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Traum oder Wirklichkeit
Weihnachtschallenge 2015
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Informationen
- Story: Traum oder Wirklichkeit
- Autor: Sunny
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Weihnachten, Challenge
Inhaltsverzeichnis
- TRAUM ODER WIRKLICHKEIT
- WIE ALLES BEGANN
- DIE REISE BEGINNT
- VERLOREN
- DIE WERKSTATT DES WEIHNACHTSMANNES
- OFFENBARUNG
- DIE RÜCKKEHR
- Das rote Stanniolpapier
TRAUM ODER WIRKLICHKEIT
Tag fünf unserer Expedition. Wir sind heute nicht weit gekommen. Die Schneestürme sind zu stark. Es liegen noch einige Tagesmärsche vor uns, wenn wir den Nordpol rechtzeitig erreichen wollen. Das Ziel dieser Reise: Die Werkstatt des Weihnachtsmanns.
WIE ALLES BEGANN
Was tat ich hier eigentlich? Gut 6 Monate ist es jetzt her, dass wir uns abends in unserer Stammkneipe entschlossen hatten, dem Geheimnis des Weihnachtsmannes auf die Spur zu kommen. Wir, das sind George 22 Jahre, Paul 23 Jahre, Peter 22 Jahre, Joshua 24 Jahre und meine Wenigkeit Mikel 23 Jahre alt, allesamt Studenten an der Universität in Murmansk im Studiengang Geologie in einem Auslandssemester.
Wie sind wir bloß auf diese blödsinnige Idee gekommen, Beweise für die Existenz der Weihnachtsmannwerkstatt zu finden? Na ja, den eigentlichen Anstoß habe ich an jenem Abend wohl mit meiner Aussage geliefert: manchmal stelle ich mir vor den Weihnachtsmann gäbe es wirklich und die Gedanken daran machen mich irgendwie glücklich……
Aus einem Gelächter der anderen heraus, obwohl wenn ich mir’s richtig überlege, Josh hat eigentlich nicht gelacht, nur gelächelt, kam der Vorschlag und dann der Entschluss, für die Hausarbeit, eine Expedition zum Nordpol zu unternehmen und die Werkstatt des Weihnachtsmannes zu suchen. Der Himmel weiß wie viel Promille dabei im Spiel waren. So ein Schwachsinn, aber wir hatten nach diesem Abend wirklich begonnen das zu planen und vorzubereiten. Keiner von uns ließ jemals Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieses Vorhabens aufkommen. Wir titulierten das Vorhaben natürlich nicht mit der Suche nach der Werkstatt des Weihnachtsmannes, sondern als Expedition zum Nordpol.
Vor 5 Tagen sind wir in Murmansk mit der Victory, einem Expeditionsschiff der russischen Eisbrecherflotte, aufgebrochen, das uns die Universität vermittelt hatte, die von unserer Expedition ganz begeistert war und uns als Expeditionsleiter Thomas Ulrich zur Seite gestellt hatte. Einen erfahrenen Mann, 45 Jahre alt, der schon unzählige Expeditionen zum Nordpol durchgeführt hatte.
Natürlich hat auch Thomas gegenüber keiner von uns erwähnt, dass wir die Werkstatt des Weihnachtsmannes finden wollen, darüber hatten wir selber auch gar nicht mehr gesprochen. Aber ich malte mir das nach wie vor in meinen Gedanken aus, wie das in der Werkstatt wohl aussehen müsste. Lacht nicht, aber ich bin ein hoffnungsloser Romantiker, manchmal würde ich gerne nochmal in die Kindheit zurückversetzt werden und an Weihnachten und den Weihnachtsmann glauben.
Der Leser fragt sich nun sicher, wo wir für so eine Expedition als Studenten das Geld hernehmen wollen. Nun, wie gesagt, die Uni unterstützt uns und außerdem haben wir allesamt ziemlich betuchte Eltern, die gerne für so ein Vorhaben Geld springen lassen, um mit ihrem Sprössling angeben zu können.
DIE REISE BEGINNT
Die ersten zehn Breitengrade, also gut eintausend Kilometer, führen durch die meist eisfreie Barentssee, benannt nach dem bekannten holländischen Seefahrer Willem Barents. Die VICTORY passiert den 80° Breitengrad Nord nach 4 Tagen, in etwa die Hälfte der vollen Distanz bis zum Nordpol. Hier beginnt die extreme Eissituation der Arktis und wir rechnen jederzeit mit dem Erreichen der Packeisgrenze. Als wir diese am 5 Tag erreicht haben ist unsere Reise mit dem Schiff beendet. Wir haben das Schiff verlassen und uns auf den Weg gemacht die letzten 60 Km zum Nordpol hinter uns zu bringen.
Natürlich hatten wir das Ganze in die Weihnachtszeit gelegt, kurz vor den Festtagen, wo der Weihnachtsmann Hochkonjunktur hat, aber doch so, dass wir an den Weihnachtsfeiertagen wieder bei unseren Familien sein konnten.
Und nun das, gleich nach 20 Km Fußmarsch kamen wir in einen fürchterlichen Schneesturm, wir hatten gerade noch Zeit unser Lager aufzubauen und alles fest zu zurren. Nun lagen wir in unseren Zelten, mit gefühlten 7 Jacken im Thermoschlafsack und kämpften gegen die Kälte an. So hatte ich mir das nicht vorgestellt.
In meinem Zelt waren noch Thomas unser Expeditionsleiter und Josh.
„Versucht ein paar Stunden zu schlafen, sobald der Sturm nachlässt werden wir aufbrechen, wir hängen nun schon einen Tag hinter dem Zeitplan.“
Klasse, ich wälzte mich von links nach rechts und konnte einfach nicht einschlafen. Mir gingen tausend Dinge durch den Kopf und ich muss gestehen, ich hatte Angst. Mitten im ewigen Eis bei Schneesturm im Zelt zu liegen, was wenn wir hier festsitzen? Ich fröstelte, und bekam eine Gänsehaut. Aber nicht nur wegen der Kälte, sondern bei den Gedanken was da alles passieren könnte.
Neben mir raschelte es, Josh hatte sich umgedreht und lag jetzt direkt an meinem Rücken. Das hatte ich mir schon lange gewünscht, aber nicht bei gefühlten -100 Grad und 10 Kilo Kleidung zwischen uns! Bei 20 Grad, Sonnenschein und nackt wäre das wesentlich schöner, ja ihr habt richtig gehört, ich stehe auf Jungs und in Josh habe ich mich, als ich ihn das erste Mal gesehen habe, sofort verguckt.
Josh ist ungefähr so groß wie ich, schlank, durchtrainiert, hat braune, kurze Haare und die schönsten braunen Augen, die ich jemals gesehen habe. Als ich ihn in der Uni das erste Mal gesehen habe traf es mich fast wie ein Blitz. Ich habe mich aber bisher nicht getraut ihn zu fragen, überhaupt bin ich auf der Uni nicht geoutet.
Zuhause schon, meine Mum hatte mich, als sie mal früher als erwartet heimgekommen ist, eiskalt erwischt. Sie stürmte in mein Zimmer als ich gerade mit einem Freund im Bett lag und mit dem Mund ein ganz bestimmtes Körperteil bearbeitete. Ich muss grinsen, wenn ich daran zurückdenke, Mum stieß einen Schrei aus, wie wenn sie gerade abgestochen würde, ich verschluckte mich und bekam einen Hustenanfall und mein Freund lag wie versteinert mit weit aufgerissenen Augen da und sagte gar nichts.
Meine Mum verließ dann fluchtartig den Raum und war nicht mehr ansprechbar. Normalerweise sind es ja immer die Mütter, die damit besser zurecht kommen, in meinem Fall war es umgekehrt. Mein Vater sah das ganz locker und brachte meine Mutter wieder in die Spur. Das war vor 4 Jahren. Heute können die beiden damit ganz unbefangen umgehen. Und für die Enkelkinder können meine beiden älteren Schwestern sorgen.
Wie gesagt in der Uni weiß niemand etwas. George und Paul haben beide Freundinnen, Peter hat sich vor einer Weile von seine Flamme getrennt und Josh,…… ja Josh hatte eigentlich, solange ich ihn kenne, noch nie eine Freundin. Ob er vielleicht auch?? Aber ich habe eigentlich noch nie Anzeichen bei ihm bemerkt. Na ja, auf der anderen Seite würde ich das wahrscheinlich gar nicht richtig mitbekommen, weil ich, wenn er da ist, viel zu verpeilt bin. Ich überlegte mir ob ich mich ihm gegenüber vielleicht doch offenbaren sollte und darüber schlief ich endlich ein.
Gott wie das glitzerte, wir hatten sie tatsächlich gefunden, mitten im ewigen Eis ist sie plötzlich im hellen Sonnenlicht aufgetaucht, genau wie in Santa Claus, meinem Lieblingsweihnachtsfilm.
