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Regenbogenfamilie
Teil 55 - Neue Erbschaft
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Informationen
- Story: Regenbogenfamilie
- Autor: Sonntagskind55
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Coming Out
Gerhard und Felix waren pünktlich am frühen Morgen aufgetaucht und so konnten wir die Anreise nach München zu unserem Termin mit dem Rechtsanwalt antreten. Während der Fahrt erzählte ich meinen beiden Beifahrern von unserem gestrigen Meeting und dem kurzfristig zu planenden Sommerzeltlager für die Kinder und Jugendlichen, da die Kapazitäten des Gesindehauses bei weitem nicht ausreichen würden, um alle Voranmeldungen, denen vom Rosenheimer Jugendamt eine Zusage übermittelt wurde, zu bestätigen.
Barbara organisiert für übernächstes Wochenende ein kurzfristiges Zusammentreffen mit den Verantwortlichen der Jugendämter um die geänderten Pläne vorzustellen. Michael will bei den Gruppen der schwulen und lesbischen Jugendlichen anfragen, ob sich ehrenamtliche Helfer zur Unterstützung finden. Auf meinen ausdrücklichen Wunsch hin wird Barbara versuchen auch andere Gruppierungen, die Kinder- und Jugendarbeit betreiben, zu finden. So könnten auch diese am Zeltlager teilnehmen.
Sie hatte mich heute Morgen bereits angerufen und mir mitgeteilt, dass das städtische Waisenhaus in München bereits eine Zusage erteilt hat. Ich habe Barbara und Marion beauftragt eine vollständige Zusammenstellung zu machen, wie viele Kinder und Jugendliche in welchem Zeitraum das Zeltlager nutzen werden.
Gerhard schmunzelte und erklärte mir, dass ich mit meiner Idee eine Lawine ausgelöst habe, die er in der kurzen Zeit selbst nicht für möglich gehalten habe. Zumindest hätten wir schnell reagiert und eine Alternative ausgedacht. Felix meinte, er könne bei seinen Mitschülern anfragen, ob der eine oder andere als ehrenamtlicher Helfer mitwirken will. Er sei auf alle Fälle dabei. Wenn es sein muss, sogar für die gesamte Zeit des Zeltlagers.
Überpünktlich kamen wir in München an und da wir nicht die sonst üblichen Parkplatzprobleme hatten, betraten wir die Anwaltskanzlei in München lange vor dem vereinbarten Termin. Wir wurden von der Assistentin gebeten bereits im Besprechungszimmer Platz zu nehmen. Es dauere noch einen kleinen Moment, bis der Anwalt für uns Zeit hätte.
Sie bot uns an uns, in der Zwischenzeit einen Kaffee oder Tee zu bringen, um die Wartezeit zu überbrücken. Wir könnten auch bei den Erfrischungsgetränken zugreifen, wenn uns das lieber wäre. Ich orderte einen Kaffee, Gerhard wollte lieber einen schwarzen Tee und Felix erklärte, dass er sich ein Wasser nehme.
Wir unterhielten uns, wurden jedoch immer wieder durch Felix Handy gestört. Ich bat ihn, sein Smartphone auf lautlos zu schalten, da es ansonsten bei der Besprechung nur stören würde. Er schaute nach, warum es ständig piepste. Dann erzählte er uns, dass sich bereits einige Mitschüler gemeldet hätten, die Interesse hätten, uns bei der Aufgabenbewältigung für das Zeltlager zu unterstützen.
Kurze Zeit später betrat der Anwalt, ein Mittvierziger, zusammen mit seiner Assistentin das Besprechungszimmer. Er begrüßte uns recht herzlich und stellte sich allen als Bruno Baumann vor und seine Assistentin als Monika Gerber.
Im Gegenzug übernahm ich die Vorstellung der von unserer Seite Anwesenden. Gerhard ist in seiner Eigenschaft als Mitglied des Stiftungsrates mitgekommen, Felix ist unser neuer Mitarbeiter, genau genommen unser Auszubildender in der Stiftungsverwaltung. Zu meiner Person erklärte ich, dass ich ebenfalls im Stiftungsrat sitze und gleichzeitig der Geschäftsführer der Stiftung sei.
Er fragte mich, welche Aufgaben sich die Stiftung herausgesucht habe. Ich erzählte ihm: „Die Hauptaufgabe der Stiftung besteht darin, benachteiligten Kindern und Jugendlichen einen Urlaub zu ermöglichen. Entweder zusammen mit ihren Eltern oder einen Urlaub ohne ihre Eltern. Hinzu kommt die Unterstützung von Minderheiten, als Beispiel schwule und lesbische Jugendliche, die es immer noch schwer haben von der Gesellschaft vollständig akzeptiert zu werden.
Neu hinzugekommen ist, dass sich die Gesellschaft zukünftig auch im sozialen Wohnungsbau engagieren wird, um für Familien einen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. In Zusammenarbeit mit unserem Heimatjugendamt planen wir zwei Jugendhäuser mit derzeit insgesamt sechsunddreißig Zwei-Zimmer-Wohnungen zu errichten, für die Jugendlichen, die aufgrund des Erreichens der Altersgrenze aus Kinderheimen ausziehen müssen, aber weiterhin Betreuung und Unterstützung benötigen.
