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Regenbogenfamilie

Teil 95 - Bürgermeister und Dauercamper

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Informationen

 

Kurz vor sechzehn Uhr dreißig saß ich mit Robert bereits in seinem Büro und wir warteten auf den Bürgermeister. Robert hatte gemeint, wir sollten uns am besten gleich in seine kleine Besprechungsgruppe setzen. Wir unterhielten uns über den bisherigen Verlauf der Projektbesichtigung und unsere Erkenntnisse daraus. Plötzlich klopfte es und als sich die Tür öffnete, betrat Beate mit dem Bürgermeister das Büro.

Robert stellte mir Herrn Korbinian Schaffelhuber als Bürgermeister vor. Er sagte zu ihm: „Korbi, kannst du mir erklären, warum du mich und Herrn Peter Maurer noch vor dem vereinbarten Treffen sprechen möchtest? Wir rätseln schon die ganze Zeit, was so wichtig sein kann.“

Er setzte sich und meinte: „Das ist etwas komplizierter zu erklären. Als du angerufen hast und mir erklärt hast, dass du beabsichtigt deinen Camping- und Ferienhauspark zu veräußern wurde mir bewusst, dass du verkaufen willst, ohne alle aktuellen Entwickelungen und Fakten rund um deine Grundstücke zu kennen. Wir planen östlich der Zufahrtsstraße zum Campingplatz ein neues Wohngebiet auszuweisen. Das hat vermutlich auch Auswirkungen auf den weiteren Betrieb deines Campingplatzes.

Ich bin der Meinung der neue Eigentümer sollte alle Fakten kennen, bevor er seine Kaufentscheidung trifft. Ich will als Bürgermeister später nicht haftbar dafür gemacht werden, sofern der Käufer den abgeschlossenen Kaufvertrag für ungültig erklärt. Deshalb der vorgezogene Gesprächstermin noch vor der Vorstellung unserer Planungen. Es wird weitreichende Auswirkungen, auch auf den Zufahrtsbereich zum Campingplatz geben durch die Verlegung der Straße.“

Ich erklärte: „Sie können mich mit meinem Vornamen anreden, ich bin Peter. Ich hoffe es stört sie nicht, wenn ich sie mit ihrem Spitznamen anrede. Korbi, dass was sie eben erklärt haben, kann wirklich gravierende Auswirkungen auf unsere Entscheidung haben, deswegen möchte ich gerne Herrn Bauer, den Vorsitzenden des Stiftungsrates bei diesem wichtigen Gespräch dabeihaben.“

Er meinte: „Kein Problem, ich wusste nicht, dass es zwei Entscheidungsträger bei der Gruppe des Interessenten gibt, sonst hätte ich Robert gleich gesagt, er soll euch beide dazu einladen.“

Ich rief Gerhard an und bat ihn sofort ins Büro von Robert zu kommen, da es wichtige Neuerungen gibt, die Einfluss auf unsere Kaufentscheidung haben können. Er meinte, er sei zwar noch im Ferienhaus, aber in ein paar Minuten könne er bei uns im Büro sein. Ich erklärte den beiden, dass Gerhard in wenigen Minuten hier sein wird und wir zwischenzeitlich über andere Dinge sprechen können.

Gut fünf Minuten später stand Gerhard im Büro und ich meinte er soll sich vorsichtshalber setzen, bevor wir ihm die Neuigkeiten unterbreiten würden. Er setzte sich und meinte: „Na dann erzählt mir jetzt erst einmal eure Neuigkeiten.“

Korbinian erklärte: „Zuerst das Wichtigste, ich bin Korbinian Schaffelhuber, aber alle nennen mich nur Korbi. Ich habe Peter und Robert von den Plänen der Gemeinde erzählt, dass ein neues Wohngebiet östlich des Campingplatzes errichtet wird. Die Planungen dazu sind bereits sehr weit fortgeschritten. So soll unter anderem die Straße ausgebaut und die Zufahrt zum Campinggelände verlegt werden. So weit sind wir vorher gekommen, bevor Peter dich zum Gespräch hinzu gebeten hat.

Entlang der Straße soll als Abschirmung zu den dahinterliegenden Doppelhaushälften und Reihenhäusern ein langgestreckter Bau entstehen, der kleinere Läden für den täglichen Bedarf und ein Restaurant beinhalten soll. Detaillierte Pläne gibt es bisher noch nicht, sondern nur einen groben Plan, wie die Siedlung später aussehen soll. Geplant ist, dass der Ausbau der Siedlung in den nächsten zwei bis vier Jahren erfolgen soll.

Ich wollte, dass sie informiert sind, bevor sie sich zum Kauf der Anlage entscheiden. Ich habe vorher bereits erklärt, dass sie unter Umständen ein Rücktrittsrecht haben, wenn sie nichts von den Plänen der Gemeinde im Vorfeld erfahren.

Gerhard erklärte: „Im Prinzip sollte es uns eigentlich egal sein, was die Gemeinde plant, wir haben unsere eigenen Pläne. Wir wollen auf einem kleinen Teil des Campinggeländes ein weiteres Jugend- und Seminarhotel errichten, für benachteiligte Kinder und Jugendliche, so wie es bereits eins im Gutshof bei Rosenheim und in Südtirol gibt. Dazu kommt ein weiteres älteres Hotel an der Ostsee, dass in den nächsten eineinhalb Jahren ebenfalls entsprechend umgebaut werden soll. Außerhalb der Ferienzeiten werden diese Hotels als Schullandheim oder für Seminare verwendet.

Zusätzlich war angedacht, einen weiteren Zeltlagerplatz einzurichten, der während der Hauptferienzeit von Ende Juni bis Mitte September genutzt wird. Das war unsere Intention, warum wir mit ihnen das Gespräch gesucht haben. Die Idee mit dem Jugendzeltlager stammt von Robert, der uns aus diesem Grund das Gelände zum Kauf angeboten hat.“

Ich meinte: „Jetzt haben beide Seiten offengelegt, was sie für die Zukunft planen, wir sollten doch einen Weg finden, gemeinsam eine für beide Seiten tragbare Lösung zu finden. Korbi, mit deinem Projekt dort Läden und ein Restaurant zu planen, hättest du Robert einen ernsthaften Konkurrenten vor die Nase gesetzt. Immerhin ist mir bekannt, dass das bestehende Restaurant am Campingplatz einen guten Ruf hat und mit exzellenter Küche aufwarten kann. Das hätte mit Sicherheit langfristig zu größeren Problemen führen können.

Ich habe eine Idee im Kopf, wie wir das Ganze vielleicht anders lösen können. Dazu sollte ich aber eure Pläne vorher kennen, um mir ein genaueres Bild zu machen. Ich hoffe, dass deine Mitstreiter entsprechende Unterlagen dabeihaben, wenn sie nachher zur gemeinsamen Besprechung hier auftauchen.“

Korbi sagte: „Einen Plan in Format DIN A3 habe ich in meinen mitgebrachten Unterlagen, die großen Pläne bringt das Architekturbüro später mit. Robert, ich muss gestehen, dass ich dein vorhandenes Restaurant dabei völlig aus dem Blick verloren habe.“

Er zog den Plan aus seiner Mappe und breitete ihn vor uns aus. Ich schaute mir die Planung sehr genau an und mir fiel auf, dass es so einige Ungereimtheiten gibt. Deshalb fragte ich ihn: „Korbi, ich sehe zwar jede Menge Straßen und Häuser. Gibt es auch ein Konzept, wie das Gelände energietechnisch und mit Rücksicht auf die Umwelt versorgt werden soll?

Ich würde ein Blockheizkraftwerk einplanen, dass alle Gebäude mit umweltfreundlicher Fernwärme und Strom versorgt. Bei Siedlungen in dieser Größenordnung bietet sich das auf alle Fälle an. Im Sommer kann, allein mit Photovoltaik, das Warmwasser erzeugt werden. Bei unserer Anreise habe ich eine Biogasanlage nicht allzu weit entfernt gesehen, die in dieses System eingebunden werden könnte. Ich gehe davon aus, dass die Abwärme bei der Stromerzeugung dort bisher nicht dafür verwendet wird.“

Korbinian schaute mich an und meinte: „Über solche Dinge haben wir bisher überhaupt nicht nachgedacht. Aber, Peter, woher kennst du dich so gut aus mit der Planung von größeren Wohneinheiten oder kompletten Neubaugebieten?“

Gerhard lachte und meinte: „Der Gutshof ist zurzeit ein gutes Umfeld für solche Erkenntnisse, dort entstehen derzeit über einhundert neue Wohnungen, ein Teil davon im sozialen Wohnungsbau oder als Kleinwohnungen für Jugendliche in Ausbildung. Vor wenigen Wochen ist das neue Domizil für die IT fertiggestellt worden. Neu ist in der Planung, einen Kindergarten mit vier oder fünf Gruppen zu errichten, sowie eine Hortgruppe für Schulkinder.

Im Bau ist auch ein Blockheizkraftwerk, mit dem die Wohngebäude geheizt werden sollen. Peter hat mir vor kurzem erzählt, dass im Moment die Planungen laufen, alle Gebäude, die bisher mit Öl-Zentral-Heizungen beheizt werden in naher Zukunft ebenfalls an das Blockheizkraftwerk anzuschließen. Technisch gesehen wird dazu Erdwärme verwendet, um die Gebäude zu beheizen und Warmwasser produzieren. Zusätzlich werden weitere Photovoltaikanlagen auf den neuen Wohngebäuden installiert."

Korbinian staunte, als Gerhard so einiges erzählte, was derzeit allein am Gutshof in Planung oder im Bau ist. Er fragte mich, ob ich mir vorstellen könne, hier ähnliche Projekte mit Unterstützung durch die Gemeinde zu verwirklichen.

Ich grinste und erklärte: „Vorstellen kann ich mir vieles, aber meistens sind von meiner Seite Bedingungen daran geknüpft. Ich nehme als Beispiel den Kindergarten, der soll als integrativer Kindergarten ausgerichtet sein. Bei Wohnungen steht bei mir immer im Vordergrund, auch Sozialwohnungen für einkommensschwächere Familien zu errichten. Am Gutshof lege ich auch Wert darauf, günstigen Wohnraum für meine Mitarbeiter zu schaffen, was ich mir auch hier vorstellen kann.

Wir haben im Dachgeschoss des Gesindehauses und im Dachgeschoss der IT bereits Wohnungen und Appartements für Mitarbeiter geschaffen. Drei meiner Mitreisenden, noch junge Mitarbeiter, werden demnächst im Gebäude der IT, beziehungsweise über den Büros des Handwerksbetriebs in Mitarbeiterwohnungen einziehen, beziehungsweise umziehen können.

Etwas, was dir Gerhard nicht detailliert erzählt hat, wir bauen derzeit am Gutshof rund sechzig Kleinwohnungen für minderjährige Auszubildende, die von unseren Sozialarbeitern mitbetreut werden in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt. Ein weiteres Wohnheim ist in der Planung in Tirol und in einem Nachbarlandkreis. Ein Teil der Kleinwohnungen und Appartements in Rosenheim ist für etwa ein Jahr reserviert für die Auszubildenden des Ostseehotel. Sie werden, während der Umbauarbeiten des Hotels, ihre Ausbildung in Rosenheim fortsetzen und dann wieder an die Ostsee zurückkehren.“

Korbinian schaute mich an und meinte: „Kommt da noch mehr soziales Engagement, ich kann es nicht glauben, was du mit deiner Stiftung auf die Beine stellst.“

Robert meinte: „Das war für mich mit ein Grund, warum ich ihm die Übernahme des Campingplatzes angeboten habe. Er hat bei seinem Jugendzeltlagerprojekt im letzten Sommer am Gutshof, benachteiligte Kinder aus Spanien und Deutschland zu Gast, sowie Jugendgruppen vom THW und dem Roten Kreuz. Dazu Kinder aus Kinderheimen in Hessen und Thüringen und eine Gruppe Kinder und Jugendlichen eines Münchner Sportvereins. Was mich besonders fasziniert hat sind die Kommentare der Kids, die sie auf der Webseite hinterlassen haben.“

Ich meinte, wir sollten uns wieder auf den Termin, der uns bevorsteht, konzentrieren. Die Herrschaften werden in Kürze hier eintreffen. Sollten Gerhard und ich uns durch deine Ankündigung nicht abschrecken lassen, werden wir noch einige Gespräche führen müssen, wie und welche Projekte von unserer Seite in deiner Gemeinde mit unserer Unterstützung verwirklicht werden können.“

Ich meinte: „Korbinian, erschrick nicht, wenn ich nachher die Planung deines Architekten in der Luft zerreiße. Was ich bisher gesehen habe, ist eine 08/15-Planung, die nur auf Profit ausgerichtet ist, aber soziale Komponenten so gut wie gar nicht berücksichtigt. Falls der Architekt anschließend das Handtuch werfen sollte, keine Panik. Ich arbeite in Rosenheim mit einem jungen Architektenpaar und seinem hervorragenden Team zusammen, das meine Vorstellung perfekt in den geplanten Projekten mit uns umsetzt. Sie arbeiten bei auswärtigen Projekten mit örtlichen Architekten zusammen, die die Planung vor Ort umsetzen.“

Korbinian sagte: „Peter, nachdem was ich bis jetzt von dir kennenlernen konnte, würde mich nichts mehr verwundern. Deine Anregungen, die du mir bisher gegeben hast, zeigen mir, dass du deine Aufgabe nicht darin siehst, möglichst viel Geld für dich zu scheffeln, sondern du immer die Menschen siehst, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Du engagierst dich zur Zeit vor allem für die Schwächsten in unserer Gesellschaft, die Kinder und Jugendlichen.“

Roberts Smartphone klingelte und er sprach mit seiner Frau, die ihm mitteilte, dass die Herren für den Termin hier wären. Er meinte, sie solle sie bereits ins Nebenzimmer begleiten, wir wären in wenigen Minuten bei ihnen.

Ich meinte zu Korbinian: Ich habe deine Anspielung verstanden, dass ich in Zukunft mein Augenmerk auch auf eine andere Zielgruppe richten sollte, die inzwischen auch etwas in die Schlagzeilen geraten ist, weil sie teilweise ziemlich vernachlässigt wird. Wenn ich einen Sponsor finde, der mit mir die Stiftung gründen will, bin ich sofort mit dabei. Ich denke, Gerhard wird mich sicher beratend unterstützen, wenn eine neue Stiftung für ältere Menschen auf die Beine gestellt wird.“

Wir standen auf und verließen Roberts Büro und gingen durchs Restaurant ins Nebenzimmer. Korbinian stellte uns zuerst die beiden Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung vor, die zum Termin erschienen sind, Beatrix Vollmeier und Hubert Sandmeier. Danach den Architekten und seinen Mitarbeiter. Ich hatte schon gesehen, dass der Architekt inzwischen den Plan, den ich bereits kannte, im Format A0 an der Wand aufgehängt hatte.

Wir setzten uns an einen Tisch und Robert erklärte: „Ich war geschockt, als Korbinian mir von den Plänen der Gemeinde berichtet hat, dass östlich der Zufahrtsstraße zum Campingplatz ein riesiges Neubaugebiet geplant wird. Ich wollte unser Gelände an die Stiftung Sonneneck verkaufen, als deren Vertreter Peter und Gerhard hier sitzen, damit dort auf den freien Flächen in Richtung See in den Sommermonaten ein Jugendzeltlager errichtet werden kann.

Glücklicherweise hat er bisher sein Desinteresse an der Immobilie noch nicht ausgesprochen. Peter hat aber darauf hingewiesen, dass der Wert der Gesellschaft massiv eingeschränkt wird, wenn an der Straße ein Einkaufszentrum mit kleinen Läden und Restaurant errichtet wird. Die Aussage kann ich nur bestätigen, sowohl der Laden für die Camper als auch das Restaurant werden keinen oder zumindest erheblich weniger Umsatz erwirtschaften.