Hand in Hand mit Josh rannte ich durch das große Tor und wir standen im Innenhof, als sich plötzlich direkt vor uns der Boden öffnete und sich eine Gletscherspalte auftat. Josh rutschte ab und stürzte in die Spalte, wobei ich seine Hand nicht los ließ und ihn gerade noch halten konnte. Ich schrie wie ein Wahnsinniger als mich jemand an der Schulter packte und hochriss. „Aufstehen, wir müssen los, der Sturm hat nachgelassen“, meinte Thomas, „hast wohl schlecht geträumt was?“
Verschlafen schaute ich mich um und realisierte wieder wo ich war. Ich zog den Reißverschluss von unserem Zelt auf. Der Sturm hatte nachgelassen, aber es schneite noch. Draußen sah ich die anderen um eine Feuerstelle stehen, also kroch ich aus dem Schlafsack. Darüber wachte Josh auf, er machte die Augen auf schaute mich an und murmelte, „Morgen, wie sieht´s denn aus?“
Ich starrte ihn an und das einzige was mir in den Sinn kam war, Gott sieht der mit seinen verstrubbelten Haaren und den verpennten, braunen Augen gut aus.
„Hallo…., Mikel…., aufwachen, oder hat’s dir die Sprache verschlagen ?“ Ich zuckte zusammen und stotterte, „Nö, alles klar, es schneit.“ Josh grinste mich nur an und kroch dann ebenfalls aus dem Schlafsack. „Hallo Jung’s, alles klar bei euch ?“, wurden wir von den anderen begrüßt. „Logo, wie sieht’s denn aus?“
Alle starrten Thomas an, der uns hoffentlich sagen würde, wie es weiter geht. „Ok Jung’s“, begann er, „wir müssen schauen, dass wir vorwärts kommen, wir hängen unserem Zeitplan ganz schön hinterher. Gott sei Dank hat es aufgehört zu stürmen, der Schnee sollte uns nicht zu stark behindern. Allerdings ist es gefährlicher geworden, durch den starken Schneesturm hat sich die Landschaft verändert, die Spalten im Eis sind zugeweht worden und es ist gefährlich. Wir müssen jeden Schritt vorwärts sehr vorsichtig machen. In dieser Gegend gibt es viele tiefe Gletscherspalten, wenn da einer rein rutscht dann gute Nacht.“
„Du wirst uns schon gut führen“, warf Peter ein.“ „Genau, das ist ja das Problem“ , antwortete Thomas, „wie ich schon sagte, die Landschaft hat sich verändert und auch ich muss extrem aufpassen. Unser Zeitplan passt einfach nicht mehr. Ich habe heute Morgen mit der Basis gesprochen, wir müssen uns jetzt entscheiden. Gehen wir weiter, dann könnte es sein dass ihr am 24. Dezember nicht mit Mami und Papi unter dem Weihnachtsbaum sitzen könnt. Oder, wir brechen ab und gehen zurück. Wir müssen der Victory Bescheid geben, überlegt’s euch !“
Damit nahm er sich einen Kaffee, den George auf dem kleinen Kocher mit geschmolzenem Schnee und Instant-Kaffee-Pulver zubereitet hatte und verschwand im Zelt.
Wir schauten uns etwas ratlos an. „Ich weiß nicht“ begann ich, „Weihnachten nicht bei der Family zu sein, das würde mir nicht gefallen“. „Schau an, unser Mikel will zu Mami“, lachte Peter los. „Ich wusste gar nicht das du ein so ein Muttersöhnchen bist“, ergänzte Paul. Inzwischen war ich ganz schön wütend geworden und wollte schon loslegen, als Josh sagte: „Sagt mal, hat der Schneesturm euer Gehirn vernebelt, was soll denn die Scheiße, ihr wisst genau wie Mikel Weihnachten liebt, das ist ja eigentlich auch der Grund warum wir hier sind, oder? Also hört auf mit der Scheiße.“
Ich warf ihm einen dankbaren Blick zu und Paul antwortete, „Ja, sorry, ist ja schon gut, du hast ja Recht. Mikel, nichts für ungut, war nicht so gemeint.“
„Genau“, murmelten die beiden anderen und George fuhr fort, „Also Männer, wenn wir jetzt umdrehen können wir unsere Hausarbeit vergessen, dann haben wir fast ein viertel Jahr verloren, ist ein Weihnachtsfest, das wir vielleicht nicht zu Hause sind das Wert ?“
Alles schwieg, ich malte mit meinen Schuhen Kreise in den frischen Schnee, alles schaute mich an, als ob ich das nun entscheiden müsste. „Ok, also wegen mir machen wir weiter.“
„Gut so“, antwortete George, „wie sieht es bei den anderen aus?“
Josh antwortete als erster, „Also ich bin dabei.“ „Dito“, stimmten nun auch Peter und Paul ein. „Prima, dann sag ich Thomas Bescheid und ihr könnt ja schon mal anfangen das Lager abzubauen.“
Mit diesen Worten ging George und verschwand bei Thomas im Zelt.
Gemeinsam mit Peter begann ich das Zelt abzubauen
„Du Mikel, das war echt nicht so gemeint, sei mir nicht böse, ok?“
„Keine Sorge“, ist schon OK. Ich freute mich, dass Peter sich noch mal entschuldigte. Eigentlich hatten wir fünf nie großen Stress miteinander und wir verstanden uns prächtig. Außerdem war jeder immer für den anderen da. Wir hatten keine Geheimnisse voreinander, bis auf…., na ja ich hatte mir in letzter Zeit oft überlegt, ob ich mich vor meinen Freunden outen sollte, besonders die blöden Kuppelversuche gingen mir langsam auf den Wecker. Immer wenn in der Uni ein hübsches Mädchen vorbeikam ging es los. „Los Mikel, trau dich“, „Die ist doch was für dich“ und andere Sprüche, die ich schon nicht mehr hören konnte, aber irgendwie hatte ich mich doch nie getraut den Schritt zu wagen. Zu groß war die Angst, meine Freunde zu verlieren, wenn sie die Wahrheit über mich erfahren würden.
Dann glitt mein Blick hinüber zu Josh. Er verschnürte gerade einen Teil der Ausrüstung auf einem der Schlitten. Wenn ich mir das richtig überlegte, hatte sich Josh nie an den Sprüchen beteiligt. Er war mehr der ruhige, verträumte. Vielleicht hatte ich ja doch Chancen bei ihm. Ich musste mir eingestehen, dass ich mich hoffnungslos in den Bengel verliebt hatte. Und beschloss, ihn wenn wir wieder zurück sind, zu fragen und ihm zu gestehen was mit mir los ist. Wenn er nicht schwul wäre, hätte ich dann wenigstens Gewissheit und ich bräuchte mich dann auch nicht mehr zu verstellen.
„Hey, hör auf zu träumen“, unterbrach mich Thomas, „wir sind soweit und können starten.“
Ich zuckte zusammen und brummelte „ja, ja schon gut, ich komm ja schon“.
Das Wetter hielt, leichter Schneefall, die Sicht war gut und wir würden, wenn wir uns ran hielten, wohl einige Kilometer gut machen. Das war auch bitter nötig, wenn wir unser Ziel erreichen wollten und rechtzeitig wieder zurück sein wollten um mit der Victory zurück zu fahren.
Das monotone Stapfen durch die tief verschneite Landschaft ließ mir genug Zeit meinen Gedanken nachzuhängen und Josh zu beobachten. Selbst in der dicken Winterkleidung mit Handschuhen und Mütze sah er noch gut aus. Seine kurzen, braunen Haare mit ein paar längeren Strähnen, die nun frech unter der Mütze hervorschauten. Die dunklen, aber dennoch strahlenden Augen, eine perfekte Figur, die man sogar durch die dicke Kleidung erahnen konnte…. Wir waren schon ein paar Stunden unterwegs und ich stellte mir gerade vor, wie er sich vor mir in unserem kleinen Zelt entblättern würde, um sich dann in meinem Schlafsack zu verkriechen, als mich Thomas jäh aus meinen Träumen riss. „Fuck, schaut mal da vorne“. Ich schaute und versuchte in dem dichter gewordenen Schneetreiben etwas zu erkennen. „Da vorne kommt schon wieder eine Front auf uns zu, wir müssen machen, dass wir unser Lager aufbauen.“
In der Ferne sahen wir so etwas wie eine schwarze Wand, es sah ziemlich unheimlich aus und so beeilten wir uns, unsere Ausrüstung von den Schlitten zu holen und unsere Zelte aufzubauen. Inzwischen war es merklich dunkler geworden, der Wind hatte beachtlich an Stärke gewonnen und wir hatten ganz schön Mühe unsere Zelte aufzubauen und zu verankern. Auch der Schneefall hatte an Intensität zugelegt und nach kurzer Zeit so heftig, dass wir froh waren, als wir uns in unsere Zelte verkriechen konnten.
