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Regenbogenfamilie
Teil 60 - Lagerleben
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Informationen
- Story: Regenbogenfamilie
- Autor: Sonntagskind55
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Coming Out
Endlich war es so weit! Eine Woche vor der Eröffnung unserer Zeltstadt war das große Aufbauwochenende angesagt. Bereits am frühen Samstagmorgen ging es richtig rund auf dem Gutshofgelände. Das technische Hilfswerk lieferte die ersten Container für unseren Sanitärstation. Die angelieferten Teile des Sanitär-Containers wurden mit Hilfe eines Kranes, den das THW mitbrachte, an die richtige Stelle gebracht und miteinander verbunden.
Gegen Mittag waren alle acht Teile angeliefert und an Ort und Stelle, nur die Anschlüsse mussten noch verlegt werden und die technische Inbetriebnahme stand noch aus. Auf der anderen Seite wurden die Schlafzelte für die Kinder und Jugendlichen durch die Mitarbeiter vom Roten Kreuz, sowie dem THW und ihren jungen Helfern aufgebaut.
Gegen dreizehn Uhr wurden alle Helfer ins große Zelt gebeten um sich zu stärken, damit sie am Nachmittag weiter aufbauen konnten. Sebastian stand selbst im Zelt und half bei der Essensausgabe. Gleichzeitig erkundigte er sich bei den Helfern, ob es ihnen schmeckt und wie sie mit den Wartezeiten zurechtgekommen sind.
Was ich so mitbekam, fanden viele die Wartezeiten nicht zu lange. In manchen Volksfestzelten wartet man viel länger auf sein Essen. Bei den Speisen, die er vorbereitet hatte, war es schon schwieriger. Doch auch hier gasb es viele positive Rückmeldungen für Sebastian. Vor allem die jüngere Generation fanden seine Gerichte eher für die Jugend geeignet, weniger für die ältere Generation.
Das war zumindest ein positives Echo, dass er mit seinem Essen voll den Geschmack der jüngeren Generation getroffen hatte. Ich fand es als eine überaus wichtige Erkenntnis, die mit dem Testessen für heute Mittag gewonnen wurde.
Am Nachmittag ging es mit dem Aufbau weiter. Während noch die letzten Schlafzelte aufgebaut wurden, konnten in den ersten Zelten bereits die Feldbetten aufgestellt werden. Der Sanitärcontainer ging ebenfalls seiner Fertigstellung entgegen, nachdem zuletzt noch die Stromversorgung sichergestellt war.
Gegen siebzehn Uhr meldeten die Mitarbeiter des Roten Kreuzes und des Technischen Hilfswerks, dass der Container betriebsbereit ist. Felix und Dennis ließen sich erklären, falls es zu Schwierigkeiten kommen sollte, wie sie verschiedene Probleme mit einfachen Mitteln beheben könnten.
Zuvor hatten wir alle Helfer noch zu Kaffee und Kuchen eingeladen, was sie sichtlich genosse. Eine kleine Pause zwischendurch. Der Jugendtrupp vom Roten Kreuz verabschiedete sich früher und ihr Gruppenleiter erklärte, dass sie morgen gegen zehn Uhr wieder hier wären und alles fertigstellen werden.
Gegen achtzehn Uhr war auf der Zeltlager-Baustelle wieder Ruhe eingekehrt und ich ging mit Thomas, Felix und Dennis den gesamten Platz ab, wobei Felix sich Notizen machte, wo seiner oder unserer Meinung nach noch nicht alles so war, wie es sein sollte.
Zu viert ging es anschließend ins Restaurant zu Sebastian und Alexandra, wo wir zum einen noch eine Kleinigkeit essen wollten und gleichzeitig unsere Lagebesprechung stattfinden sollte. Michael und Marion erwarteten uns bereits. Marion wurde von ihren beiden Jungs begleitet, die sofort davon schwärmten, dass sie in den Ferien auch in einem Zelt schlafen wollten.
Marion unterbrach sie und meinte: „Das klären wir wenn die Ferien Ende Juli beginnen, bis dahin läuft für euch Zwei alles wie gehabt.“ Sie ergänzte noch, dass sie ihre meine Jungs heute den ganzen Tag nur auf der Baustelle angetroffen habe, wobei sie bei den Kids vom Roten Kreuz mitgeholfen hätten.
„Als sie gehört haben, dass die Mannschaft morgen Vormitttag weiterarbeitet, haben sie so lange genervt, bis wir unsere Zustimmung gegeben haben, dass sie morgen wieder mithelfen dürfen, wenn für die Schule alles erledigt sei.“
Michael lachte und meinte zu Marion.,““Wenn er noch etwas jünger wäre, würde er wahrscheinlich auch den ganzen Tag nur noch auf dem Zeltplatz sein.“ Ich fragte Sebastian, wie er das Testessen heute Mittag bewerteten würde. Er meinte, genau diese Erfahrungen heute Mittag seien für ihn eine wichtige Erkenntnis gewesen, da er versucht habe, das Essen auf die künftige Zielgruppe auszurichten.
Bei einigen Erwachsenen habe er heraushören können, dass sie sich nicht so richtig mit dem Angebot hätten anfreunden könne. Aber mit dem guten Geschmack des Angebots durchaus zufrieden waren. Inzwischen war Toni an den Tisch gekommen und fragte, ob er sich zu uns setzen dürfe.
Ich fragte ihn, ob er mit seinen eigenen Leistungen zufrieden sei und ob er immer noch mit von der Partie sei, nachdem er heute bereits einen Vorgeschmack auf den Stress der nächsten Wochen bekommen habe.
Er grinst und antwortete: „Den einzigen Stress, den er heute hatte, waren eher die Erwachsenen, die mit der von Sebastian kreierten Auswahl an Gerichten so ihre Probleme hatten. Er habe sich schon gewundert, warum Sebastian so gekocht habe, dass es vor allem die jüngere Generation begeistern konnte.“
Sebastian erwidert ihm: „Das war genau meine Absicht, ich wollte sehen, wie die angesprochene Zielgruppe reagiert. Zum anderen war ich gespannt, wie gehen die Erwachsenen damit um, wenn sie nur diese Auswahl haben. Was mich gewundert hat, wir haben dieselben Gerichte im Restaurant angeboten und zusätzlich ein Mittagsmenü für die Erwachsenen. Hier im Restaurant war das Echo positiver als im Zelt, vor allem unsere Stammgäste für das Mittagsmenü haben überwiegend die neuen Gerichte bevorzugt.“
Michael meinte: „Gibt es noch mehr zu besprechen oder wollen wir nur noch über das Essen reden. Ich bin der Meinung unsere Helfer vom Roten Kreuz und vom Technischen Hilfswerk haben heute einen hervorragenden Job gemacht. Die sanitären Einrichtungen, also der Container, ist für mich der Inbegriff von absolutem Luxus, den wir im Zeltlager anbieten.
Wenn ich das richtig verstanden habe, war der Container ursprünglich gedacht für ein Flüchtlingslager, kam dort aber nie richtig zum Einsatz. Vor allem die Zusammenarbeit zwischen den beiden Organisationen hat hervorragend funktioniert.“
Thomas steuerte bei: Ich finde auch, dass der Container eine gelungene Bereicherung für die Zeltstadt ist. Marion erzählte, dass Barbara für morgen, voraussichtlich am Nachmittag, einen Besuch in der Zeltstadt eingeplant hatte. Sie will sehen, wie alles aussieht und ob wir noch weitere Hilfe bei den Vorbereitungen benötigen. Ich denke sie wird überrascht sein, wie weit alles fortgeschritten ist und dass nächstes Wochenende die Besucher kommen können.“
Nach dem Abendessen löste sich die Runde schnell auf. Felix, Thomas und ich wollten nach oben in die Wohnung gehen, als Dennis fragte, ob er noch mit uns kommen könne, er würde gerne mit Felix und uns noch etwas besprechen.
Er begleitete uns nach oben und wir setzten uns ins Wohnzimmer. Dennis erklärte, dass er mit uns über seine Aufgaben im österreichischen Hotel sprechen möchte. Ich fragte: „Traust du dir die Aufgabe nicht zu? Dann solltest du uns das ehrlich sagen. Keiner wird dir böse sein oder dich deswegen schief anschauen.“
Er entgnete:“ Nein, das ist es nicht, ich traue mir das schon zu, nur bin ich mir nicht sicher, ob ich wirklich alles weiß. Felix meinte, wenn irgendetwas unklar sein sollte, du hast doch ein Smartphone, du darfst mich oder Peter jederzeit anrufen, wenn es dringend ist, sogar mitten in der Nacht. Ansonsten kannst du eine Nachricht schicken und Peter oder ich antworten dir. Ich weiß auch nicht immer alles und frage dann bei Peter nach. Wenn er sich selbst nicht hundert Prozent sicher ist, wird er dich zu dem Kollegen schicken, der die Frage von Berufs wegen wissen muss. Wie meinte Peter einmal, du musst nicht alles wissen, du solltest nur wissen wer dir weiterhelfen kann. Ich habe noch eine Überraschung für dich, du wirst nach einer Woche mit der Truppe zurückkommen und die zweite Woche wechselt eine andere Gruppe nach Österreich, die dann von Toni begleitet wird.“
Ich blickte zu Felix und wollte wissen, was er da hinter meinem Rücken wieder für ein Arrangement getroffen habe. Er blickte mich treuherzig an und erklärte uns: „Keine Angst, die Idee stammt nicht von mir. Barbara hat da etwas gedreht und mit einer anderen Gruppe das vereinbart. Ich habe mich nur darum gekümmert, dass Toni mit der Gruppe nach Österreich reisen und ebenfalls im Hotel Erfahrungen sammeln kann. Wir, das sind Toni und ich, haben das mit seinen Eltern abgeklärt, genauso wie du es im Vorfeld mit Dennis Eltern besprochen hast.“
Ausnahmsweise war ich sogar einmal sprachlos, er hatte an alles gedacht, was zu berücksichtigen war und das machte mich sogar stolz. Thomas schaute mich an und sagte zu mir: „Ich erlebe heute eine Premiere, ich erlebe dich zum ersten Mal sprachlos. Den Tag muss ich in meinem Kalender rot anstreichen.“
Dennis bat darum über Nacht bei Felix bleiben zu dürfen, ich schaute zu Thomas und konnte es nicht bleiben lassen: „Jungs, ihr seid zwar alt genug, aber wenn ihr versprecht keine Dummheiten zu machen, sehe ich kein Problem darin, wenn du bei Felix übernachtest. Aber was machen wir jetzt mit dem angebrochenen Abend?“ warf ich in die Runde.
Felix meinte, wie wäre es mit einem legendären Spieleabend, den er bereits einmal erleben durfte. Aber dazu sollten wir noch Philipp und Marcus einladen. Thomas rief bei den Jungs an und sie meinten, sie würden in zehn Minuten hier sein.
Am Ende unseres Spieleabends, es war immerhin weit nach Mitternacht, meinte Dennis: „So einen lustigen Spieleabend habe ich noch nie erlebt, normalerweise versucht man immer der Beste zu sein, aber bei euch ging es nur darum, dass es Spaß machen muss. Jetzt verstehe ich auch, was Felix mit „legendär“ gemeint hat. Ich lade mich gerne wieder bei euch zu einem Spieleabend ein, wenn ihr mich dabeihaben wollt.“ Felix meinte: „Nach dem Zeltlager werden die Jungs im Gesindehaus auch einen Spieleabend veranstalten und dazu sind wir eingeladen.“
Am nächsten Tag legten die Helfer vom Roten Kreuz fast pünktlich los und bauten weiter die Zeltstadt auf. Zuvor hatten Thomas und ich mit den beiden Jungs ordentlich gefrühstückt, und kurz vor zehn Uhr waren die Beiden dann zum Zeltplatz gegangen. Thomas und ich räumten zuerst unsere Wohnung auf und schauten erst gegen halb eins, wie es den Helfern auf der Camp-Baustelle ergeht.
Barbara kam fast zeitgleich mit uns an. Sie wurde begleitet von ihren beiden Kindern. Als die Zwei unsere Rasselbande, bestehend aus Kevin und Katharina sowie Raphael und Stefan, entdeckten, gab es kein Halten mehr. Sie liefen zu den Gutshofkindern und gemeinsam bestanden sie darauf, bei den Vorbereitungen mitzuhelfen. In den ersten Zelten wurde auf den aufgestellten Feldbetten bereits kleine Kopfkissen und Decken abgelegt.
Felix und Dennis kamen zu uns, nachdem sie mitbekommen hatten, dass Barbara eingetroffen ist. Sie begrüßte die Beiden und sagte zu Felix: „Können wir noch weitere Tauschgeschäfte machen mit dem Hotel in Österreich?“ Felix schaute sie verzweifelt an und meinte: „Barbara, es reicht langsam, oder hast du erneut eine Zusage gefunden, die ihr nicht eingetragen habt und wir dürfen noch einmal die Kohlen für euch aus dem Feuer holen.“
Barbara lachte: „Keine Sorge Felix, das gehört nicht in die Kategorie Vergesslichkeit, zumindest nicht was unsere Seite betrifft. Wir haben am Freitag noch Anfragen bekommen, von drei nordbayrischen Jugendämtern, die ihrerseits den Anmeldetermin verschlafen haben und jetzt wissen wollten, ob sie noch eine Chance haben, einige ihrer Schützlinge im Ferienprogramm unterzubringen. Ich habe ihnen bereits erklärt, dass wir am Gutshof kaum noch die Gelegenheit haben, weitere Kinder und Jugendliche unterzubringen. Ich habe mit ihnen vereinbart, dass ich das erst am Wochenende mit euch abkläre und ihnen spätestens am Montag mitteile, wie die Sache aussieht.“
Ich verkündete meine Meinung dazu: „Barbara, du weißt, dass wir hier bereits an die Grenzen unserer Kapazitäten stoßen und Plätze im Hotel kann ich dir nicht zusagen, da noch nicht endgültig geklärt ist, wann wir mit den Umbauarbeiten beginnen. Für die ersten beiden Wochen ist das noch einfach gewesen, da wird sicher noch nicht umgebaut, alles andere ergibt sich erst in den nächsten zwei bis drei Wochen.“
Felix meinte: „Barbara, du hast mich schon genug in Schwierigkeiten gebracht, als du mit deinem Vorschlag an mich herangetreten bist, nach einer Woche einen fliegenden Wechsel im österreichischen Hotel durchzuführen und eine andere Gruppe die zweite Woche im Hotel unterzubringen. Peter war nicht gerade begeistert von deinem Plan, dem ich ohne sein Wissen zugestimmt habe. Ich war diese Woche dabei, als wir das Hotel in Österreich besichtigt haben und der Umbau dort ist dringend notwendig. Je früher wir dort beginnen können, umso größer sind unsere Chancen vor Weihnachten fertig zu sein. Die einzige Möglichkeit, die ich derzeit noch sehe, wäre eine Unterbringung in der Zeltstadt, mit zusätzlichen Zelten oder wir teilen die Nachzügler auf die vorhandenen Zelte auf, da nicht alle Zelte immer vollständig belegt sind. Wir haben pro Zelt zehn Schlafplätze und manche Gruppen bestehen aus weniger oder mehr als zehn Personen, so dass in einigen Zelten noch freie Feldbetten vorhanden sind. Normalerweise wollten wir die Gruppen nicht aufteilen, in deinem Fall würde ich, nach Absprache mit Peter, davon abweichen. Was aber auch bedeuten würde, dass einige unter Umständen nach der einer Woche in ein anderes Zelt umziehen müssten. Wenn das für euch so vertretbar erscheint können wir darüber abstimmen.“
Ich hatte durch Nicken bereits Felix Vorschlag zugestimmt und so erklärte Barbara: „Ich könnte das allein so entscheiden. Doch sicherheitshalber würde ich gerne mit meinen Kollegen Rücksprache halten, bevor wir uns in die Planung stürzen. Ich werde kurz mit ihnen telefonieren und anschließend wissen wir, woran wir sind.“
Während Barbara telefonierte, schickte Felix Dennis in sein Büro, um sein Notebook zu holen, damit sie anhand der Belegungspläne prüfen konnten, wie viele freie Betten in den Zelten zur Verfügung stehen. Wir gingen ins große Aufenthaltszelt, wo Sebastian mit seiner Crew bereits das Mittagessen für die Helfer vorbereitete.
Hans Sturm trat zu uns heran und bat um ein kurzes Gespräch mit Felix und mir. Er erklärte uns, dass ihm heute aufgefallen sei, dass es bisher keine gesetzlich vorgeschriebene Erste-Hilfe-Station auf dem Zeltgelände gäbe, er aber anbieten würde uns diese kurzfristig zur Verfügung zu stellen. Ich schaute ihn an und erwiderte: „Nach Rücksprache mit dem Landratsamt wissen wir, dass sie in unserem Fall nicht gesetzlich notwendig ist, aber empfohlen wird. Wir wollten im Gesindehaus einen Raum für diesen Zweck herrichten. Unser Problem sei nicht diese Einrichtung, wir hätten eher die Schwierigkeit, diese mit entsprechendem Personal auszustatten.“ Hans meinte, Gerhard kommt gegen vierzehn Uhr und wir setzen uns gemeinsam an einen Tisch und klären, wie wir das lösen können.
Inzwischen war Dennis mit Felix Notebook zurück und Barbara hatte ihre Telefonate beendet. Gemeinsam setzten wir uns an einen der Tische, um die Unterbringung zu prüfen, nachdem Barbara gesagt hatte, dass die Verteilung kein Hindernis sei. Felix ließ sich von Barbara die Größen der Gruppen und die Länge des Zeitraums geben, die noch einzuplanen sind.
Er prüfte die letzten fünf Wochen der Ferien und meinte zu Barbara: „Die kleine Gruppe mit sieben Leuten unterzubringen ist das geringste Problem, mit deinen beiden größeren Gruppen wird das etwas schwieriger.
Wenn wir die Gruppe mit den zehn Teilnehmern in den Kalenderwochen zweiunddreißig und dreiunddreißig unterbringen, verbleiben die restlichen drei Wochen für die beiden anderen Gruppen. In der Woche vierunddreißig haben wir zehn und in der fünfunddreißig fünfzehn Plätze frei, eine der beiden Gruppe könnte in der vierunddreißig und die andere eine Woche später anreisen. In der letzten Woche gibt es kein Problem, egal welche der beiden Gruppen noch bleibt.
Da die Unterbringung geklärt war, konnten wir uns jetzt der Erste-Hilfe-Station zuwenden, die Hans und Gerhard mit uns klären wollten. Toni kam an den Tisch und meinte, wir könnten jetzt zu Mittag essen, bevor alles wieder kalt wird, die Helfer werden auch gleich hier sein.
Wir gingen zur Theke und Sebastian hatte wieder zwei Gerichte vorbereitet, ich entschied mich für den Camp-Burger, extra für unser Zeltlager kreiert, auf einem Salatbett angerichtet. Felix bestellte sich ebenfalls den Burger. Barbara, die hinter uns stand, meinte, wenn meine Jungs kommen, bin ich gespannt, ob sie sich für diesen Burger erwärmen können oder eher zur Alternative greifen. Ihr habt mich neugierig gemacht, ich probiere auch den Lager-Burger.“
Mit den Helfern kamen auch alle Kinder und Jugendlichen mit ins Zelt und stellten sich an den Tresen. Barbara beobachtet ihre Jungs und als sie feststellte, dass sie sich doch für den Burger entschieden haben, meinte sie zu uns, das hätte sie jetzt nicht gedacht, dass ihre Jungs zum Burger greifen. Sie war fest überzeugt, sie würden den Burger verschmähen.
Während die Helfer wieder nach draußen gingen, setzten sich Hans und Gerhard zu uns an den Tisch. Hans griff wieder das Thema Erste-Hilfe-Station auf und meinte, er hat sich bereits mit Gerhard abgesprochen und sie würden gerne ein Zelt aufstellen, in dem Erste Hilfe geleistet werden kann.
Die beiden Ortsverbände würden sich, täglich wechselnd, die Aufgabe teilen und immer einen Kollegen abstellen, der tagsüber da sein wird für alle kleinen Verletzungen. Er kann bei größeren Verletzungen sofort einen Krankenwagen rufen oder einen Arzt anfordern. Wenn Gruppen vom Jugendrotkreuz am Zeltplatz sind, können die Betreuer der Gruppen ebenfalls zeitweise im Zelt die Betreuung übernehmen.
Bevor ich jetzt lange darüber nachdenke oder noch eine Ewigkeit mit den Beiden diskutiere, sollen sie ihr Erste-Hilfe-Zelt aufstellen und das sagte ich ihnen auch so. Dennis fragt nach, wo sie denn ihr Zelt dafür aufstellen wollten, seiner Meinung nach ist der gesamte Platz inzwischen gut ausgenutzt.
