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Regenbogenfamilie

Teil 76 - Hochzeitsfeier

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Informationen

 

Heute war er da, der erste der beiden Tage mit unseren Hochzeitsfeierlichkeiten. Schon kurz vor sechs Uhr morgens herrschte eine Hektik in der Wohnung, die ich in der Form die letzten zwei Jahre nicht mehr erlebt habe. Ich hatte eigentlich vorgehabt, Dennis und Vinzenz davon zu informieren, dass wir heute Nachmittag eine kleine Feier im Familienkreis machen wollten. Da aber alle anderen, mit Ausnahme von Thomas, schon beim Frühstück saßen, ließ ich es bleiben.

Ich setzte mich nur zu den fünf Jungs an den Esstisch und genehmigte mir eine große Tasse Kaffee. Um sechs Uhr verabschiedeten sich Dennis und Vinzenz. Sie hatten heute Morgen wieder Frühdienst im Gesindehaus und waren für das Frühstück der zwei anwesenden Schulklassen zuständig.

Da diese Schulklassen im Laufe des Vormittags abreisen würden, sollten sie heute Mittag die Essensausgabe in der Kantine übernehmen. Zuvor sollten sie gemeinsam mit den Zimmermädchen, die Gästezimmer auf Vordermann bringen, damit alles vorbereitet war, wenn im Laufe des Nachmittags oder abends unsere auswärtigen Hochzeitsgäste anreisen.

Ich unterhielt mich mit den restlichen Dreien bis gegen sechsuhrdreißig. Thomas stand in der Essecke und stellte verwundert fest, dass bereits alle am Frühstückstisch saßen. Mit Thomas frühstückte ich gemeinsam und danach gingen wir ins Bad, damit wir bis neun Uhr fertig werden.

Zuvor beauftragte ich Felix, bei Philipp und Marcus, aber auch bei Manuel und Daniel nachzufragen, ob sie bereits aufgestanden seien und dass sie kurz nach neun Uhr am Parkplatz sein sollen.

Wir mussten zwar erst um zehn Uhr auf dem Standesamt sein, aber wie ich meine Jungs kenne, kommen sie wieder auf den letzten Drücker, weil noch irgendetwas in letzter Minute zu erledigen wäre. Unerwarteterweise waren alle Hochzeitspaare pünktlich, David und Tobias, die wir für den heutigen Tag vom Unterricht befreit hatten, durften bei Thomas und mir mitfahren. Die beiden Paare fuhren jeweils in einem Wagen und in zwei weiteren Fahrzeugen waren die Trauzeugen untergebracht.

Pünktlich viertel vor zehn Uhr fuhren wir vor dem Standesamt vor. Barbara erwartete uns bereits mit ihrer Fotoausrüstung, um vor und im Standesamt Fotos von unserer Hochzeit zu schießen, das war zumindest unsere Ausrede für ihre Anwesenheit am Standesamt. Punkt zehn Uhr wurden wir alle ins Trauzimmer gebeten.

Da die Ansprache an die Brautpaare immer den gleichen Inhalt hatte, saßen alle drei Paare vor dem Standesbeamten, während Barbara Fotos machte. Nach der Ansprache des Standesbeamten waren Thomas und ich die ersten, bei denen die Eheschließung vollzogen wurde. Wir mussten unsere Personalausweise vorlegen und danach fragte mich der Standesbeamte: „Peter Maurer, willst du mit dem hier anwesenden Thomas Müller die Ehe eingehen, so antworte bitte mit ja.“

Logischerweise antworte ich mit einem lauten kräftigen Jawort.

Anschließend wandte er sich an Thomas mit der Frage: Thomas Müller, willst du mit dem hier anwesenden Peter Maurer die Ehe eingehen, so antworte ebenfalls mit ja.“

Auch Thomas antwortete dem Standesbeamten ebenfalls mit einem kräftigen Jawort.

Im nächsten Schritt erklärte er uns zu Mann und Mann, dann las er den offiziellen Eintrag der Eheschließungsurkunde vor und betonte noch einmal extra, dass wir uns für den gemeinsamen Familiennamen Maurer entschieden hatten. Danach unterschrieben Thomas und ich die Urkunde. Er forderte meine und Thomas Mutter auf, die Urkunde als Trauzeugen zu unterschreiben. Das persönliche Ehegelübde mit dem Ringtausch ließen wir weg, da wir uns das bereits bei der Verpartnerung versprochen hatten.

Nachdem wir unsere Urkunden unterschrieben hatten, kamen Philipp und Marcus an die Reihe. Dieses Mal hatte ich die Rolle des Trauzeugen bei meinem Sohn und Thomas die des Trauzeugen bei Marcus übernommen. Wir durften die Urkunde mit unterschreiben. Nachdem es bei den Beiden das erste Mal war, dass sie heirateten, gab es zum Ringtausch ein Ehegelöbnis, das lautet: „Philipp Maurer / Marcus Berger nimm diesen Ring als Zeichen meiner Liebe und Treue, in guten wie in schlechten Zeiten, in Gesundheit und Krankheit. Ich will dich lieben und ehren alle Tage meines Lebens.“

Die letzten bei der Eheschließung waren dann Manuel und Daniel. Man sah, wie glücklich Manuel war, weil sein Vater, wie angekündigt, die Rolle des Trauzeugen für ihn übernommen hatte, obwohl er ihn anfänglich sogar enterbe wollte, wegen seiner Neigung zum gleichen Geschlecht. Auch Daniel hatte sich für seinen Vater als Trauzeugen entschieden. Sie wurden genauso befragt wie wir und Marcus und Philipp vorher. Beim Ringtausch hatten sie sich für denselben Spruch entschieden wie Philipp und Marcus.

Ich wusste, dass jetzt gleich der große Moment kommen dürfte. Barbara stand bereits beim Standesbeamten, sie besprach sich kurz mit ihm und übergab ihm noch einige Dokumente. Plötzlich meldete sich der Standesbeamte erneut und meinte: „Die Herrn David Politowsky und Tobias Huber möchten sich doch bitte auf die beiden Stühle, hier vor meinem Tisch setzen, da ich für euch beide noch eine kleine Überraschung auf Lager habe.“

Thomas und ich setzten uns links und rechts auf die Stühle, die normalerweise den Trauzeugen vorbehalten waren. Wir beide wussten ganz genau was jetzt kommen würde. Der Rest der Trauzeugen und sonstigen Anwesenden, mit Ausnahme von meinem Sohn Philipp, blickte verwundert auf den Standesbeamten.

Er schaute die Jungs an und fragte vorsichtshalber wer David und wer Tobias sei. Er sagt zu den Jungs: „Ich habe euch eine Überraschung angekündigt und aus diesem Grund ist auch Frau Wegmann vom Rosenheimer Jugendamt mit anwesend. Eure Pflegeväter Peter und Thomas Maurer haben vor einigen Wochen über das Jugendamt Rosenheim beantragt, euren Status vom Pflegesohn zum Adoptivsohn zu ändern, genauer gesagt, dass sie euch Beide als ihre Söhne adoptieren wollen.

Wie mir Barbara berichtet hat, war das bei Tobias kein Problem, da seine Eltern vor sieben Jahren bei einem Unfall verstorben sind und inzwischen keine lebenden Angehörige mehr existieren. In diesem Fall hat der Staat die Amtsvormundschaft und hat über das Jugendamt die Adoption befürwortet und beim Familiengericht beantragt. Die Zustimmung des Familiengerichts liegt mir vor.

Tobias, wenn du nicht jetzt vor mir der Adoption widersprichst, bist du mit dem heutigen Tag nicht mehr Tobias Huber, dein neuer Name wäre dann Tobias Maurer. Wenn du die Urkunde über die Namensänderung unterschreibst, kannst du mit der beglaubigten Abschrift, die ich dir nachher aushändigen werde, in nächster Zeit beim Einwohnermeldeamt einen neuen Personalausweis beantragen. Da du noch zur Schule gehst gibt es eine weitere Ausfertigung für die Schule, die du für deine Namensänderung dort benötigst.“

Tobias schaut erst mich, dann Thomas an, fing an zu grinsen und erklärte dem Standesbeamten: „Sie glauben doch nicht wirklich, dass ich meiner Adoption widersprechen werde. Ich bin bei meinen Pflegevätern so glücklich, wie schon seit Jahren nicht mehr. Das kommt nur etwas überraschend, dass ich adoptiert werde, Keiner hat mich gefragt, ob ich das will. Es wurde innerhalb der Familie über das Thema gesprochen, nicht jedoch, dass David und ich adoptiert werden sollen. Ja, ich nehme die Adoption durch Peter und Thomas an.“ Tobias unterschrieb sofort die Standesamts-Urkunde.

Nun wandte der Standesbeamte sich an David und begann seine Amtshandlung: So David, bei dir war die Angelegenheit etwas komplizierter, wie mir Frau Wegmann geschildert hat. Bei dir leben deine Eltern noch, haben dich jedoch aus dem Haus geworfen, weil du keine Frau, sondern einen Mann lieben willst. Nachdem deine leiblichen Eltern vor dem Familiengericht in München schriftlich erklärt haben, dass du nicht mehr ihr Sohn bist und sie dich nie wieder sehen wollen, weil du dich als Homosexueller vor ihnen geoutet hast, war damit die Grundlage geschaffen, dass das Jugendamt in Rosenheim deine Adoption beim Familiengericht in die Wege leiten konnte. Die Zustimmung vom Familiengericht zu deiner Adoption liegt mir seit gestern vor. Du bist ab sofort nicht mehr David Politovsky, sondern David Maurer, wenn von deiner Seite kein Widerspruch erfolgt. Du darfst dann hier die Namensänderung unterschreiben. Ansonsten gilt das gleiche, was ich bei Tobias bereits erklärt habe.“

David erwiderte: „Ich werde einen Teufel tun und Widerspruch gegen meine Adoption einlegen. Die beiden sind für mich nach nur zwei Monaten mehr Eltern für mich als meine Erzeuger es jemals für mich gewesen sind. Es stimmt, wir haben über das Thema gesprochen, aber ich hatte eigentlich erklärt, dass ich mir die Adoption nicht vorstellen kann, weil ich seinen leiblichen Kindern nicht ihr Erbe wegnehmen will. Für mich war dieses Thema damit bereits wieder abgehakt, umso überraschter war ich, als sie zuerst Tobias und anschließend mir erklärt haben, dass Thomas und Peter uns adoptieren und als ihre Söhne annehmen wollen. Von meiner Seite brauchen sie trotzdem keinen Widerspruch erwarten, ich nehme die Adoption an.“

Da David seine Erklärungen beendet hatte, wandte er sich jetzt an Thomas und mich: „Meine Herren, ich darf sie jetzt bitten, bei beiden Jungs ebenfalls ihre Unterschrift unter die Adoptionsurkunde und unter die Namensänderung zu setzen.“ Thomas und ich unterschrieben die vier Urkunden und gaben sie an den Standesbeamten zurück.

Der Standesbeamte sagte laut in die Runde: „Meine Damen und Herren, damit sind die Eheschließungen und die beiden Adoptionen abgeschlossen. Ich darf sie bitten, draußen im Flur auf ihre Urkunden zu warten.“ Wir gingen auf den Flur und baten alle Trauzeugen bereits zum Gutshof zurückzufahren und dort im Restaurant auf uns zu warten, da wir dort mit den Trauzeugen ein Mittagessen eingeplant haben. Wir warteten noch auf unsere Urkunden und fuhren dann hinterher.

Als die Trauzeugen gegangen waren, sagt David zu mir: „Peter, wir haben gleich am Anfang über eine mögliche Adoption gesprochen, da ich die Konsequenzen, die daraus entstehen nicht kannte. Ihr habt mir alles erklärt und ich wollte dann auf eine Adoption verzichten, da ich deinen Kindern nicht ihr Erbe wegnehmen will. Warum habt ihr trotzdem die Adoption für uns beantragt?“

Bevor ich etwas sagen konnte, sagte Philipp: „David, mein Vater, meine Schwester und ich haben uns zusammengesetzt und lange über das Thema Adoption diskutiert. Weder du noch Tobias nehmen uns unser Erbe weg, da unser Haupterbe eine Stiftung ist, die soziale Aufgaben erfüllt. In den Statuten der Stiftung ist nur festgelegt, dass Familienmitglieder auf eigenen Wunsch bei der Stiftung angestellt werden und dort mitarbeiten können.

Wenn du deinen Anteil am Erbe nicht antreten willst, brauchst du nur auf dein Recht auf Beschäftigung bei der Stiftung verzichten, das war's, so einfach ist das. Ich sage dir ehrlich, was soll ich mit einem möglichen Haufen Geld, wenn ich es anschließend nicht weitervererben kann. Gut, ich könnte ein Kind adoptieren, dass dann erben könnte. Die Lösung, dass es einen lebenslangen Anspruch auf eine Beschäftigung bei der Stiftung gibt, sichert uns allen zumindest den Lebensunterhalt, letztendlich ist es bei dir doch nicht anders. Im Übrigen war auch meine Schwester der Meinung, dass diese Lösung für alle erbberechtigten Personen die bessere Lösung ist. Kommt her, meine beiden Brüder, ich will euch willkommen in der Familie heißen und an meine Brust drücken. Ach, noch etwas, ihr seid nicht nur Geschwister für Martina und mich. Ihr seid damit auch plötzlich Onkels für Katharina und Kevin.“

Ich fragte noch einmal nach, ob damit bei den Beiden geklärt ist warum wir uns als Familie für sie beide als Neuzugänge entschieden haben. Die beiden schauten immer noch leicht verwirrt zwischen mir und Thomas hin und her, gaben aber keine Antwort bis Thomas zu ihnen sagte: „Jungs, wir haben uns für euch beide entschieden, obwohl wir wussten, dass nur bei Tobias die sichere Chance bestand, ihn zu adoptieren.

Wir haben die ganze Zeit gehofft, dass wir euch beide als unsere Söhne betrachten können, obwohl wir hin und wieder doch Zweifel hatten. David, wie hättest du dich gefühlt, wenn wir nur Tobias adoptiert hätten? Ihr habt in den letzten Wochen beide gezeigt, dass es richtig war, darum zu kämpfen, um euch als unsere Söhne in die Familie aufzunehmen.“

Ich ergriff die Chance, bevor einer der beiden Jungs etwas sagen konnte und ergänzte Thomas Aussage: „Selbst, wenn es heute nur mit der Adoption von Tobias funktioniert hätte, wir hätten weiter gekämpft bis auch bei David eine Adoption möglich gewesen wäre. David, dass deine Eltern kampflos aufgegeben haben, zeigt doch eindeutig, dass ihnen an dir nichts mehr liegt, dass sie von dir nichts mehr wissen wollen.

Wir wollen dich, wir akzeptieren dich, so wie du bist und wir hätten auch alle weiteren notwendigen Schritte unternommen, dich als Adoptivsohn in die Familie aufzunehmen. Wir alle, meine Kinder eingeschlossen, freuen uns, dass es doch so schnell gegangen ist. Wir haben Philipp und Martina leider nicht mehr informieren können, weil wir erst gestern am späten Nachmittag die Mitteilung erhielten, dass Davids Adoption vom Familiengericht genehmigt wurde.

Darum mag Philipp vorher vielleicht etwas komisch gewirkt haben. Von Tobias wussten meine beiden Kinder, dass heute mit unserer Eheschließung auch seine Adoption amtlich sein würde, aber eben noch nicht, dass es in letzter Minute auch bei David endlich sicher war, dass er adoptiert werden kann. Für ihn war dieser Teil genauso eine Überraschung wie für euch.“

Bevor Tobias etwas sagen konnte, kam der Standesbeamte auf uns zu und übergab uns die Urkunden, den drei Paaren die Eheschließungsdokumente und den beiden Jungs ihre Adoptionsurkunde und die Unterlagen über die Änderung ihres Nachnamens.

