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Regenbogenfamilie
Teil 67 - Tobias
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Informationen
- Story: Regenbogenfamilie
- Autor: Sonntagskind55
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Coming Out
Nachdem Bernhard und David den Besprechungsraum verlassen hatten, bat ich Philipp kurz mit Marcus zu sprechen und dann gemeinsam wieder ins Besprechungszimmer zu kommen, damit wir mit ihnen noch absprechen können, wie wir bei dem Gespräch vorgehen wollen.
Inzwischen telefonierte ich mit Thomas, um ihn kurz über den aktuellen Stand zu informieren und bat ihn so schnell wie möglich ins Besprechungszimmer ins Gutshaus zu kommen. Er meinte, er sei bereits unterwegs nach Hause und wird in den nächsten zehn Minuten bei uns eintreffen.
Barbara telefonierte mit ihrer Dienststelle, um sich auf den aktuellen Stand bringen zu lassen. Sie berichtete, dass alle wichtigen Unterlagen bereits elektronisch eingetroffen seien und an sie weitergeleitet wurden. Dann startete sie ihr Notebook, um die Unterlagen zu sichten.
In der Zwischenzeit waren Marcus und Philipp wieder im Raum und hatten sich zu uns gesetzt. Ich fragte bei Marcus nach, ob Philipp ihm die wichtigsten Informationen bereits gegeben hatte. Marcus grinste und meinte zu mir: „Wenn ich das richtig verstanden habe, sollen wir die Kohlen für euch aus dem Feuer holen.“ Ich bat noch um ein paar Minuten Pause, bis Thomas bei uns eingetroffen sei. In der Zwischenzeit ergänzten wir unsere Getränkevorräte und kochten frischen Kaffee.
Kaum war Thomas eingetroffen meinte ich, wir sollten sofort den Pflegschaftsvertrag unterzeichnen, damit Barbara die unterschriebenen Unterlagen gleich wieder mitnehmen könne. Sie bestätigte, dass wir für Tobias keinen gesonderten Pflegschaftsvertrag erhalten, da dieser Vertrag für alle zukünftigen Pflegschaftsverhältnisse gelten würde. Nachdem Thomas unterschieben hatte, überreichten wir Barbara die gesamten Unterlagen.
Nun bat ich Barbara, sie solle uns mit den neuesten ihr vorliegenden Informationen versorgen und auch den Grund unseres Treffens zu erläutern.
Nach einer kurzen Pause erklärte uns Barbara: „Ich habe gestern Abend einen Anruf von einer Münchner Kollegin erhalten, in dem sie ihr den Fall von Tobias schilderte und darum bat, eine Lösung für den Jungen zu finden. Sie berichtete mir, dass Tobias traurig darüber wäre, dass David nicht mehr ins Kinderheim zurückkehren wird. Er sei in David verknallt und würde alles daran setzen David wieder zu finden. Vorher habe ich Peter und David gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, einen weiteren Jungen in der Familie aufzunehmen. Nachdem sie grundsätzlich ihre Zustimmung erklärt hatten, habe ich ihnen die Details und um welchen Jungen es sich handelt zur Verfügung gestellt. David wusste sofort, um wen es sich handelt und erklärte, dass er in seiner jetzigen Situation sich eine Annäherung an Tobias durchaus vorstellen könne. Nur im Kinderheim habe er alle Versuche abgeblockt, da er Tobias nicht auf seine schiefe Bahn bringen wollte.“
Barbara stoppte kurz, trank einen Schluck Kaffee und sprach weiter: „Peter hat den Vorschlag unterbreitet, Tobias noch heute hierher einzuladen, um ihm den Vorschlag der Pflegefamilie zu unterbreiten. Die Münchner Kollegin hat sofort zugestimmt und ist bereits mit dem Jungen unterwegs. Tobias weiß noch nicht, dass er in die gleiche Pflegefamilie kommen soll wie David. Er hat bisher nur die Information bekommen, dass er David in der Schule wiedersehen könne.
David hatte die Vermutung geäußert, dass Tobias ihn am ehesten auf dem Münchner Straßenstrich suchen würde, was sich, im Nachhinein, als Volltreffer erwies. Bevor Tobias sich aus dem Heim verkrümeln konnte, wurde er von seiner Betreuerin abgefangen mit der Mitteilung, dass er für ein Wochenende in die Nähe von Rosenheim verbracht werden soll, wo für ihn die Möglichkeit besteht David zu treffen und in einer Pflegefamilie untergebracht zu werden.“
Barbara meinte, ich solle erklären, warum ich Marcus und Philipp bei dem Gespräch dabeihaben will. Ich lachte und sagte.“ Wie Marcus vorher schon angedeutet hat, sollen die beiden für uns die Kohlen aus dem Feuer holen. Ein Ablauf wie bei David soll sich nicht wiederholen. Barbara soll euch als meinen Sohn und seinen Lebensgefährten vorstellen. Danach habt ihr die undankbare Aufgabe mich und Thomas ebenfalls als Paar zu outen, wobei ihr gerne erklären könnt, wie es dazu gekommen ist. Aber bitte, wenn möglich in Kurzform und nicht alle Details. Falls Tobias danach zustimmt und bei uns als Pflegekind einziehen will, kommt David ins Spiel, der dann zusammen mit Bernhard und Benjamin zum Gespräch dazukommen wird. Ich schlage vor, dass wir diese Gespräche aber nicht mehr hier im Büro stattfinden lassen, sondern zu Sebastian ins Restaurant wechseln.“
Ich wurde unterbrochen, da Barbaras Smartphone einen Anrufer ankündigte. Sie nahm das Gespräch entgegen und als sie aufgelegt hatte sagte sie zu mir: „Peter wir sollten langsam rausgehen und unsere Besucher am Parkplatz in Empfang nehmen, Nach Information des Navigationsgerätes im Fahrzeug meiner Münchner Kollegin sollten sie in den nächsten Minuten dort eintreffen.“
Wir standen auf und gingen langsam zum Parkplatz vorm Restaurant. Kaum angekommen, näherte sich bereits ein Fahrzeug mit Münchner Kennzeichen. Nachdem es eingeparkt hatte, näherten wir uns dem Fahrzeug, wo die beiden Insassen bereits dabei waren, auszusteigen. Barbara begrüßte zuerst ihre Kollegin aus München und wendete sich dann an Tobias und begrüßte ihn herzlich.