Es gibt dazu bereits Anfragen, ob wir in den Nachbarlandkreisen ähnliche Häuser errichten könnten. Eine weitere Aufgabe der Stiftung sehen wir in der Integration von jugendlichen Flüchtlingen und deren Unterbringung.“
Herr Baumann hatte mir bis dahin aufmerksam zugehört und meinte: „Wenn ich das bis jetzt alles richtig verstanden habe, geht es in der Stiftung hauptsächlich darum, benachteiligen Kindern und Jugendlichen zu helfen oder sie auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit zu begleiten. Das deckt sich mit den Vorstellungen meiner verstorbenen Mandantin, die, sofern die Voraussetzungen stimmen sollten, ihre Stiftung als Alleinerbin für ihr gesamtes Vermögen vorgesehen hat. Bevor ich jetzt in irgendwelche Details gehe, interessiert mich, ob die Stiftung bereit wäre die Erbschaft anzunehmen.“
Gerhard erklärte ihm: „Grundsätzlich sind wir immer bereit, Erbschaften anzutreten, wenn sie der Stiftung helfen ihren Aufgaben nachzukommen. Es macht jedoch keinen Sinn eine hochverschuldete Erbschaft anzutreten, da der Stiftung ansonsten für einen längeren Zeitraum keine Mittel für eine erfolgreiche Arbeit zur Verfügung stünden. In unserer Satzung ist vereinbart, dass derzeit etwa fünfzig Prozent der jährlichen Erlöse in den weiteren Aufbau des Stiftungsvermögens investiert und die anderen fünfzig Prozent als Ausgaben für die Ziele der Gesellschaft verwendet werden. Vorgesehen ist, wenn die jährlichen Einnahmen eine gewisse Summe überschreiten, die Investitionen zu begrenzen und höhere Summen für die Aufgaben der Stiftung bereitzustellen.“
Herr Baumann erklärte uns: „Bei der Erbschaft handelt es sich um Immobilien im Wert von mehr als einer viertel Million Euro, gewerbliche Immobilien und Wohnungen, sowie eine ganze Reihe von bisher unbebauten Grundstücken. Hinzu kommt eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die den gesamten Immobilienbesitz verwaltet und ebenfalls mit zur Erbmasse gehört. Auch Bargeld in Höhe von rund fünfzehn Millionen Euro liegt auf den Konten der Gesellschaft und auf dem Privatkonto der Erblasserin. Nach den mir vorliegenden Unterlagen ist der gesamte Immobilienbesitz schuldenfrei. Sie hat in den letzten zehn Jahren ihren Immobilienbesitz nur erweitert, wenn sie die Immobilien ohne Fremdfinanzierung erwerben konnte. Ich bin nach dem Tod meiner Mandantin als Interims-Geschäftsführer für die Immobilienverwaltung bestellt worden, bis die Angelegenheit im Sinne der Erblasserin geregelt ist. Sie war im Übrigen mit einer älteren Dame gut befreundet, von der sie nach ihrem Tod erfahren hat, dass sie ihr gesamtes Vermögen an die Stiftung Sonneneck übereignet hat.
Da sie selbst keine Nachkommen hat, hat sich mich noch zu Lebzeiten gebeten testamentarisch festzuhalten, dass dieselbe Stiftung ihr Erbe antreten soll, sofern gewisse Voraussetzung erfüllt sind. Sollte ihre Stiftung nicht die notwendigen Voraussetzungen erfüllen, hätte sie verfügt, dass ich entweder nach einer geeigneten Stiftung suchen oder mit ihnen verhandeln soll, dass ihre Stiftung die genannten Stiftungsvoraussetzungen mit in ihre Satzung aufnimmt. Meine Mandantin war bis zu ihrem frühen und unerwarteten Tod die Geschäftsführerin des Unternehmens.“
Ich sagte zu Herrn Baumann: „Wenn ich das richtig verstanden habe, entsprechen unsere Statuten der Stiftung den Voraussetzungen, die ihre Mandantin festgelegt hat. Damit könnten wir ohne weitere Verhandlungen die Erbschaft antreten. Mich würde in einem ersten Schritt die Verwaltungsgesellschaft und ihre Mitarbeiter interessieren. Immerhin geht es hier um Arbeitsplätze, die bei der Übernahme in eine Stiftung möglicherweise verlorengehen könnten. Mein Ziel bei der Übernahme einer Erbschaft ist grundsätzlich so viele Arbeitsplätze zu erhalten, wie es möglich ist, am besten die gesamte Belegschaft.“
Ich fragte deshalb Herrn Baumann, ob es möglich sei, kurzfristig eine Mitarbeiterversammlung in der Verwaltungsgesellschaft einzuberufen, um mit den Mitarbeitern über die Angelegenheit zu sprechen. Er erklärte uns, wenn wir ausreichend Zeit mitgebracht hätten, könnte er um dreizehn Uhr eine Mitarbeiterversammlung einberufen, da die Verwaltungsgesellschaft ihren Sitz hier im Haus hat.
Ich erklärte ihm: „Eine endgültige Entscheidung, hinsichtlich der Übernahme, treffen wir nach der Mitarbeiterversammlung. Vorher würde ich gerne mit Gerhard und Felix die Angelegenheit im kleinen Kreis besprechen und vielleicht auch kurz mit meinem Büro einige Telefonate führen.“
Er meint, es ist jetzt gleich elf Uhr, ich lade sie gegen zwölf Uhr zum Essen ein und anschließend bestreiten wir die Mitarbeiterversammlung. Sie können zum Telefonieren gerne den Apparat im Besprechungszimmer benutzen.
Als wir wieder allein im Besprechungszimmer saßen, erklärte ich: „Die Erbschaft klingt verlockend für die Stiftung Sonneneck. Ich vermute, sie wird weitgehend schuldenfrei in die Stiftung eingebracht werden können, vor allem in Hinblick auf den hohen Bargeldbestand. Was mir mehr Sorgen bereitet, ist die Verwaltungsgesellschaft, hier geht es um Menschen, deren Arbeitsplätze wir dabei gefährden. Das kann nicht im Sinne der Stiftung sein und ich persönlich will die Mitarbeiter nicht arbeitslos machen. Deswegen auch mein Vorschlag eine Versammlung einzuberufen, um aus dem Munde der Mitarbeiter zu erfahren welche Ängste und Sorgen sie bei einer Übernahme in die Stiftung haben könnten.“
Ich befürchte, zuhause werden mich Philipp und Marcus lynchen, wenn ich ihnen erzähle, dass wir eine weitere Gesellschaft mit Sitz in München in die Gesamtverwaltung integrieren werden. Ich wollte es eigentlich in Zukunft langsamer angehen lassen mit Erweiterungen, zumindest hatte ich das den Jungs versprochen.