Thomas meinte: „Nachdem der Papierkram erledigt ist, sollten wir uns schleunigst auf den Weg machen und ins Restaurant zum Mittagessen fahren, wir sollten die Trauzeugen nicht zu lange warten lassen.“

Wir verließen das Standesamt und gingen zu den Autos. Erst als wir im Auto saßen und bereits auf dem Weg zum Gutshof waren, sagte Tobias: „Man war ich nervös, als der Standesbeamte uns aufforderte vor ihm Platz zu nehmen. Ich hatte schon fast Angst davor, dass er uns erklären würde, dass mit eurer Eheschließung unsere Pflegschaft hinfällig wäre und wir wieder ins Kinderheim zurück müssten. Als er dann plötzlich von Adoption sprach, verstand ich erst überhaupt nichts mehr.

Erst nach meiner Unterschrift auf den Dokumenten, fing ich langsam an zu begreifen, dass wir nie wieder ins Kinderheim zurückmüssen, sondern für immer bei euch, Peter und Thomas, bleiben können. Jetzt kann mich keiner mehr zwingen in ein Kinderheim zu gehen, da ich endlich wieder eine Familie habe. Gut, ich habe zwar keine Mutter, aber dafür zwei Väter. Ich freue mich, dass ich jetzt wieder eine richtige Familie habe, mit zwei Brüdern und einer Schwester.“

Jetzt traute sich David auch etwas auszusprechen: „Thomas, Peter, danke dass ihr mich adoptiert habt, obwohl ich es eigentlich nicht unbedingt wollte. Ich war ebenso wie Tobi überrascht, als der Standesbeamte meinte, wir sollten uns auf die beiden Stühle setzen.

Als er Tobi dann erzählte, dass er von euch beiden adoptiert wird und wie Peters leibliche Kinder anzusehen ist, habe ich mich für Tobias gefreut. Immerhin hat er schon vor Jahren seine Eltern verloren. Als er dann mich ansprach, ahnte ich zwar was kommen könne, wollte es aber nicht so einfach wahrhaben. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass eine Adoption in meinem Fall nach so kurzer Zeit bereits möglich sein konnte. In dem Moment, wo er von meinen Eltern und ihre Aussage vor dem Münchner Familiengericht sprach, realisierte ich, dass auch ich adoptiert werde. Mich würde schon interessieren, wie Barbara und die Mitarbeiter vom Jugendamt in so kurzer Zeit meine Adoption möglich gemacht haben.“

Thomas lachte und erklärte: „Das kannst du sie gleich beim Mittagessen fragen. Barbara ist von uns ebenfalls eingeladen, wie die Trauzeugen. Ich bin überzeugt, dass sie dir nicht ihre Geheimnisse verraten wird. Selbst uns gegenüber hat sie sich sehr geheimnisvoll gegeben, wir wurden auch nicht in ihre Arbeit eingeweiht. Ich kann dir nur eines versichern, wenn Barbara einen Fall bearbeitet, steht sie zu mehr als einhundert Prozent hinter dem Betroffenen und unternimmt alles Menschen mögliche, um ihn glücklich zu machen. Die Erfahrung konnte ich bereits bei Christian machen.

Der war auch nicht volljährig bei seiner Befreiungsaktion, es fehlt noch knapp ein halbes Jahr. Eigentlich hätte er in einem Kinderheim untergebracht werden müssen. Er durfte sofort bei uns bleiben, hat die ersten Tage bei uns im Gästezimmer genächtigt und sie hat unserem Vorschlag zugestimmt, dass er in eines der beiden Appartements im Gesindehaus dauerhaft einzieht.“

Inzwischen hatte Thomas auf dem Parkplatz vor dem Restaurant eingeparkt. Wir entdeckten Barbara, die sich mit den Trauzeugen in der Nähe des Eingangs zum Restaurant unterhielt. Manuel hatte bereits angekündigt, dass er sein Auto am Verwalterhaus parken würde und er mit Daniel die letzten Meter bis zum Restaurant zu Fuß zurücklegen will.

Als wir die Wartenden erreicht hatten, sagte Thomas: „Wir warten noch kurz auf Manuel und Daniel. Sie parken ihren Wagen vor dem Verwalterhaus und kommen zu Fuß hierher.“

Kurze Zeit später standen Manuel und Daniel neben uns. Gemeinsam betraten wir das Restaurant, wo uns Alexandra bereits erwartete. Sie führte uns ins Nebenzimmer, dort hatten sie mehrere Tische zu einer großen Tafel zusammengestellt, die festlich mit Kerzen und reichlich Blumenschmuck dekoriert war.

Ich entdeckten Namenskärtchen, die signalisierten, wer wo zu sitzen hatte. Für Thomas und mich waren zwei Plätze an der Stirnseite der Tafel vorgesehen, ich sollte auf der rechten Seite sitzen und Thomas links. An der langen rechten Seite waren die Schilder von Elisabeth, meiner Mutter, Phillip und Marcus und von Barbara zu sehen.

Ich ging um den Tisch herum und auf der linken Seite standen die Schildchen für Manuels Eltern, gefolgt von Manuel und Daniel, im Anschluss die Eltern von Daniel. Uns direkt gegenüber hatten sie David und Tobias platziert. Alexandra meinte, wir sollten uns langsam setzen, damit sie unsere Getränkebestellungen aufnehmen könne.

Nachdem sich alle gesetzt hatten, fragte sie jeden einzelnen nach seinen Getränkewünschen. Was mir jetzt erst auffiel, jeder hatte an seinem Platz eine kleine Speisekarte liegen, aus der man sich Vorspeise, Hauptgang und Nachspeise auswählen konnte. Während wir noch das Angebot studierten, brachte uns Maria vom Service bereits unsere Getränke.

Plötzlich tauchte meine Tochter Martina mit Katharina im Nebenzimmer auf. Philipp stand auf und stellte sich zu den Beiden. Sebastian und Alexandra betraten, mit einer größeren Schachtel in der Hand, das Nebenzimmer und stellten sich zu ihnen.

Philipp bat um Ruhe und sagte: „David, Tobias, ihr beide seid jetzt unsere jüngeren Geschwister. Wenn neue Geschwister, normalerweise als Babys in die Familie kommen, gibt es für sie kleine Geschenke. Martina und ich haben lange überlegt, was wir unseren jüngeren Brüdern schenken könnten.

Da ihr eigentlich keine Babys seid war es gar nicht so einfach für uns, etwas Vernünftiges zu finden. Wir haben uns deshalb für ein unvernünftiges Geschenk entschieden. David, Tobias kommt ihr bitte zu uns.“

Die beiden standen auf und stellen sich vor Philipp und Martina. Martina fing an zu erklären: „Ich fange mit David an: Hallo kleiner Bruder, mir ist klar, dass du wahrscheinlich schon zu alt bist für unser Geschenk. Ich kann nur hoffen, dass du es trotzdem in Ehren halten wirst. Katharina holst du das Kuscheltier für David und überreichst es deinem Onkel.“

Katharina ging zur Kiste und zog ein Kuscheltier aus der Schachtel, das sich bei näherer Betrachtung als Fuchs entpuppte, ging zu David und überreichte es ihm und sagte: „Onkel David, der kleine Fuchs soll dich immer an diesen Tag erinnern. Kevin und ich freuen uns, dass wir jetzt zwei weitere Onkels haben. Kevin wäre gern dabei gewesen, aber momentan ist er noch in der Schule, er kommt später noch vorbei und wird euch in der Familie begrüßen.“

Jetzt übernahm Philipp wieder und erklärte: „Tobias, ich kann dir im Grunde genommen nur das Gleiche erzählen, was Martina zu David gesagt hat. Ich wünsche mir, dass du dich über unser kleines Geschenk freust und es dich an den heutigen Tag erinnert. Katharina, walte deines Amtes und überreiche Tobias sein Kuscheltier.“

Katharina ging wieder zur Kiste und zog ein weiteres Kuscheltier heraus. Diesmal handelte es sich um ein Erdmännchen, dass sie Tobias überreichte und dazu sagte: „Onkel Tobias, ich wünsche mir, dass es dich immer erinnert, an den Tag, an dem du drei Geschwister bekommen hast. Auch dich wird mein großer Bruder später noch überfallen.“

Jetzt meldete sich Sebastian und sagte: „Von uns beiden bekommt ihr zur Adoption einen Gutschein über zwanzig Euro, den ihr in den angegebenen Läden in Rosenheim einlösen könnt. Was ihr euch davon kauft, entscheidet ihr selbst.“ Er drückte jedem der beiden Jungs einen Gutschein in die Hand und meinte: „So, ich verschwinde wieder in meine Küche. ihr seid sicher hungrig und da will ich euch nicht lange warten lassen.“

Bevor Sebastian den Raum verlassen konnte, sagte Tobias mit weinerlicher Stimme: „Danke, danke für die kleinen Überraschungen.“ Dann schaute er Martina und Philipp an und erklärte: „Ich verspreche euch eins, ich werde euer Geschenk immer in Ehren halten, immerhin ist es das erste Mal, dass ich von Geschwistern ein Geschenk erhalten habe. Das allein ist für mich schon Grund genug, auf das Kuscheltier besonders zu achten. Es wird mich immer daran erinnern, wie herzlich ich in eure Familie aufgenommen wurde.“ Er ging zuerst zu Martina und drückte ihr einen Kuss auf die Wange und umarmte sie fest. Danach trat er zu Philipp, der ebenfalls ein Küsschen auf die Wange bekam und fest umarmt wurde.

Als letztes schnappte er sich Katharina, hob sie hoch, drückte ihr einen Kuss auf ihre Wange und sagte: „Katharina, du bist jetzt meine kleine Nichte und ich dein Onkel Tobias. Ich wünsche mir, dass du weiterhin nur Tobias oder Tobi zu mir sagst, den Titel Onkel kannst du dir ersparen, du wirst weiterhin nur Katharina oder Kathi für mich sein.“

Damit setzt er sie wieder ab und schaute zu David, zu dem er sagte: „David, du bist jetzt eigentlich mein Bruder, trotzdem liebe ich dich immer noch so sehr, wie bisher. Ich will weiterhin dein bester Freund sein und mein zukünftiges Leben nur mit dir gemeinsam bestreiten.“

David der merkte, dass sich Tobias ihm näherte, öffnete seine Arme weit auseinander und zog Tobias zu sich heran und küsste ihn auf den Mund. Nachdem sich ihre Lippen wieder voneinander gelöst hatten, erklärte er Tobi: „Inzwischen bin ich mir sicher, dass ich mich auch in dich verliebt habe. Auch wenn wir jetzt Brüder sind, ich wünsche mir nichts sehnlicher, dich als Partner, ein Leben lang an meiner Seite zu haben.“

Er ließ Tobias los und schaute zu Philipp und Martina und erklärte beiden: „Ich kann es immer noch nicht richtig glauben, dass ihr ab sofort meine große Schwester und mein großer Bruder seid. Mit eurem Begrüßungsgeschenk habt ihr nicht nur Tobias, sondern auch mich überrascht. Auch ich kann mich Tobis Aussage nur anschließen, denn auch für mich ist es das erste Mal, dass ich von Geschwistern ein Geschenk erhalten habe. Ich werde es in Ehren halten, das verspreche ich euch.“

Genau wie Tobias küsste er Martina und drückte sie fest an sich, danach machte er dasselbe mit Philipp. Danach schnappte er sich Katharina, gab ihr ebenfalls ein Küsschen und meinte, dass was Tobi zu ihr gesagt hat, gelte natürlich auch für ihn.

Alexandra schaute die Jungs an und erklärte: „Schluss, jetzt mit dem sentimentalen Gerede, sonst kommen mir noch die Tränen. Ich will jetzt eure Bestellung fürs Mittagessen aufnehmen, damit Basti endlich loslegen kann.“ Martina und Katharina verabschiedeten sich, sie wollten wieder zurück in den Hofladen.

Philipp, David und Tobias setzten sich wieder auf ihre Plätze und Alexandra fragte jeden, für was er sich entschieden hat. Ich hatte meine Bestellung bei Alexandra bereits aufgegeben und stand auf und ging zu David und Tobias und setzte mich zu ihnen auf den einzigen noch freien Stuhl am Tisch.

Sie schauten mich fragend an, bis ich ihnen erklärte: „Von der Überraschung von Philipp, Martina, Alexandra und Sebastian, habe ich nichts gewusst. Ich finde, die Überraschung ist euren neuen Geschwistern gut gelungen. Es zeigt mir nur, dass es ihnen wirklich egal ist, mit euch zu teilen.

Vergessen wir einfach alle Diskussionen, die wir zum Thema Adoption geführt haben, vor allem mit dir David. Ich habe jetzt eine Tochter und drei Söhne und das fühlt sich für mich und Thomas richtig gut an.“

David, der in unmittelbarer Nähe von Barbara saß, wandte sich an Barbara und fragte sie: „Barbara, kannst du mir erklären, wie es möglich war, dass Peter und Thomas mich bereits nach so kurzer Zeit adoptieren konnten? Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugegangen sein.“

Barbara lachte und antwortete ihm: „Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich dir meine Betriebsgeheimnisse verraten werde. Das Einzige, was ich dir verraten kann, ich hatte sehr viel Unterstützung von meinen Münchner Kollegen, denn sie waren es, die deine Eltern davon überzeugt haben, dass sie dich sofort zur Adoption freigeben sollen, wenn sie schon nichts mehr von dir wissen wollten. Ich vermute, dass sie ihnen vorgerechnet haben, was es sie an Unterhaltszahlungen bis zum Ende deiner Ausbildung kosten würde, wenn sie dich nicht mit sofortiger Wirkung freigeben. Da kommen schnell einmal dreißig- bis vierzigtausend Euro in den nächsten drei bis vier Jahren zusammen, zusätzlich zum Wegfall des Kindergeldes.

Ich persönlich hätte sie auch mit diesen Zahlen zu diesem Schritt überredet, gegen diese Argumentation sind ehemalige Eltern meist machtlos. Wenn du nachrechnest, sind das etwa eintausend Euro im Monat, die zukünftig noch auf sie zugekommen wären. Mehr erfährst du von mir nicht.“

David lachte und sagte zu Barbara: „Mehr will ich gar nicht wissen. Der Beschleuniger war einfach nur das Geld, das sie zukünftig nicht mehr zahlen müssen. Wenn meine Eltern geahnt hätten, dass meine Adoptivväter mehr Vermögen haben als sie es sich vorstellen können, dann hätten sie vermutlich versucht mich noch an Peter zu verkaufen.“

In diesem Moment kam Alexandra und ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und servierten alle die Vorspeise, entweder eine der Suppen oder den Vorspeisenteller. Ich ging zurück zu meinem Platz neben Thomas wollte wissen was ich mit den Jungs und Barbara besprochen hätte.

Ich erklärte ihm kurz, dass David Barbara wirklich gefragt hat, wieso seine Adoption so schnell über die Bühne gegangen sei. Weiter berichtete ich, dass sie viel Unterstützung von ihren Münchner Kolleginnen und Kollegen hatte, die vermutlich seine Eltern mit dem Wegfall zukünftiger Unterhaltszahlungen geködert haben. David meinte danach, dass es gut sei, dass sie nicht gewusst hätten, wie vermögend wir wären, sonst hätten sie womöglich noch versucht ihn zu verkaufen.

