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Shadowy - Episode 3
Teil 1 und 2
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Informationen
- Story: Shadowy - Episode 3
- Autor: Torben
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Science Fiction
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort zu Shadowy Episode 3 Teil 1 und 2
- 1. - Don't Give Up
- 2. - Back Out Of Hell
- 3. - Do They Know It's Christmastime?
- 4. - Life Is Like A Rollercoaster
- 5. - Land Of Confusion
- 6. - Land Of Confusion (Teil 2)
- 7. - Bridge Over Troubled Water
- 8. - Don't Look Back In Anger
- Anmerkung1:
- Anmerkung2:
Vorwort zu Shadowy Episode 3 Teil 1 und 2
Hallo, es ist soweit hier ist nun „Shadowy Episode 3 – Don't Stop Me Now“. Die Geschichte schließt direkt an Episode 2 an. Diesmal wird die Geschichte nicht nur von Mike erzählt, sondern auch von einem neutralen Beobachter, der verschiedene Personen begleitet. Ich will einfach mal sehen, wie sich das dann schreiben lässt. Mike wird weiterhin aus der „Ich“ - Perspektive berichten, eingeleitet mit @Mike, ansonsten berichtet der „Große Bruder“.
Bisher waren die einzelnen Teile einer Episode ungefähr 30 Seiten lang, doch Teil 1 und 2 hängen inhaltlich so sehr zusammen, dass ich sie hier als Doppelfolge herausbringe, um „Cliffhanger“ zu vermeiden.
Wie immer gilt: Alle Rechte an den Personen, soweit möglich, liegen bei mir.
Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen, existierenden und nicht mehr existierenden Organisationen, Glaubensgemeinschaften sowie Staaten und Behörden sind weder wirklich zufällig noch völlig unbeabsichtigt sondern manchmal einfach unvermeidbar. Sie stellen aber immer die subjektive Meinung des Autors über diese Personen, Organisationen, Glaubensgemeinschaften, Staaten und Behörden dar.
Dann also viel Spaß.
LG
Martin (aka Mike)
1. - Don't Give Up
In this proud land we grew up strong, we were wanted all along
I was taught to fight, taught to win, I never thought I could fail
No fight left or so it seems, I am a man whose dreams have all desert
I've changed my face, I've changed my name
But no one wants you when you lose
.
Don't give up - 'cause you have friends
Don't give up - you're not beaten yet
Don't give up - I know you can make it good…
aus “Don't Give Up” von Peter Gabriel
Sektor 20, Samstag, 22.12.2035
Wieder hatte es angefangen zu schneien, stärker noch als an den vorherigen Tagen. Inzwischen war es nach 18 Uhr und schon war alles in Dunkelheit gehüllt. Hier im Sektor gab es nicht diese bunte Lichterflut wie in Europolis, hier wirkte alles trist, selbst das Licht der Straßenbeleuchtung schien hier dunkler zu sein.
Eric stapfte, den Kragen hochgeschlagen und die Hände tief in den Manteltaschen vergraben, durch den knöchelhohen Schnee. Die Schneeflocken hatten sich längst in seinem kurzen, schwarzen Haar festgesetzt, doch er spürte die Kälte nicht. Gleichmäßig, aber etwas träge, stapfte er nun schon seit drei Stunden durch den winterlichen Sektor 20. Er hatte weder eine Ahnung, wo er genau war, noch wohin er ging oder gehen sollte.
Das Einzige worauf er achtete, war seine Indeprenthie, also seine psionische Tarnkappe, wie Mike das immer nannte, doch dafür benötigte er eigentlich keine Konzentration. Sie war die einzige Möglichkeit, die anderen auf Abstand zu halten. Wenn er die Indeprenthie anwandte, war er psionisch tot. Er wusste, dass es Mike nicht gefallen würde, doch er brauchte jetzt seine Ruhe, er musste zu sich selbst finden. Bei dem Gedanken lachte Eric bitter auf. „Zu sich selbst finden“. Angesichts der Tatsache, dass seine wirkliche „Persönlichkeit“ gelöscht war, würde ihm das sicher sehr schwer fallen.
Doch sogleich fragte er sich, wollte er wirklich zu seiner „alten“ Persönlichkeit finden? Wollte er den Eric kennen lernen, der von Kind an gelernt hatte zu planen, zu kämpfen und zu töten? Der von den Militärs konditioniert und trainiert worden war, eine „Kampfmaschine“ zu sein?
Seltsamerweise war es ihm nie so richtig bewusst geworden, dass er keinerlei Erinnerung an seine Kindheit hatte. Als er damals in dem Hospital erwachte, hatte man ihm schonend erklärt, er habe einen Unfall gehabt und wahrscheinlich eine Teilamnesie erlitten. Man hatte ihn damit vertröstet, dass er sich sicherlich bald wieder an alles erinnern würde.
Doch damit hatten sie ihn belogen! In Wirklichkeit hatte man ihn und andere Kinder damals, als er gerade einmal 6 Jahre alt war, aus einem Waisenhaus entführt. In einer geheimen Einrichtung sollten sie zu „Supersoldaten“ ausgebildet werden. So ging das über viele Jahre, doch gerade als er 19 geworden war, kam es zu einem Aufstand und er konnte fliehen. Als er einige Tage später zurück wollte, waren alle tot. Jemand hatte aufgrund seiner Flucht „kalte Füße“ bekommen und das „Projekt“ beendet. Es sollten keine lästigen Beweise zurückbleiben, weder tote noch lebendige.
So hatte er als einziger überlebt und anscheinend einen Rachefeldzug gegen die Verantwortlichen gestartet. Als man ihn schließlich verhaftete, sollte er zum Tode verurteilt werden. Doch er wurde nicht wirklich getötet, zumindest nicht sein Körper. Sie hatten stattdessen „nur“ seine Persönlichkeit gelöscht. Das war dann auch der „Unfall“ mit „Teilamnesie“, von dem man ihm erzählt hatte. Deshalb kannte er seine eigene Vergangenheit nur aus der Erzählung eines anderen.
Gestern waren seine Freunde und er aufgebrochen um Thor Bergström, einen der Verantwortlichen für die „Persönlichkeitslöschung“, aufzusuchen. Der hatte ihm seine Geschichte und von seiner Vergangenheit berichtet. Eric schauderte bei dem Gedanken, was Bergström wohl alles verschwiegen hatte. Mike und seinen Freunden war es offensichtlich nicht bewusst gewesen, doch die wenigen Dinge, die Bergström so nebenbei durchblicken ließ, sagten Eric genug.
Bergström sprach davon, dass er, Eric, einige der Verantwortlichen „verhört“ hätte. In einem Nebensatz erwähnte er, fast beiläufig, dass „die Überlebenden“ dann von einem Aufräumkommando „beseitigt“ worden seien, da es keine Beweise für das gesamte Projekt geben sollte. Als Eric daraufhin in Pascals betroffenes Gesicht sah, verstand er, wie er diese Information deuten musste. In seinem früheren Leben hatte er nicht nur gemordet, sondern auch gefoltert! Nicht mehr und nicht weniger hatten diese Worte bedeutet. Mike war manchmal schon etwas naiv, ihm fehlte ein wenig die Vorstellung, wie weit solche „Verhöre“ gehen konnten. Mike war zwar durchaus fähig hart und konsequent zu handeln, aber eben nicht bewusst grausam, doch genau das schien der „alte Eric“ gewesen zu sein.
Besonders erschreckend war für Eric, dass Teile des Wissens über das „wie“, noch immer vorhanden waren. Der Eric, der er nun war, wäre kaum in der Lage, auch nur einen Bruchteil dessen umzusetzen, was er über „spezielle“ Verhörpraktiken wusste, doch ihm war klar geworden, dass der „alte Eric“ dieses Wissen „umfangreich“ eingesetzt haben musste. Insofern war Bergströms Befürchtung, dass bei Eric nicht alles so gelaufen war, wie es sollte, durchaus nicht unbegründet. Das meiste, das in seinem „neuen Leben“ schief gelaufen war, ging jedoch auf das Konto der Darwinianer. Sie waren dafür Verantwortlich, dass sein „Neustart“ nicht gelingen konnte.
Gedankenverloren sprang er, mit einem Satz, über einen entgegenkommenden Reinigungsroboter, der hier noch immer den verzweifelten Kampf gegen den Schnee führte. Bei dieser Gelegenheit sah er sich auch wieder einmal um. Er war nun doch schon bis an den Rand der Wohnsektoren vorgestoßen, jenseits des vor ihm liegenden Grünstreifens begann ein Industriesektor.
Ein spöttisches Lächeln huschte über Erics Gesicht, die Bezeichnung „Grünstreifen“ traf natürlich genauso wenig zu, wie die des „Industriesektors“. Der Grünstreifen war nun eine weiße, dick mit Schnee bedeckte Fläche, aber man hatte wenigstens die Hoffnung, dass unter dem Schnee im Frühjahr das Grün wieder zum Vorschein kam. Bei dem Industriesektor glaubten jedoch nicht einmal die größten Optimisten, dass unter dem Schnee je wieder produktive Industrieanlagen auftauchen würden. Die ganze Stadt war einfach am Ende und das schon seit vielen Jahren. An „blühende Landschaften“ glaubte hier sowieso niemand mehr, außer wenn man dabei an das Unkraut dachte, das in den Ruinen wucherte.
Eric blickte sich um und realisierte, wo er sich befand. Vor ihm lag der Industriesektor, der sich östlich des 14. Sektors befand. Also war er mehr als drei Sektoren oder 12 Blocks von Camelot entfernt. Das Gebäude, zu dem er nun sah, schien eine Montagehalle gewesen zu sein und die überragte mit ihren 120 Metern die meisten Einheitsgebäude um ungefähr 40 Meter.
Vorsichtig sah sich Eric noch einmal um, aber bei diesem Wetter war niemand unterwegs der ihn beobachten konnte. Noch einmal zögerte er kurz, ging dann aber doch in „Phase“ und schwebte auf das flache Dach der Halle. Wieder fröstelte es ihn, und noch immer war nicht die äußere Kälte dafür verantwortlich. Eric fühlte sich leer und einfach nur müde als er sich auf dem Dach niederließ. Von hier oben konnte er die ganze Sektor-Stadt überblicken, zumindest so weit, wie der Schneefall es gerade zuließ. Die Monotonie der Gebäude wirkte erdrückend und dementsprechend sank seine Stimmung noch weiter. Ein Block glich dem anderen, Einheitsgebäude, in Einheitsblöcken, in Einheitssektoren …
In der Ferne sah er einige dunkle Fahrzeuge und ein seltsames Gefühl überkam ihn. Noch während er grübelte, hörte er leise Schritte hinter sich, und eine unbekannte, aber angenehme Stimme fast schon flüsternd sagen: »Tolle Aussicht – nicht wahr?«
Sofort spannten sich in Eric alle Muskeln, von einem Augenblick zum nächsten war er bereit. Bereit zu kämpfen, wie er es von Kind an gelernt hatte und eigentlich „vergessen“ haben sollte. Blitzschnell sondierte er mit allen Sinnen die Umgebung – doch sein telepathisches Tasten griff ins Leere. Da war niemand!
Leises Lachen erklang, und der Fremde ließ sich neben Eric nieder. »Schon seltsam, wenn man so ins Leere greift – nicht wahr? Ging mir übrigens genauso, als du so gedankenverloren „eingeschwebt“ bist.«, noch immer schwang leiser Spott in der melancholischen Stimme des Fremden.
Eric wandte sich ihm zu und musterte sein Gegenüber. Auffallend war zuerst die Kleidung. Bis auf die Tatsache, dass sie nicht ganz so neu wie Erics war, glich sie seiner auffallend. Fast alle Mutanten bevorzugten schwarz und im Winter einen Mantel zu tragen war auch nichts Außergewöhnliches. Dennoch, ein Fremder hätte sie fast nicht auseinander halten können.
Eric hatte schwarze kurze Haare, der Fremde trug seine schwarzen Haare mittellang. Erics Augen waren fast schwarz, die des Fremden von einem hellen blau. Leichte Schatten lagen unter den Augen des Blauäugigen und das Gesicht machte auf Eric einen müden und etwas abgekämpften Eindruck. Aber obwohl das Gesicht fast starr wirkte, funkelten die Augen ein wenig spöttisch: »Ziemlich weit ab von eurem Revier und dann auch noch so sorglos?« Noch bevor Eric etwas erwidern konnte, verbesserte sich der Fremde: »Sorglos ist wohl nicht zutreffend; unvorsichtig wäre wohl treffender. – Nicht wahr?«
Jetzt verstärkte sich das Funkeln in den Augen, er wollte Eric ein wenig provozieren, aber es war nicht bösartig gemeint, soviel war klar. »Du kennst mich und meine Freunde?«
Der Fremde kicherte: »Sagen wir mal so, es fällt in den letzten Tagen sehr schwer, nicht von euch zu hören. – Nicht wahr?«
Eric sah wieder nach unten, der Fremde hatte wohl Recht. In der letzten Zeit hatten Mike und die Jungs viel „Unruhe“ in den Sektor gebracht, so viel war hier seit Jahren nicht mehr los gewesen. Dennoch gab es nicht viele Mutanten, die sie persönlich kannten.
