich. Im ersten Stock könnte ich mir auf der einen Seite meine Mutter und Thomas‘ Mutter vorstellen, die andere Wohnung würden Thomas und ich beziehen.

In der zweiten Etage wäre Platz für Christoph und Martina mit ihren Kindern, gegenüber würde ich Sebastian und Alexandra sehen, die ebenfalls irgendwann Kinder haben wollen, vermute ich einfach mal. Im Dachgeschoss wäre dann noch Platz für Philipp und Marcus sowie Alejandro und Jorge.“

Während ich meine Vermutung hinsichtlich möglicher Kinder bei Sebastian und Alexandra geäußert hatte, hatten sich die beiden angeschaut und Alexandra erklärte auch gleich, dass sie beide Kinder haben wollen, am besten zwei, so wie bei Christoph und Martina, aber bisher noch kein Plan existiert, wann sie das umsetzen wollen.

„Für den Hofladen und für das Café habe ich bisher noch keine Lösung im Kopf, wo wir die unterbringen könnten. Mir ist nur bei unseren Aufenthalten im Gutshof aufge­fallen, dass Vater in den letzten Jahren einige neue Hallen hat bauen lassen für den landwirtschaftlichen Fuhrpark, der in den bishe­rigen Scheunen, wegen ihrer Größe, nicht mehr untergebracht werden kann. Vielleicht lässt sich in den alten Scheunen und Hallen so etwas verwirklichen“, erklärte ich.

„Bevor ich euch das Feld überlasse, um eure Vorschläge und Ideen loszuwerden, habe ich noch eine Bitte an Marcus und Philipp. Denkt bitte daran, dass wir eine vernünftige Anbindung für unser Internet benötigen, und überlegt, welche Grund­ausstattung für Telefonie erforder­lich ist. Wir werden sicher eine größere Telefonanlage benötigen, damit alle Bereiche wie Woh­nungen, Jugendhotel, Restaurant, Büros und Laden angeschlossen werden können.

Für den gastronomischen Bereich sollen euch Alexandra und Sebastian helfen, die kennen sich sicher besser damit aus und wissen aus ihrer täglichen Arbeit, was Stand der Technik ist. Auch im jetzigen Gesindehaus sollten alle Zim­mer mit einem Netzwerkanschluss oder mit einem guten WLAN versorgt werden.“ Damit beendete ich vorerst meine Erklärungen.

Thomas meldete sich und fragte, warum ich im Erdgeschoss des Gutshauses die andere Seite bisher nicht erwähnt hatte. Ich erklärte ihm, dass wir dort die Küche und die Vorratsräume sowie die Toi­letten für das Restaurant unterbringen würden, wenn meine Über­legungen für einen Neubau dieser Räume als Anbau an das bestehende Gutshaus nicht genehmigt werden könnten. Ansonsten fänden wir sicher noch eine andere Verwendung für diesen Bereich.

Philipp meldete sich und meinte, er hätte noch Vorschläge für die Verwendung des Gesindehauses: „Wir könnten für die Wochenenden versuchen, Fortbildungsveranstaltungen für Jugend­liche an Land zu ziehen, von Freitag bis Sonntag. Selbst unter der Woche wären solche Veranstaltungen möglich, aber nur, wenn keine zu hohen Ansprüche an die Unterbringung ge­stellt würden. Dafür müssten wir aber Besprechungsräume anbieten.“ Marcus hielt die Vorschläge gleich in seiner Liste fest.

Alexandra meinte, im Restaurant könnten wir zum Beispiel Spargel­wochen oder ähnliches anbieten, um die Attraktivität zu erhöhen. Im Sommer wäre vielleicht ein attraktiver Biergarten nicht ungeschickt, um zusätzlich Ausflügler anzulocken.

Der nächste Vorschlag kam von Sebastian, der meinte, man könnte sonntags einen Brunch veranstalten, so ein- bis zweimal im Monat, je nachdem, wie so etwas angenommen wird. Thomas meinte, da sie gerade bei Ideen für den Restaurantbetrieb seien, wie es mit einem günstigen Mittagstisch für Senioren wäre.

Ich sah, dass Marcus alle Ideen sofort festhielt, auch wenn wir später vielleicht nicht alle Vorschläge umsetzen werden. Das hat den Vorteil, dass man später nicht erneut nachzudenken braucht, wenn die eine oder andere Idee doch nicht verwendet wird.