Uns war gerade die Nachspeise serviert worden, als die Tür zum Nebenzimmer erneut geöffnet wurde und Kevin, Stephan und Raphael hereinstürmten. Die ersten Beiden, denen sie zur Hochzeit gratulierten, waren Manuel und Daniel. Als nächstes standen sie bei Thomas und mir, gratulierten uns und stürmten weiter zu Philipp und Marcus, denen sie ebenfalls gratulierten.

An Marcus gewandt meinte Kevin: „Jetzt gibt es keinen Grund mehr, dass ich dich nicht Onkel nennen kann. Die Chance hast du heute verspielt, mit deiner Unterschrift auf der Heiratsurkunde. Du kannst nur vom Glück reden, dass ich heute zwei weitere Onkels bekommen habe, bei denen ich unmöglich Onkel sagen kann. Deswegen bleibt bei uns beiden alles, so wie es bisher war, okay Marcus?“

Marcus schaute ihn verdattert an und nachdem ihm Philipp einen leichten Rempler verpasst hatte, meinte er: „Da bin ich aber froh, dass ich weiterhin Marcus sein kann. Vermutlich hätte ich nicht einmal reagiert, wenn mich einer Onkel Marcus genannt hätte.“

Danach stürmten alle drei weiter zu David und Tobias, die sich sichtlich unwohl fühlten, weil sie nicht wussten, was auf sie zukommen würde. Kevin grinste sie frech an und erklärte ihnen: „Eigentlich hätte ich euch gerne als meine größeren Brüder gehabt, aber Mama und Papa haben sich nicht getraut, meinem Opa euch Beide wegzunehmen. Muss ich halt als Onkels mit euch vorliebnehmen, obwohl mir besser gefallen hätte, ihr wäret meine Brüder geworden.“

Ich rief David und Tobias zu: „Lasst euch doch nicht von Kevin auf den Arm nehmen. Wenn er rechnen könnte, würde er feststellen, dass seine Mutter mit zwölf Jahren Zwillinge hätte bekommen müssen, wenn ihr seine großen Brüder sein wärt. Außerdem, Kevin, noch zwei von deiner Sorte, ich weiß nicht. Dann würde deine Mutter schneller die weiße Fahne hissen, als du schauen kannst.

David und Tobias sind meine und Thomas Jungs, und daran wirst du mit deinem dummen Geschwätz nichts ändern. Geht lieber raus zu Alexandra und lasst euch von ihr eine Nachspeise geben. Sagt ihr, die Kosten übernehme ich. Wenn ihr wieder richtig tickt, könnt ihr euch mit eurer Nachspeise noch ein paar Minuten zu uns setzen.“

Raphael und Stephan waren innerhalb von Sekunden verschwunden, nur Kevin musste noch nach maulen: „Opa, ich warne dich, ich bin wie ein Bumerang. Der hat auch die blöde Angewohnheit, er kommt immer wieder an seinen Ausgangsort zurück.“

Thomas rief ihm zu: „Wir wissen, dass du ein Sturkopf bist, genau wie dieses Stück Holz, aber genau deshalb lieben wir dich. Komm her, ich will dich lieber festhalten, bevor einer auf die Idee kommt dich wie ein Stück Holz zu verheizen. Obwohl, es wird wohl besser sein, deinen Eltern den Rat zu geben, dich auf Garantie umzutauschen, gegen ein anderes Kind, das nicht so ein loses Mundwerk hat wie du.“

Kevin hatte verstanden, dass er gegen uns keine Chance haben würde und verließ fluchtartig den Raum. Keine zwei Minuten später kam er mit Raphael und Stephan wieder zurück. Alle drei hatten einen Nachspeiseteller in der Hand und setzten sich zu Tobi und Dave, nachdem sich zwei weitere Stühle geholt hatten.

Gegen vierzehn Uhr verabschiedete sich Barbara und meinte, sie müsste sich um ihre beiden Kinder kümmern. Außerdem würden wir uns morgen Nachmittag sowieso schon wieder sehen. David und Tobias bedankten sich noch einmal bei Barbara für ihr Engagement bei der Abwicklung der Adoption.

Eine halbe Stunde später war dann der Aufbruch der Trauzeugen angesagt. Meine Mutter und Elisabeth meinten, sie würden jetzt noch einen Teil ihrer Mittagsruhe nachholen. Manuels und Daniels Eltern wollten noch ihren Wocheneinkauf erledigen. Damit waren nur noch die drei Brautpaare, unsere Söhne und die drei Jungs Kevin, Raphael und Stephan übrig.

Ich erklärte: „Ich denke, wir sollten auch langsam etwas anders machen und nicht nur faul hier herumsitzen. Für die drei Zwerge wird es Zeit ihre Hausaufgaben zu machen. Morgen wird es auch nichts, wenn wir die große Hochzeitsfeier haben. Oder wollt ihr etwa nicht dabei sein und lieber eure Hausaufgaben machen?“

Die drei Kleinen grinsten um die Wette und innerhalb von zwei Minuten waren sie verschwunden. Wir verabschiedeten uns von Alexandra und Sebastian bis morgen zur großen Feier und gingen nach oben, Manuel und Daniel kehrten ins Verwalterhaus zurück. In der Wohnung angekommen meinte ich: „Wir sollten uns umziehen und etwas Legeres anziehen, ich kann den Anzug für heute nicht mehr sehen.“

Zehn Minuten später trafen wir uns im Wohnzimmer. Dennis, Felix und Vinzenz hatten ihren Dienst für heute bereits beendet und warteten dort auf uns. Bis zu ihnen war auch schon durchgedrungen, dass David und Tobias gleichzeitig mit unserer Eheschließung von uns adoptiert wurden.

Sie gratulierten den beiden Jungs und freuten sich für sie. Ich fragte Vinzenz, ob er schon etwas von Bernd und Sabine gehört hat. Er meinte, die haben vor knapp zwei Stunden eine Nachricht geschickt, dass sie unterwegs sind. Da er bisher nichts gehört hat, geht er davon aus, dass sie in den nächsten Minuten eintreffen werden.

Kaum hatte er das gesagt klingelte unser Telefon. Am Display erkannte ich, dass die Rezeption vom Gesindehaus in der Leitung war. Ich nahm das Gespräch entgegen und Monika meldete sich und meinte, sie hätte hier einen Herrn Hofmann, der mich unbedingt sprechen möchte. Ich meinte, sie solle ihn mir kurz geben.

Bernd meldete sich und meinte wir wären hier, wohin sie denn kommen sollen. Ich fragte ihn, ob sie bereits eingecheckt hätten und ihr Schlüsselkarten erhalten haben. Da er bestätigte alles wäre erledigt, bat ich ihn ihre Sachen ins Zimmer zu bringen und in zehn Minuten käme Vinzenz um sie abzuholen. Als ich aufgelegt hatte grinste Vinzenz und meinte: „Ich habe mitgehört, ich soll in zehn Minuten Bernd und Sabine im Gesindehaus einsammeln und hierher bringen.“

Fünf Minuten später marschierte er los und weitere acht Minuten später betrat er mit Bernd und Sabine unser Wohnzimmer. Die beiden Neuankömmlinge wurden von allen herzlichst begrüßt. Anschließend setzten wir uns auf unsere Wohnlandschaft. Ich fragte Bernd, wie die Anfahrt gewesen sei.

Er meinte, eine entspannte Angelegenheit, die Autobahn war fast leer, nur in der Gegenrichtung, waren einige unterwegs in Richtung Berge. Ich wollte von Bernd wissen, ob es noch so ist, dass er am Sonntag erst gegen Mittag oder am frühen Nachmittag zurückfahren wolle. Er lachte und erklärte, nichts habe sich an dem bisherigen Plan geändert.

Da ich heute bisher wenig Bewegung hatte, fragte ich in die Runde, wer mit mir, Sabine und Bernd einen Rundgang über den Gutshof machen will. Thomas erklärte sofort, dass er mit dabei ist. Vinzenz schloss sich ebenfalls an, da auch er noch nicht alles gesehen hatte. Bevor wir aufbrachen, musste Vinzenz bei Bernd unbedingt die große Neuigkeit des Tages loswerden.

Er sagte zu ihm: „Bernd weißt du schon das Neueste, David und Tobias sind seit heute keine Pflegekinder mehr. Peter und Thomas haben die Beiden adoptiert. Mit Ausnahme von Peters Kindern wusste keiner hier am Gutshof, dass sie auf dem Standesamt ihre Adoptionsurkunden erhalten und jetzt auch den Nachnamen Maurer tragen. Irgendwer hat nach dem Termin auf dem Standesamt die Nachricht in die Firma übermittelt. Du kannst dir nicht vorstellen, wie schnell das hier die Runde machte.“

Bernd schaute zu Dave und Tobi und erklärte: „Das freut mich für euch, dass ihr wieder eine Familie habt. Jungs, ihr wisst schon, dass ihr Glückspilze seid. Ich bin der Meinung, mit Peter und Thomas habt ihr das große Los gezogen. Die beiden mögen euch, sind beide selbst schwul, haben also kein Problem mit Jungs, die auf Jungs stehen und versuchen zu helfen, wo immer schwule Jungs in Schwierigkeiten stecken. Ich hoffe nur, dass ihr die beiden niemals enttäuschen werdet oder ihr Vertrauen in euch missbraucht. Na, wollt ihr nicht mit uns eine Runde über den Gutshof drehen und mir euer neues Zuhause zeigen.“

Tobias und David schauten sich wieder einmal an und Tobias sagte zu Bernd: „Wir wissen sehr wohl, Dass wir Glückspilze sind und mit Peter und Thomas den Jackpot gewonnen haben. Nicht, weil sie Geld und Vermögen haben, sondern weil sie uns eine Perspektive für unsere Zukunft eröffnet haben.

Ich würde zu Beiden am liebsten Papa sagen, denn sie haben mir in den letzten Wochen gezeigt, dass sie wie liebevolle Väter zu uns sind. Seit dem frühen Tod meiner Eltern habe ich das lange vermisst. Vor allem mit den Beiden kam man kuscheln, so wie ich das von meinem Vater und meiner Mutter gewohnt war. Sie bieten mir die Geborgenheit, die ich seit meinem neunten Lebensjahr nicht mehr erfahren durfte. Ich bin mit dabei, ich will euch meine neue Heimat zeigen.“

Er blickte zu David und forderte in mit seinen Gesten auf, seinen Kommentar dazu abzugeben. David erklärte dann: „Bei meiner Vergangenheit, hätte ich es nie für möglich gehalten, dass ich in meinem Leben einmal so viel Glück haben würde. Gut, beim Kuscheln kann ich nicht mitreden, das kannte ich von zuhause nicht. Ich kämpfe auch mit mir, dass ich gerne Papa zu ihnen sagen will. Vor allem, weil sie in der kurzen Zeit mehr für mich getan haben, als es mein leiblicher Vater es bis zu meinem fünfzehnten Geburtstag für mich getan hat.“

Bernd schaute die Jungs an während Sabine zu ihnen sagte: „Wer hindert euch daran, zu Peter und Thomas Papa zu sagen, wenn ihr davon überzeugt seid, dass es den Tatsachen entspricht. Damit würdet ihr ihnen sicher eine große Freude bereiten und gleichzeitig zeigen, dass ihr euch bei ihnen geborgen und in Sicherheit fühlt. Keiner wird euch dazu zwingen. Es wird immer eure Entscheidung sein. David, mich würde schon interessieren, warum du der Meinung bist, dass du dieses Glück nicht verdient hast?“

Vinzenz grinste und meinte frech: „Dann könnte ich auch zu Peter und Thomas Papa sagen, sie haben so viel für mich getan, mehr als mein eigener Vater für mich gemacht hat. Zumindest in meinem Herzen sind sie für mich so etwas wie meine Väter.“

Felix sagte: „Wenn sowieso fast alle einen Rundgang über das Gutshofgelände machen, schließen wir zwei uns auch an. Allein hier in der Wohnung zu hocken ist auf Dauer doch nur langweilig.“

David sagte noch: „Das mit meiner Vergangenheit ist eine längere Geschichte, die erzähle ich euch lieber unterwegs oder später am Abend. Sonst kommen wir hier nicht mehr los, bevor es absolut dunkel ist.“

Wir gingen in den Flur, zogen uns warme Jacken und festes Schuhwerk an und gingen nach unten. Unser erster Weg führte uns am Verwalterhaus vorbei in Richtung Hofladen und Hofcafé. Manuel fuhr gerade mit seinem Auto vor und meinte, wir sollten doch kurz bei ihnen reinschauen, dann könnte unser Besuch die weiteren Mitbewohner im Verwalterhaus kennenlernen.

Vier der Jungs fingen zu kichern an und ich wollte wissen, was daran so lustig sei. Felix antwortete spontan: „Ich weiß nicht, ob wir das Sabine und Bernd zumuten können. Die glauben doch am Ende noch, hier ist ein schwules Nest.“

Bernd grinste und meinte: „Das hat mir Peter längst erzählt, dass am Gutshof mindestens neun oder zehn schwule Pärchen wohnen. Wenn ich richtig gerechnet habe, die Hälfte davon allein im Gutshaus. Da im Gesindehaus drei weitere Pärchen im Dachgeschoss wohnen, können hier nur noch zwei Pärchen wohnen.“

Wir folgten Manuel ins Haus, wo er schon rief: „Jungs, wo seid ihr, wir haben Besuch.“ Innerhalb einer Minute stand der Rest im Flur. Ich übernahm es diejenigen vorzustellen, die sich noch nicht kannten: „Ich fange am besten mit den Jungs an, die hier im Haus wohnen. Der junge Mann, der uns hereingebeten hat, ist Manuel, daneben steht sein frisch angetrauter Ehemann Daniel, die Beiden haben heute mit uns geheiratet.

Die beiden anderen sind mein Neffe Jonas, der mit den dunkleren Haaren, und Tim, sein Lebensgefährte, der Blondgelockte. Damit bleibt nur noch Richard übrig, Auszubildender in der Gärtnerei und er kommt aus einem Kinderheim in Thüringen. Er ist während des Zeltlagers als Auszubildender bei uns aufgenommen worden.“

Ich wandte mich auf die andere Seite und deutete auf Vinzenz und meinte: „Vinzenz, Auszubildender zum Hotelkaufmann im neuen Jugendhotel in Österreich, dürftet ihr bereits kennengelernt haben oder zumindest in den letzten Tagen am Gutshof gesehen haben.

Die beiden Letzten sind Sabine und Bernd. Bernd ist unser neuer Sozialarbeiter im österreichischen Jugendhotel und Sabine seine Gattin. Wir sind unterwegs, um den beiden die Vielfalt des Gutshofes zu zeigen.“

Manuel meinte: „Wenn ihr euch den Gartenbaubetrieb anschauen wollt, ich zeige euch gerne alles.“ Jonas und Tim boten ebenfalls an, ihnen den gesamten landwirtschaftlichen Bereich zu zeigen. Ich forderte zum Aufbruch auf, wobei ich anmerkte, dass morgen während der Hochzeitsfeier sicher Gelegenheit besteht sich näher kennenzulernen.

Im Hofladen trafen wir auf meine Tochter, ausnahmsweise ohne ihre beiden Kinder. Bernd und Sabine schauten sich um und erklärten: „Für einen Hofladen habt ihr ein ganz schön großes Sortiment, das stammt doch nicht alles aus eigener Produktion.“

Martina erklärte: „Wir haben uns mit anderen Landwirten zu einer Erzeugergemeinschaft zusammengeschlossen und bieten alle Waren an, die in diesen Betrieben erzeugt und in den angeschlossenen Hofläden verkauft werden. Umgekehrt ist es genauso. Vor allem weiß der Kunde immer, bei welchem Landwirt sein gekauftes Produkt hergestellt wurde. Beim Fleisch war es bis Anfang November so, dass jeder nur sein eigenes Fleisch angeboten hat.