»Hast du auch einen Namen? Ich heiße übrigens Eric, falls du das nicht wusstest.«
Wieder kicherte der Fremde: »Klar habe ich einen Namen, und deinen kannte ich auch.«
Eric wartete noch einige Sekunden, doch der Typ blieb still. »Äh, willst du mir deinen Namen nicht verraten?«
Die Augen funkelten weiterhin spöttisch, dennoch lächelte er diesmal nicht, als er antwortete: »Nein, eigentlich nicht! Aber ...« dabei drehte er sich herum und deutete auf einen stilisierten Engel mit Schwert auf dem Rückenteil seines Mantels, »Aber, du kannst mich „Angel“ nenne, so nennen mich viele.«
»Angel? Bist du so was wie der Schutzengel in diesem Sektor?« Fragte Eric und betrachtete den in das Material eingeprägten Engel, der leicht silbern und blau schimmerte. Nur das Schwert schien wie ein Hologramm je nach Blickwinkel rötlich zu flimmern.
Das Funkeln erlosch für einen Augenblick, doch als Angel antwortete, war es wieder da: »Nein, eher wie Michael, der mit dem Flammenschwert.«, dabei deutete er noch einmal auf seinen Rücken.
Eric verspannte sich wieder etwas, spürte er doch eine düstere Stimmung, die mit Angels Worten mitschwang, aber der blieb völlig cool und lächelte nun sogar ein wenig. Also kein „gefallener Engel“, dachte Eric nüchtern.
»Was ist an deinem Namen so geheim?«
Angel schüttelte den Kopf, oder schüttelte er nur die Schneeflocken aus seinem Haar? Dann sah er wieder zu Eric: »Er ist eigentlich nicht „geheim“, er hat nur keine Bedeutung mehr. Der, der ihn einmal getragen hatte, ist gestorben, ihn gibt es nun nicht mehr. Also macht es keinen Sinn, den Namen weiter zu verwenden.«
Eric spürte einen Stich in seinem Herz, als er das Gesagte realisierte; war es bei ihm nicht auch so? War der „richtige“ Eric denn nicht auch mit seiner Persönlichkeit gestorben? Sollte er sich auch einen anderen Namen suchen, um zu unterstreichen, dass er nicht der „alte Eric“ war?
Als sanftes Streicheln spürte er plötzlich Angels Hand auf seiner Schulter: »Sorry, ich wollte dich nicht beleidigen, ich wusste nicht …«
Angel kam nicht dazu, auszureden. Kaum hatte er seine Hand auf Erics Schulter gelegt, spürte dieser eine Ausstrahlung, wie er sie so intensiv nur einmal gespürt hatte. Erschrocken zuckte Eric zusammen und überrascht über Erics heftige Reaktion zog Angel seine Hand zurück. Doch Eric fasste schnell nach und hielt sie nun seinerseits fest.
»Du kannst Reiki?«, Eric war mehr als nur überrascht. Nur Takashi hatte eine stärkere Ausstrahlung als Angel, selbst Julian und Mike kamen da nicht mit.
»Ach so, das habe ich vergessen«, murmelte Angel und wieder spürte Eric eine Welle der Energie durch sich strömen. »Die haben dich aber ganz schön bearbeiten müssen, nicht wahr? Hätte nicht gedacht, dass sie so stark sind«, stellte Angel nach ein paar Minuten fest, währenddessen sie schweigend dagesessen hatten.
»Du kennst Mike und Julian?« Eric konnte sich nicht daran erinnern, dass einer der beiden einen Mutanten wie Angel erwähnte.
»Nein ich kenne „Mike und Julian“ nicht, aber ich habe von „ihnen“ gehört – ist ja auch nicht sonderlich schwer.«
Eric fühlte noch immer die angenehme und belebende Reiki-Energie, die durch ihn strömte, dennoch wurde ihm langsam bewusst, wie kalt es war.
Doch es war Angel, der ihn nach einigen Minuten des Schweigens aufforderte: »Komm ich bring dich zu eurem „Camelot“« Ohne auf etwaige Einwände zu warten, zog er Eric mit sich zum Eingang des Treppenhauses.
Angel hielt noch immer Erics Hand, als sie an der Tür standen: »Mach am besten die Augen zu und lass nicht los.« Noch bevor Eric richtig erfassen konnte, was Angel damit meinte, hatte er das Gefühl, in „Phase“ zu gehen. Gleichzeitig aber sah er plötzlich alles nur noch schwarz-weiß, bis auf seltsame, bunte Linien, die nun überall in den Wänden und dem Boden zu sehen waren. Mit sanfter Gewalt zog ihn Angel noch näher zu sich heran und hielt Eric nun an der Hüfte. Sogleich stellte sich das typische Schwebegefühl ein, als Zeichen, dass er sich tatsächlich in „Phase“ befand. Angels Griff wurde nun noch etwas fester – dann hatte Eric das Gefühl, der Boden, auf dem er stand, würde in Bewegung geraten. Zusammen mit Angel, dem er inzwischen den Arm auf die Schulter gelegt hatte, wurde er von einer unfassbaren Kraft mitgerissen.
Mit hoher Geschwindigkeit rasten sie in Richtung Erdboden. Überall an den halbtransparenten Wänden sah Eric die leuchtenden, bunten Linien, die nun auch noch unterschiedlich hell wirkten. Kurz bevor sie den Hallenboden erreichten, wurde er herumgewirbelt und mit noch höherer Geschwindigkeit rasten sie nun die Straße entlang. Eric wurde klar, dass Angel offenbar auch ein so genannter Parasurfer war. Erst gestern musste er erfahren, dass es eine solche Fähigkeit überhaupt gab. Björn, der Mutant, der ihn im Auftrag von Bergström überwacht hatte, war auch Parasurfer.
Sie nutzten den Stromfluss, das magnetische Feld oder sonst etwas, was sie noch nicht kannten, zur Fortbewegung. Doch erst jetzt verstand er, wieso sie es „Surfen“ nannten. Es war wirklich vergleichbar mit dem Gefühl, auf einem Surfbrett zu stehen, wobei der Stromfluss der Welle entsprach, auf der er ritt. Eric war klar, dass Angel seinetwegen etwas langsamer surfte, denn Björn musste sich gestern wesentlich schneller fortbewegt haben.
Für Eric war es ein seltsames aber dennoch fantastisches Gefühl, nicht zu vergleichen mit der Teleportation. Dort fühlte man einfach nichts, hier jedoch konnte er die Dynamik der Fortbewegung wirklich spüren. Bevor er es richtig realisierte, huschte auch schon der Zentrumssektor rechts an ihnen vorbei und Camelot kam in Sicht.
Dann wurden sie langsamer und fast wäre Eric gestolpert, als sie plötzlich wieder auf festem Boden standen. Gleich darauf ließ Angel ihn los und winkte noch einmal zum Abschied. »He Angel, warte! Komm doch noch mit rein«, rief Eric überrascht.
Doch der lächelte wieder nur sein trauriges Lächeln: »Ein andermal vielleicht. Und Eric? – Pass auf dich auf, das war Janus' Gebiet.«
Noch bevor Eric weiter fragen konnte verschwand Angel scheinbar in der Leitung. Nachdenklich drehte er sich um und stapfte zum Eingang von Camelot, während er darüber grübelte, was Angel zuletzt sagte. Den Namen Janus kannte Eric – das war nach seinen Informationen der psychopathische Mutant, den die Freien Mutanten angeblich „zurückgestuft“ hatten. Wenn es stimmte, was Angel da gerade gesagt hatte, dann musste sich dieser Janus überraschend schnell davon erholt haben.
@Mike
Campus-Occursus, Samstag, 22.12.2035
Noch schwebte die Stahlkugel zittrig im Zentrum der transparenten Kugel, die auf dem Boden stand. Unter mir schwankte der Boden unkontrolliert, und ein Schwarm Softbälle raste auf mich zu, sodass ich sie nur mühsam abwehren konnte. Mir gegenüber stand Remo, zusammen mit Mischa und Lukas war er für die angriffslustigen Softbälle verantwortlich.
Es war eine von Sammys Konzentrationsübungen, die ich hier erprobte. Das erste Ziel war es, die Stahlkugel ruhig zu halten. Sie durfte die transparente Kugel nicht berühren. Als Zweites mussten die Softbälle abgewehrt werden. Das Teilen der telekinetischen Kräfte erforderte sehr viel Konzentration, doch auch das reichte Sammy nicht aus. Deshalb musste ich auch noch als drittes Handikap auf dieser schwankenden, völlig unkontrolliert „bockenden“ Plattform um die Balance kämpfen. Dadurch wurde es natürlich viel schwerer, die Stahlkugel ruhig zu halten. Doch Sammy hatte schon angedroht, dass es nicht „so einfach“ bleiben sollte. Die nächste Stufe bestand darin, einen Hindernislauf zu machen, während man den Bällen ausweichen musste und die Kugel stabil halten sollte. Eric vermutete sogar, dass demnächst noch ein paar Mark-13 „ein wenig“ Störfeuer veranstalten würden.
»»Übrigens, er ist gerade zurück, du solltest mit ihm reden.«« Erschrocken zuckte ich zusammen und spürte fast schon Julians breites Grinsen, als mich sogleich einer der Bälle auf die Nase traf.
Remo freute sich, war er doch der „Absender“ des tollwütigen Softballes gewesen. Insofern hatte die „Störung“ auch etwas Gutes. Wir mussten inzwischen aufpassen, dass wir die anderen nicht demotivierten. War die Ansammlung unserer Kräfte schon für die meisten Mutanten sehr beeindruckend, so wurde es zur „Motivationsbremse“ wenn wir in allem auch noch gut oder gar besser als der Durchschnitt wurden. Der große Vorteil, den die anderen Mutanten uns gegenüber hatten, war ihre Erfahrung. Sie beherrschten ihre Fähigkeiten meist schon einige Jahre, während es bei uns gerade einmal Monate waren. Doch wir lernten schnell.
Sammy und die meisten „guten“ Mutanten vertraten zwar die Auffassung, dass wir „Multitalente“ nie so gut wie die „Spezialisten“ werden konnten. Dennoch lernten wir so schnell, dass manche der „schwächeren“ Mutanten eingeschüchtert oder eben demotiviert wurden.
»»Eric! Du wolltest mit Eric sprechen.««, mahnte Julian nun schon wieder und unterbrach damit meinen Gedankenfluss. Dabei hatte ich doch nur ein wenig nachgedacht.
»»Bist du jetzt mein neuer PTA?««, grummelte ich deshalb.
»»PTA? Sollte das der „Persönlicher Tritt in den Arsch“ sein? Den kannst du auch von mir bekommen.««, mischte sich nun auch noch Lukas kichernd ein.
»»Nein!««, stöhnte ich verzweifelt beim Verlassen der Zentralkuppel. »»Es sollte „Persönlicher telepathischer Assistent“ heißen. Und – ja ich kümmere mich um Eric.««
Wir waren wirklich besorgt gewesen, als er so lange wegblieb. Louis und Julian hatten im Meditationsraum von Camelot „Wache“ gehalten und ständig nach Eric gelauscht. Noch immer war die Situation im Sektor mehr als unübersichtlich.
Weiter vor mich her grübelnd nahm ich die Treppe hinab bis zu unserer Kantine. Es wurde wirklich Zeit, dass ich mit Eric sprach, die ganze Sache mit seiner Vergangenheit war ihm doch näher gegangen, als wir befürchtet hatten. So einfach abzuhauen und abgeschirmt durch die Gegend zu rennen – früher hätte er so etwas nie gemacht.
Da ich wusste, dass Kim in der Kantine war, wollte ich ihn dort treffen. Kaum hatte ich den Raum betreten, als Kim auch schon von seinen Spaghetti aufsah. Das war dann aber auch der letzte Eindruck, den ich von unserer Kantine aufnahm.
2. - Back Out Of Hell
Der Optimist erklärt, dass wir in der besten aller möglichen Welten leben.
Der Pessimist fürchtet, dass dies wahr ist.
unbekannter Verfasser.
@Mike
Camelot, Samstag, 22.12.2035
An die Teleportation hatte ich mich inzwischen gewöhnt, doch die Exoteleportation von Kim war noch immer sehr gewöhnungsbedürftig. Kim war wohl schon von Julian über mein Reiseziel informiert worden, denn nun stand ich auf dem roten „Kim-Punkt“, im Zentrum des Innenhofs von Camelot.
