zur Desktop-Ansicht wechseln. zur mobilen Ansicht wechseln.

Regenbogenfamilie

Teil 69 - Der Alltag hat uns wieder

Lesemodus deaktivieren (?)

Informationen

 

Montagmorgen wurden wir unsanft von David geweckt und er fragte, ob wir heute nicht arbeiten müssten. Thomas fragte verschlafen, wie spät es denn sei. Als David meinte, es sei bereits kurz nach sieben Uhr, richtete er sich ruckartig auf und fluchte, weil er vergessen hatte seinen Wecker wieder einzuschalten. Er stand auf und eilte ins Bad. Ich kroch ebenfalls aus meinem Bett, zog einen Bademantel an und folgte David in die Essecke.

Ich schenkte mir und Thomas eine Tasse Kaffee ein und war gerade dabei für ihn eine Brotscheibe mit Butter zu bestreichen, als er bereits ins Esszimmer trat. Er meinte, er habe nicht viel Zeit, er müsse gleich los, um kurz nach acht Uhr ist bereits das erste von drei Vorstellungsgesprächen am Vormittag für einen neuen Mitarbeiter oder eine neue Mitarbeiterin geplant. Gut zehn Minuten später war er schon unterwegs ins Büro.

Felix hatte inzwischen auch am Frühstückstisch Platz genommen. Ich fragte, wo Dennis sei, und er antwortete mir, dass der noch schliefe, da es gestern Abend wohl sehr spät geworden sei, außerdem ist heute sein freier Tag. Wir frühstückten in aller Ruhe zu Ende und kurz vor acht Uhr eilten Felix und ich nach unten ins Büro. David und Tobias erklärten, dass sie noch kurz aufräumen und anschließend in mein Büro nachkommen würden.

Ich ging nach unten und mein erster Weg führte mich ins Büro zu meiner Assistentin, der ich einen guten Morgen und einen ruhigen Wochenstart wünschte. Kurz erklärte ich ihr, dass David nachkommen würde und sie nicht erschrecken solle, wenn er in Begleitung eines weiteren Jungen auftauchen würde. Tobias gehört seit dem Wochenende ebenfalls zur Familie, und ist ebenso wie David ein Pflegekind.

Weiter ging es in mein Büro, wo bereits Dennis, unser Handwerker, auf mich wartete. Er fragte, ob David bereits in der Schule sei, da ich etwas später dran wäre als üblich. Ich lachte und erklärte ihm: „Du wirst es nicht glauben, Thomas und ich haben heute Morgen gnadenlos verschlafen. Wir wurden erst kurz nach sieben Uhr von den Jungs geweckt. David kommt in wenigen Minuten nach. Sein erster Schultag ist erst morgen und er räumt oben kurz noch auf.“

Er informierte mich: „Gegen neun Uhr wird der Baucontainer angeliefert. Der Platz ist so weit hergerichtet, die notwendigen Anschlüsse vorbereitet, mal schauen, wie weit wir heute kommen und wann ich endgültig in den Container umziehen kann. Ich habe vorher noch einen Anruf erhalten, dass heute ebenfalls der Anbaucontainer geliefert wird, der war ursprünglich erst für Ende der Woche angekündigt war. Hat aber den Vorteil, dass wir nur einmal den Kranwagen benötigen für die Aufstellung der Container.“

In diesem Moment betraten David und Tobias das Büro und David meinte ganz locker: „Wir sind oben fertig, wie können wir euch helfen?“

Dennis schaut siee an und fragte David frech: „Hast du etwa übers Wochenende bereits einen neuen Freund hier gefunden? Am Donnerstagnachmittag waren wir beide noch allein unterwegs zu Axel ins Büro der Handwerker. Sollte dein Freund nicht in der Schule sein um diese Zeit?“

David grinste und erklärte: „Darf ich dir erst einmal Tobias vorstellen. Ob Tobias mein fester Freund wird, dass muss sich erst noch herausstellen. Wie du richtig vermutest ist er ebenfalls schwul. Peter und Thomas haben sich am Freitag entschieden Tobias als weiteres Pflegekind bei sich aufzunehmen. Ich kenne David schon eine Weile, er war im selben Kinderheim in München. Voraussichtlich werden wir ab morgen wieder zur Schule gehen. Bei mir ist das bereits sicher und für Tobias entscheidet sich das heute im Laufe des Tages.“

David wandte sich an mich und fragte: „Hat sich Barbara schon gemeldet wegen des Schulbesuches? Denkst du bitte auch daran, dass wir noch einen Schlüssel und eine Karte für Tobias brauchen, damit er mittags mit in die Kantine zum Essen kann. An etwas anderes sollten wir dich auch noch erinnern. Tobias, weißt du noch, was das gewesen ist?“

Tobias schaute ihn an und sagte: „Wenn ich von dir jetzt erfahre, dass du dich nicht mehr erinnern kannst, wie soll das weitergehen. Wenn du jetzt schon in so jungen Jahren an Demenz leidest, wann hast du mich dann endgültig vergessen. Ich kann dir jedoch einen kleinen Tipp geben, es hat etwas damit zu tun, dass du nicht vollkommen nackt durch die Gegend rennst.“

David schlug sich mit der Hand ans Hirn und sagte: „Richtig, wir haben über eine Kleidersammlung geredet. Gut erhaltene Bekleidung für Kinder und Jugendliche, die den Kinderheimen zur Verfügung gestellt werden kann.“

Ich ließ die Drei allein und ging zu Petra ins Büro. Sie fragte: „Was führt dich zu mir, wie kann ich dir weiterhelfen?“

Ich schaute sie an und erklärte ihr: „Mehrere Dinge, aber wo fange ich denn an? Nehmen wir einfach das Dringendste vorweg. Thomas und ich haben am Freitag beschlossen ein weiteres Pflegekind aufzunehmen. Ich bräuchte für Tobias Huber, so heißt der Knabe, eine Abrechnungskarte für die Kantine, damit er dort essen kann. Dann solltest du bei Alejandro nachfragen, ob er noch einen Schlüssel für unsere Wohnung in Reserve hat, ansonsten soll er dringend nachbestellen.