Ich war wieder mit Thomas und Josh zusammen. Thomas packte den Brenner aus und machte heißes Wasser. An Schnee mangelte es uns ja nicht und in kurzer Zeit brodelte das Wasser im Topf und Josh schmiss ein paar Teebeutel hinein und kurz darauf hielten wir alle einen Becher mit heißem Tee in den Händen, der nicht nur die Hände selbst, sondern auch von innen wärmte.
„Keine Ahnung wie das da draußen ausgeht und wie es weitergeht, so ein Wetter habe ich bei dieser Expeditionsroute noch nicht erlebt“, begann Thomas das Gespräch.
Ja, draußen heulte der Sturm inzwischen was das Zeug hielt und es war ganz schön unheimlich.
„Ich hab ganz schön Schiss“, hörte ich Josh sagen. „Na na, keine Angst, hier sind wir erstmal geschützt“, antwortete Thomas. „Erzählt doch mal, was macht ihr denn sonst so, außer studieren und wo verbringt ihr Weihnachten.“
„Na ja ich hoffe ich kann Weihnachten bei meinen Eltern in Offenburg verbringen“, antwortete ich, aber wenn ich das da draußen höre bin ich mir nicht so sicher, ob wir Weihnachten nicht hier verbringen müssen.“
„Wie kommt man denn von Offenburg an die Uni Murmansk ?“, fragte Thomas interessiert.
„Na ja, die Uni hat einen ausgezeichneten Ruf und eine Wahnsinns-Fakultät für Geologie. Wenn man es schafft für ein Auslandssemester hin zu kommen, dann kann man sich von schimpfen“.
„Ich nehme an dann sind eure Eltern nicht gerade arm, wenn Ihr euch das erlauben könnt – oder?“
„Na ja, arm sind wir wirklich nicht gerade, mein Vater ist Rechtsanwalt und hat eine gutgehende Kanzlei, sonst könnte ich mir das tatsächlich nicht leisten.“
„Und du?“ fragte Thomas, den Blick auf Josh gerichtet.
Josh, der die ganze Zeit still zugehört hatte, schaute auf den Boden und antwortete erst mal gar nicht.
Eigentlich wusste ich überhaupt nichts von ihm, wir, also Josh, ich und auch George, Paul und Peter waren gemeinsam von Frankfurt aus gestartet, alle mit denselben Ziel, und haben uns auf Anhieb verstanden, und auch über unser Zuhause und unsere Eltern, die tatsächlich alle nicht arm waren, haben wir schon oft gesprochen, alle…. außer, wenn ich mir’s recht überlege, außer Josh. Ich wusste eigentlich gar nichts von ihm. Kann es sein, das er, wenn wir über Zuhause geredet haben, nie etwas erzählt hat?
„Ich, ich….“, stammelte Josh.
„Na komm schon, erzähl mal“, Thomas schaute ihn erwartungsvoll an. Noch erwartungsvoller schaute ich ihn an, seine dunklen Augen hatten mit einmal ihren Glanz verloren und schauten ängstlich und traurig in das flackernde Licht der Öl-Lampe. Ich bekam ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Dieser Junge hatte es mir wirklich angetan, am liebsten hätte ich ihn in den Arm genommen und getröstet.
„Ich“, setzte Josh nun abermals an, „ich komme auch aus Offenburg“, dabei schaute er mich seltsam an, „aber ich habe keine reichen Eltern. Eigentlich habe ich nur noch eine Mutter und das Studium kann ich mir nur leisten, weil ich ein Full-Stipendium habe.“
Stille trat in unserem Zelt ein und Thomas und ich schauten betroffen drein.
„Was ist denn mit deinem Vater“, fragte ich vorsichtig.
„Der ist schon vor 10 Jahren an Krebs verstorben“, antwortete Josh und schaute traurig auf den Boden, „seitdem lebe ich mit meiner Mutter alleine.“ Nach einer Pause fügte er hinzu, „meine Mutter arbeitet als Sekretärin in einer Rechtsanwaltskanzlei.“ Dabei schaute er wieder so seltsam zu mir rüber, „und von dem Verdienst können wir uns ganz gut über Wasser halten, aber ohne das Stipendium könnte ich nicht studieren.“
„Und du kommst echt aus Offenburg, ich habe dich da noch nie gesehen“, sagte ich.
„Ich dich schon“, meinte Josh, „auf der Uni, aber neben dem Studium jobbe ich noch, um meine Mum etwas zu unterstützen. Deshalb bin ich auf den Veranstaltungen außerhalb der Vorlesungen auch meist nicht dabei. Aber ich habe dich auf dem Campus schon öfters gesehen“ meinte er, dem Blick auf mich gerichtet.
Das war mir jetzt echt peinlich, jetzt war ich es, der betreten zu Boden schaute, warum war mir dieser süße Kerl nie aufgefallen, aber scheinbar war ich ihm aufgefallen, ob er doch…….
„Leute, wir sollten versuchen etwas zu schlafen“, holte mich Thomas aus meinen Gedanken, „hoffen wir, dass es morgen besser aussieht und wir weiter können.“
Wir räumten das Geschirr weg, während unserer Unterhaltung hatten wir noch Suppe heißgemacht und Thomas löschte nun die Lampe.
Es war stockdunkel im Zelt und nur das Heulen des Sturmes war plötzlich in dieser Dunkelheit viel lauter als vorher und unheimlich dazu. Ich verkroch mich tief in meinem Schlafsack und versuchte etwas zu schlafen.
Neben mir hörte ich das tiefe, gleichmäßige Atmen von Josh, ich spürte seine Nähe und stellte mir vor mich an ihn an zu kuscheln. Allein der Gedanke daran erregte mich dermaßen, dass es in meiner Hose unangenehm eng wurde.
Irgendwann muss ich dann doch eingeschlafen sein und wachte auf, als mich jemand sanft an den Schultern rüttelte. Ich machte die Augen auf und sah Josh, der mich anlächelte und mich fragte, „Geht’s dir gut?“
„Warum sollte es mir nicht gut gehen.“
„Na, du hast dich so rumgewälzt und gestöhnt, da hab ich mir Sorgen gemacht.“
Josh lächelte mich an. Er saß im Schneidersitz vor meinem Schlafsack und hatte irgendwie so einen verträumten Ausdruck. Sollte er doch ?.... Alles Mögliche ging mir durch den Kopf, als der Reißverschluss unseres Zeltes geöffnet wurde und Thomas hereinkam. Mit ihm ein heftiger Wind und eine Menge Schnee. Jetzt erst realisierte ich, dass draußen immer noch der Sturm heulte.
„Jungs“, begann Thomas, „wir haben ein Problem. Der Sturm hat zwar etwas nachgelassen, ist aber immer noch heftig. Wir müssen die Expedition abbrechen und umdrehen. Wir schaffen es nicht und es ist auch zu gefährlich. Tut mir leid, aber ich kann das nicht verantworten. Fangt bitte an abzubauen.“ Damit verließ Thomas das Zelt wieder.
„Tja das war‘s dann wohl“, meinte Josh.
„Ja, echt scheiße, alles umsonst, jetzt müssen wir wegen der Semesterarbeit von vorne anfangen.“
„Stimmt, aber wir sollten anfangen abzubauen, mir ist ganz schön mulmig, da draußen tanzt ja ganz schön der Bär, hoffentlich geht das gut.“
„Keine Angst Josh, ich pass auf dich auf“, antwortete ich. Täuschte ich mich da, oder sah ich bei meinen Worten ein Aufblitzen in Josh’s Augen, na ja, wir mussten losmachen und mir blieb keine Zeit weiter darüber nachzudenken, aber ich beschloss, wenn wir das hier heil überstanden hatten, offen mit Josh zu sprechen. Was konnte schon groß passieren, mehr als das er anschließend nicht‘s mehr mit mir zu tun haben wollte, kann ja nicht passieren.
Also räumten wir unser Zeug zusammen und gingen nach draußen, wo George, Paul und Peter schon dabei waren Ihr Zelt abzubauen. Es ging ein eisiger Wind und das Schneetreiben war ziemlich stark, wir konnten kaum noch 50 m weit sehen.
Thomas rief uns zusammen und erklärte uns, dass wir sehr vorsichtig sein mussten. Er würde sich an die Spitze stellen und ermahnte uns, dicht hinter ihm zu bleiben und immer Sichtkontakt zu halten.
Nachdem wir alles auf die Schlitten gepackt und verzurrt hatten, machten wir uns auf den Weg. Thomas und Peter gingen mit dem ersten Schlitten voraus, gefolgt von George und Paul, und Josh und ich bildeten mit unserem Schlitten das Schlusslicht.
Mühsam stapften wir durch den hohen Schnee, die Füße wurden ganz schön schwer, denn es war anstrengend. Der Schlitten, den wir ziehen mussten, tat sein Übriges. Um besser atmen zu können hielten wir den Kopf gebeugt, damit der Sturm uns nicht ständig den Schnee ins Gesicht blies.