Inzwischen hat der Kunde die Möglichkeit, über die Webseite der Erzeugergemeinschaft das Fleisch von allen Landwirten zu beziehen. Er bestellt die verschiedensten Fleischerzeugnisse über die Webseite und der Kunde kann sie bei uns bei seinem Einkauf mitnehmen, er erspart sich dadurch, die gesonderten Fahrten, um diese Produkte einzukaufen. Zu uns kommt der größte Teil der bestellten Fleischwaren über Manuel. Wenn er seine Gärtnereiprodukte verteilt, bringt er die bestellten Waren mit.“

Sabine meinte, dass sie die Idee gut finde, weil auf diesem Weg ein Beitrag zum Umweltschutz geleistet wird. Unser Rundgang endete vor dem Gesindehaus, wo wir uns trennten. ich ging mit Bernd und Sabine ins Gesindehaus und dort direkt bis ins Dachgeschoss. Thomas meinte, sie würden sich gleich um die Fahrzeuge kümmern, die wir benötigen, um in die Stadt zu fahren. Ich klingelte bei Familie Habermüller, wo uns Jens die Tür öffnete.

Als er Sabine und Bernd erblickte, begrüße er sie herzlich und bat uns in die Wohnung. Er rief nach Marion, die aus der Küche auftauchte. Da es ansonsten ruhig war in der Wohnung, fragte ich wo ihre beiden Jungs stecken würden. Sie meinte, die sind drüben im Gutshaus, entweder bei Kevin oder Rafael. Sie bat Jens sich um das Essen zu kümmern, damit sie Bernd kurz Michael vorstellen könne.

Wir gingen zurück Richtung Treppenhaus und Marion klingelte bei Michael. Andreas, der uns öffnete, schaute uns verwundert an und sagte zu Marion: „Gibt es ein größeres Problem, braucht ihr Michael?“ Marion grinste und antwortete: „Wir brauchen Michael. Falls du unseren neuen Kollegen im österreichischen Jugendhotel als Problemfall betrachtest, dann eben deswegen.“

Andi grinste und rief in die Wohnung: „Michi, kannst du zur Tür kommen, hier wartet ein Problemfall auf dich.“ Michi trat vor die Tür und fragte: „Was kann ich für euch tun, wo liegt das Problem? Marion, kannst du das nicht ohne mich lösen.“

Jetzt fing ich doch zu lachen an, als Bernd meinte er sei der Notfall. Marion konnte sich nicht mehr zurückhalten und lachte ebenfalls. Andi der sich gerade noch eingebremst hatte, meinte zu Michi: „Peter und Marion sind hier, um dir deinen neuen Arbeitskollegen aus Österreich vorzustellen.“

Jetzt lachte Michael ebenfalls und bat uns in die Wohnung. An Andi gerichtet meinte er: „Schatz, ab in die Küche, du weißt was du zu tun hast, wenn ich zu einem Notfall gerufen werde, Essen warmhalten und nichts anbrennen lassen.“

Jetzt war es auch bei Bernd und Sabine vorbei mit der Zurückhaltung. Beide krümmten sich fast vor lachen. Durch unseren Krach öffneten sich die Wohnungstüren bei den beiden Appartements und die vier Jungs standen im Flur.

Bernhard schaute uns alle an und meinte: „Was war so lustig, dass es bei euch diesen Lachflash ausgelöst hat und uns neugierig gemacht hat?“

Ich hatte mich zwischenzeitlich etwas beruhigt und meinte: „Bevor ich euch das erkläre, will ich euch lieber einander vorstellen. Die beiden sind Sabine und Bernd Hofmann. Bernd ist unser neuer Sozialarbeiter im österreichischen Jugendhotel. Marion und die zwei anderen brauche ich euch hoffentlich nicht vorzustellen.

Derjenige, der gefragt hat was so lustig sei, ist Andis kleiner Bruder Bernhard Koblinsky, unser kleines IT-Genie. Daneben sein Freund Benjamin Dreier, der in der Buchhaltung des Gutshofes arbeitet. Auf der anderen Seite steht Christian Dreier, Benjamins jüngerer Bruder und derjenige, der aus der Schwulenheilanstalt befreit wurde. Neben ihm sein Freund und Lebensgefährte Ludwig Bauer, Enkel des Mitbegründers der Stiftung Gerhard Bauer und Mitarbeiter in der Stiftung wie Felix.

Bernhard, du wolltest wissen was so lustig war. Ganz einfach, dein Bruder hat uns die Tür geöffnet und gefragt, ob wir einen Problemfall hätten und Michaels Hilfe bräuchten. Marion hat ihm geantwortet, wenn Bernd den neuen Arbeitskollegen als Problemfall betrachte, dann wäre das so.

Daraufhin hat dein Bruder nach Michael gerufen und erklärt, dass ein Problemfall an der Türe auf ihn warte. Der Lachflash wurde ausgelöst, als Michi meinte, ob Marion nicht den Notfall allein lösen könne und Bernd trocken festgestellt hat, dass er der Notfall sei.

Die Krönung war am Ende, das Michael zu Andi meinte, er wüsste, was bei einem Notfall auf ihn zukomme. Ab in die Küche, Essen warmhalten und nichts anbrennen lassen. Das brachte das Fass zum Überlaufen und das Ergebnis war der Lachflash, der euch aufgeschreckt hat.“

Jetzt lachten die vier Jungs lauthals los. Bernhard, der sich als erster wieder gefangen hatte legte noch einen obendrauf: „Mein großer Bruder, wie soll ich das interpretieren, nichts anbrennen lassen, ich wusste gar nicht, dass du so ein Draufgänger bist.“

Wieder so ein Satz, der einen Heiterkeitsausbruch nach sich zog. Ich sagte: „Bernd, Sabine, wir sollten lieber verschwinden, bevor alle auf dem Boden liegen. Michi, ihr könnt morgen noch miteinander plaudern. Wir werden erwartet, wir fahren jetzt zum Essen zu Francesco, wir sehen uns morgen.

Im Gutshaus angekommen gingen wir direkt in die zweite Etage. Unterwegs erklärte ich, dass meine und Thomas Mutter in der anderen Wohnung im ersten Stock wohnen. Oben angekommen, klingelten wir an beiden Türen gleichzeitig. Philipp stand als erster vor der Tür und fast gleichzeitig kam Christoph heraus.

Ich stellte Christoph als meinen Schwiegersohn vor und fragte, wo seine beiden Kinder stecken. Er meinte, Kathi ist hier bei mir, wir sind gerade dabei das Abendessen vorzubereiten, Kevin ist eine Etage höher bei Rafael, zusammen mit Stephan und Raphael. Philipp hatte inzwischen Marcus zu sich geholt, so dass ich die Beiden als nächste vorstellte, als Hochzeitspaar Nummer drei und Philipp als meinen Sohn.

Im Dachgeschoss klingelte ich nur an einer Wohnung und erklärte: “Gegenüber ist keiner zuhause, sie arbeiten unten in der Küche und im Restaurant, Alexandra und Sebastian.“ Alejandro öffnete und meinte: „Schade, ich habe gehofft, die drei Jungs werden abgeholt, Jorge, Rafael und ich wollten heute zum Essen gehen.“

Er führte uns ins Wohnzimmer, wo wir die vier Jungs am Boden beim Zocken vorfanden. Jorge saß auf dem Sofa und beobachtete sie aufmerksam. Ich meinte zu den Jungs: „Könntet ihr bitte das Spiel unterbrechen, Raphael und Stephan werden von ihrer Mutter zum Abendessen erwartet, sie hat gerade bei Christoph angerufen.“

Die zwei standen auf und verabschiedeten sich. Zu Kevin sagte ich, dass er ebenfalls von Christoph zum Abendessen erwartet wird. Er wollte erst widersprechen, erhob sich mürrisch und verabschiedete sich von Rafael. Ich meinte zu Bernd und Sabine: „Das sind unsere Spanier, Alejandro, der uns geöffnet hat, und sein Ehepartner Jorge. Die beiden haben auf Mallorca geheiratet und sind seit knapp zwei Jahren bei uns. Jorge arbeitet in der Landwirtschaft mit und Alejandro ist so etwas wie ein Facility Manager. Der junge Mann ist Rafael, ebenfalls Mallorquiner und der Neffe von Jorge. Er lebt erst seit etwa drei Monaten hier in Deutschland und ist von den Beiden adoptiert.

Erstaunt stellte ich fest, dass Sabine Rafael auf Spanisch ansprach und sich mit ihm unterhielt. Jorge und Alejandro grinsten, als Rafael antwortete. Meine Spanischkenntnisse reichten nicht so weit, dass ich alles verstand. Alejandro fing an für mich zu übersetzen: „Marion hat ihn gefragt, wie es ihn in Deutschland gefällt und er hat geantwortet, es würde ihm besser gefallen, wenn alle Leute Spanisch sprechen würden. So müsse er leider die deutsche Sprache erlernen, damit er sich mit anderen unterhalten könne. Auf ihre Nachfrage, wie er sich mit den Jungs verständige, hat er ihr erklärt, dass das notfalls auch ohne Sprache funktionieren würde. Immerhin versteht er inzwischen das meiste, was ihm auf Deutsch erklärt wird.“

Ich fragte Alejandro, wo sie den zum Essen hingehen wollten. Er meinte, eigentlich wollten wir nur zu Sebastian. Ich erklärte ihm, dass wir gleich zu Francesco in die Stadt fahren würden und ob sie uns begleiten würden. Er sprach kurz auf Spanisch mit den Beiden und meinte, wenn sie uns nicht stören, würden sie gerne mitkommen.

Wir vereinbarten, dass sie in gut fünf Minuten bei uns sein sollten. Da wir mit drei Autos fahren müssten, wir wären insgesamt zwölf Personen, außer einer fährt mit dem Ford Galaxy, dann sollten zwei Fahrzeuge ausreichen. Alejandro meinte, wir fahren mit drei Fahrzeugen, unserer steht noch auf dem Parkplatz.

Ich ging mit Bernd und Sabine nach unten in unsere Wohnung und unterwegs erklärte mir Sandra, dass sie Dolmetscherin sei und drei Fremdsprachen fließend beherrsche, Spanisch, Französisch und Englisch. Ich verkündete, dass wir gleich losfahren zu Francesco, um dort heute zu Abend zu essen. Wir fahren mit drei Autos, unsere Spanier kommen mit uns mit. Ich rief noch kurz bei Francesco an und erklärte ihm, dass wir mit zwölf Personen statt der ursprünglich geplanten neun bei ihm aufschlagen werden.

Alle waren kaum angezogen, als es klingelte und die Spanier vor der Tür standen. Thomas drückte mir einen Autoschlüssel in die Hand, schloss unsere Wohnungstür ab und wir gingen nach unten zum Parkplatz. Alejandro fragte, wer bei ihm mitfahren wolle, dann wären alle Autos mit jeweils vier Personen besetzt.

Nachdem sich keiner meldete, fragte ich Felix, ob er fahren will, dann würde ich bei Alejandro mitfahren. Felix nickte nur. Ich drückte ihm die Fahrzeugschlüssel in die Hand und meinte: „Du und Dennis, ihr nehmt Sabine und Bernd mit, der Rest fährt mit Thomas. Thomas fährt voraus, der Rest hinterher.“

Glücklicherweise waren noch genügend frei Parkplätze vorhanden, so dass keiner lange suchen musste. Wir waren kaum im Restaurant angekommen als uns Francescos Tochter Miriam begrüßte und uns zu unserem Tisch brachte. Francesco kam aus der Küche und begrüßte uns. Zu mir sagte er: „Schade, dass ihr nicht mehr so häufig kommt wie früher. Aber ich habe schon von Sebastian gehört, dass ihr sehr häufig im Restaurant im Gutshof zum Essen seid. Kann es sein, dass ihr heute auf dem Standesamt gewesen seid? Morgen ist doch die große Feier im Gutshof. Wir mussten leider absagen, weil wir vorher bereits eine Zusage für Morgen, für eine Familienfeier getätigt hatten. Wir haben morgen eine geschlossene Gesellschaft mit über sechzig Leuten hier, die eigentlich bei euch feiern wollten, die aber von Sebastian abgelehnt wurde, weil er schon eure Hochzeit für diesen Tag eingetragen hatte. Er hat sie zu mir geschickt, weil er keine Ahnung davon hatte, dass wir auch zur Hochzeit eingeladen werden.“

Ich schaute Francesco an und meinte: „Stimmt wir waren heute am Standesamt und haben geheiratet. Zusätzlich hat sich meine Familie vergrößert, Thomas und ich sind Adoptivväter von zwei weiteren Söhnen geworden.“ Ich stand auf, ging mit Francesco zu unseren beiden Jungs und sagte: „Das sind unsere neuen Söhne, Tobias und David Maurer, die bereits seit ein paar Wochen bei uns leben.

Jungs, das ist Francesco, der Papa von Sebastian, unserem Koch im Restaurant. Die junge Dame, die uns zum Tisch gebracht hat, ist seine Tochter, also die Schwester von Sebastian. Ich kenne Francesco seit über zwanzig Jahren. Bevor ich es vergesse, Francesco ist gleichzeitig der Onkel von Christoph, Martinas Mann.“

Tobi schaute Francesco an und fragte: „Vermute ich richtig, dass wir damit auch irgendwie mit dir verwandt sind?“ Francesco lachte und erklärte: „Irgendwie schon, Christoph ist doch jetzt dein Schwager, ich bin sein Onkel, ich würde behaupten, du gehörst zur angeheirateten Verwandtschaft.“

Miriam stand bei uns und wollte wissen, was die Jungs zum Trinken wollen. Zu mir sagte sie, Thomas habe für mich ein alkoholfreies Weizenbier bestellt. David schaute mich an und wollte wissen, ob er sich auch ein alkoholfreies Weizenbier bestellen dürfe. Ich nickte nur und so bestellte er bei Miriam ein alkoholfreies Weizenbier für sich.

Francesco sagte, dass er wieder in die Küche müsste. Er würde aber später noch einmal vorbeikommen, wenn es wieder ruhiger ist im Lokal. Ich ging zurück zu meinem Platz und studierte die Speisekarte. Ich hörte, wie die Jungs mit Rafael sprachen und von Alejandro oder Sabine übersetzt wurde, wenn er etwas nicht verstanden hatte. Rafael selbst versuchte den Jungs auf Deutsch zu antworten und wurde unterstützt, wenn er ein Wort noch nicht auf Deutsch wusste.

Gegen einundzwanziguhrdreißig brachen wir wieder auf und fuhren zurück zum Gutshof. Nach unserer Ankunft meinte Sabine: „Schade, dass uns David nicht mehr seine Geschichte erzählen konnte.“ Ich sagte zu ihr: „Kommt einfach mit hoch. Wir können morgen ausschlafen. Die Feierlichkeiten beginnen erst am Nachmittag.“

Im Wohnzimmer forderte sie David auf, ihr die Geschichte seiner Vergangenheit zu erzählen, wie er am Nachmittag angekündigt hatte.

David überlegt kurz, dann erzählte er: „Kurz nach meinem vierzehnten Geburtstag habe ich mich bei meinen Eltern geoutet. In den nächsten Monaten wurde ich von meinen Eltern nur noch beleidigt, beschimpft und gelegentlich von meinem Vater verprügelt. Fast täglich hörte ich nur, wenn sie mich raus werfen könnten, würden sie das sofort tun, aber leider müssten sie mich noch ertragen, bis ich achtzehn sei und volljährig.