Bevor wir weiter nachdenken, sollten wir die Assistentin mit einigen Fragen belästigen, damit wir weiter überlegen können. Felix, bist du so nett und holst uns die Assistentin.“
So schnell wie Felix losging, kam er mit Frau Gerber wieder zurück. Ich meinte, sie könne uns sicher einige Fragen beantworten, damit wir weitere Überlegungen anstellen könnten. Falls sie die Fragen nicht beantworten könne, solle sie diese doch bitte ihrem Chef zur Beantwortung vorlegen.
Meine erste Frage bezog sich auf die Anzahl der Mitarbeiter, die derzeit in der Verwaltung beschäftigt seien. Sie erklärte mir, dass aktuell neun Mitarbeiter beschäftigt sind. Eine Assistentin der Geschäftsleitung, eine Buchhalterin, drei Beschäftigte in der Mietverwaltung, zwei weitere in der Hausverwaltung, also diejenigen, die sich um die Reklamationen der Mieter kümmern und Reparaturen durchführen lassen, sowie zwei Mitarbeiter, die für die Planung und Durchführung neuer Bauobjekte und für sämtliche Renovierungs- und Sanierungsmaßnahmen zuständig sind.
Ich wollte wissen, ob sie mir zu den Familienverhältnissen der Mitarbeiter eine Auskunft geben kann. Sie erklärte, zwei Mitarbeiter sind unverheiratet, einer geschieden und alleinlebend, der Rest ist verheiratet und hat Familie. Altersmäßig liegen sie zwischen fünfundzwanzig und vierzig Jahren, falls mich das auch interessiert. Ich bedankte mich für ihre Auskünfte und meinte, mehr wollte ich gar nicht wissen.
Als nächstes rief ich bei Philipp an und bat ihn, Klaus, Benjamin und Ludwig, sowie das dreiköpfige IT-Team im Besprechungszimmer zu versammeln, ich würde in spätestens fünf Minuten dort anrufen, weil wir kurzfristig eine dringende Telefonkonferenz abhalten müssten.
Er versprach, dass spätestens in der angegebenen Zeit alle Teilnehmer im Besprechungszimmer sein werden für die Konferenz. Zwischenzeitlich erklärte ich Felix kurz, warum ich dieses Team bei der Besprechung dabeihaben will. Noch vor Ablauf der fünf Minuten wählte ich die Nummer unseres Besprechungszimmers und Philipp meldete sich und erklärte, dass sie vollständig versammelt seien und er jetzt auf Lautsprecher umschalten werde. Ich schaltete hier auch auf Lautsprecher und begrüßte die Anwesenden.
Ich berichtete von unserem Gespräch mit dem Rechtsanwalt und der Erbschaft, die an die Stiftung gehen soll, sofern wir die Erbschaft annehmen. Felix grinste mich an, als er mitbekam, dass zuhause einige stöhnten, als ich die Größenordnung erwähnte, die in die Stiftung einfließen sollte. Ich ergänzte, dass wir das in der jetzigen personellen Besetzung auf keinen Fall auf Anhieb stemmen könnten.
Zur Erbschaft gehöre auch eine eigene Immobilienverwaltungsgesellschaft mit derzeit neun Mitarbeitern, die nach Möglichkeit integriert werden müssten. Philipp fragte mich, ob die Gesellschaft in München verbleiben soll, oder sie hier am Gutshof integriert werden soll. Ich erklärte ihm, dass ich ihm diese Frage jetzt noch nicht beantworten kann, erst eine für dreizehn Uhr kurzfristig einberufene Mitarbeiterversammlung wird Licht in diese Angelegenheit bringen.
Marcus saglte: „Dir ist schon klar, dass unsere IT-Infrastruktur, für eine Verarbeitung dieser zusätzlichen Daten nicht ausgelegt ist und deshalb wieder einmal gewaltig erweitert werden muss.“ Ich entgegnete: „Es wird ohne Investitionen nicht machbar sein. Dies ist mir von Anfang an klar gewesen. Mein größeres Problem sei die Verlagerung auf den Gutshof, sofern die Mitarbeiter dazu bereit sind. Unsere Büroräume im Gutshaus würden mit Sicherheit nicht mehr ausreichen und wir brauchen Alternativen, wo wir die Mitarbeiter unterbringen könnten. Aber nicht nur die Büros sind ein Problem, die Mitarbeiter mit ihren Familien brauchen Wohnungen. Gut, einen Teil könnten wir in unserem neuen Objekt in der Stadt unterbringen, aber was machen wir mit dem Rest? Die neuen Wohnungen im Gutshof werden sicher erst im nächsten Jahr fertiggestellt. Ihr könnt euch zumindest schon ein paar Gedanken dazu machen, wenn wir zurück sind, setzen wir uns im Besprechungsraum zusammen und bis dahin wissen wir auch wie wir uns entschieden haben.“
Philipp meinte zum Abschluss unserer Telefonkonferenz mit süffisanter Stimme: „Dich darf man nirgends allein hingehen lassen, wobei dieses Mal bist du sogar in Begleitung von Gerhard und Felix, und trotzdem schleppst du wieder neue Arbeiten und Aufgaben an. Ich denke da nur an eure gestrigen Eskapaden, die Zeltstadt auf dem Gutshof als Sommercamp und heute eine neue Firma mit neun Mitarbeitern und eine Erweiterung der Stiftung, deren Vermögen sich damit über Nacht mehr als verdreifachen wird.“
Als Philipp das Gespräch beendet hatte erklärte mir Gerhard: „Ich kann Philipp nur zustimmen und verstehe nicht, wo du die Energie hernimmst, in diesem Tempo weiterzumachen.“ Ich antwortete ihm: „Deine Frage ist einfach zu beantworten. Meine jungen Mitarbeiter geben mir die Kraft die Projekte umzusetzen, die meisten Ideen stammen von ihnen und nicht von mir.“
Der Rechtsanwalt betrat den Raum und meinte, dass wir zum Mittagessen sollten, damit wir pünktlich zur Mitarbeiterversammlung wieder hier seien. Während des Essens erzählte uns Bruno, wir hatten uns zwischenzeitlich auf das Du geeinigt, weitere Details über die Erbschaft. Er berichtete von seinem größten Sorgenkind, einem etwas in die Jahre gekommenen Hotel in Österreich, das dringend saniert werden müsste um den Betrieb als Hotel aufrecht zu erhalten.