Sie erklärte ihm, dass, wenn er sich für die Pflegefamilie entscheidet, sie seine Ansprechpartnerin beim hiesigen Jugendamt wäre. Ich begrüßte ebenfalls die Kollegin von Barbara und wandte mich dann ebenfalls an Tobias und begrüße ihn herzlich als unseren Gast für dieses Wochenende. Mit unseren Gästen gingen wir zurück ins Gutshaus und ins Besprechungszimmer.
Wir setzten uns, wobei sich Tobias zwischen Barbara und Beate setzte. Barbara meinte, dass sich Beate kurz vorstellen soll. Sie erzählte in Kürze über ihren Aufgabenbereich, dass sie verheiratet sei und zwei fast erwachsene Kinder hat. Danach bat Barbara Tobias uns kurz über sich zu erzählen.
Tobias sammelte sich kurz und erzählte uns: „Mein Name ist Tobias Huber, ich werde Ende November sechzehn Jahre alt. Meine Eltern habe ich kurz vor meinem siebten Geburtstag durch einen Flugzeugabsturz verloren. Die nächsten zwei Jahre lebte ich bei meinen Großeltern mütterlicherseits. Nach dem Tod meiner Großmutter blieb ich noch ein Jahr bei meinem Großvater.
Mit zehn Jahren kam ich in München in ein Kinderheim, da mein Großvater sich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr um mich kümmern konnte. Leider ist er in der Zwischenzeit ebenfalls verstorben und ich habe keine weiteren Verwandten mehr. Eine Vermittlung in eine Familie ist bisher immer daran gescheitert, weil ich den Pflege- oder Adoptiveltern zu alt war.
Ich habe mich eigentlich inzwischen damit abgefunden die nächsten zwei Jahre noch im Kinderheim zu verbringen und danach in einem betreuten Wohnen für Jugendliche unterzukommen, bis ich meine Ausbildung abgeschlossen habe. Falls es jetzt doch noch mit einer Pflegefamilie funktionieren sollte, würde ich mich sehr darüber freuen.
Ich will gleich ehrlich mit euch sein. Ich habe ein Handicap, ich bin mir seit zwei Jahren sehr sicher, dass ich mich eher Jungs und weniger den Mädchen zugeneigt fühle. Sollte das ein Hinderungsgrund sein, dann solltet ihr es mir ehrlich sagen und wäre noch nicht einmal enttäuscht darüber.“
Barbara ergriff wieder die Gelegenheit und bat Marcus und Philipp sich kurz vorzustellen. Marcus fing nach vorheriger Absprache mit seiner Vorstellung an: „Ich bin Marcus, inzwischen gut vierundzwanzig Jahre alt und wohne hier im Gutshaus mit meinem Lebensgefährten Philipp in der zweiten Etage. Ich kenne die Situation sehr gut, wenn man wegen seiner Neigung zu Jungs von seinen eigenen Eltern abgelehnt wird. Vor rund fünf Jahren haben meine Eltern mich aufgefordert die Wohnung deswegen zu verlassen. Mein Freund und sein Vater haben mich sofort bei sich aufgenommen und seitdem sind wir fest zusammen. Ende November wollen wir beide standesamtlich heiraten.“
Er gab Philipp ein Zeichen, dass er weitermachen solle: „Meinen Namen kennst du bereits. Ich bin Philipp und nur wenig älter als Marcus, also ebenfalls vierundzwanzig. Unsere Mutter, ich habe auch noch eine Schwester, die ebenfalls hier im Haus wohnt, haben wir verloren, als ich etwa neun Jahre war. Sie starb an einer Krebserkrankung. Mein Vater hat sich danach rührend um uns gekümmert. Etwa eineinhalb Jahre nach dem Tod meiner Mutter, brachte er eines Nachts, nach einer Firmenweihnachtsfeier, Thomas mit nach Hause, der im Gästezimmer übernachtete. Er hatte seine Wohnungsschlüssel in der Firma vergessen und Papa wollte mitten in der Nacht nicht noch einmal in die Firma zurückfahren. Wir Kinder haben uns schnell mit Thomas angefreundet und ihn an Weihnachten zu uns eingeladen.
Im Laufe des folgenden Jahres sind sich Thomas und mein Papa nähergekommen. Meine Schwester und ich haben ihn als den neuen Lebensgefährten angenommen und Thomas zog zu uns in die Wohnung. Vor gut zwei Jahren sind wir alle auf den Gutshof umgezogen. Papa und Thomas werden mit uns und zwei weiteren Freunden Ende November standesamtlich heiraten.“
Er trank kurz einen Schluck von seiner Cola und sprach weiter: „Ich kann dir versichern, dass wir kein Problem damit haben, dass du schwul bist. Ich kann dir nur so viel verraten, dass hier im Bereich des Gutshofes mindestens sieben schwule Pärchen leben. Dir ist sicher klar, dass Marcus und ich noch zu jung sind, um einen Jugendlichen in deinem Alter aufzunehmen, aber mein Vater und Thomas wollen dir diese Chance geben.
Du kannst dir aber sicher sein, dass du von allen schwulen Jungs im Gutshof Unterstützung bekommst, wenn irgendwelche Probleme auftauchen. Außerdem trifft sich einmal wöchentlich im Gesindehaus auf dem Gutshof eine schwule Jugendgruppe, die du jederzeit besuchen kannst. So, ich habe jetzt genug geredet, ich gebe weiter an Thomas und der anschließend an meinen Vater.“
Scheinbar dachte Thomas, dass er erst nach mir zu Wort kommen sollte und etwas holprig war sein Start: „Äh, dass ich Thomas bin, hat dir Philipp ja bereits erklärt. Ich bin knapp fünfundvierzig und kann deine Probleme mit der Akzeptanz deiner Gefühle für einen Jungen gut nachfühlen. Meine Eltern habe mich ebenfalls aus ihrem Haus geworfen, als ich ihnen mit knapp zwanzig Jahren erklärte, dass ich mit Mädchen nichts anfangen kann. Mit meiner guten Ausbildung habe ich mich in Rosenheim bei einer Firma beworben, möglichst weit weg von meinen Eltern, in der ich Peter als meinen Abteilungsleiter kennengelernt habe.