Kurz vor meinem fünfzehnten Geburtstag hatte ich die Schnauze gestrichen voll und bin von zu Hause verschwunden. Die nächsten Wochen lebte ich auf der Straße, und habe versucht mich über Wasser zu halten. Eines Tages hat mich ein älterer Herr auf der Straße angesprochen und mir Geld angeboten, wenn ich ihm einen blasen würde. Ab dem Zeitpunkt wusste ich, wie ich leicht an Geld kommen konnte. Dummerweise hat mich ein älterer Stricher an die Bullen verraten und ich landete, dass erste Mal im Kinderheim in München. Nach drei oder vier Wochen habe ich mich zum ersten Mal abgesetzt und bin zurück auf die Straße.“

Er machte eine kurze Pause, dann erzählte er weiter: „Nach gut eineinhalb Wochen hat mich die Polizei wieder aufgegriffen und wieder ging es zurück ins Kinderheim. Das ging danach noch einige Male so. Vor sechs Wochen, als ich wieder auf dem Straßenstrich aufgegriffen wurde, ging es nicht direkt ins Kinderheim, sondern in eine Zelle bei der Polizei.

Am Abend wurde ich ein Polizeifahrzeug verfrachtet. Der erste Weg ging ins Kinderheim, um meine Habseligkeiten einzusammeln. Zuerst hieß es ich komme in eine Zelle bei der Polizei in Rosenheim und morgen wird entschieden, wie es weitergeht. Unterwegs erhielt einer der Polizisten einen Anruf, bei der ihm eine neue Zieladresse übermittelt wurde.

Ich dachte in dem Moment, dass ich jetzt im Jugendknast abgeliefert werde. Wir landeten hier im Gutshof, wo ich auf Peter und Thomas, Dennis und Felix, Barbara Wegmann vom Jugendamt und Michael den Sozialarbeiter traf. Barbara erklärte mir, dass ich eine letzte Chance erhielte, hier bei Peter und Thomas als Pflegekind zu leben, zur Schule zu gehen und einen Abschluss zu machen. Peter fragte Barbara, ob er ein Sechs-Augen-Gespräch mit mir führen könne. Zusammen mit Dennis gingen wir in mein jetziges Zimmer.“

Wieder legte er eine Pause ein, trank einen Schluck und sprach weiter: „Zuerst erzählte Dennis von sich und warum er bei Peter lebt. Danach sollte ich etwas über mich erzählen, was ich auch tat. Irgendwann warf ich Peter vor, dass er und Thomas mich nur deshalb bei sich aufnehmen, damit ich ihnen als Lustknabe diene und beschimpfte ihn als einen lüsternen alten Knacker.

Er hat mir dann einiges von sich und aus seinem Leben erzählt. Er erklärte mir, dass ich es mir bis morgen überlegen könne und zwischenzeitlich eine Nacht in einer Zelle bei der Rosenheimer Polizei verbringen darf.

Wir gingen zurück ins Wohnzimmer und bevor Peter etwas sagen konnte, erklärte ich, dass ich hierbleiben will. Ich bin froh, dass ich mich im letzten Moment für mein Bauchgefühl entschieden habe und geblieben bin. Inzwischen habe ich gelernt und akzeptiert, dass es Menschen wie Peter gibt, die bedingungslos helfen und keine Gegenleistung dafür verlangen.“

Bernd und Sabine schauten ihn an, aber auch diejenigen, die seine vollständige Geschichte noch nicht gekannt hatten, zeigten sich überrascht. Thomas schaute mich vorwurfsvoll an, mir war bewusst warum. Ich hatte ihm nie von Davids Aussage, von den alten Knackern und dem Lustknaben, erzählt.

Ich sagte zu Thomas: „Für mich waren die alten Knacker und der Lustknabe in dem Moment vergessen, in dem er erklärt hat, dass er bleiben will. Die Aussage von ihm war ein verzweifelter Versuch, besonders stark zu wirken. Es war die Angst davor, weiterhin, wie auf dem Straßenstrich, schamlos ausgenutzt zu werden von uns. Dass er diese Angst überwunden hatte hat er gezeigt, als er erklärte, bei uns zu bleiben.“

Bernd meinte: „Ich verstehe jetzt, warum du der Meinung gewesen bist, dass du nie von Peter und Thomas adoptiert wirst. Wie du siehst, haben sich Peter und Thomas nie davon abhalten lassen, dir eine ruhige und erfolgreiche Zukunft zu ermöglichen. Es liegt jetzt nur an dir, ihnen zu zeigen, dass sie richtig gehandelt haben und du diesen Vertrauensvorschuss verdient hast.

Ich bin mir sicher, dass du auf dem richtigen Weg bist. Dein Mut, uns allen deine Vergangenheit so offen und ehrlich zu schildern ist ein großer Schritt in diese Richtung. Mir ist aufgefallen, das mit Ausnahme von Peter, und in weiten Teilen Dennis, der Rest deine Geschichte nur zu Bruchteilen gekannt hat. Selbst Tobias hast du verblüfft, weil er deine vollständige Lebensgeschichte bisher nicht gekannt hat.“

Ich wollte David weitere Bemerkungen und Fragen ersparen. Deshalb versuchte ich das Thema zu wechseln. Ich wandte mich an Sabine: „Sabine, wie ich heute gelernt habe, bist du Dolmetscherin. Könntest du dir vorstellen im nächsten Sommer eine oder zwei Gruppen spanischer Kinder und Jugendliche bei euch in Österreich als Übersetzerin zu betreuen.

Wir überlegen schon seit Wochen, die Zeltstadt im nächsten Jahr nach Österreich zu verlegen. Sicher nicht so groß wie dieses Jahr auf dem Gutshof, aber möglicherweise über einen längeren Zeitraum. Hier am Gutshof ist mir das Risiko zu groß, wegen der Großbaustelle, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen sein wird.“

Sabine schaute mich an und erklärte: „Mich würde interessieren, wie ihr das hier am Gutshof gelöst habt. Hattet ihr hier auch einen Dolmetscher, der euch unterstützt hatte?“

Thomas grinste ,und bevor ich ihr antworten konnte, übernahm das Thomas: „Nein, wir haben keinen extra Dolmetscher beschäftigt, du hast doch beim Abendessen unsere Spanier kennengelernt. Alejandro, der in Deutschland aufgewachsen ist und beide Sprachen perfekt beherrscht, er hatte die Aufgabe bei uns am Gutshof übernommen.

Vermutlich könnten wir nächstes Jahr zusätzlich auf Rafael, den Adoptivsohn von Alejandro und Jorge zurückgreifen, der seit knapp drei Monaten bei ihnen wohnt. Er ist in Spanien geboren, dort aufgewachsen und geht jetzt hier zur Schule. Noch spricht er nicht perfekt Deutsch, aber bis dahin kann sich noch viel ändern.“

Lange dauert der Abend dann doch nicht mehr, Sabine und Bernd gingen ins Gesindehaus und wir krochen nach und nach auch in unsere Betten.

Ich hatte mir für Samstagmorgen den Wecker auf siebenuhrdreißig gestellt und ging sofort in die Küche und in die Essecke, um unser Frühstück vorzubereiten. Kurz vor acht Uhr weckte ich Thomas und wir gingen beide sofort ins Bad, bevor wir die Jungs weckten.

Wieder in der Küche, gratulierte mir Thomas zu meinem fünfundfünfzigsten Geburtstag und meint: „Wenn ich so an deinen Geburtstag vor fünf Jahren zurückdenke, da war noch alles anders. Wir lebten noch in unserem Reihenhaus in Rosenheim. Philipp überraschte uns mit seinem Outing am Frühstückstisch. So etwas wird heute hoffentlich nicht geschehen.

Wer hätte damals gedacht, dass wir fünf Jahre später zwei noch minderjährige schwule Jungs in unserer Familie haben. Es war schon eine gewaltige Überraschung, als uns am frühen Abend meine Mutter als Überraschungsgast präsentiert wurde, die dann drei Wochen später nach Rosenheim umgezogen ist, nur um in unserer Nähe zu sein.

Ich denke noch daran, wie wir das Angebot deiner Eltern abgelehnt haben, ins Gutshaus umzuziehen. Knapp drei Jahre später, nach dem Tod deines Vaters, er hatte dich zu seinem Nachfolger als Familienoberhaupt bestimmt, leben inzwischen alle Familienmitglieder auf dem Gutshof.“

Er nahm mich in die Arme und knutschte mit mir, bis Tobias in der Küche stand und sagte: „Ich dachte ihr macht das Frühstück für uns, dabei steht ihr nur knutschend in der Küche und wir müssen verhungern.“

Thomas grinste ihn an und erwiderte: „Ich will doch schwer hoffen, dass du mir die Erlaubnis gibst, meinen Mann an seinem fünfundfünfzigsten Geburtstag in den Arm zu nehmen und mit zu ihm knutschen. Übrigens, das Frühstück ist fertig und braucht nur ins Esszimmer gebracht werden.“

Tobias schaute mich fragend an und als ich nur nickte rief er laut: „Vinzenz, David, Dennis und Felix, könnt ihr bitte sofort in die Küche kommen. Ich brauche euch dringend hier um zwei Kampfhähne zu trennen.“

Das war für uns wie eine Aufforderung kräftig weiter zu knutschen. Die vier Jungs stürmten die Küche und fanden uns immer noch küssend vor. Tobias meinte: „Last uns die beiden Kampfhähne trennen, damit wir auch die Gelegenheit erhalten, Peter an seinem Geburtstag zu knuddeln und zu küssen.“

Alle vier schauten ihn sprachlos an und Thomas ließ von mir ab und erklärte den immer noch sprachlosen und staunenden Jungs: „Schaut nicht so sparsam. Es stimmt, Peter feiert heute seinen fünfundfünfzigsten Geburtstag. Wir haben unsere Eheschließung extra so gelegt, dass die große Hochzeitsfeier mit seinem Geburtstag zusammenfällt, damit wir nicht zweimal kurz hintereinander zu einem feierlichen Anlass einzuladen brauchen.“

Ich blickte zu Thomas und behauptete allen Ernstes: „Thomas, du brauchst die Jungs nicht anzulügen. Wir haben das nur gemacht, damit wir nie unseren Hochzeitstag vergessen.“

Thomas fing schallend zu lachen an, und erklärte mir: „Bevor du einen wichtigen Geburtstag oder einen der anderen Ehrentage in der Familie vergisst, gefriert eher die Hölle. Seit ich dich kenne, kann ich mich nicht erinnern, dass du jemals einen dieser Tage vergessen hättest.

Selbst von den Kollegen wusstest du die Geburtstage und hast ihnen gratuliert. Jungs, ihr dürft jetzt Peter knuddeln und küssen, ausnahmsweise werde ich euch nicht zur Rechenschaft ziehen, wenn ihr Peter küsst.“

Verblüfft blickten sie zu Thomas, der sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte. Die Jungs kreisten mich ein und gratulierten mir zu meinem Geburtstag. David erklärte dann: „Peter wir haben kein Geburtstagsgeschenk für dich. Keiner hat gesagt, dass du heute Geburtstag hast. Ich hoffe, du bist uns nicht böse deswegen.“

Ich antwortete: „Keiner ist euch böse deswegen. Außerdem wollte ich sowieso keine Geschenke, weder zur Hochzeitsfeier noch zu meinem Geburtstag. Wir haben allen Gästen bereits bei der Einladung mitgeteilt, dass wir keine Geschenke wollen, aber, stattdessen die Stiftung sich über eine kleine Spende freuen würde.

Das gilt auch für die anderen beiden Hochzeitspaare, die uns dabei unterstützt haben. Im Übrigen, ich habe gestern bereits das größte Geburtstagsgeschenk erhalten, das man mir machen konnte, euch Beide, David und Tobias als meine weiteren Söhne.“

Jeder trug etwas ins Esszimmer und kurze Zeit später saßen wir gemeinsam gemütlich beim Frühstück. Noch am Frühstückstisch diskutierten die Jungs, wie sie die Zeit bis zum Beginn der Hochzeitsfeier am Nachmittag verbringen können. Ich schaute sie an und erklärte, heute Vormittag läuft alles wie an einem normalen Samstag meine Herren, Wir werden wie immer die Wohnung aufräumen, Wäsche waschen, also alles wie jeden Samstag. Mittags gibt es nur eine kleine Brotzeit zum Essen, und danach ins Festtagsgewand werfen.

Zum Ablauf am Nachmittag erklärte ich: „David und Tobias brauche ich ab vierzehn Uhr für den Empfang und die Begrüßung der Gäste. Dennis, du könntest dir bei Alexandra den Plan besorgen, wo wer sitzt und den Gästen behilflich sein, dass sie ihre Plätze finden. Vielleicht kann dir Felix dabei helfen.“

Denis grinste und sagte: „Den Plan kenne ich, den müsstest du eigentlich von Philipp bekommen haben. Das ist in der Excel-Liste enthalten, die ihr erstellt habt und in der auch eingetragen ist, wer von wem eingeladen wurde. Dort sollten die Tischnummer und der Sitzplatz eingetragen sein. Kannst du mir die Liste ausdrucken, dann habe ich alle Informationen, die ich brauche.“

Ich holte mein Notebook und lud mir die Datei auf den Rechner. Als die Datei geladen und geöffnet war stellte ich fest, dass am rechten Rand der Tabelle diese Informationen hinterlegt sind. Ich fragte Dennis, ob er die komplette Liste mit allen Informationen ausgedruckt haben will, oder ob eine abgespeckte Liste ausreichen würde.

Er setzte sich neben mich und meinte: „Ich brauche nur die Spalten Name, Vorname, PT, PM, MD, Tisch und Sitz, das sollte ausreichend sein. Die drei Abkürzungen stehen für die drei Brautpaare und wen sie eingeladen haben, ist durch ein X gekennzeichnet, erklärte er mir. Such mal nach David oder Tobias, die sollten nur von dir und Thomas eingeladen sein.“

Dummerweise ließen sich die beiden Jungs nicht mit ihren bisherigen Familiennamen in der Liste finden. Dennis erklärte mir, als sie letzte Woche über der Sitzverteilung saßen, da standen die beiden doch noch in der Liste, das kann doch nicht sein. Kannst du die Liste nach Tisch zwei filtern, der Tisch, an dem du und Thomas eingeplant sind, dort sollten auch die zwei Jungs sitzen.

Mit der gefilterten Liste löste sich das Rätsel, Philipp hatte die Liste aktualisiert und bei den Jungen den Familiennamen Maurer eingetragen. Dennis schaute auf die Einträge und stellte fest, dass bei PM jetzt ebenfalls ein X eingetragen war, und erklärte, dass die Jungs jetzt auch von Philipp und Marcus eingeladen sind. Naja, wenn er schon ihr großer Bruder ist, dann finde ich das in Ordnung.

Ich blendete die nicht benötigten Spalten aus und stellte fest, dass jetzt vier Seiten zum Drucken verblieben. Ich wollte von Dennis wissen, ob ich auf vier einzelnen Blättern oder auf zwei Blättern, Vorder- und Rückseite bedrucken soll. Dennis meinte, es reicht, wenn du doppelseitig ausdruckst.