Er hat weiter ausgeführt, dass, aus seiner Sicht, die kleinen Läden sehr schnell wieder aufgeben werden, da dem Einkaufszentrum ein Supermarkt oder ein Discounter als Magnet fehlen würde und die Leute ihre Wocheneinkäufe, wie bisher bei den Discountern erledigen und damit nach einiger Zeit der Laden im Campingplatz wieder attraktiver wird.

Beim Restaurant war er sich nicht sicher, wie es sich dort verhalten wird, denn er würde das Restaurant am Campingplatz in der Qualität steigern und damit zu einem ernsthaften Konkurrenten eurer Planung werden. Korbinian hat sich seine Ausführungen genau angehört und ist sich jetzt nicht mehr sicher, ob die Planung wirklich so optimal sei.“

Der Architekt wollte schon zu einem Vortrag ansetzen, als Korbinian ihn stoppte und erklärte: „Ich denke, Peter liegt richtig mit seinen Ausführungen. Einen weiteren Discounter in unserem Gemeindegebiet wird es nicht geben, denn die beiden vorhandenen Unternehmen reichen für den Bedarf bei weitem aus.

Er hat davon gesprochen, dass er eine Idee habe, wie wir das ändern könnten, und gleichzeitig seine weiteren Pläne verwirklicht werden können. Ich denke, wir sollten uns erst einmal seine Vorstellungen anhören, bevor wir darüber diskutieren. Leider hat er uns seine Idee bisher nicht vorgestellt. Er wollte erst im Gespräch mit dem Architekten seine Vorstellungen offenlegen. Peter, du kannst jetzt loslegen.“

Ich fand es grandios, dass beide sich zurückgehalten hatten und keinen von meinen kritischen Punkten angesprochen haben. So erklärte ich: „Ich habe mir den Plan, den Korbinian bei sich hatte, sehr genau angesehen. Ich vermute, dass der langgezogene Bau dazu gedacht ist, den Lärm der Durchgangsstraße zur neuen Einfahrt des Campingplatzes und zur Erschließung des südlichen Teils des Geländes von den Wohnhäusern abzuschirmen.

Eine Verbreiterung der Straße ist meines Erachtens nicht notwendig, wenn man die Einfahrt zum Campingplatz an die Nordseite des Geländes verlegt. Ich wäre bereit, den langen Klotz direkt auf dem Gelände des Campingplatzes zu errichten. Das Empfangsgebäude, die sanitären Einrichtungen, einen Minimarkt und das Restaurant, würden ich im nördlichen Teil des langen Gebäudes unterbringen.

Auf dem Gelände des Campingplatzes wird in Höhe des neuen Restaurants ein Biergarten eingerichtet, der sowohl von den Gästen des Campingplatzes, den Gästen des Jugendhotels und auch von den Anwohnern der Siedlung genutzt werden kann.

Im südlicheren Teil des langen Gebäudes kommt eine Küche, die sowohl das Restaurant als auch den Speisesaal des Jugend- und Seminarhotels versorgen würde und die Lobby unterbringen. Am Nordende würde ich in der ersten und zweiten Etage die Verwaltung des Campingplatzes und weitere Büros unterbringen. Am Südende sollen die Gästezimmer des Jugendhotels entstehen, auf zwei Etagen mit vierzig bis sechzig Gästezimmern.

Für die entfallenden Stellplätze der Dauercamper will ich einen Teil neu schaffen auf bisher nicht genutzten Flächen. Der Rest wird nach Abschluss der Bauarbeiten dort erstellt, wo derzeit das Empfangsgebäude, der Laden, die sanitären Einrichtungen und das Restaurant stehen. Wenn möglich würde ich das komplette Gebäude mit einer Tiefgarage ausstatten, mit Stellplätzen für die Mitarbeiter des Jugendhotels, der Büros und die Gäste des Restaurants.

Ich habe mir ihren Plan auch nach anderen Kriterien angesehen und da ist mir so einiges aufgefallen, was mein Architektenteam mir nicht vorlegen dürfte. Mir fehlt in der Planung einer neuen Siedlung in dieser Größenordnung ein Spiel- und Bolzplatz. Bei mehr als hundert Wohneinheiten kann man vom mindestens zweihundert Kindern und Jugendlichen ausgehen.

Ein weiterer Kritikpunkt von meiner Seite ist die Energieversorgung der Anwohner. Warum haben sie dem Bürgermeister nicht vorgeschlagen die Siedlung über Fernwärme zu versorgen, so ersparen sie der Siedlung rund zweihundert Lieferfahrten jährlich für Heizöl. In der Nähe der neuen Siedlung gibt es eine Biogasanlage, die in Verbindung mit einem Blockheizkraftwerk die nötige Wärme liefern kann. Ich werde auf alle Fälle versuchen, meine Gebäude mit Fernwärme zu versorgen.

Eine weitere Frage, die ich mir stelle und die nur sie mir beantworten können: Hat die Gemeinde so viele Kindergartenplätze, dass alle Kinder, die Anspruch auf einen Kindergartenplatz haben, auch unterkommen? Ich könnte ihnen noch einige Fragen stellen, aber ich stelle die für mich entscheidende Frage: Ist es möglich, dass der Lärmschutzwall in Form eines langgezogenen Baukörpers auch auf der anderen Seite der Straße stehen kann, anders genutzt wird als von ihnen geplant, und die Einfahrt zum Campingplatz im nördlichen Bereich angesiedelt ist?“

Die drei Personen von der Gemeinde und Robert schauten den Architekten und seinen Mitarbeiter an. Gerhard, der sich mir zugewandt hatte, grinste und sein Daumen zeigte nach oben. Irgendwann erklärte der Architekt, dass er sich das langgezogenen Gebäude nicht auf der anderen Straßenseite vorstellen kann.

Korbinian fragte ihn, warum er sich das nicht vorstellen kann. Wieder dauerte es, bis der Architekt vor sich hin stotterte: „Weil, weil, weil, weil“

Ich hatte genug gehört und sagte: „Weil dann der Profit für den Bauunternehmer und sie nicht mehr gegeben ist, den er sich mit ihrer Hilfe versprochen hat! Ich denke, sie sollten Herrn Schaffelhuber gegenüber endlich erklären, warum sie sich vor den Karren eines Bauunternehmers spannen lassen und die Gemeinde soll dafür die Kosten und das gesamte Risiko tragen.“

Ich hatte ihn genau beobachtet, als ich ihm meine Behauptung an den Kopf geworfen habe und konnte erkennen, dass ich damit ins Schwarze getroffen hatte. Wenn Blicke töten könnten, müsste ich jetzt eigentlich auf der Stelle tot umfallen. Ich tat ihm den Gefallen jedoch nicht und legte nach: „Ich spüre, dass ich mit meiner Vermutung ins Schwarze getroffen habe. Wollen sie nicht endlich mit uns reden und uns die Beweggründe für ihr Handeln näherbringen? Wollen sie von der Gemeindeverwaltung wegen Bestechlichkeit angezeigt werden? Ich bin mir sicher, dass wird sich nicht unbedingt positiv auf ihre weiteren Geschäfte auswirken.“

Korbinian schaute ihn an und sagte: „Dieter, ist das wahr, was dir von Herrn Maurer vorgeworfen wird? Dein bisheriges Verhalten lässt mich darauf schließen, dass er mit seinen Vermutungen nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt ist. Entweder du sagst uns jetzt die Wahrheit oder du legst dein Mandat für diesen Auftrag der Gemeinde mit sofortiger Wirkung nieder.“

Der Architekt setzte sich auf einen der nahestehenden Stuhl, sank in sich zusammen und nuschelte: „Herr Maurer liegt mit seiner Vermutung sehr nahe an der Wahrheit, ich sollte besser den Auftrag an die Gemeinde zurückgeben, was aber meine finanziellen Probleme nicht lösen wird.“

Korbinian fragte nach: „Dieter, ist das jetzt ein Eingeständnis, dass du bestechlich bist? Peter hat, bevor wir zu euch gekommen sind, schon gesagt, dass deine ganze Planung nach Profitgier aussieht. Ich weiß nicht, warum er das sagte, aber scheinbar hatte er richtig gelegen mit dieser Aussage.“

Dieter schaute mich an und fragte, wie ich auf die Idee gekommen bin, dass hier etwas nicht stimmt. Ich antwortete: „Wir verwalten Immobilien im Wert von mehr als einer halben Milliarde Euro. Mit der Zeit bekommst du ein Gespür dafür, wenn dir Angebote oder Planungen vorgelegt werden, bei denen dir etwas komisch vorkommt. Entweder wird versucht dich finanziell über den Tisch zu ziehen oder du siehst den Plänen schon an, dass hier lieblos geplant wurde.

Bei deinem Plan war der geplante Lärmschutzriegel für mich ein erstes Alarmzeichen, gefolgt von der gleichförmigen Planung der Häuser und Straßen. Ein fehlender Spiel- und Bolzplatz ist ein weiteres Indiz, dass es hier nur um Profit geht. Eine gute Planung machen auch Gemeinschaftsflächen aus, die bei deinem Plan ebenfalls fehlen. Wenn ich planen lasse, sind immer auch Mietwohnungen als Sozialwohnungen mit von der Partie.“

Korbinian erklärte: „Dieter, was können wir machen, dass du einen vernünftigen Plan entwirfst, indem du Peters Überlegungen, aber auch seine Pläne am Campingplatz mitberücksichtigst, ohne Rücksicht auf irgendeinen Baulöwen zu nehmen. Du sprichst von finanziellen Problemen. Können wir dich da unterstützen oder irgendwie anderweitig behilflich sein?“

Dieter antwortete: „Korbinian, mir ist inzwischen bewusst, dass ich einen Riesenfehler gemacht habe, als ich mich auf das Angebot des Bauunternehmers eingelassen habe. Ich habe keine andere Wahl, als den Auftrag zurückzugeben, selbst wenn es mich das Architekturbüro kosten sollte. Wenn ich jetzt nach euren Wünschen neu plane, wird mir der Bauunternehmer sofort erklären, dass damit unsere Vereinbarung hinfällig ist. Damit könnte ich leben, aber mein finanzieller Engpass bleibt trotzdem bestehen.

Lieber erkläre ich ihm, dass vom neuen Eigentümer des Campingplatzes und der Gemeinde gefordert wurde, die Planung sozial- und umweltverträglicher zu gestalten und ich deshalb den Auftrag, wegen unserer Vereinbarung, an die Gemeinde zurückgegeben habe. Die Gemeinde wird sich einen neuen Architekten suchen und die Planung beginnt wieder bei null.

Ich grinste und meinte: „Es gibt andere Möglichkeiten, wenn du dich entschließen solltest mit mir und der Gemeinde eng zusammenzuarbeiten. Das bedeutet, dass du uns gegenüber alles offenlegst und deinem bisherigen Partnern erklärst, dass der neue Eigentümer des Campingplatzes den Plan durchschaut hat, und deswegen eine andere Planung, auch im Sinne der Gemeinde und der Öffentlichkeit, gefordert hat.

Du kannst ihm auch erklären, wer der neue Eigentümer ist. Ich denke, wenn er verstanden hat, dass dort die Stiftung Sonneneck dahintersteckt, hat sich jede weitere Diskussion mit ihm erledigt. Vielleicht solltest du ihm vorher erklären, wenn er sich ruhig verhält, wird es für ihn keine weiteren Folgen haben, mit einer Ausnahme, dass er für die Errichtung der Gebäude und Häuser keine Ausschreibung erhalten wird. Das gleiche gilt auch für das Tiefbauunternehmen, mit dem er zusammenarbeitet.“

Korbinian schauten mich verwirrt an, während Dieter einen entsetzten Blick zeigte. Deshalb setzte ich nach: „Dieter, dein Gesicht sagt mir, dass ich mit meiner neuen Vermutung ins Schwarze getroffen habe.

Korbinian, Dieter, ich werde euch jetzt meine Version des Deals vorstellen. Der Bauunternehmer wird mit Hilfe von Dieter versuchen, der Gemeinde das vollständige Grundstück zu einem günstigen Preis abzukaufen. Er verspricht, dass er die gesamte Erschließung des Baugeländes übernimmt und den Käufern der Reihenhäuser oder Doppelhaushälften mit dem Verkauf des Grundstück in Rechnung stellt. Damit verdient er am Grundstück und bei den Erschließungskosten, für die er seinem Partner bereits einen höheren Preis zugestanden hat.

Gleichzeitig schließt er mit den Käufern einen Bauvertrag für das zu errichtende Gebäude. Dafür wird ein zusätzlicher Beitrag als Anteil für den Architekten eingerechnet, denn der soll seine Leistung so abrechnen, wie sie für ein Einfamilienhaus üblich ist. Einen Teil davon gibt er an Dieter weiter, der Rest landet in seiner Tasche. Dieter verdient damit mehr, als wenn er für den Bauunternehmer die Gesamtplanung erstellt und nach Gebührenordnung abrechnet.“

Korbinian schaute mich entsetzt an und als Dieter auch noch bestätigte, dass das genau der Plan des Bauunternehmers gewesen wäre, sagte Korbi: „Unter diesen Umständen bin ich fast gezwungen, deinen Rücktrittsgesuch anzunehmen und Strafanzeige gegen alle Beteiligten zu stellen. Ich hätte dir nie so etwas zugetraut.“

Ich schaute auf die Uhr und meinte: „Wir sollten so langsam zum Ende kommen. Ich will noch in Ruhe zu Abend essen, bevor wir uns in die Versammlung mit den Dauercampern stürzen. Dieter, du kannst dir aus meiner Sicht noch bis morgen Mittag überlegen, ob du alles offenlegen und mit uns zusammenarbeiten willst oder Korbinians Rücktrittsangebot annimmst und Korbinian eine Strafanzeige gegen dich und unbekannt stellen soll.“

Korbinian schaute mich an und sagte: „Okay, Peter, geben wir Dieter noch die Zeit bis morgen Mittag. Wobei ich davon ausgehe, dass sich bei ihm nichts ändern wird. Damit schließe ich unser Zusammentreffen. Gerhard, Korbinian und seine beiden Mitarbeiter vom Bauamt gingen mit mir ins Restaurant, wo wir uns an einen ruhigen, etwas abseits gelegenen Tisch setzten.

Hubert Sandmeier meinte: „Ich habe der ganze Vorstellung schweigend beigewohnt. Genau genommen bin ich immer noch geplättet davon, mit welcher Dreistigkeit Dieter uns über den Tisch ziehen wollte. Was ich aber immer noch nicht auf die Reihe bringe, ist das Faktum, dass Herr Maurer in der Lage war, exakt die Deals zu definieren, die sich die drei Parteien da ausgemalt hatten.

Fest steht jedenfalls, dass er die Gemeinde vor einem gewaltigen Skandal bewahrt hat, wäre das eines Tages an die Öffentlichkeit gelangt. Korbinian, wie geht es jetzt weiter, fangen wir wirklich wieder bei Null an?“

Ich antwortete: „Manchmal ist es vielleicht besser bei Null anzufangen. Dazu habe ich einige Fragen oder auch Anregungen. Gibt es bei euch so etwas ähnliches wie ein Einheimischen-Modell, bei dem lange im Ort lebende Grundstücksbewerber die Grundstücke vergünstigt erwerben können? Werden im Ort Wohnungen gebraucht für einkommensschwächere Familien?