Ich hatte mich schon am ersten Arbeitstag in ihn verknallt, hatte jedoch keine Hoffnung auf mehr als ich erfuhr, dass Peter zwei Kinder hat. Dass wir doch noch zusammengekommen sind grenzt für mich auch heute noch an ein Wunder und das habe ich sicher auch seinen Kindern zu verdanken, die immer hinter uns gestanden sind. Und nun weiter zu Peter, unser aller Chef, der sich als letzter bei dir vorstellen darf.“
Jetzt war ich an der Reihe mich kurz vorzustellen: „Peter Maurer ist mein voller Name, werde Ende November fünfundfünfzig Jahre und bin als Familienoberhaupt der oberste Boss aller Firmen, die zum Gutshof gehören. Was soll ich groß erzählen. Ich würde mich freuen, wenn du die dir gebotene Chance in eine Pflegefamilie zu kommen nutzen willst. Das du hier deinen heimlichen Schwarm treffen willst, hat uns Barbara bereits verraten. Eines kann ich dir versprechen, wir werden dir weder Steine noch sonstige unüberwindliche Hindernisse deswegen in den Weg legen. Deine Freunde werden auch bei meinen Kindern jederzeit herzlich willkommen sein.
Bevor ich wieder an Barbara weitergebe, egal wie du dich am Ende entscheidest, du bleibst bis zum Sonntag unser Gast. Solltest du dauerhaft bei uns bleiben wollen, werden wir dich am Sonntag nach München begleiten und deine persönlichen Dinge aus dem Kinderheim mit dir holen. Ansonsten bringen wir dich einfach zurück in dein jetziges Zuhause. Barbara, walte deines Amtes.“
Barbara wendete sich zu Tobias und sprach: „Nun kennst du die wichtigsten Informationen zu deiner Pflegefamilie. Mir ist klar, dass so eine Entscheidung nicht immer einfach sein kann, du hast rund vierundzwanzig Stunden Zeit dir alles zu überlegen. Ich sollte bis morgen Abend wissen, ob du langfristig bleiben willst, oder wieder zurück nach München gehst, damit wir kurzfristig alles für deinen Umzug und deinen Schulbesuch vorbereiten können.“
Tobias schaute Barbara und Beate an und erklärte: „Ich müsste ein kompletter Idiot sein, wenn ich mir so eine Chance entgehen lasse. Mit den bisher von euch erhaltenen Informationen kann ich mir sicher sein, dass ich keineswegs schief angesehen werde, weil ich schwul bin. Barbara, ich bleibe. Falls doch etwas schief gehen sollte kann ich doch sicher wieder in ein Kinderheim bis ich achtzehn bin.“
Barbara bestätigte ihm, dass diese Option immer bleibt, wenn es in einer Pflegefamilie zu Schwierigkeiten kommen sollte.
Barbara meinte: „Dann können wir jetzt zum gemütlichen Teil kommen. Peter hat uns alle zum Essen ins Restaurant eingeladen. Philipp, gehst du mit Tobias und Marcus bereits voraus und sucht uns einen ruhigen Tisch. Peter hat bei Dennis und Sebastian für uns einen Tisch reserviert. Wir besprechen noch kurz einige Formalitäten und folgen euch in wenigen Minuten.“
Nachdem die Jungs den Raum verlassen hatten, rief ich bei Bernhard an und meinte, sie könnten sich auf den Weg machen, wir treffen uns im Restaurant. Er meinte nur, wir drei sind in wenigen Minuten bei euch.
Barbara sagte: „Komischerweise ist alles so gekommen wie du es vorausgesehen hast. Aber ich hatte das gleiche Gefühl bei der Sache. Vor allem, als du meintest, dass wir das ganze anders angehen sollten. Während Thomas und ich noch kurz den Besprechungsraum aufräumten, besprachen sich Beate und Barbara über die weiteren Schritte.
Plötzlich fragte Barbara mich, ob es denn möglich sei, bereits morgen im Laufe des Tages die persönlichen Sachen von Tobias aus dem Kinderheim zu holen, da wir doch für morgen unsere Shoppingtour nach München geplant hätten So bliebe uns eine zusätzliche Tour nach München erspart.
Ich dachte kurz über ihren Vorschlag nach und erklärte ihr, dass wir das gleich mit den Jungs besprechen sollten. Als Familie könne ich das nicht einfach über ihre Köpfe hinweg entscheiden. Beate lachte und meinte: „So stelle ich mir eine Familie vor, bei der auch die Kinder bei anstehenden Entscheidungen mit einbezogen werden.“
Barbara klärte Beate noch darüber auf, dass auch David gleich noch dazukommen werde. Beide Jungs würden bei uns untergebracht. Das ist im Übrigen auch mit David bereits abgesprochen, dass er nicht allein hier leben wird.
Weil wir doch ein paar Minuten länger gebraucht hatten, trafen wir im Flur auf David, aber ohne Bernhard und Benjamin. Ich fragte ihn, wieso er so allein im Flur steht und nicht bei den anderen ist. Er antworte mir, Bernhard habe gemeint ich solle hier auf euch warten und er geht mit Benjamin schon einmal voraus. Ich erklärte, dass ich mit Thomas schon einmal vorausgehe und Barbara und Beate mit David in ein einigen Minuten nachkommen sollten. Dann wäre die Überraschung für Tobias noch etwas größer.
Thomas und ich gingen ins Restaurant zu den Jungs, ich begrüßte die beiden neu hinzugekommenen aufs Herzlichste. Als ich Felix entdeckte, winkte ich ihn zu uns heran und meinte, er soll doch gleich mit uns zusammen Abendessen. Kaum hatte sich Felix zu uns gesetzt öffnete sich die Tür zum Bürotrakt erneut und Barbara und Beate zusammen mit David traten ein. In diesem Moment betrachtete ich Tobias genau. Ich wollte seine Reaktion sehen, wenn er merken sollte, wer gleich noch an unserem Tisch sitzen würde.