Die Jungs hatten diese Stelle extra deutlich markiert, genau wie den entsprechenden Punkt im Innenhof von Campus-Occursus. Nicht, dass jemand hier stehen blieb, um ein „Schwätzchen“ zu halten, während Kim einen anderen hier her versetzte. Trotz Olafs gegenteiliger Beteuerungen befürchteten manche der Jungs, sie könnten mit einem Ankommenden „verschmelzen“. Also, wenn man mich fragen würde – die Jungs sahen einfach zu viele Science-Fiction-Filme. Sie fürchteten tatsächlich sie könnten mit ein paar Körperteilen mehr herauskommen, als sie gestartet waren.
»»Dich fragt aber im Moment keiner, trödel' jetzt nicht rum.««, mahnte Julian erneut.
Wo war ich? Ach ja, die Teleportation! Da der Körper bei einer Teleportation nur mittels einer Raumfaltung „verschoben“ wurde, konnte es zu keiner „Verschmelzung“ kommen. Im schlimmsten Fall wurde man zur Seite geschubst. So versuchte es uns Olaf unermüdlich zu erklären, seltsamerweise war er aber nicht bereit, diese These persönlich zu überprüfen.
Für uns war es zweifellos die bequemste und vor allem schnellste Art zu „reisen“. Wer von einem Ort zum anderen wollte, musste Kim nur telepathisch Bescheid geben. Der hatte die beiden Punkte inzwischen so verinnerlicht, dass er sich kaum noch konzentrieren musste. Da die Kantine jedoch näher als der Innenhof vom „Campus-Occursus“ lag, war ich natürlich direkt zu Kim gegangen.
Scottys Vorschlag, das Ganze ein wenig zu „technifizieren“, damit auch „Normalos“ ohne telepathische Vermittlung „beamen“ konnten, stieß bei Kim jedoch nicht auf die erhoffte Begeisterung. Er befürchtete, wohl nicht zu unrecht, dass er zu überhaupt nichts anderem mehr käme, wenn er nun auch noch auf Funkaufforderung solche Transporte übernehmen würde.
Gerade, als ich fragen wollte wo Eric sich aufhielt, meldete sich mein PTA: »»Du warst aber auch schon schneller, er ist jetzt hier bei uns im Meditationsraum. Also schwing die Hufe – Trotty!««
Trotty? Dabei trottete ich nicht, sondern eilte so schnell als möglich! Was ich mir alles anhören muss, einfach nicht zu fassen! So machte ich mich schicksalsergeben auf den Weg.
Der Meditationsraum, ein kreisrunder Raum, der die ganze Fläche des Turmquerschnitts beanspruchte, lag direkt über dem Conventiculum, dem früheren Versammlungsort der Bruderschaft. Die Wände, in einem warmen beige gehalten, strahlten eine behagliche Wärme aus und harmonisierten mit der dunkelblauen Decke. Der Boden war mit einem weichen, grünen, moosartigen Belag ausgelegt. Sanfte und leise Musik erfüllte den gesamten Raum, ohne jedoch aufdringlich zu wirken. Leises Plätschern war von dem Brunnen zu hören, der sich in der Mitte des 25 Meter durchmessenden Raumes befand.
Julian, Louis und Eric saßen auf dem weichen Boden und beobachteten das plätschernde Wasser. Natürlich hatten sie mich längst bemerkt, auch wenn Louis erst seit Donnerstag zum „Club der Telepathen“ gehörte. Alle drei „Neuen“, also Dirk, Marc und Louis, übten ständig mit uns oder Frank, um ihre Kräfte zu verbessern.
Als ich mich Eric näherte, spürte ich wieder diese ungewohnte „Tiefe“, die mich mit ihm verband. Nur für Tom und Lukas hatte ich ähnliche Gefühle, die natürlich nicht an die für „meinen“ Julian heranreichten.
»»Das will ich aber doch schwer hoffen, wo wir doch schon fast eine Person sind.««
»»Wenigstens gedanklich.««, erwiderte ich spöttisch und setzte mich hinter Eric.
Behutsam zog ich ihn an mich: »»He Eric, so was darfst du nicht mehr machen. Wir hatten wirklich Angst um dich. Wenn du willst, dann ziehen wir uns auch zurück, aber bitte lass diese Abschirmung weg.««
Er lehnte sich nun seinerseits gegen mich und dann spürte ich wie er sich mir ganz öffnete. Dennoch wollte ich nichts überstürzen, wenn er sich mir so öffnete, dann nur, weil er mir vertraute. Vorsichtig tastete ich mich vor und stieß auf ein absolutes Gefühlschaos. Was war los? »»Willst du darüber reden?««
»Ich hatte eine „himmlische“ Begegnung!«, kicherte er nun plötzlich.
Noch immer widerstand ich der Versuchung, weiter in sein Bewusstsein vorzustoßen, auch wenn es mir schwer fiel. Was meinte er damit und warum war er so locker? In ihm tobte ein Gefühlschaos und dennoch war er fast euphorisch.
»Eine „himmlische“ Begegnung?«, Julian war nicht minder erstaunt.
»Jep! Und gesurft bin ich auch!«
Auf Louis Stirn erschien die erste Sorgenfalte, anscheinend begann er an Erics mentaler Verfassung zu zweifeln: »He Eric, hast du von Sammys Pillen genascht? Ich wusste doch dass mit den Dingern etwas nicht stimmt, unser Psychoonkel grinst immer so dämlich, wenn er sie schluckt.« Zum Glück war Sammy im Campus-Occursus, sonst hätte er sicherlich Louis die Hölle heiß gemacht. Wenn es um seine Pfefferminzdrops ging, verstand Sammy keinen Spaß.
Immerhin grinste Eric jetzt richtig und begann dann zu erzählen, wie und wo er „Angel“ getroffen hatte. Betroffen hörten wir ihm zu und sahen nun unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Es war unglaublich leichtsinnig gewesen, ihn einfach gehen zu lassen. Ich mochte mir nicht vorstellen auf wen er alles hätte treffen können. Eric bekam davon jedoch überhaupt nichts mit und beendete schließlich seine Erzählung damit, wie dieser „Angel“ ihn hierher gebracht hatte.
»Es war einfach unglaublich. Diese Art der Bewegung, völlig anders als Teleportation! Du siehst wirklich, wohin die Reise geht.«, Erics Augen leuchteten regelrecht. So begeistert hatte ich ihn zuletzt gesehen als er von Chris die „Black Viper“ geschenkt bekommen hatte.
»Dafür bist du aber auf einen Stromfluss angewiesen.«, grummelte Louis. Wieder einmal hatten wir nicht bedacht, wie empfindlich „geborene“ Mutanten reagierten, wenn es um ihre Fähigkeiten ging. Als Teleporter schien Louis wirklich ein wenig beleidigt zu sein, dass Eric sich so für die „Kabelhüpfer“ begeistern konnte. Doch als ich Louis nachdenklich ansah, musste er sich bemühen, ein Grinsen zu verkneifen. In diesem Fall war er also nicht wirklich beleidigt.
»Und er wollte nicht mitkommen?«, unterbrach Julian meine Betrachtungen.
»Nein, er war plötzlich wieder so – so bedrückt. Ich denke, er hat überhaupt nur mit mir gesprochen, weil es ihm ähnlich ging. Frag mich nicht, woher er das wusste. Wie ihr wisst, war meine Abschirmung die ganze Zeit stabil.«
Klar, sonst hätte ihn Julian aufgespürt und mit Louis zurückgebracht. Aber da war noch etwas mehr: »»Du magst ihn? Oder ist da mehr, mehr als nur „mögen“?««
Für einen Moment ging ein Zittern durch ihn, bisher waren eigentlich nur wir beide uns „näher“ gekommen. Natürlich hatte er auch schon Sex mit Tom, Lukas und Julian – er hatte das aber immer nur als Sex gesehen. »»Ich weiß es wirklich nicht, aber es war da so ein Gefühl, es war einfach nur schön seine Nähe zu spüren. Ähnlich wie bei dir, nur bei ihm war da die, …, die Hoffnung auf mehr.««
Wieder drückte ich ihn an mich, für ihn war es sicherlich nicht einfach. Tom hatte Lukas und ich meinen Julian und er, …, er war sich nie so sicher, wie weit er gehen wollte.
»He, du wirst ihn dort sicherlich wieder finden. Ich habe das Gefühl, dass er öfter dort ist. So wie du es beschreibst, ist es ein guter Ort um nachzudenken.«, versuchte Julian ihn wieder etwas aufzumuntern.
»Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee wäre. Er hat mich indirekt davor gewarnt.«
»Was meinst du?«, wieder bekam ich so ein seltsames Zucken im Magen. Entweder waren mir die Spaghetti nicht bekommen, oder meine Vorahnung machte sich wieder bemerkbar.
»»Er sagte, dass es das Gebiet von Janus sei. Ich solle vorsichtig sein««, selbst telepathisch klang der Rest nur noch nach einem Murmeln. Und mir wurde klar, dass es sich wohl doch um eine Vorahnung gehandelt haben musste.
Zur gleichen Zeit an einem anderen Ort
Sektor 20, Samstag, 22.12.2035
Wieder huschte die Landschaft an ihm vorbei, doch diesmal schneller, viel schneller als zuvor mit Eric. Längst ließ sich Angel von den vorbeihuschenden Schemen nicht mehr verwirren. Er kannte den Weg, er kannte ihn viel zu genau. Zurück zur Sektorengrenze, und ab da ging es nur noch abwärts und das in jeder Hinsicht. Die dunklen Gewölbe und Gänge, nur noch beleuchtet vom flackernden Schein weniger Neonleuchten, nahm er dabei schon fast nicht mehr war.
Der Zufall, oder war es Schicksal, hatte ihn mit Eric zusammengebracht. Er wusste nicht, weshalb Eric die Ruhe und Einsamkeit gesucht hatte. Doch die Begegnung mit Eric hatte in ihm etwas verändert. Längst tot geglaubte Gefühle waren erwacht. Und mit diesen Gefühlen wurde ein Wunsch in ihm stärker. – Der Wunsch endlich den entscheidenden Schritt zu machen.
Ein bitteres Lächeln umspielte seine Lippen. Es wurde wirklich Zeit für eine Veränderung. Zu lange hatte „Er“ ihn belogen, betrogen und hingehalten, mit Informationen gelockt und Halbwahrheiten geliefert. „Er“ hatte ihn zu Dingen überredet, die Angel eigentlich nie tun wollte, doch bisher war es Angel gleichgültig gewesen. Dann aber hatte „Er“ einen Fehler begangen. Angel war sich bewusst, dass es nicht ein Mangel in der Planung war. Auch „Er“ konnte nicht alles wissen, aber das durfte „Ihm“ niemand sagen.
Je mehr Angel über „Ihn“ nachdachte, desto schlechter wurde seine Laune und Zorn kochte in ihm hoch. Der Zorn auf den, der sich gerne als der „König der Unterwelt“ sah. Wobei er keineswegs an Kriminelle dachte, wenn er von der Unterwelt sprach. Sogleich huschte wieder ein spöttisches Lächeln über Angels Gesicht, die „Iratus Lemurum“ hatten schon einmal einen „Mann, der König sein wollte“ abgesetzt. So etwas konnte „Ihm“ auch sehr schnell passieren, wenn er nicht aufpasste. Vielleicht werde ich ihnen sogar dabei helfen, waren Angels letzten Gedanken, bevor er in der dunklen Halle ankam.
Die Halle war groß, sehr groß und sie lag tief unterhalb von Sektor 20. Bis zur Oberfläche waren es mindesten 300 Meter, doch das war im Moment unwichtig. Wer hier herunterkam, dessen geringste Sorge war die Entfernung bis zur Oberfläche. Dies war die „Unterwelt“, das Reich der „Negativen Mutanten“ und einer, der ihr Herrscher sein wollte, stand nur wenige Meter von ihm entfernt.
»Wo warst du so lange „mein Engel“?«, fragte Janus sogleich und scheinbar besorgt. Doch Janus einzige Sorge, die er bei Angel hatte, war die, wann er die Kontrolle über ihn endgültig verlieren würde. Längst spürte er die Entfremdung, die nach der letzten gescheiterten Aktion nur noch größer geworden war.
Als er Mitte Juli auf Angel traf, war dieser traumatisiert, aufsässig, ablehnend, aber „formbar“ gewesen. Angel hasste die Darwinianer und für Janus war es leicht, diesem Hass eine Richtung zu geben. Fast schon besorgniserregend waren Angels Bemühungen, die Catcher zu „Catchen“. Lebend kam fast keiner an Angel vorbei. Doch mit der Zeit ließ auch das nach, und nur noch die Kälte blieb in Angel zurück.
Für Janus wurde Angel zu einem seiner wichtigsten „Instrumente“. Er nutzte seine stoische Gleichgültigkeit und die Kälte, die er ausstrahlte, um neue Mutanten für seine Sache zu gewinnen. Dies war nach der „Zurückstufung“ durch die Freien Mutanten auch dringend notwendig geworden, da schließlich sein persönlicher Bedarf an Mutanten gestillt werden musste.