Ich erklärte ihm, dass wir auf der Suche nach Immobilienobjekten sind, die wir für die Kinder und Jugendlichen während der Ferienzeiten als Urlaubsdomizil verwenden können und die in der übrigen Zeit als Schullandheim und Seminarhotel mit nicht gehobenen Ansprüchen genutzt werden könnten, im Prinzip nach dem Vorbild unseres Gesindehauses am Gutshof. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass wir mit geringerem finanziellem Aufwand das alte Hotel dafür verwenden können.
Er überlegt nur kurz und meinte, die Idee ist genial, warum ist von den Mitarbeitern der Verwaltungsgesellschaft keiner auf die Idee gekommen. Ich meinte, das liegt vermutlich eher daran, dass Immobilien für die Mandantin bisher eher als eine gewinnbringende Angelegenheit angesehen wurden.
Er antwortete uns: “Ich verstehe langsam, warum meine Mandantin eure Stiftung ausgewählt hat. Ihr denkt nicht nur an den Profit sondern überlegt euch, wie ihr damit anderen Menschen Hilfe anbieten könnt.“
Ich erzählte ihm von unserem Debakel mit der Unterbringung der Kinder im Gesindehaus, da inzwischen weit mehr Anfragen und inzwischen auch Zusagen vorliegen, als wir Plätze anbieten können und meine Mitarbeiter jetzt mit einer Zeltstadt auf dem Gutshof für die Kinder und Jugendlichen, zumindest für diesen Sommer, das Problem lösen wollen.
„Für das nächsten Jahr hoffe ich, dass wir bis dahin weitere Objekte ins Programm nehmen können und mehr Plätze anbieten können in festen Unterkünften. Wir hätten noch weitere Unterkünfte am Gutshof, aber diese werden für die Saisonarbeiter benötigt.“
Kurz vor dreizehn Uhr waren wir wieder im Büro des Anwalts und er bat uns in den Besprechungsraum mitzukommen. Dort erwarteten uns bereits die neun Mitarbeiter der Firma. Bruno begrüßte die Mitarbeiter und stellte uns kurz vor.
Danach erklärte er den Mitarbeitern, dass wir die Vertreter der Stiftung seien, die ihre ehemalige Chefin als Erbin vorgesehen habe. Er betonte noch einmal, dass dieses Treffen auf ausdrücklichen Wunsch unsererseits einberufen wurde. Danach übergab er mir das Wort.
Ich stand auf, schaute erst in die Runde der Anwesenden und begrüßte sie mit den Worten: „Herzlich willkommen zur inoffiziellen Mitarbeiterversammlung, da ich bisher noch nicht die volle Berechtigung habe eine solche einzuberufen. Ich möchte sie, die Mitarbeiter der Verwaltungsgesellschaft, gerne näher kennenlernen, bevor wir eine endgültige Entscheidung treffen, ob die Stiftung die Erbschaft überhaupt annehmen wird. Eines will ich gleich vorausschicken. Intolerante Mitarbeiter, die sich nachteilig gegenüber Minderheiten, Ausländern oder Flüchtlingen äußern, werden in keinem Unternehmen der Stiftung oder der Gutshofverwaltung geduldet. Solchen Leuten kann ich nur empfehlen sich sofort einen anderen Arbeitsplatz zu suchen, denn damit würden sie mich persönlich beleidigen. Ich bin selbst Mitglieder einer Minderheitengruppe, ich lebe mit einem Mann zusammen und wir sind beide sehr glücklich damit.“
Bruno schaute mich an und sagte zu den Mitarbeitern: „Wenn sich jetzt einer angesprochen fühlt, hat er die Erlaubnis die Versammlung sofort zu verlassen. Auch ich als Anwalt kann ich ein solches Verhalten auf keinen Fall dulden. Ich gehe nach meinen bisherigen Erfahrungen eigentlich nicht davon aus, dass einer von euch derart intolerant ist.“
Es dauerte einen Moment, bis sich eine Mitarbeiterin von ihrem Platz erhob und den Raum verlies. Bruno schaute mich an und fragte die Kollegen, ob sie wüssten, warum Frau Maier von der Buchhaltung, sich als intolerant betrachtet.
Ihre Kollegin meldete sich und meinte, es könne mit ihrer Scheidung zusammenhängen. Ihr Mann hat sie mit einem anderen Mann betrogen und ihr irgendwann erklärt, dass er sich seinetwegen von ihr scheiden lässt.
Ich meinte, können wir eine kurze Pause einlegen, ich möchte mich gerne mit Frau Maier kurz unter vier Augen unterhalten. Alle stimmten zu und so fragte ich noch, wo ich Frau Maier finde könne.