Zuerst schaute er nur verwundert als er feststellte, wer sich dem Tisch näherte. Schlagartig fing er zu grinsen an, stand auf und näherte sich David. Als er vor ihm stand meinte er: „Das hätte ich jetzt nicht erwartet, dass ich dich gleich am ersten Abend bei meiner zukünftigen Pflegefamilie sehen werde. Die Überraschung ist euch geglückt.“
David grinste und sagte zu Tobias: „Du wirst gleich noch viel mehr überrascht sein, wenn ich dir jetzt sage, dass wir gemeinsam bei Thomas und Peter unterkommen. Hat nur einen Nachteil, wir müssen uns ein Zimmer teilen, da das zweite Gästezimmer voraussichtlich noch bis Mitte nächsten Jahres von Felix und Dennis besetzt ist. Die Beiden sind eines der vielen schwulen Pärchen im Gutshof.“
Tobias schaute David überrascht an und erklärte: „Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Ich bin davon ausgegangen, dass du bei einer anderen Familie untergekommen bist und wir uns nur in der Schule oder bei einem Treffen der schwulen Jugendgruppe sehen werden. Ich kann das nicht glauben, dass wir beide zukünftig zusammen in einer Familie wohnen werden. Ein Zimmer mit dir zu teilen ist für mich kein Problem, im Kinderheim haben wir auch immer mit anderen Kindern ein Zimmer teilen müssen.“
Ich bat alle sich zu setzen, damit Dennis die Getränkebestellungen aufnehmen könne und uns die Speisekarten zum Auswählen bringt. Die Jungs setzten sich an die obere Hälfte des Tisches, für Thomas, Barbara, Beate und mich blieben die Plätze am unteren Ende des Tisches frei. Da Thomas und ich uns gegenübergesetzt hatten, wechselte David neben Thomas, während Tobias neben mir Platz nahm.
Dennis hatte die Bestellung der Getränke abgeschlossen und verschwand zum Tresen. Ich meinte: „Bevor wir gleich unser Essen bestellen gibt es noch einen wichtigen Punkt zu klären. Barbara hat Thomas und mir den Vorschlag unterbreitet, dass wir Tobias Sachen bereits morgen, entweder vor oder im Anschluss an unsere Einkaufstour nach München, im Heim abholen könnten und uns damit ein weiterer Ausflug am Sonntag erspart bliebe.
Da wir sowieso mit mindestens zwei Autos fahren werden, würde ich mit Tobias anschließend seine Sachen abholen. Der Rest könnte zwischenzeitlich bereits nach Hause zurückkehren. Letztendlich liegt die Entscheidung bei Tobias, ob wir das bereits morgen erledigen oder erst am Sonntag.“
David reagierte sofort und erklärte: „Ich würde gerne mit ins Heim fahren. Ich möchte mich dort von meinen ehemaligen Mitbewohnern ordentlich verabschieden. Bei meinem kurzfristigen Auszug gab es keine Möglichkeit für mich. Bei der Gelegenheit könnte ich das in aller Ruhe nachholen, während Tobi seine Sachen packt.“
Jetzt kam Tobias zu Wort und erklärte: „Ob ich morgen oder am Sonntag meine persönlichen Dinge im Heim abhole, ist eigentlich egal, wenn wir morgen sowieso in München sind, dann können wir das gleich miteinander verbinden. Dafür bleibt uns danach der Sonntag, um die Familie und die weiteren Gutshofbewohner besser kennenzulernen. Normalerweise arbeitet sonntags keiner.“
David lachte laut auf, blickte zu Tobias und meinte: „Da bist du jetzt aber in ein sehr großes Fettnäpfchen getreten. Du kannst dir wahrscheinlich nicht vorstellen wie viele hier am Wochenende einschließlich Sonntag arbeiten müssen. Das fängt hier im Restaurant an, wenn die Gäste zum Essen kommen. Im Hofcafé gilt am Nachmittag das gleiche für Kaffee und Kuchen. In der Landwirtschaft müssen täglich die Kühe gemolken und alle Tiere gefüttert werden und während der Erntezeit sind viele auf den Feldern zugange.
Selbst die Gärtner arbeiten am Wochenende, damit am Montagmorgen das frische Obst und Gemüse in den Läden steht. Ganz zu schweigen vom Hotelbetrieb in der Nähe und hier im Gesindehaus, auch dort wird fleißig gearbeitet. Okay, Philipp, Marcus und Bernhard haben zwar nur Bereitschaft, aber bei Problemen mit der Informationstechnologie müssen auch sie kurzfristig einsatzfähig sein.