Der Rest ist etwas komplizierter. Ich sage dir kurz, worum es gehen soll. Wir wollen bei unseren Mitarbeitern einen Aufruf starten, wer gut erhaltene Kinder- und Jugendkleidung abzugeben hat. Sie soll gesammelt, sortiert und an Kinderheime abgegeben werden. Ich will da auch noch mit Barbara darüber reden, ob die Kinderheime im Großraum Rosenheim eventuell ein Interesse haben. Bevor wir diese Aktion aber starten, sollten wir uns in Ruhe überlegen was erforderlich ist und wie die Abwicklung ablaufen soll. Vielleicht kann uns Barbara dazu ein paar Tipps geben.“

Petra schaute mich an und erklärte: „Die Punkte eins und zwei kann ich sofort erledigen, bei der Kleidersammlung sollten wir bedenken, dass einige Institutionen bereits solche Sammlungen durchführen. Vielleicht kommen wir über sie auch an gut erhaltene Bekleidung für Kinder und Jugendliche oder können gemeinsam mit ihnen die Aktion abwickeln. Ich würde den Empfängerkreis sogar erweitern, auf bedürftige Kinder und Jugendliche, dann kann die Aktion von der Stiftung unterstützt werden.“

„Genau das meinte ich“, sagte ich zu Petra, „mit in aller Ruhe nachdenken, wie das ablaufen kann.“

Das Telefon klingelte und Petra ging ran: „Grüß Gott, Sie sprechen mit Petra Hummel vom Gutshof Sonneneck. Was kann ich für sie tun?“ Schon beim ersten Satz ihres Gesprächspartners fing sie zu grinsen und deutete mir, ich soll einen Blick auf die Rufnummer werfen. Ein Blick genügte und ich wusste, dass Barbara in der Leitung war. Sie sagte zur Anruferin: „Durchstellen kann ich sie leider nicht, Peter ist derzeit nicht in seinem Büro. Wenn sie ihn dringend sprechen wollen, kann ich ihm höchsten den Hörer überreichen, er steht derzeit bei mir im Büro.“

Ich lachte laut auf während Petra den Hörer in meine Richtung hielt. Ich legte die Hörmuschel ans Ohr und sagte: „Hallo Barbara, hier ist Peter, was gibt es Neues, was so wichtig ist, dass du sogar meine Sekretärin anrufst.“

Barbara meinte: „Wenn du nicht an dein Smartphone gehst, wenn ich anrufe, dann muss ich es eben über deine Assistentin Petra versuchen. Sie weiß zumindest immer, wo du dich gerade herumtreibst. Warum ich anrufe, mit der Schule ist so weit alles geklärt, Tobias könnt ihr gleich morgen mitnehmen zur Anmeldung. Ich habe die Pflegevollmacht schon vorbereitet und bringe sie euch gegen Mittag vorbei. Die Unterlagen seiner Münchner Schule werden per Mail übermittelt.“

Ich meinte zu ihr: „Alles klar, morgen mit beiden Jungs die Schule stürmen, sie anmelden und danach ihrem Schicksal überlassen. Wenn du nachher vorbeikommst, könntest du etwas Zeit mitbringen. Petra und ich wollen mit dir etwas besprechen. Ich würde sagen eine halbe, bis ganze Stunde sollte ausreichen. Ich übergebe dich wieder an Petra, bis später.“

Ich drückte Petra den Hörer in die Hand und ging zurück in mein Büro. David und Tobias saßen in der Besprechungsecke und unterhielten sich. Als sie mich erblickten fragte Tobias sofort; „Dürfen wir rausgehen zu Dennis, er hat gemeint wir können zuschauen, wenn die Baucontainer aufgestellt werden. Er ist vor wenigen Minuten angerufen worden, dass der erste Container und der Kranwagen gleich eintreffen werden und hat danach das Büro verlassen.“

Ich überlegte kurz und antwortete ihnen: „Bevor ihr zu Dennis geht, Tobias geht morgen auch zum ersten Mal hier in die Schule, wie Barbara mir gerade mitgeteilt hat. Sie kommt am späten Vormittag vorbei und bringt uns die Unterlagen, damit wir Tobias offiziell anmelden können. Kommt bitte wieder zu mir ins Büro wenn Barbara kommt. Es gibt noch einiges mit ihr zu besprechen.

Holt euch bitte oben noch eure Jacken, es scheint draußen ziemlich windig zu sein, nicht dass ihr mir morgen beide krank seid. Ich werde nachher auch kurz zuschauen, wie die Container aufgebaut werden, habe aber vorher noch einige Sachen zu erledigen.“

Ich setzte mich an meinen Schreibtisch, während die beiden Jungs mein Büro verließen. Ich telefonierte zuerst mit Gerhard Bauer, da er bei Petra hinterlassen hatte, dass ich ihn noch am Montagvormittag zurückrufen sollte. Als er abnahm fragte ich ihn, warum ich ihn zurückrufen sollte. Gerhard meinte, er hätte am Donnerstag nachmittags den Anruf eines Notars aus Hamburg erhalten.

Er erzählte ihm, dass aus dem Nachlass einer Hamburger Persönlichkeit ein in die Jahre gekommenes Hotel an der Ostsee mit etwa einhundert Zimmer an die Stiftung übertragen werden soll, damit dort eine Ferienanlage für benachteiligte Kinder und Jugendliche nach dem Vorbild des Gesindehauses und des ehemaligen Hotels in Österreich entstehen soll. Die Übertragung kommt nur zustande, wenn wir uns verpflichten, innerhalb der nächsten zwei Jahre den Umbau durchzuführen. Verbunden damit wäre eine zusätzliche Barspende in Höhe von drei Millionen Euro für den Umbau.

Ich war erstaunt über das Angebot und sagte zu Gerhard: „Hat der Notar dir auch verraten, warum unsere Stiftung damit bedacht werden soll? Hast du mit ihm schon besprochen, wie das Ganze abgewickelt werden soll?“

Gerhard erklärte mir, dass er sich in diesem Moment etwas überrumpelt fühlte und er das erst mit mir als Geschäftsführer der Stiftung besprechen will. Er versprach, dass wir uns im Laufe des Montags bei ihm melden würden. Ich fragte Gerhard, ob wir uns später hier im Büro treffen könnten und dann gemeinsam mit dem Notar telefonieren. Er meinte, er könne gegen dreizehn Uhr bei mir sein. Ich sagte noch, dass wir uns dann in großer Runde zusammensetzen und alles besprechen.

Ich ging ins Büro der Stiftung und fragte Ludwig, ob ihm sein Großvater schon etwas gesagt hätte von einer weiteren Erbschaft, jedoch nicht so groß wie die bisherigen. Ludwig schaute mich mit großen Augen an und versicherte mir, dass er das zum ersten mal hört. Bevor ich ihm jetzt weiteres erklärte, meinte ich, weitere Infos gibt es um dreizehn Uhr bei mir im Büro, bring bitte Felix und eure Stühle mit, sofern ihr nicht auf dem Boden sitzen wollt.

Da ich so nach und nach die wichtigsten Aufgaben abgearbeitet hatte, beschloss ich jetzt doch zur Baustelle zu gehen, wo die Büro-Container aufgestellt werden. Ich fragte Dennis, ob er ab dreizehn Uhr für gut eine Stunde Zeit für mich hätte. Als er absagte, beauftragte ich ihn, dass Axel oder Edi dann an seiner Stelle diesen Termin wahrnehmen sollen. Ich stellte fest, dass der erste Baucontainer bereits abgeladen war und an seiner endgültigen Position stand.

Beim Umdrehen sah ich wie sich Barbaras Auto näherte. Ich rief David und Tobias, dass sie kommen sollten, weil Barbara im Anrollen sei. Als sie das Auto erkannten, folgten sie mir zum Gutshaus. Barbara war schon ausgestiegen und zusammen gingen wir in mein Büro.