Ich ging in ihr Büro und sprach sie an: „Frau Maier, man hat mir gesagt, warum sie sich vermutlich intolerant fühlen. Ich denke kaum, dass sie allgemein intolerant sind. Sie sind nur sauer auf ihren Exmann, der sie wegen einem anderen Mann verlassen hat. Sie sollten wissen, dass nicht nur Ehefrauen ihren Partner deswegen verlieren, auch Männern passiert das gleiche, wenn ihre Frau sich zu einer anderen Frau hingezogen fühlt. Nur weil sie sauer auf ihren Mann sind, sind sie deswegen meiner Meinung nach nicht unbedingt intolerant, außer sie haben grundsätzlich etwas gegen gleichgeschlechtliche Liebe einzuwenden. Ich bin bisexuell und liebe meinen Thomas, ich war früher auch verheiratet und habe zwei Kinder, meine Frau wurde mir durch Krebs genommen und Thomas war derjenige, der mich aus meinen tiefen Depressionen herausgeholt hat. Unsere Liebe zueinander hat sich erst nach und nach entwickelt. Wenn sie ansonsten keine Aversionen gegen Schwule oder Minderheiten haben, brauchen sie sich nicht als intolerant zu betrachten.“
Sie überlegte kurz und meinte dann, sie komme wieder mit zurück in die Besprechung. Ihr Mann sei es nicht wert, dass sie deshalb ihren guten Job an den Nagel hänge. Zusammen gingen wir zurück in die Besprechung und danach setzte ich meine Ausführungen fort: „Ich weiß, sie haben alle Angst um ihren Arbeitsplatz, wenn die Immobilien und die Verwaltungsgesellschaft an die Stiftung übergehen. Ich verspreche ihnen, von meiner Seite wird es grundsätzlich keine Kündigungen geben.
Veränderungen werden sich trotzdem dauerhaft nicht verhindern lassen. Bis zum Jahresende bleibt grundsätzlich erst einmal alles wie es derzeit ist. Ich beabsichtige die Verwaltung der Immobilien frühestens im Laufe des nächsten Jahres auf den Gutshof Sonneneck zu verlegen, aber ich will sie und ihre Familien mitnehmen.
Die Kosten für den Umzug werden selbstverständlich von der Firma übernommen und wir helfen ihnen bei der Wohnungssuche oder können ihnen eine Mietwohnung entweder aus dem Bestand der Stiftung oder des Gutshofes anbieten. Direkt auf dem Gutshofgelände entstehen bis zum Herbst nächstes Jahr weitere Wohnungen für Mitarbeiter und ihre Familien.“
Ich unterbrach meine Ausführungen und erwartete die Reaktionen der Mitarbeiter, die auch nicht ausblieben. Als erstes meldete sich Frau Maier, die erklärte, dass sie lieber heute als morgen umziehen würde. Bei ihr konnte ich die Reaktion verstehen, für sie fühlte sich das an wie ein Aufbruch in ein neues Leben.
Der nächste, der sich meldete, stellte sich als Benedikt Huber vor. Er erklärte, dass für ihn ein Umzug nicht in Frage kommen wird, er aber trotzdem weiterhin für uns arbeiten würde. Er wohnt nur knapp dreißig Kilometer vom Gutshof entfernt und für ihn wird der Arbeitsweg damit sogar kürzer, als wenn er jeden Tag nach München fahren muss.
Bisher eher positive Reaktionen auf den Umzug, ich stellte mich darauf ein, dass jetzt nur noch negative Äußerungen kommen würden.
Der nächste war einer der Junggesellen, Josef Brauner, der vor allen erklärte, dass er auch einer Minderheit angehört und auf keinen Fall die Firma wechseln will. Er wird auf alle Fälle mitkommen und umziehen.
Als nächster erklärte Bastian Krogk: „Ich glaube ich kann für den Rest sprechen. Wir haben bereits befürchtet, dass eine Kündigung oder eine Ortsveränderung für die Firma im Raum stehen wird, und haben uns ausgetauscht. Wir waren der Meinung, dass wir die Firma verlassen werden, wenn die Firma umziehen sollte. Nach dem heutigen Angebot, das uns von unserem möglichen neuen Chef gemacht wurde, denke ich, dass die meisten Kollegen und die Kollegin ihre Entscheidung revidieren und einem Umzug in Betracht ziehen könnten. Das Angebot klingt verlockend, wohnen und arbeiten am Gutshof. Die anderen nickten zustimmend und ein weiterer erklärte uns, dass seine Frau auch arbeiten würde und er hoffe, dass sie am neuen Wohnort ebenfalls schnell einen neuen Job findet.
Ich mischte mich wieder ein und erklärte: „Ich bitte alle, deren Partnerin oder Partner arbeitet sich bei uns zu melden und uns zu übermitteln in welche Richtung ein Job gesucht wird, vielleicht können wir direkt in unserem Unternehmen einen neuen Job anbieten. Wir haben einen Hofladen, ein Hof Café, ein Restaurant im Gutshaus, einen landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Betrieb, einen Gartenbaubetrieb und zwei weitere Unternehmen im Dienstleistungsbereich.
Dazu kommt noch ein Seminarhotel in zwei Kilometer Entfernung und im Gutshof das Gesindehaus als Schullandheim und Feriendomizil für Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Familien sowie als Seminarhotel für weniger gehobene Ansprüche.
Die beiden Dienstleistungs-Unternehmen sind in der Kreisstadt, alles andere direkt im Gutshof oder unmittelbarer Umgebung. Ich kann nur als bestes Beispiel unsere Sozialarbeiterin anführen, deren Mann in der Kreisstadt in unserem Unternehmen als Abteilungsleiter arbeitet. Sie wollte wieder zurück ins Arbeitsleben, aber eigentlich nur halbtags wegen ihren Söhnen. Da sie gleichzeitig auf der Suche nach einer größeren Wohnung waren, habe ich ihnen die Vier-Zimmer-Wohnungen im Dachgeschoß des Gesindehauses als Dienstwohnung angeboten.
Jetzt arbeitet sie ganztags und hat ihre beiden Söhne trotzdem in ihrer Nähe. Die Jungs tauchen schon einmal in den Büros auf, wie auch mein Enkel Kevin und meine Enkelin Katharina. Man findet die Kids aber auch in den Ställen oder mit unseren landwirtschaftlichen Mitarbeitern auf einem Traktor über die Felder rauschen. Ich denke, vor allem die Familien mit Kindern werden sich am Gutshof besonders wohlfühlen. Seit gestern steht außerdem fest, dass bis Herbst nächstes Jahres acht neue Häuser mit knapp achtzig Wohnungen gebaut werden. Zwei Häuser sind für Jugendliche reserviert, die nach einem Leben in Kinderheimen lernen auf eigenen Füßen zu stehen. Weitere zwei Häuser werden als Sozialwohnungen errichtet und die restlichen vier Häuser stehen für Mitarbeiter zur Verfügung oder können frei vermietet werden. Da die Häuser erst im nächsten Jahr fertiggestellt werden, würde bis zu diesem Zeitpunkt die Verwaltung definitiv in München bleiben.“
Zum Abschluss fragte ich alle, ob es noch Fragen geben würde und lud alle Mitarbeiter mit ihren Familien oder Partnern für das kommende Wochenende, von Freitagnachmittag bis zum Sonntagnachmittag auf den Gutshof ein.