Gerhard erklärte ihm, es gibt zwei Möglichkeiten, wo wir das Zelt noch unterbringen können, da wäre zum einen ein Platz in der Nähe des Aufenthaltszeltes oder besser wäre direkt bei den Schlafzelten. Dafür müssten in der ersten Reihe zwei Schlafzelte abgebaut und zu dem alleinstehenden ganz hinten verlegt werden, dann kann dort das Erste-Hilfe-Zelt errichtet werden. Wir beschlossen es vorne aufzustellen und die beiden Schlafzelte nach hinten zu verlegen.
Gerhard und Hans gingen nach draußen, um ihren Leuten die Planänderung zu erklären und die beiden besagten Zelte wieder abzubauen und nach hinten zu verlegen. Sie sollten das extra mitgebrachte Zelt für die Erste Hilfe an dem dann freien Platz aufstellen.
Sebastian kam zu uns, setzte sich zu uns an den Tisch und wollte von Barbara wissen, wie sie mit den angebotenen Speisen zufrieden war. Barbara ließ sich nicht lange bitten und erläuterte ihm: „Ich habe deine Burger bewundert und war der festen Überzeugung, dass meine beiden Jungs deine gesunde Variante des Burgers nicht wählen würden. Ich war überrascht als ich sah, dass sie trotzdem zu deiner Burger Variante gegriffen haben und wenn mich nicht alles täuscht, hat ihnen der Burger sogar geschmeckt. Ich selbst hatte mich ebenfalls für den Burger interessiert, weil ich wissen wollte, wie eine gesündere Variante des ansonsten so ungesunden Essens schmeckt. Selbst ich war überrascht von dem guten Geschmack. Was ich nicht so richtig verstanden habe, warum man deinen Burger nicht einfach in die Hand nimmt, sondern mit Messer und Gabel isst.“
Sebastian versuchte ihr etwas über die Ursprünge des Burgers zu erzählen und dass dieser eigentlich immer als Variante mit Messer und Gabel serviert wurde. „Das Hamburger Steak, aus reinem Rindfleisch, so wie es früher genannt wurde, ist eigentlich eine Hamburger Erfindung, die in ihrer ursprünglichen Heimat heute als Frikadelle verkauft wird. Sie wurde damals bereits in einem Brötchen angeboten. Diese Variante wurde von den Auswanderern in die USA mitgenommen und anfangs des zwanzigsten Jahrhunderts zum heutigen Hamburger umfunktioniert. Sie wurde als Fast Food mit Zwiebeln, Ketchup und einigen Salatblättern garniert, damit die Menschen ihr Essen nicht mehr nur in einem Restaurant, sondern auch unterwegs essen konnten. Die von mir angebotene Variante ist eine Rückkehr zum ursprünglichen Hamburger Steak auf den Teller, jedoch mit dem typischen Brötchen so wie es heute die meisten kennen. Wer hat das andere Gericht probiert und wie hat es geschmeckt?“ wollte Sebastian noch wissen.
Dennis meinte: „Ich habe auf Empfehlung meines Freundes Toni dein zweites Gericht, das Hähnchengeschnetzelte in Curryrahmsoße mit Gemüsereis und kleinem Salatteller, genommen. Mir hat es hervorragend geschmeckt und ich kann es allen empfehlen, es selbst einmal zu probieren.“
Sebastian lachte und erklärte uns, dass er dieses Essen bereits mehrfach im Sortiment hatte in der Kantine und auch als verbilligtes Mittagsmenü im Restaurant. „Peter hat es sicher schon das eine oder andere Mal probiert. Ich hatte schon damit gerechnet, dass heute der Burger der große Renner sein wird, ihn gab es heute zum ersten Mal und bei den vielen jungen Helfern hätte ich mich gewundert, wenn es anders gewesen wäre.“
Von der letzten Woche vor der Eröffnung er Zeltstadt gibt es nicht viel zu berichten. Für Felix und Dennis war es die Ruhe vor dem Sturm, ich selbst konzentrierte mich in dieser Woche auf meinen Besuch und die Besucher des Hotels in Österreich und die Gespräche mit unseren Architekten wegen der Umbauten im Hotel.
Immerhin stand inzwischen fest, dass wir spätestens Mitte August mit den Umbauten beginnen würden und einer geplanten Fertigstellung noch vor Weihnachten nichts im Wege steht, wenn nicht unerwartete technische Schwierigkeiten auftauchen sollten. Der Samstag rückte immer näher und damit unsere ersten Gäste in der Zeltstadt.
Mir fiel auf, dass Felix immer nervöser wurde und alle anderen mit seinem auffälligen Verhalten ansteckte. Am Freitag spätnachmittags konnte ich mir das nicht mehr mitansehen und schnappte mir Felix und erklärte ihm, dass ich mich heute Abend mit ihm und Dennis zusammensetzen will und wir ein ernstes Gespräch führen müssten.
Er schaute mich an und meinte: „Muss das sein? Ich bin nur noch ein Nervenbündel und da willst du mit mir reden und mir womöglich erklären, dass ich für diesen Job ungeeignet bin?“ Ich ließ ihn einfach stehen und meinte nur noch, wir klären das später.
Nach unserem gemeinsamen Abendessen setzten wir uns zusammen ins Wohnzimmer und Thomas, der ebenfalls alles mitbekommen hatte, sagte zu den beiden Jungs: „Wenn ich euch beide in den letzten Tagen betrachte, seid ihr alles andere als ein Pärchen. Ihr schnauzt euch gegenseitig bei jeder Kleinigkeit an. So kann das einfach nicht mehr weitergehen. Die anderen Jungs im Büro glauben schon, dass bei euch Beiden bereits die erste große Krise ausgebrochen ist. Nur ich bin der Meinung, dass da etwas ganz anderes dahintersteckt. Wollt ihr nicht mit uns darüber reden? Kann es sein, dass Peters Vermutung, ihr fühlt euch im Moment etwas von euren Aufgaben überfordert, eher zutrifft?“
Die beiden, Dennis und Felix schauten sich lange und intensiv an, bevor Dennis antwortete: „Mein Schatz steckt in einer Krise. Er glaubt, dass er nicht gut genug ist, seine Aufgaben zu einhundert Prozent zu erfüllen. Ständig zweifelt er an seinen eigenen Entscheidungen und wenn ich zu ihm sage, er soll sich nicht so anstellen, es ist doch alles bisher richtig gewesen, wofür er sich entschieden hat, dann erklärt er mir nur, ich würde das überhaupt nicht beurteilen können. Ich finde, er hat bisher einen sehr guten Job gemacht und bei seinen Entscheidungen, kann ich beim besten Willen nichts erkennen, was da falsch gewesen sein könne.“
Während Dennis dies erklärte, hatte ich Felix genau beobachtet und so fragte ich ihn direkt: „Ist es so wie Dennis es uns geschildert hat, dass du verunsichert bist, ob alle Entscheidungen und Vorschläge, die von dir kommen, zweifelsfrei richtig sind?“
Felix nickt nur zustimmend mit seinem Kopf und so versuchte ich ihm zu erklären, dass ich gelegentlich ebenfalls Zweifel an meinen Entscheidungen habe: „Felix, du wirst doch nicht wirklich annehmen, dass ich nicht auch gelegentlich unsicher bin, ob alle Entscheidungen, die ich treffe, die Richtigen sind. Ich habe mir inzwischen angewöhnt, nicht lang darüber nachzudenken, wenn sie wirklich falsch sind, kann ich sie immer noch ändern, wenn es die Situation erfordert. Fehler sind dazu da, aus ihnen zu lernen und beim nächsten Mal eine bessere Lösung zu finden. Glaube mir, selbst mir unterlaufen gelegentlich Fehleinschätzungen, die nicht so ohne weiteres korrigiert werden können. Es gibt im Leben nicht immer nur richtige oder falsche Entscheidungen.“
Thomas ergänzte zu meinen Erklärungen: „Peter war schon immer mein Chef, seit ich in der Firma angefangen habe in der er als Prokurist arbeitete. Ich hatte zusätzlich das Problem, dass ich von Anfang an in Peter verknallt war, und, um keine Fehler zu machen, ich ständig Peter nach seiner Einschätzung gefragt habe.
Kannst du dir vorstellen, wie er mir gelernt hat, selbst Entscheidungen zu treffen? Er hat mich jedes Mal gefragt, welche Entscheidung ich treffen würde und danach zu neunundneunzig Prozent gesagt, so würde er selbst entscheiden. Selbst dann, wenn mein Vorschlag nicht die optimale Lösung war, nahm er ihn an.“
Dennis fragte nach: „Was ist geschehen, wenn dein Vorschlag einmal nicht so optimal war und hinterher Schwierigkeiten aufgetreten sind? Wurde dir dann die Schuld für die Fehleinschätzung in die Schuhe geschoben oder hat sich Peter dir gegenüber loyal verhalten?“
Thomas grinste die beiden Jungs an und erzählte: „Ihr werdet bei Peter nie erleben, dass ihr die Schuldigen seid, er ist vielmehr in solchen Situationen derjenige, der davon ausgeht, dass er einen Fehler gemacht hat und wird immer versuchen mit euch eine bessere Lösung zu finden. Wobei, wenn er bemerkt, dass da etwas nicht so nach Plan verläuft, er normalerweise frühzeitig eingreift und Plananpassungen vornimmt. Für alle von uns ist die Zeltstadt absolutes Neuland und keiner weiß wirklich ob alle Entscheidungen, die getroffen wurden, einer Belastungsprobe standhalten. Wichtig ist, dass ihr versucht, Fehler rechtzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren.“
Ich schaute Felix an und sprach zu ihm: „Mehr als das, was Thomas erklärt hat, kann ich auch nicht dazu sagen und etwas anderes hätte ich dir bei unserem angekündigten Gespräch auch nicht erklärt. Ich habe doch bemerkt, dass du in den letzten Tagen von Selbstzweifeln geplagt wurdest. Da du nicht von dir aus auf mich zugegangen bist, musste ich den ersten Schritt machen und dich zu einem klärenden Gespräch zwingen. Das Thomas mir diese Arbeit abgenommen hat, zeigt mir, dass er ein ebenso aufmerksamer Beobachter ist und seine Aufgabe als Geschäftsführer ernst nimmt, da ihm scheinbar auch aufgefallen ist, dass du dich verändert hast. Für die Zukunft merke dir, wenn du mit einer Situation nicht allein klarkommst, suche dir jemanden, mit dem du deine Probleme besprechen kannst. Dennis hat doch versucht dich zu unterstützen, du hast nur ablehnend reagiert.“
Felix, der bis jetzt nur geschwiegen hatte, meinte kleinlaut: „Okay, ich habe einen Fehler gemacht. Zuallererst muss ich mich wohl bei Dennis entschuldigen, dass ich ihn so abweisend behandelt habe. Auch dich Peter muss ich um Verzeihung bitten, dass ich nicht den Mut gefunden habe, mit dir über meine Probleme zu reden. Eines habe ich jedoch daraus gelernt, als aufmerksamer Beobachter bemerkt man, wenn ein Kollege oder Mitarbeiter in Schwierigkeiten steckt. Ich verspreche euch, zukünftig werde ich mit einem von euch sprechen, wenn ich wieder einmal in eine Krise schlittere.“
Thomas erklärte damit die Diskussion zu diesem Thema als beendet und wollte nur noch wissen, was der Auslöser für Felix Krise gewesen ist. Eigentlich nur Kleinigkeiten, meinte er und wahrscheinlich seine eigene Angst davor, er könne etwas falsch machen.
Ich wechselte das Thema und fragte Felix, welche Gruppen morgen anreisen und wie es organisatorisch abläuft für diejenigen, die nach Österreich ins Hotel weiterfahren. Felix erläuterte uns: „Nach Plan dürfte die Gruppe aus Hessen zwischen elf und zwölf Uhr ankommen, sofern sie pünktlich losfahren und auf der Strecke keine größeren Stauungen sind. Sie bleiben bis etwa halb zwei Uhr hier, erhalten hier ihr Mittagessen und fahren anschließend mit einem von uns gecharterten Bus weiter nach Österreich, wo sie spätestens gegen sechzehn Uhr eintreffen werden. Wie geplant werden sie von Dennis begleitet, der am kommenden Samstag am Nachmittag wieder mit den Kindern zurückkommt.
Die zweite Gruppe aus Hessen sitzt im gleichen Bus, sie bleiben die erste Woche hier und fahren nächsten Samstag Vormittag zusammen mit Toni nach Österreich. In vierzehn Tagen wird die zweite Gruppe in Österreich abgeholt und zurück ins Zeltlager gebracht, wo sie nach dem Mittagessen wieder gemeinsam die Heimreise antreten.
Morgen reisen vor allem die Gruppen aus Hessen und Thüringen an. Fünf Gruppen mit rund achtzig Personen sind von den Jugendämtern, ansonsten kommen noch zwei Gruppen vom Technischen Hilfswerk, sowie eine Gruppe vom Roten Kreuz aus Thüringen und eine größere Gruppe vom Jugendrotkreuz aus Hessen.
Am Sonntag kommt die Gruppe schwuler und lesbischer Jugendlicher aus Hessen, die sogar knapp drei Wochen hierbleiben wollen und eine Gruppe Pfadfinder, die nur eine Woche hierbleiben. Mit allen ist vereinbart, dass sie jeweils am späten Vormittag eintreffen und ab Mittag versorgt werden.
Für Sebastian wird es vor allem an den Samstagen kritisch, durch die Wechsel von den Jugendämtern, wenn die neuen Kinder vormittags anreisen und die Kinder, die bisher im Zeltlager waren, spätestes am Nachmittag abreisen. Einige Gruppen werden bereits am Vormittag abreisen, bevor mittags die Neuen ankommen.
Ab der zweiten Woche sind wir voll ausgebucht bis Anfang September. Falls du wissen willst, wie es bei den Helfern aussieht, kann ich dich beruhigen, inzwischen haben wir mehr freiwillige Helfer als wir benötigen.“
Ich meinte zu Felix: „Wir sollten darauf achten, dass die Busse nicht die Zufahrt zum Restaurant verstellen, nicht das wir Ärger mit Sebastians Kundschaft bekommen und die Parkplätze am Hofladen und Café sind ebenfalls Tabu für die Anreisenden. Wer von den Helfern könnte diese Aufgabe für morgen übernehmen, damit kein Chaos auf der Zufahrtsstraße entsteht.“
Felix erklärte dazu: „Die Aufgabe übertrage ich einem Helfer, der uns an allen Wochenenden zur Verfügung steht, das ist am einfachsten, erklärte uns Felix. Wir haben bisher nur davon gesprochen Dennis mit nach Österreich zu schicken, ich habe noch eine freiwillige Helferin, die gern die ganzen zwei Wochen mitfahren will und die Betreuer vom Jugendamt unterstützen könnte.
Ich habe ihr versprochen, sie heute am späten Abend zu informieren, wenn eine Entscheidung gefallen ist. Das war eine der Aufgaben, wo ich mich bisher zu keiner Entscheidung durchringen konnte und auch keinen Plan hatte, wie ich sie lösen soll. Wie ich von Thomas vorher gelernt habe, muss ich eine Entscheidung treffen, der du automatisch die Zustimmung erteilst, sofern du sie nicht als völlig abwegig betrachtest.“
Bevor Felix uns seine Entscheidung mitteilen wollte, sagte ich: „Dann ruf sie schon an und gib ihr die Zusage, dass sie mit den Kindern die beiden Wochen nach Österreich fährt. Aber nur unter der Voraussetzung, dass sie bisher nicht vorbestraft ist und kein Auge auf Dennis geworfen hat.“
Dennis lacht und meinte zu Felix: „Keine Sorge, ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen. Wenn sie mir zu nahekommen sollte, werde ich ihr einfach erklären, dass bei ihr unten etwas zu wenig und oben herum reichlich zu viel sei, um in mein Beuteschema zu passen und ich außerdem bereits in festen Händen bin. Im Übrigen hat sie uns beide bereits beim Küssen beobachtet. Ich denke, dass von ihr keine Gefahr für mich ausgeht.“
Während Felix mit Beate telefonierte und ihr grünes Licht für zwei Wochen Österreich gab, ging Dennis ins Gesindehaus, um seine Sachen für den einwöchigen Aufenthalt im Hotel in Österreich zu packen. Er kam anschließend zurück, um bei Felix zu übernachten, bevor er morgen für eine Woche nach Österreich verschwindet.
Thomas meinte zu Dennis, er solle doch Toni mitbringen, dann könnten wir noch eine kleinen Spieleabend einlegen. Eines war auf alle Fälle klar, sehr spät wird es nicht werden. Morgen sollten alle fit sein, wenn der erste Ansturm beginnt.
Der Samstag begann mit einem letzten Rundgang durch das Camp, das ab sofort für unsere kleinen Gäste geöffnet war. Felix prüfte noch einmal ob die Zelte richtig nummeriert sind, da er nach dem Umbau alles noch einmal umgeplant hatte. Plötzlich tauchte Gerhard vom Roten Kreuz auf und erklärte, dass er heute am ersten Tag das Erste-Hilfe-Zelt betreut. Seine erste Amtshandlung wird die Einrichtung des Zeltes sein, erklärte Gerhard.
Kurz nach elf Uhr kam der erste Bus mit den Kindern aus Hessen an, die wir als erstes ins große Zelt brachten. Felix erklärte den Kindern: „Diejenigen, die später nach Österreich weiterfahren, holen jetzt ihre Koffer und bringen sie hier ins Zelt, danach gibt es ein Mittagessen und um halb zwei Uhr fährt euch unser Bus nach Österreich. Dennis und Beate, die hier neben mir stehen, werden euch, zusammen mit euren Betreuern, nach Österreich begleiten und die ganze Woche bei euch bleiben. Wenn alle zurück sind, geht die zweite Gruppe mit ihren Betreuern zum Bus und holen ihre Koffer. Ihr könnt dann direkt zu euren Zelten gehen, die die Nummern vierundzwanzig und fünfundzwanzig tragen. Die Einteilung wer in welches Zelt geht, nehmen eure Betreuer vor.“
Zuhören war nicht die Stärke der Kinder und Jugendlichen dieser Gruppen. Nachdem Felix geendet hatte, stürmten alle zum Bus und holten ihren Koffer. Zumindest funktionierte die Zuordnung, wer zurück ins Zelt sollte mit seinem Koffer und wer gleich zu den Schlafzelten weitergehen konnte, um dort seinen Koffer abzustellen. Die Kinder mit ihren Betreuern, die am Nachmittag nach Österreich weiterfahren sollen, gingen gleich an die Theke. Dort erhielten sie ihr Mittagessen und ein Getränk.
Ich beobachtete, welches der beiden Angebote beim Essen bevorzugt wird. Mit Verwunderung stellte ich fest, dass von den Kindern keines der Essen favorisiert wird. Es war relativ ausgeglichen, was die Kinder auf den Tellern hatten. Inzwischen waren auch die Kinder und Jugendlichen wieder im Aufenthaltszelt, die ihre Koffer in die Schlafzelte gebracht hatten und mit Essen und Getränken versorgt wurden.
Der Bus aus Hessen hatte sich kaum auf den Rückweg gemacht, als bereits der nächste Bus anrollte. Mit diesem Bus kamen die beiden Gruppen vom Technischen Hilfswerk und vom Roten Kreuz aus Thüringen. Felix meinte zu mir, er habe nicht gewusst, dass die beiden Gruppen zusammen in einem Bus anreisen, das müssen scheinbar Hans und Gerhard arrangiert haben.
Ich ging mit Felix nach draußen und als alle ausgestiegen waren, erklärte er kurz, dass sie ihre Koffer in die Schlafzelte bringen sollten und anschließend können sie sofort im großen Zelt ihr Mittagessen einnehmen. Den Betreuern erklärte er kurz welche Zelte für ihre Gruppen vorgesehen waren. Die Kinder und Jugendlichen schnappten sich ihre Koffer und gingen mit ihren Betreuern zu ihren Zelten. Der Busfahrer beschloss seinen Bus kurz etwas abseits zu parken und bei uns zu Mittag zu essen, bevor er die Rückreise antritt.
So nach und nach trafen im Laufe des frühen Nachmittags alle weiteren angemeldeten Gruppen auf dem Camp im Gutshof ein. Glücklicherweise kamen sie nicht gleichzeitig an, so dass Felix keine Probleme bei der Zuordnung zu den Schlafzelten hatte. Barbara, vom örtlichen Jugendamt, erschien so gegen sechzehn Uhr und wollte wissen, wie es bisher gelaufen sei.