Kurz vor dem Mittagessen ging ich mit Thomas nach unten, um nach dem Stand der Vorbereitungen zu schauen. Ich traf auf Herrn Baumgartner, den Caterer, der heute mit seinen Leuten unsere Gäste verwöhnen sollte. Er erklärte mir, dass sie fast fertig sind mit den Vorbereitungen. „Demnächst werden aus der hofeigenen Konditorei noch die Torten und Kuchen angeliefert. Die Küchenmannschaft kommt erst gegen fünfzehn Uhr, da Sebastian, wie vereinbart, heute Vormittag bereits einiges vorbereitet hat, während er die Essen für das Gesindehaus und das Seminarhotel produziert hat. Für die Kaffeetafel ist alles vorbereitet, die Bestecke fürs Abendessen sind bereits mit aufgedeckt.“ Thomas meinte nur: „Sieht gut aus, da kann doch fast nichts mehr schiefgehen.“

Nach dem Mittagessen war nur noch anziehen angesagt und kurz vor vierzehn Uhr stand ich mit Thomas und unseren beiden Jungs am Zugang zum Restaurant, wo alle Gäste vorbeikommen mussten. Am Eingang zum Saal standen bereits einige Mitarbeiter und warteten auf die ersten Gäste, um sie mit einem Begrüßungsdrink zu empfangen. Auch unsere beiden anderen Hochzeitspaare standen rechtzeitig zum Empfang unserer Gäste bereit.

Kurz nach vierzehn Uhr sah ich die ersten auswärtigen Gäste, die wir im Gesindehaus untergebracht hatten und die auf dem Weg ins Restaurant waren. Der Parkplatz füllte sich nach und nach.

Einige besonders Neugierige fragten uns, wer denn die beiden hübschen Jungs wären, die da neben uns stünden und sie mitbegrüßten. Vor allem diejenigen, die von auswärts kamen, oder gestern nicht mitbekommen hatten, dass sie in die Familie aufgenommen wurden. Thomas oder ich erklärten dann immer, das sind seit gestern unsere beiden Adoptivsöhne, die schon seit ein paar Wochen bei uns leben.

Irgendwann stand Dennis neben mir und meinte: „Peter, das mit der Liste war eine verdammt gute Idee, wir hätten fast noch eine zweite Liste für Felix brauchen können. Inzwischen konnten wir den meisten Gästen Auskunft darüber geben, an welchem Tisch sie sitzen. Du hattest richtig vermutet, dass wäre ansonsten chaotisch abgelaufen.“

Ich erklärte ihm, dass sie gegen fünfzehn Uhr die Liste dem Servicepersonal übergeben sollen, damit diese den Nachzüglern sagen können an welchem Tisch sie sitzen. Er meinte noch, dass ist eine weitere gute Idee, sie haben mich schon gefragt ob ich eine weitere Liste hätte, dann hätten sie mich und Felix unterstützt.

Gegen fünfzehn Uhr gingen wir auch in den Saal und Bernhard empfing mich mit einem Mikrofon in der Hand. Ich nahm ihm das Mikrofon ab und auf ein Zeichen von Bernhard spielte unsere Drei-Mann-Kapelle einen Tusch.

Nachdem es ruhiger wurde startete ich meine Ansprache: „Liebe Hochzeitsgäste, wir, die drei Hochzeitspaare, genauer genommen, mein Sohn Philipp mit seinem Gatten Marcus, Manuel Winter mit seinem Daniel, sowie Thomas und meine Wenigkeit, begrüßen euch aufs Herzlichste zu unserer gemeinsamen großen Hochzeitsfeier.

Es gibt jetzt gleich Kaffee und Kuchen. Der weitere Ablauf bis zum Abendessen, ab achtzehnuhrdreißig, entzieht sich leider noch meiner Kenntnis. Es wird aber sicher keine Brautentführung geben. Danach darf das Tanzbein geschwungen werden. Bis dahin unterhält uns die kleine Drei-Mann-Kapelle zwischendurch mit Unterhaltungsmusik.

Wie bereits mit unserer Einladung angekündigt, haben wir gebeten von Hochzeitsgeschenken Abstand zu nehmen und dafür eine kleine Spende an unsere Stiftung für benachteiligte Kinder und Jugendliche zu tätigen. Wie mir Klaus, unser Buchhalter, vor wenigen Minuten mitgeteilt hat, sind bisher zwölftausendneunhundertfünfzig Euro auf dem Konto der Stiftung eingegangen.

Wir danken allen Spendern für die Unterstützung unserer Arbeit für die Kinder und Jugendlichen, die wir mit diesen Spenden leisten können. Ich wünsche euch viel Spaß und hoffe, dass wir mit unserer Kuchen- und Speisenauswahl euren Geschmack getroffen haben.“

Mit dem aufbrandenden Applaus übergab ich das Mikrofon wieder an Bernhard und setzte mich mit Thomas an unseren Tisch. Bernhard hatte mein Mikrofon an Philipp weiter gereicht und ein weiteres Manuel in die Hand gedrückt.

Was die Beiden den Gästen boten, war eine einstudierte Ansprache, die abwechselnd von den ihnen vorgetragen wurde. Sie erklärten, dass sie zwar wüssten, was zwischen Kaffee und Kuchen bis zum Abendessen geplant sei, die Gäste sich jedoch einfach überraschen lassen sollen, wobei sie noch einmal ankündigten, dass keine Brautentführung vorgesehen sei, da bei keinem der Beteiligten weibliche Attribute vorhanden seien. Ebenfalls entfiele der Brauch einen Brautstrauß in die Menge zu werfen, da es keine Brautsträuße zum Werfen gäbe. Am Ende wünschten sie allen Anwesenden einen gelungenen Nachmittag und Abend.

Wieder gab es donnernden Applaus und die beiden Paare gingen zu ihren Tischen. Die Band begann in dezenter Lautstärke Schlager und leichte Unterhaltungsmusik zu spielen. Da viele bereits vorher ihre Kuchenbestellung aufgegeben hatten, wurde zügig mit dem Verteilen der Kuchenteller begonnen und Kaffee und Kakao eingeschenkt.

Nach knapp einer dreiviertel Stunde standen Jonas und Tim auf der Tanzfläche und beide hatten je ein Mikrofon in der Hand. Nachdem die Kapelle einen weiteren Tusch gespielt hatte, erklärte er: „Hallo liebe Hochzeitsgäste, wir Beide dürfen sie in den nächsten knapp zweieinhalb Stunden durch das Programm führen. Zuerst will ich mich ihnen kurz vorstellen, zumindest für diejenigen, die mich noch nicht kennen. Ich bin Jonas Strohwinkel, ein Neffe von Peter, und lebe seit gut zwei Jahren hier am Gutshof, ursprünglich stamme ich aus Hannover, der Heimatstadt meines Vaters.

Ich studiere in Weihenstephan Agrarmanagement und betreue zusammen mit Peter und Tim den landwirtschaftlichen Teil des Gutshofes. Ich möchte als Gäste besonders meinen Vater Martin und meine beiden Geschwister Sabine und Manuel grüßen, die es sich nicht nehmen ließen, extra aus Hannover anzureisen.“

Das schien das Stichwort für Tim zu sein: „Ich bin Tim Bauer, stamme ebenfalls aus Hannover und werde hoffentlich irgendwann die bessere Hälfte von Jonas. Auch ich studiere in Weihenstephan Agrarmanagement. Der praktische Teil meiner Ausbildung findet hier auf dem Gutshof statt.

Den Brautpaaren ein herzliches Dankeschön, dass ihr auch meine Eltern zu eurer Feier eingeladen habt. Ihr wusstest, dass es für mich nicht ganz so einfach war Hannover zu verlassen, da meine Eltern kein Problem mit meiner Neigung zu Jonas haben. Ich möchte deshalb meine Eltern Gabriele und Reinhard herzlich begrüßen.“

Martin war aufgestanden, hatte sich neben seinen Sohn gestellt, schnappte sich das Mikrofon und erklärte: „Hallo, ich bin Jonas Vater, weder meine beiden anderen Kinder noch ich stören uns daran, dass Jonas in einen Jungen verliebt ist. Wir bedauern es sehr, dass er mit seinem Tim zu meinem Schwager gezogen ist.

Einige von Euch werden sich sicher noch an die dramatischen Szenen vor rund zweieinhalb Jahren bei der Beerdigung meines Schwiegervaters erinnern, als meine Frau, Peters Schwester, komplett ausgeflippt ist, weil der ortsansässige Pfarrer ihre schwulenfeindliche Meinung nicht unterstützt hat. Das wollte ich nur klarstellen. So Jungs, jetzt macht mal weiter mit eurem Programm.“ Damit gab er sein Mikrofon an Jonas zurück.

Tim erklärte: „Unser erster Programmpunkt wird von der Jugendgruppe der schwulen Jungs bestritten. Sie zeigen uns in Spielszenen, wie vielfältig die Reaktionen der Eltern oder der Umwelt ausfallen, wenn sie ihnen mitteilen, dass sie auf Jungs stehen. Begrüßt mit uns die schwule Jugendgruppe, die sich wöchentlich im Gutshof trifft.“

Unter zaghaftem Applaus liefen die Jungs in den Saal ein. In der ersten Szene zeigten sie, wie Eltern damit umgehen, die kein Problem damit haben. Es war fast ein wenig kitschig, weil sie es an manchen Stellen arg übertrieben bei der Reaktion der Eltern. Selbst bei der zweiten Szene, als es um den Freundeskreis ging, zeigten sie nur positive Reaktionen.

Bei der dritten Szene, als nur ein Elternteil keine Probleme hatte, konnte ich in Grundzügen Jonas Outing nacherleben. Interessant wurde es, als Christian auftrat und uns seinen Leidensweg zeigte, von der Ablehnung bis hin zur Abschiebung in eine psychiatrische Spezialklinik. Insgesamt fand ich den Auftritt der Jungs sehr gut gelungen.

Nach der letzten Szene stand ich auf, ging zu den Jungs und beglückwünschte sie zu ihrer schauspielerischen Leistung. Ich erklärte den Anwesenden: „Eine der gezeigten Szenen hat sich in der Wirklichkeit so abgespielt, wie sie dargestellt wurde, der Fall ist mir persönlich bekannt. Bei den anderen Szenen gehe ich davon aus, dass sie sich zumindest so oder so ähnlich abgespielt haben, wie sie uns gezeigt wurden.“

Nach kurzer Pause ergänzte ich: „Jungs ich danke euch für euren grandiosen Auftritt. Es war für uns eine Riesenüberraschung als euer Auftritt von Tim angekündigt wurde. Mich würde zumindest interessieren, wer euch zu eurem Auftritt bei unserer Hochzeitsfeier angestiftet hat?“

Tim stellte sich neben mich und sagte: „Angestiftet hat die Jungs keiner, es war ihre eigene Idee, mit der sie sich bei dir, auf diese Art bedanken wollten, weil du so einiges für sie auf die Beine gestellt hast. Das ging damit los, dass du ihnen das Café als Treff zur Verfügung gestellt hast.

Der nächste Schritt war die Einführung eines Elternstammtisches für ihre Angehörigen. Hinzu kommt, dass ihnen mit Michael ein Ansprechpartner zur Verfügung steht, mit dem sie jedes noch so kleine Problem besprechen können. Gemeinsam haben sie mit Michael ihre Darstellung erarbeitet. Ich kann dir bestätigen, dass fast alle Szenen, die wir gesehen haben, ein Abbild dessen sind, wie es der eine oder andere bei seinen Eltern oder in seinem Umfeld erlebt hat.“

Ich suchte Alexandra und bat sie zu mir. Als sie neben mir stand, erklärte ich: „Ich hoffe wir haben noch genügend Kuchen und auch Kaffee, damit die Jungs sich stärken können, bevor sie wieder nach Hause gehen.“ Alexandra lachte und meinte, keine Sorge, es ist alles organisiert, die Jungs bekommen gleich ihren Kaffee und Kuchen im Nebenzimmer.

Nachdem sich die Jungs für den grandiosen Applaus bedankt hatten, zogen sie sich ins Nebenzimmer zurück. Jonas übernahm wieder das Zepter und kündigte den nächsten Programmpunkt an: „Ich darf jetzt die sechs frisch Vermählten zu mir bitten, denn jetzt ist ihre Geschicklichkeit und ihr Gefühl gefragt.“

Während wir uns zu Jonas begaben, konnte ich erkennen, dass zwei Sägeböcke in den Raum getragen wurden und auf der Tanzfläche aufgestellt. Als nächstes kam ein gut fünfundzwanzig Zentimeter dicker Baumstamm, der über den Sägebock gelegt wurde. Zuletzt wurde eine Zweimannsäge hereingetragen und angelehnt.

Jonas erklärte: „Jedes Paar soll eine etwa fünf Zentimeter dicke Baumscheibe abschneiden. Die Zeit, die sie dazu brauchen, wird gestoppt und das Paar mit der schnellsten Zeit wird zum Sieger gekürt.“

War von vorneherein klar, dass Thomas und ich als erste ihr Können unter Beweis stellen durften. Ich erklärte Thomas kurz, dass wir am effektivsten wären, wenn derjenige der schiebt, keine Kraft aufwendet und das Sägeblatt nur durch den Stamm gleiten sollte.

Derjenige der zieht, bestimmt die Schneidekraft durchs Holz. Wir stellten uns links und rechts von dem Baumstamm auf und setzten die Säge etwa bei fünf Zentimeter vom Rand entfernt auf. Jonas verkündete, dass wir nach seinem Startkommando zu sägen anfangen können.

Jonas gab das Startkommando und wir legten los. Die ersten beiden Züge der Säge durchs Holz waren noch etwas holprig aber ab dem dritten Zug durchs Holz kamen wir so richtig auf Touren. Gleichmäßig schnitt sich das Sägeblatt durchs Holz und nach fünfundfünfzig Komma sieben Sekunden wurde die Zeitmessung gestoppt, da die Scheibe zu Boden fiel.

Nach uns durften Manuel und Daniel ihr Glück versuchen. Wie bei Thomas und mir legten die Beiden nach dem Startkommando los und schafften es am Ende in fünfzig Komma drei Sekunden die Scheibe abzuschneiden. Damit waren die beiden immerhin gut fünf Sekunden schneller gewesen als wir Zwei.

Ich meinte zu Thomas, ich denke wir werden als Letzte aus diesem Rennen gehen, die Jugend ist da etwas ungestümer als wir. Thomas erklärte mir, erst einmal abwarten, wie sich Marcus und Philipp anstellen beim Sägen.

Die beiden, Marcus und Philipp, stellten sich auf und nachdem Jonas den Start verkündete, legten sie los. Sie machten genau den Fehler, den ich mit Thomas vermieden hatte. Sie meinten, mit Druck beim Schieben würden sie schneller sein. Immer wieder ruckelte es bei den Schnitten.

Die Zeitmessung stoppte bei den beiden bei neunundfünfzig Komma acht Sekunden, damit stand die Sieger und die Verlierer fest. Thomas und ich hatten uns achtbar aus der Affäre gezogen, wir belegten den zweiten Rang.

Bevor es an die Siegerehrung und zur Überreichung der Preise kam sagte Jonas: „Ich hatte eigentlich erwartet, dass mein Cousin Philipp und sein Marcus besser abschneiden würden. Als Hobbyhandwerker müsst ihr noch viel lernen. Aber ihr seid, so wie ich das sehe, durch und durch reine Kopfarbeiter.“

Anschließend verkündete er offiziell die Platzierungen der Teams, Philipp und Marcus als Drittplatzierte, Thomas und ich belegten den zweiten Platz. Als Sieger gingen in dem Wettkampf Manuel und Daniel hervor. Die beiden erhielten die Siegerurkunde und einen dicken Blumenstrauß.