Ich bat sie alle, Felix ihre Mailadresse zu geben, dann würden sie die Einladung spätestens morgen erhalten. Ich bitte darum uns kurz zurückzumailen wie viele Erwachsene kommen und wie viele Kinder sie mitbringen. Wir werden euch im Gesindehaus unterbringen, das Seminarhotel wird leider erst im August eröffnet.
Ich denke für euren Interims-Geschäftsführer sollte es kein Problem, euch ausnahmsweise schon am Freitagmittag nach Hause zu schicken. Bruno meinte, dass sei überhaupt kein Problem, da an den Freitagen am Nachmittag kaum ein Mitarbeiter in der Firma anzutreffen sei.
Bruno ging, nachdem wir die inoffizielle Mitarbeiterversammlung als beendet erklärten, mit uns kurz zurück in die Kanzlei und erklärte mir in seinem Büro: „Ich hatte einen riesigen Bammel vor dem ersten Aufeinandertreffen. Aber mit deiner Souveränität und deinem sicheren Auftreten sowie deinen Angeboten an die Mitarbeiter hast du sie schnell auf deine Seite ziehen können. Ich hatte bereits mitbekommen, dass sie sich vorab zusammengesetzt und abgesprochen hatten, als sie erfahren hatten, dass das gesamte Vermögen der Erblasserin in eine Stiftung eingebracht werden solle. Ich hatte mit erheblich mehr Widerstand gerechnet, als du sagtest, dass du die gesamte Firma im Laufe des nächsten Jahres auf den Gutshof umziehen würdest.“
Weiter erklärte er: „Ich hatte schon Erkundigungen über euch eingeholt, und dabei festgestellt, dass du innerhalb von nur einem halben Jahr vier Firmen in die Gutsverwaltung eingebunden hast und dabei die Belegschaft keine Schwierigkeiten mit der Integration hatte. Ich weiß nicht, wie du das machst. Ich habe schon zu oft erlebt, wie solche Versuche danebengegangen sind.“
Ich entgegnete ihm: „Du musst dich einfach nur in die Lage der Menschen versetzen und verstehen, was sie bewegt. Wenn du ihnen für ihre Sorgen und Probleme vernünftige Lösungen anbieten kannst hast du weitaus weniger Schwierigkeiten zu erwarten. Ich denke immer, wie würde ich in so einer Situation reagieren und was würde ich von meinem neuen Arbeitgeber erwarten, wenn er Veränderungen durchführen will. Das hilft mir, die richtigen Entscheidungen zu treffen und großen Kontroversen aus dem Weg zu gehen. Beim Gutshof selbst gehe ich ebenfalls andere Wege. Hier habe ich die jüngere Generation mit in die Führungsriege geholt, die mit frischem Wind und guten Ideen unser Projekt Erneuerung des Gutshofes vorantreiben.“
Bruno wollte noch wissen, warum ich die Mitarbeiter mit ihren Familien übers Wochenende auf den Gutshof einlade. Ganz einfach, meinte ich, wenn sie die Umgebung ihres neuen Arbeitsplatzes kennenlernen und das Umfeld stimmt, fällt es den meisten noch leichter einen Umzug ins Auge zu fassen. Außerdem werden sie einen Teil unserer Mitarbeiter kennenlernen, aus allen Bereichen des Gutshofes. Ich will ihnen die Arbeit der Stiftung näherbringen, damit sie wissen, wofür sie letzten Endes ihre Arbeit machen und welche Aufgaben sie erwarten.
Wir verabschiedeten uns und ich bestätigte, dass wir die Immobilien gerne in die Stiftung aufnehmen und alle derzeitigen Mitarbeiter weiter beschäftigen, sofern diese das wollen. Auf der Rückfahrt besprachen Gerhard und ich das weitere Vorgehen, nachdem er, wie schon Bruno, mein Verhandlungsgeschick bei den Mitarbeitern gelobt hatte.
Felix meldete sich und meinte: „Peter soll ich am Wochenende auch mit dabei sein? Zeit hätte ich. Ich habe dich und die Mitarbeiter bei der Versammlung beobachtet und mir ist aufgefallen, dass am Anfang eher eine Abneigung zu erkennen war, die im Laufe des Gespräches immer mehr gewichen ist. Als du sie am Ende für das Wochenende auf den Gutshof eingeladen hast, hat man richtig gemerkt, dass einige erleichtert waren. Wenn du mich gestern nicht darauf aufmerksam gemacht hättest besser zu beobachten, wäre mir das heute wahrscheinlich gar nicht aufgefallen.“
Ich erklärte ihm, dass er selbstverständlich am Wochenende beim Treffen mit den neuen Mitarbeitern dabei sein kann. Danach rief ich im Büro an und bat Petra für halb vier Uhr Nachmittag eine Konferenz mit folgenden Mitarbeitern vorbereiten. Ich brauche Ludwig und Benjamin, Philipp und Marcus, Michael und Marion, Klaus, Armin und Werner, Tim und Jonas, Sebastian und Alexandra, sowie Daniel und Manuel. Bernhard und Felix werden ebenfalls an dem Meeting teilnehmen. Nimm du einen der größeren Räume im Gesindehaus, im Besprechungszimmer wird es zu eng für ein Meeting mit so vielen Teilnehmern.