Felix berichtete ihr, dass bisher alles nach Plan verlaufen sei, alle angemeldeten Gruppen inzwischen im Camp angekommen sind und die ausgelagerte Gruppe vor wenigen Minuten im Hotel in Österreich eingetroffen sei. Dennis habe sich kurz gemeldet und ihn davon unterrichtet. Er bat mich und Barbara zu einem kleinen Rundgang durch die Zeltstadt. Barbara unterhielt sich mit einigen Betreuern, um sich selbst ein Bild davon zu machen, ob alles zur vollen Zufriedenheit sei.
In Felix Büro, dass wir im Eingangsbereich des Hauptzeltes eingerichtet hatten, erklärte sie uns: „Bei meinen Gesprächen mit den Betreuern konnte ich feststellen, dass bisher alle zufrieden sind. Einige waren der Meinung, dass die Organisation des Jugend Zeltcamps bisher zu ihrer vollsten Zufriedenheit abgelaufen sei. Vor allem wären sie von den Angeboten überrascht, die wir uns für die Kinder und Jugendlichen überlegt hätten. Sehr positiv wurden die Pässe der Stadt aufgenommen, die den Kindern unter anderem den kostenlosen Eintritt ins Freibad und weitere Annehmlichkeiten anbieten. In die von Felix ausgehändigt Anmeldeformulare für den nächsten Tag haben allen Betreuern bereits angefangen die Wünsche ihrer Gruppenmitglieder in die Listen einzutragen. Die Betreuer berichten, dass die Kinder und Jugendlichen vom Mittagessen überrascht waren. Was besonders aufgefallen ist, dass es nur Gerichte gibt, die von den Kindern bevorzugt werden“ erklärte Barbara.
Felix lachte und meinte, nach so kurzer Zeit kann keiner sagen, dass ihm alles gut gefallen würde und alles perfekt organisiert ist. Diese Erkenntnis kann man frühestens nach zwei oder besser sogar erst nach drei Tagen haben, wenn bis dahin alles gut gelaufen sei. Er bedankte sich trotzdem bei Barbara, vor allem für das entgegengebrachten Vertrauen in die Organisationskünste der Mitarbeiter im Gutshof.
Nachdem fast alle Kinder im Zelt waren, um ihr Abendessen einzunehmen, ging ich kurz auf die Bühne und erklärte ihnen: „Bleibt bitte alle nach dem Abendessen noch hier im Zelt. Felix und ich wollen euch noch einiges über eure Zeit im Zeltlager erzählen.“
Sebastian zeigte mir an, dass alle Kinder und Jugendlichen, sowie ihre Betreuer ihr Essen geholt hatten und das schmutzige Geschirr schon fast alles wieder zurück sei. Ich ging auf die Bühne und begrüßte die Kinder und Jugendlichen mit ihren Betreuern und wünschte ihnen schöne Ferien auf dem Gutshof und erklärte ihnen, dass Felix, und ab nächster Woche auch Dennis, für alle Fragen und Probleme als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, aber dass auch ich immer angesprochen werden kann.
Ich hatte am Ende meiner kurzen Ansprache Felix gebeten auf die Bühne zu kommen und den Anwesenden alles Wichtige zu erklären. Felix stellte sich neben mich und ich übergab ihm das Mikrofon. Ich hatte kaum die Bühne verlassen begann er mit seiner Ansprache: „Heute Nachmittag war für alle Eingewöhnen angesagt. Für Besuche in den Ställen bei den Tieren ist in den nächsten Tagen noch viel Zeit, es gibt dann geführte Besichtigungen für diejenigen, die Interesse daran haben.
Wir haben für euch viele verschiedene Angebote vorbereitet, immer gegen achtzehn Uhr hängen wir die Angebote für den übernächsten Tag ans schwarze Brett an die Wand bei meinem Büro. Ihr habt dann vierundzwanzig Stunden Zeit euch zu entscheiden, was ihr an darauffolgenden Tag unternehmen wollt. Eure Betreuer erhalten von mir ebenfalls die Pläne und können dort eintragen, wer bei welchen Veranstaltungen teilnehmen will. Ein oder zweimal pro Woche wird es im Anschluss an das Abendessen einen Filmabend geben. ansonsten gibt es Spielabende im großen Zelt, an denen ihr teilnehmen könnt.“
Nach einer kurzen Pause erzählte er weiter: „Für diejenigen, die die Landwirtschaft oder unseren Gartenbaubetrieb näher kennenlernen möchten, wird es die Möglichkeit geben einen ganzen Tag dort zu verbringen. Dabei besteht auch die Möglichkeit mit den Mitarbeitern einen Tag auf den Traktoren auf einem Feld bei der Ernte mitzufahren und mitzuhelfen.
Je nach Nachfrage werden wir in kleinen Gruppen im Gesindehaus halbtägige Kochkurse veranstalten, bei denen ihr die Gelegenheit bekommt, selbst kleine Gerichte zu kochen. Sebastian hat mir vorher noch mitgeteilt, dass er als unser Chefkoch einige Kurse selbst leiten wird und einige sogar die Gelegenheit erhalten, einen Tag in der großen Restaurantküche schnuppern zu dürfen. Ebenfalls im Gesindehaus werden gelegentlich Bastelkurse angeboten.“
Er machte eine kurze Pause und fragt: „Gibt es dazu von euch Fragen zu den Dingen, die ich euch bisher erzählt habe?“
Es dauerte eine Weile bis sich der erste traute eine Frage zu stellen. Er stellte sich kurz vor als Leander Berg und formulierte seine Frage: „Wir haben heute Mittag schon festgestellt, dass euer Essen vor allem für die jüngere Generation gemacht ist. Heute Abend war es wieder so und jetzt will ich wissen, bleibt das in den nächsten zwei Wochen so oder müssen wir damit rechnen, dass es eher in eine andere Richtung gehen wird?“
Felix meinte, die Frage könnte ich euch schon beantworten, aber ich bin der Meinung, diese Frage soll euch unser Chefkoch selbst beantworten. Sebastian, kommst du zu mir auf die Bühne und kannst du unserem jungen Freunden erzählen, was du für ihre Verpflegung geplant hast. Sebastian kam hinter dem Tresen hervor und ging zu Felix auf die Bühne.
Felix übergab ihm das Mikrofon und Sebastian sagte zu allen: „Wie ihr seht, bin ich auch noch ziemlich jung und ich werde versuchen, das zu kochen, was euch schmeckt. Das Gemüse und die Salate stammen alle aus dem Gartenbaubetrieb, der zum Gutshof gehört. Das Fleisch kommt zum größten Teil ebenfalls direkt vom Gutshof. Wenn ihr Vorschläge oder Wünsche habt, mich findet ihr normalerweise in der Restaurantküche und wenn ich sie umsetzen kann, findet ihr eure Vorschläge irgendwann auf euren Tellern. Ihr könnt eure Vorschläge aber genauso gut bei Felix oder Dennis loswerden, die sie an uns weitergeben.“
Als nächster meldete sich einer der Betreuer und wollte von Felix wissen: „Ich habe draußen ein Erste Hilfe Zelt gesehen, wieso habt ihr es aufgestellt und zu welchen Zeiten ist es besetzt, sofern überhaupt jemand regelmäßig anwesend ist? Wie kann ich ansonsten einen Sanitäter erreichen, wenn der Ernstfall eintritt?“
Felix schaute sich kurz im Zelt um und als er Gerhard entdeckt hatte, bat er ihn zu sich auf die Bühne um die Frage des Betreuers zu klären. Gerhard ging nach vorne zu Felix, übernahm das Mikrofon und erklärte: „Wir haben in der Vergangenheit mit unseren Jugendgruppen immer wieder in den Ferien ein Zeltlager veranstaltet und wissen daher, dass es schnell einmal zu kleineren oder größeren Verletzungen kommen kann. Bei einer kleinen Gruppe braucht man normalerweise kein eigenes Erste Hilfe Zelt. In diesem Fall, wo täglich bis zu zweihundertfünfzig Kinder im Camp anwesend sind, waren wir der Meinung, dass eine eigene Station von Vorteil sein könnte. Die Station wird täglich, auch am Wochenende und an Feiertagen, von acht Uhr morgens bis zwanzig Uhr abends besetzt sein, so dass ihr mit allen kleinen oder größeren Blessuren jederzeit ins Zelt kommen könnt. Bei allen Verletzungen und Erkrankungen wird diese Erste Hilfe Station für euch als Anlaufstelle zur Verfügung stehen. In den Zeiten, in denen das Zelt nicht besetzt ist, hängt am Zelt immer eine Tafel, auf der die Rufnummer steht, wie ihr den Notdienst erreichen könnt. Wir haben es so organisiert, dass unsere Kollegen sich abwechseln. Wundert euch bitte nicht, wenn fast jeden Tag ein anderer Kollege im Zelt seinen Dienst versieht. Für heute und morgen habe ich den Dienst übernommen und ab Montag beginnen die Wechsel. Gibt es weitere Fragen von eurer Seite zu dem Angebot vom Roten Kreuz?“
Der Betreuer, der nachgefragt hatte, meldete sich und meinte: „Ich finde das eine sehr gute Idee mit dieser Einrichtung. Wir sind zwar geschult worden, wie wir in solchen Situationen reagieren sollen, aber mit der Hilfe eines ausgebildeten Ersthelfers ist die Erstversorgung der Kinder und Jugendlichen sicher besser geregelt.“ Gerhard fragte noch einmal ob es noch Fragen gäbe. Als sich keiner mehr meldete, übergab er wieder Felix das Mikrofon.
Er nutzte das eben abgehandelte Thema und stellte das Angebot der Kinder und Jugendlichen vom Jugendrotkreuz und dem Technischen Hilfswerk vor: „Weil gerade das Thema Rotes Kreuz angesprochen wurde. Es besteht zum einen die Möglichkeit, einen Ersten Hilfe Kurs für euch anzubieten. Dazu solltet ihr euch bei mir im Büro anmelden, die Kurse selbst finden in kleinen Gruppen direkt im Erste Hilfe Zelt statt. Die Gruppen vom Technischen Hilfswerk werden mit ihren Kindern und Jugendliche gelegentlich sogenannte Ernstfallübungen durchführen und alle sind dazu eingeladen teilzunehmen. Diese Übungen werden in unseren Tagesangeboten mit aufgeführt. Will einer der Betreuer vom Technischen Hilfswerk oder eines Kinder von ihren Übungen berichten, um den anwesenden Kindern zu erklären um was es dabei gehen wird?“
Es meldete sich ein etwa zwölfjähriger Junge, der mit seinem Betreuer zu Felix auf Bühne ging. Felix hielt den beiden das Mikrofon hin und der Junge griff danach. Er stellte sich kurz als Felix Meier vor und meinte: „Ich bin jetzt seit zwei Jahren in der Jugendgruppe des Technischen Hilfswerks. Mein bester Freund hatte mich einmal zu einem Gruppenabend mitgenommen und mir hat es so gut gefallen, dass ich der Jugendgruppe beigetreten bin. Am aktiven Dienst dürfen wir erst mit achtzehn Jahren teilnehmen, aber in der Gruppe lernen wir bereits jetzt spielerisch, welche Aufgaben uns später erwarten. In die Gruppen aufgenommen wird man, wenn man zehn Jahre alt ist, auch einige Mädchen sind in unserer Gruppe. Am interessantesten ist es, wenn wir an den großen Maschinen lernen oder als wir bei einem Hochwassereinsatz mitmachen durften, wobei wir die Aufgabe übernommen haben, viele kleine Säcke mit Sand zu befüllen.
Gerade bei größeren Katastrophen dürfen wir gelegentlich aktiv mitarbeiten, wobei uns allerdings nur Aufgaben zugeteilt werden, die vollkommen ungefährlich sind. Ansonsten lernen wir, wie man mit Werkzeugen richtig umgeht und wozu sie eingesetzt werden. Viele Ortsverbände veranstalten mit ihren Jugendlichen ein Zeltlager in den Sommerferien. Normalerweise sollte unser Zeltlager heuer in der Nähe von Jena stattfinden, was aber vor wenigen Wochen abgesagt wurde. Durch den ortsansässigen Kommandanten erfuhren unsere Jugendbetreuer von dem Camp im Süden Bayerns und so konnte unser sommerliches Zeltlager gerettet werden. Ausnahmsweise bleiben wir vierzehn Tage hier, sonst endet unser Zeltlager immer bereits nach einer Woche. Wer Fragen dazu hat kann jederzeit zu unseren Zelten elf, zwölf und dreizehn kommen. Wir werden versuchen eure Fragen zu beantworten. Wer mitmachen will, kann bei unseren technischen Übungen jederzeit gerne vorbeikommen und sich beteiligen. Ich übergebe jetzt Max Puda, unserem Betreuer und Vater meines besten Freundes das Mikrofon und er kann euch noch das eine oder andere zusätzlich erklären.“
Max übernahm das Mikrofon von Felix und sagte: „Was soll ich euch noch groß erklären, Felix hat euch bereits alles Wichtige erzählt, aber wenn ihr noch Fragen haben solltet, könnt ihr euch gerne auch an mich wenden. Vor allem wenn es darum geht, wo in der Nähe eures Wohnortes eine Ortsverband existiert der eine eigene Jugendgruppe hat, könnt ihr euch gerne jederzeit an mich wenden.“
Damit gab er das Mikrofon an den großen Felix weiter, der sich zuerst bei den Beiden für ihre Ausführungen bedankte. Danach erklärte er, dass um zwanzig Uhr der erste Spieleabend starten werde und er sich freuen würde, wenn möglichst viele teilnehmen würden.
Kurz nach zwanzig Uhr war das Zelt gut gefüllt und die ersten hatten sich bereits mit diversen Brettspielen oder Karten eingedeckt und die Spielrunden gestartet. Felix hatte in der Zwischenzeit die Anmeldungen für den morgigen Tag in seine Listen eingetragen und am schwarzen Brett ausgehängt. Vor dem Essen hatte er bereits die geplanten Aktivitäten für den Montag veröffentlicht und den Betreuern die Listen für den Montag ausgeteilt.
Fast alle, die zum Spieleabend ins Zelt kamen, studierten zuerst die Angebote für den Montag, bevor sich die Spielgruppen zusammenfanden. Mir fiel dabei schnell auf, dass den Kids egal war, wer mit in einer Spielegruppe steckte. Viel wichtiger war ihnen, dass sich Gleichgesinnte fanden für die einzelnen Spiele. Ich hatte mich zu den Betreuern an den Tisch gesetzt und fragte sie nach ihrer persönlichen Meinung, warum die Kinder und Jugendlichen sich nicht nur mit ihren eigenen Gruppenmitgliedern zu Spielerunden zusammensetzten.
Max, der Betreuer vom THW meinte: „So genau kann ich es euch auch nicht sagen, ich hatte angenommen, dass gerade am ersten Abend, eher die einzelnen Gruppen unter sich bleiben würden, da sie die anderen Kinder bisher gar nicht kannten. Er sei selbst überrascht vom Verhalten seiner Gruppe. Er hätte sich vielleicht vorstellen können, dass sie mit den Kindern vom Jugendrotkreuz Spielegemeinschaften bilden, da diese noch am ehesten auf ihrer Wellenlänge sind.“
Michael, unserer Sozialarbeiter, der zwischenzeitlich zu uns an den Tisch kam und den Rest von Max mitbekommen hatte, meinte dazu: „Ich glaube, ihr seht das völlig falsch.Bei der ich habe ich bemerkt, dass, wer Interesse am gleichen Spiel hatte, sich unkompliziert ein geklinkt hat. Wenn ich ehrlich bin, ich bin selbst überrascht von der Entwicklung, aber so ist die Integration der einzelnen Gruppen einfacher. Bei meinem Rundgang, bevor ich zu euch an den Tisch ging, habe ich festgestellt, dass diejenigen, die mit ihren Smartphones daddeln, sich ebenfalls mit Gleichgesinnten zusammengetan haben.“
Während Michael das erklärte, wurde mir schlagartig bewusst, dass wir etwas in unseren bisherigen Planungen nicht berücksichtigt hatten. Ich rief bei Bernhard an und bat ihn ins Zelt zu kommen, da wir ein dringendes Problem zu lösen hätten, dass keinen großen Aufschub erlauben würde. Zehn Minuten später standen Benjamin und Bernhard neben mir und wollten wissen, was so wichtig sei, dass ich ihre Zweisamkeit gestört hätte.
Ich lachte und meinte, wir treffen uns in zwei Minuten in Felix Büro und sie sollten Felix gleich mitbringen. Michael bat ich zwischenzeitlich die Spieleausgabe zu besetzen, da ich mit den Jungs ein wichtiges Gespräch führen müsste.
Als alle in Felix Büro versammelt waren, fragte ich die Jungs, ob ihnen bereits aufgefallen sei, was wir möglicherweise etwas komplett ignoriert oder nicht in Betracht gezogen hätten. Im Gesindehaus wäre mir das gar nicht aufgefallen, da dort das Problem gar nicht erst auftreten hätte können.
Alle drei schauten mich an, aber auf Anhieb konnten sie sich nicht vorstellen, was zu einem Problem führen könne. Bernhard meinte, ich solle ihnen doch endlich sagen, was zu einem Problem führen könne. Die Handys und Smartphones der Kinder und Jugendlichen können zu einem echten Problem werden, erklärte ich ihnen.
„Wieso,“ fragte Bernhard und erklärte weiter: „wir haben doch unser Gäste-WLAN erheblich verstärkt und im Bereich der Zeltstadt drei weitere Repeater aufgestellt, damit die Kids jederzeit Zugang zum Internet erhalten. Das dürfte sicher kein Problem sein, abgesehen von kurzzeitigen Engpässen, wenn gleichzeitig zu viele Daten benötigt werden.“
Benjamin schaute mich an und grinste, bevor er den Jungs erklärte: „Ich fürchte, Peter hat ein ganz anderes Problem angesprochen und vermute mal, ihm ist aufgefallen, dass die Smartphones regelmäßig aufgeladen werden müssen, denn sonst sind die meisten Geräte spätestens nach zwei Tagen zu nichts mehr zu gebrauchen. Eure Smartphones müssen doch auch spätestens am zweiten Tag an die Steckdose, um geladen zu werden. Wo sollen die Kids ihre Smartphones aufladen?“
Bernhard bat Felix kurz sein Notebook benutzen zu dürfen, um sich im Internet schlau zu machen, welche Möglichkeiten angeboten werden. Felix meinte nur, viel Spaß beim Suchen, ich hoffe du findest eine schnelle Lösung für unser Problem. Während Bernhard sich vor Felix Notebook setzt und recherchierte, unterhielt ich mich mit Felix und Benjamin.
Ich meinte: „Keine Sorge, wir werden dafür eine Lösung finden, die Frage ist nur wie schnell stehen uns entsprechende Geräte zur Verfügung oder müssen wir uns eine andere Lösung einfallen lassen. Ich mache auch keinem von euch Vorwürfe, wir haben alle lange genug überlegt, ob wir alles berücksichtigt hätten. Dass uns das durchgerutscht ist, ist bedauerlich, jetzt sollten wir nur schnellstens für Abhilfe sorgen.“
Nach zehnminütiger Recherche meinte Bernhard, ich habe eine Lösung für unser kleines Problem, aber keiner der Online-Versandhändler hat die benötigte Menge auf Lager. Entweder wir bestellen bei mehreren Händlern oder fragen am Montag bei unser Computerhändler nach, wie schnell er fünfzig USB-Fünffach-Ladegeräte beschaffen kann.
Mir fiel in diesem Moment ein, dass mir unser Computerhändler für Notfälle seine private Telefonnummer gegeben hatte und so beschloss ich ihn am Samstagabend anzurufen, immerhin für uns war es ein Notfall. Ich wählte seine Nummer und als er das Gespräch entgegennahm erklärte ich ihm unser Problem und dass ich auf Lautsprecher schalte, damit die drei Jungs mithören könnten.
Er meinte, von den USB-Fünffach-Ladegeräte hätte er zwar einige auf Lager, als er aber hörte, dass wir insgesamt rund fünfzig Stück benötigen würden, sagte er sofort, dass diese Menge sicher nicht lagernd sei. Er meinte, wenn wir ihm zehn bis fünfzehn Minuten Zeit geben könnten, würde er den genauen Lagerbestand wissen und wie schnell er die restlichen beschaffen kann. Ich bedankte mich für seine schnelle Reaktion und meinte, wir erwarten seinen Anruf.
Inzwischen war mir auch eine Lösung eingefallen, wie die Smartphones der Kids in den Zelten aufgeladen werden könnten. Ich rief kurz bei Alejandro an und bat ihn dringend zu mir ins Büro von Felix im großen Aufenthaltszelt zu kommen. Es dauerte nicht lange und er stand in Felix Büro, wobei ich noch feixte, ob ich ihn auch in seiner Zweisamkeit mit Jorge gestört hätte. Er lachte und meinte, noch hätte ich nicht gestört.