Besteht Bedarf an Kleinwohnungen für junge oder auch ältere Menschen? Reichen eure Kindergarten oder Kinderkrippenplätze für die Neuzuzüge aus oder muss erweitert werden? Wie steht die Gemeinde zu meiner Anregung hinsichtlich einer Fernwärmeversorgung und Stromautarkie für diese Siedlung oder für das ganze Gemeindegebiet? Sicher gibt es noch mehr Fragen, die man sich stellen sollte, bevor der erste Spatenstich erfolgt.“

Korbinian antwortete: „Peter, mit deinen Fragen und Anregungen, setzt du gerade einen Prozess in Bewegung, der von unserem Architekten schon vor Monaten hätte angestoßen werden müssen. Du siehst das richtig. Wir fangen besser noch einmal bei Null an. Beatrix und Hubert, wir sollten uns umgehend mit der Thematik beschäftigen und Dieter, wenn er sich denn für die richtige Seite entscheidet, entsprechende Vorgaben machen.

Aus der heutigen Sicht wäre es wohl besser gewesen, wir hätten uns gegen den Vorschlag des Landratsamts entschieden ein Baugebiet in dieser Größenordnung auszuweisen, dann bräuchten wir uns jetzt nicht mit all dem Beschäftigen.“

Ich unterbrach ihn und sagte: „Die Ausweisung eines Neubaugebietes ist nicht von euch ausgegangen? Ihr wurdet vom Landratsamt aufgefordert ein Wohngebiet in dieser Größenordnung auszuweisen. Kannst du mir sagen, warum sie euch aufgefordert haben. Da muss es doch einen Grund dafür geben.“

Korbinian schaute mich unsicher an, sein Bauamtsleiter Huber meinte: „Es gibt ein Gerücht, dass im Gewerbegebiet Kaufbeuren eine größeres Unternehmen aus dem Raum München angesiedelt werden soll. Das Gerücht ist aufgekommen, kurz nachdem der Kreis uns aufgefordert hat, ein Baugebiet in dieser Größenordnung auszuweisen. Vielleicht könnte das der Grund sein.“

Ich fragte nach: „Gibt es eine Terminvorgabe, bis wann das Wohngebiet bezugsfertig sein soll, und wann will das Unternehmen nach Kaufbeuren umziehen?“

Korbinian grinste und sagte: „Peter, deine Schlussfolgerungen und deine Kombinationsgabe ist bemerkenswert, die Gerüchte sprechen davon, dass der Firmenneubau in zwei bis drei Jahren fertig werden soll. Unsere Baugebiet soll bis Mitte des Jahres fertig geplant sein, dass noch in diesem Jahr die Erschließung durchgeführt kann.

Der Verkauf der Grundstücke sollte im November starten und der Baubeginn für die Gebäude ab März möglich sein. Damit wären die ersten Häuser Ende nächsten Jahres bezugsfertig, was mit der Fertigstellung des Firmenneubaus korrespondieren würde.“

Ich meinte: „Wir sollten uns überlegen, was wir den Campern erzählen. Ich denke sie haben ein Recht darauf zu erfahren, dass östlich des Campingplatzes ein größeres Neubaugebiet geplant ist, bei dem in knapp zwei Jahren die ersten Familien einziehen. Von meiner Seite werde ich ansprechen, was wir entlang der Straße planen, sofern von Seiten der Gemeinde keine grundsätzlichen Einwände gegen meine Pläne bestehen.

Ich habe noch einen Vorschlag, entlang der Straße einige Mehrfamilienhäuser zu erstellen, Erdgeschoss plus zwei Obergeschosse, mit Mietwohnungen, teilweise im sozialen Wohnungsbau. Eines der Häuser für ältere Menschen. Unter den Häusern ebenfalls eine Tiefgarage, für die Anwohner. Das wäre aber euer Part, das anzusprechen.“

Inzwischen tauchte meine Projektgruppe auf und ich stellte ihnen den Bürgermeister und die Mitarbeiter des Bauamts vor. Diesmal drehte ich den Spieß um und alle sollten sich kurz selbst vorstellen. Noah meinte später zu mir, dass wohl alle etwas überrascht waren, als sie sich selbst vorstellen sollten und er sogar kurz nervös wurde. Robert näherte sich und er meinte, wir sollten zum Essen wieder ins Nebenzimmer gehen, weil wir dort nicht durch eintreffende Dauercamper gestört werden. Es reicht, wenn wir kurz vorher wieder hier sind.

Wir gingen gemeinsam ins Nebenzimmer und bestellten die Getränke und das Essen. Kurz vor neunzehnuhrdreißig ging ich mit Gerhard, dem Bürgermeister Korbinian Schaffelhuber und den beiden Mitarbeitern des Bauamtes Beatrix Vollmeier und Hubert Sandmeier in die Gaststube. So nach und nach trudelte meine Projektgruppe ein und meine Mitarbeiter, auch die Zukünftigen, setzten sich zu mir und dem Team der Gemeindeverwaltung an den Tisch.

Kurz nach neunzehnuhrdreißig eröffnete ich die Veranstaltung und stellte alle bei mir am Tisch sitzenden Personen vor. Anschließend sagte ich: „Ich freue mich, dass sie so zahlreich meiner Einladung, die ihnen Herr Oberndörfler übermittelt hat, gefolgt sind. Das zeigt mir, dass sie daran interessiert sind zu erfahren, wie es mit dem Camping- und Ferienhauspark weitergeht.

Bevor ich jedoch mit meinem Vortrag beginne, will ich dem Bürgermeister bitten, euch zu erklären, was die Gemeinde auf dem Gelände östlich des Campingplatzes geplant hat, da es gravierende Auswirkungen auf die Planung der Stiftung Sonneneck hat.“

Korbinian erklärte: „Ich begrüße sie im Namen der Gemeinde und bedanke mich bei Herrn Maurer, dass er mir heute die Gelegenheit gibt, ihnen einen Überblick über die Pläne der Gemeinde auf dem Grundstück östlich des Campingplatzes zu geben. Wir wurden vom Landkreis vor einigen Monaten aufgefordert, im Gemeindegebiet ein neues Baugebiet auszuweisen, in dem mindestens zweihundert bis zweihundertfünfzig Familien Platz finden sollten.

Inzwischen liegt auch ein erster Entwurf des beauftragten Architekten vor, den ich ihnen jedoch nicht zeigen werde, da er in dieser Form nicht verwirklicht werden kann. Wir sind vorher mit dem Architekten zusammengesessen und haben den Herren Maurer und Bauer die Planung vorgestellt.

Herr Maurer war so freundlich und hat uns auf einige gravierende Mängel im Plan des Architekten hingewiesen, wie fehlende Kinderspielplätze oder Gemeinschaftsflächen und die Unsinnigkeit eines kleinen Einkaufszentrums. Er hat deutlich ausgedrückt, dass das Einkaufszentrum so nicht überleben kann, wenn kein Discounter angesiedelt wird, was von unserer Seite auch nie vorgesehen war. Er begründete das mit dem Einkaufsverhalten der Kunden.

Zusätzlich hat er angeregt, das Konzept für die Beheizung der einzelnen Gebäude zu überdenken und auf umweltfreundlichere Fernwärme umzustellen, die vollständig aus der nahen Biogasanlage in Verbindung mit einem Blockheizkraftwerk und oder der Nutzung von Erdwärme dargestellt werden kann.

Er erreicht mit seinen Plänen, dass der Baulärm, für die Nutzer des Campingplatzes auf ein erträgliches Minimum reduziert werden kann. All das wird er ihnen in der Vorstellung seines Konzepts aufzeigen. Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit und wünsche ihnen noch einen informativen Abend.“

Einer der Anwesenden Camper fragte: „Hat Herr Oberndörfler von den Plänen der Gemeinde gewusst?“

Robert der sich angesprochen fühlte, kam nach vorne und erklärte: „Tut mir leid, ich habe erst vor knapp zwei Stunden von der Gemeinde erfahren, dass in der Nachbarschaft zum Campinggelände ein neues Baugebiet ausgewiesen werden soll. Ich war genauso überrascht wie sie, als er den beiden Herren und mir von den Plänen der Gemeinde berichtete.“

Ich ergriff wieder das Wort: „Ich kann ihnen bestätigen, dass er überrascht war von der Ankündigung und den Bürgermeister sogar darauf hinwies, dass damit seine Existenz gefährdet sei und die Übergabe des Platzes an die Stiftung nicht Zustandekommen könnte. Gibt es von ihrer Seite noch Fragen zu diesem Thema, ansonsten würde ich ihnen gerne die Pläne der Sonneneck-Stiftung vorstellen.“

Da keine weitere Wortmeldung zu diesem Thema kam, begann ich meinen Vortrag: „Bevor ich endgültig zu den Plänen der Stiftung komme, will ich ihnen zuerst etwas über die Stiftung als solches und ihre Ziele näherbringen.“

In den nächsten knapp zehn Minuten zeigte ich die vorbereitete Präsentation über die Stiftung. Am Ende sagte ich: „Das war jetzt in Kürze der Überblick über die Stiftung. Kommen wir jetzt zu unseren Plänen, die durch die Ankündigung des neuen Baugebietes gewaltig durcheinandergewirbelt wurden.

Robert hat uns ursprünglich angerufen, weil er die Idee mit unserem Jugendzeltlager im vergangenen Jahr gut fand und dachte, dass wir im unteren Bereich des Geländes ein solches in den Sommermonaten verwirklichen könnten und es eine Bereicherung für den Camping- und Ferienhauspark sei. Wir wollten heute mit der Gemeinde klären, wie sie zu den Plänen stehen würde.

Wir hatten uns im Vorfeld überlegt, anstelle von Zelten kleine Schlafhäuser für zehn Personen in Holzbauweise zu errichten, da sie ganzjährig genutzt werden können. Dazu sollte ein festes Gebäude mit einer Küche und einem Aufenthaltsraum entstehen. Der Aufenthaltsraum sollte gleichzeitig als Speisesaal dienen und bei schlechter Witterung als Ausweichmöglichkeit zur Beschäftigung im Trockenen genutzt wird, da die Schlafhütten dafür nicht unbedingt geeignet sind.

Als Alternative stand noch die Idee zur Debatte, dort ein weiteres Jugendhotel zu errichten, das als Landschulheim, für die Unterbringung von benachteiligten Kindern in den Ferien und an den Wochenenden als Seminarhotel genutzt werden kann. Wir haben solche Jugendhotels derzeit in Rosenheim und in Tirol bereits realisiert. Ab Sommer wird ein weiteres älteres Hotel an der Ostsee saniert und für diese Zwecke umgebaut.

Da wir am Freitag und auch im Laufe des heutigen Tages erkannten, dass wir hier die sanitären Anlagen und das vorhandene Restaurantgebäude zumindest sanieren und modernisieren sollten, habe ich kurzfristig umgedacht und einen neuen Plan entwickelt als mir das Vorhaben der Gemeinde und der bisherige Plan bekannt wurde.

Mein Vorschlag sieht vor, dass entlang der Straße auf dem Gelände des Campingplatzes das langgezogene Gebäude entstehen könnte. Um die Straße entlang des Campingplatzes vom Anreiseverkehr der Camper zu entlasten, wird die Einfahrt am nördlichen Ende geplant. Daran anschließend das Gebäude mit dem Empfang und eine Art Dorfladen, der von der Stiftung betrieben wird und den sowohl die Gäste des Campingplatzes aber auch die neuen Anwohner nutzen können.

Im weiteren Verlauf des Gebäudes folgen die neuen sanitären Einrichtungen und ein neues Restaurant mit Biergarten, der ebenfalls den Anwohnern zugänglich sein wird. Zwischen Restaurant und Jugendhotel gibt es eine neue Küche, die sowohl das Restaurant als auch das Jugendhotel mit warmen und kalten Mahlzeiten versorgt, der Speisesaal wird direkt im Anschluss an die Küche entstehen, danach der Eingangsbereich zum Hotel.

Im nördlichen Bereich des Neubaus wird ein zweigeschossiges Bürogebäude errichtet. Am südlichen Ende werden ebenfalls über zwei Etagen die Gästezimmer des Hotels errichtet. Im Mittelteil könnten, wenn die Gemeinde mitspielt, einige Sozialwohnungen und Appartements für Jugendliche in Ausbildung entstehen.

Einen Teil werden wir den minderjährigen Auszubildenden anbieten, die ihre Ausbildung im Jugendhotel absolvieren und von auswärts kommen. Ein Konzept, das wir derzeit auch in Rosenheim umsetzen, da wir ab September fünfzehn Auszubildende aus Kinderheimen in Hessen, Thüringen und München haben werden.

Weitere Appartements übernimmt das Jugendamt für die Jugendlichen, die mit Erreichen der Volljährigkeit aus Kinderheimen ausziehen müssen und sich noch in Ausbildung bei einem Betrieb in Rosenheim befinden. Es steht bereits fest, dass eines der Appartements mit einem minderjährigen Heimkind aus Traunstein belegt wird, dass im Herbst seine Ausbildung in Rosenheim beginnt.

Sollte es Betriebe im Ort geben, die ebenfalls auswärtige Auszubildende haben, für die sie eine Unterkunft benötigen, können diese ebenfalls dort untergebracht werden. Für die Dauercamper, die bisher entlang der Straße stehen bedeutet das, dass sie ihren bisherigen Stellplatz verlieren. Ersatz wird es geben im unteren Bereich des Geländes und dort, wo derzeit, der Empfang, der Laden, das Restaurant und die sanitären Anlagen stehen.

Letzteres kann erst eingerichtet werden, wenn das neue Gebäude fertiggestellt ist. Unter dem langgezogenen Gebäude wird eine Tiefgarage errichtet für Mieter, die Gäste des Restaurant und des Hotels, sowie für die Mitarbeiter aller Unternehmensteile, die zur Stiftung gehören.

Ganz ohne Baulärm wird es sicher nicht abgehen, zumindest so lange bis der Rohbau für das neue Gebäude auf dem Campingplatzgelände fertiggestellte ist. Um ihre Unannehmlichkeiten etwas auszugleichen, biete ich allen Dauercampern einen Nachlass von fünfzig Prozent auf den Pachtpreis für diese Zeit an. Bevor wir jetzt in die Diskussion einsteigen, machen wir eine etwa fünfzehnminütige Pause, die die Raucher nutzen sollten oder dringende Geschäfte erledigt werden.“

Korbinian schaute mich an und meinte: „Peter, da nimmst du aber einen Haufen Geld in die Hand, um das alles zu verwirklichen. Unterstützung wirst du von der Gemeinde bekommen, denn das steigert nicht nur den Wert des Camping- und Ferienhausparks, sondern auch den Wert für die Bewohner der neuen Siedlung.“

Ich grinste und meinte: „Ich würde noch viel mehr Geld in die Hand nehmen, denn es bringt uns mit den entstehenden Einnahmen weitere Möglichkeiten, benachteiligten Kindern oder Jugendlichen zu helfen. Ich hätte da noch einige Ideen, die die Gemeinde verwirklichen könnte.

Könntest du dir vorstellen, eine Genossenschaft mit Beteiligung aller Neu- und Altbürger zu gründen, die die Fernwärmeversorgung nicht nur für das Neubaugebiet, sondern auch das Kerngebiet der Gemeinde abdecken kann. Gleiches gilt für eine örtliche Stromversorgung. Für die Fernwärmeversorgung des Campingplatzes und des Neubaus würde ich zweihunderttausend Euro als Anteil in die Genossenschaft einbringen. Für jedes Gebäude und jede Wohnung im Neubaugebiet, biete ich jeweils eintausend Euro als Vorleistung. Diese Anteile würde ich an die jeweiligen Häuslebauer oder zukünftige Eigentümer abgeben, sofern sie den Anteil übernehmen wollen.“

Korbinian schaute mich an und meinte: Hast du noch mehr Überraschungen auf Lager, auf die wir uns einstellen müssen?“

Ich antwortete: „Hätte ich, aber vieles davon wird sich vermutlich nicht so einfach realisieren lassen. Gibt es bei euch einen Nahverkehr, an den das neue Baugebiet angeschlossen werden kann? Dann würde ich den Bau einer Haltestelle mit Überdachung im nördlichen Bereich des Campingplatzes finanzieren und bauen lassen, so wie bei uns im Gutshof.