Zwanzig Minuten später standen wir auf dem Parkplatz vor dem Gutshaus und Gerhard verabschiedete sich von uns. Er sagte, bevor er in sein Auto stieg: „Plant mich und meine Frau für das Wochenende mit ein. Ich will die Gelegenheit nutzen, die neuen Mitarbeiter besser kennenzulernen, die für die Stiftung arbeiten. Auch wenn ich nur im Stiftungsrat sitze ist es wichtig über die Mitarbeiter Bescheid zu wissen.“
Ich wollte mit Felix gerade ins Gesindehaus gehen, als Klaus aus dem Gutshaus trat und uns rief. Wir blieben stehen und warteten bis er bei uns angekommen war. Er fragte mich, wieso die Besprechung im Gesindehaus stattfindet und nicht wie sonst immer im Besprechungszimmer.
Lass dich einfach überraschen, meinte ich zu ihm, ich habe mir schon etwas überlegt, warum es im Gesindehaus stattfinden wird. Zusammen waren wir am Gesindehaus angekommen und gingen ins Haus. Dort erwartete uns bereits Petra und erklärte uns, dass wir im Raum Buche untergebracht sind und alles vorbereitet sei. Die ersten sind bereits anwesend, die restlichen Teilnehmer werden sicher in den nächsten Minuten auftauchen.
Wir gingen in den Raum und ich begrüßte die Anwesenden, die alle noch standen, keiner hatte sich bisher gesetzt. Wieder wurde ich gefragt, warum wir für diese Besprechung ins Gesindehaus ausgewichen sind. Wieder erklärte ich nur, das hat schon seine Gründe. So langsam füllte sich der Raum und die letzten traten nach und nach ein.
Als alle vollzählig waren bat ich sie sich zu setzen. Nachdem etwas Ruhe eingekehrt war, erklärte ich: „Wie ihr seht, mussten wir heute vom üblichen Besprechungszimmer im Gutshaus auf einen größeren Raum ausweichen. Wir sind heute in einer erweiterten Runde und ihr werdet auch gleich erfahren warum.“
Ich beobachtete aufmerksam die Runde und sprach weiter: „Einige von euch wissen, dass wir heute Vormittag einen Termin mit einem Rechtsanwalt in München hatten. Es ging dabei um eine Erbschaft die der Stiftung zugutekommen soll. Ich kann euch gleich sagen, als der Rechtsanwalt uns erklärte, wie hoch die Summe ist, die durch die Erbschaft in die Stiftung eingebracht wird, war ich komplett überrascht und dachte zuerst, diese Erbschaft können wir nicht annehmen. Dazu fehlen uns die Mitarbeiter und in kurzer Zeit werden wir nicht so viele neue Leute akquirieren können.
Als uns der Anwalt erklärte, dass zum gesamten Immobilienbesitz auch eine eigene Verwaltungsgesellschaft für die Immobilienverwaltung gehört, atmete ich kurz auf. Ich fragte den Anwalt, ob wir eine Möglichkeit haben im Rahmen einer außerordentlichen Mitarbeiterversammlung mit den Angestellten mit ihnen über ihre Zukunft zu sprechen. Er meinte kein Problem und so haben wir uns mit den Mitarbeitern nach der Mittagspause getroffen und über die Übernahme gesprochen.“
Ich schaute zu Felix, doch der beobachtete nur die Anwesenden. So fuhr ich fort: „Felix und ich merkten sehr schnell, dass die neun Mitarbeiter nicht gerade begeistert waren, von der Übernahme der Erbschaft durch die Stiftung. Ich habe den Mitarbeitern versprochen, dass sich in den nächsten zwölf Monaten erst einmal nichts für sie ändern wird und alles so weiter laufen wird wie bisher. Erst danach wird die Verwaltung auf den Gutshof verlagert. Ich habe allen Mitarbeitern zugesagt, dass wir die Kosten für den Umzug übernehmen. Ein Mitarbeiter hat sofort abgelehnt, mit der Begründung, dass er keine dreißig Kilometer von hier zu Hause ist und für ihn dadurch der Weg zur Arbeit kürzer wäre als bisher. Eine weitere Mitarbeiterin erklärte, sie würde sogar sofort umziehen.
Für den Rest gab es einen Sprecher, der ganz offen meinte, dass sie sehr skeptisch wären, aber nachdem die Firma den Umzug zahlen würde und wir bei der Wohnungsbeschaffung behilflich sind, könnten sie sich vorstellen, doch weiter als Mitarbeiter zur Verfügung zu stehen. Wie viele wirklich bleiben und umziehen kann uns nur die Zukunft zeigen.“
Während meiner kurzen Pause meinte Philipp: „Das, was du uns bisher erklärt hast, hört sich sicher interessant an. Du hast noch immer nicht gesagt, wie groß die Erbschaft definitiv ist. Vor allem, warum soll die Integration erst im nächsten Jahr stattfinden und nicht sofort.“
Felix, der diesmal nicht nur alle beobachtete, antwortete ihm: „Der zweite Teil deiner Frage ist einfach zu beantworten. Im nächsten Jahr werden die neu gebauten Wohnungen im Gutshof fertig und die Mitarbeiter könnten mit ihren Familien direkt dort einziehen.
Deine erste Frage ist da etwas brisanter. Wenn ich das vormittags richtig verstanden habe, wird sich das Stiftungsvermögen fast vervierfachen, wir sprechen also von etwa zweihundertfünfzig bis dreihundert Millionen Euro.“
Die Zahlen, die Felix eben genannt hatte, zeigten dann doch einige überraschte Gesichter und ich konnte erkennen, dass einige von der Größenordnung doch etwas überwältigt waren.
Philipp meinte nur noch:,“Okay, zumindest die Antwort auf meine zweite Frage zeigt mir wieder, wie brillant mein Vater immer wieder knifflige Situationen löst.“
Ich erklärte weiter: „Was euch Felix noch nicht erzählt hat, erfahrt ihr jetzt von mir. Ich habe die Mitarbeiter mit ihren Familien für das kommende Wochenende, also von Freitagnachmittag bis Sonntagmittag auf den Gutshof eingeladen. Sie sollen am Freitag bis etwa sechzehn Uhr hier eintreffen und werden im Gesindehaus übernachten.