Ich erklärte ihm, dass wir für jedes Schlafzelt ein Brett von etwa einhundertzwanzig Zentimetern benötigten, auf dem die Kids ihre Smartphones aufladen könnten. Für die notwendige Technik haben wir bereits eine Lösung und die Bretter benötigen wir als Ablage für die Geräte. Er überlegte kurz und erklärte uns: „Im Gesindehaus, in der neuen Bastelwerkstatt liegen Bretter, die dafür geeignet wären, wir haben sie für das neue Regal gekauft, das dort aufgebaut werden sollte. Die könnten wir dafür verwenden, wir brauchen dann nur dringend Ersatz für die verbrauchten Teile. Wie wir die Bretter in den Zelten befestigen, dazu fehlt mir noch eine brauchbare Idee.“
Ich meinte, am besten sei eine Aufhängung, die an den Zeltstangen befestigt werden kann, Seile, Schnüre, Ketten oder so etwas Ähnliches. Alejandro meinte: „Bei Ketten bringst du mich auf eine Idee, wir haben noch mindestens einhundert Meter Kette in meiner Werkstatt, die wir ursprünglich für die Absperrung bei den Blumenbeeten gekauft hatten, aber bisher nicht benötigt haben, die könnten wir vielleicht verwenden. Die Frage ist nur, wie wir sie an den Brettern befestigen, wobei, da könnten wir die Befestigungen verwenden, die wir für die Ketten gekauft haben, um sie an den Holzpfosten zu anzubringen. Dazu bräuchten wir noch S-förmige Haken, in die wir die Kette einhängen und an den Zeltstangen befestigen. Was ich noch bräuchte, sind ein paar Helfer, die mir beim Zusammenbauen und Anbringen der Borde helfen könnten, wobei am Sonntag vorbereitet und zusammengebaut wird und am Montag können wir die Borde anbringen, wenn ich die entsprechenden S-Haken besorgt habe.“
Das Telefon läutete wieder und beim Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass zwischen unserem ersten Anruf doch gut zwanzig Minuten vergangen waren. Unser Computerhändler meldete sich und meinte: „Ich habe zehn Stück bei mir immer Lager stehen, wie ich vorhin schon vermutet habe. Der Großhändler hat ungefähr einhundert Stück auf Lager, ich habe für Montag 40 Stück geordert, die wir euch sofort nach dem Eintreffen ausliefern. Die zehn Stück liefere ich euch bereits morgen Vormittag an. Wenn ihr etwas improvisiert, schafft ihr es, alle Smartphones mit den fünfzig Anschlüssen so nach und nach aufzuladen.“ Ich meinte zu ihm nur noch, dann sehen wir uns morgen Vormittag in der Zeltstadt.
Bernhard hatte den Vorschlag mit dem Improvisieren verstanden und erklärte uns: „Wir werden morgen Vormittag in Felix Büro, auf dem Beistelltisch von Felix eine provisorische Ladestation einrichten, an die bis zu fünfzig Geräte angeschlossen werden und ab Mittag können die Kids ihre Smartphones in deinem Büro aufladen lassen. Vermutlich ist es am besten, du gibst jeden einen Zettel mit einer Nummer in die Hand und klebst auf das Smartphone die gleiche Nummer, damit es zu keinen Verwechselungen kommt. Wir sollten die Kinder und Jugendlichen darauf hinweisen, dass sie ab morgen Mittag ihre Smartphones bei dir aufladen lassen können, sie jedoch damit rechnen müssen, dass nicht alle gleichzeitig geladen werden können und sie bis Montagabend möglichst energiesparend damit umgehen sollten bis für jeden eine eigene Ladestation in den Zelten zur Verfügung stehe.“
Felix lachte und meinte: „Dann wird morgen Nachmittag das totale Chaos in meinem Büro herrschen, bis die meisten Smartphones wieder aufgeladen sind. Ich fürchte da werde ich Hilfe brauchen, allein schaffe ich das nicht. Ständig Handys entgegennehmen oder ausgeben und gleichzeitig prüfen, dazu meine eigene Arbeit mit den Planungen für Montag und Dienstag zu erledigen, das kann nicht gut gehen. Vor allem wird es am Montagvormittag so weitergehen, bis die Ladestationen in den ersten Zelten installiert sind, sofern der Händler sie wirklich am Montag bei uns anliefert.“
Nach kurzem Überlegen meinte ich: „Okay, der Notfallplan steht. Jetzt muss er nur noch umgesetzt werden. Wir werden jetzt die Kinder und Jugendlichen von unseren Plänen unterrichten und sie bitten, bis mindestens Montagabend ihre Smartphones auf Sparflamme zu benutzen, bis eine geregelte Energieversorgung für alle zur Verfügung steht.“
Wir verließen Felix Büro und gingen auf dem kürzesten Weg zur kleinen Bühne, wo Felix die Tonanlage einschaltet und mir das Mikrofon in die Hand gibt. Ich beobachte eine kurze Zeit das geschäftige Treiben, bevor ich das Mikrofon einschalte und laut verkünde: “Leider muss ich euch bei euren Spielen kurz stören. Ich habe euch noch Wichtiges zu erzählen und darf also kurz um eure ungeteilte Aufmerksamkeit bitten.“
Es dauerte etwas bis es ruhiger wurde im Zelt und ich erneut zu sprechen anfing: „Vorab eine Frage an euch alle: Wer von euch besitzt kein Smartphone oder Handy, der sollte mal bitte kurz seine Hand nach oben heben.“ Wie fast erwartet ging keine Hand nach oben, scheinbar hatten alle einen modernen Sklaventreiber bei sich.
„Da ihr alle ein Handy oder Smartphone besitzt, habe ich jetzt schlechte Nachrichten für euch.“ Sofort ging ein lautes Murmeln durch den Saal. „Keine Panik, keiner wird euch euer Spielzeug für die Dauer des Aufenthalts wegnehmen. Wir haben eher ein technisches Problem damit. Eure Betreuer haben euch sicher bereits erzählt, dass wir ein Gästenetzwerk eingerichtet haben, mit dem ihr ins Internet gehen und eure Mails abrufen könnt. Auch das wird nicht abgeschaltet, nur in der Nacht zwischen dreiundzwanzig Uhr und sieben Uhr morgens steht euch das Netzwerk nicht zur Verfügung.“
Wieder setzte ein lautes Gemurmel ein, das sich langsam wieder beruhigte. „Ich bin überzeugt, dass ihr in diesem Zeitraum nicht unbedingt mit euren Smartphones im Internet surfen wollt. Ist euch bewusst, dass ihr eure Handys und Smartphones nirgends aufladen könnt? Spätestens morgen wird für die ersten von euch eine Benutzung sowieso unmöglich sein, da eure Akkus leer sind oder bald leer werden. Mir ist das vorher aufgefallen, als ich einen Teil von euch beim Spielen beobachtet habe. Wir haben uns eben in Felix Büro zusammengesetzt und nach einer Lösung für dieses Problem gesucht.“
Ich machte eine kurze Pause und erzählte weiter: „Voraussichtlich ab Montagabend können alle in ihren Zelten ihre Handys und Smartphones aufladen, wir erhalten bis dahin fünfzig USB-Ladestationen an denen jeweils fünf Handys oder Smartphones über Nacht aufgeladen werden können. Alejandro wird morgen Nachmittag damit beginnen, die Borde vorzubereiten, an denen die Geräte geladen werden können. Dazu suchen wir ein paar freiwillige handwerklich begabte Helfer, die ihm dabei helfen diese Borde vorzubereiten, damit sie am Montag in euren Zelten aufgebaut werden können. Wer von euch traut sich zu, Alejandro morgen und am Montagnachmittag beim Zusammenbau und beim Anbringen der Ladestationen behilflich zu sein?“
Es dauert etwas bis immerhin fünf Hände nach oben gingen, die ihre Bereitschaft zur Mitarbeit signalisierten. Ich bat die fünf kurz zu uns zur Bühne zu kommen, damit Alejandro mit ihnen abklärt, wann und wo sie sich morgen für die Vorarbeiten treffen werden. Es wunderte mich nicht, dass vier der freiwilligen Helfer vom Technischen Hilfswerk waren und ein älterer Junge, der zur Gruppe der hessischen Kinder und Jugendlichen gehörte. Alejandro setzt sich mit den fünf Jungs an einen Tisch und besprach mit ihnen, wann und wo sie sich treffen und wie er sich die Ladestationen vorstellte.
Währenddessen erklärte ich weiter: „Wir erhalten von unser Computerlieferanten vorab morgen bereits die ersten zehn Ladestationen, die er auf Lager hat, er wird morgen früh extra in die Firma fahren und diese zu uns bringen. Ab morgen Mittag sind wir in der Lage, die ersten Handys wieder aufzuladen. Aber noch nicht in den Zelten, sondern im Büro bei Felix. Er wird euch gleich noch erklären wie das ablaufen wird.
Er braucht auch einige Freiwillige, die die Geräte entgegennehmen, an die Ladestation anstecken und anschließend wieder an euch zurückgeben. Gibt es Freiwillige die sich zutrauen, diese Aufgabe zu übernehmen? Ich denke es reichen drei oder vier, die sich im Laufe des Nachmittags abwechseln können.“ Schnell waren vier Hände oben und ich bat die Jungs zu uns zu kommen, wenn Felix erklärt hat, wie das morgen Nachmittag ablaufen soll.
Damit übergab ich Felix das Mikrofon und er erklärte: „Wenn ich das richtig verstanden habe, werden morgen im Laufe des Vormittags die Ladestationen angeliefert. Bernhard, der direkt neben mir steht, wird die Stationen aufbauen und wenn diese fertig sind können wir die ersten Smartphones zum Laden anhängen. Er und sein Freund Benjamin, der neben ihm steht, werden uns sicher zeitweise helfen, eure Geräte wieder zum Leben zu erwecken oder, sofern sie noch etwas Restenergie besitzen, am Leben zu erhalten.
Bernhard ist Auszubildender zum IT-Kaufmann am Gutshof, während sein Freund Benjamin in der Verwaltung der Stiftung Gutshof Sonneneck mitarbeitet. Vielleicht können wir Benjamins Bruder Christian mit seinem Freund Ludwig ebenfalls überreden uns ein wenig zu helfen. Christian macht seine Ausbildung als Gärtner in unserem Gartenbaubetrieb und Ludwig arbeitet ebenfalls in der Stiftung mit.“
Nach einer kurzen Unterbrechung erklärte er weiter: „Jeder der sein Smartphone oder Handy bei uns abgibt, erhält einen kleinen Zettel mit einer Nummer, die fortlaufend ausgegeben werden. Eure Geräte erhalten einen kleinen Aufkleber mit der gleichen Nummer. Ihr erhaltet einen weiteren Zettel, auf den ihr bitte euren Namen schreibt und zu welcher Gruppe er gehört.
Falls ihr den Aufkleber an euren Handy kleben lasst, wird es einfacher für uns, wenn es verlorengeht oder ihr es irgendwo liegen lasst und bei mir im Büro abgegeben wird, es wieder seinem rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben. Gibt es noch Fragen zu dem, was ich euch eben erklärt habe.“
Es dauerte eine Weile, bis einer der Betreuer aufstand und zu uns auf die Bühne kam. Er stellte sich kurz vor und meinte: „Wir Betreuer haben uns gerade kurz über die Idee mit dem Aufkleber auf den Handys und Smartphones unterhalten. Wir finden den Vorschlag genial. Einige von ihnen haben in der Vergangenheit regelrechte Dramen erlebt, als von den Kids ihre Handys vermisst wurden. Ich werde meiner Gruppe empfehlen, auf alle Fälle die Aufkleber auf ihren Geräten zu lassen und habe eigentlich nur eine Bitte an alle, wenn ihr herrenlose Handys oder Smartphones findet, diese unverzüglich im Büro bei Felix oder Dennis abzugeben. Wer sein Gerät vermisst meldet seinen Verlust am besten sofort bei den beiden Jungs im Büro, die euch dann sagen können, ob es bereits bei ihnen abgegeben wurde.“
Felix fragte noch einmal nach, ob es weitere Fragen oder Anregungen gebe, ansonsten sollen doch bitte die Vier, die sich vorher gemeldet haben kurz zu ihm kommen. Er übergab mir noch einmal das Mikrofon und ich wünschte allen noch einen vergnüglichen Spieleabend.
Ich verabschiedete mich und meinte, ich muss mich noch ein wenig um Thomas kümmern, bevor er auf dumme Ideen kommt und ich in den nächsten Wochen ebenfalls in einem Zelt schlafen darf. Felix meinte, er wird so schnell wie möglich nachkommen, der Tag war doch anstrengender als er gedacht hatte, er klärt das nur noch kurz mit seinen jungen Helfern.
Bernhard und Benjamin verabschiedeten sich ebenfalls und versprachen mit Christian und Ludwig wegen der Mithilfe am morgigen Tag zu sprechen. Ich meinte noch, wenn ihr alles geklärt habt und die beiden mitarbeiten wollen, treffen wir uns alle morgen früh um halb neun bei uns zum Frühstück. Logischerweise könnt ihr zwei auch ohne die beiden Turteltäubchen zum Frühstück erscheinen.
Zwanzig Minuten später, ich hatte es mir gerade im Wohnzimmer mit Thomas gemütlich gemacht, klingelte das Telefon und Benjamin meinte, sie würden zu viert zum Frühstück erscheinen. Ich erzählte gerade Thomas von unserem Notfallplan wegen der Smartphones, als Felix auftauchte und meinte: “Peinliche Situation, aber wie Thomas letztens gesagt hat, wenn ein Problem auftaucht, greifst du ein und es wird kurzfristig gelöst. Eigentlich hätte ich es auch erkennen müssen, aber da mein Smartphone nicht davon betroffen ist, ist es mir nicht früher aufgefallen. Wäre morgen vermutlich ein Ärgernis gewesen, wenn die ersten Geräte ihren Geist aufgegeben hätten.“ Thomas lachte und meinte, jetzt hast du zum ersten Mal selbst erlebt, wie es ist, wenn etwas durchgerutscht ist und Peter interveniert.
Pünktlich zur vereinbarten Zeit saßen alle Jungs bei uns am Frühstückstisch und nachdem alle gefrühstückt hatten, meinte Bernhard: „Peinliche Situation für unsere IT-Abteilung, Peter. Du hast uns gestern Abend wieder einmal gezeigt, dass du als unser Chef unersetzlich bist. Dir fallen sogar Sachen auf, die für uns alle eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollten. Ich will nicht wissen was passiert wäre, wenn heute die ersten Geräte ihren Geist aufgegeben hätten. Wir vier sind gestern Abend noch zusammengesessen und haben überlegt, ob wir noch etwas nicht berücksichtigt hätten. So eine Blamage will ich nicht noch einmal erleben. Glücklicherweise ist uns nichts mehr eingefallen. Was aber nichts bedeuten soll, es könnten nicht doch noch Überraschungen auf uns zukommen. Ich besorge nachher aus dem Büro noch Verteilersteckdosen, damit wir die USB-Ladegeräte dort anschließen können.“
Unser Telefon klingelte und ich nahm das Gespräch entgegen. Unser Computerhändler war am Telefon und erkläre, dass er jetzt aus seinem Laden wegfährt mit den zehn USB-Fünffach-Ladestationen und spätestens in fünfzehn Minuten bei uns eintreffen wird. Ich erklärte ihm, dass er direkt ins große Zelt kommen soll, da wir in Kürze ins dortige Büro gehen, um bereits alles vorzubereiten.
Bernhard ging nach unten ins Büro, um die Verteilersteckdosen zu holen, während wir die Reste vom Frühstück wegräumten. Wir trafen uns unten und gingen alle gemeinsam zum großen Zelt; sogar Thomas begleitete uns heute.
Im Büro meinte Felix: „Wir brauchen dringend die Zettel für die Kids, die ihre Smartphones zum Laden abgeben und vor allem die Aufkleber für die Geräte. Wir brauchen dringend Papier und Etiketten. Bernhard, warum hast du nicht gleich auch daran gedacht? Einer muss bitte ins Büro zurückgehen und die benötigten Sachen holen.“
Ludwig erklärte sich bereit diese Aufgabe zu übernehmen und Benjamin meinte, er wird gleich die Formulare entwerfen, die die Kinder und Jugendlichen ausfüllen sollten. Felix fragte Christian, ob er aus DIN A4 Papier kleine Zettel schneiden kann, die nachher an die Kids ausgegeben werden.
Thomas und ich waren nicht mit ins Büro mitgegangen. Wir hatten uns an einen der Tische gesetzt und warteten auf unseren Computerhändler. Es dauerte auch nicht allzu lange bis er mit einem größeren Karton das Zelt betrat und sofort zu uns zum Tisch kam und die Kiste abstellte.
Er begrüßte uns und meinte: „Ich habe gestern noch lange darüber nachgedacht, ob ich, wenn ich so ein großes Zeltlager organisiert hätte, auch an die Ladestationen gedacht hätte. Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass ich vermutlich auch nicht daran gedacht hätte, Ladestationen einzuplanen. Eine Zeltstadt für Kinder und Jugendliche in dieser Größenordnung habe ich schon lange nicht mehr gesehen, vor allem ein so riesiges Aufenthaltszelt habe ich noch nirgends erlebt.“
Ich erklärte ihm: „Ursprünglich war es von uns auch nicht so groß geplant. Ein stadtbekannter Caterer sollte im September an einem Wochenende an zwei Tagen hintereinander größere Veranstaltungen organisieren und wollte an zwei verschiedenen Standorten Zelte aufstellen. Der Zeltverleiher erklärte ihm, dass er ihm für dieses Wochenende maximal ein Zelt zur Verfügung stellen könne und er doch mit uns sprechen soll, ob er seine beiden Veranstaltungen nicht am Gutshof in einem Zelt veranstalten will. Nachdem beide Kunden zugestimmt hatten, fragte er bei uns an und wir hatten kein Problem, da diese beiden Feiern erst nach den Ferien stattfinden sollten. Da er ein größeres Zelt benötigte übernahm er die notwendigen Kosten, damit von vornherein das größere Zelt aufgebaut werden kann.“
Er lachte und meinte: „Sozusagen Sponsoring für eure Sache. Die Idee finde ich übrigens sehr gut. Wisst ihr was, die ersten zehn Ladestation gehen auf meine Kosten. Ich habe mich gestern Abend noch über eure Stiftung im Internet informiert, den Aufgaben, denen ihr euch gewidmet habt und die ihr mit diesem Camp verwirklicht, sind in dieser Form bisher einzigartig, vor allem, da ihr das ganze langfristig auf internationale Beine stellen wollt.“
Ich erwiderte ihm: „Zuerst möchte ich mich im Namen aller Kinder und Jugendlichen für diese Spende bedanken und wenn du noch etwas Zeit hast, in einer guten Stunde sollten unsere fünfzigköpfige Gruppe mit Kindern und Jugendlichen aus Spanien eintreffen. Sie sollten bereits mit dem Bus unterwegs vom Flughafen in München sein. Zumindest konnte ich feststellen, dass ihr Flug in München pünktlich gelandet ist.“
Er schaute mich an und sagte: „Zeit habe ich, meine Frau erwartet mich erst wieder gegen dreizehn Uhr zu Hause. Was mich mehr interessiert ist die Frage, habt ihr keine Bedenken, dass es mit den Kids sprachliche Probleme geben könnte. Habt ihr extra einen Dolmetscher eingestellt, der für die Kinder alles ins Spanische übersetzt.“
Meine Antwort auf seine Frage war ziemlich einfach für mich: „Zum einen haben die Kinder einen Betreuer, der sehr gut Englisch spricht. Vermutlich werden einige der Kinder ebenfalls ein wenig Englisch verstehen und zusätzlich haben wir am Gutshof zwei Mitarbeiter, Alejandro und Jorge, die diese Sprache als Muttersprache beherrschen. Alejandro ist in Deutschland aufgewachsen, spricht sehr gut Deutsch und Spanisch und sein Freund Jorge, der in Spanien aufgewachsen ist, beherrscht inzwischen die deutsche Sprache ebenfalls so gut, dass ich da keine Bedenken sehe. Wie in zahlreichen Forschungen zu lesen ist, haben die meisten Kinder kaum Probleme sich zu verständigen, selbst wenn sie unterschiedlich Sprachen sprechen.