Ich mischte mich wieder ein und meinte, für das Gesindehaus hätte ich eventuell eine weitere Idee: „Man könnte es doch auch unter der Woche, also außerhalb der Fe­rien­zeit, als so eine Art Land­schul­heim verwenden, das würde ins­ge­samt eine bessere Auslastung erbringen. Dazu brauchen wir aber Vorschläge, welche Ausflüge oder Aktivitäten die Kinder und Ju­gend­lichen unter­nehmen können, wobei diese Angebote altersgerecht sein sollten.“

Da ich das nur als neuen Vorschlag gedacht hatte, wunderte mich, dass meine Anregung sofort für eine größere Diskussion genutzt wurde. Alle möglichen Vorschläge wurden in diesem Zusam­menhang einge­bracht, vor allem für Ausflüge in die nähere Um­gebung wurden einige Vorschlägen unterbreitet. Aber auch mög­liche Aktivitäten wurden in diesem Zusammenhang angeboten.

Sebastian wiederum war es, der dann nachfragte: „Wie stellt ihr euch vor, dass die Schulklassen versorgt werden, soll es eine eigene Küche im Gesindehaus geben oder sollen die zu den Mahl­zeiten immer ins Restaurant kommen?“ Die Frage war gut, darüber hatte ich bisher nicht nachgedacht.

Marcus meinte dazu: „Wie wäre es, wenn zwar in der Restaurantküche alles gekocht wird, das Essen selbst aber im Gesin­dehaus eingenommen wird. Damit brauchen wir keine voll­wertige Küche, sondern nur die Möglichkeit, die Speisen warmzu­halten, und eine Möglichkeit, das Frühstück vorzubereiten. Wenn alle im Restau­rant essen würden, müsste für das Frühstück der Küchenbetrieb ja schon morgens anlau­fen. Das vorbereitete Essen kann ebenso für das günstige Mittags­menü ver­wen­det werden.“

Sebastian meinte dazu: „In diesem Fall muss die Küche so ge­staltet sein, dass sie als Groß- und Individualküche verwendet werden kann. Mit einer Küche, die nur auf den Restaurantbetrieb ausgerichtet ist, wird es schwierig, derart große Mengen an Essen zu kochen. Das hätte aber zusätzlich den Vorteil, dass wir mit etwas weniger Personal im Küchenbereich aus­kommen können.

Auf der anderen Seite ist es eine Herausforderung für die Köche, da sie nicht nur die kleinen Portionen, sondern auch größere Mengen vorbereiten dürfen, die den geho­benen Ansprüchen genügen müssen.“

Thomas erklärte dazu: „Das können wir doch hervorragend als gutes Argument in unserer Werbung für den Beherber­gungsbetrieb verwen­den.“ Alexandra fragte ihren Sebastian: „Traust du dir das Manage­ment für einen gemischten Küchen­betrieb zu oder würdest du lieber zwei getrennte Küchen bevorzugen?“

„Wie bereits vorher ausgeführt“, erklärte Sebastian, „ist es eine Her­aus­forderung für die komplette Küchenmannschaft, aber bei ent­sprechender Planung machbar. Klar traue ich mir zu, so einen Kü­chen­betrieb zu managen. Wichtig ist dann nur eine gute Auswahl der Mitar­beiter, die von vornherein wissen, welche Her­ausforderungen auf sie zukommen. Ich kann mir eine Mischung von Köchen aus der Groß- und der Indivi­dualgastronomie vorstellen, die von­einander ler­nen können.“

In diesem Moment fühlte ich, dass meine Entscheidung, Sebastian und Alexandra in das Ganze mit einzubinden, wahr­scheinlich ein genialer Schachzug gewesen ist. Beide brachten sich in die Überlegungen mit ein und steuerten ihre eigenen Ideen zu einem guten Gelingen mit bei.

Wenn Martina mit ihrer Idee zum Hofladen und Gutshof-Café ebenso ver­nünftige Beiträge bringt, steht einer Planung und Durchführung nichts mehr im Weg. Bei Tim und Jonas machte ich mir da weniger Gedanken, der landwirtschaftliche Betrieb wird einfach wie bisher weiter­laufen und der Anbau von Biogemüse bedeutet für die Küche, dass Erzeugnisse aus regionalem Eigenanbau verwendet werden können.

Da die Diskussion um die Küche weniger wurde, fragte ich Jonas: „Wie groß hattet ihr euch euren Gemüseanbau vorgestellt, immerhin solltet ihr damit die Küche und den Hofladen bedienen können?“

Jonas erklärte dazu: „Meiner Meinung nach sehe ich da keine Prob­leme, eher hin und wieder vielleicht Engpässe, wenn wir mehr ver­kaufen als in der Vorausplanung vermutet. Das würde je­doch nur be­deuten, dass wir unsere Planungen für das Folgejahr anpassen müssen. Ich sehe da aber ein anderes Problem auf uns zukommen, wir werden gerade für die Ernte eine Menge zusätzlicher Mitarbeiter benötigen, die wir nicht auf dem lokalen Arbeitsmarkt abdecken können.