Barbara fragte David und Tobias, ob der Einkaufsmarathon erfolgreich gewesen ist und wie es im Kinderheim abgelaufen sei. Da Barbara mir die Papiere in die Hand gedrückt hatte, hört ich nicht zu, was sie ihr erzählten, da ich mich mit dem Studieren der Unterlagen beschäftigte.

Die plötzliche Stille störte mich und so sah ich auf. Barbara grinste und die beiden Jungs lachten, so fragte ich was los sei? Barbara meinte, sie hätte mich jetzt zweimal angesprochen und ich hätte sie absolut ignoriert. Ich meinte, ich war voll auf deine Papiere konzentriert und habe einfach alles andere dabei ausgeblendet.

Danach setzten wir uns mit Petra zusammen und besprachen die Anregung von David, eine Kleidersammlung unter den Mitarbeitern durchzuführen, um gut erhaltene Bekleidung für Kinderheime aufzutreiben.

Barbara erklärte, dass dies nur Sinn machen würde, wenn die Kleidung, bevor sie weitergegeben wird, überprüft wird, ob es sich wirklich um gut erhaltene Teile handelt. Es bringe nichts, alles einfach weiterzugeben, da sich sonst die Kinderheime um die Entsorgung der unbrauchbaren Teile kümmern müssten.

Petra fragte bei mir nach, wer sich um die Prüfung und Auswahl der Bekleidung kümmern soll, sie könne diesen Job sicher nicht zusätzlich übernehmen. Ich erklärte, dass wir das zu gegebener Zeit entscheiden sollten, da wir bisher nicht wissen, wie unsere Mitarbeiter auf diesen Aufruf reagieren.

Im Ergebnis beschlossen wir einen Pilotversuch unter unseren Mitarbeitern zu starten, der, sofern erfolgreich, einmal jährlich auch in einem größeren Rahmen stattfinden könne. Wir vereinbarten, dass unsere erste Sammlung vor allem dem Kinderheim in Rosenheim zugutekommen sollte.

Bevor sie sich verabschiedete erzählte ich ihr noch kurz von Gerhards Anruf und dem Hotel an der Ostsee, das an die Stiftung gehen soll, wenn wir es innerhalb von zwei Jahren in eine Urlaubseinrichtung für benachteiligte Kinder und Jugendliche umbauen. Sie meinte, dann gibt es ja einen weiteren Ort, wo unsere Kinder und Jugendlichen Urlaub machen können.

Da es inzwischen kurz vor zwölf Uhr war, meinte ich zu den Jungs, wir sollten jetzt zum Essen gehen, da ich um dreizehn Uhr einen Termin mit Gerhard Bauer und einigen Mitarbeitern der Stiftung habe, der sich kurzfristig ergeben hat.

Tobias fragte, ob das bei mir immer so abläuft, kurzfristige Termine und dann Stress ohne Ende. Was ist so wichtig, dass es nicht warten kann?

Ich habe vorher ein längeres Telefongespräch mit Gerhard, dem Mitbegründer der Stiftung Sonneneck erhalten, dass wir als Nachlassnehmer für ein älteres Hotel an der Ostsee vorgesehen sind und uns bis heute Nachmittag entscheiden müssen, ob die Stiftung die Erbschaft annimmt. Deswegen setzen wir uns heute Mittag kurzfristig zusammen und telefonieren anschließend mit dem Notar.

Tobi schaute zu Dave und bat darum, dass sie an der Besprechung teilnehmen dürften. es würde sie interessieren, wie so etwas abläuft. Ich meinte, dass ich kein Problem hätte, wenn sie nur zuhören. Wir gingen in die Kantine zum Mittagessen und kurz vor dreizehn Uhr saßen wir wieder in meinem Büro. Wir hatten uns kaum gesetzt, kamen Ludwig und Felix und zwei Minuten später tauchte als nächster Axel auf.

Alle schauten mich fragend an und ich sagte, dass wir uns noch kurz gedulden müssen, bis Gerhard eintrifft. Kurz darauf klopfte es und Gerhard trat ins Büro ein. Nachdem er Platz genommen hatte, schaute er sich um und meinte: „Haben wir neue Mitarbeiter in der Stiftung, die ich noch nicht kenne? Peter, kannst du mir die beiden jungen Hüpfer kurz vorstellen.

Ich lachte, schaute Gerhard an und erklärte: „Gerhard, wir haben in der Stiftung keine neuen Mitarbeiter, aber meine Familie ist letzte Woche und über das Wochenende um zwei Familienmitglieder angewachsen, das sind David und Tobias, beide schwul, beide sind sechzehn Jahre alt und aus einem Kinderheim in München.

Sie sind beide als Pflegekinder vom Jugendamt Rosenheim an uns vermittelt worden. Du kannst die Beiden im Anschluss gerne näher kennenlernen. Ab morgen gehen beide in Rosenheim wieder zur Schule. Sie sind nur neugierig, was ihr Pflegevater den ganzen Tag so treibt und haben gefragt, ob sie dabei sein dürfen.“

Gerhard erzählte allen von dem Anruf des Notars aus Hamburg und den ihm vorliegenden Informationen. Zuletzt wollte er wissen, ob mit der Post oder per Mail Unterlagen mit detaillierteren Informationen ankommen sei. Der Notar hatte versprochen, dass spätestens am Freitag noch Unterlagen direkt an die Anschrift oder an die allgemeine Mailadresse der Stiftung herausgehen würden.

Ich erklärte, dass ich bisher noch nichts gesehen hätte, könne aber noch einmal nachschauen. Auch die Mitarbeiter der Stiftung hatten kein Mal erhalten. Ich telefonierte mit der IT-Abteilung und fragte, ob in den letzten Tagen die Mail eines Hamburger Notars an die Stiftung im Spam- oder Viren-Ordner gelandet sei.

Marcus erklärte mir, dass eine Mail eingegangen sei. In einem der Anhänge hat unser Virenscanner möglicherweise eine schadhafte Datei entdeckt und die Zustellung der Mail an den Empfänger geblockt. Wir haben die entsprechende Datei aus der Mail herausgenommen, isoliert und prüfen gerade ob sich wirklich ein Virus darin befindet.

Wir können euch zumindest die restliche Mail sofort weiterleiten, wenn ihr sie dringend benötigt. Normalerweise gehen solche Mails erst weiter an euch wenn die Prüfung abgeschlossen ist. Ich bat ihn, uns die Unterlagen sofort weiterzuleiten, da wir dem Notar kurzfristig unser Interesse an dem Projekt bekunden müssen.

Kurze Zeit später hatte ich die Mail auf dem Monitor. Ludwig hatte ebenfalls sein Notebook geöffnet und sah die Mail ebenfalls. Er las allen den Text der Mail vor, während ich bereits die Anlagen einsah. Es waren diverse Fotos vom Hotel und den Gästezimmern dabei, ein Exposee der Immobilie und diverse Grundrisse. Als Ludwig den Text zu Ende gelesen hatte, fragte ich in die Runde, ob wir die Erbschaft annehmen sollen.