Mit den ersten Erfahrungen von gestern Abend, wo mir aufgefallen ist, dass sich bei unserem ersten Spieleabend Kinder aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten gemeinsam zu einem Spiel zusammensetzten, bin ich sogar der festen Überzeugung, dass die Integration der Spanier kaum Probleme aufwerfen wird. Wie unser Sozialarbeiter Michael meinte, Kinder gehen an solche Situationen anders heran, wie es bei Erwachsenen der Fall ist.“
Während ich ihm das alles erklärte, schaute er mich verwundert an und erwiderte mir: „Ihr seid bestens vorbereitet, ich sehe das übrigens auch so ähnlich. Wenn ich da an meine beiden Kinder denke, die bei unseren Urlaubsaufenthalten im Ausland immer schnell Kontakt zu den einheimischen Kindern gefunden haben, kann ich nur für euch hoffen, dass es so ablaufen wird. Aber einmal eine andere Frage, kann ich euch noch anderweitig helfen, bei eurem Projekt?“
Ich erwiderte: „Dazu habe ich keine Idee, aber ich werde meine Jungs befragen, vielleicht fällt denen noch etwas dazu ein.“ Ludwig betrat gerade das Zelt und war mit Kopierpapier und Etiketten auf dem Weg ins Büro. Ich rief ihm zu, dass er seine Schätze im Büro abgeben soll und dann zu uns kommen soll. Zwei Minuten später setzte er sich zu uns an den Tisch und ich fragte ihn direkt, ob er eventuell eine Idee habe, womit uns der Computerhändler in der Zeltstadt unterstützen könnte.
Ludwig überlegte nicht lange, sondern erklärte sofort: „Ich hätte da schon eine Idee, aber die wird vermutlich nicht realisierbar sein. Ich habe gestern Abend beim Spieleabend beobachtet, dass viele der Kinder und Jugendlichen mit ihren Smartphones gedaddelt haben. Wenn wir einige Spielkonsolen hätten, an den immer mehrere Kinder zusammenspielen könnten und müssten, wäre das sicher eine Bereicherung unseres Angebotes und vielleicht schaffen wir es, dass die Kids nicht nur mit sich und ihren Smartphones spielen.“
Wir drei schauten Ludwig an und Thomas meinte: „Das sehe ich auch so, dass der Vorschlag vermutlich nicht realisierbar sein wird. Warum kaufen wir nicht einfach zwei oder drei Spielekonsolen und testen erst einmal, ob das Angebot überhaupt angenommen wird. Ich würde aber vorschlagen, die Geräte nicht im Zelt aufzustellen, im Gesindehaus gibt es doch sicher einen Raum, der für diese Zwecke verwendet werden kann.
Vor allem könnte das Angebot nach den Ferien von den Seminarteilnehmern oder den Schulklassen ebenso genutzt werden. Grundsätzlich finde ich eine Erweiterung der Freizeitangebote für die Schulkinder und die Seminarteilnehmer eine sehr gute Sache.“
Unser Computerhändler erklärte uns: „Ich bin zertifizierter Microsoft-Händler und weiß, dass Microsoft gelegentlich Sponsoring betreibt. Ich werde morgen einmal anfragen, ob für euch eine Chance besteht einige X-Boxen gesponsert zu bwekoimmen. Natürlich kann ich euch nichts versprechen, aber versuchen kann ich es auf alle Fälle. Eines kann ich aber, euch die X-Boxen zum Einkaufspreis zu beschaffen. Auch bei den Playstations von Sony kann ich das gleiche Angebot unterbreiten. Das wären meine Möglichkeiten euch dabei zu unterstützen.“
Ich hatte mir die bisherigen Gesprächsbeiträge in Ruhe angehört und überlegte für mich, ob es überhaupt Sinn machen würde, einen Raum im Gesindehaus für Konsolenspiele einzurichten. Bevor ich mich entscheiden konnte kam Felix aus dem Büro und Ludwig erklärte ihm kurz, worüber wir soeben gesprochen hatten.
Felix meinte dazu: „Eine geile Idee, wir könnten zum Beispiel Autorennen veranstalten und unter den Kids den Sieger ermitteln, der einen kleinen Preis erhält. Wir sollten uns aber mit Michael, Barbara und Marion absprechen, welche Spiele wir überhaupt anbieten sollten. Ego-Shooter sind sicher nicht für unsere Kids geeignet. Vielleicht gibt es auch von Brettspielen Simulationen, bei den wir den Besten ermitteln können. Es würde unser Freizeitangebot sowohl für die Kids im Camp als auch für die Schulklassen erweitern, vor allem wenn das Wetter Aktivitäten im Freien beeinträchtigt.“
Weitere Argumente, die für eine Einrichtung sprechen könnten. So sagte ich: „Ich würde sagen, wir warten bis morgen, bis uns vom Computerhändler weitere Informationen zu einem möglichen Sponsoring und den Anschaffungskosten vorliegen und danach setzen wir uns noch einmal zusammen und diskutieren mit Marion und Michael das Für und Wider eines eigenen Raumes, in dem Konsolenspiele angeboten werden. Zum anderen sollten wir vorher klären, in welchem Raum im Gesindehaus die Konsolenspiele untergebracht werden können. Falls einer eine andere Meinung vertreten sollte, dann sollte er es jetzt sofort sagen.“
Da alle meinem Vorschlag zustimmten, war das Thema damit erst einmal abgehakt. Unser Computermann meinte noch, wenn es noch weitere Möglichkeiten gibt, wo wir als Firma euch unterstützen können, dann lasst es mich einfach wissen. Felix erklärte, dass die Ladestationen in seinem Büro installiert seien und sie ab sofort damit beginnen könnten, die ersten Smartphones aufzuladen. Ich meinte zu ihm, dass wir es trotzdem dabei lassen, ab dem Mittagessen zu starten, damit alle Kinder und Jugendlichen die gleiche Chance hätten beim Aufladen. Sonst würden diejenigen, die derzeit unterwegs sind, benachteiligt.
Der Chef vom Computerladen wollte sich gerade verabschieden als der Bus mit unseren Kindern aus Spanien eintraf. Alejandro und Jorge waren am Morgen mit dem Bus zum Flughafen gefahren und bei ihrer Rückkehr hatten sie unsere spanischen Gäste im Schlepptau. Sie setzten sich auf die Bänke und Felix übernahm es, die Kids im Zeltlager zu begrüßen.
Alejandro dolmetschte und übersetzte Felix Ansprache ins Spanische. Felix stellte sich als den Manager des Zeltplatzes, der für alle Probleme als Ansprechpartner da sei, vor und bat mich, als Chef der Stiftung, ebenfalls einige Begrüßungsworte an die Kids zu richten
Ich erhob mich von meinem Platz und stellte mich neben Felix. Spontan entschied ich mich zu einem Experiment und begrüßte unsere Gäste auf Englisch, wobei ich gleichzeitig das, was ich sagte, auch auf Spanisch zu erklären. Ich erklärte den Kids, dass mein Spanisch nicht so perfekt sei, und ich nur etwas Spanisch spreche. Eben das, was ich mir bei meinen vielen Urlaubsaufenthalten auf Mallorca angeeignet habe.
Einer der älteren Jugendlichen meinte, nachdem ich geendet hatte, er hätte sowohl meine englische als auch meine spanische Begrüßung sehr gut verstanden und dass er davon ausgehe, dass die restlichen Kids zumindest meine spanischen Sätze verstanden hätten. Nachdem er dies auch noch auf Spanisch wiederholt hatte, klatschten die Kids.
Felix erklärte mit Hilfe von Jorge den beiden Betreuern, dass ihre Gruppe in den Zelten fünf bis neun untergebracht sei und sie vor dem Mittagessen bitte ihr Gepäck ins Zelt bringen sollten. Sie hätten genügend Zeit, um sich dort häuslich einzurichten und ab zwölf Uhr gibt es das Mittagessen. Bevor er sie davonziehen ließ, erklärte er noch, dass ab heute Mittag die Handys und Smartphone im Büro aufgeladen werden können und voraussichtlich ab morgen Abend in den Zelten Ladestationen zur Verfügung stehen.
Zusätzlich erklärte er den Kids, dass sie sich mit ihren Smartphones ins Gäste-WLAN einloggen können und damit kein teures Datenvolumen benötigten. Alejandro wurde vorher von Sebastian zu sich gerufen, der ihn bat, die beiden Gerichte, die es heute Mittag geben sollte, für unsere spanischen Gäste in deren Sprache zu übersetzen, damit sie sich nicht mit den deutschen Bezeichnungen abmühen müssten.
Während die spanischen Kinder und Jugendlichen ihr Gepäck aufnahmen und zu ihren Zelten gingen, meinte unser Computerhändler zu mir: „Ich war schon etwas verwundert, als du deine Begrüßungsansprache in Englisch und Spanisch gehalten hast. Die Kids waren regelrecht begeistert, sonst hätten sie dir kein Beifall gegeben.
Ich bin mir jetzt sicher, dass es in eurem schon fast internationalen Zeltlager keine großen Sprachbarrieren geben wird.“ Ich antwortete ihm: „Soweit ich weiß, spricht einer der beiden Betreuer etwas Deutsch und der andere ist gut in Englisch. Da einige der Kids zumindest etwas Englisch beherrschen, sehe ich keine großen Probleme bei der Verständigung zwischen den Kindern und Jugendlichen. Wer weiß, ob der eine oder andere nicht auch die deutsche Sprache zumindest versteht oder sogar spricht.“
Er verabschiedete sich jetzt endgültig und meinte, er werde morgen einen Mitarbeiter mit den Ladestationen vorbeischicken und sich melden, wenn er weitere Informationen zu den Preisen und dem Sponsoring hat. Ich brachte ihn noch zu seinem Auto, und ging danach ins Büro im Aufenthaltszelt.
Felix besprach gerade mit seinen Helfern, wie sie nachher den Ansturm der Kids und ihrer Smartphones abwickeln wollten, damit es nicht in einem Chaos ausartet. Sie vereinbarten, dass Christian und Ludwig die erste Schicht bei der Aktion übernehmen sollten und sie gegen fünfzehn Uhr von Benjamin und Bernhard abgelöst werden. Jeweils drei Leute, zusammen mit den Freiwilligen unter den Kindern, sollten für die ersten Stunden ausreichend sein.
Kurz vor dem Mittagessen tauchten die ersten Kinder und Jugendlichen vor dem Büro im großen Zelt auf und wollten ihre Geräte zum Laden im Büro abgeben. Felix hatte vor seinem Büro einen Tisch aufgebaut, auf dem er die Kids einen Zettel ausfüllen ließ, wo sie ihren Namen, die Typenbezeichnung ihres Smartphones und die Zeltnummer aufschreiben sollten. Anschließend erhielt ihr Geräte eine Nummer aufgeklebt und die Kids erhielten den kleinen Zettel mit ihrer Nummer.
Die ersten fünfzig wurden gleich an die Ladestationen angehängt und die weiteren Geräte mit den entsprechenden Kabeln zum Beladen auf einem eigenen Tisch im Büro abgelegt. So kurz vor dreizehn Uhr kamen unsere spanischen Kinder und Jugendlichen zum Mittagsessen ins Zelt und wunderten sich, dass die beiden angebotenen Essen nicht nur auf Deutsch zu lesen waren, sondern auch in Spanisch und Englisch.
Neugierig wie ich nun einmal war, setzte ich mich mit Alejandro und Jorge zu unseren spanischen Gästen und als die ersten fertig waren, bat ich Alejandro die Jungs zu fragen, wie ihnen die erste Mahlzeit in Deutschland geschmeckt hat und ob sie mit den Getränken, die zur Auswahl stehen, klarkommen.
Es dauerte eine Weile, scheinbar diskutierten sie erst einmal, bis einer der Jungs sich traute und erklärte: „Das Essen schmeckt fast wie in Spanien, da es, so wie es aussieht, von eurem Koch eher für die Jüngeren zubereitet ist. Einer meiner Mitreisenden meinte, wenn es die ganzen zwei Wochen so gut schmeckt, dann wird er sicher ein paar Pfunde mehr nach Hause schleppen oder am liebsten gleich ganz hierbleiben. Im Kinderheim, aus dem er kommt, hat er noch nie ein so hervorragendes Essen erhalten, wie hier. Die Auswahl an Getränken ist reichhaltig und trifft unseren Geschmack. Aber es gibt einige Getränke, die wir aus Spanien gar nicht kennen.“
Wer den Spruch mit dem Kinderheim und dem Hierbleiben losgelassen hatte, hatte ich mit meinen dürftigen touristisch angehauchten Spanischkenntnissen selbst verstanden und so betrachtete ich mir den Jungen etwas genauer. Er dürfte so etwa vierzehn Jahre sein, hatte dunkles Haar und erinnerte mich irgendwie an Jorge, als er noch ein kleines Kind gewesen war. Er hatte uns einmal ein Fotoalbum gezeigt, dass mit vielen Bildern aus seiner Kindheit gefüllt war.
Wie ich feststellen konnte, musterte auch Jorge den Jungen genau. Offensichtlich war ihm die Ähnlichkeit mit seinen Kinderbildern ebenfalls aufgefallen. Alejandro, der bemerkte, dass Jorge den Jungen auffällig anschaute, fragte ihn auf Deutsch: „Jorge, warum starrst du den Jungen so auffällig an?“ Jorge antwortete ihm: „Ich sehe in dem Jungen etwas, was mich an mein eigenes Aussehen während meiner Kindheit erinnert. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten, das könnte mein Sohn sein. Mein eigener Sohn ist aber erst sechs Jahre alt, also kann er es gar nicht sein und dass ich ein uneheliches Kind habe, sollte ich wissen. Die einzige Möglichkeit, die ich sehe, er könnte mein Neffe sein.“
Wir schauten alle fragend auf Jorge und so erzählte er uns, nachdem wir uns an einen anderen Tisch gesetzt hatten, die Geschichte: „Mein jüngerer Bruder ist vor etwa vierzehn Jahren im Alter von nicht ganz achtzehn Jahren Vater geworden und seine Eltern und die Eltern seiner Freundin haben darauf bestanden, dass von den Beiden das Kind zur Adoption freigegeben wird.
Er kann sich noch erinnern, dass der Junge, der den Namen Rafael erhalten sollte, auf dem spanischen Festland von einem Paar adoptiert wurde. Was aus dem kleinen Rafael geworden sei, wisse er aber nicht, da die spanischen Adoptionsbehörden keine Details herausgeben, wenn ein Kind in eine neue Familie gekommen ist. Da der Junge jedoch in einem Kinderheim lebt, ist seiner Anschauung nach, die Chance nicht sehr groß, dass es sich um seinen Neffen handeln könne.“
Ich winkte einen der spanischen Betreuer zu mir und fragte ihn, wie denn der Junge heißt und wo er herkommt. Der Betreuer meinte, Rafael lebe seit Jahren in Madrid im Kinderheim und aufgrund seines Alters sei es nicht leicht, ihn wieder in eine Familie zu vermitteln. Die genaue Lebensgeschichte des Jungen kenne er jedoch nicht, da er nicht aus seiner Gruppe sei, die er in dem Kinderheim betreut. Jorge erzählte ihm kurz die Geschichte, die er kurz vorher bereits uns erzählt hatte. Als er am Ende erklärte, dass er den Jungen gerne adoptieren würde, wenn es sich, wie er vermutet, um seinen Neffen handelt, schaute ihn der Betreuer nur an und meinte, das könnten nur die spanischen Behörden klären. Jorge wollte wissen, ob der Betreuer bereit sei, uns mit dem Jungen sprechen zu lassen, um mehr über sein Leben herauszufinden.
Ich erklärte dem Betreuer, dass es keinen Sinn macht, dem Jungen unnötige Hoffnungen zu machen, bevor nicht eindeutig geklärt ist, dass Jorge der Neffe von Rafael sei. Alejandro schaute Jorge an und sagte zu ihm: „Wenn es wirklich dein Neffe ist und uns die spanischen Behörden keine unüberwindbaren Hindernisse in den Weg legen, bin ich damit einverstanden, dass wir den Jungen adoptieren und zu uns nach Deutschland holen. Peter, wo können wir uns in aller Ruhe mit dem Jungen unterhalten, um mehr über seine Lebensgeschichte herauszufinden.“
Ich schlug vor, dass dieses Gespräch am besten im Besprechungsraum im Gutshaus stattfinden kann, da wir dort an einem Sonntagnachmittag nicht gestört werden. Zehn Minuten später befanden wir uns auf dem Weg zum Besprechungsraum. Thomas, Jorge und Alejandro, sowie der Betreuer und Rafael folgten mir.
Unterwegs meinte ich zu Jorge, er solle doch bitte mir die Befragung überlassen und nur genau zuzuhören, was der Junge zu erzählen habe. Alejandro sollte als Übersetzer fungieren, damit ich nicht mit meinen dürftigen Spanischkenntnissen etwas missverstehen würde.
Nachdem wir uns im Besprechungszimmer gesetzt hatten, erklärte ich: „Hallo Rafael, wir sind neugierig und wollen etwas mehr aus deinem Leben erfahren. Du hast vorher, bei der Diskussion um das Mittagessen gemeint, du würdest gerne hierbleiben. Mich würde interessieren, warum du diesen Satz gesagt hast und vor allem interessiert es mich, mehr über dein bisheriges Leben zu erfahren.“
Als Alejandro alles übersetzt hatte schaute mich der Junge an und stellte die Frage, warum mich das interessiere. Ich erklärte: „Wie du vielleicht mitbekommen hast, bin ich Chef der Organisation, die den Kindern und Jugendlichen diesen Urlaub ermöglicht hat. Als du vorher davon gesprochen hast, du würdest am liebsten hierbleiben, hat das meine Neugier geweckt und ich wollte von dir direkt erfahren, was dich zu dieser Aussage bewogen hat. Wir haben hier in Deutschland ein neues Projekt gestartet, bei dem Jugendliche aus Kinderheimen, wenn sie volljährig sind, während ihrer Ausbildung in eine eigene kleine Wohnung ziehen können, die von der Stiftung mitfinanziert wird. Mindestens bis zum Ende ihrer Ausbildung können sie in diesen Wohnungen verbleiben.“
Er lachte und meinte: „Und du würdest mir für meine Ausbildung einen solchen Platz anbieten können, wenn ich in zwei Jahren meine Schule erfolgreich beendet habe. Das würde mich zumindest interessieren, wobei ich dazu auf alle Fälle erst einmal Deutsch lernen müsste in den nächsten Jahren. Ich bin vor knapp vierzehn Jahren am vierzehnten September auf der Insel Mallorca geboren. Meine leiblichen Eltern kenne ich nicht, ich wurde sofort nach meiner Geburt zur Adoption freigegeben. Ich wohnte bis zu meinem achten Lebensjahr bei einem Ehepaar, das mich adoptiert hatte. Als die beiden kurz nacheinander verstarben, bin ich in diesem Kinderheim in Madrid gelandet, wo ich jetzt seit sechs Jahren lebe. Bisherige Versuche mich wieder in einer Familie unterzubringen, sind immer wieder gescheitert, da adoptionswillig Ehepaare eher Neugeborene oder noch ganz kleine Kinder bevorzugen, so wie ich eines gewesen bin, als ich damals adoptiert wurde.“
Thomas fragte ihn: „Wolltest du nie wissen, wer deine leiblichen Eltern sind?“ Rafael überlegt nur kurz und antwortete: „Bis jetzt nicht und wenn ich ehrlich bin, ich will es auch gar nicht wissen. Eltern, die ihre Kinder weggeben, werden ihren Grund dafür gehabt haben und sie werden auch kein Interesse besitzen, ihr Kind später wiederzusehen. Ich gehe bis jetzt immer noch davon aus, dass sie mich nicht wollten oder ich ihrem Leben im Weg war. Welche Gründe sollte ich haben, mich auf die Suche nach meinen Erzeugern zu begeben? Meine Mutter und mein Vater sind gestorben als ich knapp acht Jahre alt war. Und bis vor kurzem habe ich nicht einmal gewusst, dass meine Eltern eigentlich nur Adoptiveltern waren.“
Alejandro fragte ihn: „Gefällt dir dein jetziges Leben in einem Heim oder würdest du lieber wieder bei einer Adoptivfamilie leben?,Vvorausgesetzt es würde sich ein Paar finden, dass dich adoptieren will?“
Ich befürchtete, dass für Rafael diese Frage nicht so einfach zu beantworten sei und wollte schon ein anderes Thema anschneiden, als Rafael erklärte: „Ich habe mich mit dem Leben im Heim abgefunden, da kaum Hoffnung besteht, eine neue Familie zu finden. Sicher ist es nicht immer einfach, mit so vielen unterschiedlichen Kindern zusammenzuleben. Auf der anderen Seite, ich habe einige Freunde dort gefunden und es sind nur noch zwei Jahre, bis ich die Schule abschließen kann. Spätestens zu dem Zeitpunkt muss ich sowieso aus dem Heim ausziehen und werde während meiner Ausbildung in einem Jugendheim untergebracht. Sollte tatsächlich jemand Interesse zeigen und mich adoptieren wollen, dann würde ich vermutlich genau hinsehen, wer mich da adoptieren will. Ich weiß dass das, was schon einmal geschehen ist, also dass meine Adoptiveltern versterben, kann immer wieder vorkommen und ich müsste wieder ins Heim zurück. Das will ich nicht ein zweites Mal erleben, es hat beim ersten Mal zu lange gedauert, bis ich den Schock verarbeitet hatte.“
Ich hatte ihm in Ruhe zugehört und fand seine Antwort sehr klar definiert. Eigentlich wollte ich die Gesprächsführung wieder an mich reißen, doch diesmal kam mir Jorge zuvor. Er fragte Rafael, ob er sich vorstellen könne, dass er und Alejandro ihn gerne adoptieren würden und ihn wie ihr eigenes Kind behandeln würden. Der Betreuer schaute mich an und ich wollte gerade einschreiten, als Rafael erklärte: „Auf die Frage bin ich jetzt nicht vorbereitet, sie hat auch nichts mit meinem bisherigen Leben zu tun. Eine eindeutige Antwort kann ich euch auf diese Frage nicht geben, wie ich bereits vorher erzählt habe, würde ich mir meine neue Familie vorher genau ansehen wollen. Dürft ihr als schwules Pärchen denn überhaupt Kinder adoptieren? Ihr Zwei lebt hier in Deutschland und wollt einen spanischen Jungen adoptieren, ist das überhaupt möglich?“
Diesmal war ich es, der ihm antwortete: „Grundsätzlich sehe ich kein Problem bei einer Adoption. Viele Paare, die in Deutschland ihren Wunsch nach einem Adoptivkind nicht erfüllt bekommen, suchen sich im Ausland ein Baby und adoptieren es. Was mich jedoch weitaus mehr interessieren würde, ob du ein Problem damit hättest, wenn dich zwei Väter adoptieren würden. Dazu solltest du wissen, dass hier am Gutshof einige schwule Pärchen leben und arbeiten, unter anderem mein Sohn Philipp mit seinem Freund Marcus.