Dafür fährt ab Sommer der an der Hauptstraße vorbeifahrende Linienbus eine Schleife und holt die Fahrgäste an einem zentralen Punkt im Gutshof ab. Das hat den Vorteil, dass alle Schulkinder nicht mehr bis zur Hauptstraße laufen müssen, vor allen da ab Sommer die neuen Wohnungen fertig werden und mindestens viermal so viele Kinder zu den Schulen in Rosenheim fahren werden.

Mit dem Kinderhort wird sich die Zahl der Kinder noch einmal vergrößern, die den Gutshof anfahren werden. Profitieren werden davon auch die älteren Menschen, die bereits jetzt regelmäßig im Hofladen einkaufen oder ins Hofcafé wollen und auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen sind.

Der Bereich hätte wegen der Wohnungen und der Zufahrt zur neuen Tiefgarage ohnehin neugestaltet werden müssen, dabei sind die Mehrkosten für die Busschleife und das Wartehäuschen kaum ins Gewicht gefallen.“

Inzwischen waren die fünfzehn Minuten abgelaufen und alle wieder in den Raum zurückgekehrt. Ich wandte mich an die Leute und sagte: „Schön, dass alle wieder versammelt sind. Dann wollen wir in die Diskussion und eure hoffentlich zahlreichen Anregungen einsteigen. Ich bitte um die ersten Wortmeldungen, dazu habe ich eine Bitte, stellt euch zumindest mit Namen vor, da ich im Gegensatz zu Robert und seiner Frau, die Dauercamper bisher nicht kenne. Eine weitere Bitte hätte ich noch, wenn möglich keine Fragen doppelt stellen.“

Es ging nur ein Finger nach oben und ich erteilte dem etwa fünfzigjährigen Mann das Wort.: „Ich bin Michael Groß, einer der Dauercamper, der vom Umzug betroffen ist. Bis wann müssen wir umziehen und wohin?“

Ich antwortete: „Die Frage ist schwer zu beantworten, das hängt von mehreren Faktoren ab. Der wichtigste Punkt dabei ist die Baugenehmigung für den Neubau. Ein weiterer Punkt wäre die Genehmigung der neuen Stellplätze und deren Realisierung. Aus meiner Sicht könnten sie sofort umziehen auf einen der leerstehenden Plätze, die bisher für Saisongäste vorgesehen sind, dann gibt es heuer eben weniger Saisonplätze. Ich hoffe Robert kann euch kurzfristig sagen, welche Plätze er vergeben kann.“

Robert war, wie aufs Stichwort, aufgestanden und erklärte: „Bisher liegen kaum Buchungen für das laufende Jahr vor. Wenn Peter sagt, dass wir heuer weniger Saisongäste haben können, kann ich euch allen kurzfristig einen neuen Platz zuweisen. Das hätte den Vorteil, dass im März oder April, der Bereich bereits als Bauplatz vorbereitet werden kann. Reicht euch das als Antwort?“

Die Frage wurde mit einem Nicken beantwortet, so dass ich nach weiteren Wortmeldungen fragte. Es meldete sich ein weiterer Dauercamper, der doch mindestens zwanzig Jahre jünger war als sein Vorgänger: „Mein Name ist John Griffith, bin ebenfalls Dauercamper hier und würde anstelle meines alten Wohnwagens ein Tiny-Haus auf meinem Platz abstellen, dass nicht viel größer wäre als der Wohnwagen, wie sieht es damit aus?“

Ich blickte zu Robert, der aber nicht darauf reagierte, so dass ich erklärte: „Ich befürchte, dass das nicht so leicht möglich sein wird. Die Betriebserlaubnis ist vermutlich nur auf Wohnwagen und Wohnmobile ausgestellt. Dazu müsste eine gesonderte Betriebserlaubnis für Tiny-Häuser beantragt werden.“

In diesem Fall kam mir Hubert Sandmeier zu Hilfe, der uns aufklärte: „Die Frage ist von Herrn Maurer korrekt beantwortet. Bisher gibt es nur eine Betriebserlaubnis für Wohnwagen und Wohnmobile. Ich könnte mir jedoch vorstellen, dass das Landratsamt, auf Anraten der Gemeinde, eine solche Betriebserlaubnis für bis zu zehn Tiny-Häusern erteilen könnte, auf den freiwerdenden Flächen, wo bisher die sanitären Einrichtungen, der Laden und das Restaurant gestanden sind, denn dort sind die notwendigen Anschlüsse für Wasser und Abwasser bereits vorhanden. Bei Interesse sollten sie das mit dem Betreiber des Platzes abklären. Dieser kann dann den Antrag für die Nutzung des Platzes beantragen.“

Wieder schaute ich zu Robert, der aber immer noch nicht reagierte, deshalb sprach ich ihn direkt an: „Robert, könntest du dir vorstellen, dass wir bei einem entsprechenden Interesse eine erweiterte Betriebserlaubnis für diesen Bereich beantragen sollen? Da du weiterhin als Geschäftsführer arbeiten wirst, fällt dir diese Aufgabe zu.“

Robert grinst und sagte: „Theoretisch könnten wir die Betriebserlaubnis für den gesamten Campingplatz beantragen, denn wir rechnen bereits jetzt den Strom- und Wasserverbrauch mit jedem Camper ab. Das einzige Problem, es muss an jedem Platz ein Abwasseranschluss bereitgestellt werden. Nach dem Abriss der Gebäude sollt das bei der Neugestaltung der Plätze kein großes Problem sein. Wer, außer John, würde sich für einen Tiny-Haus-Stellplatz interessieren?“

Es gingen vier oder fünf Hände nach oben, ich gebe zu, ich habe nicht so genau darauf geachtet, da ich die Aufgabe bereits an Robert abgegeben hatte.

Robert meinte: „Dann werde ich die Erweiterung auf zehn bis zwölf Tiny-Häuser beantragen. Gibt es noch Fragen zum Thema? Wenn nein, gebe ich wieder an Peter zurück.“

Ich schaute in die Runde und da es keine weiteren Fragen oder Anmerkungen zum Thema Tiny-Häuser gab, bat ich um weitere Wortmeldungen. Wieder gingen zwei Hände nach oben, ich erteilte dem schnelleren das Wort: „Mein Name ist Matthias Zellner und ich habe folgendes Anliegen. Besteht die Möglichkeit einen Kinderspielplatz auf dem Gelände des Campingplatzes einzurichten?“

Ich erwiderte: „Die Notwendigkeit sehe ich nicht unbedingt, da im neuen Wohngebiet ein Spiel- und Bolzplatz von der Gemeinde errichtet wird. Was ich mir jedoch vorstellen kann, dass wir die Gemeinde finanziell bei der Errichtung des Spiel- und Bolzplatzes unterstützen.

Ich befürchte nämlich, dass einige ihrer Camper-Kollegen Probleme mit der Störung ihrer Ruhe im Campingplatzgelände bekommen, vor allen bei jenen, deren Flächen direkt neben dem Spielplatz liegen würden. Reicht das als Antwort und gibt es dazu noch Anmerkungen?“

Wieder ging eine Hand nach oben, diesmal von einer älteren Frau, so erteilte ich ihr das Wort: „Ich bin Gerlinde Hauser und wir sind bereits seit fast dreißig Jahren hier Dauercamper. Herr Maurer, ich finde die Idee, die Gemeinde zu unterstützen und gemeinsam einen großzügigen Spiel- und Bolzplatz zu planen die bessere Lösung. Wer mit seinen Kindern oder Enkeln den Spielplatz benutzen will, den sollten die paar Meter Fußweg doch nicht wirklich stören. Matthias, das sollte doch auch bei deinen Enkelkinder möglich sein.“

Der Angesprochene erklärte: „Wenn die Gemeinde einen öffentlichen Spielplatz erstellt, kann ich mich mit der Lösung anfreunden. Ich fürchte nur, dass sich die Anlieger des Spiel- und Bolzplatzes in ihrer Ruhe gestört fühlen und es dann ständig Ärger gibt.“

Diesmal reagierte wieder Hubert und erklärte den Anwesenden: „Das ist wie mit den Kuhglocken oder dem Geläut der Kirche, das stört auch manche neu zugezogenen Einwohner. Es gibt technisch einige Möglichkeiten, um die Lärmbelästigung für die Anwohner in Grenzen zu halten. Ist bei der Erstellung des Geländes etwas teurer, aber sehr effektiv.

Es kommt auch viel darauf an, wie der Platz gestaltet wird. Auf der anderen Seite, wer sich ein Grundstück direkt neben einem Spielplatz kauft, der sollte sich von vornherein im Klaren darüber sein, dass es dort auch etwas lauter werden kann.“

Ich fragte nach, ob es dazu weitere Anmerkungen zum Spiel- und Bolzplatz gebe, da dies jedoch nicht der Fall war, erteilte ich dem Herrn, der sich fast gleichzeitig mit Matthias gemeldet hatte, das Wort: „Hi, mein Name ist Bruno Bauer. Herr Maurer, sie haben vorher, bei der Vorstellung der Stiftung, von benachteiligten Kindern und Jugendlichen gesprochen. Gilt das auch für körperlich oder geistig gehandicapte Kinder und Jugendliche?“

Ich schaute ihn genauer an und antwortete: „Die Frage kann ich, ohne groß nachzudenken mit einem Ja beantworten. Bei unserem Zeltlager im vergangen Jahr hatten wir mehrere körperlich eingeschränkte Kinder mit dabei. Mir ist dabei aufgefallen, dass es den meisten anderen Kindern egal war, ob da einer im Rollstuhl durch die Gegend fährt oder auf beiden Beinen unterwegs ist.

In einer unserer beiden Gärtnereien, die zur Gutshofgruppe gehören, sind insgesamt sechs Jugendliche und junge Erwachsene mit körperlichen Einschränkungen beschäftigt. Bei den Handwerkern gibt es einen jungen Mann, der nach einem aggressiven Angriff auf seine körperliche Unversehrtheit und nach wochenlangen Krankenhaus- und Reha-Aufenthalt, noch immer körperlich angeschlagen ist. Auch in anderen Unternehmen und Abteilungen der Gruppe werden Menschen mit dem Attribut Schwerbeschädigt beschäftigt.

Im Übrigen gehören zwei Mitarbeiter, die zur Projektbesichtigung mitgekommen sind, zur Gruppe der körperlich oder geistig eingeschränkten Menschen. Wenn einer der beiden Jungs seine Geschichte erzählen will, dann soll er bitte zu mir kommen. Ansonsten würde ich um Handzeichen bitten, wer noch Fragen oder Anregungen hat.“

Noah war aufgestanden und näherte sich unser Tisch. Als er neben mir stand, sagte er, dass er es versuchen will. Ich machte ihm Mut und erteilte ihm das Wort: „Mein Name ist Noah Lindner und ich lebe zurzeit noch in einer Lebenshilfewohngemeinschaft in Rosenheim. Bei mir wurde das Asperger-Syndrom, einer leichteren Form von Autismus, diagnostiziert. Ich habe eine Ausbildung als Programmierer abgeschlossen. Nach meiner Ausbildung war es schwer, für mich einen festen Arbeitsplatz zu finden.

Vor etwa zweieinhalb Wochen meinte mein Betreuer, Herr Wegmann, dass er vielleicht einen festen Arbeitsplatz für mich gefunden hätte. Letzte Woche fand das Vorstellungsgespräch bei Peter statt. Es war nicht das übliche Gespräch, das dabei geführt wurde, was mir sofort auffiel. Nach etwa zehn Minuten meinte er, ich solle doch mit Bernhard, der auch hier ist, in die IT-Abteilung gehen und mir alles anschauen und mir von ihm zeigen lassen, womit ich die IT unterstützen könnte.

Wir gingen ins neue IT-Gebäude am Gutshof, wo er mich seinen Kollegen vorstellte. Von allen wurde ich herzlich empfangen und beim Gespräch mit Bernhard, merkte ich, dass er mir ohne jegliches Vorurteil entgegenkam, so wie es Peter vorher schon gezeigt hatte. Er stellte mir seine Arbeit vor und gemeinsam konnten wir ohne großen Aufwand eines seiner Probleme lösen.

Nach fast zwei Stunden gingen wir wieder zurück zu Peter und Bernhard erklärte, dass er gerne dauerhaft mit mir zusammenarbeiten will. Seit diesem Tag bin ich im Unternehmen beschäftigt. Was ich besonders schätze, Peter setzt so viel Vertrauen in mich, dass er mir inzwischen angeboten, eine der drei Personalwohnungen zu beziehen, damit die Lebenshilfe mich nicht täglich zur Arbeit fahren und wieder abholen muss.

Das Einzige, was ich neu lernen muss, mich teilweise selbst zu versorgen und die Wohnung in Ordnung zu halten. Peter, Bernhard, aber auch einige seiner Kollegen haben angeboten, mich bei diesem Lernprozess zu unterstützen. Mir persönlich fällt auf, dass ich mich in letzter Zeit kaum noch in mein Schneckenhaus zurückgezogen habe, so wie es früher der Normalfall war.“

Als Noah geendet hatte wurde von den anderen Jungs beklatscht, die damit sogar die Camper ansteckten. Als das Klatschen etwas nachließ, bemerkte ich, dass Herr Bauer aufgestanden war und sich uns näherte. Inzwischen stand er vor mir und Noah und meinte: „Alle Achtung, Noah, so etwas habe ich bei meinem Sohn noch nie erlebt, dass er sich so offen zeigt, wie du es eben getan hast. Er leidet auch unter dem Asperger-Syndrom wie du. Kann ich dich überreden, meinen sechzehnjährigen Sohn Simon kennenzulernen, ich würde dich einladen uns im Wohnwagen zu besuchen.“

Ich schaute Noah an und erkannte, dass es ihn schon reizen würde, einen Jungen kennenzulernen, der ebenfalls unter dem Asperger-Syndrom litt. Was ich aber auch erkennen konnte, war, dass er ein Problem damit hatte, mit einem ihm fremden Mann, mitzugehen. Ich versuchte etwas: „Noah sollen wir Bruno, seine Frau und seinen Sohn zu uns ins Ferienhaus einladen, fühlst du dich dann sicherer?“

Noah strahlte über das ganze Gesicht, hatte ich doch instinktiv gefühlt, dass er damit ein Problem hat. Ich sagte: „Ich will kurz nachfragen, ob es noch weitere Fragen oder Anmerkungen gibt, ansonsten beenden ich die Versammlung und wir gehen gemeinsam mit Bruno zum Wohnwagen und laden Simon mit seiner Mutter zu uns ein.“

Ich wandte mich wieder an die Camper: „Wie schaut es aus, wollen wir noch weitermachen oder sind eure Fragen so weit geklärt. Wobei, wenn ich in eure Gesichter sehe, würde ich vermuten, dass eure Fragen geklärt sind. Sollten später doch noch Fragen oder Anregungen auftauchen, könnt ihr euch jederzeit an Robert wenden. Er bleibt euch noch einige Jahre als Manager des Campingplatzes erhalten. Ihr entschuldigt mich, wenn ich jetzt überhastet aufbreche, aber Noah und ich haben ein Date mit Brunos Sohn Simon.“

An Bruno gewandt meinte ich: „Ich hoffe, ich habe jetzt keine Pferde aufgescheucht mit meiner Ansage.“

Bruno grinste und erklärte: „Nein hast du nicht, die meisten Camper kennen meinen Simon und die Schwierigkeiten, die wir mit seiner verschlossenen Art haben. Es gab aber nie einen, der damit ein Problem hatte.“

Wir zogen unsere Jacken an und verließen die Gaststätte. Mit Bruno gingen wir zu ihrem Wohnwagen. Als wir davor standen sagte er: „Einen kleinen Moment, ich möchte meiner Babsi und Simon eure Einladung zum Kennenlernen überbringen. Ich bin gleich wieder bei euch.“

Er öffnete den Wohnwagen und trat ein, die Tür ließ er offen. Er sagte: Simon, Babsi, könnt ihr euch eine warme Jacke anziehen? Wir Drei sind vom zukünftigen Eigentümer des Campingplatzes in sein Ferienhaus eingeladen. Er und ein junger Mann namens Noah würden euch gern kennenlernen, vor allem dich Simon.“

Babsi sagte etwas, was wir jedoch nicht verstanden, da sie leise gesprochen hatte. Bruno stand in der Tür und meinte, es dauert nur einen kurzen Moment, dann sind meine beiden angezogen. Er trat aus dem Wohnwagen und stellte sich zu uns. Als nächstes stand Simon in der Tür und schaute zu seinem Vater. Als er uns entdeckte, wollte er schon wieder den Rückzug antreten.