Dasselbe gilt für die Handwerker, auch dort gibt es einen Notdienst. Wasserrohrbrüche zum Beispiel oder ausgefallene Heizungen können nicht unbedingt bis zum Montag warten. Übrigens, bei den Letztgenannten wird bei Notfällen auch mitten in der Nacht gearbeitet.“
Bernhard grinste und sagte zu David: „Du hast keinen vergessen, der hier am Wochenende oder nachts arbeiten darf. Alle Achtung, das hätte ich dir jetzt nicht zugetraut, dass du das nach so kurzer Zeit bereits alles mitbekommen hast. Immerhin bist du gerade mal drei Tage bei uns.“
David fühlte sich geschmeichelt und nach seinem Blick zu Tobias sagte dieser: „Ich befürchte, ich bin da aber kräftig ins Fettnäpfchen getreten. Ich hätte nie gedacht, dass so viele bei euch auch sonntags arbeiten.“
Zwischenzeitlich hatte Dennis die Getränke zum Tisch gebracht und wollte nun von jedem wissen, was er essen will. Während er die Bestellungen aufnahm, sagte Tobias zu mir: „Haben alle von Anfang an gewusst, dass ich zusammen mit David bei euch einziehen werde? Und warum habt ihr mir gegenüber nichts gesagt?“
Ich schaute ihn an und erklärte: „Nicht alle der Anwesenden wussten davon. Beate, Felix und Dennis, sein Lebensgefährte, waren nicht informiert. Beate hat es erst kurz vorher im Flur erfahren und Felix sowie Dennis wussten bis zuletzt nichts. Warum wir dich nicht vorab informierten ist einfach zu erklären, du solltest dich frei entscheiden können, ohne die Sicherheit, dass du David treffen wirst. Nur so konnten wir sicher sein, dass du unabhängig entscheidest. Ich wollte nicht, dass du dich nur wegen David dafür entscheidest, sondern für dich allein einen Entschluss fasst. Falls David und du kein Pärchen werden, würdest du in diesem Fall trotzdem dem angefangenen Weg weiter folgen. Das war entscheidend für Thomas und mich, aber auch für Barbara.“
„Stimmt“, sagte Tobias und ergänzte, „ich habe mich entschieden ohne dabei David einbezogen zu haben. Das lag auch daran, dass er mich bisher immer abgelehnt hatte. Ich habe nur gehofft, dass er in einem neuen Umfeld nicht mehr so ablehnend sein wird.“
Während des Essens waren alle Gespräche verstummt und erst nach und nach wurde es wieder lauter am Tisch. Beate meinte, dass sie so langsam aufbrechen will, sie müsse morgen früh gleich den Auszug von Tobias aus dem Heim vorbereiten und die Fahrt nach Hause nimmt auch noch einige Zeit in Anspruch. Sie bat Tobias kurz mit nach Draußen zu kommen, damit er seinen Rucksack und seinen Koffer, der noch bei ihr im Kofferraum lag, hereinzuholen.
Als Tobias wieder zurück kam meinte er zu mir: „Beate hat mir bestätigt, dass sie bis zuletzt nicht wusste, dass David zusammen mit mir bei einer Pflegefamilie untergebracht werden soll. Sie kannte David bisher nicht einmal, da er von einer anderen Kollegin betreut wurde.
Sie wusste nur, dass es sich um ein schwules Pärchen handeln würde und hatte zu Beginn unseres Gespräches vermutet, dass Philipp und Marcus meine Pflegeeltern würden und war dann doch überrascht als sich herausstellte, dass Thomas und du die Pflegeeltern werden. Sie hat mir noch viel Glück gewünscht und hofft für mich, dass ich diese Entscheidung nie bereuen möge. Sie meinte, mit einem schwulen Paar als Ersatzeltern hätte ich mit meinen knapp sechzehn Jahren das große Los gezogen.“
Lange blieben wir auch nicht mehr sitzen. Barbara hatte sich ebenfalls verabschiedet und war nach Hause gefahren. Thomas meinte, wenn wir uns heute noch zusammensetzen wollen wegen unseres Shopping Trips nach München sollten wir uns mit den Jungs ebenfalls in unsere Privaträume zurückziehen. Wir verabschiedeten uns von Bernhard und Benjamin, wobei Bernhard noch verkündete, dass er morgen bis zu unserer Rückkehr noch ein Smartphone und ein Notebook für Tobias bereitstellen will. Von Philipp und Marcus verabschiedeten wir uns in der ersten Etage, da sie noch eine Etage höher mussten.
Beim Eintritt in die Wohnung erklärte David, dass er Tobias zuerst ihr gemeinsames Zimmer zeigen will. Zu Felix sagte er nur: „Ich komm gleich vorbei und hole meine Sachen bei euch. Ab heute könnt ihr wieder eure Zweisamkeit genießen.“ Felix meinte nur er wird gleich ins Wohnzimmer nachkommen und Dennis wird in Kürze bei uns sein, er kann heute früher seine Arbeit beenden, da es im Restaurant ausnahmsweise sehr ruhig ist.
Ich ging mit Thomas ins Wohnzimmer, wir stellten Gläser und verschiedene Getränke bereit, keiner sollte verdursten während unseres Planungsgesprächs. Felix trat zuerst ins Wohnzimmer und meinte, unser neues Liebespärchen wird auch gleich hier sein. Dann dürfen wir nur noch auf Dennis warten, bis wir uns über den morgigen Tag Gedanken machen können. Felix schenkte für sich und Dennis eine Cola ein und setzte sich auf das Sofa.
Wenige Minuten später erschienen, wie Felix sie betitelte, unser neues Liebespärchen Hand in Hand im Wohnzimmer. David schaute uns an und erzählte: „Ich habe Tobias bereits erzählt, dass auch ich am Dienstagabend ins größtmögliche auffindbare Fettnäpfchen getreten bin, das sich finden ließ. Er hat herzlich darüber gelacht, als ich ihm erzählte, dass ich euch anfangs unterstellt hätte, ihr würdet mich nur aufnehmen damit ich euren Lustknaben abgeben könnte. Dazu meinte er, den Eindruck hätte er bei dem ersten Kennenlernen nicht gehabt. Ich hätte nur eine zu blühende Fantasie und würde mir das nur einbilden. Ich war aber ebenso so ehrlich zu ihm, um ihm zu erzählen, dass ich inzwischen verstanden habe, dass ihr aus ganz anderen Gründen handelt. Ihr helft schwulen Jugendlichen, die sich in einer Notsituation befinden ohne jegliche Gegenleistung, was auch von allen schwulen Jungs hier bestätigt wird.“
Tobias löste seine Hand von David und sprach: „Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob ich das eben bei der Verabschiedung von Benjamin und Bernhard richtig gehört habe. Er will für mich morgen ein Notebook und ein Smartphone bereitstellen. Ich kann doch nicht gleich, wenn ich hier bei euch einziehe, so teure Geräte in Anspruch nehmen.“
Thomas schaute ihn ernst an und erwiderte: „Bist du zukünftig kein Mitglied in unserer Familie? Das Notebook ist ein gutes, aber gebrauchtes Notebook, das für manche Belange im betrieblichen Einsatz nicht mehr dem neuesten Stand entspricht. Du sollst es für deine schulischen Interessen einsetzen und gleichzeitig den Umgang mit der modernen Technik erlernen. David besitzt ebenfalls seit Mittwoch ein Notebook und ein Smartphone. Auch dafür, dass ihr uns in Notsituationen oder bei Problemen jederzeit informieren könnt. Eines sollte dir sofort klar werden, kein Familienmitglied wird gegenüber einem anderen benachteiligt. So hat Peter das schon immer gehandhabt, auch bei seinen eigenen Kindern. Für dich wird er hier keine Ausnahme machen, also gewöhne dich daran.“
David grinste und meinte zu Tobi: „Gewöhn’ dich daran, hier werden alle Familienmitglieder gleich behandelt. Es gibt keinen Lieblingssohn oder eine Lieblingstochter. Wir sollten uns jetzt besser auf unsere Einkaufstour morgen vorbereiten. Das ist wichtiger als eine Diskussion mit Peter oder Thomas, die du sowieso nicht gewinnen kannst. Da haben Beide ihre Prinzipien und die sind unumstößlich. Du kannst fast alles mit ihnen diskutieren, wenn es jedoch gegen das Thema Gleichbehandlung von Menschen geht, dann stehst du auf verlorenem Posten.“
Ich wollte mich schon einmischen, freute mich aber auf das Erscheinen von Dennis und meinte dann nur, dass wir uns jetzt auf unsere Einkaufstour konzentrieren sollten. Ich wollte von David und Tobias wissen, ob sie über ihr gemeinsames Zimmer schon nachgedacht haben.