Ab und an wechselten wir ein paar Worte, aber das war ziemlich anstrengend. Zum einem wegen des Windes, der einen ganz schönen Krach machte, zudem hatten wir unsere Mützen bis weit über die Ohren gezogen und die Kapuzen auch noch darüber, da konnte man eh nicht viel verstehen und dazu hatte keiner von uns Lust, sich die Seele aus dem Leib zu brüllen.
Keine Ahnung wie viele Stunden wir so daher getrottet sind, der Sturm hatte ein klein wenig an Intensität verloren, als Josh mich plötzlich am Arm packte und schüttelte. Ärgerlich schaute ich nach rechts zu ihm rüber, sein Blick war stur nach vorne gerichtet und als er mich dann anschaute stand in seinen Augen das pure Entsetzen und er deutete mit dem Finger nach vorne.
VERLOREN
Ich wandte meinen Blick nach vorne und zuerst wusste ich gar nicht was er meinte, doch dann drehte sich mir mit einem Schlag der Magen um, nichts…. es war nichts zu sehen, niemand von den anderen war vor uns, wir waren mutterseelenalleine in dieser Eiswüste…..
Stumm starrten wir nach vorne. Keiner von uns konnte sich bewegen wir standen wie erstarrt da.
Josh fand als erster seine Stimme wieder. „Wo sind die anderen“, flüsterte er.
„Ich weiß es nicht“, flüsterte ich zurück.
„Wir müssen unsere Spuren zurückverfolgen, sonst finden wir hier nie mehr raus, Mikel, los komm schon, wir dürfen keine Zeit verlieren“.
Wie in Trance drehte ich mich um und wir begannen unsere Spuren zu suchen. Durch den Schneefall waren diese gerade noch so zu erkennen, wurden aber immer schwächer. Ich weiß nicht wie lange wir gelaufen sind, aber plötzlich waren die Spuren ganz weg.
„Wir sind verloren“, sagte Josh und schaute mich mit großen Augen an.
„Quatsch, aber es hat keinen Sinn jetzt umher zu irren. Wir schlagen jetzt unser Zelt auf und schlafen ein paar Stunden. Der Sturm lässt langsam nach und dann haben wir wieder bessere Sicht, außerdem werden die bestimmt nach uns suchen“.
Josh sah nicht gerade überzeugt aus, aber letztendlich riss er sich zusammen und wir bauten unser Lager auf.
Ziemlich müde und erschlagen wärmten wir uns, aus unserem bescheidenen Vorrat, eine Dose auf und aßen still schweigend etwas davon. Dann krochen wir in unsere Schlafsäcke und versuchten zu schlafen. Mir ging alles Mögliche durch den Kopf und ich überlegte, wie wir weiter vorgehen sollten.
Darauf verlassen, dass eine Suchmannschaft unterwegs war uns zu suchen…. Ich glaubte nicht daran, die einzige Möglichkeit war, wir mussten den Weg nach Süden finden, die Anlegebucht war genau südlich vom Nordpol. Ich schlüpfte aus dem Schlafsack und suchte unseren Kompass. Josh atmete tief und gleichmäßig, er war wohl fest eingeschlafen. Ich klappte den Kompass auf und versuchte mich im Schein der Taschenlampe zu orientieren.
Was war das, ich starrte auf den Kompass und drehte ihn hin und her, dann fiel mir ein, was unser Geologie Professor in einer seiner Vorlesungen erklärt hatte:
„Falls Sie auf dem antarktischen Magnetpol stehen, würde die Nadel senkrecht in die Luft weisen, was übrigens auch der Fall wäre, wenn Sie auf dem arktischen Magnetpol stehen, denn diese Orte sind durch die senkrechten Feldlinien gekennzeichnet.“
Ich starrte auf den Kompass und murmelte vor mich hin, „Ziel erreicht“, wir waren tatsächlich ziemlich genau am Nordpol. Ich machte noch schnell ein Foto vom Kompass, kroch dann zurück in meinen Schlafsack und schlief ziemlich schnell ein.
Als ich aufwachte, spürte ich etwas hartes im Rücken, ich griff hinter mich und merkte, dass das was da an meinem Rücken lag Josh war, er hatte sich in der Nacht ganz nah an mich gekuschelt. Ich traute mich nicht mich zu bewegen, einerseits wollte ich ihn nicht aufwecken und außerdem genoss ich seine Nähe. Also blieb ich noch eine Weile einfach so liegen. Irgendwann regte sich Josh und ich drehte mich um. Jetzt lagen wir quasi Nase an Nase und schauten uns in die Augen.
„Morgen“ flüsterte Josh und schaute mich irgendwie ganz verträumt an. „Morgen Josh“, antwortete ich, als Josh plötzlich ganz erschrocken um sich blickte und schnell von mir wegrückte.
„Äh…, wir müssen los, schneit es noch?“, stammelte er und schaute mich fragend an.
„Keine Ahnung, ich habe noch nicht rausgeschaut, aber es ist ziemlich ruhig da draußen, Josh…., wir sind am Nordpol.“
Ja klar, weiß ich doch, oder hältst du mich für blöd ?“
„Nein du verstehst nicht….“, ich holte den Kompass raus und zeigte Josh was ich rausgefunden hatte.
„Wow“, entfuhr es ihm, wir haben es geschafft, Wahnsinn, aber lieber wäre es mir wir würden es nach Hause schaffen.“
Wir kletterten aus dem Zelt, das Wetter hatte sich beruhigt, es hatte aufgehört zu schneien und zu stürmen, teilweise schaute sogar der blaue Himmel durch. Suchend blickte ich mich in der Gegend herum und mir wurde es ganz anders. Eine endlose Schneelandschaft um uns herum, endlose, weiße Weite, sonst war nichts zu sehen. Mir drehte sich der Magen um und plötzlich fühlte ich mich sehr alleine.
„Na, es sieht nicht so aus, als ob der Weihnachtsmann hier irgendwo eine Werkstatt hat“, hörte ich Josh sagen.
„Stimmt“, erwiderte ich, „machen wir, dass wir hier wegkommen und nach Hause kommen, in acht Tagen ist Weihnachten.“
Also packten wir unsere Sachen zusammen, bestimmten mit Hilfe des Kompasses die Richtung und gingen los.
DIE WERKSTATT DES WEIHNACHTSMANNES
„Mikel“, hörte ich Josh sagen, „wegen heute Nacht, ich glaube ich muss dir da was sagen“.
Ich horchte auf und wandte mich Josh zu, „Was willst du……..“
Weiter kam ich nicht, denn plötzlich begann sich der Boden zu bewegen, der Schnee gab unter unseren Füßen nach.
„Eine Gletscherspalte“, schrie ich noch, ich hörte Josh schreien, dann spürte ich nur noch einen harten Aufprall und es wurde dunkel um mich herum.
Keine Ahnung wie lange ich bewusstlos war, irgendwann spürte ich, wie mir jemand ein Seil um den Oberkörper band. Ich konnte nichts sehen, spürte aber einen Ruck am Oberkörper und hatte das Gefühl ich würde hochgezogen. Irgendwie wurde es dann heller und ich merkte, wie ich durch den Schnee gezogen wurde. Dann hörte der Druck plötzlich auf und mir tat alles weh. Ich versuchte die Augen zu öffnen und konnte nur verschwommen Umrisse erkennen, die langsam deutlicher wurden.
Nein das konnte nicht sein, ich war mir sicher tot zu sein, über mir sah ich verschwommen, aber dennoch deutlich ein Tier und daneben einen Kopf mit einer roten Mütze und einen weißen Rauschebart. Ich war mir sicher, das war das Ende, dann wurde ich wieder bewusstlos.
Ich hörte Glöckchen und eine seltsame Wärme umgab mich. Irgendetwas Weiches umgab meinen Körper und ich spürte…, das musste eine Halluzination sein,… ich spürte eine Hand auf meinem Bauch und irgendetwas lehnte an meiner Schulter. Ich machte die Augen auf sah, dass ich mich in einem hellen Raum auf einer Art Fell-Bett befand, kuschelig warm und als ich nach links blickte sah ich Josh, der auf dem Bauch lag und seine Hand auf meinen Bauch gelegt hat.
Ein Kribbeln durchzog meinen Körper und ich sah, dass ich splitternackt war und sich in meiner Körpermitte, in den unteren Regionen, etwas ziemlich steil aufgerichtet hatte. Wie erstarrt blieb ich liegen. Ich war bestimmt tot und nun wurden meine Wünsche wahr. Als ich nach links schaute, machte Josh gerade die Augen auf und richtete sich erschrocken auf, als er sah wie er da lag. Ich zog das Fell über mich und musste grinsen. Ich hatte Josh ja schon beim Duschen gesehen. Aber das was er mir nun im erregten Zustand präsentierte…, Oh du fröhliche,… das war schon nicht von schlechten Eltern.