Noah trat zwei Schritte nach vorn, ergriff seine Hand und sagte: „Keine Panik, Simon.“

Danach flüsterte ihm einige Worte ins Ohr, die wir leider nicht verstehen konnten. Hinter Simon war inzwischen seine Mutter aufgetaucht, die ihren Sohn vorsichtig aus dem Wohnwagen schob und die Tür hinter sich verschloss. Noah schaute zu Frau Brunner und meinte, dass wir uns freuen würden, sie und ihren Sohn Simon kennenzulernen.

Was danach folgte, erstaunte nicht nur mich, sondern auch Simons Eltern. Die beiden Jungs reichten sich die Hände und Hand in Hand gingen sie zu unserem Ferienhaus. Wir folgten den beiden Jungen in einem gehörigen Abstand. Bruno meinte: „Was hat Noah zu Simon gesagt? So hat er noch nie bei einem anderen Kind oder Jugendlichen reagiert. Normalerweise muss man ihn an der Hand nehmen und dann reagiert er immer noch zurückhaltend. Babsi, hat er sich jemals in meiner Abwesenheit so verhalten?“

Babsi schien kurz zu überlegen, bevor sie antwortete: „Ja Bruno, das muss etwa zehn Jahre her sein. Ich war doch mit ihm in der Münchner Klinik, wo er durchgecheckt wurde und wir die endgültige Diagnose Asperger-Syndrom erhielten. Damals hat er sich mit einem etwa elfjährigen Jungen angefreundet, die beiden sind damals Hand in Hand zum Spielplatz gelaufen. Irgendwie erinnert mich Noah an ihn, ich erinnere mich nur nicht mehr, wie der Junge hieß. Ich weiß nur noch, dass er ebenfalls, wie unser Sohn, das Asperger-Syndrom hatte.“

Bei mir fingen die Synapsen zu rattern an und kombinierten, dass das durchaus Noah gewesen sein konnte. Noah wird heuer zweiundzwanzig, also war er damals etwa elf Jahre alt. Bis wir vor unserem Ferienhaus ankamen, dachte ich weiter über meine Vermutung nach. Die beiden Jungs standen vor dem Ferienhaus und warteten auf uns. Ich fragte Noah: „Habt ihr geklingelt oder geklopft?“ Noah grinste und sagte: „Bringt nichts, ist keiner zu Hause, siehst du nicht, dass kein Licht im Haus brennt.“

Ich öffnete die Tür und wir gingen gemeinsam ins Haus. Wir hängten unser Jacken an die Garderobe. Ich fragte, was wir zum Trinken anbieten können. Ich meinte: „Setzt euch bereits ins Wohnzimmer, Noah und ich besorgen die Getränke und sind gleich bei euch.“

In der Küche fragte ich Noah: „Kann es sein, dass du Simon kennst? Warst du vor etwa zehn Jahren in München in einer Klinik zum Durchchecken? Simons Mutter hat uns auf dem Weg hierher erzählt, dass er sich dort mit einem etwa elfjährigen Jungen angefreundet hat, an dessen Namen sie sich aber nicht mehr erinnern kann.“

Noah schaute mich mit großen Augen an und erwiderte: „Peter, jetzt wird mir so einiges klar. Als ich Simon vorher das erste Mal sah, hatte ich auch einen Moment gedacht, dass ich ihn bereits kennen würde. Ich kann mich erinnern, damals hat er mich auch an der Hand genommen ist mit mir zum Spielplatz auf dem Klinikgelände gerannt.“

Ich grinste und meinte: „Das gleiche hat uns gerade Simons Mutter erzählt, dass er deine Hand geschnappt hat und dich zum Spielplatz geschleppt hat. Hast du mit Simon schon darüber gesprochen?“

Er antwortete: „Nein, bis eben war ich mir ja nicht sicher, ob er wirklich der Junge ist, den ich damals kennengelernt habe. Wir waren damals drei Tage zusammen im Krankenhaus.“

Wir gingen mit den Getränken ins Wohnzimmer und Noah setzte sich auf das zweite Sofa, nachdem er Simon sein Getränk in die Hand gedrückt hatte. Ich übergab die Getränke an Bruno und Babsi und setzte mich auf den Sessel in der Nähe von Noah. Plötzlich stand Simon auf und setzte sich neben Noah.

Noah schaute zuerst zu mir und dann zu Simon, den er fragte: „Simon, kannst du dich noch an deinen Aufenthalt im Krankenhaus vor etwa zehn Jahren erinnern?“

Ich sah das Aufblitzen in seinen Augen, dass ich schon einmal vor nicht allzu langer Zeit bei Noah entdeckt hatte. Nach kurzer Zeit sagte er: „Ja, ich kann mich daran erinnern, damals habe ich dich genau wie heute an der Hand genommen und gemeinsam sind wir zum Kinderspielplatz gerannt.“

Babsi schaute ihren Sohn und meinte: „Simon bist du dir sicher, dass das der gleiche Junge ist, der mit dir damals im Krankenhaus war?“

Simon schaute seine Mutter an und erklärte ihr: „Mama, ich bin mir ganz sicher, ich habe vorher beim Verlassen des Wohnwagens schon gespürt, dass Noah vor mir steht. Deshalb bin ich ja vor lauter Überraschung stehen geblieben und du hast mich einfach weitergeschoben. Wir haben uns wie damals an die Hand genommen und sind heute zum Ferienhaus gegangen.“

Simons Mutter schaute mich an und unterstellte mir, dass ich Noah die Geschichte mit dem an die Hand nehmen erzählt hätte, nachdem sie uns das vorher erzählt hatte. Ich wollte ihr antworten und richtigstellen, doch Noah kam mir zuvor. Er erklärte: „Peter hat mich nur gefragt, ob es möglich sei, dass ich früher schon einmal auf Simon getroffen bin. Da habe ich ihm von dem Jungen erzählt, der mich an der Hand gepackt hat und mit mir zum Spielplatz gelaufen ist. Peter hat mir nur bestätigt, dass du ihm diese Geschichte wenige Minuten vorher erzählt hat. Das war alles, was wir gesprochen haben.“

Bruno schaute seine Frau an und sagte zu ihr: „Fällt dir an Simon etwas auf? Irgendwie habe ich das komische Gefühl, das Noah mit seiner Aufgeschlossenheit etwas in Simon ausgelöst hat. Mir fällt seit Minuten auf, dass er aktiver an der ganzen Diskussion teilnimmt, als ich das bisher bei ihm gewöhnt bin.“

Simon erklärte: „Papa, das siehst du völlig richtig. Ich weiß selbst nicht, aber ich empfange irgendwelche Schwingungen, die mich aus meinem Schneckenhaus herauslocken. Sie kommen aber nicht nur von Simon, sondern auch von dem Mann, der im Sessel sitzt. Wer bist du?“

Die Frage war eindeutig an mich gerichtet, so dass ich sie beantwortete: „Mein Name ist Peter Maurer und habe insgesamt vier Kinder. Mit meiner verstorbenen Frau habe ich ein Mädchen und einen Jungen. Zuletzt habe ich mit meinem Partner David und Tobias adoptiert. Zur Familie gehören noch meine beiden Enkelkinder Kevin und Katharina.

Ich bin auch der Chef von Noah, er arbeitet seit einigen Tagen bei uns in der IT-Abteilung. Er hat eine Ausbildung zum Programmierer und IT-Spezialisten und arbeitet mit Bernhard, der bei uns ausgebildet wurde, eng zusammen. Ich vermute, dass du noch zur Schule gehst, hast du dir schon überlegt, was du eines Tages erlernen möchtest?“

Simon schaute mich an und antwortete: „Der Beruf, den ich lernen möchte und was mir auch Spaß macht, ist angeblich nichts für mich. Ich will das lernen, was Noah gelernt hat. Man hat mir aber vorgeschlagen, ich soll besser in einer Behindertenwerkstatt arbeiten.“

Ich schaute zu Bruno und seiner Gattin und fragte nach, ob die Aussage von Simon wirklich stimmt. Bruno bestätigte die Aussage, was Noah dazu veranlasste, sich an Simon zu wenden: „Ich höre, du möchtest eine Ausbildung zum Programmierer machen. Könntest du dir vorstellen bei uns in Rosenheim eine Ausbildung zu machen und damit du nicht so allein dort bist, würde ich dir anbieten, dass wir zwei uns eine Wohnung teilen können.“

Er schaute mich an und meinte: „Peter, können wir beide dann die Drei-Zimmer-Wohnung haben. Ich fühle bei Simon, dass er die gleiche Begabung hat, die ich auch habe. Bernhard wird sich sicher freuen, noch so ein Genie zu bekommen.“

Ich sagte zu Noah: „Du machst Simon ein Angebot, dass er bei uns lernen kann. So einfach ist das leider nicht. Von meiner Seite aus könnte Simon jederzeit bei uns eine Ausbildung absolvieren, auch der größeren Wohnung würde ich zustimmen. Du vergisst dabei aber, dass Simon erst in zwei Jahren volljährig wird. Bis dahin können allein seine Eltern über seinen Aufenthaltsort bestimmen.

Wenn du also Simon eine Ausbildung bei uns in Rosenheim anbieten willst, musst du mit allen dreien reden, nicht nur mit Simon, sondern auch mit seinen Eltern. Also, sprich bitte mit Simons Eltern und erkläre ihnen, warum du überzeugt bist, dass Simon die Ausbildung schaffen wird, warum du ihn unterstützt, aber auch, warum er bei dir wohnen soll. Vielleicht würden seine Eltern sogar nach Rosenheim umziehen, dann könnte er bei ihnen wohnen. Oder willst du vorher mit Simon allein drüber sprechen und ihr redet gemeinsam mit seinen Eltern.“

Bevor Noah reagiert, sagte Simon: „Simon vorher mit Noah reden, machen Plan, wie wir Eltern überreden können.“

Bruno und Babsi schauten ihren Sohn verwundert an, so dass ich erklärte: „Noah, ihr beide geht jetzt in dein Zimmer und in einer halben Stunde will ich euch beide wieder hier sehen. Bis dahin solltet ihr einen Plan haben.“

Die beiden Jungs standen auf und waren Ruck zuck in der ersten Etage des Ferienhauses verschwunden. Ich schaute zu Bruno und meinte: „Ich denke wir sollten deine Gattin darüber aufklären, was du bereits vorher bei der Versammlung erfahren hast.“

Bruno schaute kurz zu mir und sagte: „Peter, kannst du das Übernehmen? ich bin immer noch viel zu verwirrt von den positiven Veränderungen bei Simon. Außerdem kennst du die Geschichte besser als ich.“

Ich sah zu Babsi und erklärte: „Du hast Noah vor zehn Jahren kennengelernt und weißt, dass er wie dein Sohn am Asperger-Syndrom leidet. Ich habe Noah vor gut zehn Tagen kennengelernt als er sich mit seinem Betreuer bei uns als Programmierer vorgestellt hat. Bis zu diesem Zeitpunkt war Noah, genau wie dein Sohn, ständig in sich zurückgezogen.

Schon nach einem nur kurzen Gespräch fiel mir eine positive Veränderung bei Noah auf. Wie heute Simon, habe ich Noah damals mit Bernhard losgeschickt, dass sich die beiden beschnuppern sollten. Damals sollte Bernhard Noah zeigen, welche Arbeit ihn bei uns erwartet, aber mit dem Hintergedanken, festzustellen, ob die beiden miteinander auskommen und eine Zusammenarbeit möglich ist.

Nach zwei Stunden kamen die beiden Jungs zurück in mein Büro, und Bernhard bestand darauf, dass ich Noah fest einstellen müsste. In der Zwischenzeit hatte ich ein langes Gespräch mit seinem Betreuer Dieter geführt, dem die Veränderung am Anfang ebenfalls aufgefallen waren. Als die beiden Jungs ins Büro kamen staunten wir beide über die positiven Veränderungen, die sich bei Noah vollzogen hatten.

Wir beide waren skeptisch und fragten uns, wie lange das Anhalten würde. Dieter kam am nächsten Morgen in mein Büro und erklärte mir, dass diese Veränderungen noch einige Zeit nachgewirkt hätten, bis er sich wieder in sich zurückzog. Aufgefallen sei ihm aber, dass am frühen Morgen, plötzlich wieder der veränderte Noah zum Vorschein kam, der sich auf die Fahrt zur Arbeit freute und aufgeschlossener wirkte.

Am Freitag vor einer Woche stand Dieter wieder in meinem Büro und fragte mich, was wir mit Noah angestellt hätten, weil er die Veränderungen nicht einordnen könne. Ich habe ihm dasselbe erklärt, was ich dir sagen würde, dass ich überhaupt keine Ahnung habe, was diese positiven Veränderungen ausgelöst haben kann.

Da Dieter ihn am Freitagmittag wieder abholen wollte, hatte ich mir etwas überlegt und ihn damit konfrontiert, dass ich Noah eine Wohnung im Gutshof anbieten würde, damit er nicht jeden Morgen zur Arbeit gebracht werden und am späten Nachmittag wieder zurückgebracht werden müsste. Dieter war skeptisch, stimmte aber meinem Vorschlag zu, sofern Noah das selbst wollen würde.

Ich zeigte ihm, im Beisein von Dieter und Bernhard die neugebauten freien Wohnungen im Dachgeschoss des IT-Gebäudes, von denen er sich eine aussuchen dürfe, wenn er fest hier wohnen will. Noch ist er nicht fest im Gutshof eingezogen, wir werden am nächsten Wochenende mit Noah erst einmal Möbel für seine Wohnung aussuchen und kaufen.

Dieter war am Donnerstag bei mir und erzählte mir, dass sich Noah seit Freitag nicht mehr in sein Schneckenhaus zurückgezogen hätte, und er jetzt mit gutem Gewissen, dem Umzug Noahs zum Gutshof zustimmen kann.“

Ich hatte wieder einmal eine verrückte Idee, die ich sofort ausprobieren wollte. Ich schickte Bernhard eine Nachricht, dass ich ihn im Ferienhaus brauchen würde, alle anderen sollten jedoch in der Gaststätte bleiben, bis sie eine Nachricht erhielten.

Fünf Minuten später stand Bernhard im Wohnzimmer und ich wollte ihm gerade erklären, warum ich ihn zu uns gebeten habe, als urplötzlich die beiden Jungs ins Wohnzimmer stürmten und abrupt stehen blieben als sie Bernhard erblickten. Ich beobachte Bruno und Babsi genau, die erstaunt ihren Sohn anschauten.