Für den normalen Betrieb denke ich, dass wir die Mitarbeiter aus der näheren Umge­bung akquirieren können. Zudem wollen wir auch als Ausbildungs­betrieb arbeiten, wie können wir auswärtige Auszubildende unter­bringen? Für die Erntehelfer und für den einen oder anderen Auszubildenden brauchen wir Unterbrin­gungs­möglichkeiten, die nicht alle ganzjährig genutzt wären.

Wir könnten diese Mitarbeiter möglicher­weise im Gesindehaus unterbringen, aber dann fallen dort die Einnahmen weg. Ich habe noch ein weiteres Problem, die angeheuerten Erntehelfer müssen mit Essen und Trinken versorgt werden, wie kann man das lösen?“

Ich überlegte kurz und stellte allen meine Überlegungen dazu vor: „Wir haben bisher im Gesindehaus nur das Erd­geschoss und die beiden darüberliegenden Etagen berücksichtigt. Wir könnten im Dachgeschoss noch kleinere Wohneinheiten, zumindest für die Aus­zu­bildenden, vorsehen. Bei den Ernte­helfern wird es sicher schwie­riger, dazu brauchen wir erst einmal Zahlen, um wie viele Personen es sich handeln würde, damit wir dafür eine vernünftige Planung erstellen können.

Bei der Versorgung sehe ich ebenso kein Problem, Sebastians Küche wird diese Mahlzeiten sicher einplanen können und essen könnten die Mitarbeiter in der Cafeteria im Gesindehaus. Ich bin überzeugt, dass sich das bei einer vernünftigen Verteilung der Nutzungs­zeiten realisieren lässt. Denkbar wäre auch eine kleinere Küche im Bereich der Schlafmöglichkeiten für die Erntehelfer, wo sie ihre Mahl­­zeiten selbst zubereiten können.“

Sebastian grinste und bestätigte: „Klar sollte das kein Problem für unsere Küche darstellen; ob wir für achtzig, hundert oder mehr Personen kochen, ist kein großer Unterschied.“

Thomas unterbrach die Diskussion und meinte, wir sollten überlegen, wie wir das heute mit dem Abendessen handhaben wollen. Wir könnten essen gehen oder selbst kochen, letzteres würde jedoch bedeuten, dass wir unser Gespräch unterbrechen, damit das Abendessen vorbereitet werden sollte. Sebastian bot sich sofort an, beim Kochen zu helfen, und Alexandra versprach ihn zu unterstützen.

Da inzwischen alle der Mei­nung waren, dass uns eine Unterbrechung guttun würde, verschwand Thomas mit Koch Sebastian und Alexandra in die Küche. Die vier Jungs gingen hoch in ihre Zimmer, wobei Marcus erklärte, er werde erst einmal Struktur in seine Notizen bringen und Philipp könne sich Gedanken machen, wie wir das auf unserem Familien-NAS-System abspeichern wollen.

Jonas und Tim wollten sich weiter im Gäste­zimmer einrichten und ihre Schmutzwäsche waschen, da sie nicht für so einen langen Aufenthalt geplant hatten, nicht dass sie in den nächsten Tagen ihre gebrauchte Kleidung noch einmal anziehen müssten. Philipp meinte, er helfe den Jungs und würde gleichzeitig unsere Schmutz­­­wäsche mitwaschen.

Ich blieb allein im Wohnzimmer zurück. Bevor ich Vaters weitere Briefe mit den wichtigen Aufgaben und Anweisungen lesen wollte, beschloss ich, meine Mutter im Gutshof anzurufen. Sie war so schnell am Telefon, als hätte sie bereits auf einen Anruf gewartet. Zuerst fragte ich sie, wie es ihr derzeit geht. Sie meinte nur, dass alles in Ordnung sei.

Danach erzählte ich ihr von den weiteren Schrift­stücken, die Vater im Krankenhaus angefertigt hatte, und vor allem, dass er mir offenbarte, dass sie weiteren Immobilienbesitz auf Mallorca besitzen würde und der Ankauf von neuen Wohnungen geplant war.

Mutter meinte dazu, dass sie zwar gewusst hatte, dass sie weitere Immobilien be­sitzen, aber dass neue Immobilien dazukommen, sei ihr bisher nicht bekannt gewesen. Ich erklärte ihr, dass ich bereits mit dem Makler ge­sprochen habe und er dies mir gegenüber auch bestätigt hat und ich mit ihm ver­einbart habe, dass sie nach ihrer Rückkehr auf die Insel die Kauf­verträge für diese Immobilien unterschreiben wird.

Im weiteren Verlauf des Gesprächs erzählte ich ihr von unserer Zu­sam­men­kunft mit Sebastian und Alexandra am heutigen Nachmittag und den Ideen, die wir bereits gesammelt hätten, sowie von den Lösungen hierzu.