Eines sollte dir von Anfang an klar sein, wenn Alejandro und Jorge dich adoptieren, ein zurück in ein Heim würde es für dich nie mehr geben. Ab diesem Zeitpunkt gehörst du zur großen Gutshoffamilie und wenn denBbeiden wirklich etwas zustoßen sollte, wird dich die Großfamilie auffangen. Bevor du dich jetzt entscheidest oder mir antwortest, ich möchte dir gerne Christian und Benjamin vorstellen, die seit einem halben Jahr zur Gutshoffamilie gehören. Brauchen wir dazu Alejandro als Dolmetscher oder hast du genügend Englischkenntnisse, damit wir ohne ihn auskommen?“
Er grinste und meinte, mit deinen Spanischkenntnissen und meinen Englischkenntnissen sollten wir es schaffen, ohne einen Dolmetscher uns zu verständigen. Nachdem ich mit Christian telefoniert hatte und unser Erscheinen bei ihnen im Gesindehaus angekündigt hatte und er dafür sorgen wollte, dass wir zusammen mit seinem Bruder das Gespräch mit Rafael führen konnten, bat ich Alejandro, dem Betreuer zu erklären, was es mit den beiden auf sich hat, während ich mit Rafael unterwegs zu den Beiden war.
Zuvor sollte er dem Betreuer nur mitteilen, dass ich Rafael später bei ihm abliefern werde. Ihr könnt euch dann wieder euren sonstigen Aufgaben widmen. Ich sagte zu Rafael auf Spanisch, dass er mit mir mitkommen solle; die beiden Brüder würden uns bereits erwarten. Wir gingen ins Gesindehaus und ich lotste Rafael ins Dachgeschoß, wo ich bei Christian und Ludwig an die Tür klopfte. Benjamin öffnete die Tür und bat uns in Christians und Ludwigs Appartement.
Als wir uns gesetzt hatten erklärte ich auf Englisch, dass Benjamin und Christian Brüder sind, soweit hatte das Rafael auch noch problemlos verstanden. Benjamin arbeitet am Gutshof in der Stiftungsverwaltung und Christian macht seit Februar eine Ausbildung als Gärtner in unserem Gemüseanbaubetrieb. Auch damit hatte Rafael noch keine Schwierigkeiten.
Als ich ihm erklärte, dass die beiden Jungs schwul sind und dies von ihren Eltern nicht akzeptiert wurde und Christian deswegen von seinen Eltern in einer psychiatrischen Klinik untergebracht wurde, weil er damals noch nicht volljährig war, sah er sich die Brüder doch etwas genauer an. Ich bat die beiden Jungs ihm ihre ganze Geschichte zu erzählen und warum sie heute auf dem Gutshof leben.
Als erster erzählte Benjamin in Kurzform, warum er nicht in der Klapsmühle gelandet ist. Er war bereits neunzehn Jahre alt, als Christian sich bei seinen Eltern outete. Christian war zu diesem Zeitpunkt gerade erst einmal knapp sechzehn und ein halbes Jahr alt, als er von seinen Eltern in die Psychiatrische Klinik gebracht wurde.
Kurz nach seinem siebzehnten Geburtstag hatten die beiden beschlossen, wenn Christian achtzehn sei und nicht mehr gegen seinen Willen in der Klinik festgehalten werden konnte, wollten sie sich eine gemeinsame Wohnung einrichten.
Danach erzählte Christian aus seiner Sicht, wie sich alles abgespielt hat: „Benjamin hat bei einem kleinen Unternehmen gearbeitet, das leider nur eine Kundin hatte. Als diese verstarb und ihr gesamtes Vermögen der Stiftung vererbte, wäre Benjamin beinahe arbeitslos geworden, weil er keinen neuen Chef haben wollte. Auf Wunsch seines vorherigen Chefs hat er sich doch mit Peter getroffen und dann in der Stiftung angefangen.
Dummerweise hat ihm Peter noch am Tag seines Vorstellungsgesprächs direkt ins Gesicht gesagt, dass er schwul sei und sich in Bernhard verknallt habe. Er fürchtete schon seinen Job wieder zu verlieren, wobei ihm Peter erklärt hat, dass er selbst mit einem Mann zusammenlebt. Im Laufe des gleichen Nachmittags hat es Peter tatsächlich geschafft ihm auch noch sein dunkelstes Geheimnis, meinen Aufenthalt in der Klinik zu entlocken.
Peter hat es mit Hilfe des Jugendamtes geschafft mich noch am gleichen Tag aus der Klinik herauszuholen und mich am Gutshof unterzubringen. Seit kurz vor Weihnachten letzten Jahres lebe ich hier in diesem Appartement und wenige Tag später ist Ludwig, den ich hier am Gutshof kennengelernt habe bei mir eingezogen. Eines habe ich in dem halben Jahr dabei gelernt, wenn Peter etwas in die Hand nimmt, dann zieht er es bis zum Ende durch.
Ein Beispiel aus der jüngsten Zeit ist das Jugendhotel in Österreich, ein Hotel aus einer Erbschaft für die Stiftung, das kurz vor dem Konkurs stand. Peter wird es im nächsten halben Jahr zu einem Jugendhotel umbauen, in dem ab dem nächsten Jahr auch Kinder aus benachteiligten Familien übernachten werden.
Rafael hatte bis dahin alles so weit verstanden, auch wenn es an manchen Stellen doch etwas holprig voranging. Seine Englischkenntnisse waren nicht mit denen von Benjamin und Christian oder meinen zu vergleichen und mit meinen Spanischkenntnisse war es auch nicht immer einfach, alles perfekt zu erklären.
Er meinte, das, was Christian widerfahren ist, möchte er für sich selbst nicht erleben. Er gehe jedenfalls davon aus, dass er nicht auf Jungs stehe. Ich erklärte ihm, in deinem Alter hat das meistens keiner gewusst, dass er sich zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlt. Normalerweise kommt das während der Pubertät, aber in manchen Fällen, wie zum Beispiel bei mir, hat es nach der Pubertät noch rund zwanzig Jahre gedauert, bis ich mich in Thomas verliebte.
Ich bedankte mich und wollte mit Rafael bereits gehen, als Benjamin fragte, ob sie beide ihm jeweils ihren Freund vorstellen dürften. Raffael grinste und meinte, ja gerne, mich würde schon interessieren, wen ihr euch geangelt habt.
Benjamin verschwand kurz und brachte Bernhard und Ludwig mit zurück. Benjamin und Christian stellten Rafael jeweils ihren Freund vor und Rafael fragte sie, woran sie gemerkt haben, dass Benjamin und Christian diejenigen sind mit denen sie ihr weiteres Leben verbringen wollen.
Bernhard erklärte dazu: „In dem Moment, wo mir Benjamin das erste Mal über den Weg gelaufen ist, hatte ich sofort Schmetterlinge im Bauch und du wirst es nicht glauben, Peter hat sofort bemerkt, dass sich zwischen uns beiden etwas anbahnt und hat uns beide auch darauf angesprochen. Ich habe Benjamin gefragt, ob er bei mir mit einziehen will, nachdem Peter Christian in diesem Appartement einquartiert hat.
Klar hat er sofort zugesagt und das, obwohl ich selbst noch nicht einmal eingezogen war und die beiden Appartements noch völlig leer standen. Die Küche für mein Appartement war schon gekauft und sollte zwei Tage später aufgebaut werden und für das Wochenende war geplant, dass wir die Möbel kaufen wollten.“
Benjamin erzählte weiter: „An jenem Samstag sind wir mit drei Autos nach München gefahren und haben die Möbel für die beiden Appartements gekauft. Ich habe mit Bernhard zusammen die Möbel für unser Appartement ausgewählt und Christian hat die Einrichtung für sein Appartement zusammengestellt.
Bernhard hat doch erzählt, dass seine Küche am Freitag davor geliefert werden sollte, Peter hat es geschafft, dass auch Christians neue Küche an diesem Freitag geliefert und aufgebaut wurde. Am Sonntag haben dann alle geholfen unsere Möbel aufzubauen und Bernhard und ich haben unsere erste Nacht in unserem Appartement verbracht.“
Rafael bedankte sich für ihre Auskünfte und meinte: „Ich sollte mich wohl so langsam bei meiner Gruppe blicken lassen, nicht dass sie glauben ich sei entführt worden. Ich hoffe ich sehe euch in den nächsten drei Wochen, in den ich meine Ferien hier verbringe noch öfter und kann einige von euren Freunden kennenlernen.“
Wir verließen die vier Jungs und gingen durchs Treppenhaus nach unten in Richtung zum Zeltplatz. Ich erklärte ihm noch, dass im Dachgeschoß in den weiteren Wohnungen zum einen Bernhards Bruder Andreas mit seinem Michael wohnt und die große Wohnung von unserer Sozialarbeiterin Marion mit Jens und ihren beiden Söhnen bewohnt wird. Unterwegs fragte er mich: „Glaubst du wirklich, dass Alejandro und Jorge mich adoptieren wollen oder steckt da doch etwas anderes dahinter?“
Nach kurzer Überlegung antwortete ich ihm: „Wenn die Beiden sagen, sie wollen dich adoptieren, dann gehe ich davon aus, dass sie sich das sehr gut überlegt haben. Was auch immer der Grund dafür sein mag, interessiert mich nicht. Vielleicht wollen sie dich adoptieren, weil sie von deiner Geschichte beeindruckt waren und dir wieder eine Chance auf eine kleine Familie geben wollen.
Ich kann dir nur sagen, Platz haben sie für dich in ihrer Wohnung. Du hättest sogar dein eigenes Zimmer. Eines ist sicher, sie werden nur einen Adoptionsantrag stellen, wenn du vorher signalisierst, dass du dir ein Zusammenleben mit den Beiden und allen anderen auf dem Gutshof vorstellen kannst. Du solltest dir das nur nicht zu lange überlegen, so könnten Jorge und Alejandro noch während deines Aufenthalts in Deutschland den Antrag stellen und du bereits anfangen Deutsch zu lernen.“
Wir waren zwischenzeitlich bei den Zelten angekommen und ich übergab Rafael seinem Betreuer mit den Worten: „Hier bringe ich euch Rafael zurück, er hat sich gut mit unseren beiden früheren Sorgenkindern unterhalten und ihre Freunde kennengelernt. Siekonnten ihm zumindest deutlich zeigen, dass sie sich hier am Gutshof sehr wohl fühlen, nachdem beide von ihren Eltern verstoßen wurden. Jetzt liegt es an ihm, sich zu entscheiden, ob er das Risiko eingehen kann und will, von Jorge und Alejandro adoptiert zu werden. Ich habe ihm versprochen, auch wenn Jorge und Alejandro etwas passieren sollte, er kann trotzdem auf dem Gutshof bleiben und wird keinesfalls in ein Heim abgeschoben.“
Ich ging ins große Zelt, um nachzusehen wie es den Freiwilligen ergangen ist, beim Laden der Geräte und ob die Rückgabe an die Eigentümer ohne große Probleme abläuft. Felix lachte und meinte: „Viele kommen viel zu früh und wollen ihr Smartphone wiederhaben, zaubern kann leider keiner von uns.
Es dauert seine Zeit, bis die Geräte voll aufgeladen sind. Inzwischen haben wir fast einhundertfünfzig Geräte entgegengenommen und rund siebzig Smartphones sind wieder bei ihren Besitzern. Christian und Ludwig werden mich gleich ablösen, dann würde ich gerne mit dir unter vier Augen sprechen.“
In dem Ernst, in dem Felix das sagte, befürchtete ich schon eine Katastrophe. Wobei, die hätte er mir auch so erzählen können, dafür dazu braucht es kein Vier-Augen-Gespräch. Zumindest hatte er mich neugierig gemacht, was da nachher kommen würde von ihm. Ich erklärte Felix, dass wir uns gerne nachher treffen können, da ich jetzt ins Hof Café verschwinde und mir dort einen Kaffee und ein Stück Kuchen genehmigen werde. Er könne gerne nachkommen, einen Kaffee genießen und mit mir reden.
Dort angekommen fragte mich meine Tochter sofort, was mich heute Nachmittag ins Hof Café geführt hätte. Ich erklärte ihr, dass ich ein Stück Käsekuchen haben möchte und einen großen Cappuccino. Felix kommt nachher und will mit mir ein Gespräch unter vier Augen führen und dazu brauche ich einen ruhigen Tisch, an dem nicht unbedingt andere mithören können.
Sie schaute mich an und meinte: „Inzwischen ist es wieder etwas ruhiger hier, ich denke du solltest dich trotzdem nicht ans Fenster setzen, sondern eher hinten in die Ecke. Unsere Gäste sitzen lieber am Fenster, solange dort Plätze frei sind.“
Nach knapp einer viertel Stunde stand Felix neben mir und meinte zu Martina“ „Ich nehme das gleiche wie dein Vater, einen Cappuccino und dazu einen Käsekuchen, aber einen mit Früchten, sofern du noch einen hast.“ Martina versicherte ihm: „Du bekommst einen Käsekuchen mit Aprikosen und dazu den gewünschten Kaffee. Sonst noch irgendwelche Wünsche?“ und schaute mich dabei intensiv an. Ich meinte nur ich wäre fast wunschlos glücklich, sie könne mir nach meinem Cappuccino noch ein Haferl Milchkaffee bringen.
Als sie uns das Gewünschte brachte fragte ich sie, wo ihre beiden Kinder seien. Sie meinte, die sind irgendwo bei den Zelten, hier ist es ihnen heute zu langweilig. Bei den vielen Kindern und Jugendlichen fallen meine Zwei überhaupt nicht auf. Außerdem hat vorher Marion angerufen und gefragt, ob ihre beiden Jungs bei mir im Café wären. Ich habe ihr nur erklärt, dass die Viererbande sich auf dem Zeltplatz bei den anderen Kindern herumtreibt. Ich fürchte in den nächsten Wochen werden wir unsere Kinder immer bei den anderen Kindern und Jugendlichen auf dem Zeltplatz finden. Marion meinte noch, dann warten wir einmal ab, wann sie die ersten Freunde mit nach Hause bringen. Inzwischen waren neue Gäste ins Café gekommen und Martina kümmerte sich um sie.
Ich fragte Felix: „Was ist so wichtig, dass du mit mir ein Vier-Augen-Gespräch führen willst. Ich hoffe es ist keine neue Katastrophe, die auf uns zukommt.“
Felix lachte und begann zu erklären, nachdem er sich wieder etwas gefangen hatte: „Peter, was denkst du von mir, für Schwierigkeiten brauche ich kein Vier-Augen-Gespräch, das kann ich dir auch so sagen, ausgenommen, ich wäre der Grund für die Katastrophe. Da es hier aber nicht so ist, solltest du dir über mich oder irgendwelche Probleme mit der Zeltstadt oder meiner Arbeit ausnahmsweise keine großen Gedanken machen.
Nach einer kurzen Pause erzählte er mir dann: „Ich hatte vorher, als es bei den Handys etwas ruhiger war, ein längeres Gespräch mit Richie, eigentlich heißt er ja Richard, einem knapp sechzehnjährigen Teenager aus der Gruppe der Thüringer Kinder und Jugendlichen. Er erzählte mir, dass er bisher in seiner Heimat noch keinen Ausbildungsplatz gefunden hat.
Als ich ihn fragte, was er lernen möchte, antwortete er mir, dass er gerne in einer Gärtnerei lernen und arbeiten möchte. Soweit ich mitbekommen habe, sucht Manuel für seinen Gemüseanbau keinen weiteren Auszubildenden, jedoch für den Verkauf. Ich habe kurz mit Manuel telefoniert und er hat mir das auch bestätigt.
Ich unterbrach ihn und sagte zu ihm: „Ich sehe schon, du bist im Gutshof endgültig angekommen und hast meine Einstellung zum Helfen verinnerlicht. Du willst sicher wissen, ob du ihm diesen Ausbildungsplatz bei Manuel anbieten kannst und wie ich zu dieser Angelegenheit stehen werde. Grundsätzlich finde ich dein Engagement hervorragend, du kannst gerne mit ihm darüber reden und wenn er wirklich Interesse hat, finden wir dafür sicher eine Lösung.“
Er schaute mich an und erklärte mir dann: „Ehrlich gesagt, ich hätte es gerne getan, nur ich weiß nicht, wo wir den Jungen unterbringen sollen während seiner Ausbildung. Hätte er sich ein Jahr später mit mir über dieses Thema unterhalten hätte ich gesagt, ich rede mit unserem Chef, wir hätten da noch einen Ausbildungsplatz für ihn und wir haben für dich auch eine Unterkunft im neuen Jugendwohnheim, wo du während deiner Ausbildung wohnen kannst. In der derzeitigen Situation kann ich ihm zwar den Ausbildungsplatz anbieten, aber keine Unterkunft.“
Ich schaute Felix an und meinte: „Das sehe ich genauso wie du, aber wie dir bereits aufgefallen sein sollte, hat sich bisher für jedes Problem eine Lösung gefunden, also wird sich auch dafür etwas finden. Wie schätzt du Richard ein, ist er Hetero oder kann er, so wie du, eher mit Jungs etwas anfangen?“
Felix dachte nach und erklärte mir, seiner Meinung nach würde Richard nicht auf Jungs abfahren, zumindest habe er nicht versucht mit ihm zu flirten. Ich bat ihn Richie zu suchen und zu einem Gespräch hierherzubringen, damit wir ihm auf den Zahn fühlen können, wie er zu einem Ausbildungsplatz in unsere Gärtnerei stehen würde. Felix eilte kurzentschlossen davon um Richie zu suchen.
Ich überlegte in der Zwischenzeit, welche Möglichkeiten wir noch haben, um den Jungen unterzubringen, wenn er denn wirklich an diesem Ausbildungsplatz interessiert sein sollte. Immerhin fand ich mehrere Möglichkeiten. Zum einen im Seminarhotel in einem der Personalzimmer, direkt auf dem Gutshof im Gästezimmer bei Daniel und Manuel oder bei Thomas und mir. Eine weitere Möglichkeit wäre vielleicht, ihn direkt in der Gärtnerei bei Daniels Eltern im Jugendzimmer von Daniel unterzubringen, sofern er nicht doch schwul sein sollte, was dort vielleicht zu Problemen führen könnte.
Während ich noch weiter überlegte, standen die Beiden plötzlich neben mir und ich fragte Richie, ob er auch einen Kaffee und einen Kuchen haben will. Als er dies bejahte, meinte ich, er soll doch bitte an der Theke sich einen Kuchen aussuchen und dann bei meiner Tochter Martina bestellen. Richie ging zur Theke, Felix setzte sich wieder an seinen Platz und sagte mir, dass er sich jetzt definitiv sicher sei, dass Richie nicht auf Jungs stehe.