Doch nun entzog Angel sich ihm, mit jedem Tag entglitt er ihm mehr. Janus konnte jedoch einfach nicht nachvollziehen warum. Angel selbst machte keinerlei Anstrengungen, um Macht zu erlangen. Und an der Horde, mit der er sich für gewöhnlich herumtrieb, konnte es auch nicht liegen. Die erreichten bei weitem nicht Angels Niveau. Angel war ein starker Mutant, der sich aber weder „einspannen“ ließ, noch selbst nach Macht gelüstete. Für Janus war das ein völlig unverständliches, geradezu unheimliches Verhalten.
Unterdessen stand Angel einfach nur da und ließ sich Zeit mit der Antwort, denn eigentlich erwartete Janus auf solche Fragen eh keine Antwort. Jeder wusste, dass es nur eine Person gab, um die sich Janus sorgte, und diese Person hieß Janus. Da blieb einfach kein Platz für jemand anderen.
»Hast du ihn angetroffen und wird er kommen?«
Angel bemühte sich nicht einmal mehr sein spöttisches Lächeln zu verbergen. Doch er wollte mehr erfahren und das gelang am besten, wenn er auf Janus einging.
»Er war noch nicht da und ich bezweifle, dass er sich für „deine“ Sache einspannen lässt, nicht nach dem, was ich bis jetzt über ihn gehört habe.«, Angels Stimme klang ein wenig herausfordernd, doch wie gewöhnlich wollte Janus das bei ihm nicht bemerken. In solchen Dingen war er sehr „flexibel“, ein anderer würde dafür später büßen müssen.
»Unsere Sache, es ist unsere Sache – „mein Engel“! Oder glaubst du vielleicht ich würde dies alles nur für mich machen?«, die Entrüstung klang fast schon glaubwürdig. Doch die theatralische Geste, mit der er auf eine Reihe von Mutanten zeigte, die jeder sofort als Monster bezeichnet hätte, machte diesen Eindruck sofort zunichte.
Janus ließ Angel jedoch keine Zeit, die rhetorische Frage zu bejahen und fuhr ungerührt fort: »Die Mutanten müssen sich erheben und ihren Platz in der Gesellschaft einnehmen. Wir dürfen uns nicht länger unterdrücken lassen. Wir haben die Macht, uns unseren Platz zu erkämpfen und wenn wir es nicht tun dann …«
Angel hörte längst nicht mehr zu, dazu hatte er diese Phrasen viel zu oft gehört. Die Menschen unterdrückten die Mutanten, das war eine Tatsache. Doch sie unterdrückten auch die anderen Menschen, wie zum Beispiel im Sektor 20 und allen ähnlichen Städten. Würde einer wie Janus an die Macht kommen, dann würde sich daran nichts ändern. Sollte Janus‘ Plan gelingen, wäre der Begriff „Schreckensherrschaft“ sicherlich eine harmlose Umschreibung dessen, was allen Menschen, egal ob Mutant oder Normalo, drohte.
Angel hatte gehofft, etwas über den Mutanten zu erfahren, den er „Anwerben“ sollte. Angeblich war es einer, der „reif“ für Janus Ideen war. Doch er hatte ihn nicht gefunden, und stattdessen war er auf Eric gestoßen. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage wurde seine Aufmerksamkeit auf die Iratus Lemurum gelenkt.
3. - Do They Know It's Christmastime?
It's Christmastime
There's no need to be afraid
At Christmastime, we let in light and we banish shade
And in our world of plenty we can spread a smile of joy
Throw your arms around the world at Christmastime
aus Do they know it's Christmastime von Band Aid
Sektor 20, Montag, 24.12.2035
Gerald war müde, wütend und nervös. Müde, da er gerade eine dreistündige Reise von London nach Europolis hinter sich gebracht hatte. Wütend, weil seine Wohnung, die er vor fast einem Jahr zuletzt gesehen hatte, von Unbekannten durchsucht und dabei sehr verwüstet worden war. Und nervös, weil er zu einer Besprechung gehen musste und nicht wusste, wie er dem Stiftungsausschuss seinen Rausschmiss erklären sollte.
Bis vor drei Wochen lief alles bestens – und dann? Eines Abends war er unterwegs auf dem Campus und wurde überfallen. Da war es doch sein Recht sich zu verteidigen. Leider sah das die Schulleitung etwas anders. Er habe vier leicht angetrunkene Mitschüler brutal misshandelt, nur, weil die ihn „verwechselt“ hätten. Klar hatten sie ihn „verwechselt“, sie hatten ihn mit jemandem verwechselt, der sich nicht wehren konnte.
Das eigentliche Urteil war schon gefällt, bevor er überhaupt den Anhörungsraum betrat. Dessen war er sicher, doch das half ihm jetzt auch nicht mehr weiter. Aus eigener Kraft war es ihm gelungen, aus Sektor 20 herauszukommen. Sogar bis nach London hatte er es gebracht – und nun lagen seine Träume in Trümmern.
Da half ihm das alte Zitat von Mark Twain auch nicht mehr weiter, dass ihm einer seiner wenigen Freund in London mit auf den Weg gab: „Trenne dich nie von deinen Illusionen und Träumen. Wenn sie verschwunden sind, wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben, zu leben.“ Mit einem Mal erschien nun alles so sinnlos.
Ziellos stapfte er zwischen den verschneiten Wohnblocks. Nachdenklich sah er immer mal wieder um sich, hier im Sektor musste man stets etwas vorsichtig sein. Da er nun schon fast ein Jahr nicht mehr hier gewesen war, kannte er die momentanen Machtverhältnisse nicht so genau. Aber auch in Sektor 20 gab es gewisse Konstanten, Dinge, die sich nie änderten.
Kaum gedacht stutzte er, etwas an dem Bild, das er vor sich sah, war nicht so, wie es sein sollte. Eine der Konstanten schien nun doch nicht so konstant gewesen zu sein. Hier stimmt etwas ganz und gar nicht, dachte Gerald etwas betroffen, als er das zusammengestürzte Gebäude betrachtete. Es war einmal die Residenz von „King Roy“ gewesen, doch nun war es nur noch ein Trümmerberg.
Der King war immer einer jener Mutanten gewesen, denen Gerald lieber nicht begegnen wollte. Langsam ging er näher zu dem Gebäude und suchte nach dem Grund der Zerstörung. Anscheinend war der „King“ diesmal auf jemanden getroffen, dem er besser nicht begegnet wäre. Die Spuren eines Kampfes waren sichtbar, wenn man sich mit so was auskannte. Schnell war Gerald klar, dass hier ein paar Telekineten gewütet hatten. Wären es Normalos gewesen, dann wären auch Brandspuren, Einschusslöcher, Munition und dergleichen zu sehen gewesen. Außerdem gab es wohl kaum eine Gruppe von Normalos, die sich mit dem King angelegt hätte, so was trauten sich nicht einmal die stärkeren Mutanten.
Hier jedoch waren mit Sicherheit telekinetische Kräfte ungeheuren Ausmaßes aufeinander geprallt. Ein Schritt brachte ihn zu dem ehemaligen Eingang der Residenz. Viele Spuren waren hier nicht zu finden. Aber die Art, wie die Türen und Wände regelrecht zerpulvert worden waren, sprach eindeutig für Telekinese.
Innerlich zuckte er mit den Schultern, King Roy war niemand, dem er nachtrauern würde. Wahrscheinlich hatte er einmal zu viel die Freien Mutanten provoziert und die hatten die Sache nun endgültig erledigt, dachte Gerald. So etwas geschah eigentlich recht selten und dann meist mit wesentlich weniger Spuren. Es widersprach einfach ihren Grundsätzen in der „Öffentlichkeit“ solche Spuren zu hinterlassen. Der Verrückte musste ihnen einen wirklich harten Kampf geliefert haben.
Schnell besann sich Gerald auf eine viel wichtigere Frage. Wenn es King Roy nicht mehr gab, wer kontrollierte nun diesen Sektor? Ein Frösteln durchfuhr Gerald. Er war schon so lange durch diesen Sektor gestapft, dabei wusste er nicht einmal, an wen dieser Sektor inzwischen gefallen war. Es war nicht mehr weit bis zu Sektor 6, und dessen Neutralität war auch eine Konstante, an der nicht einmal die Freien Mutanten zu rühren wagten. Das „Kerngebiet“ der Bruderschaft war schon immer neutral gewesen, solange er sich erinnern konnte. Auch wenn er selbst sie nie erlebt hatte, denn er war gerade einmal fünf Jahre alt gewesen und ahnte nicht einmal das er ein Mutant sein könnte, als die Bruderschaft verschwand. Keiner der Mutanten, die er kannte, wusste etwas Genaueres, oder wollte darüber reden. So plötzlich wie sie auftauchten, waren sie auch wieder verschwunden. Doch ihr Ruf und ihre Ideen lebten weiter, auch wenn es den Freien Mutanten überhaupt nicht passte.
So in Gedanken vertieft, machte er sich auf, um von Sektor 6 aus, die Magnetbahn, in Richtung Europolis zu nehmen. Dies war wesentlich sicherer, als die hiesige Station aufzusuchen, jetzt da es den King nicht mehr gab, musste man mit allerlei unangenehmen Personen im Umfeld der Station rechnen. Denn egal, was man über den King sagen mochte, die üblichen Wegelagerer hatten in seinem Sektor nie ihr Unwesen treiben können. Und den Typen vom Stiftungsausschuss durfte er nicht warten lassen. Heute war Weihnachten, vielleicht würde dieser Herr Block etwas gnädig gestimmt sein, versuchte Gerald sich Hoffnung zu machen.
Doch eine Explosion riss ihn jäh aus seinen Gedanken. Schnell sah er sich um. Bei dieser Kälte war niemand zu sehen. Mit einem Schritt war er an der an der Ecke eines Einheitsgebäudes, das schon längere Zeit leer stand. Lärm war zu hören, doch sehen konnte er noch immer nichts. Wieder ein Schritt, und er stand auf der anderen Straßenseite. Der Lärm wurde lauter, Schreie waren nun zu hören. Ein weiterer Schritt und er sah drei verlassenen Vans und einen brennenden Transporter. Gerald registrierte sogleich die pfeifenden Schüsse von Taser-Waffen.
Schnell rief er die aktuellen Informationen aus seinem Memo-Implantat ab:
„Taser: Eine Elektroschockwaffe, die mit Widerhaken versehene Pfeile verschießt, die über dünne Kabel mit einer Spannung von 50.000 Volt versorgt werden. Getroffene werden durch eine Irritation des zentralen Nervensystems kurzfristig paralysiert. Die Waffe hat eine Reichweite von 6-7 Metern.“
Anscheinend hatte sich in diesem Bereich nichts geändert. Er versuchte sich immer auf dem neuesten Stand über solche Entwicklungen zu halten. Hier im Sektor konnte das Wissen über Waffen überlebenswichtig sein. Alleine das Unterschätzen der Reichweite konnte schon entscheidend sein.
Normalerweise hielt er sich zwar aus Ärger heraus oder versuchte es zumindest. Doch diese Fahrzeuge waren ihm nur zu bekannt und dann sah er auch schon den ersten Catcher. Er schleifte einen Jungen, der einen blaugrauen Overall und eine schwarze Panzerweste trug, grob hinter sich her auf einen der Wagen zu. Ein Schritt und Gerald stand vor dem überraschten Catcher.
Gerald beabsichtigte nicht, ihm die Gelegenheit zu geben, sich von der Überraschung zu erholen. Er machte eine halbe Drehung und riss seine Fuß hoch. Die Bewegung war exakt und das Timing perfekt, dennoch blockte der Typ den Kick mühelos ab. Dieser Catcher reagierte verdammt schnell, realisierte Gerald verwundert.
Mit einem verächtlichen Lachen ließ dieser den Jungen los und griff zu seinem Schockstock. Doch Gerald ließ sich nun zur Seite fallen und riss seinen rechten Arm hoch, in Richtung des Catchers. Ein Blitz entstand vor dessen Gesicht und zuckte auf ihn nieder. Gerald brauchte keine Taser-Waffen, er war ein lebender Taser; andere nannten es auch Elektrokinese.
Mit lautem Stöhnen sank der Typ zu Boden. Zynisch dachte Gerald daran, dass dies nun auch, wie die vier betrunkenen in London, eine Verwechslung sein könnte und er den „armen“ Catcher nun wohl auch „misshandelt“ hatte.
Aus dem Eingang rechts huschte plötzlich ein dunkler Schatten: »Warum hast du ihn nicht gleich richtig erledigt?«, rief der unbekannte Typ, mit dem seltsamen Engels-Symbol auf dem Rücken, fast schon verärgert. Ohne weiter auf Geralds Verwunderung zu achten, hastete der „Engel“ an ihm vorbei in Richtung der anderen Kämpfenden.