Bernhard grinste und meinte: Noah, hast du einen neuen Freund gefunden und willst du ihn mir nicht vorstellen?“

Noah antwortete: „Hallo Berni, darf ich dir Simon Bauer vorstellen, er leidet wie ich am Asperger-Syndrom und möchte Programmierer werden. Ich habe Peter vorher gefragt, ob wir Simon ausbilden könnten und gleichzeitig angeboten, dass Simon während der Ausbildung bei mir wohnen könnte. Dazu würde ich sogar in die größere Wohnung im Dachgeschoss einziehen.“

Bernhard schaute die beiden Jungs an und noch bevor er antworten konnte, fragte Noah Simon: „Kannst du die Schwingungen, die du bei mir und Peter feststellen konntest, auch von Bernhard empfangen?“

Oha, das war eine Frage, auf die ich niemals gekommen wäre und wartete auf die Reaktion von Simon. Der schaute erst zu seinen Eltern, dann zu mir und zuletzt zu Bernhard, bevor er antwortete: „Ja, auch bei ihm spüre ich diese Schwingungen, in etwa so wie bei dir. Was mir dabei auffällt, die Intensität von Peters Schwingungen sind heftiger als bei euch beiden, aber ihr beide zusammen kommt nahe an Peter heran.“

Bernhard und ich schauten verblüfft die beiden Jungs an, bis Noah meinte: „Stimmt, ist mir auch gerade aufgefallen, aber ich stelle fest, dass auch von dir inzwischen Schwingung bei mir ankommen, die ich bisher nicht bemerkt habe.“

Ich hatte zwischendurch immer wieder einen Blick zu Bruno und Babsi riskiert, der mir ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Sie saßen wie vorher auf dem Sofa und schauten sich mit heruntergeklappten Kiefer an. Vermutlich konnten sie das eben Gehörte nicht so einfach verstehen.

Dem ganzen aber setzt Simon noch einen obendrauf: „Papa, Mama, Mund zu. Ich hoffe, dass damit am Ende des Schuljahres meiner Ausbildung zum Programmierer in Rosenheim nichts mehr im Weg steht.“

Damit hatte er seine Eltern ein weiteres Mal überrascht. Babsi schaute mich an und als sie mein Lächeln entdeckten, meinte Babsi: „Bist du noch unser Simon? Ich habe momentan den Eindruck, dass ein völlig anderes Kind vor mir steht. Ich erkenne dich kaum wieder.“

Ich erinnerte mich an Dieters Worte, der das so ähnlich formuliert hatte, als er mit mir das erste Mal über Noahs Veränderungen gesprochen hat. Die aufkommende Stille unterbrach Bernhard, der feststellte: „Noah, was macht dich so sicher, dass Simon auch ein so begnadeter Programmierer sein wird wie du einer bist?“

Noah schaute Bernhard an und sagte: „Ich habe vorher schon zu Simons Eltern und Peter gesagt, dass ich fühle, dass Simon eine ähnliche Begabung für diese Dinge hat, wie ich. Inzwischen bin ich mir sogar sicher bei dieser Aussage, denn wir haben uns oben über dieses Thema ausgetauscht. Ich habe vorher sogar behauptet, dass du dich über ein weiteres Genie freuen würdest.“

Bernhard schaute Noah verdattert an und ich nutzte die sich mir bietende Gelegenheit: „So Jungs, jetzt setzt euch erst einmal irgendwo hin, damit ich allen ein Vorschlag unterbreiten kann, über den wir anschließend sprechen können.“

Nachdem sich die Jungs gesetzt hatten, erklärte ich: „Ich bin mir sicher, dass wir das Thema heute nicht mehr zu einem sinnvollen Ende bringen können. Deshalb von mir folgender Vorschlag. Simon kommt mit seinen Eltern am kommenden Freitagmittag zu uns, wo sie bis Sonntag unsere Gäste sein werden. Am Freitagabend setzen wir uns erneut zusammen, nachdem wir Simon und seinen Eltern gezeigt haben, wo er untergebracht wird, aber auch erklärt haben, wie seine Ausbildung aussehen wird.

Sollten Simons Eltern einer Ausbildung bei uns ab Sommer zustimmen, werden Simon, Noah, Bruno und Babsi mit mir am Samstag nach München fahren und gemeinsam werden wir die Einrichtung für die Wohnung der beiden Jungs aussuchen. Bis zur Abfahrt am Sonntag darf Simon einen Plan erstellen, wie und wo seine persönlichen Möbel stehen sollen. Das gleich erwarte ich von Simon und Noah für die gemeinschaftlich genutzten Bereiche.“

Bernhard grinste und meinte: „Was machst du, wenn die beiden Jungs doch nicht miteinander wohnen wollen und jeder von ihnen will eine der zwei kleineren Wohnungen. Für diesen Fall melde ich Ansprüche an der großen Wohnung an, wo Benjamin und ich einziehen könnten. So hätten beide Jungs zwei Ansprechpartner, die ihnen bei kleineren Problemen Soforthilfe leisten könnten. Benjamin und ich haben im Laufe der Woche über diese Möglichkeit bereits nachgedacht und wir wollten mit dir nächste Woche darüber reden, zu Noah ins Dachgeschoss umzuziehen.“

Ich war überrascht von Bernhards Ankündigung, sagt aber nichts dazu. Dafür war Simon derjenige, der erklärte: „Peter, dein Vorschlag gefällt mir. Ich soll mir mit meinen Eltern alles anschauen und danach entscheiden wir endgültig, wofür ich mich eigentlich schon entschieden habe. Ich würde gern bei euch meine Ausbildung machen, mit Bernhard und Noah an meiner Seite habe ich ein verdammt gutes Gefühl.“

Ich forderte Bernhard auf, dass er den anderen eine Nachricht schicken kann, dass sie kommen können. Bruno sagte: „Peter, meine Frau und ich finden es ausgesprochen gut, dass eine Entscheidung nicht übereilt gefällt wird. Wir nehmen deine Einladung an und kommen am Freitagmittag zu euch. Aus beruflichen Gründen wird es für uns so schnell keine Möglichkeit geben, nach Rosenheim umzuziehen.

Trotzdem wollen wir wissen, was unseren Simon bei euch erwartet. Gerade deshalb ist es gut, dass du uns die Möglichkeit gibst, das gesamte Umfeld kennenzulernen, wo unser Junge die nächsten Lebensjahre verbringen soll, wenn er seine Ausbildung bei euch machen wird. Wir hätten uns auch in nächster Zeit die Behindertenwerkstätten angeschaut, die uns für Simon empfohlen wurden. Wenn er bei euch das lernen kann, was ihm weitaus besser gefallen würde und ihr ihn auch mehr fordert und fördert, wäre das für uns eine große Erleichterung.

Was ich immer noch nicht verstehe, ist die Aussage von Simon, dass er gewisse Schwingungen verspürt, die ihn aus seinem Schneckenhaus herauslocken, die sowohl von dir, aber auch von Bernhard und Noah ausgehen. Was uns aber aufgefallen ist, dass er sich völlig anders gibt, als wir es von ihm gewöhnt sind.“

Ich antwortete: „Erklären kann ich es auch nicht, da ich diese Schwingungen selbst nicht verspüre. Noah hat das vor ein paar Tagen so beschrieben. Bei Bernhard und mir hat er immer das Gefühl, dass wir ihn so akzeptieren wie er ist, ohne Wenn und Aber oder irgendwelche Abstriche. Das würde ihn aus seinem Schneckenhaus herausholen und er damit derjenige sein kann, der er gern wäre, aber ohne uns nicht sein kann.“

Simon meinte: „Ich würde das ähnlich beschreiben wie Noah, nur sind es bei mir aktuell drei, die mir dieses Gefühl vermitteln. Warum sind mir solche Menschen nicht schon früher begegnet? Funktioniert das erst ab einem gewissen Alter? Obwohl, das kann auch nicht sein, denn bei Noah habe ich mich ähnlich verhalten, vor zehn Jahren, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Ich konnte es damals nur noch nicht einordnen.“

Ich hörte unsere Jungs im Flur und rief, dass alle ins Wohnzimmer kommen sollten. Als alle im Wohnzimmer standen erklärte ich ihnen, dass sie sich bitte Simon und seinen Eltern vorstellen sollten. Einer nach dem anderen stellte sich vor, während ich intensiv Noah und Simon beobachtete. Die Jungs meinten, dass sie sich ins Bett verziehen, heute wäre ein anstrengender Tag für sie gewesen.

Bernhard verabschiedete sich ebenfalls, um ins andere Ferienhaus zu gehen. Als er weg war, schaute ich die beiden Jungs an und wollte wissen: „Ich bin jetzt neugierig, Noah und Simon, habt ihr bei einem der Jungs ähnliche Schwingen bemerkt? Das würde mich jetzt schon interessieren.“

Simon erklärte: „Ja, bei zwei Jungs sind mir leichte Schwingungen aufgefallen, nicht so ausgeprägt wie bei dir und auch weniger stark als bei Noah und Bernhard. Der eine war Gerry und der andere dein Adoptivsohn David.“

Noah schaute mich an und meinte: „Ich frage mich, wieso mir das bisher bei Gerry nicht aufgefallen ist, er ist in der Lebenshilfe in derselben Gruppe wie ich. Heute habe ich zum ersten Mal eine schwache Reaktion bemerkt. Viel intensiver waren die Schwingungen bei David, mit dem ich bisher keinen richtigen Kontakt hatte.“

Bruno meinte: „Sehen wir uns noch, bevor ihr morgen abreist? Für uns geht es morgen Nachmittag auch wieder zurück nach Landsberg am Lech, wo wir unter der Woche leben. Wir sollten dann auch so langsam in unsere Kojen verschwinden.“

Die Drei standen auf, Noah und ich brachten sie noch zur Haustür und verabschiedeten uns von den beiden bis morgen. Noah fragte, ob wir uns noch einmal kurz ins Wohnzimmer setzen könnten, da er gern etwas mit mir besprechen will.

Wir setzten uns auf das Sofa und ich forderte Noah auf, mir zu erklären, was er auf dem Herzen habe. Er drehte sich zu mir und meinte: „Peter, das ist gar nicht so leicht, mit dir über dieses Thema zu reden. Auf alle Fälle wollte ich nicht im Beisein von Simons Eltern darüber sprechen. Ich fühle mehr für Simon und er auch für mich, dass ist mir aufgefallen, als wir beide allein oben waren.“

Ich schaute ihn an und versuchte ihm zu erklären: „Noah, willst du damit sagen, dass du auf Jungs stehst, insbesondere auf Simon und dass das von ihm auch so gesehen wird. Das wird nicht einfach für euch beide, solange Simon noch nicht volljährig ist. Es wird noch schwieriger, wenn Simon seine Ausbildung bei uns machen sollte und ihr zusammenwohnen wollt.

Simon ist während seiner Ausbildungszeit für dich, für Bernhard und mich ein Schutzbefohlener, der uns von seinen Eltern anvertraut wird. Ich befürchte, dass ich euch unter diesen Umständen nicht eine Wohnung vermieten darf, solange bis Simon volljährig ist. Es könnte nämlich sein, dass ich mich in diesem Fall sogar strafbar mache.

Noah erklärte: „Simon und ich sind uns einig, dass wir für immer zusammenbleiben wollen. Dass du damit in Schwierigkeiten geraten könntest, werden wir beide nicht verstehen, da bin ich mir ziemlich sicher. Wir haben so etwas noch nicht einmal in Betracht gezogen. Gibt es denn keine Möglichkeit, dass wir eine Ausnahmegenehmigung für unser Zusammenleben bekommen.“

Ich überlegte und meinte: „Eine Ausnahmegenehmigung werdet ihr nicht bekommen. Die einzige Chance, die ich sehe, dass ihr Simons Eltern erklärt, wie es um euch steht. Mit ihrer Duldung könntet ihr in eine gemeinsame Wohnung einziehen. Die andere Möglichkeit wäre, jeder nimmt seine eigene Unterkunft, wer wen oder wann in dessen Wohnung besucht, ist nicht verboten. Wer soll das kontrollieren, wenn einer von euch beiden gelegentlich nicht in seiner eigenen Wohnung übernachtet.

Auf der anderen Seite muss ich zumindest darauf achten, dass du nie als Ausbilder von Simon in Erscheinung treten kannst. In diesem Fall kann nur Bernhard als Ausbilder für Simon zuständig sein. Ich frage mich, warum wollt ihr die größere Wohnung? Soll das eigene Zimmer für Simon nur als Alibi dienen?“

Noah grinste mich frech an und meinte eiskalt: „So hatten wir uns das gedacht.“

Jetzt musste ich lachen, denn so gnadenlos hatte mir noch nie ein Mensch direkt erklärte, dass ich mit meiner Vermutung richtig liegen würde. Ich meinte: „Wer hindert dich daran, dich morgen Vormittag mit Simon zu treffen und ihr überlegt euch gemeinsam, wie ihr weiter vorgehen wollt. Wenn ich oder die Jungs euch dabei unterstützen sollen, sprecht mit ihnen. Bernhard und Benjamin, aber auch Ludwig und Christian werden euch sicher unterstützen, wenn es möglich ist. Wir sollten jetzt auch ins Bett verschwinden, bevor die Nacht vorüber ist.“

Wir standen auf und gingen nach oben in unsere Schlafräume, nachdem wir im Erdgeschoss sämtlich Lichter ausgeschaltet hatten. Eigentlich wollte ich noch kurz mit Thomas telefonieren, aber ein Blick zu Uhr hielt mich dann doch ab, ich wollte ihn auf keinen Fall mitten in der Nacht aufwecken.

Am Sonntagmorgen wurde ich gegen sieben Uhr geweckt, als an meine Zimmertüre geklopft wurde. Ich rief herein und als sich die Tür öffnete, sah ich David im Flur stehen. Er fragte, ob ich für ihn Zeit hätte, er würde gern etwas mit mir besprechen, was ihm letzte Nacht einen schlechten Schlaf beschert hat.

Ich winkte ihn heran und als er sich auf die Matratze gesetzt hatte, hörte ich: „Papa, ich bin seit gestern Abend etwas verwirrt. Wir sollten uns selbst bei Simon und seinen Eltern vorstellen. Das war zwar neu, aber für mich kein Problem. Während die anderen Jungs sich vorstellten, spürte ich plötzlich etwas, das ich mir nicht erklären kann. Es ging von Simon und Noah aus.

Ich habe keine Ahnung, wie ich dir das beschreiben soll. Es fühlte sich wie Schwingungen an, die mich erreichten. Ich versuchte, mich auf die beiden Jungs zu konzentrieren, um das zu verstehen. Ich habe die halbe Nacht überlegt, was es bedeuten könnte. Ich bin mir zwar nicht sicher, aber ich gehe davon aus, dass die beiden Jungs wie ich ticken und ineinander verliebt sind.“

Ich grinste ihn an und erklärte: „Die Information, dass die beiden Jungs ineinander verliebt sind, habe ich gestern Abend noch von Noah bekommen. Von Simon und Noah weiß ich außerdem, dass sie auch von dir und Gerry Schwingungen empfangen konnten. Von den beiden Jungs habe ich erfahren, dass sie auch von mir Signale empfangen können, die sie positiv beeinflussen. Dieses Signal würde sie aus ihrem Schneckenhaus herauslocken.

Wenn du mich fragen würdest, kann ich dir nur sagen, dass ich keine Signale empfangen kann, aber auch, dass ich es genauso wenig verstehe wie du. Du kannst wenigstens die Schwingungen spüren, die ihr aussendet. Auf der anderen Seite, wenn ich dich jetzt fragen würde, ob du meine Signale empfangen kannst, wirst du wahrscheinlich antworten, dass dem nicht so wäre.“

Er schaute mich ernst an und meinte: „Peter, da muss ich dich jetzt schwer enttäuschen, ich kann gelegentlich deine Schwingungen spüren. Immer dann, wenn ich wieder einmal in einer kritischen Situation stecke. Ich habe dann immer das Gefühl, als wenn du mir die Lösung für mein Problem liefern würdest.