Tobias ergriff das Wort: „Ja und nein, Dave hat mir schon erklärt, dass bisher geplant sei einen Schreibtisch und eine Liege im Zimmer aufzustellen. Wäre er dort allein eingezogen, könnte seiner Meinung nach das große Bett verbleiben, in der jetzigen Situation würde er eher für zwei Betten plädieren. Ich bin überzeugt, uns reicht das eine Bett.
In einem gemeinsamen Bett zu schlafen, bedeutet doch nicht automatisch miteinander zu schlafen. Ansonsten hätte ich keinen Einwand gegen einen weiteren kleinen Schreibtisch. Ob der Platz im Kleiderschrank ausreichend sein wird, wird uns erst die Zukunft zeigen. Zwei getrennte Betten verbrauchen weitaus mehr Platz, dann müsste die Liege wegfallen.“
David konterte mit folgender Aussage: „Das siehst du völlig richtig, dass zwei Betten zu viel Platz beanspruchen. Notfalls kann auch einer von uns auf der Liege schlafen. Wenn dich das nicht stört, behalten wir das große Bett und dazu zwei Schreibtische und die Liege. Wenn Felix und Dennis nächstes Jahr umziehen können wir uns notfalls immer noch auf zwei getrennte Zimmer verteilen.“
Thomas mischte sich jetzt ein und sagte zu unseren Pflegekindern: „Da ihr beide noch knapp ein Jahr zur Schule geht und eure Ausbildung ebenfalls mindestens zweieinhalb bis dreieinhalb Jahre in Anspruch nehmen wird, ist das erst einmal die bessere Lösung. In einem Jahr, wenn Felix und Dennis ausgezogen sein sollten, können wir neu entscheiden, wie es weitergehen wird. Wir kaufen zwei Schreibtische und eine Liege für euer Zimmer.“
Er legte eine kurze Pause ein für eventuelle Widersprüche. Da keiner etwas dagegen sagte, setzte er fort: „In Sachen Bekleidung können wir euch keine Vorschriften machen, wir können euch nur eine Empfehlung geben. Ihr braucht zumindest für die Hochzeit und ähnliche Anlässe, dazu zählt auch die jährliche Weihnachtsfeier für unsere Mitarbeiter, eine etwas festlichere Bekleidung, ansonsten denke ich fünf Jeans oder andere Hosen, zehn Garnituren Unterwäsche, acht bis zehn Shirts oder Ähnliches, ein Paar Winterstiefel, Sportschuhe und 2 Paar Sneakers, mindestens zwei Schlafanzüge fürs Krankenhaus oder zuhause, sofern ihr keine Nacktschläfer seid, sollten vorerst ausreichend sein.
Ich denke, dass ihr beide alt genug seid, wisst was ihr derzeit besitzt und deshalb entsprechend ergänzend einkauft. Da ihr vermutlich noch nicht ganz ausgewachsen seid, wird in absehbarer Zeit ein weiter Klamotteneinkauf nicht zu vermeiden sein. Ihr könnt auch unsere Jungs fragen, ob sie ältere oder zu klein geratene Bekleidungsstücke an euch abtreten können, sofern ihr sie überhaupt anziehen wollt. Gezwungen werdet ihr von uns keinesfalls.“
Bevor ich mich dazu äußern konnte, erklärte David: „Im Heim gab es immer einen Pool an Bekleidung, die immer noch gut erhalten war, aber den anderen zu klein geworden ist. Hin und wieder erhielt das Heim auch Kleiderspenden, meist gut erhaltene Bekleidung für Kinder und Jugendliche. Ich habe kein Problem solche Sachen anzuziehen, freue mich aber auch über neue Sachen, die vorher noch nicht getragen wurden. Vielleicht können die Gutshofbewohner ebenfalls gut erhaltene Kleidung für Kinderheime spenden, anstatt sie wegzuwerfen.“
Ich fand die Idee gut und wollte gleich am Montag mit meiner Sekretärin Petra das Thema angehen. Ich bat die Jungs mich am Montag daran zu erinnern, dass wir einen entsprechenden Aufruf wegen gut erhaltener Kleidung für Kinder und Jugendliche an unsere Mitarbeiter verteilen.
Ich ging davon aus, dass das Thema Bekleidung damit abgeschlossen sei und sagte zu David und Tobias: „Bleiben noch die Dekoartikel für euer Zimmer. Auch da habt ihr freie Hand, aber einigt euch bitte darauf was euch beiden gefällt. Es muss auch nicht alles sofort morgen eingekauft werden.“
Felix und Dennis hatten sich bisher zurückgehalten, was ihre Diskussionsbeiträge anbetraf. Dennis meinte deshalb: „Ich kann euch nur empfehlen euch genau abzusprechen was angeschafft wird. Felix und ich haben die Erfahrung gesammelt, dass wir nicht immer einer Meinung sind, aber jeder von uns soll auch einen Teil seiner eigenen Ideen verwirklichen.“
Diesmal war ich es der einen neuen Beitrag beisteuern wollte, deswegen fragte ich die vier Jungs: „Wir müssen morgen noch unseren Wocheneinkauf durchführen, deswegen wäre es wichtig, ob von eurer Seite Wünsche bestehen, was für das Frühstück benötigt wird.