Als er meinem Blick nachging zog er nun ebenfalls das Fell über sich und fragte, „Was ist passiert und wo sind wir?“
„Ich habe, gelinde gesagt, keine Ahnung, ich weiß noch, dass wir in eine Gletscherspalte gestürzt sein müssen, aber sonst weiß ich nichts mehr.“
„Geht mir auch so. Du hast da ein paar ganz schöne Schrammen im Gesicht.“
Ich schaute mir Josh genauer an, und meinte nur, „na, du musst groß reden, hast du schon mal in den Spiegel gesehen?“
In dem Augenblick ging die Tür auf und ein Kind kam herein. Als das Kind näher kam, sahen wir, dass es gar kein Kind war, sondern eine junge Frau, nur eben eine sehr kleine junge Frau. Als sie dann noch näher kam, traute ich meinen Augen kaum. Die Frau hatte spitze Ohren, das konnte doch nicht sein.
„Elfen“, flüsterte Josh und schaute mich ganz ungläubig an. Ich schaute wohl genauso ungläubig drein, als das Wesen sagte. „Ich bin Sölve, herzlich Willkommen. Schön, dass es euch besser geht, Helmar kommt gleich und bringt euch eure Kleider.
In diesem Augenblick ging wieder die Türe auf und ein kleines Männchen mit Zipfelkappe kam mit einem Stapel Kleidern herein. Als wir genauer hinsahen, sahen wir, dass es unsere Kleider waren.
„Lasst euch Zeit“, sprach Helmar. „Nebenan könnt ihr euch waschen und dann zieht euch an, später zeigen wir euch alles.“
Dann verschwanden beide wieder und wir schauten uns schweigend an.
„Also sind wir nun tot, oder träumen wir denselben Traum, oder was ist hier los“.
„Vielleicht ist es ja auch Wirklichkeit“.
Josh lächelte mich an, „Lass es uns rausfinden“. Er sprang aus dem Bett, schnappte sich seine Klamotten und lief nach nebenan.
Ich musste lachen, „Ja, warum eigentlich nicht“, ich folgte ihm ins Bad und kurz darauf standen wir beide fertig angezogen wieder im Zimmer, neben unserem Bett, als auch schon die Tür aufging und Helmar und Sölve wieder hereinkamen.
„So ihr beiden“, begann Helmar, dann kommt einmal mit.
Wir trotteten den beiden hinterher und waren gespannt, was uns jetzt erwartete. Helmar führte uns in eine große Halle, wo es uns die Sprache verschlug. Das konnte eigentlich nur ein Traum sein, denn das was wir sahen war tatsächlich eine riesige Werkstatt, aber nicht irgendeine Werkstatt, nein das hier war tatsächlich und eindeutig die Werkstatt des Weihnachtsmannes. Ein unglaubliches Gewusel und Treiben von hunderten von Elfen und Zwergen an unendlich vielen Maschinen und Werkbänken. Alle waren damit beschäftigt Spielwaren herzustellen.
„Plätzchen, Milch?“, hörten wir plötzlich eine feine Stimme und ein Elf mit einem Tablett auf dem Gebäck und zwei Gläsern Milch standen trat vor uns und lächelte uns aufmunternd zu.
Josh und ich griffen zu und schauten uns beide ungläubig an. „Die in Stanniol eingewickelten sind besonders gut“, meinte der Elf.
„Danke“, murmelten wir beide und schauten uns ungläubig an. Wir tranken die Milch, obwohl ich eigentlich gar keine Milch mochte, stellten die Gläser zurück und gingen staunend weiter auf unserem Rundgang.
Es war wirklich fantastisch, was wir hier live zu sehen bekamen war noch tausendmal schöner, als das was wir uns als Kinder vorgestellt hatten.
Zurück in unserem Zimmer meinten Helmar und Sölve, dass es ihnen leid täte, aber der Chef hätte soviel zu tun mit der bevorstehenden Reise, dass er leider keine Zeit für uns hätte.
„Der Chef?“ fragte ich nach.
„Na klar“, meinte Helmar, „Santa, der Boss hier, ruht euch jetzt noch etwas aus, wir sehen und später zu einer heißen Schokolade“. Dann verließen beide lachend das Zimmer.
OFFENBARUNG
Josh und ich saßen schweigend auf dem großen Bett, ich wickelte den Keks aus dem roten Stanniol, das ich immer noch in der Hand hielt. Hm, das war wirklich außergewöhnlich gut. Gedankenverloren strich ich das rote Stanniolpapier glatt und steckte es in meine Tasche.
„Mikel, ist das hier echt, träumen wir, oder sind wir tot?“
„Ich weiß es nicht Josh, ich weiß nur noch dass da diese Gletscherspalte war, in die wir gestürzt waren und dass ich ein Rentier und eine Gestalt die, … die wie der Weihnachtsmann ausgesehen hat, gesehen habe.“
Josh schaute mich mit großen Augen an. „An die Gletscherspalte erinnere ich mich und an einen harten Aufprall, von dem mir immer noch alle Knochen weh tun.“
„Mir auch“ antwortete ich, „lass uns noch ein wenig hinlegen.“
Wir kuschelten uns in die weichen Felle und starrten beide zur Decke. Plötzlich merkte ich wie sich Josh an mich herankuschelte und unter der Decke nach meiner Hand griff. Dann begann er leise zu sprechen. „Ich habe Angst, das ist doch alles nicht wirklich, was ist das hier?“
„Ich weiß es auch nicht Josh, aber es ist schön, lass es uns einfach genießen solange wir können.“
Ich spürte die warme Hand von Josh, die behutsam die meine streichelte. Ein unheimliches Gefühl durchfloss mich und ich bekam eine Gänsehaut. Es war wunderschön und ich begann zu frösteln.
„Frierst du?“ fragte mich Josh.
„Josh, ich…..“
„Was ist denn?“
„Ich muss dir was sagen“.
Ich drehte meinen Kopf nach rechts und schaute in Josh’s strahlenden Augen.
„Psssssst, sag nichts, mir geht es doch genauso, ich habe mich in dich verliebt, ich bin schwul“, meinte Josh.
Ich konnte mein Glück kaum fassen, unsere Köpfe näherten sich, bis sich unsere Lippen berührten. Erst ganz zärtlich und gefühlvoll, bis ich mit meiner Zunge Einlass forderte. Josh ließ sich nicht lange bitten und schon bald führten unsere Zungen ein wildes Spiel auf und tausend Blitze durchzuckten mich.
„Na ihr zwei Turteltauben“, hörten wir plötzlich eine Stimme und Helmar stand neben unserem Bett. „Habt ihr’s endlich begriffen?“
„Was“, antworteten wir erschrocken, wie aus einem Mund.
„Na, dass ihr ineinander verliebt seid natürlich.“
Wir strahlen um die Wette und nickten eifrig.
„Dann trinkt erstmal die heiße Schokolade, die wird euch gut tun.“
„Helmar“, begann ich, „was ist passiert? Ist das alles nur ein Traum?“
„Nein, das ist kein Traum, was passiert ist das wisst ihr, Ihr seid in eine Gletscherspalte gestürzt und wir haben euch gerettet. Wir haben euch schon eine ganze Weile beobachtet, denn wir durften ja kein Risiko eingehen, dass ihr uns findet, das war ja schließlich das Ziel eurer Expedition. Aber nachdem ihr in die Spalte gestürzt seid, konnten wir euch natürlich nicht dort verrecken lassen und haben euch gerettet. Ihr habt euch Gott sei Dank nicht schwer verletzt und es geht euch wieder gut. Jetzt seid ihr hier, und wie ich sehe, habt ihr endlich zusammen gefunden.“
„Und wie geht es jetzt weiter, wie kommen wir nach Hause“, fragte ich, und trank den Rest der heißen Schokolade, die Helmar mitgebracht hatte.
„Habt ihr keine Angst, dass wir allen von euch und der Werkstatt erzählen“ ergänzte Josh.
Helmar lachte, „Nein“ antwortete er, „es würde euch sowieso niemand glauben, wenn ihr bald wieder Zuhause seid. Außerdem haben wir vorgesorgt……“
„Vorgesorgt?“, fragte ich und merkte wie meine Augen müde wurden.
„Natürlich, das war keine normale Schokolade. Ihr werdet jetzt einschlafen und wenn ihr aufwacht, werdet ihr euch nicht mehr richtig erinnern können, wo ihr gewesen seid und nicht mehr hierhin zurück finden, allerdings haben wir die Schokolade nicht ganz so stark gemacht damit……….“
………Ich schlug die Augen auf und schaute mich um. Unter dem Rand meiner Fellmütze sah ich nur Schnee. Was war passiert. Ich erinnerte mich dunkel an den Schneesturm, wir hatten die anderen verloren und waren irgendwie gestürzt. Ich richtete mich auf und mein Kopf brummte. Neben mir lag Josh und bewegte sich nicht.