»Tolle Begrüßung! – Man fühlt sich gleich so richtig heimisch«, grollte Gerald und grübelte, woher er den Typ kannte, während er ihm hinterher eilte. Gerald war sicher, dass er diesen „Engel“ schon einmal gesehen hatte, aber leider war sein Personengedächtnis extrem schlecht, da half auch ein Memo-Implantat nicht weiter. Da Gerald sich jedoch schon einmal eingemischt hatte, wollte er jetzt wissen, was da vor sich ging.
Die Situation, mit der er wenig später konfrontiert wurde, war für Gerald jedoch nicht nur reichlich unübersichtlich, sondern wirklich erschreckend. Offensichtlich hatte eine Jagdtruppe von 12 Catcher einen 4-Mann-Trupp einer Art Bürgerwehr angegriffen, jedenfalls trugen sie alle eine Art Uniform. War der Umstand, dass die Catcher sich nun auch noch mit Bürgerwehren anlegten ziemlich überraschend, so war die Tatsache, dass sie sogar einen Mark-13 dabei hatten, wirklich erschreckend. Doch der machte im Moment nur noch völlig unkontrollierte und sinnlose Bewegungen. Der Grund schien einer der drei verbliebenen Jungs zu sein, auf dessen Jacke der Name „Remo“ stand. Doch seit wann gab es Bürgerwehren mit Mutanten? – Denn dass der Typ Telekinet war, daran bestand für Gerald keinen Zweifel.
Von den anderen beiden geschützt stand Remo konzentriert da und verhinderte telekinetisch, dass der Roboter seine Waffen einsetzen konnte. Fasziniert starrte Gerald auf die Waffen des Mark-13, denn eine derartige Bewaffnung war ihm völlig unbekannt. Es waren offensichtlich nicht die üblichen Raketen-Waffen.
Der Engel-Typ lief unterdessen locker auf zwei der Catcher zu, die reagierten jedoch geradezu panisch und versuchte zu fliehen. Warum sie ihre Waffen nicht benutzten, konnte Gerald nicht erkennen. Die ganze Situation erschien ihm irrational. Bürgerwehren mit Mutanten, ein Roboter, der seine Glieder nicht unter Kontrolle halten konnte, Catcher, die vor einem Mutanten flüchteten … es schien sich doch einiges geändert zu haben während seiner Abwesenheit.
Viel Zeit blieb ihm nicht darüber zu grübeln, denn nun wollten sich zwei Catcher auf ihn stürzen. Während er den Taser-Pfeilen geschickt auswich, jagte er seinerseits eine Ladung Energie durch deren Leitung. So explodierten die Waffen in den Händen ihrer Besitzer und gaben dabei einen Teil ihrer Ladung an diese weiter.
Einer der Catcher brach sofort zusammen, während der andere mit blutenden Händen nach einer Schallmiene griff. Darauf ließ es Gerald natürlich nicht ankommen und verpasste ihm noch eine extra Ladung. Ohne aktiviert worden zu sein, rollte die Schallmine davon. Eigentlich waren diese Infraschallwaffen geächtet, da ihre Wirkung nicht genau bestimmt werden konnte. Doch das war für die Catcher offensichtlich kein Hinderungsgrund. Dennoch, so was hatten sie vor einem Jahr noch nicht nötig gehabt, grübelte Gerald.
Wieder sah sich Gerald um und konnte beobachten, wie Angel sich gerade über einen der Catcher beugte. – Gleich darauf erstarb dessen klägliches Wimmern. Gerald ahnte, was dies zu bedeuten hatte, aber über das wie war er sich nicht im klaren. Gerald hatte gesehen, dass der „Engel“ den Typ leicht berührt hatte, also war es sicherlich keine Elektrokinese. Denn da vermied man natürlich die Berührung mit seinem Gegner.
Erneut war es Gerald nicht vergönnt mit dieser Situation fertig zu werden. Die drei restlichen Jungs waren von fünf der Catcher eingekreist worden, und ein weiterer Catcher richtete gerade einen seltsamen Apparat auf Gerald, als drei schwarz gekleidete Mutanten erschienen. Dass es Mutanten waren, daran bestand nun wirklich kein Zweifel. Der Mittlere schien ein Teleporter zu sein und Gerald war sich ziemlich sicher, dass der früher einmal zu King Roy gehört hatte. Die drei stürzten sich sogleich in den Kampf, so als wäre das völlig normal, geradezu alltäglich.
Gerald kam gerade noch dazu, „seinem“ Catcher eine elektrokinetische Ladung zu verpassen, bevor der seinen seltsamen Apparat zu Einsatz bringen konnte, dann sah er nur noch staunend zu. Mit einer noch nie gesehenen Akrobatik stürzte sich der eine, er sollte später noch erfahren, dass es Lukas war, in eine Gruppe von vier Catchern. Obwohl Gerald sich mit Kampfsport auskannte und auch einen guten Lehrer gehabt hatte, verschlug es ihm die Sprache. Das, was Lukas da zeigte, war besser und vor allem stärker als alles, was Gerald je gesehen hatte, es war einfach genial.
Doch als wäre dies nicht genug, sah er betroffen wie der zweite „Neuankömmling“ von dem er später erfuhr, dass es Mike war, sich dem Mark-13 zuwandte. Mit einer spielerischen Bewegung ließ er diesen telekinetisch gegen die nächste Wand donnern, noch bevor sich dessen KI auf die veränderte Situation einstellen konnte, zerfiel der Roboter einfach zu einer wirbelnden Staubwolke. Die wurde von dem kalten Wind erfasst und nichts war von einem der gefürchteten Roboter übrig, die besonders hier im Sektor als Mordmaschine galten.
Auch Angel hatte das Auftauchen der drei beobachtet und sah ihnen noch einen Augenblick zu. Dann entschloss er sich zum Rückzug. Aus dem Augenwinkel sah Gerald nur noch, wie Angel ihm kurz grüßend zuwinkte und dann verschwand. Gerald spürte an der Stelle einen Stromfluss und ihm wurde klar, dass der Engel ein „Kabelhüpfer“ sein musste.
Da die Catcher nun keine Gefahr mehr darstellten, folgte Gerald Angels Vorbild. In seiner Abwesenheit hatte sich sehr viel verändert, denn so etwas hatte Gerald noch nie erlebt. Wenn der Engel nicht mit den anderen Mutanten zusammentreffen wollte, dann war es für Gerald sicherlich auch besser, vorsichtig zu sein.
Die Situation im Sektor schien sich derart grundlegend verändert zu haben, dass es Gerald einfach nicht ratsam erschien, ohne vernünftige Informationen solchen Mutanten zu begegnen. Er hatte sich als Freelancer bisher sehr gut durchgeschlagen und daran sollte sich nichts ändern. Bevor er hier in eine Gruppe hineingezogen wurde, machte er lieber einen schnellen Abgang. Außerdem würde Herr Block vom Stiftungsausschuss sicherlich nicht gerne warten.
@Mike
“Sektor 20“, Montag, 24.12.2035
Wir umringten die beiden letzten Catcher, Lukas hatte mit einem „gewagten“ Manöver gleich vier auf einmal erledigt. Zwei mit ForceFight und die anderen mit Elektrokinese. Der Mark-13 war nur noch eine Staubwolke und die letzten beiden Catcher starrten mir nun ziemlich entsetzt in die Augen.
Metin und seine Freunde schienen irgendwie immer das Pech zu haben, dass ihre Patrouillen im Sektor ungewöhnlich endeten. Als Metin, Rene, Dorian und Jan ihren ersten gemeinsamen Rundgang machten, war Metin von „King Roy“ entführt worden. Heute war Remo statt Jan mitgegangen, und sie gerieten in einen Hinterhalt der Catcher. Dabei hatten wir insgesamt noch Glück gehabt. Dorian war mit ein paar Schrammen und eine Beule am Hinterkopf, also nichts, was nicht mit etwas Reiki wieder zu beheben war, davon gekommen. Aber durch das Eingreifen der beiden fremden Mutanten war er nicht entführt worden.
Remo war es gelungen, den Mark-13 so lange in Schach zu halten, bis ich ihn vernichten konnte. Gleich nach Metins telepathischem Hilferuf waren Lukas und ich von Louis hierher gebracht worden. Doch ohne das Eingreifen der beiden anderen Mutanten hätte die Sache übler ausgehen können. Keiner von uns wäre auf die Idee gekommen, dass es die Catcher wagen würden, einen Mark-13 offen einzusetzen. Eigentlich hatten wir überhaupt nicht mit einem Angriff der Catcher gerechnet.
Lukas, der die herumliegenden Catcher untersucht hatte, kam auf mich zu: »»Zwei sind tot, die anderen wahrscheinlich mit Elektrokinese geschockt. Hast du eine Ahnung, wer das war?««
»»Wichtig ist erstmal: Was machen wir mit denen?«« Eigentlich war ich sauer, aber so, wie sie jetzt da standen, taten sie mir fast leid. Ich hätte zu gerne gewusst, weshalb sie es jetzt schon wieder so massiv versuchten.
»»Lass sie laufen. Sie sollen einfach nur verschwinden und sich hier nie wieder blicken lassen.««, vernahm ich den Rat meiner besseren Hälfte.
Ein Blick zu den Jungs, und mir war klar, dass ihnen das sicherlich nicht gefallen würde. Doch sollten wir sie vielleicht töten? Wir hatten keine Möglichkeit, alle Catcher, auf die wir trafen, gefangen zu nehmen. Und zum Mörder wollte ich auch nicht werden. Also blieb wirklich nur Julians Vorschlag.
Nachdenklich sah ich mir die beiden noch einmal an, sie waren nicht viel älter als Louis oder ich. Jetzt starrten sie uns, fast schon Panisch, an und warteten darauf, dass wir auch sie ... Was sie wohl glaubten, dass wir mit ihnen machen würden?
Telepathisch waren sie taub und ich hatte auch keine Lust noch länger hier herumzustehen. Also gab ich mir einen Ruck: »Packt eure Leute ein und verschwindet von hier. Wenn ihr euch noch einmal hier blicken lasst, wird es wirklich übel enden.«
Die Jungs sahen mich, im Gegensatz zu den beiden Catchern, nur mäßig überrascht an. Auch sie waren inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass wir nicht viele Optionen hatten. Ohne weiter auf die völlig überraschten Catcher zu achten, verließen wir als die „Glorreichen Sieben“ den Schauplatz.
»Wieso sind die beiden Mutanten so schnell verschwunden? Und wer waren sie?«, überlegte ich laut.
»Den Blonden, der als Zweites verschwunden ist, habe ich schon mal gesehen. Ich glaube, er ist ein Freelancer und wohnt in Sektor-18.« Louis klang aber nicht sonderlich überzeugt.
»Seltsam, mir kam der Schwarzhaarige bekannt vor, ich bin mir ziemlich sicher, ihn schon einmal gesehen zu haben.«, grübelte Lukas.
»Der Blonde schien aber ziemlich überrascht, als ihr gekommen seid.«, gab Metin zu bedenken und ergänzte dann noch: »Er hat nur noch zugesehen und sich dann verdrückt. Aber zuvor hatte er vier Catcher flach gelegt. Und dass die beiden Freelancer waren, daran besteht wohl kaum ein Zweifel, wer sonst riskiert schon Ärger mit den Freien Mutanten?«
»So nahe bei Camelot, da sollte ihn unser Eintreffen doch wirklich nicht überraschen. Zumal, wenn er aus der näheren Umgebung kommt.«, wunderte sich Lukas zu Recht.
»Vielleicht hat ihn unsere neue Uniform irritiert«, grinste Remo und strich sich imaginären Schmutz von der Hose.
Diese Uniformen waren eine Idee von Stefan, er meinte, es wäre besser wenn unsere Patrouillen mehr wie die normalen Bürgerwehren aussähen, wie sie in einigen der anderen Sektoren auch auftraten. Anfangs war die Begeisterung unter den Mutanten nicht so groß, da nur die Stiefel, die Panzerweste und das Barett schwarz waren, aber inzwischen kam sie doch sehr gut an. Außerdem wurde damit das Zusammengehörigkeitsgefühl der Hoods noch mehr gestärkt. Denn Normalos und Mutanten trugen dieselbe Ausrüstung.
4. - Life Is Like A Rollercoaster
„Sektor 20“, Montag, 24.12.2035
Was für ein Tag, dachte Gerald, während er müde und ziemlich down auf dem Weg zu seiner Wohnung war. Das Gespräch mit Herr Block von der Stiftung war für ihn sehr überraschend gewesen. Er hatte sich noch die ganze Zeit überlegt, wie er den Londoner Zwischenfall erklären könnte und warum er deshalb von der Schule verwiesen worden war.
Doch Herr Block war gut informiert, sehr gut sogar. Geralds letzte Hoffnungen verschwanden, als Herr Block ihm klar sagte, dass man wüsste, dass er ein Mutant sei. Beinahe hätte er dann den zweiten Teil nicht mehr mitbekommen.