Axel meldete sich als erster und tat seine Meinung kund: „Grundsätzlich sehe ich kein Problem, wenn die Stiftung das Angebot annimmt. Aber aus dem Geschäftsbereich der Handwerker muss ich Bedenken anmelden. Wir haben nicht so viele Mitarbeiter, mit denen wir die Bauarbeiten durchführen können, um rechtzeitig innerhalb der vierundzwanzig Monate abzuschließen. Wir würden zuverlässige Handwerker vor Ort brauchen.“

Ludwig erklärte: „Mit diesem Objekt hätten wir endlich einen zweiten Standort in Deutschland am anderen Ende der Republik für die Unterbringung der Kinder und Jugendlichen, noch dazu direkt an der Ostsee. Wir sollten dabei nicht außer Acht lassen, dass wir nur wenig oder gar keine Eigenmittel investieren müssten, somit bleiben unsere Reserven für weitere Projekte unangetastet.

Peter, ich fürchte, du darfst mit ein oder zwei Mitarbeitern von uns vor Ort die Hotelbelegschaft aufklären, so wie du es bereits in Österreich getan hast. Ich biete dir hiermit meine Unterstützung an und gehe davon aus, dass Felix sich uns anschließen wird.

Ich sah es ähnlich wie Ludwig und so erklärte ich, dann lasst uns den Notar anrufen und mit ihm alles weitere klären. Ich wählt die in der Mail angegebene Rufnummer und der Rechtsanwalt und Notar Rüdiger Lustig meldete sich.

Ich begrüßte ihn herzlich, auch im Namen der Anwesenden und erklärte, dass ich ihn auf Lautsprecher stelle, damit alle mithören können. Ich stellte ihm kurz die anwesenden Mitarbeiter der Stiftung vor und erklärte ihm dann, dass wir Interesse hätten, das Objekt für die Stiftung zu übernehmen, um es im Sinne des Erblassers zu verwenden.

Ich fragte ihn, ob er wisse, warum der Vermächtnisgeber uns dafür vorgesehen habe. Er erklärte, definitiv weiß er es nicht, aber in einem Gespräch hat er kurz vor seinem überraschenden Tod erwähnt, dass er von einer kürzlich verstorbenen Bekannten aus Oberbayern, von der Stiftung gehört hat und sie ihm erzählt hat, dass sie ihren kompletten Immobilienbesitz der Stiftung vererben will.

Er hatte sich über die Stiftung im Internet informiert und die Idee für so gut befunden, dass er sich zu diesem Schritt entschlossen habe. Der Rechtsanwalt erklärte uns noch, dass der größte Teil des Vermögens im Familienbesitz verbleibt.

Ich bat ihn uns zu erzählen, wie er sich die weitere Abwickelung vorgestellt habe. Vor allen wollte ich wissen, ab wann wir mit den Mitarbeitern des Hotels Kontakt aufnehmen könnten, um ihnen die Änderungen, die sich mit der Umstellung ergeben, vorstellen zu können.

Er meinte: „Mit eurer mündlichen Zusage heute stünde nichts mehr im Weg mit den Mitarbeitern in Kontakt zu treten. Sie wissen Bescheid, dass das Hotel an eine Stiftung gehen soll und zukünftig einer anderweitigen Nutzung zugeführt werden soll. Ihr könnt euch direkt mit dem Hotelmanager in Verbindung setzen und einen Besichtigungstermin vereinbaren.

Ich schicke heute noch eine Mail mit den Kontaktdaten und informiere den Manager gleichzeitig.“

Den Ablauf stelle er sich wie folgt vor. Er habe eingeplant, am Mittwoch bei uns vorbeizukommen, dann können wir alle Details besprechen. Notwendig ist dann nur ein Notarbesuch, bei dem die Übertragung beurkundet und die Eintragung ins Grundbuch veranlasst wird. Er wird mir noch mitteilen, wann er am Mittwoch eintreffen wird.

Auf meine Nachfrage, ob wir ihm eine Übernachtungsmöglichkeit anbieten können, meint er, das sei nicht notwendig, er fliege am Mittwochabend wieder zurück nach Hamburg. Zuletzt machte ich ihn noch darauf aufmerksam, dass wir mit einem Anhang an seiner Mail unsere Schwierigkeiten hatten, da der Virenscanner eine schadhafte Datei festgestellt hat. Unsere IT-Abteilung hat den Anhang isoliert und prüft derzeit noch. Danach verabschiedeten wir uns bis zu unserem Treffen am Mittwoch.

Axel fragte mich, wer die Planung und Bauleitung des Umbaus im Hotel an der Ostsee durchführen soll. Ich meinte dazu, wir sollten auf alle Fälle mit Jason oder Jenifer Schreiber sprechen, sie können uns immer noch einen Kollegen aus dem hohen Norden empfehlen.

Sollten wir mit einem Teil unserer Handwerker vor Ort aktiv werden, muss einer von euch beiden die Arbeiten vor Ort koordinieren und überwachen. Alex lachte und verabschiedete sich auch gleich. Auch erklärten Ludwig und Felix, dass sie wieder in ihr Büro verschwinden. Sie verabschiedeten sich von Gerhard und verließen mein Büro.

Gerhard schaute David und Tobias an und meinte, sie sollten aus ihrer Sicht erzählen, wie sie zu Thomas und mir als Pflegeväter gekommen sind und wie es ihnen bisher bei uns gefallen würde. Die Beiden schauten mich unsicher an, so dass ich ihnen nahelegte, ihr könnt Gerhard alles erzählen. Er kennt bereits von einigen unserer schwulen Mitarbeiter ihre Vorgeschichte und ist so einiges gewöhnt. Er wird keinen von euch wegen seiner Vorgeschichte verurteilen oder schräg ansehen.

David fasste sich als Erste ein Herz und erzählte: „Meine Eltern haben mich aus dem Haus geekelt, als ich mich bei ihnen geoutet habe. Die nächsten Monate verbrachte ich mein Leben zwischen Straßenstrich und Kinderheim. Letzte Woche, nachdem ich wieder einmal auf dem Straßenstrich aufgegriffen wurde, brachte man mich nicht mehr ins Kinderheim in München zurück. Die Polizei fuhr mich nach Rosenheim, wo mich Barbara, die Frau vom Jugendamt, in der Wohnung von Peter und Thomas in Empfang nahm.

Sie erklärte mir, ich hätte die Wahl zwischen Peter und Thomas als Pflegeeltern oder die Unterbringung in einem Rosenheimer Kinderheim. Wahrscheinlich hätte ich den größten Fehler meines Lebens gemacht, wenn mein Bauchgefühl nicht anders für mich entschieden hätte. Ich habe Peter und Thomas sogar unterstellt, dass sie mich nur aufnehmen, damit ich ihnen als Lustknabe diene. Meine Entscheidung, als Pflegekind bei ihnen zu bleiben, habe ich bisher nicht bereut. Thomas und Peter sind in den wenigen Tagen mehr zu meinen Eltern geworden, als es meine leiblichen Eltern jemals waren.“

Tobias schaute zu David, ob er noch was dazusagen will, als er den Kopf schüttelte erzählte er: „Meine Eltern sind vor neun Jahren bei einem Unfall verstorben, zuerst lebte ich bis zum Tod meiner Großmutter bei ihr. Ab dem Zeitpunkt lebte ich im Münchner Kinderheim. Schon im Kinderheim hatte ich mich in David verknallt und als letzte Woche bekannt war, dass er nie wieder ins Heim zurückkommen würde, habe ich erklärt, dass ich mich aus dem Heim absetzen will, um nach David zu suchen.