Aus dem Publikum kam ein Zwischenrufer, der meinte: „Jetzt hätte doch wenigstens eines der Hochzeitspaare einen Blumenstrauß, den es werfen könne.“

Daniel schnappte sich eines der Mikrofone und erklärte: „Sehe ich nicht so, aber wenn wir schon unseren schönen Siegerstrauß opfern sollen, dann nur zu unseren Bedingungen. Teilnehmen dürfen nur schwule unverheiratete Männer, vielleicht fängt ihn ein junger Mann, der dann vielleicht der Glückliche sein kann, der als nächster von seinem Partner zum Standesamt geführt wird.“

Daniel hatte viele Lacher auf seiner Seite, und einen weiteren Zwischenruf: „Sepp, das hast du jetzt von deinem blöden Dazwischenrufen. Jetzt kannst du dich zu den Jungs stellen und den Strauß auffangen. Ich frage mich nur, wer dich heiraten soll?“

Damit war für mich sicher, dass das keiner der von Thomas und mir eingeladenen Gäste sein konnte. Vor allem führte es dazu, dass noch mehr über die ganze Aktion gelacht wurde. Daniel reagierte und sagte: „Sepp, ich wusste gar nicht, dass du auch am anderen Ufer fischst. Hätte ich das geahnt, bevor ich Manuel kennengelernt habe, wer weiß, vielleicht säßen wir Beide heute als frischverheiratetes Paar hier und wir würden unsere Hochzeit mit unseren Freunden feiern.“

So langsam beruhigte es sich wieder und nach einer kurzen Pause kündigte Tim die nächste Attraktion an. Er meinte: „Mit der nächsten Darbietung wollen wir euch zeigen, dass Tradition auch in der heutigen Zeit noch immer gepflegt wird. Der Trachtenverein Hochries-Samerberg kommt zuerst mit seiner Jugendtanzgruppe, die uns einige traditionelle Tänze zeigen wird. Danach lassen es die Burschen der Goaßlschnalzer vom gleichen Verein laut krachen. Aber fangen wir erst einmal mit der Jugendtanzgruppe an.“

Die Tür zum Nebenraum öffnete sich und unter den Klängen einer Ziehharmonika eroberten die Burschen und Madl die Tanzfläche. Gleichzeitig zogen auch die Goaßlschnalzer ein und verteilten sich im Saal. Zuerst zeigte uns die Jugendgruppe einen Zwiefachen. Zwischen den einzelnen Tanzrunden zeigten die Goaßlschnalzer ihr können. Der zweite Tanz nannte sich Dreher, bei dem sich die Paar unheimlich schnell im Kreis drehten. In der dritten Tanzrunde zeigten uns die jungen Damen und Herren einen Ländlertanz. Zuletzt durften die Burschen noch ihre Künste des Schuhplattelns zeigen.

Ich stand wieder auf, ging zu Tim, schnappte mir das Mikrofon und bedankte mich bei den Burschen und Madln für ihr Tanzdarbietungen. Ich wandte mich an den Vorplattler und fragte ihn: „Kannst du mir sagen, wie oft ihr wöchentlich trainiert, dass die Tanzdarbietungen so exakt und synchron ablaufen?“

Er erklärte: „Wir proben normalerweise nur einmal die Woche, aber dann sehr intensiv. Das Training dauert meistens zwischen zweieinhalb und dreieinhalb Stunden. Wenn ein größerer Tanzwettbewerb ansteht, kann es schon sein, dass wir in den letzten vier Wochen vor der Veranstaltung mindestens zweimal wöchentlich trainieren, je nachdem wie die Vorarbeit in den Wochen davor war.“

Ich wünschte ihnen noch einen guten Nachhauseweg, nachdem sie sich mit Kaffee und Kuchen oder einer Brotzeit gestärkt hätten. Jonas übernahm wieder die Rolle des Ansagers und verkündete: „Wir kommen jetzt zu unserer zweiten und letzten Spielrunde für unsere drei Hochzeitspaare.

Es handelt sich um einen Erkennungswettbewerb, wobei die Paare nur die Füße und die Wade zu sehen bekommen. Wer die meisten Füße richtig zuordnen kann, ist bei diesem Spiel der Sieger. Die Paare haben fünf Minuten Zeit und müssen danach zuordnen, zu wem welche Füße gehören. Dazu erhalten sie sechs Namen, die sie in den einzelnen Füßen zuordnen sollen. Als kleinen Hinweis kann ich euch mitgeben, dass es sich bei allen gesuchten Personen um Mitarbeiter oder Bewohner des Gutshofs handelt. So, dann lassen wir die Füße antreten.“

Es wurde eine etwa vier Meter lange Plane hereingebracht, die zwischen zwei Stangen gespannt wurde. Unten hatten sie die Zahlen von eins bis sechs angebracht, für jeden der Kandidaten seinen eigenen Platz. Die unteren knapp fünfzig Zentimeter blieben frei, damit man die Füße sehen konnte.

Nachdem alles fertig vorbereitet war, ertönte ein lauter Pfiff und die Tür zum Nebenzimmer öffnete sich ein weiteres Mal und sechs barfüßige, komplett vermummte Personen, die alle gleich eingekleidet waren, so dass man sie wirklich nur an ihren Füßen erkennen konnte. Sie stellten sich hinter den Vorhang und auf Anweisung sollten jetzt alle die Position einnehmen, die für sie vorgesehen war.

Jonas meinte, so meine Herren, ab sofort laufen eure fünf Minuten, um die Beine zu begutachten und danach wollen wir sehen, wie gut ihr bei der Zuordnung seid. Thomas und ich begutachteten die Beine, bei drei Füßen war wir uns sofort sicher zu wem die gehören. Beim Rest müssten wir raten, wenn wir die Namen kennen, die zu den restlichen Füßen gehören. Beim einem weiteren Paar Füße hatte ich zumindest einen Verdacht, wem sie gehören könnten, aber damit hätte Jonas eigentlich geschummelt, da diese Person nicht fest am Gutshof wohnt, nur momentan hier arbeitet.

Irgendwann waren die fünf Minuten vorbei und wir mussten von der Wand zurücktreten. Jason positionierte uns in einem Dreieck und von draußen wurden drei Flipcharts hereingerollt, die nur eine weiße Deckseite zeigte. Jason erklärte, dass wir jetzt das oberste Blatt nach hinten klappen, dann findet ihr sechs Namen, diesen Namen ordnet ihr jetzt die Nummer zu, von der ihr ausgeht, dass die Füße zu diesem Namen gehören. Ihr habt jetzt zwei Minuten Zeit zum Zuordnen, danach lösen wir das Ganze auf.

Die Beine, bei denen wir ganz sicher waren, trugen wir sofort ein, es waren die Füße von Tobias Maurer, Felix Müller und David Maurer. Da der Name Vinzenz Dreher auf der Liste stand, ordnete ich meinem Verdachtsmoment zu. Übrig blieben jetzt noch Christian und Benjamin Dreier, damit war der Rest für uns leicht zu lösen, wem von den beiden welche Füße gehören.

Jonas sagte: „Eure Zeit des Ratens ist jetzt abgelaufen, kommt jetzt zu mir und stellt euch neben mich. Die Helfer rollen bitte die Flipcharts jetzt so, dass das Publikum die Lösungen sehen kann. Wie ihr seht, stehen unten auf den Listen die Namen des jeweiligen Teams, außerdem haben wir die einzelnen Flipcharts farbig markiert, damit es zu keinen Verwechslungen kommt. Die Namen sind bei allen in alphabetischer Reihenfolge auf den Flipcharts eingetragen, so dass alle die gleichen Voraussetzungen hatten.“

Nach einer kurzen Pause erklärte er: „Als erster steht auf der Liste Vinzenz Dreher, wenn dort jetzt eine sechs steht, dann ist die Lösung schon einmal richtig, Vinzenz kommst du nach vorne zu uns. Von dem Platz mit der Nummer sechs verschwanden die Füße und Vinzenz trat nach vorne.“

Er hatte seine Vermummung abgelegt, so dass er eindeutig erkennbar war. Beim Nächsten, das gleiche Spielchen, Benjamin Dreier hatte die Nummer drei und kam nach vorne. Es ging weiter mit Christian Dreier, der die fünf hatte. David Maurer, einer unserer beiden Adoptivsöhne hatte sich hinter der eins versteckt. Tobias Maurer, aktuell unser jüngster war auf der vier platziert. Am Ende blieb nur noch Felix Müller, der die zwei besetzt hatte.

Jonas schaute uns an und meinte: „Peter und Thomas, wenn ich mir eure Liste so anschaue, dann sind bei euch alle Namen richtig zugeordnet. Dann schauen wir auf die Liste von Marcus und Philipp, hier kann ich zwei Fehler entdecken. In der Liste von Manuel und Daniel sind sogar nur drei richtige angegeben, der Rest ist falsch zugeordnet. In diesem Fall würde ich sagen, Peter und Thomas sind die Gewinner dieser Spielrunde. Ich gratuliere euch beiden zum Sieg.“

Ich schnappte mir das Mikrofon und erklärte: „Bei diesem Spiel waren Thomas und ich von Anfang an im Vorteil gegenüber den anderen beiden Paaren. Wir hatten kein Problem drei Paar Füße sofort zu erkennen, bei einem weiteren Paar hatte ich zumindest einen Verdacht wer sich dahinter verstecken könnte. Die letzten beiden Paar Füße waren dann anhand der vorgegebenen Namen ein absolutes Kinderspiel beim Zuordnen. Ich hoffe, ihr habt da nicht geschummelt, damit wir wenigstens eins der Spiele gewinnen.“

Jonas grinste, sagte aber nichts dazu. Philipp grinste frech und erklärte dazu: „Dann muss ich wohl Einspruch gegen die Wertung dieses Spiels einreichen. Wobei, wenn ich es mir so überlege, Marcus und ich sind zufrieden mit unserem zweiten Platz, wir wollten nur nicht wieder Letzter werden.

Papa, Thomas, wir vergönnen euch den Sieg, trotz eures Heimvorteils, da vier der Jungs mit euch zusammenwohnen. Christian und Benjamin hatten auch schon einmal das Vergnügen, für ein paar Tage eure Gästezimmer kennenzulernen.“

Jetzt übernahm Tim wieder das Mikrofon und verkündigte: „Liebe Freunde, Verwandte und Bekannte unserer drei Hochzeitspaare, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, eine erste Tanzrunde zu starten. Wir haben noch knapp eine halbe Stunde Zeit, bis unser Abendessen serviert wird. Ich darf die drei Hochzeitspaare bitten, diese Runde mit dem Hochzeitswalzer zu eröffnen. Ich hoffe, ihr wisst, wie das jetzt abläuft. Ihr tanzt den Walzer, bis ich euch trenne. Eure Aufgabe ist es, sich sofort einen neuen Tanzpartner aus den Anwesenden zu holen und mit dem weiter zu tanzen. Wenn alle drei Hochzeitspaare einmal von mir getrennt wurden, können alle Paare frei entscheiden, wann sie sich wieder trennen und einen weiteren Tanzpartner hinzuholen.“

Thomas und ich hatten uns vorher abgesprochen, dass bei unserer ersten Trennung Martina und Christoph von uns aufgefordert werden. Bei der zweiten Trennung sollten unsere beiden Adoptivsöhne unsere Opfer sein, die von unserem Attentat auf sie, bisher keine Ahnung hatten. Die kleine Band begann einen Walzer zu spielen und Thomas und ich wiegten uns sofort im Walzerschritt, bis wir von Tim getrennt wurden. Wir holten, wie abgesprochen, Martina und Christoph auf die Tanzfläche.

Christoph fragte mich, warum wir gerade sie beide ausgewählt haben. Ich erklärte ihm, beim nächsten Wechsel darfst du dir eine Tanzpartnerin holen und Martina einen Tanzpartner. Ich beobachtete, dass Manuel und Daniel beim Wechsel jeweils ihre Mütter aufforderte mit ihnen zu tanzen.

Beim nächsten Wechsel holte ich David und Thomas schnappte sich Tobias als Tanzpartner. David maulte zwar etwas und meinte, er könne doch gar nicht tanzen. Aber auf der Tanzfläche hatte er sehr schnell begriffen, wie die Schrittfolge beim Walzer tanzen abläuft. Nach knapp zwei Minuten sagte ich ihm, dass wir uns jetzt jeder einen neuen Tanzpartner suchen gehen.

Er holte sich einen verblüfft aussehenden Vinzenz als neuen Tanzpartner auf die Tanzfläche, während ich frech meine Mutter herausforderte. Thomas hatte sich nur wenige Sekunden nach mir von Tobias getrennt und forderte seine Mutter zum Tanzen auf. Tobias überlegte kurz, wenn er sich holen könne und forderte Barbara als Tanzpartnerin heraus, die ihn im ersten Moment auch nur verwundert anblickte.

Bei rund fünfzig Tanzpaaren wurde es inzwischen schon eng auf der Tanzfläche und die ersten Paare verließen wieder die Tanzfläche. Manuels Mutter hatte sich erwartungsgemäß ihren Mann Fritz als Tanzpartner geholt, nach einem Walzer näherten sich die beiden meiner Mutter und mir und forderten einen Partnerwechsel.

Meine Mutter tanzte mit Fritz Winter weiter, während ich jetzt mit seiner Frau Marianne weiter tanzte. Sie erklärte mir, dass es sie besonders gefreut hat, dass ihr Sohn sie zum Tanzen aufgefordert hat, vor allem, weil sie damit die Chance hatte ihren Mann aufs Parkett zu locken.

Nach knapp einer halben Stunde erklärten uns die Musiker, dass sie jetzt eine Pause einlegen und nach dem Abendessen weiter getanzt werden kann, bis dreiundzwanzig Uhr. Sie versprachen, dass ab sofort kein weiterer Walzer mehr gespielt wird, selbst wenn es sich dabei um eine Wunschmelodie eines Hochzeitspaares handeln sollte.

Kaum hatten sich alle Tanzenden wieder an ihren Tisch gesetzt, wurde die erste von zwei Vorspeisen serviert. Während des Essens ertönte ruhige und leichte Popmusik aus den Lautsprechern, bei der man sich noch problemlos unterhalten konnte.

Nach knapp zwei Stunden, die meisten hatten bereits das Nachspeisen-Buffett geplündert, fingen die Musiker wieder mit der Live-Musik an und so nach und nach wagten sich die ersten Paare wieder auf die Tanzfläche. Etwas später, die Tanzfläche hatte sich nur spärlich bevölkert, verkündeten die Musiker, das jetzt Damenwahl angesagt sei. Ich schaute mich vorsichtig um, ob eine der anwesenden Damen sich in meine oder Thomas Nähe bewegte, um uns zum Tanz aufzufordern.

Ich stellte beruhigt fest, dass die Frauen in erster Linie ihre eigenen Partner zum Tanzen aufforderten. Unbemerkt von mir hatten sich David und Tobias angeschlichen und forderten mich und Thomas zum Tanzen auf. Ich meinte noch zu den beiden Jungs, ob sie da etwas falsch verstanden hätten, sie wären beileibe keine weiblichen Wesen, die uns zum Tanz auffordern können. David grinste und erklärte: „Das ist die Revanche für vorher, wo ihr uns beide zum Tanzen auf die Tanzfläche entführt habt, dafür müsst ihr jetzt mit uns tanzen.“

Thomas lachte und meinte: „Ihr habt gewonnen, aus Rache hat uns in unserem bisherigen Leben noch nie einer oder eine zum Tanzen aufgefordert. Ich will für euch hoffen, dass euch bewusst ist auf was ihr euch da eingelassen habt, unter drei oder vier Tänzen werden wir euch auf alle Fälle nicht mehr aus unseren Fängen lassen. Los Jungs, dann zeigt dem Rest der Meute, was ihr so drauf habt.“

Der erste Tanz, den wir nur noch teilweise absolvierten war ja noch keine große Herausforderung für die Beiden. Bei der nächsten Musik wurde es schon etwas kritischer, den hier tanzte nicht mehr jeder für sich allein. Immerhin hatten sie die Schrittfolge beim Discofox schneller begriffen, als ich zuerst vermutete und so konnten wir den nachfolgenden dritten Tanz ebenfalls problemlos bestreiten.