Als nächstes fragte ich sie, ob sie wüsste, ob es vom Gutshof Lagepläne sowie Pläne der einzelnen Gebäude gebe. Sie erklärte mir, Lagepläne gebe es auf alle Fälle, bei den Plänen von den einzelnen Gebäuden müsse sie passen. Sie könne sich aber vorstellen, dass zumindest für die Neubauten Pläne vorhanden sind. Vielleicht lägen auch irgend­wo ältere Planunterlagen von einzelnen Gebäuden, sie wüsste nur nicht, wo Vater diese Unterlagen aufbewahrt hat.

Zuletzt erzählte ich ihr von meinen Plänen, meinen bisherigen Ar­beits­platz vollständig aufzugeben, um mich voll den neuen Aufgaben widmen zu können, und dass ich meinem Chef Thomas als meinen Nachfolger vorschlagen will. Sie wollte von mir wissen, ob Thomas nicht auch im Familienbetrieb mitarbeiten will. Ich erklärte ihr, dass er vorerst in der Firma bleibt und später, wenn erforderlich, einsteigen will.

Überzeugt klang sie nicht, als sie meinte, dass das vielleicht doch nicht so unklug sei, da er immerhin mit seinem Gehalt zum Familienauskommen beitragen würde. Danach verabschiedete ich mich von ihr und versprach ihr, in den nächsten Tagen bei ihr vorbei­zukommen.

Ich hatte kaum mein Gespräch mit Mutter beendet, als Alexandra wieder ins Wohnzimmer trat und mir erklärte, dass ihre weitere Mitarbeit als Küchen­hel­ferin derzeit nicht mehr benötigt werde. Die rest­lichen Arbeiten wollten Thomas und Sebastian allein erledigen. Meine Nachfrage, was es zum Essen gäbe, beantwortete sie mit der Auskunft, sie dürfe nichts ausplaudern.

Die sich mir bietende Gelegen­heit nutze ich, um Alexandra nach ihrer persönlichen Meinung zu unserem Vorhaben zu befragen. Sie überlegte einige Minuten, bevor sie mir antwortete: „Peter, ich darf dich doch so nennen, nachdem du uns gestern Abend zu diesem Gespräch eingeladen hast, haben wir noch lange zu Hause gesessen und gerätselt, wieso du gerade uns eingeladen hast. Selbst mein zu­künf­tiger Schwiegervater Francesco konnte uns keine plausible Er­klä­rung dafür liefern.

Erst mit deinen aus­führlichen Erläuterungen heute Mittag haben Sebastian und ich verstanden, warum du uns überhaupt eingeladen hast. Ich finde eure Über­legungen genial, wie man einen alten Guts­hof umgestalten und für eine zukünftige Nutzung umbauen kann. Wenn uns das Konzept nicht gefallen hätte, wären eine Entscheidung von uns, mitzuarbeiten, sicher nicht so leichtgefallen. Was uns be­sonders gefällt, ist vor allem, dass wir aktiv an der Gestaltung mitar­beiten können und unsere eigenen Ideen mit einbringen können.

Wenn wir beide nach Abschluss der Ausbildung in einem Hotel arbeiten würden, ist das nur Routinearbeit, Kreativität ist dort nicht so gefragt. Vor allem ist es für uns eine Perspektive, die uns woanders in der Form gar nicht geboten werden kann.

Dass auch noch eine Wohnung mit dabei ist, selbst wenn wir dafür Miete bezahlen, ist ein weiterer Plus­punkt in dem Angebot. Ich würde nur gerne wissen, warum du gerade in uns Jüngere so ein großes Vertrauen setzt?“

Diesmal musste ich erst in Ruhe darüber nachdenken, bevor ich ihr antwortete: „Ich habe anfangs schon daran gedacht, mir ältere und erfahrene Leute zu holen, aber diesen Plan sehr schnell wieder verworfen. Wobei die endgültige Entscheidung erst in dieser Woche gefallen ist, nach­dem ich Jonas und Tim als Nachfolger für den scheidenden Pächter gewinnen konnte.

Ab diesem Zeitpunkt war klar, dass ich vor allem auf die jüngere Generation setzen will, weil sie in das Projekt frischen Wind bringt und eher bereit ist, Fehler zu machen und daraus zu lernen. Bei der noch ausstehenden Auswahl des Architekten will ich ver­suchen ein Team zu finden, das sowohl aus erfahrenen Älteren als auch experimentierfreudigen Jüngeren besteht. Ich hoffe nur, dass ich so etwas finden werde für unser Projekt.“

„Vielleicht kann ich dir da helfen“, meinte Alexandra, „in unserer Nachbarschaft, genauer gesagt neben meinen Eltern wohnt ein Architekt, dessen Sohn vor kurzem sein Studium beendet hat und der jetzt zusammen mit seiner Frau Jennifer im Archi­tekturbüro seines Vaters mitarbeitet. Ich kenne Jason schon seit vielen Jahren, vielleicht ist er für dich der richtige Mann, den du suchst.“

Mit dieser Aussage hatte sie mich zumindest neugierig gemacht, ich wollte deshalb weitere Informationen zum Architekturbüro von ihr haben. Sie meinte, sie hätte Jasons Handynummer und könnte ihn anrufen und fragen, ob er Interesse hätte. Das Architekturbüro gehört seinem Vater Maximilian Schreiber. Der Name sagte mir etwas, auf Anhieb fiel mir jedoch nicht ein, woher ich diesen Namen kannte.