„Josh“, schrie ich und schüttelte ihn. „Josh, was ist mit dir, wach auf“ schrie ich.
Josh bewegte sich und schlug langsam die Augen auf. „Was ist passiert?“ , flüsterte er.
„Ich weiß auch nicht genau“, antwortete ich . Dann hörten wir auf einmal Stimmen, die unsere Namen riefen. Ich drehte mich um und sah Schneemobile auf uns zukommen. Als das erste neben uns anhielt sprang jemand herunter und kniete sich neben uns.
„Dem Himmel sei Dank, ihr seid am Leben“, flüsterte er…..es war Thomas.
DIE RÜCKKEHR
Nachdem Thomas, und die anderen merkten, dass sie uns verloren hatten, beratschlagten sie was zu tun sei. Thomas sagte, es mache überhaupt keinen Sinn bei dieser Sicht auf gut Glück loszulaufen und zu suchen.
Also machten sie sich auf und erreichten auch bald darauf die Anlegestelle. Die Victory wartete schon und Thomas erklärte kurz was passiert war. Der Arme musste ganz schön durch den Wind gewesen sein, so etwas war ihm noch nie passiert. Die Victory war als Expeditionsschiff mit Schneemobilen ausgestattet. Peter, George und Paul blieben unter Protest auf dem Schiff und Thomas und vier weitere Besatzungsmitglieder machten sich mit den Schneemobilen auf den Weg die beiden verlorengegangenen zu suchen.
Es war fürchterlich, im Umkreis von 40 Km war keine Spur zu finden. Die Rettungsmannschaft beratschlagte wie man weiter vorgehen könnte. Thomas hatte dann den rettenden Einfall. Was wenn die beiden die Richtung verloren hätten und nicht zur Anlegestelle, sondern weiter Richtung Pol gegangen wären.
Das Wetter hatte sich gebessert und so war man sich schnell einig, einen Versuch zu starten und in Richtung Pol zu suchen.
Als die Gruppe schon fast die Hoffnung aufgeben wollte, sah Thomas in der Ferne den dunklen Fleck, der durch das Fernglas betrachtet wie die Silhouette zweier menschlicher Körper aussah.
So war es dann auch. Wie waren gefunden und in einigermaßen guter Verfassung, aber sehr schwach. Also legt man uns vorsichtig auf den Schlitten der hinter dem Schneemobil festgemacht war und machte sich auf den Weg zum Schiff.
„Mikel, bist du wach?“
Von weit her drang eine Stimme an mein Ohr.
„Mikel, bist du wach?“ hörte ich Josh jetzt deutlicher.
„Nein“, antwortete ich und öffnete die Augen. Das erste was ich sah, war ein rundes Bullauge, dann nahm ich den Motorenlärm wahr und versuchte mich weiter zu orientieren. Ich richtete mich auf, schaute durch das Bullauge und sah draußen jede Menge Wasser.
„Was ist passiert, wo sind wir?“, hörte ich Josh fragen.
„Keine Ahnung, mein Kopf dröhnt wie ein Brummkreisel.“
„Ich weiß nur noch dunkel, dass der Boden unter uns weggebrochen ist, aber was dann passiert ist…….keine Ahnung.“
In dem Moment ging die Tür auf und George stand vor uns.
„Ihr habt uns vielleicht einen Schrecken eingejagt, wie geht es euch?“
„Hmm, geht so“, murmelte ich, „was ist denn passiert?“
Goerge erzählte uns, wie sie bemerkt hatten, dass wir nicht mehr hinter ihnen waren, über ihre Rückkehr zum Schiff und wie die Rettungsmannschaft loszog uns zu suchen. Über unsere Rückkehr zum Schiff und dass wir jetzt auf dem Rückweg nach Murmansk waren. Der Schiffsarzt, der uns scheinbar schon komplett untersucht hatte, hatte außer ein paar Abschürfungen keine größeren Verletzungen entdeckt.
„Aber sagt doch mal was passiert ist?“, fragte uns George jetzt.
„Ja“, sagte Thomas, der inzwischen auch den Raum betreten hatte. „Das würde mich auch interessieren,“
Ich dachte nach und so nach und nach kamen so einige Erinnerungen zurück. Ich berichtete wie wir gemerkt hatten, dass wir den Anschluss verloren hatten. Wie wir dann die Spuren verloren hatten und auf eine Wetterbesserung gewartet und campiert hatten. Dann wurde es schwieriger und Josh fuhr fort.
„Na ja, als das Wetter dann besser war und wir uns mit dem Kompass versucht haben zu orientieren merkten wir, dass wir wohl den Pol erreicht hatten und machten uns auf den Rückweg als der Boden unter uns nachgab und wir in eine Gletscherspalte stürzten. Dann ist es dunkel und ich kann mich nicht richtig erinnern.“
„Ja, das macht Sinn und passt zu euren Verletzungen“, sagte Thomas nachdenklich, „Aber dort wo wir euch gefunden haben war weit und breit keine Gletscherspalte und wie seid ihr da wieder herausgekommen ? Und vor allem, der Ort an dem wir euch gefunden haben war rund 20 Kilometer vom Pol entfernt.“
Nachdenklich schaute er uns an.
Ich holte meine Kamera raus und zeigte Thomas das Bild, dass ich von der Kompassanzeige am Nordpol gemacht hatte.
Thomas pfiff durch die Zähne, „Ist ja seltsam“ meinte er.
„Ich weiß nicht, irgendwie hab ich da ein Bild von einem………“
„Von einem was?“ schaltete sich nun Paul ein, der auch inzwischen hinzugekommen war.
„Ich weiß nicht…..“, antwortete ich, „ich kriege kein klares Bild zusammen“.
„Ich auch nicht“, ergänzte Josh und schaute mich dabei so merkwürdig an.
„Na ist ja auch erst mal egal, Hauptsache wir haben euch gefunden und es geht euch gut“ meinte Thomas, „ich hol euch mal was Heißes zu trinken“.
Ich schaute Josh an, der gerade mit leerem Blick durch das Bullauge sah. Plötzlich meinte er, „irgendetwas ist komisch, ich habe dauernd Bilder vor den Augen die ich aber nicht zusammensetzen kann, wenn ich nur wüsste was passiert ist.“
„Das geht mir genauso“, antwortete ich, „die Erinnerungen werden hoffentlich mit der Zeit klarer.“
Ich schaute Josh an und wieder spürte ich dieses Kribbeln, ich konnte seine Lippen förmlich auf meinen spüren, gerade so, als ob wir uns schon einmal geküsst hatten, ich wollte ihn am liebsten direkt in den Arm nehmen, ja ich musste mir wohl eingestehen, ich hatte mich in Josh verliebt.
„So, zweimal heißer Tee für euch“, Thomas stellte die Gläser auf dem kleinen Tisch ab.
„Was für einen Tag haben wir heute eigentlich?“ fragte ich.
„Den 23.12., morgen ist Heilig Abend.
„Prima, dann war’s das wohl dieses Mal mit Weihnachten. Heilig Abend auf der Bude im Wohnheim verbringen, davon habe ich schon immer geträumt.“
Thomas lächelte und meinte dann , „na daraus wird wohl nichts werden. Vom Hafen aus werdet ihr abgeholt und zum Wohnheim gebracht. Ihr packt eure Sachen und heute Abend gegen sechs werdet ihr wieder abgeholt und zum Flughafen gebracht. Eure Nacht-Flüge sind gebucht, morgen früh seid ihr in Stuttgart und Mikels Vater wird euch vom Flughafen abholen und zum zweiten Frühstück seid ihr schon Zuhause.“
Ungläubig starrte ich ihn an, dann begann ich zu strahlen, das war irre, Weihnachten war gerettet.
Als Thomas wieder draußen war pfiff ich fröhlich Jingle Bells vor mich hin.
„Na du freust dich wohl auf Weihnachten?“, fragte mich Josh.
„Na klar, du etwa nicht? Ich freue mich auf meine Eltern und meine Schwestern, Weihnachten ist immer wunderschön und ein tolles Fest mit der ganzen Familie“
Josh schaute mich etwas traurig an, „na ja, eigentlich ist es bei uns auch immer schön, aber wir haben halt nicht viel Geld und ich bin mit meiner Mutter alleine, da gibt es kein so großes Fest.“
„Tut mir leid……“.
„Ist schon ok, da kannst du ja nichts dafür, ich finde Weihnachten ja auch schön, vielleicht findet meine Mutter ja auch wieder jemanden, der mich auch mag.“
„Wieso sollte man dich denn nicht mögen wollen“, platzte ich heraus, „du bist ein echt sü…, äh toller Kerl“, antwortete ich und spürte wie ich im Gesicht purpurrot wurde.
Josh schaute mich mit einem seltsamen Blick an und lächelte dann, „Na wenn du meinst“.