Eigentlich wollten sich die Zwei nach dem dritten Tanz wieder absetzen, aber mit dem Erklingen der ersten Töne des nächsten Songs, hielt ich David fest und zwang ihn einen weiteren Tanz mit mir zu absolvieren.

Diesmal handelte es sich um einen Stehblues oder auch Schieber genannt, bei dem die beiden Tanzenden eng umschlungen tanzten und sich dabei nicht großartig bewegten. Bei den Pärchen war er sehr beliebt, weil so problemlos während des Tanzens ausreichend geschmust werden konnte. Wie von mir vermutet, wurde eine weitere Schmuserunde hinterhergeschoben und nach dem zweiten Stehblues gestatteten wir den Jungs sich einen anderen Tanzpartner zu suchen.

Ich hatte mir Thomas geschnappt und gemeinsam genossen wir den nächsten Schieber. Unsere Jungs, die eigentlich von der Tanzfläche flüchten wollten, hatten es sich anscheinend anders überlegt und tanzten den Stehblues eng umschlungen, wie ich zwischendurch bemerkte.

Auf dem Rückweg zu unseren Plätzen meinte Thomas: „Ich hatte die beiden vorgewarnt. Die Stehblues kamen zum richtigen Zeitpunkt. Diese Chance für eine kleine Rache musste ich uns vergönnen. Aber immerhin haben sie dann doch Geschmack daran gefunden und am Ende haben beide zusammen eng umschlungen getanzt. Ich habe während des Tanzens mit Schadenfreude bemerkt, dass es Tobias peinlich war, als es in seiner Hose anfing eng zu werden.“

Wir nutzten die Zeit, um mit den Gästen der Hochzeitsfeier zu plaudern, so lernten wir auch die Leute besser kennen, die nicht von uns direkt eingeladen wurden, sondern von Daniel, Manuel, Marcus oder Philipp eingeladen wurden.

Dabei lernte ich auch Sepp kennen und fragte ihn, ob es für ihn peinlich gewesen sei, dass Daniel ihn vor der ganzen Hochzeitsgesellschaft geoutet habe. Er antwortete: „Nein, von ihm bin ich so etwas gewöhnt, wir sind neun Jahre lang in derselben Klasse gewesen, nur mit dem Unterschied, dass wir beide nicht voneinander wussten, dass wir schwul sind. Ich habe Jahre später erfahren, dass er sich Manuel geangelt hat. Gefreut hat mich, dass mich die Beiden zu ihrer Hochzeit eingeladen haben. Ich bin mit meinem Partner hier, nur konnten wir uns bis jetzt noch nicht dazu durchringen zum Standesamt zu gehen. Irgendwie finde ich es sehr mutig von euch eine schwule Triple-Hochzeit zu feiern. Zumindest läuft das sehr öffentlichkeitswirksam ab, selbst in der Zeitung wurde bereits heute über die gleichzeitig vor dem Standesbeamten stattgefundene Eheschließung der drei schwulen Paare berichtet.“

Gegen einundzwanzig Uhr verließen die ersten Gäste die Party. Sie verabschiedeten sich von uns und bedankten sich für die unterhaltsame Feier von gleich drei Hochzeitspaaren. Barbara kam mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern zu uns und meinte: „Was war eigentlich mit euren Söhnen Tobias und David los? Ich habe gesehen, wie sie euch bei der Damenwahl rotzfrech zum Tanzen aufgefordert haben und am Ende ganz vorsichtig zu ihren Plätzen zurückgeschlichen sind. Was habt ihr während des Tanzes zu ihnen gesagt?“

Thomas schaute sie an und grinste dabei: „Während des Tanzens haben weder Peter noch ich etwas zu den Beiden gesagt. Ich hatte sie nur vorher gewarnt, dass wir sie nicht unter drei oder vier Tänzen von der Leine lassen würden, nachdem sie uns erklärten, dass die Aufforderung zum Tanzen als Revanche für unsere vorherige Aufforderung beim Walzer war. Dass nach dem zweiten Tanz, von der Band hintereinander die drei Stehblues gespielt wurden, nutzten wir wiederum, um den Beiden eine kleine Lektion zu erteilen. Das eng umschlungene Tanzen hat den Zweien wohl nicht so gutgetan. Ich habe bemerkt, dass bei Tobias in seiner Hose ein Aufstand ausgebrochen ist. Die beiden hatten wohl gehofft, dass wieder Ruhe einkehrt, wenn sie den dritten Schieber miteinander tanzen. Vermutlich war das wohl nicht der Fall, so dass sie deswegen auf ihre Plätze zurückgeschlichen sind. Ich gehe davon aus, dass sie ihre Lektion gelernt haben und sich zukünftig etwas mehr zurückhalten.“

Barbara und ihr Mann mussten nach unserer Erklärung laut lachen, bis Dieter sagte: „Das Problem kennen Barbara und ich auch noch aus unserer Jugendzeit. Bei mir ist das Problem auch einige Male aufgetreten, wenn wir in der Diskothek beim Tanzen waren. Frauen haben da einen gewissen Vorteil, bei ihnen sieht man nicht unbedingt sofort an, dass sie Lust auf ein Vergnügen zu zweit hätten.“

Ich merkte, Barbara wollte noch etwas dazu sagen; sie ließ es dann aber doch bleiben. Sie verabschiedeten sich und fuhren nach Hause. Keine zwei Minuten später standen unsere fünf Mitbewohner vor uns und erklärten, dass sie sich nach oben in die Wohnung zurückziehen, da Dennis und Vinzenz morgen früh wieder einen halben Tag im Gesindehaus arbeiten dürfen und deshalb bald im Bett verschwinden werden.

Die nächsten waren dann meine und Thomas’ Mutter, die sich ins Bett verabschiedeten. Martina und Christoph mit ihren beiden Kindern, im Grunde alle Familien mit kleineren Kindern, drängten langsam zum Aufbruch. Teilweise auch die, welche im Gesindehaus übernachteten.

Irgendwann setzte sich Martin, mein Schwager, zu Thomas und mir, und wir unterhielten uns anfangs noch über die Hochzeitsfeierlichkeiten. Kurz danach saßen auch Tims Eltern, Gabriele und Reinhard Bauer, mit am Tisch und bedankten sich für die Einladung zur Hochzeitsfeier. Immerhin hatten sie damit wieder einen Grund in den Süden zu kommen und konnten ihren Sohn Tim und seinen Freund Jonas besuchen.

Sie erzählten, dass sie bei den Jungs auch den neuen Mitbewohner aus Thüringen, Richie Ortler kennengelernt haben, der seine Ausbildung bei Manuel absolviert. Sie werden erst am Montag wieder nach Hannover zurückfahren und die nächsten beiden Tage mit den Jungs genießen.

Reinhard fragte mich so nebenbei, ob die Möglichkeit besteht, dass wir beide in den nächsten zwei Tagen, ein Gespräch unter vier Augen führen könnten. Ich fragte ihn, ob es okay sei, wenn ich mich bei ihm melde, wann wir das Gespräch führen können.

Die Musiker beendeten kurz vor dreiundzwanzig Uhr ihr Programm und fingen an, ihr Equipment abzubauen und einzupacken, was wiederum bei den Hochzeitsgästen dazu führte, dass auch sie sich verabschiedeten und nach Hause fuhren oder im Jugendhotel Gesindehaus sich zur Nachtruhe begaben. Zuletzt standen nur noch die drei Hochzeitspaare im Saal und der Rest von den Mitarbeitern, die dabei waren, die restlichen Gläser und die Dekoration von den Tischen zu räumen.

Sebastian und Alexandra stellten sich zu uns und fragten, ob wir mit der Feier und wie alles abgelaufen sei, zufrieden wären. Manuel erklärte dazu, dass es aus seiner Sicht nicht besser hätte ablaufen können. Wir sind mit allen geplanten Aktionen im vorgesehenen Zeitrahmen verblieben.

Dass die Familien mit Kindern fast alle gleichzeitig aufgebrochen sind, hat ihn zwar etwas gewundert, aber er konnte es immerhin verstehen. An mich gewandt meinte er: „Peter, dort hinten steht noch die Kiste mit den vielen Kuverts, die als Hochzeitsgeschenke für uns abgegeben wurden.

Könntet ihr, also Thomas und du die Kiste mitnehmen. Wir würden dann morgen zum Kaffee bei euch auftauchen und können anschließend gemeinsam auswerten, wieviel Spenden für die Stiftung zusammengekommen sind. Philipp, Marcus, ihr seid doch auch dabei, wenn wir Kassensturz für die Stiftung machen.“

Marcus grinste echt frech und erklärte: „Wenn wir bis dahin ausgeschlafen und wieder fit sind, kommen wir und helfen euch beim Zählen des Geldes. Ich will jetzt schnellstens ins Bett, das war heute ein verdammt langer und anstrengender Tag. Sebastian, wir können dir und deinem Team nur gratulieren, es war alles perfekt organisiert und mein Eindruck war, dass keiner lange auf seine Getränke oder sein Essen warten musste.

Im Gespräch mit verschiedenen Leuten, konnte ich heraushören, dass das nachmittägliche Spiel- und Unterhaltungsprogramm hervorragend angekommen ist. Vor allem die kurzen Spielszenen der schwulen Jugendgruppe, hat den einen oder anderen nachdenklich werden lassen.

Eine junge Mutter hat zu mir gesagt, sie kann nicht verstehen, wie Eltern ihrem eigenen Fleisch und Blut so etwas überhaupt antun können, vor allem in der heutigen Zeit. Sie meinte noch, am krassesten fand sie die Szene mit Christian, der von seinen Eltern in eine Klinik gesteckt wurde, um ihn von seiner Krankheit zu heilen. Sie redete sich dabei so in Rage, dass sie erklärte, solche Eltern gehörten wegen Kindesmisshandlung hinter Gittern.“

Ich schaute zu Thomas, der mir nur zunickte und Sebastian und Alexandra erklärte: „Auf deine Frage wie wir zufrieden sind mit dem heutigen Tag, kann ich dir nur mit einer typisch bayrischen Floskel antworten, ned gschimpft is globt gnua.“

Wir lachten über seinen Ausspruch, ich sollte vorsichtshalber für alle, die nicht so der bayrischen Sprache mächtig sind, seinen Satz ins Hochdeutsche übersetzen. Er bedeutet so viel wie, da es nichts zum Aussetzen oder Beanstanden gibt, muss das als Lob ausreichen.

Die Jungs und wir verabschiedeten uns von allen und dankten ihnen noch einmal für ihren herausragenden Einsatz bei unserer Hochzeitsfeier. Thomas schnappte sich die Kiste mit den Kuverts und gemeinsam mit Philipp und Marcus gingen wir nach oben in unsere Wohnungen. Manuel und Daniel gingen hinüber ins Verwalterhaus.

Eine kleine Überraschung gab es für Thomas und mich, als wir ins Wohnzimmer eintraten. Dort saßen David und Tobias, die uns erklärten, dass alle anderen bereits schlafen, sie aber noch auf uns gewartet hätten, da es noch Klärungsbedarf gäbe. Als sie das gesagt hatten schmunzelte ich, ich ahnte bereits, was die beiden noch mit uns besprechen wollten und meinte zu ihnen: „Ich kann mir schon vorstellen, woraus euer Klärungsbedarf besteht. Aus unserer Sicht gibt es nichts, was da noch zu klären wäre. Denkt noch einmal über die gesamte Situation nach, dann sollte euch schon in Licht aufgehen, warum wir euch mit dem Stehblues hereingelegt haben. Hättet ihr nicht vorher behauptet, dass ihr uns aus Rache bei der Damenwahl zum Tanzen aufgefordert habt, wäre es nie so weit gekommen. Thomas hat euch noch vorgewarnt, bevor wir mit euch auf die Tanzfläche gegangen sind. Dass ihr beim Stehblues geil geworden seid und dabei eine fast zeltartige Ausbuchtung in euren Hosen verursacht hat, dafür können wir nichts. Bei uns gab es keinerlei Anzeichen in diese Richtung.

Übrigens Barbara ist aufgefallen, dass ihr nach dieser Tanzrunde sehr eigenartig auf eure Plätze zurückgeschlichen seid. Als sie uns fragte, ob wir wüssten, wieso, haben wir ihr den Sachverhalt kurz erklärt. Ihr Mann meinte dann, dass er in seiner Jugend in der Diskothek auch des Öfteren mit diesem Problem auf der Tanzfläche zu kämpfen hatte.“

David schaute mich an und erklärte: „Genau das Thema wollten wir mit euch besprechen, aber nicht so, wie du dir das vielleicht denkst. Uns ist es absolut peinlich, dass wir in dieser Situation so reagiert haben. Vor allem, wenn du zurückdenkst, was ich euch vor einigen Wochen bei unserem ersten kennenlernen an den Kopf geworfen habe. Heute Abend waren wir zwei diejenigen, die wie kleine notgeile Teenager gewirkt haben, die darum betteln, endlich mit zwei älteren Herren ins Bett hüpfen zu dürfen. Wir wollten uns eigentlich bei euch dafür entschuldigen.“

Thomas fing zu lachen an und als er sich wieder beruhigt hatte meinte er: „Aus diesem Blickwinkel habe ich die Situation noch gar nicht betrachtet. Peter und ich wissen aus unserer eigenen Jugendzeit sehr wohl, dass bei dieser Art zu tanzen, genau diese Reaktion ausgelöst werden kann. Zumindest konntest du jetzt erleben, wie Peter sich möglicherweise gefühlt hat, nachdem du ihm vorgeworfen hattest, wir seien zwei alte Herren, die auf der Suche nach einem neuen Lustknaben wären. Ich kann dir versichern, einen Lustknaben hätten wir nie im Leben adoptiert!“

Ich ergänzte: „Tobi, Dave, ich bin nie auf die Idee gekommen, dass ihr wegen eurer körperlichen Reaktion zwei notgeile Jungs seid, die auf alte Herren stehen. Ich denke eher, bei eurem gemeinsamen Stehblues hat sich eure Lage nicht, wie von euch erhofft, verbessert, sondern eher noch verschlimmert, was mir nur zeigt, dass ihr Beide ineinander verknallt seid.“

Tobias schaute mich überrascht an und gestand: „Peter, du vermutest richtig, als wir beide so eng miteinander tanzten, in der Hoffnung, dass sich da etwas beruhigt, wurde das Chaos in unserem Körper nur verstärkt. Darum sind wir auch wie zwei begossene Pudel von der Tanzfläche zu unseren Plätzen geschlichen. Uns war die ganze Situation nur peinlich. Jeder hätte erkennen können, wie es um uns steht, und dass im wahrsten Sinne des Wortes.“

Ich meinte zu den Jungs: „Vergesst einfach was da passiert ist. Es ist eine natürliche Reaktion eures Körpers, der auf körperliche Nähe und die Reibung aneinander reagiert. Thomas und ich lieben euch als unsere Söhne. Das kann euch genauso bei uns im Bad passieren, wenn ihr oder einer von euch einen attraktiven männlichen Körper erblickt.

Damit meine ich nicht nur Thomas oder mich, dass gilt genauso für Felix und Dennis. Vielleicht hilft es, wenn ihr euch in dieser Situation einen hässlichen Männer- oder Frauenkörper vorstellt. Bei mir hat es in meiner Jugend zumindest meistens hingehauen, wenn ich mir eine alte Frau mit einem gewaltigen Hängebusen vorgestellt habe. Da ist mir die Lust auf mehr sehr schnell vergangen.“

„So für heute ist Schluss. Marsch ins Bett meine Herren. Morgen wird sicher noch einmal ein anstrengender und ereignisreicher Tag für uns alle werden“ sagte ich. Thomas und ich standen auf und gingen ins Schlafzimmer.

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