Zumindest war es nicht der Architekt, der unser jetziges Zuhause geplant hatte. Ich sagte zu ihr: „Wenn du willst, kannst du ihn gerne anrufen, vielleicht kannst du ihn überzeugen, mit seiner Frau heute hier noch vorbeizukommen, am besten direkt nach dem Abendessen. An­sonsten geht ein Termin im Laufe der Woche auch in Ordnung, am besten ebenfalls abends, damit von euch jüngeren Leuten welche dabei sein können.“

Wie viel sie ihm am Telefon verraten dürfe, wollte sie noch wissen von mir. Ich erklärte ihr: „Am besten nicht zu viel, du hast ja selbst erlebt, dass Neugier immer ein gewisses Antriebs­moment darstellt.“

Sie rief Jason an, der sich rasch meldete. Wenn ich richtig interpre­tiere, was ich mitbekam, dann schien er sie gefragt zu haben, ob sie mit ihrem Sebastian und er mit seiner Jennifer heute Abend noch et­was unternehmen wollten. Sie meinte, dass er fast richtig liegen würde mit seiner Vermutung, nur dass sie hier bei Freunden seien und sich freuen würden, wenn sie dazukommen könnten.

Das lief fast besser, als ich erwartet hatte, sie musste keinen Grund angeben, warum sie sich mit ihnen treffen will, damit wäre die Überraschung umso größer. Sie gab noch unsere Anschrift durch und vereinbarte, dass die beiden so gegen neunzehn Uhr hier sein sollen, dann könnten sie bei uns mitessen.

Sie erklärte noch, dass Sebastian derzeit in der Küche steht und das Abendessen vorbereitet. Danach beendete sie ihr Tele­fonat. Sie lachte und meinte: „Das war jetzt verdammt einfach, Jason und Jennifer hierherzulocken.“

„Haben Sebastian und Thomas gesagt, dass wir im Esszimmer den Tisch eindecken sollen, oder machen das die beiden?“, wollte ich von Alexandra wissen. Sie meinte, sie fragt gerne in der Küche nach, ob wir den Tisch eindecken sollen und dass sie noch zwei weitere Es­sens­gäste mit einplanen sollen.

Ich bat sie, aber nicht zu verraten, wen wir als zusätzliche Gäste eingeladen hätten, die beiden sollten sich einfach überraschen lassen. Das wäre dann meine kleine Revanche dafür, dass Alexandra mir nicht sagen durfte, was von den beiden in der Küche vorbereitet wird.

Sie lachte und verschwand in der Küche und kehrte nach wenigen Minuten zu mir zurück. „Wir dürfen den Tisch decken“, meinte sie, und das mit den beiden weiteren Essensgästen sei überhaupt kein Problem, sie hätten zu viel vorbereitet fürs heutige Abendessen. Essen gegen neunzehn Uhr sei kein Problem, könnte eher ein paar Minuten später werden, bis alles endgültig fertig sei.

Wir gingen ins Esszimmer und zur Feier des Tages beschlossen wir, den Tisch fast wie in einem Restaurant zu bestücken, mit Wein­gläsern, Wassergläsern, großen Tellern und Suppentassen, dem not­wen­digen Besteck und einer passenden Dekoration für zehn Personen. Ich erkannte schnell, dass sie ihr Wissen, das sie während ihrer Ausbildung erlernt hatte, gut einzu­setzen wusste.

Wir gingen beide in den Keller, um nach den passenden Weinen zu suchen und gleich noch Wasser mit nach oben zu holen. Ich überließ ihr die Auswahl, sie wusste, was Sebastian und Thomas später auf den Tisch bringen würden.

Kurz vor neunzehn Uhr schepperte unsere Glocke an der Haustür. Ich bat sie, unsere Gäste hereinzulassen und mit ihnen zu mir ins Wohn­zimmer zu kommen. Sie hatte kaum die Haustüre geöffnet und die beiden begrüßt, als ich hörte, dass die Jungs ebenfalls auf dem Weg nach unten waren.

Klar, neugierig wie immer, sie könnten etwas Wichtiges verpassen. Das war ich von meinen beiden schon gewohnt, aber scheinbar waren Jonas und Tim ebenso gestrickt.