Für Freitagnachmittag ist nur noch ein kurzes Kennenlernen vorgesehen und ein gemeinsames Abendessen im Restaurant. Felix übernimmt es die Einladungen per Mail zu verschicken und kann euch dann sagen wie viele Personen kommen. Ein Teil der Mitarbeiter wird ebenfalls eingeladen, diese brauchen aber nicht im Gesindehaus übernachten. Meldet ihm zurück, ob und mit wie vielen Personen ihr teilnehmt und wann ihr dabei seid. Er ist die zentrale Anlauf- und Ansprechstelle bei uns. Samstags möchte ich den erwachsenen Gästen von der Arbeit der Stiftung berichten, ohne ihre Kinder. Ansonsten überlegt euch, was wir unseren Gästen bieten wollen. Felix wird mit mir in den nächsten Tagen den genauen Ablauf festlegen. Armin, ich weiß, dass das alles ein bisschen kurzfristig ist, aber du schaffst es sicher kurzfristig einen Bus für Samstagnachmittag zu organisieren. Ich will mit den Mitarbeitern zum neuen Seminarhotel fahren und eventuell anschließend eine kleine Stadtrundfahrt.“
Alexandra schaute mich an und fragte: „Wie ist das geplant mit dem Abendessen am Freitag und Samstag und wo frühstücken alle Gäste? Willst du Samstagmittag auch ein volles Essen oder eher nur ein Büfett?“
Ich antwortete ihr: „Freitagabend werden wir im Restaurant essen, wenn möglich ein Drei-Gänge-Menü, Frühstück gibt es hier im Gesindehaus, Samstagmittag gibt es die ganz normalen Mittagsmenüs, wie sie für die Mitarbeiter angeboten werden, ebenfalls im Gesindehaus.
Samstagabend könnten wir auch im Gesindehaus ein Büffet anbieten und am Sonntagmittag könnten wir noch einmal im Restaurant essen. Samstag und Sonntag vormittags während der Präsentation brauchen wir Kaffee und Erfrischungsgetränke. Ich will euch nicht länger von eurer Arbeit abhalten. Mir war nur wichtig, dass ich euch sofort informiere, denn es wird die Arbeit der Stiftung und des Gutshofes in der Zukunft erheblich beeinflussen. Dazu kommt auch meine Einladung an die neuen Mitarbeiter, die uns kurzfristig Lösungen abverlangt. Ich kenne euch lang genug und weiß. dass ihr immer zur Hochform aufläuft, wenn die Hindernisse am größten sind.“
Ich ging in mein Büro und ließ den heutigen Tag noch einmal Revue passieren, bis ich plötzlich beim Thema Erbschaft hängen blieb. Ich dachte da wieder an die Erbauseinandersetzungen mit meiner Schwester, die mich und meinen Bruder Dieter betrügen wollte. Inzwischen war bis auf des Strafverfahren wegen versuchten Betrugs alle anderen Verfahren vor den jeweiligen Gerichten abgeschlossen.
Die beiden Beleidigungsklagen wurden bereits im Januar abgeschlossen, nachdem Gerlinde Einspruch gegen die Bußgeldbescheide eingelegt hatte. Sie wurde in beiden Fällen zu einem Jahr auf Bewährung festgelegt. Da Gerlinde bei einer der Verhandlungen wieder einen Richter aufs Schwerste beleidigte, wurde die eine Strafe am Ende auf zwei Jahre mit Bewährung erhöht.
Martin hatte vor wenigen Tagen wieder einmal seinen Sohn Jonas auf dem Gutshof besucht und uns berichtet, dass das Scheidungsurteil inzwischen rechtskräftig sei und ihm Immobilien im Wert von knapp vier Millionen Euro zugesprochen wurden. Bei zähen Verhandlungen mit seinen Banken hatte diese nachgegeben und die aktuellen Werte als Grundlage akzeptiert, da diese Werte von unabhängigen Gutachtern ermittelt wurden.
Mit den Immobilien seiner drei Kinder, die diese als Sicherheit für ihren Vater mit einbrachten, hat er jetzt wieder einen Kreditrahmen, der ihm ein problemloses Arbeiten ermöglichte. Er erklärte mir, dass er in diesem Fall auf eine Ausfallbürgschaft von Dieter und mir sehr gut verzichten könne.
Ich meinte zu Martin: „Damit hast du wieder eine stabile Grundlage das Autohaus auf einer gesicherten Basis weiterzuführen und kannst, zumindest was diesen Teil angeht, schon in eine ruhige Zukunft blicken. Mich würde noch interessieren, wie der Sachstand bei der durch Gerlinde im Autohaus verbuchten privaten Belege und dem möglichen Vorwurf einer Steuerhinterziehung ist.“
„Da sah es lange Zeit nicht so gut aus. Erst durch die zwischenzeitlich abgeschlossenen Verfahren und des weiterhin laufenden Verfahrens gegen Gerlinde wegen ihrer betrügerischen Machenschaft sieht es etwas besser aus. Wir verhandeln gerade mit dem Finanzamt darüber, ob die Rückzahlung und Ausbuchung der Betriebsausgaben ausreichen, um das Verfahren wegen Steuerhinterziehung einzustellen. Positiv hat sich ebenfalls die außerordentliche Betriebsprüfung erwiesen, da alle Versuche der Steuerhinterziehung direkt durch Gerlinde veranlasst wurden.“
Inzwischen stand auch fest, dass der erste Verhandlungstag für das Verfahren wegen versuchten Betrugs Ende Juni stattfinden sollte. Wie lange das Verfahren dauern könne, sei noch nicht absehbar, da es teilweise zumindest abhängig davon sei, ob Gerlinde ihre Schuld eingestehe oder dass eben alle Zeugen und Gutachter in dem anstehenden Verfahren gehört werden müssen.
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