Geplant hatte ich, mich am vergangenen Freitag nachmittags aus dem Münchner Kinderheim abzusetzen. Kurz vor meinem Abgang erwischte mich meine Betreuerin und erklärte mir, dass ich zu Pflegeeltern in der Nähe von Rosenheim kommen soll, dort könnte ich David zumindest in der Schule wiedersehen. Zu einem ersten Kennenlernen sollte ich noch am Freitag für ein Wochenende zu ihnen kommen. Gegebenenfalls würden mich meine Gastgeber am Sonntagnachmittag wieder ins Kinderheim nach München zurückbringen.

Schon beim ersten Beschnuppern, noch im Beisein von Barbara, legte ich mich fest, ich will hierbleiben, wusste aber zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass David in der gleichen Pflegefamilie untergebracht ist. Erst beim Abendessen erfuhr ich davon. Was mich noch etwas mehr überrascht hat, war die Tatsache, dass am nächsten Tag ein Einkaufstrip nach München geplant war. Anschließend sollte ich im Kinderheim meine wenigen persönlichen Sachen einpacken und zu meinen Pflegeeltern mitnehmen. Ich hoffe, dass es für immer so bleibt, und wünsche mir, dass David nie wieder auf die Idee kommt, zu verschwinden und auf den Straßenstrich zu gehen. Dazu liebe ich ihn zu sehr.“

Gerhard schaute mich an und erklärte: „Ich hatte ja so einiges erwartet, als du, Peter, vorher angedeutet hast, ich würde keinen verurteilen, egal was bisher in seinem Leben abgelaufen ist. Davids Geschichte war dann doch etwas heftiger, als ich zuerst vermutet habe. Jetzt verstehe ich auch, warum ihr gleich Beide aufgenommen habt.“

Er drehte sich zu David und sprach: „David, Peter und Thomas würden sich nie an einem Minderjährigen vergreifen, von den Beiden kannst du eher Hilfe erwarten, als dass sie dich missbrauchen würden, aber dass scheinst du bereits begriffen zu haben, als du erklärt hast, dein Bauchgefühl hat anders für dich entschieden.

Werdet beide glücklich bei Peter und Thomas, beendet eure Schule und erlernt einen Beruf, der euch Spaß macht. Die Beiden werden immer eine Stütze in eurem weiteren Leben bleiben. Werdet glücklich miteinander, sofern Tobias große Liebe zu dir von deiner Seite erwidert werden kann.“

David schaute ihn an und meinte: „Ich habe vorher erwähnt, dass Thomas und Peter nach so kurzer Zeit für mich mehr Familie sind, als es meine Eltern je waren. Das meine ich so, wie ich es gesagt habe. Ich fühle mich endlich akzeptiert und verstanden und werde einen Teufel tun, das wieder aufs Spiel zu setzen. Ich habe für Tobias schon im Kinderheim eine Zuneigung entwickelt, ihn dort aber immer wieder abgewiesen. Ich wollte immer verhindern, dass er, so wie ich, eines Tages mit mir zusammen auf dem Straßenstrich landet.“

Gerhard verabschiedete sich und erklärte, wir sehen uns wieder am Mittwoch, du informierst mich, wann der Notar eintreffen wird. David und Tobias schauten mich an, bis Tobias sagte: „Was steht heute noch an, hast du noch große Termine oder können wir zwei dich ausquetschen wie eine Zitrone. Nach den ganzen Informationen, die heute auf uns eingeprasselt sind, haben wir viele Fragen, vor allem über eure Stiftung.“

Ich freute mich über ihr Interesse und so sagte ich: „Wichtig Termine gibt es heute nicht mehr, ihr könnt mich mit euren Fragen löchern, bis bei euch die Köpfe rauchen.“ Die nächsten eineinhalb Stunden beantwortete ich alle Fragen, die sie stellten. Mal ausführlicher, mal weniger umfangreich, je nachdem, ob es dazu Nachfragen gab.

Eine Frage ist mir aufgefallen, da sie bisher noch von keinem anderen gestellt wurde: „Wenn man in der Stiftung mitarbeiten will, muss man dann unbedingt eine kaufmännische Ausbildung haben?“

Ich überlegte lange, bevor ich antwortete: „Wenn ich die Stiftungsverwaltung betrachte, dann ist die Vermutung sicher richtig. Wenn ich mir jedoch die Unternehmen betrachte, die der Stiftung gehören, wie zum Beispiel unser Hotel hier ganz in der Nähe, da sieht es komplett anders aus. Dort gibt es Beschäftigte in der Küche, in der Gastronomie, im Zimmerservice, aber natürlich auch im kaufmännischen Bereich.

Ähnlich ist es im Bereich der Multi-Nutzung, wie Gesindehaus, unser Jugendhotel in Österreich, sowie beim neuen Jugendhotel an der Ostsee, die als Landschulheim, als Schulungscenter und als Erholungseinrichtung für benachteiligte Kinder und Jugendliche arbeiten. Dort kommen noch weitere Berufsbilder hinzu, wie Mitarbeiter für die Betreuung der Kinder und Jugendlichen, oder Sozialmitarbeiter.

In dem Unternehmen, das für die Dokumenten- und Bauplanverwaltung zuständig ist, findest du Spezialisten aus dem IT-Bereich, Softwaredesigner, Datenbankprofis und Mitarbeiter im Kundensupport. Auch bei zukünftigen Unternehmen, die die Stiftung erwirbt oder neu gründet, können weitere Berufsbilder auftauchen.

Irgendwann meinte ich jedoch: „Wir sollten langsam zum Schluss kommen, ihr müsst noch eure Schulsachen für morgen vorbereiten und heute kochen wir Drei für alle das Abendessen. Um zwanzig Uhr treffen wir uns zu einem weiteren Gespräch wegen der Vorbereitungen zu unserer Hochzeit. David war beim letzten Treffen bereits dabei und heute hat Tobias seine Premiere. Ihr könnt auch zocken oder euch mental auf die Schule vorbereiten, das ist eure Entscheidung.“

Während die Beiden ihre Schulsachen zusammensuchten, fing ich mit den Vorbereitungen zum Kochen an. Nach gut einer halben Stunde tauchten sie in der Küche auf, erklärten sie hätten alles vorbereitet und wollten wissen, wobei sie mir helfen können. Ich meinte es wäre schön, wenn einer von euch bereits den Tisch eindecken würde und der andere könne in der Zwischenzeit die Kartoffeln schälen.