Sie begrüßten die beiden Neuankömmlinge, während Alexandra die Jungs vorstellte. Sie erklärte Jason und Jennifer, dass Marcus und Philipp sowie Jonas und Tim jeweils ein Pärchen wären und dass Philipp der Sohn des Haus­herren und Jonas der Cousin von Philipp sei.

Alle sieben betraten das Wohnzimmer, diesmal war Philipp derjenige, der meinte, seinen alten Herrn mit den beiden bekannt zu machen. Ich begrüßte die beiden ebenfalls recht herzlich und bei Jason fiel mir eine Ähnlichkeit auf, die mich endlich darauf brachte, wer dieser Maximilian Schreiber sein könnte. Er sah seinem Vater heruntergerissen ähnlich, zumindest so wie dieser vor rund dreißig Jahren ausgesehen hatte.

Das wollte ich jetzt doch genauer wissen und so fragte ich ihn, ob sein Vater etwa fünfundfünfzig oder sechsundfünfzig Jahre alt sei. Als er dies bestätigte, erzählte ich ihm, dass ich seinen Vater während des Studiums in München näher kennengelernt hätte, da wir beide eine Zeit lang in der gleichen WG gewohnt hätten.

Gesehen hätte ich ihn vorher schon, da er auf das gleiche Gymnasium gegangen sei wie ich, jedoch zwei Jahre eher sein Abitur gemacht hatte. Auch seine Mutter würde ich kennen, wenn das immer noch die gleiche Frau sei, mit der er damals liiert war. Sie war eine hübsche junge Frau mit blonden Haaren und blauen Augen, die ich auch nicht verachtet hätte.

Wir haben uns nach dem Studium und seinem Auszug aus der Wohngemeinschaft aber aus den Augen verloren, da er damals in München bei einem größeren Architekturbüro gear­beitet hat, während ich nach Beendigung meines Studiums in der alten Heimat eine gut bezahlte Arbeitsstelle gefunden habe.

Jason grinste und meinte, die Beschreibung würde auf seine Mutter passen, zumindest so, wie sie damals ausgesehen habe. „Schon ver­wunderlich“, meinte er, „dass ihr euch hier in Rosenheim noch nie über den Weg gelaufen seid, meine Eltern leben schon mehr als zwanzig Jahre wieder hier, nachdem mein Großvater seinen Sohn endlich überzeugen konnte, in das väterliche Architekturbüro einzusteigen.

Ich war damals etwa vier oder fünf Jahre alt, als wir hierhergezogen sind. Deinen Sohn Philipp und seinen Marcus habe ich vor Jahren hier am Gymnasium schon gesehen. Sie waren, glaube ich, drei oder vier Jahrgänge unter mir.“

Alexandra war wieder in die Küche verschwunden, während ich mich mit Jason unterhielt. Seine Frau hatte unser Gespräch aufmerksam ver­folgt und meinte: „Da sieht man wieder, wie klein die Welt doch ist, wenn man immer wieder Menschen über den Weg läuft, die einen zwar selbst nicht kennen, aber dessen Eltern man gut kennt.“

Alexandra tauchte wieder im Wohnzimmer auf und erklärte, dass wir uns an den Esstisch setzen können, das Essen sei in wenigen Minuten fertig und Sebastian und sein Hilfskoch werden alles servieren. Ich erklärte Jason und Jennifer, dass der Hilfskoch mein Lebenspartner Thomas sei, mit dem ich seit mehr als fünfzehn Jahre zusammenlebe.

Er war nach dem Tod meiner Frau derjenige, der zusammen mit mei­nen Kindern schaffte, mich aus meinem Tief herauszuholen. Liebe auf den ersten Blick war es sicher nicht, eher eine über einen längeren Zeitraum gewachsene Verbindung, bei der ich mich in seinen Armen ge­borgen fühlte.

Wir setzten uns im Esszimmer an den Esstisch und warteten auf das, was uns die beiden servieren würden. Alexandra fragte, welches Getränk sie den einzelnen geben dürfte, und füllte je nach Wunsch die Wein- oder Wassergläser. Sebastian erschien mit einer Suppenterrine gefolgt von Thomas, der die Suppenschalen mit Pilzcreme­suppe füllte. Nachdem alle Suppentassen gefüllt waren, setzten sich die bei­den zu uns an den Tisch und wir löffelten entspannt unsere Suppe.

Wir hatten unsere Suppentassen geleert und Alexandra sammelt die Suppentassen ein, die sie in die Küche trug. Thomas und Sebastian waren ebenfalls wieder in der Küche und brachten kleine Vorspeisen­teller ins Esszimmer, die sie auf den Esstisch stellten. Zum zweiten Gang saßen wieder alle am Tisch und verspeisten ihr kleinen Portionen der schmackhaften, gegrillten Gemüsestücke.