Ich telefonierte kurz mit Manuel und fragte ihn, ob er in fünfzehn bis zwanzig Minuten mit Daniel im Café sein könne. Wir hätten etwas Wichtiges mit ihm zu besprechen. Er sagte sofort zu und versprach auch, Daniel mitzubringen. Inzwischen war Richie wieder bei uns am Tisch und setzte sich zu uns. Martina brachte Kaffee und Kuchen und fragte, ob wir noch etwas haben wollen. Felix meinte, er nehme noch einen Cappuccino, während ich meinte, ich hätte noch genügend und bräuchte momentan nichts.
Nachdem Martina wieder auf dem Weg zur Theke war, fragte ich Richie: „Was hat Felix dir bereits alles erzählt, als ihr Beide auf dem Weg hierher gewesen seid?“ „Im Grunde genommen nicht viel“ meinte er, „nur dass sie ein Bewerbungsgespräch mit mir führen wollen und dass sie eventuell einen Ausbildungsplatz für mich wüssten in einer Gärtnerei.“
Zuerst schaute ich nur Felix an und danach Richie und sagte zu ihm: „Das hochoffizielle „Sie“ kannst du dir ersparen, ich bin einfach nur Peter. Alle Mitarbeiter nennen mich nur beim Vornamen und wenn du als Auszubildender in der Gärtnerei Winter lernen solltest, bin ich dein Chef und somit gilt diese Anweisung auch für dich.
Es ist richtig. Wir suchen noch einen Auszubildenden für die Gärtnerei, der jedoch sowohl im Verkauf der Produkte im Laden als auch in der Produktion tätig sein soll. Wenn du willst, kannst du dir in den nächsten Tagen den Betrieb einmal anschauen. Er ist nicht auf dem Guthofgelände aber seine Anbauflächen und die Gärtnerei sind in unmittelbarer Nachbarschaft. Bevor du eine Entscheidung triffst solltest du wissen, dass in den Teilbetrieben des Gutshofes viele schwule Mitarbeiter angestellt sind. Der Betriebsleiter der Gärtnerei fällt unter diese Kategorie und, falls du damit ein Problem haben solltest, kann ich es verstehen, wenn du an einer Bewerbung nicht mehr interessiert bist.“
Ich erwartete jetzt eine Reaktion von ihm und zuerst schaute er mich nur etwas verwundert an. Bevor er antworten konnte, fragte ihn Felix: „Kannst du dir vorstellen, dass ich auch einer dieser schwulen Kollegen sein könnte? Im Übrigen beginne ich ebenfalls am ersten September meine Ausbildung am Gutshof als Bürokaufmann in der Stiftung Sonneneck.“
Diesmal antwortete Richard sofort: „Vorstellen kann ich es mir nicht, da du nicht wie ein Schwuler auf mich wirkst. Aber wenn du mich so direkt danach fragst, muss ich zumindest davon ausgehen, dass du auch zu dieser Gruppe gehörst. Im Übrigen könnt ihr davon ausgehen, dass ich nichts gegen Schwule habe, da mein bester Freund im Kinderheim auch zu dieser Minderheit gehört. Ich bin der Einzige, dem er bisher davon erzählt hat.“
Bevor ich reagieren konnte, war Felix wieder schneller gewesen und sagte zu ihm: „Richtig geraten, mein Herzblatt ist derzeit mit eurer zweiten Gruppe nach Österreich gefahren. Er beginnt ebenfalls im September seine Ausbildung zum Hotelkaufmann im angeschlossenen Seminarhotel und wir beide werden im Sommer nächsten Jahres in eine gemeinsame Wohnung einziehen. Ich habe noch eine weitere Frage an dich, würdest du bei Peter vermuten, dass er ebenfalls mit einem Mann zusammenlebt?“
Richie schaute mich an und erklärte dann: „Nein, er kann nicht schwul sein. Er hat mich doch vorher zu seiner Tochter geschickt, wo ich mir den Kuchen aussuchen und einen Kaffee bestellen sollte. Ein Familienvater mit Kindern kann nicht schwul sein und mit einem Mann zusammenleben.“
Diesmal war ich der schnellere und erklärte Richie: „Diesmal liegst du völlig daneben, ich bin bisexuell, was ich aber lange Zeit selbst nicht wusste. Als meine Frau vor achtzehn Jahren an Brustkrebs verstarb, war Thomas derjenige der sich um mich und meine Kinder kümmerte, wenn es uns wieder einmal nicht so gut ging. Daraus hat sich so nach und nach unsere Beziehung entwickelt.“
Ich sah im Augenwinkel, dass Daniel und Manuel ins Café eintraten und nach mir suchten. Als sie mich entdeckt hatten kamen sie schnell näher. Ich meinte, sie sollen sich doch bei Martina etwas bestellen und sich dann zu uns an den Tisch setzten.
Manuel meinte zu Daniel, wie immer, mein Schatz, und, nachdem dieser nickte, ging er zurück zu Martina, um seine Bestellung loszuwerden. Manuel hatte sich einen weiteren Stuhl geholt und bereits zu uns an den Tisch gesetzt, als Daniel zurückkam. Fasziniert betrachtete Richie die beiden Jungs und fragte sie: „Ihr zwei seid ein Pärchen?“
Manuel grinste und meinte: „Bist du jetzt schockiert? Ich gehe doch davon aus, dass Peter oder Felix dir zumindest erklärt haben, dass dein zukünftiger Ausbilder schwul ist und mit einem hübschen Kerl zusammenlebt? Daniel ist noch Auszubildender in der Gärtnerei mit verkürzter Ausbildungszeit, da er vorher bereits eine Ausbildung als landwirtschaftlicher Helfer absolviert hatte. Wir kannten uns schon aus unserer Schulzeit, aber erst später sind wir zusammengekommen, als wir uns bei der Arbeit auf den Feldern über den Weg gelaufen sind.“
Richie antwortete ihm: „Schockiert bin ich sicher nicht. Nur habe ich nicht gewusst, dass du und dein Freund zu diesem Gespräch dazukommen. Die Beiden haben mit keinem Wort erwähnt, dass du zu dem Bewerbungsgespräch dazukommen solltest. Ich bin davon ausgegangen, dass Peter dieses Gespräch führen wird und Felix nur dabei ist, weil wir uns im großen Zelt darüber unterhalten haben.“
Ich mischte mich wieder ein und erklärte Richie, dass ich Manuel angerufen habe und ihn gebeten habe zu diesem Gespräch zu kommen, da er letztendlich derjenige sein wird, der ihn während deiner Ausbildungszeit betreuen wird. Er hat die endgültige Entscheidungshoheit, wen er als Auszubildenden in die Gärtnerei holt.
Jetzt übernahm Manuel die Gesprächsführung für das Bewerbungsgespräch und fragte er Richie nach seinen persönlichen Daten und seinem bisherigen Lebensweg. Richard erzählte uns von seinen Eltern, die sich vor zwölf Jahren scheiden ließen, und, als seine Mutter bei einem Unfall ums Leben kam, wäre er gerne zu seinem Vater gegangen. Da dieser zu dem Zeitpunkt bereits von seiner unheilbaren Krebserkrankung wusste, hat er die Verantwortung abgelehnt sich um seinen Sohn zu kümmern, damit dieser nicht noch einmal in seiner Entwicklung ausgebremst wird, wenn er eines Tages nicht mehr wäre. Seine Mutter starb, als er acht Jahre alt war und seinen Vater verlor er mit zehn Jahren. Seit über sieben Jahren lebe er bereits in dem Kinderheim in Thüringen und spätestens mit achtzehn Jahre würde er dort ausziehen müssen.
Manuel bat ihn zu erklären, warum er sich gerade für einen Ausbildungsplatz in einer Gärtnerei interessiere. Richard, genannt Richie, erklärte ihm: „Ich habe lange überlegt, was ich erlernen möchte. Erst während meiner Schnupperlehre in einer Gärtnerei habe ich erkannt, dass mir das gefallen würde. Ich habe zwar in einer Gärtnerei geschnuppert, die nur Blumen anbaut und vermehrt, aber das hat mir zumindest gefallen. Danach habe ich mich im Internet informiert und festgestellt, dass es bei Gärtnereien nicht nur den Blumenanbau sondern noch weitere Möglichkeiten gibt. Dabei bin ich beim Gemüseanbau hängen geblieben, denn Obst und Gemüse isst doch jeder. Bei allen Gartenbaubetrieben, die Gemüse anbauen und in meiner Heimat liegen, habe ich bisher nur Absagen erhalten, da sie bereits alle Ausbildungsstellen für dieses Jahr vergeben hätten. Ich hätte zumindest im nächsten Jahr eine Chance gehabt, aber so lange wollte ich nicht warten. Deshalb habe ich nach Absprache mit dem Jugendamt auch Firmen angeschrieben, die weiter entfernt lagen. Leider habe ich bisher auch von dort nur Absagen erhalten. Als ich vorher mein Smartphone vom Aufladen holen wollte und es noch nicht fertig war, habe ich mich etwas mit Felix unterhalten und ihm von meinem Dilemma bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz erzählt. Ich konnte nicht ahnen, dass er seinen Chef deswegen ansprechen wird und war komplett überrascht, als er vorher kam und meinte, er würde mich zu einem Vorstellungsgespräch abholen.“
Manuel schaute ihn kurz an und sagte zu ihm: „Soll das bedeuten, dass du ohne konkrete Absicht mit Felix über deine Probleme gesprochen hast.“ Richie erklärte ihm, dass es wirklich so gewesen ist und er es Felix eigentlich nur so erzählt hat, weil er einfach mit einem fast Gleichaltrigen darüber reden wollte.
Martina kam an den Tisch und meinte, sie will das Café jetzt absperren, außerdem gibt es drüben im großen Zelt gleich das Abendessen. Ich erklärten ihr, dass wir unser Gespräch sofort beenden und sie in den verdienten Feierabend gehen kann. Ich meinte, wir gehen ins große Zelt, dort können wir unser Gespräch weiter fortsetzen, sofern wir einen Platz für uns finden.
Wir standen auf, ich bedankte mich bei meiner Tochter und bezahlte unsere Kaffees und die verspeisten Kuchen. Wir gingen in Richtung Zelt, als Manuel meinte, wir könnten auch zu uns ins Verwalterhaus gehen. Dort wäre es erheblich ruhiger als im Zelt. Dann kann Richie auf noch gleich unsere beiden Chefs des landwirtschaftlichen Bereichs kennenlernen. Jonas und Tim sollten zuhause sein. Manuel lag richtig, im Zelt herrschte eine ordentliche Lautstärke. Somit war klar, dass wir dem Vorschlag von Manuel folgen und ins Verwalterhaus gingen. Zuerst stellte Daniel seine Mitbewohner, Jonas und Tim vor.
Er erklärte Richie, dass Jonas mein Neffe sei, der mit seinem Tim den landwirtschaftlichen Betrieb leiten und Beide studieren parallel in Weihenstephan. Ich fragte kurz nach, ob wir hier vielleicht auch zu Abend essen könnten und was ich für uns ordern soll. Wir einigten uns darauf, dass wir dasselbe Essen wollten, was es auch drüben im Zelt gibt. Ich rief bei Thomas an und bat ihn für acht Personen Essen im Zelt zu besorgen und zu uns ins Verwalterhaus zu kommen.
Wir setzten uns an den großen Tisch und ich fragte Richie, ob er sich eine Ausbildung in der Gärtnerei vorstellen könne. Er erklärte vor allen: „Das, was ich bis jetzt von euch erfahren haben, sagt mir, dass die Entscheidung eigentlich sehr einfach ist. Wenn ihr mich als Auszubildenden wollt, will ich im September meine Ausbildung hier anfangen. Ich werde nachher mit meinem Gruppenbetreuer reden und ihm meinen Entschluss mitteilen, meine Ausbildung hier zu absolvieren. Er kann dann alles in die Wege leiten, dass der Ausbildungsvertrag unterschrieben wird und das Jugendamt sich um eine Unterkunft kümmert.“
Ich schaute ihn an und erklärte ihm, das Problem mit der Unterkunft beschäftigt mich schon seit einiger Zeit. Ich habe mir bereits verschiedene Möglichkeiten überlegt. Ich schaute Manuel an und fragte ihn, ob er sich vorstellen könne, dass Richie im Haus seiner Eltern unterkommen kann.
Manuel meinte: „Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, selbst wenn Richie nicht schwul ist.“ Er schaute zu Daniel und danach zu Tim und Jonas und fragte sie: „Könnt ihr euch vorstellen, dass Richie während seiner Ausbildung bei uns im Gästezimmer unterkommen kann, zumindest so lange, bis im nächsten Jahr die neuen Wohnungen und Appartements für die Jugendlichen fertig werden?“
Tim und Jonas schauten sich an und Tim erklärte: Wenn es keine andere vernünftige Lösung gibt, sind wir gerne bereit Richie in unserem Gästezimmer einzuquartieren. Immer unter der Voraussetzung, er hat kein Problem mit vier jungen Schwulen unter einem Dach zu leben.“
Richie reagierte sofort und sagte zu ihm: „Immerhin hätte es eine gewisse Ähnlichkeit mit meinem Leben im Kinderheim, auch wenn es in diesem Fall eine Wohngemeinschaft wäre. Euch ist schon klar, dass ich im Heim auch nur mit Jungs in einer Gruppe zusammenlebe und so viel Unterschied dazu gäbe es hier nicht. Das Einzige, was mir fehlen wird, ist mein bester Freund Johannes, der dann in Thüringen zurückbleiben wird. Er hat einen Ausbildungsplatz als Bürokaufmann gefunden und fängt mit seiner Ausbildung bereits am ersten August an. Er wird traurig sein, wenn ich so weit weg meine Ausbildung absolviere und wir uns nur noch gelegentlich treffen können.“
Thomas kam mit dem Abendessen und Tim bat ihn, mit ihm in der Küche alles für das gemeinsame Abendessen vorzubereiten. Er erzählte Thomas, dass Richie sich soeben entschlossen habe seine Ausbildung bei Manuel zu beginnen und wir nun am Überlegen seien, wo wir ihn bis zum Sommer nächsten Jahres unterbringen können, da die neuen Appartements für die Auszubildenden erst zu diesem Zeitpunkt fertiggestellt werden.
Versehentlich erzählte er noch, dass Richie traurig sei, dass er seinen besten Freund in Thüringen zurücklassen müsse, da dieser dort bereits einen Ausbildungsplatz als Bürokaufmann gefunden habe. Thomas, der davon ausging, dass beide schwul seien, dachte nach und suchte ebenfalls nach einer Lösung. Doch eher nicht wegen der Unterbringung, sondern eher wegen der Trennung der beiden Freunde.
Tim rief aus der Küche und meinte zu Jonas, dass er den Tisch decken könne. Sie wären in kürze fertig und wir könnten dann gemeinsam essen. Jonas stand auf und ging zu den beiden in die Küche, er wollte wissen, was Thomas mitgebracht hatte und welches Geschirr er aufdecken sollte.
Kurze Zeit später kam er mit einem Tablett, beladen mit Gläsern und Brotzeittellern, sowie mit Besteck zurück und deckte den Tisch, während wir uns weiter unterhielten. Ich hatte gerade erzählt, dass Richie möglicherweise auch im Seminarhotel in einem der Personalzimmer schlafen könne und von dort zur Gärtnerei kommen könne.
Jonas meinte, das höre sich interessant an. Wir sollten jedoch bedenken, dass Richie zum einen keinen Führerschein habe und deshalb jeden Tag von Daniel oder Manuel dort abgeholt werden müsse. Manuel meinte, so groß sei der Umweg nicht, das würde sich sicher arrangieren lassen. Was macht er am Wochenende? Er ist immer darauf angewiesen, dass ihn jemand im Seminarhotel einsammelt? Tim und Thomas kamen mit dem Abendessen, stellten es auf den Tisch und so verstummte die Diskussion.
Nach dem Abendessen blieb Thomas sitzen und sagte zu Richie: „Ich habe von Tim gehört, dein Freund will eine Ausbildung als Bürokaufmann machen und hat bereits einen Ausbildungsplatz in Thüringen, während du dich entschieden hast, deine Ausbildung hier am Gutshof zu machen. Wenn ich Tim richtig verstanden habe, würdest du gerne deinen Freund in deiner Nähe haben, wenn du für ihn hier einen Ausbildungsplatz finden würdest. Eure Diskussion wegen der Unterbringung habe ich mitbekommen, zusammen mit deinem Freund wird sich das Problem nicht verkleinern. Es wird noch schwieriger für euch Zwei eine Wohnung oder Unterkunft zu finden.“
Richie schaute Thomas an und sagte zu ihm: „Ich glaube du hast da etwas missverstanden. Hannes ist mein bester Freund, aber nicht mein Freund. Ich bin bisher noch solo, dass solltest du wissen. Wir bräuchten keine gemeinsame Unterkunft, sondern höchstens eine Art Wohngemeinschaft. Hannes ist zwar schwul, ich bin durch und durch Hetero und nur an hübschen Käfern interessiert, die ich flachlegen kann. Ich bin auch gar nicht so überzeugt, dass er mit mir kommen würde. Ich müsste ihn vielleicht erst einmal fragen, ob er sich auf so einen Ortswechsel überhaupt einlassen würde.“
Ich hatte mir das in Ruhe angehört und erklärte Richie: „Willst du überhaupt, dass er mit dir hierherziehen würde, um eure Freundschaft weiter bestehen zu lassen. Du wirst hier schnell neue Freunde finden. Mein Vorschlag: Schicke ihm eine Nachricht, dass du hier für dich einen Ausbildungsplatz gefunden hast und warte ab, wie er darauf reagiert. Wenn er von sich aus auf die Idee kommt, er möchte zusammen mit dir seine Ausbildung in Bayern absolvieren, setzen wir uns noch einmal mit Thomas zusammen und überlegen, was wir ihm anbieten können.“
Richard fragte, ob er ihm diese Nachricht sofort schicken kann, wenn er sein Smartphone wieder zurückhat und es aufgeladen ist. Er erklärte, dass er jetzt ins große Zelt geht um sein Smartphone zu holen und anschließend mit seinem Gruppenleiter über seinen möglichen Ausbildungsplatz sprechen will. Er bedankte sich bei Daniel und mir, dass wir ihm diese Chance geben wollen, und verabschiedete sich von uns.
Nachdem er gegangen war, meinte Thomas zu uns: „Wenn sein Freund wirklich mit ihm mitkommen will, wir suchen bei uns einen Bürokaufmann. Eine Ausbildungsstelle ist noch unbesetzt. Mir war es etwas peinlich, dass ich davon ausgegangen bin, dass es sich bei Hannes um seinen Freund handeln würde. Für das Wohnungsproblem finden wir sicher in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt eine Lösung. Entweder nur für Richard oder notfalls auch für beide Jungs. Barbara wird da schon etwas einfallen oder einen unserer Vorschläge prüfen.“
Manuel war sich noch nicht so sicher, ob Richie wirklich den Ausbildungsplatz annehmen würde und fragte nach unserer Meinung. Ich erklärte Manuel: „Wenn du mich allein fragen würdest; ich sehe keine Gefahr, dass er deinen Ausbildungsplatz nicht annehmen wird. Ich habe ihn sehr intensiv beobachtet und bin fest davon überzeugt. Du hättest seine Augen sehen sollen, als wir ihm das Angebot unterbreitet haben. Vorher, als ich meinte, er würde hier schnell neue Freunde finden, wir haben ja nicht nur schwule Auszubildende, meinte er das er sich das schon vorstellen könne.“
Felix vertrat seine Meinung und erklärte: „Ich sehe das ähnlich wie Peter, er wird das Angebot des Ausbildungsplatzes annehmen. Ich habe sein Gespräch mit mir als eine Art Hilferuf verstanden und unser Angebot für einen Arbeitsplatz mit Wohnmöglichkeit wird er sicher nicht ablehnen. Differenzierter sehe ich die Angelegenheit mit seinem Freund Hannes. Ich kann mir durchaus vorstellen dass er ebenfalls die Chance ergreifen wird, wenn er einen Vorteil darin sieht. Wir sollten einfach abwarten, wie er reagiert.“
Manuel, der sich bis zu diesem Zeitpunkt aus der Diskussion herausgehalten hat, erklärte uns: „Ich bin auch davon überzeugt, dass Richie den Ausbildungsplatz bei uns im Gemüsebau und -verkauf annehmen wird. Nach dem Motto, besser einen Ausbildungsplatz in der Hand als eine Ausbildungsstelle in Aussicht.