»Dies ist für uns jedoch ohne jeden Belang. Ziel der „Barbara-Neckler-Stiftung“ ist es, Begabte zu fördern und sie sind, ohne jeden Zweifel, begabt. Damit meine ich natürlich nicht ihre „besonderen Fähigkeiten“ sondern ihre schulische Begabung. Wir sehen deshalb keinen Grund, ihre Förderung einzustellen.«
Die Erleichterung war Gerald anzusehen und Herr Block machte es dann auch relativ kurz. »Leider kann ich ihnen im Moment nur die „Otto-Hahn-Schule“ bei Paradies City anbieten, da wir bei unseren anderen Partnerschulen mit ähnlichen Problemen zu rechnen haben. Selbst auf dieser Schule sollten sie sehr vorsichtig sein. Nach unseren neuesten Informationen scheint Direktor Schmitt Vorurteile gegen Schüler aus Sektor 20 zu haben.«
Den Rest des Gesprächs nahm er dann kaum noch wahr. Immerhin würde er nun doch noch einen vernünftigen Abschluss bekommen. Zwar nicht der Gewünschte mit Schwerpunkt Biotechnologie, wie in London, aber immerhin einen qualifizierten Abschluss. Dass die Stiftung ihn weiter unterstützen würde, hatte er kaum zu hoffen gewagt.
Entsprechend war dann auch seine Hochstimmung, als er bei David, einem seiner Bekannten, eintraf. David war auch Mutant und hatte mit einigen anderen Mutanten in Sektor-12 den „Freundeskreis“ gegründet. Der Name lag gewissermaßen auf der Hand, da David einen sehr großen „Bekanntenkreis“ hatte.
Sie nannten sich deshalb einfach nur „Freundeskreis“, da sie keine wirkliche Gruppe waren. Er selbst kannte David eigentlich nicht so „nahe“, seine extrovertierte Art ging Gerald ziemlich auf die Nerven. Doch ansonsten war er ein wirklich netter Kerl. Für Gerald war im Moment aber nur wichtig, dass David meist sehr gut darüber informiert war, was im Sektor so geschah.
David kam eben sehr viel „herum“, was auch nicht unbedingt nach Geralds Geschmack war, obwohl er im Moment nichts gegen ein „Intermezzo“ gehabt und David nicht zurückgewiesen hätte. Doch der hatte es aus Erfahrung erst gar nicht probiert.
Als Gerald nun, vier Stunden später, unterwegs zu seiner Wohnung war, schwirrte ihm noch immer der Kopf. Dass sich in so kurzer Zeit so viel ändern konnte, hätte er nie für möglich gehalten. Von David wusste er, dass die „Bürgerwehr“, der er heute zu Hilfe gekommen war, aus den Hoods bestand, die er eigentlich nur als ziemlich verwahrlosten Haufen sehr mäßig begabter Mutanten kannte. Wobei sie nicht einmal nur Mutanten waren, sondern sich auch mit Normalos einließen. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis sie „Besuch“ von den Freien Mutanten bekommen würden, obwohl das inzwischen auch nicht mehr so sicher war, wie ihm David erklärt hatte.
Die drei, die später erschienen waren, gehörten zu einer neuen Gruppe, die sich Iratus Lemurum nannten und als „Erben“ der Bruderschaft gehandelt wurden. Gerald kannte die Bruderschaft nur als Legende. Aber es war schon ziemlich erstaunlich, dass sich diese Iratus Lemurum zusammen mit den Hoods Sektor-6 einfach unter den Nagel gerissen hatten, ohne dass jemand etwas dagegen tat. Wobei das nicht so ganz stimmte, einer hatte es gewagt sie herauszufordern und jetzt lag seine Residenz in Trümmern und der King selbst war tot.
Doch dies alles war nicht der Grund, weswegen seine Stimmung nun alles andere als gut war. David hatte ihn ausgerechnet vor dem „Engel-Typ“ gewarnt, der ebenfalls den Hoods geholfen hatte. Den kannte David unter dem Namen „Joe Black“ und das war eine sehr makabere Anspielung auf einen alten Film.
Angeblich gab es nur wenige, die ein „Rendezvous mit Joe Black“ überlebten, wobei mit Rendezvous auch nur ein Zusammentreffen gemeint sein konnte. Wenigstens für die Catcher war „Joe Black“ so etwas wie der personifizierte Tod.
Doch auch dies hätte Geralds Stimmung nicht sonderlich erschüttert, wenn David ihm nicht gesagt hätte, das „Joe“ mehrmals in den letzten Tagen in der Nähe von Geralds Wohnung gesehen worden wäre.
Nach Davids Worten war Joe ein sehr starker Mutant, der vor einem halben Jahr im Sektor aufgetaucht war. Angeblich arbeitete er mit oder für Janus um neue Mutanten für ihn anzuwerben, denn die meisten von Janus alter Truppe waren von den Freien Mutanten getötet worden. Deshalb brauchte Janus jetzt neue Kämpfer und David fürchtete, dass Janus an ihm, Gerald, interessiert sein könnte. Denn „Joe“ sei bestimmt nicht zufällig in Geralds Nähe aufgetaucht.
Gerald stand nun im Fahrstuhl und fuhr nach oben zu seiner Wohnung. Noch immer ging ihm die Warnung von David durch den Kopf. Was sollte er tun? Für Janus zu arbeiten kam für ihn nicht in Frage, also blieb wohl nur noch die Flucht.
Gedankenverloren trottete er in seine Wohnung, gerade einmal zwei Stunden hatte er hoffen dürfen, dass auch er mal wieder etwas Glück hatte. Und nun? Wütend warf er seinen Mantel in die Ecke, doch mitten im Flug stoppte dieser, drehte eine elegante Kurve und hängte sich selbstständig über eine Stuhllehne.
Offensichtlich war Gerald nicht alleine und noch während er herumwirbelte, war ihm klar, wer da auf seiner Couch sitzen würde. Dies war nun sein zweites Rendezvous mit „Joe Black“.
»Hallo Gerald! Entschuldige bitte, dass ich mich selbst hereingelassen habe. Ich befürchte, nach deinem Treffen mit dem Plappermäulchen David würdest du es nicht mehr tun.« Angel hatte es sich offensichtlich auf der Couch bequem gemacht, während er auf Gerald wartete.
»Das denke ich auch – Joe?«, knurrte Gerald und sammelte seine Kräfte um eine Flucht zu riskieren.
»Nenn mich lieber Angel, diese Anspielungen mit „Joe Black“ sind nicht sonderlich amüsant.«, Angels Stimme klang fast ein wenig traurig, so als würde es ihn wirklich stören, wenn er „Joe Black“ genannt wurde.
»Ich denke nicht, dass du nur hierher gekommen bist, um dich mir vorzustellen«, brummte Gerald. Instinktiv spürte er, dass es ihm nicht gelingen würde, gegen Angels Willen hier heraus zu kommen.
»Stimmt! Fast hätte ich es vergessen.«, Angels Augen funkelten spöttisch. »Man hat mich geschickt! Ich soll dich dazu auffordern, deine Fähigkeiten in den Dienst von Janus zu stellen.«
Der Spott in Angels Stimme war nun schwerlich zu überhören. Ohne weitere Gefühlsregung legte Angel nun seine Füße auf den Tisch und lümmelte sich noch tiefer in die Couch. Die ganze Angelegenheit schien ihn nicht sonderlich zu interessieren.
»Und wenn ich dieser „Aufforderung“ nicht nachkomme?« Gerald wurde langsam wütend. Was für eine blöde Show zog Angel da ab?
Ohne aufzusehen seufzte Angel: »Dann soll ich dich mit allen Mitteln überzeugen. Das Anwenden von Gewalt wurde befürwortet. Wie ich Janus kenne, würde es ihm sogar gefallen.« Noch immer lümmelte Angel auf der Couch, und Gerald hatte nicht den Eindruck, als wolle er im Moment Gewalt anwenden.
»Vergiss es, ich werde nicht für diesen Verrückten arbeiten. Das kannst du ihm ruhig genau so sagen!«, fauchte Gerald und bereitete sich innerlich auf einen Kampf vor. Trotz Davids Warnung hatte er jedoch nicht das Gefühl, als wolle Angel seinen Willen durchsetzen. – Noch nicht, korrigierte sich Gerald selbst.
Ein Lächeln huschte über Angels Gesicht: »Wird mir eine Freude sein.« Doch dann betrachtete er, scheinbar gelangweilt, seine Fingernägel und murmelte: »Es wird ihm aber nicht gefallen.«
Gerald verstand einfach nicht, was mit diesem Typen los war. Er spürte, dass Angel auf etwas Bestimmtes hinaus wollte und sicher war es nicht seine „Anwerbung“. Grübelnd sah er auf seinen „Gast“ und fragte dann ironisch: »Oh, bist du sicher? Was würdest du mir denn empfehlen?«
Diesmal sah Angel zu Gerald auf und das Lächeln blieb in seinem Gesicht: »David hat dir doch sicherlich von den „ach so süßen neuen Jungs in ihren ach so schnuckeligen Anzügen“ berichtet. Ich an deiner Stelle würde den Kontakt zu ihnen suchen, allerdings nicht so oberflächlichen, wie David ihn bevorzugt.«
Entweder hatte Angel seine Unterhaltung mit David belauscht oder er musste David ziemlich gut kennen, grübelte Gerald. Jedenfalls hatte er mit dieser Gesprächswendung nicht gerechnet und so richtig verstand er es auch nicht. David hatte ihn vor Joe oder Angel gewarnt, und dieser riet ihm nun, sich den „Neuen“ anzuschließen?
»Wir reden doch über die gleichen Leute – oder? Du sagst mir, du würdest an meiner Stelle Kontakt zu den Iratus Lemurum aufnehmen?«
Das Grinsen von Angel wurde breiter: »Zu den Hoods, den „Iratus Lemurum“ oder der „neuen Bruderschaft“ oder wie auch immer sie sich gerade nennen. Man kann da langsam den Überblick verlieren. Sie wohnen jedenfalls im alten Hauptquartier der Bruderschaft, und ein paar von ihnen hast du heute in Aktion gesehen. Janus meidet sie wie ein Vampir das Licht. Selbst ihm ist klar, dass er gegen sie zurzeit nicht ankommt.«
»Wenn du es mir rätst, warum gehst du dann nicht selbst?«
Traurig sah Angel nun auf: »Ich denke dafür ist es zu spät. Ich habe da einig Dinge gemacht, die sie sicherlich nicht gut fänden. Überhaupt nicht gut … fürchte ich. Außerdem gibt es da noch ein paar Leute, um die ich mich kümmern muss, sonst verheizt Janus sie auch noch.«
»Meinst du jetzt das mit den Catchern? Fände das ihr Missfallen?«, jetzt war Gerald nur noch neugierig.
»Nein, die haben selbst schon einige getötet, auch wenn sie die Überlebenden heute einfach gehen ließen. Es ist etwas völlig anderes und spielt für dich keine Rolle. Du solltest erstmal deinen Hintern in Sicherheit bringen, bevor du dich um andere sorgst.«, jetzt grinste er wieder und sah Gerald anzüglich an.
Gerald warf Angel einen misstrauischen Blick zu, der Typ gefiel ihm eigentlich sehr, doch so richtig traute er ihm noch immer nicht. Und so einfach zu den „Neuen“ wollte er auch nicht gehen, dazu wusste er einfach zu wenig.
»Wie viel Zeit habe ich, bevor Janus jemand anderen schickt. Oder – würdest du mich … wenn er es befiehlt?«
Angel schüttelte nur den Kopf: »Auch wenn alle möglichen Gerüchte im Umlauf sind, ich habe noch nie einen Mutanten dazu gezwungen, zu Janus zu gehen. Und ich werde nun bestimmt nicht bei dir damit anfangen. Janus hat mir anfangs geholfen und mir war einfach alles egal, doch inzwischen hat sich einiges geändert. Vor mir brauchst du sicherlich keine Angst haben.« Dann wurde sein Grinsen noch breiter: »Und …, so lange ich bei dir bin, wird er bestimmt niemanden schicken.«
Nachdenklich ließ sich Gerald neben Angel auf die Couch fallen und sah ihn sich jetzt noch genauer an. Der Kerl sah wirklich verdammt gut aus, aber spielte er nicht nur mit ihm? »Was willst du von mir?«
Angel kicherte und murmelte: »Ich hätte da schon eine Idee, aber ich fürchte das widerspräche dann meinem Vorschlag.«
Als Gerald ihn fragend ansah, ergänzte Angel: »Dem Vorschlag, dass du deinen Hintern in Sicherheit bringen sollst.«
»Ich dachte, bei dir wäre ich sicher?«, fragte Gerald ironisch.
»Du ja, aber dein Hintern?« Dabei drehte er sich ganz zu Gerald und sah ihm in die Augen. »Du solltest dich wirklich in Sicherheit bringen. Es wäre für uns beide besser, ich mag dich, aber mehr ist es wirklich nicht.«
Gerald sah Angel noch einmal nachdenklich an, jetzt wo er so nah bei ihm saß, verstärkte sich in ihm das Gefühl, dass er Angel schon mal getroffen hatte. Doch David hatte ihm gesagt, dass Angel erst vor rund einem halben Jahr hier aufgetaucht sei. Woher sollte er ihn kennen? Wieder einmal verfluchte er sein schlechtes Personengedächtnis, aber je mehr er in Angels schmunzelndes Gesicht sah, desto sicherer war er.