Das gleich Spielchen wiederholte sich nach dem zweiten Gang, Alexandra räumte die Teller zusammen und brachte sie in die Küche. Thomas und Sebastian hatten erklärt, dass es jetzt etwas länger dauern würde, bis der nächste Gang serviert wird.

Ich bat Alexandra, diese Gelegenheit zu nutzen und Jason und Jennifer über den eigent­lichen Grund der Einladung aufzuklären. Sie erzählte den beiden von den bisherigen Plänen um die Umgestaltung des Gutshofes Sonneneck und den Ideen, mit denen neues Leben in den alten Gutshof gebracht werden soll, wobei sie so nebenbei den beiden erklärte, dass sie genau aus diesem Grund und auf ihren Vorschlag hin eingeladen wurden. Sie bat mich, den Architekten unsere Umbaupläne näherzu­bringen.

Ich erzählte Jennifer und Jason, dass wir das alte Gesindehaus in eine Art Landschulheim umbauen wollen, das aber auch von anderen Gruppen an den Wochenenden für Schulungen und Weiterbildungen genutzt werden kann. Da das Gebäude min­destens achtzig bis ein­hundert Jahre alt sei und zumindest in den letzten dreißig Jahren leer stand, sind umfangreiche Um­pla­nungen und Umbauten erforderlich. Im Dachgeschoss sollten noch mehrere kleine Wohneinheiten er­richtet werden für Aus­zubildende, die in der Landwirtschaft, im Gemüseanbau oder in der Gastronomie beschäftigt sind und die nicht jeden Tag nach Hause fahren können.

Im Gutshaus sind in den Obergeschossen einschließlich dem Dach­geschoss Wohnungen zu planen für die Familie. Das Erd­geschoss wird auf der rechten Seite das Restaurant im Guts­haus beherbergen, dafür sollen ein zusätzlicher Anbau für den Küchenbereich und neue sanitäre Anlagen entstehen. Sollte ein Erweiterungs-Neubau nicht mög­lich sein, wird alles auf der linken Gebäudeseite eingerichtet. Ich unterbrach meine Ausführun­gen, da Sebastian und Thomas den dritten Gang unseres Vier-Gänge-Menüs servierten.

Zwei verschiedene Fleischstücke, dazu gedünstetes Gemüse, eine Rahmsauce mit Pfefferstücken und Butterkartoffel fanden sich auf unseren Tellern. Wir genossen das köstliche Essen und alle lobten, nachdem sie ihren Teller geleert hatten, die gelungene Kombination aus Fleisch und Gemüse, die uns Sebastian und Thomas in unserer kleinen Küche gezaubert hatten.

Die beiden verschwanden wieder in die Küche und kehrten nach kür­zester Zeit mit dem Dessert zurück. Es gab Bayrisch Creme mit einem Schuss Erdbeersauce. Auch die Nachspeise schmeckte so lecker wie das ganze Essen vorher.

Wir blieben gemeinsam am Esstisch und unterhielten uns über das gelungene, kurzfristig von Sebastian und Thomas zubereitete Menü. Alle waren der Meinung, dass es zum einen hervorragend geschmeckt hat und Philipp meinte frech: „Sebastian kann gerne jeden Tag zum Kochen kommen, nur fürchte ich, dass ich dann schneller zunehme, als es mir lieb ist.“

Thomas konterte und meinte: „Kannst du gerne haben, wenn du es dir leisten kannst. Du brauchst dir nur einen guten Koch engagieren und schon ist das kein Problem. Soll das bedeuten, dass dir unser Essen nicht mehr gut genug ist?“

Philipp überlegte kurz, bevor er Thomas antwortete: „Stimmt, noch kann ich mir das nicht leisten, aber wenn am Gutshof alle Pläne umgesetzt werden, dann könnte ich jeden Tag im Restaurant essen gehen und den Luxus genießen.“

Gutshof und Umbaupläne, das war für mich das Stichwort, wir sollten so langsam wieder zurück zu unseren Gesprächen mit Jason und Jennifer kommen, über die Pläne und ob und wie sie diese umsetzen können. Ich schlug deshalb vor, den Esstisch leer­zuräumen, damit wir unsere Gespräche fortsetzen konnten. Mit vier Helfern war der Esstisch in kürzester Zeit leergeräumt und die Küche wieder aufgeräumt, währenddessen fing ich bereits wieder an, unserem Architektenpaar unsere Gedanken und Pläne näherzubringen.

Nach einer halben Stunde saßen alle wieder am Tisch und wir sprachen weiter über unsere Ideen für dieses Vorhaben. Jason meldete sich und erklärte: „Meine Jenny und ich haben jetzt viel von euch erfahren, wie ihr euch das in Zukunft vorstellen könnt, aber bevor wir jetzt in eine konkrete Planung und einen Umbau einsteigen können, sollten wir auf alle Fälle erst einmal bei den Baubehörden nachfragen, wie sie zu diesem Projekt stehen.