Erinnerst du dich noch an den Abend, wo ich bei euch angekommen bin, nach dem Gespräch mit dir und Dennis, auf dem Rückweg ins Wohnzimmer habe ich zum ersten Mal diese Schwingungen verspürt, die meine getroffene Entscheidung zunichtemachten. Da ich keinem vernünftig erklären konnte, dass ich positiv beeinflusst wurde durch diese Schwingungen, musste das Bauchgefühl als Ausrede herhalten.

Ich war mir nicht einmal sicher, dass diese Signale von dir kommen. Das habe ich erst beim zweiten oder dritten Mal orten können. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, wenn von dir positive Signale kommen. Sie haben mir jedes Mal geholfen, die richtige Entscheidung zu treffen. Peter, kann es sein, dass ich die empfangenen Schwingungen als einen Hilferuf der beiden Jungs verstehen kann, nach allem, was ich inzwischen von dir erfahren habe?“

Ich schaute ihn an und sagte: „Ich befürchte, dass es genau das bedeuten soll, und ich habe Noah gestern Abend schon den Rat gegeben, dass er und Simon sich bei euch Jungs Verbündete suchen sollten. Ich denke, du und Gerry seid wohl die Besten, die sie finden können, weil ihr durch diese Schwingungen Kontakt aufnehmen konntet.

Könntest du bei Gerry und Gregor nachsehen, ob die beiden Jungs schon wach sind, wenn ja, dann komm mit Gerry wieder zu mir. Sage ihm aber bitte erst einmal nichts von deinen Erkenntnissen und lass mich das Gespräch mit ihm führen.“

Schneller als ich schauen konnte, war er aus meinem Zimmer verschwunden. Nach rund fünf Minuten tauchte er zusammen mit Gerry wieder bei mir auf. Gerry erklärte: „David hat gemeint, ich solle sofort mit ihm zu dir kommen, du hättest etwas Wichtiges mit uns beiden zu bereden. Was ist so wichtig, dass es nicht bis nach dem Frühstück warten kann.“

Ich bat ihn sich zu setzen und fragte: „Ist dir gestern Abend, während ihr euch Simon und seinen Eltern vorgestellt habt, etwas Besonderes aufgefallen, das dich vielleicht verwirrt hat?“

Er antwortete: „Ja, mir ist schon etwas aufgefallen, aber das wollte ich mit dir unter vier Augen nach dem Frühstück besprechen. Ich habe vier verschiedene Schwingungssignale empfangen, die ich aber nicht richtig einordnen konnte. Das stärkste Signal kam von dir, beim Rest bin ich mir nicht so sicher, da wir zu eng aneinander standen. Nachdem David hier ist, vermute ich einmal, dass eines der Signale von ihm kam. Ich vermute das, weil du mich in seinem Beisein fragst.“

David grinste und erklärte: „Stimmt, ein Signal kam von mir, dass stärkste Signal kam von Peter. Ich empfange schon länger Signale von Peter, aber immer nur wenn ich ein Problem nicht allein lösen kann. Die beiden anderen Signale waren von Noah und Simon.

Was mich jedoch wundert, dass ich deine Schwingungen nicht mitbekommen habe, du aber meine Schwingungen bemerkt hast. Sag mal, kommt von dir gerade ein Signal, irgendwie spüre ich jetzt doch etwas, Peter ist es definitiv nicht, das fühlt sich anders an.

Ich habe mich schon mit Peter zu dem Thema ausgetauscht und bin zu dem Entschluss gekommen, dass beide Jungs schwul sein könnten, sich ineinander verliebt haben und unser Hilfe, also auch die von Peter brauchen können, obwohl Peter unsere Schwingungssignale nicht empfangen kann. Er merkt noch nicht einmal, dass diese Signale von ihm ausgehen.“

Gerry schaute mich an und sagte: „David, ich spüre dein Signal, mir ist aber nicht bewusst, dass ich selbst etwas verbreite.“

Ich fing zu lachen an und erklärte: „David, Gerry, Ich beobachte das seit dem Tag an Noah bei uns zu arbeiten angefangen hat. Noah hat bisher auf Bernhard und mich positiv reagiert und wir würden ihn aus seinem Schneckenhaus herauslocken, so hat er es mir gegenüber formuliert. Was dahintersteckt, ist mir bis heute ein absolutes Rätsel und wird es vermutlich auch für immer bleiben, solange ich keine Schwingungen empfange.

Ich vermute auch, dass die beiden Jungs Hilfe brauchen, die sie scheinbar durch euch bekommen können. Bernhards Signal kann scheinbar nur von Noah und Simon empfangen werden, da von euch beiden kein Hinweis in diese Richtung kam. Bernhard ergeht es wie mir, er empfängt keine Signale. Meine Signale werden von Noah, Simon, Gerry und David erkannt.

Diese Vier sind diejenigen, die untereinander die Signale senden und empfangen können. So viel steht jetzt für mich fest. Ihr drei, also mit Noah zusammen, solltet nachher zu Simon und seinen Eltern gehen und miteinander reden. Vielleicht seid ihr hinterher schlauer.

Wir sollten jetzt auf alle Fälle schnellstens unten beim Frühstück auftauchen, bevor über uns Gerüchte verbreitet werden.“

Die beiden Jungs verschwanden, ich ging kurz ins Bad und fünf Minuten später stand ich im Esszimmer und half beim Tisch eindecken. Mein Handy klingelte und Robert meinte, ich solle doch um neun Uhr in seinem Büro sein, der Bürgermeister und sein Bauamtsleiter wollen noch etwas besprechen. Ich sagte zu, dass ich gegen neun Uhr mit Gerhard und den Jungs der Stiftung bei ihm sein würde. Felix und David nickten nur, so rief ich kurz Gerhard und Benjamin an und informierte sie von unserem Termin.

Nach dem Frühstück meinte Gerry, dass er wohl nur mit Noah zu Simon gehen würde, da David verhindert sei. Ich meinte, dass David besser mit den beiden Jungs mitgehen soll, wir würden ihn auf alle Fälle darüber informieren, um was es bei dem Gespräch mit den Gemeindevertretern gegangen sei. Dem Rest teilte ich nur mit, dass wir nach dem Mittagessen die Heimreise antreten werden und sie schon ihre Reisetaschen packen sollten.

Kurz vor neun Uhr standen wir in Roberts Büro. Bis die Herren Schaffelhuber und Sandmeier auftauchten tauschten wir die letzten Neuigkeiten aus. Ich fragte Robert auch nach seinen Kenntnissen über die Familie Bauer aus und erklärte ihm, dass vermutlich sein Sohn Simon bei uns eine Ausbildung in der IT-Abteilung absolvieren würde.

Robert meinte dazu: „Ich denke, dass es gut für Simon sein wird, wenn er bei euch seine Ausbildung machen kann. Ich habe immer den Eindruck, dass die beiden ihren Sohn vor allem beschützen wollen. Er muss seine eigenen Erfahrungen sammeln können und das geht nur, wenn er nicht ständig unter ihrer Kontrolle ist. Simon ist ein netter Junge, der nie Probleme mit anderen Kindern hatte.“

Es klopfte und die beiden Gemeindevertreter traten ein. Als sie sich zu uns gesetzt hatten sagte Korbinian: „Ich möchte mich bei euch entschuldigen, dass ich euch so früh bereits gestört habe. Der Architekt hat mich bereits um sieben Uhr angerufen und mir erklärt, dass es dabeibleibe, dass er den Auftrag nicht weiterführen wird. Er bat darum, in der Öffentlichkeit zu erklären, dass er sich wegen schwerwiegender Differenzen mit dem neuen Eigentümer des Campingplatzes aus dem Projekt zurückgezogen habe und der Auftrag neu vergeben wird.

Peter, ich möchte auf dein Angebot zurückkommen und das Projekt mit eurem Architekten in Rosenheim abwickeln. Wenn wir wieder auf einen Architekten aus der Nähe zurückgreifen, befürchte ich, dass, dass wir das gleiche Dilemma erneut erleben. Einer der Dauercamper hat mir gestern noch einige Informationen zukommen lassen und ich ahne jetzt, wer hinter der ganzen Sache steckt.“

Ich antwortete: „Korbinian, ich setze mich am Montag mit unserem Architektenteam zusammen. Dazu brauche ich kurzfristig aussagefähige Unterlagen über die zu bebauenden Flächen. Wichtig ist, wenn ihr meinem Vorschlag folgen solltet und alle Häuser an ein Fernwärmenetz anschließen wollt, dass ihr in kürzester Zeit die Voraussetzungen dafür schaffen solltet, einschließlich der Gründung der Gesellschaft mit Bürgerbeteiligung.

Wie viele Biogasanlagen gibt es in der näheren Umgebung, mit welcher Abwärme Leistung ist zu rechnen und wie kann der Rest abgedeckt werden. Bei einem Verbund aus mehreren Biogasanlagen verringern sich die Anschaffungskosten für das Blockheizkraftwerk.

Ich werde euch unterstützen, so gut ich kann. Die Initiative muss von der Gemeinde und den Gemeindevertretern ausgehen. Gerhard, ich denke, dass du meiner Meinung bist, was dieses Thema angeht.“

Gerhard erklärte: „Grundsätzlich bin auch ich der Meinung dass es nur dann Sinn macht, wenn die Gemeinde und ihre Vertreter hinter einem Projekt stehen. Ansonsten gibt es zu viele Meinungen oder Einwendungen, die alles unnötig verzögern können. Gerade in Anbetracht der aktuellen Situation muss das erklärte Ziel sein, wenig Angriffsfläche zu bieten.“

Hubert meinte: „Im Auto habe ich zwei Ordner der Gemeinde mit den vollständigen Unterlagen, die wir dem Architekten für die Planung zur Verfügung gestellt haben. Diese beiden Ordner wurden gestern Abend noch bei meiner Frau abgegeben, während wir noch bei euch in der Versammlung mit den Dauercampern waren. Ich habe mir die Ordner kurz durchgeschaut. Diese sollten alle Unterlagen enthalten, die du an dein Architektenteam weiterreichen kannst.“

Korbinian schaute ihn an und fragte: „Warum hast du mir bei unserem Telefonat nicht gesagt, dass der Architekt bereits gestern Abend, bei dir zuhause, die ihm ausgehändigten Unterlagen abgegeben hat.“

Hubert grinste und antwortete: „Ganz einfach, ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht, dass Unterlagen abgegeben wurden. Meine Frau hat mir das erst gesagt, als ich ihr erklärte, dass ich mit dir noch einmal zu einem Gespräch mit dem neuen Eigentümer des Campingplatzes fahren will. Erst da hat sie mich aufgefordert, die Unterlagen mitzunehmen und dir auszuhändigen. Das war die Anweisung von demjenigen, der sie bei ihr abgeliefert hatte.“

Korbinian meinte: „Ich will euch auch nicht länger aufhalten, meine Frau erwartet mich zum Kirchgang. Ich muss bis zehn Uhr wieder zuhause sein, damit ich mir keinen Ärger einfange. Hubert, übergib bitte die Unterlagen an Peter. Ich verabschiede mich von euch und wir bleiben in Kontakt.“

Er stand auf, zog sich seine Winterjacke an und gab jedem kurz die Hand, bevor er den Raum verließ. Hubert stand auf und meinte, dass er kurz die Unterlagen holen will, bevor er ebenfalls nach Hause fahren wird. Keine zwei Minuten später stand er im Büro und übergab mir die Unterlagen. Er verabschiedete sich ebenfalls und wir saßen wieder nur mit Robert im Büro.

Ich erklärte: „Robert, dir ist inzwischen hoffentlich klar geworden, dass sich in den nächsten zwei Jahren so einiges verändern wird. Dir wird in dieser Zeit sicher nicht langweilig werden. Aber mal eine ganz andere Frage. Könntest du dir vorstellen, dass dein Saisonmitarbeiter Konrad Huber die Planung der Außenanlagen rund um den Neubau übernehmen kann, aber auch den Freiflächenplan für die neuen Stellplätze der Camper und die Tiny-Häuser. Dazu soll er nicht nur die Pläne erstellen, sondern auch die Ausführung überwachen.“

Robert schaute mich mit großen Augen an und erklärte: „Du kommst auf Ideen, auf die ich nie gekommen wäre. Ehrlich gesagt, ich bin mir sicher, dass er der richtige Mann für diese Aufgabe ist.“

Ich meinte: „Dann darfst du ihm auch die frohe Botschaft überbringen. Zuerst brauchen wir die Planung für die neuen Stellplätze der Camper. Wenn die Planung für das Gebäude steht, sollte er mit der Planung des Außenbereichs beginnen. Danach kommt der Bereich für die neuen Tiny-Häuser. Wenn er es sich zutraut, könnte eventuell der Spiel- und Bolzplatzbereich noch dazukommen. Letzteres ist eine Entscheidung, die dann von der Gemeinde getroffen wird.“

Mein Smartphone machte sich bemerkbar und zeigte mir eine Nummer, der bisher kein Name zugeordnet war. Ich nahm das Gespräch entgegen und es meldete sich Oliver Fischer. Er meinte: „Du bist gestern nach der Versammlung so schnell verschwunden, dass ich keine Gelegenheit mehr hatte, dir meine Frau vorzustellen. Können wir uns vielleicht heute noch vor eurer Abreise treffen?“

Ich antwortete: „Oliver, zuerst möchte ich mich entschuldigen. Ich habe nach dem Gespräch mit Bruno Bauer nicht mehr daran gedacht, dass wir uns noch kurz zusammensetzen wollten. Er hat mir von seinem Sohn Simon berichtet, der ebenfalls am Asperger-Syndrom leidet wie Noah, unser IT-Mitarbeiter. Noah wollte Simon schnellstens kennenlernen und deswegen sind wir beide kurzfristig verschwunden.

Aber nun zu deiner Frage, ob wir uns heute noch treffen können. Wäre es möglich, dass ihr so kurz vor ein Uhr hier seid, ich würde euch zum Essen einladen und dabei können wir das Kennenlernen nachholen. Ich vermute, dass ihr eine Entscheidung getroffen habt und uns in Rosenheim besuchen wollt.“

Oliver besprach sich wohl mit seiner Frau, denn ich konnte nicht richtig verstehen, was gesagt wurde. Nach kurzer Zeit meinte er: „Okay, Familienrat hat zugestimmt, wir sind kurz vor dreizehn Uhr im Restaurant.“

Wir verabschiedeten uns und ich beendete das Gespräch mit Oliver. Ich fragte in die Runde: „Gibt es noch etwas, was wir sofort besprechen müssen? Ansonsten würde ich sagen, dass wir alle weiteren wichtigen Dinge in Online-Konferenzen in den nächsten Wochen besprechen werden, sofern das in der Form möglich ist.“

Robert schaute uns an und sagte: „Keine Ahnung, so etwas habe ich bisher nicht gemacht. Es bestand nie die Notwendigkeit, mich mit so etwas zu befassen. Dazu sollten wir später Oliver befragen, der wird euch die Frage sicher beantworten können.“

Gerhard, Felix, Benjamin und ich verabschiedeten uns bis zum Mittagessen von Robert und verließen das Verwaltungsgebäude. An der frischen Luft holte ich mein Smartphone aus der Hosentasche und wählt Davids Nummer.