Tobias blieb bei mir in der Küche und fragte, wieviel Kartoffeln er schälen solle, noch habe er kein Gefühl für die richtige Menge. Er meinte, im Kinderheim sind doch größere Mengen erforderlich als in unserem Sechs-Personen-Haushalt. Ich erklärte ihm, dass Dennis während der Arbeit essen würde und somit Kartoffeln für fünf Personen benötigt werden. Er meinte, dann brauchen wir so etwa zehn mittelgroße Kartoffeln.

David kam zurück und erklärte, dass er nur für fünf Personen gedeckt hat, da Dennis vermutlich im Restaurant essen würde. Ich bestätigte ihm seine Vermutung. Pünktlich war das Essen fertig vorbereitet, Thomas und Felix waren ebenfalls zu Hause, so dass wir sofort servierten.

Nach dem Essen meinte Thomas, dass er zusammen mit Felix den Tisch abdecken und die Küche aufräumen will, da wir schon gekocht hatten. Ich setzte mich mit David und Tobias bereits ins Wohnzimmer und fragte sie: „Wollte ihr bei unserem Vorbereitungsgespräch dabei sein, oder habt ihr etwas anderes geplant.“ Die Jungs erklärten, dass sie mit uns an dem Treffen teilnehmen wollen.

Die ersten, die eintrafen waren Philipp und Marcus. Sie hatten Tobias, als unseren Neuzugang, bereits kennengelernt. Als Manuel und Daniel eintrafen, blickte ich in fragende Gesichter. Als erstes stellte ich ihnen Tobias als weiteres Pflegekind vor, der seit dem Wochenende zur Familie gehört. Anschließend drehte ich das Ganze um und erklärte Tobias, dass Daniel und Manuel zusammen mit uns heiraten werden.

Daniel ergänzte: „Ich bin in der Gärtnerei Winter, einem Unternehmen der Gutshof-Gruppe als Betriebsleiter beschäftigt. Manuel, mein Freund, arbeitet als Auszubildender in der Gärtnerei. Er hat vorher als landwirtschaftlicher Mitarbeiter bereits am Gutshof gearbeitet. Wir beide wohnen drüben im Verwalterhaus mit Tim und Jonas. Wir haben David bereits eingeladen uns in der Gärtnerei zu besuchen, das gilt selbstverständlich auch für dich Tobias.“

Philipp meinte, wir sollten so langsam anfangen, wir können gerne am Ende noch mit den beiden Jungs plaudern. David hat uns seine Lebensgeschichte bereits erzählt, vielleicht will uns Tobias etwas über seinen bisherigen Lebensweg erzählen.

Philipp erklärte: „Tobias habe ich bereits in die Liste der Hochzeitsgäste mit aufgenommen, ich wusste seit Freitag spätnachmittags, dass er ab sofort mit zur Familie gehört. Ist euch sonst noch jemand eingefallen, den wir bisher vergessen haben?“

Ich meinte: „Kann es sein, dass wir Jonas Familie vergessen haben? Gut meine Schwester wird sowieso nicht zur Hochzeit kommen. Aber mein Schwager und die Geschwister von Jonas werden sicher kommen, denke ich zumindest. Außerdem sollten wir Tims Eltern einladen. Sie könnten zusammen mit dem Vater von Jonas zur Feier anreisen.“

Philipp schaute in der Einladungsliste nach und stellte fest, dass wir sie wirklich übersehen haben. Ich lachte: „Kein Wunder, sie werden diejenigen sein, die die längste Anfahrt haben werden. Wir sollten einplanen, dass sie auch eine Übernachtungsmöglichkeit brauchen. Hat irgendeiner Informationen, ob wir an diesem Wochenende im Gesindehaus noch unsere Gäste unterbringen können?“

Daniel meinte: „Er hat bisher überhaupt nicht daran gedacht, wie die Hochzeitsgäste untergebracht werden. Bei seinen Gästen gehe er davon aus, dass keine Unterbringung notwendig ist, da alle im Umkreis von etwa zwanzig Kilometern wohnen und locker nach Hause fahren können.“

Marcus lachte und erklärte uns: „Ehrlich gesagt, wir haben uns bisher auch keine Gedanken gemacht. Der Großteil der eingeladenen Personen wohnt, so wie Daniel schon gesagt hat, in einem Radius von zwanzig bis dreißig Kilometern oder sogar direkt im Gutshof. Für deinen Schwager Martin mit seinen beiden Kindern Sabine und Manuel, mit seiner Freundin Julia, sowie für Tims Eltern Gabi und Reinhard werden wir auf alle Fälle eine Unterbringungsmöglichkeit benötigen.“

Ich telefonierte kurz mit Alexandra und fragte nach, wie es am letzten Wochenende im November mit der Belegung der Zimmer im Gesindehaus aussieht. Sie antwortete, schlecht sähe es aus, bisher sind nur zwölf Zimmer belegt. Ich erklärte ihr, dass wir vorsichtshalber vier Zimmer reservieren, für Hochzeitsgäste, die aus dem Norden der Republik anreisen. Ich gab ihr kurz durch, für wen sie die Zimmer reservieren soll. Sie meinte noch, okay, ich reserviere dir die Zimmer, notfalls können wir auch auf das Seminarhotel ausweichen, dort sind ebenfalls noch freie Zimmer vorhanden.

Marcus verkündete, dass die Einladungskarten gedruckt seien und voraussichtlich morgen geliefert werden. Er fragte David und Tobias, ob sie in den nächsten Tagen Zeit und Lust hätten, ihm und Phillipp bei der Versandaktion behilflich zu sein. David schaute Tobias an und sie sagten zu, unter der Voraussetzung, dass die schulischen Anforderungen sie nicht zu sehr strapazieren würden. Philipp erklärte kurz, dass nur Adressaufkleber und Briefmarken auf die Kuverts aufzukleben sind.

Nachdem das geklärt war, meinte Philipp: „Wir haben noch keine Entscheidung über den Hauptgang unseres Hochzeitsmenüs getroffen haben. Ich habe euch, wie beim letzten Termin vereinbart, die Liste geschickt, ich hoffe ihr habt sie euch bereits angeschaut.“

Manuel erklärte: „Wir haben uns bereits entschieden, was wir bevorzugen würden. An erster Stelle stehen bei uns die Filets mit Prinzessbohnen im Speckmantel, als zweites haben wir das Zanderfilet mit Petersilienkartoffeln und buntem Gemüse, sowie als Favorit Nummer drei das Wiener Schnitzel mit Bratkartoffeln und Salatteller.“

Philipp schaute mich an und wollte wissen, ob Thomas und ich auch schon eine Auswahl getroffen hätten. Ich erklärte ihm: „Wir haben uns die Liste angeschaut und wir können uns alle Gerichte als Hauptgericht vorstellen. Wir haben gestern Abend nochmals darüber gesprochen und wollen die Auswahl auf David und Tobias abwälzen. Hast du zufällig eine ausgedruckte Liste für die Jungs dabei, ansonsten könne er die Liste kurz ausdrucken.“

Philipp lachte und meinte: „Ich schicke die Liste den Jungs per Mail, dann können sie die Vorschläge an ihrem Smartphone anschauen. Marcus und ich haben auch den Fisch auf unserer Liste. Ansonsten haben wir uns für den Grillteller mit Pommes Frites und Pfannengemüse oder den Sauerbraten mit frischen Bandnudeln und Wirsinggemüse in Rahmsoße entschieden.“