Montags bis Freitag wird mittags grundsätzlich in der Kantine gegessen, außer Tobias kennen das bereits alle. Nur am Wochenende und abends wird entweder gekocht oder nur eine kleine Mahlzeit eingenommen. Vieles beziehen wir direkt aus dem Hofladen. Nur was dort nicht erhältlich ist wird anderweitig eingekauft.“
Thomas lachte und erklärte uns: „Für unsere beiden Neuzugänge ist das sicher noch etwas gewöhnungsbedürftig, aber ihr werdet euch schnell daran gewöhnen. Was mich interessiert ist, wer morgen früh für alle das Frühstück machen wird? Planmäßig wären eigentlich Peter und David dafür zuständig. Sollen wir es dabei belassen oder traut sich Tobias zu mit den Beiden das Frühstück vorzubereiten?“
David grinste und verkündete uns seine Meinung: „Ich habe schon erste Erfahrungen gesammelt, aber sicher bin ich mir dabei noch nicht. Es wäre nicht schlecht, wenn Tobi und mir noch eine kurze Eingewöhnungsphase zugestanden wird und wir morgen zusammen mit Peter das Frühstück vorbereiten. Habt ihr daran gedacht die Vorbestellung an Semmeln und Brezeln anzupassen oder muss noch nachgekauft werden? Nicht das wir schon vor unserem Einkaufsbummel verhungert sind.“
Dennis lacht herzlich und erklärte: „Ich habe Sebastian schon gebeten unsere Lieferung am Wochenende anzupassen, da wir ab sofort nicht wie bisher zu viert, sondern zukünftig zu sechst sein werden. Zur Erklärung für David und Tobias, der Hofladen und die Küche im Restaurant wird täglich mit Brot, Semmeln und Brezeln beliefert. Für die Bewohner im Gutshaus werden am Wochenende in der Küche die einzelnen Lieferungen zusammengestellt und direkt an die Wohnungstür geliefert. Unter der Woche gibt es diesen Service nicht.
Auch der Einkauf im Hofladen ist einfach. Du kannst direkt dort einkaufen. Peter bekommt monatlich die Rechnung über alles, was dort von der Familie eingekauft wurde. Wir können dort bestellen, dann bringt Peters Tochter die Ware mittags oder abends vorbei. Dazu solltet ihr aber erst einmal wissen, was alles bestellt werden kann. Somit ist vorerst der Direkteinkauf für euch die Ideallösung.
Du bekommst im Hofladen sämtliche Produkte aus eigener Produktion, zum Beispiel Gemüse aus der Gärtnerei, Milch, Eier. Verkauft werden dort auch Produkte von anderen Direktvermarkter, also von landwirtschaftlichen Betrieben, die ihre Produkte direkt an den Endkunden verkaufen. Im Gegenzug liefern wir diesen Bauern für die Direktvermarktung Produkte, die bei uns hergestellt werden.“
Ich schaute die beiden Jungs an und erklärte ihnen: „Logisch, wir werden morgen früh gemeinsam für unsere Wohngemeinschaft das Frühstück vorbereiten. Ich würde sagen, wir werden morgen ausnahmsweise nicht erst nach acht Uhr frühstücken, wie an einem normalen Wochenende. Wenn wir zeitig zu unserer Shoppingtour aufbrechen wollen sollten wir spätestens gegen halb acht bereits am Tisch sitzen. Wir treffen uns in der Küche um sieben Uhr.“
David und Felix erklärten, dass sie sich zurückziehen wollen, wenn morgen eher gefrühstückt wird. Sie standen auf und verließen das Wohnzimmer.
Da wir jetzt in kleinerer Runde zusammensaßen meinte Tobias: „Ich bin jetzt gerade erst wenige Stunden hier. Noch kenne ich so gut wie gar nichts, wie hier das Zusammenleben abläuft. Gibt es noch weitere Regeln oder Abläufe, die ich unbedingt wissen sollte?“
David blickt zu ihm und erklärte: „Selbstverständlich gibt es hier auch Regeln wie im Heim. Für unser Zimmer und den jeweiligen Zustand sind wir allein verantwortlich. Alle gemeinschaftlich genutzten Räume werden im wöchentlichen Wechsel jeweils von allen in Ordnung gehalten. Mit der Wäsche verhält es sich ähnlich, immer ist ein Team dafür zuständig. Nur sollte deine Schmutzwäsche nicht in unserem Zimmer liegen, sondern im zuständigen Behältnis im Badezimmer.
Für die Badbenutzung gibt es keine festen Regeln. Auch wenn Peter, Thomas oder einer der anderen im Bad ist, darfst du dich rasieren, duschen oder allen sonstigen notwendigen Verrichtungen nachgehen. Witzigerweise habe ich mit dieser Regelung kein Problem. Wenn Peter und ich das Frühstück vorbereiten stehen wir morgens zur gleichen Zeit im Bad.
Du gewöhnst dich schnell daran, es gibt sowieso nichts Außergewöhnliches zu entdecken. Mit deinem Einzug muss der Plan wieder angepasst werden. Wundere dich nicht, wenn du nicht immer den gleichen Partner für die anstehenden Aufgaben haben wirst. Peter und Thomas wechseln sich meistens ab in ihren Aufgaben, wundere dich also nicht, wenn morgen früh plötzlich Thomas auftauchen sollte.“
Thomas lachte und erklärte dazu: „Peter und ich sind da bereits einiges gewöhnt, vor rund drei Jahren, wir lebten noch in unserem Reihenhaus, haben wir dort zeitweise mit bis zu acht oder mehr Personen in einem Haushalt gelebt. Neben uns beiden wohnten damals Marcus und Philipp, Peters Neffe Jonas mit seinem Freund Tim fest, Alessandro und Jorge, unsere beiden Spanier, zeitweise mit im Haus.