Am nächsten Tag legten wir im Hafen an. Wie versprochen wurden wir abgeholt und ins Wohnheim gebracht. Auch für George, Paul und Peter war schon die Heimreise organisiert und so verabschiedeten wir uns und wünschten uns schöne Weihnachten. Was wir mit der Semesterarbeit machen würden, wollten wir im neuen Jahr besprechen.
Wir packten unsere Sachen zusammen und warteten auf den Shuttle, der uns zum Flughafen bringen sollte und der auch pünktlich eintraf. Um 21 Uhr hoben wir dann ab mit Zielrichtung Heimat. Wir hatten zwei Plätze nebeneinander und saßen ziemlich erschöpft in unseren Sitzen.
„Das war es also mit der Werkstatt des Weihnachtsmannes“, begann Josh.
Ich schwieg eine Weile und erwiderte dann, „Irgendwie habe ich so merkwürdige Bilder von Elfen und Zwergen im Kopf und….. und du kommst auch dabei vor.“
„Im Ernst, habe ich auch spitze Ohren“, schmunzelte Josh.
„Blödmann, ich meine das ernst.“
„Ich doch auch“ kam es leise von Josh, „ich habe ähnliche Bilder, die ich immer wieder sehe und auch du kommst darin vor.“
Erstaunt schaute ich ihn an, und überlegte was das zu bedeuten hatte. Was war in dem Zeitraum, der in unseren Erinnerungen fehlte, passiert. Ich spürte dass da etwas gewesen war und ich fühlte, dass da etwas mit Josh und mir gewesen war.
„Irgendwann werden die Erinnerungen zurück kommen“, sagte ich zu Josh, „sehen wir uns über die Festtage, ich würde gerne mehr Zeit mit dir verbringen, ich hoffe wir können in Zukunft viel miteinander unternehmen, jetzt wo wir uns kennengelernt haben.“
„Mal sehen, ich lasse meine Mutter, speziell an den Feiertagen, nicht so gerne alleine. Aber ich würde mich auch freuen dich zu sehen.“
„Ich auch“, murmelte ich und fühlte wie mir die Augen zufielen und mich die Müdigkeit überkam.
Als ich wieder aufwachte war mein Kopf irgendwie eingeklemmt. Ich öffnete die Augen und wurde gewahr, dass mein Kopf auf Josh’s Schultern lag und er seinen Kopf gegen meinen gelehnt hatte.
Wieder durchzog mich ein wohliges Gefühl aber Josh richtete sich mit einem Ruck auf und meinte, „Sorry, bin wohl eingenickt“.
„Kein Problem, ich hab dich doch auch als Kopfkissen benutzt“.
Wir schauten uns an, und ich überlegte ob ich ihm jetzt nicht sagen sollte, dass ich schwul bin und was ich empfinde, aber die Angst, meinen gerade gewonnenen Freund zu verlieren war zu groß, wenn ich auch inzwischen starke Hoffnungen hegte, dass Josh genauso empfand wie ich.
Dann ertönte schon das Anschnallzeichen und die Stewardess kündigte den Landeanflug auf Stuttgart an.
Nachdem wir gut gelandet waren und unser Gepäck geholt hatten gingen wir beide schweigend zum Ausgang, wo uns mein Vater schon erwartete.
„Hallo Mikel, bin ich froh dich wieder heil bei mir zu haben, alles klar? Geht’s dir gut?“
„Hallo Paps“, sagte ich und löste mich aus seiner herzlichen Umarmung, „ja alles klar soweit, mir geht es gut.“
„Und das ist dann wohl Josh“, sagte er und reichte Josh die Hand.
„Hallo Herr Meiners, ja ich bin Josh.“
„Ihr habt uns ja einen ganz schönen Schrecken eingejagt, wir waren fast krank vor Sorge bis ihr endlich gefunden wart. Josh, deine Mama wollte schon nach Murmansk fliegen und dich persönlich suchen. Übrigens frohe Weihnachten, jetzt machen wir erst mal, dass wir nach Hause kommen.“
Auf dem Parkplatz hatten wir dann Mühe das Gepäck in Papas Sportwagen rein zu bekommen, aber schließlich hatten wir alles drin und Josh quetschte sich auf den Rücksitz. Als wir losgefahren waren sah ich, dass Josh seinen Kopf auf der großen Reisetasche neben ihm abgelegt hatte und die Augen schon wieder geschlossen hatte. Ich drehte mich um und schaute mir sein hübsches Gesicht an, dann drehte ich mich wieder nach vorne und seufzte.
„Na mein Junge, was ist denn los?“, fragte mein Vater.
„Ach nichts, alles OK“, antwortete ich.
Mein Vater lächelte nur und dann musste ich natürlich alles erzählen was passiert war. Als ich ihm von den Gedächtnislücken erzählte habe meinte er nur, das würde schon wieder werden und die Hauptsache sei, dass wir gesund zurück seien.
In Offenburg angekommen fuhr mein Vater nicht direkt nach Hause.
„Wo willst du denn hin?“
„Na, Josh nach Hause fahren. Seine Mutter kann‘s wahrscheinlich gar nicht mehr erwarten.“
Wir fuhren in eine kleine Siedlung, nicht weit von unserem Zuhause entfernt und mein Vater hielt vor einem Mehrfamilienhaus.
Als wir ausgestiegen waren ging auch schon die Tür und eine Frau stürmte heraus und schrie nur, „Josh, Josh, Gott sei Dank“ - dann flog sie ihrem Sohn in die Arme.
„Bin ich froh“, sagte sie nur und hatte Tränen in den Augen.
Dann löste sie sich von ihrem Sprößling und begrüßte meinen Vater.
Entschuldigung Karl, frohe Weihnachten und vielen Dank für alles.
Danach begrüßte sie mich. „Hallo Mikel, ich bin Frau Mende, die Mutter von Josh, auch dir schöne Weihnachten“.
„Danke“, erwiderte ich nur und war ziemlich verwirrt, hatte die Frau meinen Vater gerade geduzt?
„Also Mikel, los jetzt“, riss mich mein Vater aus meinen Gedanken, „deine Mutter wartet schon“.
Ich reichte Josh die Hand und wurde auf einmal richtig traurig. Mich jetzt von ihm zu verabschieden und ihn nicht mehr um mich zu haben tat richtig weh, am liebsten hätte ich ihn in den Arm genommen.
„Sehen wir uns?“ fragte ich leise.
„Gerne“, kam genauso leise zurück, „ruf mich an“.
„Mach ich“.
„Könnt ihr euch bitte mal loslassen“, meinte mein Vater, ich würde jetzt echt gerne losfahren. Er lächelte, jetzt erst bemerkte ich, dass wir uns immer noch an den Händen festhielten. Ich verabschiedete mich bei Frau Mende, die uns ebenfalls lächelnd beobachtet hatte.
Dann stieg ich ins Auto zu meinem Vater und wir fuhren los.
Mein Vater schaute mich im Auto fragend an, „Willst du mir was sagen Sohn?“
„Hmm, nein eigentlich nicht, aber sag mal, woher kennst du Frau Mende, habt ihr euch geduzt?“
Mein Vater lächelte, „Ja, ich kenne Marta schon länger, sie arbeitet doch bei mir im Sekretariat und die letzten Tage war sie oft bei uns, nachdem wir erfahren haben, dass ihr verschollen wart und wir sind seit dem per du.“
Erstaunt blickte ich meinen Vater an, „Komisch, davon hat Josh gar nichts gesagt, dass ihr euch kennt“.
„Na vielleicht hat er gar nicht gewusst, dass die Kanzlei, in der seine Mutter arbeitet, deinem Vater gehört.“
„Könnte sein“, murmelte ich.
Dann waren wir endlich zu Hause, meine Mutter tanzte um mich herum und war glücklich mich wieder in den Arm nehmen zu können, meine beiden Schwestern waren auch da und dann saßen wir gemeinsam im Wohnzimmer. Der wunderschön mit roten Kugeln geschmückte Baum bewirkte, dass mir plötzlich so richtig weihnachtlich zu Mute war. Als meine Mutter mit einem Tablett, auf dem Gläser mit heißer Schokolade standen, hereinkam und die Lichterkette einschaltete, schaute ich nachdenklich auf mein Glas, an irgendwas erinnerte mich die heiße Schokolade, aber ich konnte es nicht richtig einordnen.
Dann rissen mich meine Schwestern aus meinen Gedanken und ich musste nochmal alles was wir erlebt hatten von vorne erzählen.
Es war ein schöner Heilig Abend. Endlich wieder im Kreise der Familie, aber irgendetwas fehlte mir.
Als ich dann todmüde in meinem Zimmer am Fenster stand und hinausschaute sah ich am Himmel ein Glitzern und musste lächeln. Das war bestimmt Santa, der heute noch so einiges zu tun hatte. Dann schlief ich schnell ein und war sogar zu erschöpft etwas zu träumen.
Das rote Stanniolpapier
Am nächsten Tag schaute ich, als ich aufgewacht war, auf den Wecker und erschrak als ich sah, dass es bereits elf Uhr war.