Ich beobachtete in der Zwischenzeit David und Tobias, die eifrig die an ihr Smartphone übermittelten Vorschläge studierten. Plötzlich meinte Tobias: „Ich für meinen Teil wüsste schon, was ich mir bestellen würde. Aber ich finde in der Liste kein Gericht, das von Kindern bevorzugt wird. Habt ihr nur Erwachsene oder ältere Jugendliche zu eurer Feier eingeladen?“

„Nicht das ich wüsste“ sagte ich und verwies darauf: „Sowohl Martina, Barbara und Marion zumindest mit ihren Kindern eingeladen sind. Klar, Klaus aus der Buchhaltung kommt ebenfalls mit seinen Kindern. Ich gehe davon aus, dass sicher noch weitere Kinder dazukommen werden. Sollen wir mit Sebastian darüber reden, ob er eigene Gerichte oder Abwandlungen von den Speisen als Kinderportionen auf die Karte setzen soll.“

Alle nickten und David meinte: „Vom Fisch könnten in der Küche Fischstäbchen hergestellt werden und mit Pommes und Salat serviert werden. Der Grillteller sollte für die Kinder alternativ mit Salat anstelle des Gemüses angeboten werden. Auch das Wiener Schnitzel bietet sich mit Pommes und Salatteller dafür an.“

Da David seine Ausführungen beendet hatte, rief ich bei Sebastian an und fragte, ob er für zwanzig Minuten oder eine halbe Stunde Zeit hätte. Als er meinte, wäre kein Problem, sagte ich, er soll in unsere Wohnung hochkommen, da wir mit ihm wegen des Hochzeitsessens sprechen wollen. Es dauerte nicht einmal fünf Minuten und er stand im Wohnzimmer. Ich bat Sebastian sich zu setzen, und danach Tobias seine Anregung zum Essen vorzutragen.

Tobias schildert kurz, dass er den Vorschlag unterbreitet habe für die jüngeren Kinder eine eigene Speisenkarte vorzubereiten, mit Essen, das von dieser Altersgruppe eher bevorzugt wird. Er erklärte, dass wir diese Idee gut gefunden hätten und David auch gleich Anregungen gegeben hat. Er forderte David auf, seine Ideen vorzustellen. David erklärte Sebastian, alles, was er uns vorher vorgestellt hatte und ergänzte, dass sich das eine oder andere Essen, in abgewandelter Form, ebenfalls eignen würde.

Sebastian hatte sich alles in Ruhe bis zum Ende angehört und sagte zu uns: „Auf die Idee hätte ich doch selbst kommen können, vor allem nach den Erfahrungen mit dem Zeltlager. Ich werde mir in den nächsten Tagen überlegen, wie wir eine eigene Kinderkarte gestalten können. Die Idee mit den Fischstäbchen aus Zanderfilet finde ich besonders witzig, bin gespannt, wie meine Küchenmannschaft das Sehen wird. Habt ihr inzwischen entschieden, welche drei Essen wir auf die Karte setzen sollen.“

Philipp schaute zu Sebastian und schilderte ihm: „Zwei Paare haben ihre Vorschläge vorgelegt, das dritte Pärchen hat beschlossen, David und Tobias sollen für sie die Auswahl übernehmen, da sie alle Speisen essen würden. Als endgültig ansehen kannst du das Zanderfilet, das bereits zweimal vorgeschlagen wurde. Ziemlich sicher bin ich mir auch beim Grillteller, der zumindest in abgewandelter Form von David vorgeschlagen wurde. Jetzt wollen wir trotzdem von den Beiden wissen, was sie bevorzugen.“

David bestätigte, dass Philipp mit seiner Vermutung richtig lag, er würde den Grillteller bevorzugen. Tobias meinte, er schwanke noch zwischen Sauerbraten und Filetteller. Er fragte Sebastian, ob es möglich wäre drei verschiedene Fleischgericht, den Fisch und ein veganes Essen anzubieten. Sebastian überlegte kurz, dann erklärte er: „Warum eigentlich nicht, wir können alles was übrig bleibt am Sonntag auf die Tageskarte setzen unter dem Vorbehalt, solange der Vorrat reicht. Wenn ich das jetzt richtig verstehe, kommen dann Filetteller und Sauerbraten dazu, weil die ebenfalls zweimal vorgeschlagen wurden.“

Damit war die Entscheidung für den Hauptgang gefallen. Philipp beendete die Besprechung damit offiziell und erklärte, dass wir uns beim nächsten Treffen definitiv bei Daniel und Manuel treffen, nachdem heute doch wieder bei Thomas und Peter getagt wurde. Philipp schaute Tobias an und bat ihn, doch etwas aus seiner Lebensgeschichte zu erzählen, damit sie ihn besser kennenlernen könnten.

Ich fragte Sebastian, ob er dabeibleiben will oder wieder zurück in die Küche muss. Er lachte, solange kein Anruf kommt, weil irgendetwas schiefgelaufen ist, kann ich bleiben. Im Übrigen würde er auch gerne etwas über Tobias und Davids bisheriges Leben erfahren und wie es dazu gekommen ist, dass beide jetzt bei Peter und Thomas leben. Bevor Tobias erzählen durfte, erklärte ich, dass beide Jungs schwul seien und das Jugendamt der Meinung ist, dass die Beiden bei uns besser aufgehoben sind als im Kinderheim oder einer anderen Pflegefamilie.

Tobias erzählte ausführlich seinen bisherigen Lebenslauf, mit allen Facetten, die er uns bereits geschildert hatte. Er ließ nicht einmal aus, dass er im Kinderheim gedroht hatte auszubüxen und nach David zu suchen, wobei er im letzten Moment abgefangen und sofort für ein Kennenlernwochenende hierher verfrachtet wurde.

Er habe zwar gewusst, dass David auch im Raum Rosenheim sei und er ihn in der Schule treffen könne, sich aber unabhängig davon für Peter und Thomas als Pflegeväter entschieden. Er war dann doch überrascht als er noch am Freitagabend beim Essen im Restaurant auf David getroffen ist und dabei erfuhr, dass er mit David in derselben Familie zusammenleben wird.

Sebastian schaute ihn an und sagte zu ihm: „Ich kann dich verstehen, warum du dich für Peter und Thomas entschieden hast. Wenn ich schwul wäre und mein Leben so verlaufen wäre wie bei dir, ich hätte auch sofort zugesagt. Wobei, selbst als Hetero, hätte ich das Angebot angenommen, nur um dem Kinderheim zu entkommen.“

Bevor David seine Geschichte erzählte, sagte er zu Sebastian: „Du wirst gleich ziemlich geschockt sein, wenn ich dir meine Lebensgeschichte erzähle.“ Danach erzählte er ihm seine Geschichte mit allen Höhen und Tiefen, mit den Problemen in seinem Elternhaus, und seinen Erfahrungen, die er auf dem Straßenstrich erleiden musste.