»Komm, sag es mir schon! Du weißt doch genau, worüber ich grüble.«, grummelte Gerald.
Angel setzte eine perfekte Unschuldsmine auf: »Ich habe nicht gelauscht! Seit ich weiß, was du von Telepathen hältst, halte ich mich absolut zurück.«
Gerald stöhnte auf: »Ist mir doch jetzt egal! Du weißt es, wir haben uns schon einmal gesehen, aber wo? Ich hatte zuerst gedacht bei David, aber der kennt dich nicht persönlich. Also wo dann?«
Angels Blick wurde jetzt ein wenig wehmütig als er leise flüsterte: »Takashi.«
Mit einem Schlag fiel es Gerald wieder ein. Deshalb hatte er Angel nicht einordnen können. Die ganze Zeit rätselte er darüber, bei welcher Gelegenheit er den Mutanten Angel getroffen hatte. Doch damals war Angel von ihm nicht als Mutant wahrgenommen worden. In der Woche, in der man ihm mitteilte, dass er das Stipendium bekam und nach London gehen würde, war er völlig durch den Wind. Als er sich von seinem Trainer und Meister Takashi verabschiedete, war dort gerade ein neuer Schüler. Dieser Schüler war Angel gewesen, jetzt war sich Gerald ganz sicher.
»Was ist mit Takashi? Seine Wohnung ist verlassen und Benny ist auch verschwunden.«
Noch immer leise antwortete Angel: »Die sind jetzt bei den „du weißt schon wem“, den Iratus Lemurum oder wie auch immer.« wobei sich jetzt wieder ein Lächeln auf seine Lippen stahl.
»Oh, hat er etwas gesagt? Wird er trotzdem noch Schüler annehmen?«
Mit einem gezwungenen Lächeln murmelte Angel: »Ich hab ihn seit Anfang April nicht mehr gesehen. Es ... es ist etwas dazwischen gekommen.«
Gerald war klar, dass Angel darüber nicht sprechen wollte, so nahm er nur Angels Hand und betrachtete sie scheinbar interessiert. Da war etwas zwischen ihnen, was er nicht so recht erklären konnte. Er fühlte sich im Moment sehr zu Angel hingezogen, aber er wusste, dass es keine wirkliche Liebe werden würde. Freunde ja, aber viel mehr wahrscheinlich nicht.
Gerald überlegte kurz, bevor er Angel dann einfach zu sich zog und ihn küsste. Er brauchte jetzt einfach jemanden, an dem er sich festhalten konnte. Diese Nacht wollte er nicht schon wieder allein sein und vor sich hin brüten. Es dauerte einige Augenblicke, bis sie sich voneinander lösten und Gerald flüsterte: »Ich möchte heute Nacht nicht alleine sein und ich habe schon sehr lange keinen Sex mehr gehabt.«
Angels Augen funkelten leicht, als er Gerald küsste und erwiderte: »Wir sind doch beide alt genug, um zu wissen, was wir wollen.« Mit einem Grinsen fuhr er fort: »Und jetzt habe ich bei dir geschnüffelt, und ich sehe das ähnlich. Freundschaft? – Und heute vielleicht etwas mehr?«
Gerald boxte ihn leicht in die Seite: »Ihr ewigen Schnüffler, für den Rest des Abends behältst du deine telepathischen Tentakeln aber bei dir.« Dann rutschte er von der Couch auf den Boden und zog Angel mit sich. Streichelnd fuhren seine Hände Angels Rücken hinab bis zu dessen Po, wo sie dann verweilten, und er feixte: »Und dein Hintern ist dann aber auch nicht mehr sicher, wenn wir jetzt weiter machen.«
Angel signalisierte seine Zustimmung, indem er nun Gerald lang und ausdauernd küsste und mit der Hand unter dessen T-Shirt fuhr. Wenigstens an Weihnachten würden sie beide also nicht alleine sein. Und Janus durfte sich freuen, wie intensiv sich Angel um Gerald bemühte. Auch wenn die Bemühungen nicht in die von Janus gewünschte Richtung gingen.
@Mike
„Campus-Occursus“, Montag, 24.12.2035
Wer sagt eigentlich immer, dass Weihnachten eine besinnliche Zeit wäre? Für uns war dieser 24. Dezember mehr als nur stressig. Vielleicht lag es aber auch daran, dass wir die falschen Freunde hatten.
»»Das ist aber jetzt unfair! Tu doch nicht so, als hätte dir die Aktion keinen Spaß gemacht.««, natürlich war es Julian, mein PTA und Gewissen, der mich sogleich zur Ordnung rief.
Genauso selbstverständlich war es, dass er Recht hatte – aber jetzt der Reihe nach. Nach dem Catcher-Zwischenfall waren die „Glorreichen Sieben“, also Metin, Rene, Dorian, Remo, Louis, Lukas und ich, siegreich nach Camelot zurückgekehrt, als es sich … »»Man wie kann man nur so langatmig denken.««, grummelte nun auch noch Tom in meine Überlegungen hinein.
Aber verdammt noch mal, das ist meine Geschichte! Es sind meine Überlegungen.
Also, jedenfalls: Wir waren kaum zurück und wollten die letzten Ereignisse durchsprechen, als Kim zusammen mit Chris erschien. Dass Kim nun persönlich erschien und Chris nicht alleine hier her beförderte, wunderte uns ein wenig. Dass Chris schon der Obhut seiner Ärzte entkommen war, wunderte uns dann schon etwas mehr. Doch die Aufmachung von Kim war es, die uns wirklich irritierte.
Normalerweise bevorzugen die meisten Mutanten dunkle oder ganz schwarze Kleidung, umso mehr stach Kim in seinem Weihnachtsmannkostüm hervor. Natürlich mit dick ausgepolstertem Bauch und weißem Rauschebart. Als die beiden dann freudestrahlend begannen, uns Chris' Idee zu erläutern, war an eine ernsthafte Besprechung nicht mehr zu denken.
Nachdem Chris den Ärzten entronnen war, hatte er Arne so lange „bearbeitet“, bis der auch von der Dringlichkeit seiner Mission überzeugt war. Dann lief auch schon die übliche NeckTech Organisation an. Als Resultat standen wir jetzt völlig verschwitzt aber, zugegebenermaßen auch ein wenig stolz, in unseren Weihnachtsmannkostümen herum.
Dafür hatten die Kids von „Sandros Asyl“ dieses Jahr an Weihnachten wirklich mal Spaß gehabt. Aber auch „unsere“ Jungs sollten nicht zu kurz kommen. Wer nicht als Weihnachtsmann Geschenke verteilte, der war in der Eingangshalle des Zentralbaus im Campus-Occursus mit dem Ausschmücken und Herrichten „unserer“ Weihnachtsfeier beschäftigt gewesen.
Julian schlich sich von hinten an und umfasste meine „erweiterte Hüfte“ und flüsterte leise: »Versprich mir, dass du dich nie so entgleisen lässt. Das sieht echt schlimm aus.«
Verwundert drehte ich mich herum: »Können wir überhaupt so viel Fett ansetzen? Ich dachte durch unser Reiki würde das auch verhindert. Wir sehen doch alle praktisch so aus, wie wir wollen?«
Julian grinste jetzt noch breiter: »Eben, ich meine ja. Nicht, dass es dir am Ende so gefällt.«
Was für ein absurder Gedanke! »Wie kommst du nur auf so eine Idee?«
Jetzt war es Louis, der feixend antwortete: »Wahrscheinlich, weil alle außer dir inzwischen aus dem Kostüm gestiegen sind.«
Ups, da war ich wohl wieder ein wenig auf der Leitung gestanden. Dafür geleitete Julian mich dann auch fürsorglich unter die Dusche und kümmerte sich sorgsam darum, dass bei mir auch wirklich alles gründlich sauber wurde. Wobei ich ihn mit mindestens genauso viel Hingabe umsorgte. Dies dürfte dann auch der Grund gewesen sein, weswegen wir beinahe zu spät zum Festessen gekommen wären.
Zu unserer Überraschung war auch Dr. Neckler eingetroffen, der sich noch einmal bei uns allen für die Hilfe bedankte. Dabei hatten wir doch dies alles ihm zu verdanken. Er und Chris blieben noch den ganzen Abend, verteilten Geschenke und unterhielten sich mit allen. Ich konnte mir nur annähernd vorstellen, was das für die Jungs bedeutete. Denn auch die Hoods hatten bis vor kurzem nicht viel besser gelebt, als die Jungs in „Sandros Asyl“.
Als Robin und Nico vor drei Jahren die Hoods gründeten, war Verzweiflung wohl der Hauptgrund gewesen. Die meisten der Mutanten waren viel zu schwach gewesen, um sich alleine durchschlagen zu können. In den Normalo-Gangs wurden sie aber nicht akzeptiert, sobald klar war, dass sie Mutanten waren.
Metin war das beste Beispiel, wie schwer es war, als schwacher Mutant eine Gang zu finden. In dem Sektor, in dem er aufwuchs, gab es eine kleine Mutantengruppe, denen war er jedoch zu schwach. Für die Normalos in seinem Sektor war er jedoch „zu sehr Mutant“, wie Metin es bitter nannte. Letztlich hatte er sich dann zu den Hoods durchgeschlagen, denen dies alles bekanntlich egal war. Spöttisch erzählte uns Metin vor zwei Tagen, dass sich die Leute aus seinem ehemaligen Sektor inzwischen für ihn interessierten würden. Jetzt wollte er jedoch nichts mehr mit ihnen zu tun haben.
Julian stupste mich wieder an, und umarmte mich: »Irgendwann werden auch die anderen Mutanten begreifen, wie dumm ihr Verhalten war.« Stirn an Stirn lehnten wir uns aneinander und sahen uns in die Augen, der ganze Trubel um uns war wie ausgeblendet und es gab nur noch uns. So standen wir eine kleine Ewigkeit, nur damit beschäftigt, in den Gefühlen des anderen zu baden. Wir brauchten keine Worte, wir brauchten keine Telepathie, wir waren nur noch eins.
Ohne dass wir es bemerkten, war Lukas an uns herangetreten und flüsterte nun leise: »Mike, ich glaube, Eric fällt gleich wieder in ein Loch.«
Vorsichtig ließen wir unsere Teleortung spielen und entdeckten Eric nahe dem Aufgang zur Galerie. Er unterhielt sich gerade mit Olaf, der sogar mit seiner Freundin hierher gekommen war. Die war jedoch gerade mit Stefan und Pascal in ein Gespräch vertieft. Jetzt, wo Lukas uns darauf aufmerksam machte, bemerkten auch wir, dass Eric sich wieder abgeschirmt hatte und auch nicht sonderlich gesprächig war. Olaf bemühte sich anscheinend krampfhaft, die Gesprächspausen nicht all zu groß werden zu lassen.
Normalerweise hatten die beiden immer etwas, über das sie sprechen konnten, doch nun waren Erics Antworten anscheinend sehr knapp, auch schien er etwas unkonzentriert. Langsam schlenderten Julian und ich auf die beiden zu, um von Olaf erleichtert begrüßt zu wurden.
Julian konnte es dann auch nicht unterlassen, gleich wieder ein wenig zu sticheln: »Und, wie fühlt man sich so, als heterosexuelle Minderheit?«
»Och, das hat doch auch gewisse Vorteile, hier brauch ich keine Angst zu haben, dass sich jemand an meine Freundin heranmacht«, gab dieser locker zurück. Und damit Julian gleich noch einen Dämpfer bekam, fügte er strahlend hinzu: »Schöne Grüße von Prof. Heller soll ich ganz besonders dir ausrichten. Er will im Januar noch einmal vorbeikommen, wegen der Antimaterie.«, feixend drehte er sich um und verschwand in Richtung Büfett.
Nun waren wir mit Eric alleine, der das Geplänkel ohne sichtbare Gemütsregung verfolgt hatte. Besorgt sah ich auf sein Weinglas, das er in der Hand hielt, als wolle er es zerquetschen: »He Eric, was ist denn los mit dir?« Behutsam zog ich ihn an mich, er war total verkrampft.
Julian hakte sich nun links und ich rechts bei Eric unter. Langsam schritten wir den spiralförmigen Aufgang bis zur dritten Etage hoch und setzten uns an unseren Lieblingstisch. Wir hatten auf dem Weg kein Wort gesprochen, wir mussten einfach warten, bis er bereit dazu war.