„Guten Morgen mein Schatz“, begrüßte mich meine Mutter als ich ins Bad kam. „Gut geschlafen?“
„Morgen Mum, ja hab ich.“
Meine Mutter war gerade dabei die Wäsche zu sortieren und leerte die Taschen meiner Hose, als ein rot glänzendes Papier aus der Tasche fiel.
Sie wollte es gerade wegschmeißen.
„Stop“, rief ich, „gib das mal her“.
Sie schaute mich fragend an und reichte mir das Papier. Ich strich es zwischen den Fingern glatt und schaute auf das glänzende, rote Papier auf dem der Kopf des Weihnachtsmannes eingestanzt war. In meinem Gehirn ging es zu wie auf einer Achterbahn. Bilder kamen und verschwanden wieder, aber so langsam formte sich ein klares Bild und die Erinnerungen kamen zurück. Vor meinen Augen tauchte ein Zimmer auf, ein großes Bett mit einem Fell, Josh, ich, Helmar………. Es war alles wieder da. Wie erstarrt stand ich im Badezimmer und starrte das Stanniolpapier an.
„Mikel, …..Miiiiikel?“
„Sorry Mum, ich muss telefonieren“, rief ich und stürmte aus dem Bad.
Ich wählte die Nummer von Josh und ließ es unendlich klingeln, aber es nahm niemand ab.
„Wen wolltest du denn anrufen“, fragte mich plötzlich jemand.
Erschrocken drehte ich mich um und sah meinem Vater ins Gesicht.
„Josh“, flüsterte ich.
„Mendes sind heute nicht da, die sind zur Verwandtschaft, aber ruf ihn doch auf dem Handy an.“
Traurig schaute ich meinen Vater an, „Ich habe seine Handynummer nicht.“
„Kann es sein, dass sich mein Sohn verliebt hat?“
„Wie kommst du denn da drauf?“, stammelte ich.
„Oh Mikel, ich bin vielleicht alt aber nicht blind und doof, …..ist Josh auch schwul?“
„Das ist kompliziert, ich kann dir das jetzt nicht erklären, aber Josh und ich haben noch nicht darüber gesprochen, glaube ich…..“
Mein Vater schaute mich fragend an.
„Paps ich kann’s dir nicht erklären…“
„Schon gut, aber du wirst dann wohl bis morgen warten müssen, Josh und Marta kommen zum Mittagessen.“
Ich schaute auf und sah meinen Vater fragend an.
„Wir haben uns, als ihr verschwunden wart, oft gesehen und gemeinsam nachgeforscht und mit Murmansk telefoniert. Marta arbeitet ja auch schon länger bei uns, wir haben uns einfach besser kennengelernt und weil die beiden doch alleine sind haben wir sie für den zweiten Feiertag eingeladen. Solange musst du wohl noch aushalten, aber ich glaube, so wie Josh dich bei der Verabschiedung gestern angesehen hat stehen deine Chancen recht gut….“
„Ist dir das aufgefallen?“
„Ja“, lächelte mein Vater, „wie gesagt, ich bin nicht blind.“
Der Tag schien kein Ende zu nehmen und ich war nicht wirklich ansprechbar. Mum und meine Schwestern fragten mich ständig was los ist, aber ich schwieg. Irgendwann hörte meine Mutter auf zu fragen, wahrscheinlich hatte mein Vater geplaudert.
Die Nacht war entsprechend unruhig für mich. Und als ich am nächsten Morgen aufwachte steigerte sich meine Aufregung ins Unermessliche. Den ganzen Vormittag war mit mir nicht viel anzufangen und als es endlich an der Tür klingelte raste ich zur Tür und riss sie auf.
„Frohe Weihnachten Frau Mende, sorry“, ich griff nach Josh’s Hand zerrte ihn, an meiner Mutter und meinem Vater vorbei, in Richtung meines Zimmers. Dort angekommen, schob ich ihn zur Tür hinein und schloss diese und blieb keuchend stehen.
Josh schaute mich fragend an.
„Was ist denn in dich gefahren?“
„Ich…, ich kann mich wieder erinnern“, stammelte ich.
Nun lächelte Josh und schaute mich fragend an. „Und…..“, fragte er.
„Hoffentlich hältst du mich nicht für durchgeknallt…“
Ich ging zum Schreibtisch und fischte das rote Stanniolpapier hervor und hielt es Josh hin. „Sagt dir das was?“
Josh schaute auf das Papier und begann zu lächeln. Dann griff er in seine Tasche und zog das gleiche Papier hervor.
„Die Werkstatt des Weihnachtsmannes“, flüsterte er.
„Helmar und Sölve“, antwortete ich.
„Mikel und Josh“, sage Josh ganz zögernd und schaute mich fragend an.
Ich begann zu zittern und ging langsam auf ihn zu. Josh sah mich an und streckte seine Hände aus, die gleich darauf meine Hüften umschlossen und er zog mich beherzt zu sich heran. Mich durchzuckten tausend Blitze und dann näherten sich unsere Lippen und verschmolzen zu einem wahnsinnigen Kuss.
„Frierst du? Du zitterst so“, fragte mich Josh.
„Nein ich bin nur glücklich, ich konnte es kaum erwarten bis du heute kommst, gestern ist mir, als ich das Papier gefunden habe, alles wieder eingefallen, oh Mann, wenn wir beide etwas mutiger gewesen wären und miteinander gesprochen hätten …..“
„Stimmt, aber jetzt ist ja alles gut, mir ist gestern auch wieder alles eingefallen, zuerst dachte ich, das kann nur ein Traum gewesen sein. Aber als du mir vorhin dein Papier gezeigt hast wusste ich, dass wir das wirklich erlebt haben.“
„Ganz schön starker Tobak oder, wir waren in der Werkstatt des Weihnachtsmannes und haben Zwerge und Elfen gesehen und uns auf einem Fell geküsst, das glaubt uns doch kein Mensch.“
„Nein“, antwortete ich, „und ich glaube, wir sollten es auch dabei belassen, ich meine, niemand was zu erzählen und bei den Gedächtnislücken zu bleiben.“
„Einverstanden“, erwiderte Josh und küsste mich wieder.
„Warum hast du eigentlich nicht erzählt, dass deine Mutter bei meinem Vater arbeitet.
„Ich hab mich nie darum gekümmert , ich wusste meine Mutter arbeitet in einer Kanzlei, habe die aber nie mit dir in Verbindung gebracht, obwohl mir das über den Namen eigentlich hätte auffallen müssen. Erst als du im Zelt davon erzählt hast, dass dein Vater eine Kanzlei hat bin ich stutzig geworden.“
In dem Moment rief meine Mutter, „Jungs, jetzt macht schon, wir wollen essen.“
„Deine Mutter weiß nicht, dass du schwul bist?“ fragte ich vorsichtig.
„Nein.“
„Hm, meine Eltern ahnen sogar schon, dass ich mich in dich verknallt habe.“
Josh schaute mich fragend an.
„Miiiiiiiiikel“, hörte ich meine Mutter.
„Hör zu, wir gehen jetzt runter, meine Eltern haben kein Problem damit und vielleicht ist das heute, wenn wir alle zusammen sind, der beste Zeitpunkt sich bei deiner Mutter zu outen.“
„Ich weiß nicht so recht“, sagte Josh als ich ihn aus meinem Zimmer schob.
Unten im Esszimmer waren schon alle versammelt und schauten uns fragend an, als wir ins Zimmer kamen.
Wir ignorierten das einfach mal und gingen Richtung Esstisch.
„Moment mal“, kam es von meinem Vater, „kann es sein, das ihr uns was zu sagen habt?“
„Paps, bitte“, begann ich, als mich Josh’s Mutter unterbrach.
„Mikel, lass mal, Josh….“
Der schaute aufgeschreckt zu seiner Mutter.
„Josh, Mütter haben ein gutes Gespür und auch ich bin nicht blöde. Glaubst du ich habe nicht schon längst gemerkt was mit dir los ist, besser gesagt, ich habe es vermutet, das Einzige was mir weh tut ist, dass du nicht ehrlich zu mir bist.“
Während sie das sagte, hatte ich nach Josh’s Hand gegriffen und drückte sie. Josh’s Mutter hatte das bemerkt und lächelte. „Na also, da hat‘s einer kapiert“, sagte sie, „ich freue mich genauso über einen Schwiegersohn wie über eine Schwiegertochter, zumal wenn es so ein hübscher ist.“
Jetzt lief ich ziemlich rot an, meine Mutter lachte und mein Vater kam mit einem Tablett voller Sektgläser herein.
„Herzlichen Glückwunsch, euch beiden, lasst uns auf euch anstoßen.“
„Siehst du Josh, war doch ganz einfach.“
Josh strahlte mich an und gab mir einen schnellen Kuss auf die Wange, dabei wurde er genauso rot wie ich und das kleine Stanniolpapier…
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