Sebastian schaute ihn an und sagte zu ihm: „Geschockt bin ich jetzt eigentlich nicht. Du bist sicher nicht der Einzige, der eine so oder ähnliche Lebensgeschichte haben wird. Was ich aber an dir bewundere, ist die Tatsache, dass du die dir angebotene Chance, dein Leben wieder in geordnete Bahnen zu bringen, ergriffen hast. Mit Peter und Thomas hast du wahrscheinlich die besten Voraussetzungen, um dein Vorhaben umzusetzen.

Peter kam eines Tages auf mich zu, ob ich mir vorstellen könnte, zusammen mit Alexandra, das neu geplante Restaurant im Gutshof und das Gesindehaus zu übernehmen. Nachdem ich mir das Gesamtkonzept mit allen Ideen angehört hatte, haben wir entschieden, bei diesem Projekt mitzumachen. Wir haben den Schritt bisher nicht bereut. Ursprünglich plante ich, das Café von meinem Vater in der Rosenheimer Innenstadt zu übernehmen. Gott sei Dank hat sich meine Schwester bereit erklärt in die Fußstapfen meines Vaters zu treten und das Café weiterzuführen.“

Manuel meinte: „Tobias, du hast vorher erzählt, dass du in David verknallt bist, seid ihr euch inzwischen schon nähergekommen?“

Tobias lachte und erklärte: „Das kann man sehen, wie man will, im Kinderheim waren wir in zwei verschiedenen Gruppen, jetzt schlafen wir immerhin in einem breiten Doppelbett, das bedeutet, wir sind uns nähergekommen. Wenn du wissen willst, ob wir uns bereits körperlich nähergekommen sind, da muss ich dich enttäuschen. Wir haben vereinbart es langsam angehen zu lassen. Außerdem haben wir beschlossen diese Woche zum ersten Mal im Gesindehaus am Treffen der schwulen Jugendlichen teilzunehmen.“

Daniel lachte, blickte zu Manuel und erklärte: „Da könnten wir zwei auch wieder einmal vorbeischauen, wir waren doch längere Zeit nicht mehr dort. Vor allem, wenn wir verheiratet sind, ist es für uns damit vorbei. Du, Peter, ist es vielleicht möglich für ältere und verheiratete schwule Paare einen eigenen Stammtisch einzurichten, bei dem sich Schwule ab circa fünfundzwanzig Jahren treffen können? Ich denke so etwas gibt es im Rosenheim bisher bestimmt noch nicht. Die Treffen brauchen aber nicht wöchentlich sein, einmal im Monat reicht da sicher, es sei denn, es stellt sich heraus, dass eine größere Nachfrage besteht.“

Thomas schaute mich intensiv an, nachdem ich nicht sofort reagierte, sagte er: „Ich denke, Peter hat kein Problem damit. Ihr solltet euch aber überlegen, welchen Wochentag ihr auswählt. Soweit ich informiert bin, sind die Räume sehr gut ausgebucht. Am ehesten wird es wohl freitags oder samstags noch Möglichkeiten geben, um so einen Stammtisch zu etablieren.“

Sebastian der sich bis dahin alles angehört hatte, mischte sich jetzt ein und meinte: „Grundsätzlich hört sich das gut an. ich kann euch dafür sogar ein Nebenzimmer unten im Restaurant anbieten für den Stammtisch. Wenn ihr da etwas auf die Beine stellen wollt. Ich helfe euch dabei, die Treffen im Terminkalender der örtlichen Tageszeitung und bei der Stadtverwaltung einzutragen.“

Jetzt war ich doch gefragt, also erklärte ich: „Sebastians Idee mit dem Nebenzimmer im Restaurant gefällt mir weitaus besser. Vor allem deswegen, weil wir das Gesindehaus hauptsächlich als Treffpunkt für die jüngere Generation definiert haben. Ihr solltet nur dabei Bedenken, wenn ihr als Organisatoren auftretet, heißt das automatisch, dass immer einer von euch als Ansprechpartner bei den Treffen anwesend sein muss. Wenn auch andere Teilnehmer diese Aufgaben übernehmen wollen, oder Andreas und Michael euch unterstützen, ist das nur von Vorteil. Ich denke Thomas und ich werden sicher gelegentlich am Stammtisch teilnehmen, auch um unseren Horizont für die Probleme der älteren Generation zu erweitern. Denkt einfach in aller Ruhe in den nächsten Tagen darüber nach und bei einem unserer nächsten Treffen sprechen wir wieder darüber.“

Sebastians Telefon machte sich lautstark bemerkbar, er nahm das Gespräch entgegen und nachdem er sich kurz mit seinem Gesprächspartner unterhalten hatte, verabschiedete er sich sofort und meinte: „Tut mir leid, ich wäre gerne noch länger hiergeblieben, aber anscheinend ist, zumindest nach Aussage von Alexandra, mein sofortiges Erscheinen erforderlich. Wir sehen uns die nächsten Tage.“

Daniel, Manuel, Philipp und Marcus meinten dann, dass sie dann langsam auch nach Hause gehen wollen und verabschiedeten sich. Manuel erneuerte noch einmal seine Einladung an die beiden Jungs, sie demnächst in der Gärtnerei zu besuchen.

Philipp fragte die Jungs, ob sie Fahrrad fahren können. Als sie dies bejahten, erklärte er ihnen, dass im Keller Fahrräder stehen, die sie verwenden könnten. Sie sollten sich mit ihm in Verbindung setzen, wenn sie die Fahrräder nutzen wollen. Zur Gärtnerei sind es mit dem Fahrrad nur wenige Minuten, zu Fuß etwa zwanzig Minuten und mit dem Bus dauert es fast eine halbe Stunde, weil man da zusätzlich noch umsteigen muss.

Ich brachte die vier noch zur Wohnungstür und verabschiedete mich von Ihnen. Fast gleichzeitig versuchte Dennis in die Wohnung zu gelangen. Ich erklärte ihm kurz, dass die Jungs noch im Wohnzimmer sitzen und er doch mitkommen solle. Er ging schon voraus, während ich noch kurz den Vieren hinterherblickte und dann die Türe schloss.

Als ich ins Wohnzimmer eintrat, waren sie schon wieder in heiße Diskussionen verstrickt. Ich setzte mich zu Thomas und befragte ihn, worüber die Jungs so hitzig diskutieren. Er erklärte mir, Dennis hat sich darüber aufgeregt, dass er in letzter Zeit selten die Gelegenheit hatte bei Gesprächen dabei zu sein und sich immer alles von Felix erzählen lassen muss.

Felix konterte damit, dass ihn das bisher doch nicht gestört hätte. Danach haben sich David und Tobias in die Diskussion eingemischt. Er meinte zu mir, lassen wir die Jungs weiterdiskutieren, wir ziehen uns ins Schlafzimmer zurück. Wir standen auf und verabschiedeten uns, wobei Thomas noch meinte: „Denkt daran, morgen ist euer erster Schultag, gute Nacht Jungs.“

Lesemodus deaktivieren (?)