Ich bin neugierig, wie sein Freund Hannes sich entscheidet. Wenn sie so gute Freunde sind, wie Richie erzählt hat, ist meiner Meinung nach, davon auszugehen, dass er seinem Freund nach Bayern folgen wird. Da ihr ihm einen Ausbildungsplatz anbieten könnte, wäre es für ihn eine Leichtigkeit sich ins gemachte Nest zu setzen. Aber Felix sieht es richtig, wir sollten erst einmal abwarten, wie Hannes sich entscheiden wird.“
Ich sagte: „Alle Spekulationen bringen uns nicht wirklich weiter, wir warten einfach, bis uns Richie informiert, wie seine Gespräche gelaufen sind. Ich denke, spätestens morgen wird er uns seine ersten Ergebnisse liefern und danach sehen wir weiter. Felix, wir sollten trotzdem langsam wieder im Zelt auftauchen und nachsehen, wie es mit dem Beladen der Smartphones gelaufen ist. Ich hoffe schwer, dass die Aktion inzwischen abgeschlossen ist. Felix, hast du Informationen, inwieweit die Arbeiten an den Borden für die Ladegeräte gediehen sind, die Alejandro mit seinen Helfern bauen wollte.“
Felix schaute mich an und sagte: „Meine letzten Informationen aus dem Bastelkeller waren, dass die Borde fast fertig sind. Soll ich bei Alejandro nachfragen, ob sie fertig geworden sind, oder ob sie morgen noch weiterbasteln. Es würde reichen, wenn morgen Abend alles fertig ist und die Ablageborde in den Zelten angebracht sind. Die Stromversorgung ist in allen Zelten problemfrei, da alle mit Beleuchtung ausgestattet sind und damit in jedem Zelt der nötige Anschluss vorhanden ist.“
Da Thomas erklärte, dass er sich uns anschließen wird, verabschiedeten wir uns von den vier Jungs aus dem Verwalterhaus und gingen gemeinsam zum großen Zelt. Am Eingang trafen wir auf Richie, der uns sofort erzählte, dass er bereits mit seinem Betreuer gesprochen habe und dieser sich für ihn freut, dass er jetzt einen Ausbildungsplatz gefunden habe.
Gleich morgen wollen sie im Kinderheim in Thüringen anrufen und alles Notwendige in die Wege leiten, dass er rechtzeitig seine Ausbildung antreten könne. Er hat sogar nachgefragt, ob er auch eher wieder hierherkommen könne, um beim Zeltlager als freiwilliger Helfer mitzuarbeiten. Seine Betreuer meinte, wenn alles geklärt wäre, würde aus seiner Sicht nichts im Wege stehen, sofern wir ihn überhaupt als Helfer gebrauchen könnten. Felix lachte und erklärte: „Ich freue mich über jede Hilfe, die wir für die Verwaltung und Betreuung finden können. Richie, dir ist aber schon klar, dass du dann nicht in einem Zelt schlafen kannst. Unsere freiwilligen Helfer, die nicht nach Hause gehen, werden im Gesindehaus untergebracht.“
In Sachen Hannes meinte Richie, dass er ihm bereits eine Nachricht geschrieben habe, aber noch nichts von ihm gehört habe. Thomas beruhigte ihn, indem er ihm klar machte, dass Hannes die Nachricht, dass er, Richie, einen Ausbildungsplatz habe, erst einmal einordnen müsse. Irgendwann werde er erkennen, dass damit eure langjährige Freundschaft ein Ende finden könnte und damit muss er erst einmal zurechtkommen. Richie sagte uns, dass er ihm doch geschrieben habe, dass auch für ihn eine Ausbildungsstelle bereitstünde, sofern er mit ihm zusammen nach Bayern kommen will.
Ich schaute Richie an und versuchte ihm zu erklären: „Mit dieser Ansage hast du ihn vermutlich mehr verwirrt, als du beabsichtigt hast. Stell dir vor, wie du reagieren würdest, wenn es umgekehrt wäre. Wenn er einen Ausbildungsplatz in einer fremden Umgebung finden würde und dir erklärt, dass er dir ebenfalls eine Ausbildungsstelle anbieten kann, obwohl du bereits in der glücklichen Lage warst und einen Vertrag unterschrieben hast. Große Freundschaft hin oder her, du würdest auch erst einmal nachdenken und abwägen, was dir wichtiger erscheint.“
Er schaute mich lange an, bevor er antwortete; „Verdammt, aus der Betrachtungsweise sieht die Situation gleich anders aus. Sicher wäre mir unsere Freundschaft sehr wichtig und ich würde vermutlich, genau wie er, nicht sofort reagieren. Immerhin weiß ich nicht, was mich in einer fremden Umgebung erwarten würde.“
Felix meinte zu ihm: „Jetzt heißt es erst einmal abwarten. Irgendwann wird er reagieren und dir vermutlich Fragen dazu stellen. Peter hatte dir doch geraten, ihm nur von deiner Ausbildungsstelle zu berichten und abzuwarten, wie er auf deine Mitteilung reagiert. Betrachte das nicht als einen Vorwurf von mir, den müsste dir eigentlich Peter machen. Er hatte er dir geraten, ihm nichts von einem möglichen Ausbildungsplatz für ihn zu berichten. So wie ich Peter kenne hat er vermutlich geahnt, dass du bei deinem Kumpel sofort mit der Tür ins Haus fallen wirst. Ich hätte vermutlich ebenso wie du gehandelt in deiner Euphorie, endlich eine Stelle als Auszubildender in meinen Traumberuf gefunden zu haben. Gib ihm die Zeit, bis er sich bei dir meldet.“
Plötzlich wirkte Richie doch verunsichert, als Felix ihm nahelegte, dass er falsch gehandelt haben könne. Thomas sagte zu ihm: „Fehler sind dazu da, um daraus zu lernen und in der Zukunft bessere Entscheidungen zu treffen. Glaube mir, es war mir sehr peinlich, dass ich meinem damaligen Abteilungsleiter während der Betriebsweihnachtsfeier erzählt habe, noch dazu im angetrunkenen Zustand, dass ich schwul bin und mich unsterblich in einen Mann verliebt habe. Nur gut, dass Peter damals nicht ahnte oder wusste, dass er derjenige war, in den ich mich verliebt hatte. Immerhin hätte es für mich die Konsequenz haben können, dass ich deswegen meinen Job verliere und meinen Traummann nie wieder hätte sehen oder in seine Nähe kommen können.“
Ich sah Thomas an und sagte: „Glaubst du, nicht nur dir war das peinlich? Immerhin hattest du zuerst nur gesagt, dass du unglücklich verliebt seiest, und ich habe dir geantwortet, dass auch andere Mütter hübsche Töchter hätten. Danach hast du erklärt, dass du unsterblich in einen Mann verliebt bist.“
Richie lachte und als er sich wieder etwas beruhigt hatte, erklärte er: „Ich habe mir eben die Situation mit euch Beiden vorgestellt und ich kann euch verstehen. Du, Thomas, unsterblich in Peter verliebt, kannst ihm das nicht direkt sagen und Peter glaubt, du hättest damit einen hübschen Käfer gemeint. Mir ist inzwischen bewusst. Ich habe Hannes in eine peinliche Lage gebracht. Er muss sich zwischen mir und seinem Ausbildungsplatz in Thüringen entscheiden. Wenn ich jetzt ehrlich sein soll, an seiner Stelle würde ich vermutlich in Thüringen bleiben. Immerhin habe ich so die Chance mein Leben neu zu ordnen, egal ob mit oder ohne Hannes.“
So gefiel mir Richie schon wieder besser. Er hatte erkannt, dass er seinen Freund in eine Zwickmühle gebracht hatte. Für mich war damit klar, er wird seinen Ausbildungsplatz antreten, egal wie Hannes sich entscheidet und so wie ich es vorher prognostiziert hatte. Da es damit fürs Erste geklärt war, gingen wir ohne Richie weiter ins Büro, wo wir auf Ludwig und Christian trafen. Sie meinten, dass die Smartphones inzwischen alle beladen seien, aber einige noch nicht abgeholt wurden. Christian erklärte ergänzend, dass wahrscheinlich die Letzten in den nächsten Minuten auftauchen werden und ihre Smartphones abholen werden, danach könnten wir für heute das Büro abschließen.
Felix sagte zu den Beiden, dass sie jetzt schlussmachen können und den Rest des Abends genießen sollen; er würde mit uns den Rest noch erledigen. Die beiden Jungs verabschiedeten sich und wir blieben mit Felix im Büro zurück. So nach und nach wurden weiter Handys abgeholt und plötzlich stand Rafael bei uns im Büro. Er fragte, ob er mit mir ein Gespräch unter vier Augen führen könne. Ich meinte zu ihm, wenn es mit der Adoption zu tun hat, sollte Thomas auf alle Fälle beim Gespräch mit dabei sein.
Als Rafael wissen wollte, warum er dabeibleiben soll, antwortete ich ihm, dass Thomas und ich verpartnert seien und wir keine Geheimnisse voreinander hätten, außerdem sei er bei den Gesprächen am Nachmittag zumindest teilweise dabei gewesen. Er nickte und Felix meinte, er überlässt uns sein Büro. Wenn die restlichen Kids kämen um ihre Smartphones abzuholen, erwarte er sie vor dem Büro.
Als Felix das Büro verlassen hatte sagte er: „Ich habe lange überlegt, wie ich mich entscheiden soll und mich mit meinem Betreuer unterhalten. Er meinte, wenn ich mir sicher sei, dass ich die Adoption wolle, würde er sich dafür einsetzen. Ich bin mir inzwischen sicher, dass ich adoptiert werden will. Aber ich fühle, dass da mehr ist als nur der Wunsch nach einem Kind bei den Beiden. Mein Gefühl sagt mir, dass ihr mehr wisst, als ihr bisher zugegeben habt. Hinzu kommt, dass ich etwas spüre, was ich nicht einordnen kann. Ich weiß nicht, ob ich schwul sein könnte und es vielleicht daran liegt. Andererseits interessieren mich Jungs nur als gute Freunde.“
Ich schaute zuerst Thomas an und danach Rafael, bis ich mich dazu durchringen konnte ihm die gesamte Geschichte zu erzählen: „Rafael, ja es gibt da etwas, was du sowieso spätestens in den nächsten Tagen erfahren würdest, wenn deine Adoption genehmigt wird. Jorge ist fest davon überzeugt, dass du sein Neffe bist. Dein Geburtstag passt exakt zum Tag der Geburt seines Neffen. Da du zudem auf Mallorca auf die Welt gekommen bist, sprechen bereits zwei Indizien dafür, dass du sein Neffe sein könntest. Das dritte Indiz ist dein Vorname. Deine Eltern hatten sich gewünscht, dass ihr Sohn Rafael genannt werden soll. Keiner wusste, ob sich deine Adoptiveltern an diesen Wunsch gehalten haben, jedoch spricht vieles dafür. Im Rahmen der Adoption werden diese Fakten geprüft und wenn Jorges Verdacht richtig ist, steht einer Adoption normalerweise nichts im Wege. Jorge hat nur ein Problem damit. Er darf nie seinem Bruder und seiner Schwägerin erzählen, dass du ihr Kind bist, solange du nicht volljährig bist und selbst eine Entscheidung für dich treffen kannst, ob du deine leiblichen Eltern kennenlernen willst oder nicht.“
Rafael schaute mich entgeistert an und wollte wissen, wieso Jorge auf die Idee gekommen sei, dass er sein Neffe sein könne. Ich erklärte ihm dazu: „Nicht nur Jorge ist eine gewisse Ähnlichkeit mit deinem Vater aufgefallen, sondern auch ich konnte mich an die Fotos erinnern, die uns Jorge als Kind zeigten und da gibt es eine unverkennbare Ähnlichkeit. Zudem hatte er ein Gefühl, dass du sein Neffe sein könntest, ähnlich wie dein Gefühl, dass da mehr sein muss. Dein Betreuer kennt Jorges Vermutungen und vor unserem Gespräch heute Nachmittag hat uns Jorge bereits die Informationen gegeben, die sich mit den Indizien decken. Es spricht vieles dafür, dass du sein Neffe bist, Gewissheit wird es jedoch erst geben, wenn das spanische Jugendamt die Fakten geprüft hat. Er hat uns auch erzählt, warum du damals zur Adoption freigegeben wurdest, und das willst du sicher ebenfalls wissen.“
Rafael reagierte, wie ich es fast erwartet hatte: „Ja und nein, mein nein deswegen, weil ich es bis heute nicht wissen wollte, mein ja, damit ich vielleicht verstehe, warum es geschehen ist.“
So erzählte ich Rafael: „Deine Eltern waren beide noch minderjährig, wenn ich es richtig verstanden habe, war deine Mutter in etwa zwei Jahre älter, wie du heute bist und dein Vater gut drei Jahre älter. Deine Großeltern haben damals beschlossen, dich zur Adoption freizugeben, damit den beiden Jugendlichen ihr zukünftiges Leben nicht mit einem Kind verbaut wird.
Dass die Beiden trotzdem zusammengeblieben sind, konnte damals keiner ahnen. Sie sind seit einigen Jahren verheiratet und du hast noch zwei kleine Geschwister, die jetzt gerade zwei und vier Jahre alt sind. Deine Eltern konnten keine eigene Entscheidung treffen, was deine Adoption angeht. Sie wurden von ihren Eltern dazu gezwungen. Jorge weiß, dass sie die Adoption gerne rückgängig machen würden, nur erlaubt das Gesetz dies nicht. Wenn du volljährig bist, kannst du selbst entscheiden, ob du deine leiblichen Eltern kennenlernen willst.“
Rafael hatte sehr aufmerksam zugehört und nach einiger Zeit des Nachdenkens meinte er: „Nicht meine Eltern haben mich zur Adoption freigegeben, sondern meine Großeltern sind dafür verantwortlich. Das bedeutet, wenn meine Mutter und mein Vater eine eigene Entscheidung hätten treffen können, wäre ich nie zur Adoption freigegeben worden und würde heute auf Mallorca bei ihnen leben.“
Thomas meinte: „Vermutlich könnte es so sein, aber man kann nie mit absoluter Sicherheit sagen, dass es auch so gekommen wäre. Wenn zum Beispiel deine Eltern doch nicht zusammengeblieben wären würdet du bei deiner Mutter leben und würdest wahrscheinlich auch deinen Vater nicht einmal kennen. Es gibt noch einige weitere Möglichkeiten, wie dein Leben hätte verlaufen können, aber das ist im Grunde genommen egal, du schreibst deine Lebensgeschichte immer selbst.“
Felix kam ins Büro im Zelt und holte die letzten Smartphones, um sie den Kindern auszuhändigen. Er meinte, dass sind jetzt die letzten Geräte, die an die Kids zurückgehen. Ich meinte, er solle doch kurz noch zu uns ins Büro kommen und mit Rafael ein paar Worte wechseln, er hat sich entschieden das Angebot von Jorge und Alejandro anzunehmen und will sich von den beiden adoptieren lassen.
Ich habe ihm inzwischen alles, was wir wissen, erzählt, nachdem er erklärt hatte, dass er sich adoptieren lassen will. Felix meinte, lasst mich kurz die Geräte loswerden, danach komme ich zu euch. Rafael fragte nach, warum er sich mit Felix unterhalten solle, er hat sich doch bereit mit den Jungs austauschen können.
Ich meinte zu ihm: „Das ist sicher richtig, dass du bereits mit den Jungs gesprochen hast, aber Felix kann dir sicher noch andere Perspektiven aufzeigen. Außerdem ist Felix erst seit kurzem hier am Gutshof, er hat noch eine ganz andere Sicht auf die Dinge und die solltest du dir vielleicht anhören.“
Während ich den letzten Satz sagte, kam Felix wieder ins Büro und meinte: „Ich habe keine Ahnung, worüber ich mit Rafael sprechen soll, ich bin doch selbst erst seit wenigen Wochen bei euch und in dieser Zeit hat sich alles nur um die Organisation des Zeltlagers gedreht.“
Ich antwortete ihm: „Genau darum geht es, du bist noch neu hier und sollst ihm deine Erfahrungen und Erkenntnisse, die du in der kurzen Zeit gesammelt hast, näherbringen. Er kennt die Ansichten, hauptsächlich von denen, die schon längere Zeit am Gutshof leben. Du darfst ihm alles erzählen, auch die Punkte, wo du vielleicht deine Schwierigkeiten hattest mit uns, sofern in der Zeit etwas in dieser Richtung abgelaufen sein sollte.
Rafael hat sich entschieden hierherzukommen, trotzdem soll er sich ein vollständiges Bild von unserer Truppe machen und das nicht nur aus der vielleicht rosaroten Brille der Jungs, die schon länger hier leben.“ Ich meinte noch, Thomas und ich lassen euch gerne allein, wenn ihr euch ungestört unterhalten wollt.
Die beiden schauten uns entgeistert an und Rafael erklärte: “Ihr könnt ruhig hierbleiben, oder befürchtet ihr, dass Felix in eurem Beisein sich nicht traut, eventuell negative Tatsachen anzusprechen. Ich bin überzeugt, er wird auch in eurem Beisein alles ansprechen.“
Felix sagt dazu: „Ich kenne Peter und seine Familie schon seit ich ein kleines Kind bin. Mein Großvater war schon mit Peters Vater befreundet. In den wenigen Wochen, in denen ich jetzt am Gutshof bin, gab es sicher Situationen, die vielleicht nicht immer angenehm waren, aber das war nie personenbezogen, sondern eher durch meine Tätigkeit für die Zeltstadt.
Vor allem, die Situation, als klar wurde, dass das Jugendamt, das ursprünglich für die Vergabe der Sommerferienplätze zuständig war, zu viele Zusagen erteilt hat. In dem Moment musste eine andere Lösung gefunden werden und da ist die Idee mit der Zeltstadt entstanden. Mit der Zeltstadt wurde das ursprüngliche Konzept ausgeweitet und dabei ist die jetzige Form entstanden.
Peter wusste seit der Beerdigung seines Vaters, dass ich schwul bin. Meine Eltern hatten es bereits vermutet und Peter und seine Jungs sollten mir bei der Beerdigung auf den Zahn fühlen, sie sollten mich zum Begräbnis von Peters Vater mitbringen. Dummerweise war ich bereits zu diesem Zeitpunkt mit Marvin befreundet, der die Jungs schon länger kannte und mich mit auf die Beerdigung mitnahm. Als Peter mich mit Marvin sah, hat er mich noch vorgewarnt und mir nahegelegt, mich bei meinen Eltern endlich zu outen.“
Er legte eine kurze Pause ein, um Rafael die Chance zu geben, etwas dazu zu sagen. Da er jedoch schwieg erklärte er weiter: “Noch während der Beerdigung von Peters Vater habe ich es meinen Eltern erklärt und sie hatten noch nicht einmal ein Problem damit. Ein Jahr später habe ich mein Abitur gemacht und in den letzten zwölf Monaten habe ich mir überlegt, was ich werden will.
Ins Bestattungsunternehmen wollte ich auf keinen Fall einsteigen und glücklicherweise hat meine ältere Schwester früh genug erklärt, dass sie das Familienunternehmen weiterführen will. Vor etwa zwei Monaten, als feststand, dass ich einen Bürojob haben will, habe ich mich auf Anraten von meinem Vater bei Peter beworben. Der hat meiner Ausbildung schnell zugestimmt und mir sofort angeboten, im Projekt Zeltstadt mitzuarbeiten. So bin ich zu dieser Aufgabe gekommen.“
Rafael dachte lange nach, bevor er uns antwortete: „Eines steht für mich nach deiner Erzählung fest, selbst wenn Jorge nicht mein Onkel sein sollte, werden Peter und Thomas sich um mich kümmern. Meine Entscheidung hierher zu kommen kann nach meinem Gefühl nur die richtige sein, auch wenn es für mich bedeutet, dass ich zusätzlich zu meiner bisherigen Muttersprache und Englisch noch eine weitere Sprache erlernen muss und damit werde ich sofort beginnen. Ich hoffe, dass ihr mir alle helfen werdet, so schnell wie möglich Deutsch zu lernen.“
Thomas erklärte ihm: „Klar helfen wir dir alle beim Erlernen der deutschen Sprache, durch unsere Urlaubsaufenthalte auf Mallorca hat zumindest unsere Familie doch einige Spanischkenntnisse. Alejandro, und auch Peters Enkel Kevin sprechen beide Sprachen und mit Kevin wird es auch am meisten Spaß machen denke ich. Kevin und seine Schwester Katharina wirst du sicher morgen kennenlernen. Für heute sollten wir unser Gespräch beenden, bevor wir noch eine Vermisstenmeldung erhalten, weil Rafael verschwunden ist. Die nächsten Tage und Wochen werden uns zeigen, wie es mit der Übersiedelung von Rafael nach Deutschland weitergehen wird.“
Wir verabschiedeten uns von Rafael und nachdem es im Zelt inzwischen ruhiger geworden waren gingen wir drei, Felix, Thomas und ich ins Gutshaus in unsere Wohnung und gingen früh schlafen. Thomas musste morgen früh wieder ins Büro in der Stadt und uns erwarteten weitere Aufgaben im Büro und im Zeltlager.
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