Als er sich meldete, fragte ich, wie es ihnen erginge und wo sie gerade stecken würden. Wir sitzen im Moment bei Simon und seinen Eltern im Wohnwagen und Simon versucht seinen Eltern seine Gefühle für Noah zu erklären. Wäre nicht schlecht, wenn du vorbeikommen würdest und ihn und uns unterstützen könntest. Ich sagte einfach zu, ohne lange darüber nachzudenken.

Während ich zum Wohnwagen von Simons Eltern ging, liefen Gerhard und die Jungs zu den Ferienhäusern, um ihre Reisetaschen zu packen. Ich klopfte an und Bruno öffnete mir und bat mich herein. Ich setzte mich zu ihnen in die Sitzgruppe und fragte, womit ich helfen könne.

Bruno und seine Frau schauten mich an, bis Babsi sagte: „Peter, das Outing unseres Sohnes kommt etwas überraschend. Bisher habe ich nie Anzeichen erkennen können, dass Simon überhaupt ein Interesse an einer Beziehung, egal ob zu einer Frau oder einem Mann, haben könnte.“

Ich schaute in die Runde und fragte die Jungs, ob sie eine Idee hätten, warum das so sein könnte. Alle schüttelten den Kopf, so dass ich es mit einer Erklärung versuchte: „Bruno, Babsi, ich kann es nicht mit Sicherheit behaupten oder gar beweisen. Ich vermute eher, dass es in beiden Jungs im Verborgenen schlummerte. Durch die Ereignisse des gestrigen Abend könnte es mit dem Ausbruch aus dem Schneckenhaus zusammenhängen. Auch hierbei wurde vermutlich bei beiden Jungs gestern Abend eine weitere Blockade gelöst. Du hast mir gestern erzählt, dass er sich als kleiner Junge schon zu Noah hingezogen fühlte, weil er von sich aus die Hand von Noah ergriffen hatte und ihn zum Spielplatz des Krankenhauses geschleift hat, was dich damals verwundert hat. Vielleicht war das bereits das Anzeichen, das damals keiner richtig deuten konnte.“

Bruno meinte: „Peter, ich denke, dass du mit deiner Vermutung den Nagel auf den Kopf getroffen hast. Es gibt noch etwas, das bisher nicht angesprochen wurde. Bis Simon sich gestern Abend schlafen legte, gab es keine Anzeichen, dass er sich wieder in sein Schneckenhaus verkrochen hat. heute Morgen war alles wie früher, er hatte sich wieder zurückgezogen.

Kurz bevor die Jungs bei uns auftauchten, änderte sich das schlagartig. Er sagte uns, dass wir gleich Besuch von David, Noah und Gerry bekommen würden. Keine zwei Minuten später klopften die Jungs am Wohnwagen. Babsi und ich waren so verblüfft, dass wir die Jungs einfach hereingebeten haben. Verwunderlicher war aber, dass er, ohne mit den Jungs auch nur ein Wort gesprochen zu haben, erklärte, dass er schwul sei und sich in Noah verknallt habe.“

Noah meinte: „Das stimmt so nicht ganz. Es gab keinen Wortwechsel zwischen uns und Simon, soweit kann ich das bestätigen, aber zwischen mir und Simon gab es eine nonverbale Unterhaltung, mit der ich ihm erklärte, dass wir zu seiner Unterstützung hier seien und er sich auf uns verlassen könne.“

David grinste mich an und ergänzte: „Peter, ich habe bemerkt, dass zwischen den beiden etwas war, nur konnte ich es nicht herausfinden oder richtig deuten. Mit Noahs Aussage von eben ist mir klar geworden, dass die beiden richtig kommuniziert haben, wir aber vom Inhalt ausgeschlossen wurden. Ich vermute, dass die Signale verschlüsselt ausgetauscht wurden und mir nur die Informationen zum Entschlüsseln fehlen.“

Ich hatte während Davids Ausführungen die beiden Jungs intensiv beobachtet und als beide ein Lächeln zeigten wusste ich, dass David mit seiner Vermutung richtig gelegen hat, was ich ihm aber nicht bestätigte.

Ich schaute wieder zu Babsi und Robert und fragte: „Welche Konsequenzen hat das für unsere gestrige Vereinbarung, dass ihr nach Rosenheim kommt und euch alles anschaut, bevor Simon im Sommer bei uns seine Ausbildung antreten könnte?“

„Keine“, bevor sie sich unterbrach, dann aber doch weitersprach: „Wenn wir dem Glück unseres Jungen nicht im Weg stehen wollen, gibt es für uns keine andere Möglichkeit, als loszulassen und ihm eine vernünftige Ausbildung zu ermöglichen. Da wir nie mit Enkelkindern gerechnet haben, trifft uns Simons Aussage, dass er sich in Noah verknallt hat nicht mit der vollen Wucht, mit der es andere Eltern treffen kann. Die Ärzte haben uns schon damals erklärt, dass der größte Teil der Erwachsenen mit Asperger-Syndrom zu keiner festen Beziehung fähig sind und wir haben uns darauf eingestellt. Dass er in diesem Punkt jetzt doch anders ist, freut mich für unseren Simon.“

Ich überlegte kurz. Nächstes Wochenende beginnen in Bayern die Faschingsferien. Vielleicht wäre es ja möglich, dass Simon eine ganze Woche bei uns verbringen könne. Ich verwarf die Idee mit der Begründung, dass es der falsche Zeitpunkt sei, so etwas anzusprechen. Was mich dabei irritierte, war der Umstand, dass Noah plötzlich lächelte.

So meinte ich nur: „Dann bleibt es dabei, wir sehen uns am Freitagmittag und am Samstag fahren wir mit den beiden Jungs zum Einkaufen. Das scheint ja bereits gesichert zu sein, wenn ich das richtig interpretiert habe.“

Bruno grinste und sagte: „Wenn es Simon hilft aus seinem Schneckenhaus herauszukommen, haben wir doch keine andere Wahl, als ihm diese Chance zu geben.“

Ich erklärte: „Ich denke, ihr braucht meine Unterstützung nicht mehr. Ich muss noch meine Reisetasche packen, bevor es am Nachmittag nach Hause geht. Wir sehen uns sicher später, wenn wir abreisen.“

Ich stand auf, verließ den Wohnwagen und ging zurück ins Ferienhaus. Während ich meine Reisetasche packte, stand plötzlich Gregor hinter mir und fragte: „Peter, kannst du mir erklären, was mit Gerry los ist. Seit gestern Abend ist er verändert, und heute hat er noch kein Wort mit mir gesprochen. Habe ich einen Fehler gemacht? Was soll ich nur machen?“

Ich hatte mich auf mein Bett gesetzt und sagte: „Gregor, setz dich zu mir. Dann kann ich dir alles erklären.“

Nachdem er sich endlich gesetzt hatte, erzählte ich ihm: „Gregor, Gerry ist weder sauer auf dich, noch hast du einen Fehler begangen. Gestern Abend, als ihr euch Familie Bauer vorstellen solltet, hatte er ein Erlebnis der mysteriösen Art. Es hat nicht nur ihn getroffen, auch David wurde davon verunsichert. Im Unterschied zu Gerry, David hat mit mir zumindest darüber gesprochen.

Damit du alles verstehst, muss ich etwas ausholen. Auslöser waren die beiden Jungs Noah und Simon, die unsichtbare Signale aussenden. Inzwischen weiß ich auch, dass auch Bernhard und ich Signale ausstrahlen, für die aber nur bestimmte Personen empfänglich sind. Du gehörst nicht dazu. Bernhard empfängt meine Signale nicht, das ist definitiv. Bis gestern hat Gerry auch keine Schwingungen empfangen können.

Bei Noah und Simon wurde in jungen Jahren das Asperger-Syndrom diagnostiziert. Die beiden haben sich vor etwa zehn Jahren im Krankenhaus kennengelernt, sich dann aber aus den Augen verloren. Bei Noah hat die positive Veränderung angefangen, als er vor knapp zwei Wochen zum Vorstellungsgespräch bei uns war. Er hat mir erklärte, dass ich ihn mit meinen Schwingungen aus seinem Schneckenhaus herausholen würde.

Die gleichen positiven Signale werden auch von Bernhard ausgestrahlt, aber in geringerer Stärke. Das ist mit ein Grund, warum die beiden in ihrer Arbeit perfekt harmonieren. Gestern Abend haben mir Noah, aber auch Simon berichtet, dass sie nicht nur meine und Bernards Signale empfangen können, sondern David und Gerry ebenfalls ein für sie erkennbares Signal ausstrahlen würden.

David meinte heute Morgen, dass er den Eindruck habe, dass Simon und Noah ineinander verknallt seien und Hilfe benötigen. Zumindest hat er das Signal so interpretiert. Inzwischen hat sich das auch bestätigt. Noah, David und Gerry sind im Wohnwagen bei Simon und seinen Eltern und haben ihn bei seinem Outing unterstützt. Seine Eltern haben es problemlos aufgenommen, also Mission erfüllt.

Ich vermute, dass er nichts zu dir gesagt hat, weil er Angst davor hatte, dass du ihn für verrückt erklären würdest und nichts mehr von ihm wissen willst. David hat sich auch monatelang nicht getraut mir zu sagen, dass er meine positiven Signale empfangen kann und sie ihm beim Lösen von Problemen unterstützen, weil er genau diese Angst hatte. Erst heute morgen kam er zu mir und erzählte mir davon.

Dass da etwas Bestimmtes sein musste, wurde mir klar, als Noah sich positiv verändert hat. Was es war, erfuhr ich erst durch Noah, als er mir erklärte, dass Bernhard und ich einen positiven Einfluss auf ihn haben und aus seinem Schneckenhaus herausgelockt haben. Den gleichen Effekt haben Noah und ich gestern bei Simon ausgelöst.“

Als ich geendet hatte, schaute mich Gregor an und meinte: „Peter, du vermutest richtig. Wenn Gerry mir das erzählt hätte, ich hätte ihm kein Wort geglaubt. Da du mir die ganze Geschichte sehr plausibel erklärt hast, zweifle ich nicht daran. Sie klingt verrückt, auch wenn sie es nicht ist. Danke, dass du mir alles begreiflich gemacht hast.“

Ich hatte meine Tasche fertig gepackt und trug sie ins Erdgeschoss, wo ich auf Heiko und Ryan traf, die ich sofort fragte: „Jungs, wie war euer Ausflug ins Allgäu, etwas gelernt und neue Eindrücke gesammelt oder vielleicht mysteriöse Empfindungen verspürt?“

Ryan schaute mich an und erklärte: „Peter, wenn ich ehrlich sein soll, ich habe mir nicht vorstellen können, dass eine Projektbesichtigung so interessant und informativ sein kann. Ich habe mir das viel langweiliger vorgestellt. Du hast die beiden Versammlungen mit den Mitarbeitern und mit den Dauercampern genauso professionell abgehandelt, wie bei uns im Ostseehotel. Was ich gerne wissen würde, hat die Rezeption bei uns im Ostseehotel genauso doof aus der Wäsche geschaut, wie Frau Oberndörfler bei unserer Ankunft?“

Ich musste grinsen, als ich mich daran zurückerinnerte und sagte: „Mit Sicherheit hat die Dame an der Rezeption, aber auch euer Hotelchef, so reagiert, als ihnen auffiel, dass die Gruppe zur Besichtigung nicht aus mehreren älteren Herren mit ihrem Anhang bestand, sondern nur von einer Gruppe von jungen Leuten, die von einem älteren Herrn anführt wurden.

Ich kann mich gut daran erinnern, dass ich ihn sogar bei der offiziellen Führung durchs Hotel ausgetrickst habe, in dem ich für meine jungen Mitarbeiter einen Auszubildenden als Führer angefordert habe, die sie dann mit Malte absolviert haben. Sie haben genau das sehen können, was mir Jan vorenthalten wollte. Wir sind uns damals im Personalraum zum ersten Mal begegnet.“

Ryan grinste und meinte: „Jetzt verstehe ich auch, warum deine Jungs damals von Malte durchs Haus geführt wurden und wir von ihnen ausgehorcht wurden. Sie waren deine Augen und Ohren, die das sehen und hören sollten, was du nicht wissen solltest. Das du so ein Schlitzohr bist, hätte ich dir jetzt nicht zugetraut.“

Ich erklärte: „Ryan, ich arbeite lange genug, um zu wissen, dass dir bei solchen Führungen immer nur die Schokoladenseite gezeigt wird. Wenn du das nicht willst musst du dir etwas einfallen lassen, um das zu Unterlaufen. Jan hat sicher geahnt, dass ich ihn austricksen will. Er hatte nur gehofft, dass Malte den Jungs nur die Sahneschnitten des Hotels zeigen wird. Das wussten meine Jungs vorher, deshalb waren sie auch so erfolgreich, weil Malte keine Ahnung hatte. Keine Panik, von mir wird Jan nie erfahren, was meine Jungs herausgefunden haben. Diese Erkenntnisse sind nur in die Umbauplanung mit eingeflossen.“

Ich schaute Heiko an und fragte nach, was er mir berichten könne. Er meinte zuerst nur das gleiche, was Ryan mir schon geschildert habe. Als ich ihn intensiv fixierte meinte er: „Peter, du hast doch vorher von mysteriösen Empfindungen gesprochen. Bitte erkläre mich nicht für verrückt, wenn ich dir das erzähle.“

Ich lächelte ihn an, ich hatte gespürt, dass da wieder einmal etwas war. Heiko erzählte: „Ich habe gestern Abend, als wir uns bei Simon und seinen Eltern vorstellen sollten, kurze Zeit das Gefühl gehabt, als würde ich die Schwingungen eines weit entfernten Erdbebens spüren. Da es scheinbar keinem anderen aufgefallen ist, habe ich es lieber für mich behalten.“

Ich lachte und erklärte dann: „Heiko, ich lache nicht über dich. Aber deine Schilderung ist die bisher originellste, die ich gehört habe. Es gab gestern kein Erdbeben, dass hier seine Auswirkungen gezeigt haben könnte. Was ich dir jetzt erkläre, wird dir komplett verrückt vorkommen. Ich nenne dir jetzt sechs Namen, Noah, Simon, Gerry, David, Bernhard und Peter, die an dem Spektakel beteiligt waren.“

Heiko meinte: „Peter, du willst mich verarschen, ich glaube dir das nicht.“

Ich erklärte: „Keine Sorge ich verarsche dich nicht. Ich sende „Signale“ und kann es selbst nicht spüren. Erst heute hat mir David bestätigt, dass er positive Signale von mir empfangen kann, die ihm helfen, sich bei Problemen in die richtige Richtung zu entscheiden. Bei Noah ist es mir seit gut einer Woche bekannt und Simon gehört seit gestern dazu. Noah und Simon leiden am Asperger-Syndrom. Beide behaupten, dass ich sie mit meinem Signal aus ihrem Schneckenhaus herauslocke.

Das gleich gilt für Bernhard. Für ihn gilt das gleich wie bei mir. Auch er sendet Signale, die die beiden Jungs positiv beeinflussen. Gerry und dich kann ich nicht richtig einordnen. Gibt es bei dir in der in der Vergangenheit ein Ereignis, dass sich nachhaltig negativ ausgewirkt hat? Dann hätte ich zumindest einen Verdacht.“

Heiko überlegte und antwortete: „Ich empfange aktuell keine Schwingungen. Wenn dann können gestern nur die Jungs beteiligt gewesen sein. Immerhin sitzen drei der Jungs auf der Heimfahrt bei uns im Auto, ich werde da einmal darauf achten.“

Inzwischen hatten sich alle im Flur versammelt und beim Blick auf die Uhr meinte ich, dass wir unsere Taschen bereits ins Auto einladen und mit dem Auto zur Anmeldung fahren könnten. Erspart uns zumindest den Weg zurück zum Auto bei der Abreise.

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