Da wurde es manchmal morgens richtig eng im Bad, wenn alle fast gleichzeitig aus dem Haus mussten. Falls da der kleine Tobias einen Aufstand proben sollte, denk dir nichts dabei, wir würden so etwas nicht zum ersten Mal sehen. Es gibt noch weitere Regeln, aber die gelten ausnahmsweise nur für euch Beide. Ein regelmäßiger Schulbesuch, einen möglichst guten Schulabschluss und bei der Berufsausbildung ein ordentliches Abschlusszeugnis.“
Ich ergänzte: „Weitere Regeln gibt es nicht, doch etwas sollte für euch Tabu sein. Wer meint mit Thomas oder mir flirten zu wollen, der sollte sich warm anziehen. So junges Gemüse, wie ihr es seid, interessiert uns nicht. Sollten ihr eine breite Schulter zum Anlehnen oder Ausheulen zu brauchen, dann könnt ihr gerne auf uns zukommen. Für eure Sorgen oder Probleme haben wir immer ein offenes Ohr. Was ihr Beide in eurem Zimmer treibt, ist eure Angelegenheit, in den gemeinsam genutzten Räumen bitte keine Schweinereien.“
David und Tobias schauten sich an und nach stummer Kommunikation mit den Augen sagte David: „Schön zu hören, dass wir immer mit unseren großen oder auch kleineren Problemen zu euch kommen können. Das ist auf alle Fälle schon einmal gewaltiger Unterschied zum Leben im Kinderheim. Dort wird dir zwar erklärt, dass du damit zu deinen Betreuern gehen kannst. Aber in der Realität sieht das anders aus. Meistens wird das nur als Petzen gesehen.
Tobias hat sich jahrelang nicht getraut sich bei seinen Betreuern zu outen, da er immer mit der Angst lebte, das könne sich nachteilig für ihn auswirken. Er hat es erst von sich gegeben, als ich aus dem Kinderheim verschwunden bin und er gleichzeitig ankündigte, dass er sich auf die Suche nach mir machen wollte. Das Ergebnis kennt ihr. Über das Jugendamt wurde versucht ihn loszuwerden. Er hat nur verdammtes Glück gehabt, dass Barbara so schnell reagiert hat und er jetzt hier ein neues Zuhause gefunden hat. Ich möchte nicht wissen, wie lange er es im Heim noch ausgehalten hätte, wenn er von den anderen Kindern deswegen schief angeschaut worden wäre.“
Während David uns das erklärte, nickte Tobias einige Male bestätigend mit seinem Kopf. Thomas fragte die beiden: „Seid ihr euch da wirklich sicher mit dieser Aussage? Ich kann mir zwar vorstellen, dass sein Leben im Kinderheim nicht einfacher geworden wäre, aber davor hätten ihn seine Betreuer und die Heimleitung schützen müssen. Wir wissen, dass Menschen mit gleichgeschlechtlichen Neigungen in der Öffentlichkeit noch immer nicht vollständig akzeptiert sind. Aber von Mitarbeitern in der Kinder- und Jugendbetreuung wird das erwartet oder sogar vorausgesetzt.“
Tobias wollte Thomas antworten, zögerte aber dann doch ein wenig, bevor er erklärte: „Vielleicht hat David etwas überspitzt formuliert, aber im Prinzip läuft es fast immer so ab. Wer sich als schwul outet wird von den anderen Kindern gemobbt und verschwindet über kurz oder lang aus dem Kinderheim. Ich habe gehört, sie werden häufig mit anderen älteren schwulen Jungs in Wohngruppen untergebracht, auch wenn sie das entsprechende Alter noch nicht erreicht haben. Wahrscheinlich ergeht es ihnen dort besser als im Kinderheim.“
Ich habe mir fest vorgemerkt, mit Barbara darüber zu reden, vielleicht brauchen wir eine Möglichkeit diesen Jugendlichen, egal ob Jungs oder Mädchen, eine vernünftige Unterbringung anzubieten. Zu den Jungs sagte ich: „Ich hoffe, ihr habt recht. Trotzdem werde ich mich einmal mit Barbara und Marion zu diesem Thema unterhalten, vielleicht kann unsere Stiftung für Jungs in eurem Alter eine alternative Unterbringungsmöglichkeit schaffen.“
Die eintretende Stille wurde nach längerer Zeit von Thomas unterbrochen, der uns erklärte: „Ich denke, wir sollten auch langsam ins Bett verschwinden. Morgen wird ein langer und anstrengender Tag für uns alle werden. Immerhin dürft ihr spätestens um sieben Uhr antreten, um das Frühstück vorzubereiten, würde bedeuten, dass ihr um halb sieben aufstehen und ins Bad dürft.“
Wir räumten gemeinsam noch kurz im Wohnzimmer alles auf, bevor wir uns von den Jungs für eine ruhige und erholsame Nachtruhe verabschiedeten. Im Schlafzimmer angekommen meinte Thomas: „Hoffentlich haben wir keinen Fehler gemacht mit der Entscheidung beide Jungs bei uns aufzunehmen. Klar können unsere Jungs uns unterstützen, aber …“
Ich unterbrach ihn und erwiderte: „Thomas, es hilft nichts, wenn du jetzt anfängst darüber nachzudenken, was alles schieflaufen könnte. Du kannst einfach nicht alle Unwägbarkeiten analysieren und ausschließen. Bei eigenen Kindern kommst du sowieso nicht auf die Idee darüber nachzudenken.
Ich habe gelernt, immer nur auf die aktuelle Situation zu reagieren, das ersparte dir einige schlaflose Nächte. Die Jungs sind für mich in Ordnung, ich glaube fest daran, dass wir keine größeren Probleme bekommen als bei meinen Kindern.
Vielleicht andere Herausforderungen, aber alles lösbare Aufgaben. Außerdem, wenn du jetzt schon zweifelst, brauchen wir überhaupt nicht über das Thema Adoption nachdenken. Aber jetzt lass uns nicht weiter darüber nachdenken, für mich ist die Nacht auch um halb sieben zu Ende.“
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