Ohne Vorgespräche beim Bürgermeister und beim Gemeinderat sowie beim Landratsamt bringt es überhaupt nichts, mit den konkreten Planungen zu beginnen. Ich schlage deshalb vor, dass ich mit Jennifer erst einmal mit meinem alten Herrn alles bespreche und wir dann so schnell wie möglich Termine bei den zuständigen Ämtern und Behörden vereinbaren. Nach diesen Gesprächen wissen wir bereits, welche Schwierigkeiten oder Probleme auf uns zukommen werden oder ob das Projekt schnell und unbürokratisch verwirklicht werden kann.“

Jenny ergänzte dazu: „Bevor es zu diesen Gesprächen kommen kann, sollten wir zumindest eine grobe Zusammenstellung aller Baumaßnahmen aufstellen. Wichtig ist auch, dass wir glaubhaft erklären, dass alle Änderungen und Ergänzungen an den Gebäuden den bisherigen Baustil nicht zu stark verändern, was aber sicher auch in eurem Interesse liegen dürfte. Wenn mein Schwiegervater mit hinter dem Projekt steht, wovon ich ausgehe, dann können wir in etwa einer Woche die notwendigen Unterlagen für die Vorgespräche fertig haben.“

Zuletzt wollte ich von den beiden noch wissen, ob sie bereits eine Vorstellung davon haben, wie lange der geplante Umbau dauern könnte.

Jason antwortete: „Wenn alles optimal läuft, Baugenehmigungsverfahren, Koordination der Handwerker, keine unliebsamen Über­raschungen und so weiter, dann kann man so ein Projekt in zwölf bis fünfzehn Monaten durchziehen. Spätestens im September des nächsten Jahres wäre dann alles fix und fertig.

Einzelne Teilprojekte, die eine größere Priorität haben, könnten bereits Ende dieses Jahres soweit sein. Ich denke da vor allem an den Umbau des Gutshauses in einzelne Wohnungen, je nachdem wie hoch die Anforderungen der Bewohner ausfallen.“

Ich schaute in die Gesichter der Jungs und konnte erkennen, dass sie in ihrer jugendlichen Unbekümmertheit von einer erheblich kürzeren Zeitspanne für den gesamten Umbau ausgegangen sind. Ich erklärte ihnen: „Die Einschätzung von Jason entspricht in etwa dem, von dem ich selbst ausgegangen bin, ich hätte sogar mit einer Zeitspanne von bis zu achtzehn Monaten gerechnet.

Allein der Umbau des Gesindehauses wird mindestens drei bis vier Monate in Anspruch nehmen, bis alles durchgeführt ist und die Zimmer möbliert sind. So viele Handwerker, dass mehrere Teilbereiche gleichzeitig in Angriff genommen werden können, sind schwer zu finden. Vor allem, wenn vorwiegend einheimische Firmen berücksichtigt werden sollen, kann das schnell zu Eng­pässen führen.“

Zur Unterstützung meiner Aussage erklärte Jason: „Wir haben viele Handwerksbetriebe im Landkreis, aber kaum einer hat die Größenordnung, um so ein Projekt allein zu stemmen, entweder wir teilen auf mehrere Betriebe auf, mit dem Problem der Koordination, oder wir suchen uns ein größeres Unternehmen, das auf ausreichend Mitarbeiter zurückgreifen kann.“

Der Blick zur Uhr verriet mir, dass es bereits nach zweiundzwanzig Uhr war und wir so langsam zum Ende kommen sollten. Ich erinnerte Marcus und Philipp daran, möglichst schnell die Mailadressen für alle einzurichten und allen die Zugangsdaten zur Verfügung zu stellen.

Ebenso an den zentralen Datenspeicher für die Sammlung aller wichtigsten Unterlagen wie Zeitpläne, Besprechungsprotokolle und Bau­pläne. Die beiden versprachen, alles morgen sofort in Angriff zu nehmen und einzurichten.

Danach verabschiedeten wir uns von Jason und Jennifer sowie Alexandra und Sebastian, die nach Hause fuhren. Wir saßen noch kurz mit den Jungs zusammen und plauderten über die Ergebnisse des Sonntags.

Ich für meinen Teil konnte mit dem heute Erreichten zufrieden sein, immerhin hatten wir einen Jungkoch, der die Verantwortung für das Restaurant übernehmen wollte, und ein junges Architekten­team, das zusammen mit dem Seniorchef des Architekturbüros die Planung und Koordination des Umbaus übernehmen wollte.

Gut, endgültig entschieden war noch nichts, aber die großartigen Gespräche haben bei mir zumindest die Hoffnung geschürt, dass wir damit auch unsere jungen Architekten gefunden hatten.

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