Nach einer kleinen Ewigkeit fing er endlich an: »Ich weiß einfach nicht, wer ich „wirklich“ bin, was ich „wirklich“ bin. Was bin ich, und was ist manipuliert?«
Als ich sah, wie seine Hände zitterten, ergriff ich sie einfach: »Eric! Ich könnte dir jetzt ganze Romane erzählen, wie viel du uns bedeutest. Du, so wie du bist, so wie wir dich kennen gelernt haben. Überleg doch mal, wir kennen dich jetzt knapp zwei Monate. Dennoch bist du mir so nahe wie höchstens Lukas und Tom. Wir fünf, wir haben etwas erlebt, was uns für immer verändert hat. Du hast nie solche Zweifel gegenüber Julian gehabt und ist deine Situation schlimmer als seine?«
Ein wenig ängstlich sah er mich mit seinen schwarzen Augen an und ich dachte sofort wieder an den Moment, als ich ihn zum ersten Mal im Labor-23 gesehen hatte. Eigentlich hatte ich ihn zuerst gespürt, seine Schmerzen und seine Angst. Blutend und schwer verletzt lag er am Boden und glaubte, ich würde ihn nun auch, genau wie seine Kameraden, töten.
Julians eindringliche Stimme riss mich aus dieser Erinnerung: »Eric! Heb bitte diese blöde Blockade auf. Wenn du gerade gesehen hättest, was da in Mike hochgekommen ist, dann würdest du nicht mehr zweifeln.«
Erst als wir Erics erstauntes Gesicht sahen, begriffen wir, dass er sich überhaupt nicht absichtlich abgeschirmte. Und er verstand nun auch, weshalb wir so besorgt waren.
Dann spürte ich wie die Abschirmung fiel und welches Gefühlschaos in Eric herrschte. Doch es war nicht nur das Problem mit seiner „fehlenden“ Vergangenheit, wie ich zuerst vermutete, jetzt beschäftigte ihn wieder seine sexuelle Orientierung. Er hatte sich nie so recht entscheiden können, was er wirklich fühlte, und das war nun noch schlimmer geworden.
Anfangs war er davon überzeugt gewesen, ein rein heterosexueller Mensch zu sein. Doch sehr schnell waren ihm da „gewisse“ Zweifel gekommen, und wir hatten auch gemeinsam Sex gehabt. Wobei wir alle ihm den „aktiven“ Part überlassen hatten. Wir waren einfach davon überzeugt, dass er, wenn er soweit sei, sich von alleine melden oder letztlich ganz anders entscheiden würde. Wir wollten ihn jedenfalls nie in eine Richtung drängen.
Nun, nachdem er erfahren musste, wie er zu dem Eric wurde, der er heute war, da begann er alles in Frage zu stellen. War seine Unsicherheit nur deshalb entstanden, weil er gerade einmal drei Jahre Zeit hatte sich zu entwickeln? Solche und ähnliche Fragen quälten ihn im Moment. Doch noch etwas fand ich nebenbei heraus, der Auslöser war das Zusammentreffen mit dem Mutanten Angel am Samstag gewesen.
Nachdenklich sah ich ihn an: »»Ich weiß nicht, ob ich dir wirklich helfen kann oder auch nur soll. Julian hat eine noch viel kürzere „Lebenserfahrung“ als du, doch für ihn stellte sich diese Frage nie.««
»»Aber ist es bei euch denn nicht genetisch so „vorprogrammiert“? Julian wurde doch nur deshalb in das Labor gebracht.««
Jetzt war es Julian, der den Kopf schüttelte: »»Genetisch ist nur die Veranlagung, was du daraus machst, ist ganz allein deine Entscheidung. OK – Natürlich spielt auch deine Umwelt eine gewisse Rolle. Aber dir muss einfach der Unterschied zwischen Veranlagung und Vorgabe klar sein. Dein Geschlecht, Haarfarbe, Augenfarbe, etc. das ist alles genetisch „fest“ programmiert. Die Veranlagung „homosexuell“ zu sein ist nur eine Möglichkeit.
Das ist so wie die Veranlagung ein guter Läufer zu werden. Wenn du dir den ganzen Tag nur Süßigkeiten reinziehst und dich nie bewegst, dann nützt die beste Veranlagung zum Laufen nichts.««
»»Was Julian damit sagen will, ist: Wenn du, aus welchen Gründen auch immer, dich gegen die „Veranlagung“ stellst, dann kannst du trotzdem glücklich werden. Aber es kann natürlich auch schief gehen. Wenn du der „Veranlagung“ folgst aber natürlich genauso. Es gibt keine Garantie, so oder so. Nichts in diesem Bereich ist vorbestimmt oder unabänderlich.««
Jetzt nahm Julian meine Hand: »»Ich habe in Mike „den“ Partner gefunden. Ich kann mir nicht vorstellen, mit einem anderen so zusammen zu sein, wie mit ihm.
Wir haben schon oft darüber diskutiert. Bisher hast du immer gesagt, dass du nie sonderlich viel empfunden hast, wenn du mit Frauen zusammen warst …««
»»Es war Sex, mehr nicht. Das kannst du ruhig so sagen, es hatte sicherlich nichts mit den Frauen zu tun. Es lag an mir, dass ich nicht mehr für sie empfand – oder einfach nicht mehr für sie empfinden konnte.««, das klang dann schon wesentlich gefasster.
»»Und wenn du mit mir zusammen warst, dann weiß ich, dass du gerne mehr gewollt hättest. Du wusstest aber, dass es mit uns nie so werden würde, wie mit Julian und mir. Wir beide haben dich immer dafür bewundert, dass du nie neidisch oder eifersüchtig auf Julian geworden bist …««
»»Aber warum hast du nicht … Ich meine, zuletzt wollte ich wirklich, dass du …««
Ich drückte nun wieder Erics Hand: »»Ich weiß, du wolltest es aber ich war mir nicht sicher, ob du wirklich bereit dafür warst. Du warst so unsicher dabei, und ich wollte nicht – ich, … ich hatte auch ein wenig Angst, alles kaputt zu machen.««
Jetzt sah Eric wieder auf: »»Du weißt, die Sache mit Angel, ich denke, ich mag ihn wirklich sehr, da ist etwas zwischen uns, das ich einfach nicht beschreiben kann. Alleine schon wenn ich an ihn denke, es ist so ... Nur was ist, wenn er mehr will? Ich meine, du weißt, wie schnell das bei uns gehen kann. Ich habe Angst, wie er dann reagiert, wenn es mir nicht gefällt.««
Julian verkniff sich ein Lächeln: »»Du willst das Mike mit dir schläft, damit du weißt, ob es dir gefallen würde, wenn Angel mit dir schlafen will?«« Klang einerseits fast schon wieder logisch, doch andererseits ...?
»»Ich weiß, ich hab ihn erst einmal getroffen, aber denk doch, wie es bei euch und Louis gewesen war. Plötzlich seid ihr im Bad verschwunden und bald darauf war den Jungs klar, dass ihr nicht nur zusammen duschen wart. Ich lege es nicht darauf an, aber ich wüsste schon gern, wie es ist, falls es sich ergibt. Und ich möchte, dass du dabei bist, Julian, ich mag euch beide mehr als …««
Ohne uns besprochen zu haben, standen Julian und ich auf und zogen Eric mit. »»Wir gehen jetzt erstmal schwimmen.««, erklärte Julian auf Erics überraschten Blick.
Und ich ergänzte: »»Wir gehen es jetzt ganz langsam an, du alleine bestimmst, wie weit es gehen soll.««
Augenzwinkernd grinste Julian: »»Wir – sind zu allem bereit.««
@Mike
„Campus-Occursus“, Montag, 24.12.2035
Dies war mit Sicherheit die ungewöhnlichste Weihnacht, die ich bisher erlebt hatte. Wir lagen im Whirlpool und ließen uns von den aufsteigenden Blasen verwöhnen. Etwas träge sah ich zu, wie das Wasser aus unserem Pool in den Zentrumspool mit seinem 25 Meter tiefen Becken floss. Eric lag zwischen uns und war nun wesentlich gelöster. Es war eine etwas seltsame, aber doch schöne Atmosphäre. Drüben in der Eingangshalle herrschte Trubel, doch hier umgab uns Stille und fast völlige Dunkelheit. Sanftes, blaues Licht drang aus dem Wasser der Pools. Durch die nur von innen durchsichtige Kuppel fiel das Sternen- und Mondlicht.
»Muss ziemlich kalt sein, es ist absolut sternenklarer Himmel.«, fast andächtig klang Julians ruhige Stimme.
»Da kann Benny wieder den Mond anheulen oder macht er das nur bei Vollmond?«, kicherte Eric. Er hatte sich fast nicht mehr eingekriegt, als er von Bennys Befürchtungen hörte.
»Komm schon, so spaßig war das für ihn sicherlich auch nicht. Wahrscheinlich war es auch mehr eine Schutzbehauptung.«
Platschend stürzte Julians Wasserpyramide wieder in sich zusammen, die er im großen Pool erzeugt hatte. Ihm gefiel es unheimlich, mit der Hydrokinese herumzuspielen. »Was meinst du mit Schutzbehauptung?«, fragte er etwas irritiert.
Erstaunt sah ich zu ihm, heute schien nicht sein psychologischer Tag zu sein. Also offenbarte ich meine Vermutung: »Er war noch sehr jung, als es das erste Mal passierte. Denk doch mal an die Situation. Es war Vollmond, und er hörte die Wölfe heulen. Sein Vater wollte ihn missbrauchen – dann geschah die Wandlung.
So weit wir von ihm wissen, muss er seine Eltern regelrecht abgeschlachtet haben. Leon nahm ihm dann die schlimmsten Erinnerungen, doch das eigentliche Wissen blieb. Für ihn war die Erklärung, er wäre ein Werwolf, wesentlich angenehmer als die Tatsache, dass er sich jederzeit hätte kontrollieren können. Der Werwolf, also etwas, das außerhalb seiner Kontrolle lag, war schuld.«
»Aber er wusste auch nicht, dass er Mutant war«, gab Eric zu bedenken.
»Zugegeben, damals sicherlich nicht. Aber mit der Zeit hat er schon mitbekommen, dass es auch Mutanten gibt. Doch er blieb bei der Idee mit dem Werwolf, er wollte sich nicht eingestehen, dass er seine Eltern töten wollte. Wobei, nach allem, was ich inzwischen von ihm erfahren habe, hätte ich sie wahrscheinlich auch in dieser Nacht getötet.«
»Du?«, Eric klang tatsächlich so als hätte ich noch nie jemandem etwas getan.
»Sicher! Oder glaubst du, Mike wäre inzwischen so weit, dass er über allen Dingen stünde? Er kann zwar inzwischen übers Wasser wandeln, doch ich würde nicht darauf setzen, dass er jedem der ihn schlägt auch die andere Wange hinhält.«
»Wir haben Benny sehr eingehend sondiert, auch noch zusammen mit Frank. Was der Kleine durchgemacht hat, das hätten nicht viele ausgehalten«, bestätigte ich indirekt Julians These, bevor Eric auf die Idee kam, das mit der Wange auszuprobieren. »Benny hat gelitten, seit er sich erinnern konnte. Entweder er wurde geprügelt und misshandelt oder mit Worten gedemütigt und niedergemacht. Eigentlich ist es fast ein Wunder, dass er nicht zu einem Psychopathen geworden ist. Doch das dürfte hauptsächlich auf den Einfluss von Takashi zurückzuführen sein.«
Eine Weile hing jeder wieder seinen Gedanken nach. Julian ließ eine Brücke aus Wasser entstehen und wieder in die Fluten stürzen. Dann fragte er in die Stille: »Was glaubst du, was Angel für eine Vergangenheit hat?«
Beide sahen wir Eric an. Er hatte bisher nur sein Treffen mit diesem Mutanten geschildert und wir hatten nicht weiter nachgefragt oder gar sondiert. Gerade weil er sich seiner Gefühle nicht sicher war, wollten wir uns da nicht einmischen. Doch so, wie Eric erzählt hatte, schien Angel auch eine unangenehme Vergangenheit zu besitzen.
»Er hat nicht viel erzählt, eigentlich überhaupt nichts. Nur, als ich ihn nach seinem Namen gefragt habe, da kam eben diese Erklärung. Ich meine das, was ich euch schon gesagt habe. Der Mensch, der er einmal war, ist tot und er sei jetzt eben nur noch Angel. Und auch sonst war er wohl ähnlich drauf wie ich.«
Julian runzelte leicht die Stirn: »Die Sache mit Michael fand ich ziemlich, … nun bedrückend.«
Jetzt war ich es der Julian verwundert ansah: »Ist doch einer der guten Engel gewesen – oder?« Aber wenn es um Mystik ging, dann war Julian meist bestens informiert.
»Der Erzengel Michael, was übrigens hebräisch „wer ist wie Gott“ heißt, ist einer der drei in der Bibel erwähnten Erzengel. Er stürzte nach christlicher Auffassung den Drachen, also Satan, aus dem Himmel und wird deshalb in der katholischen Kirche mit einem flammenden Schwert dargestellt. Das war wohl auch Angels Andeutung „… eher wie Michael, der mit dem Flammenschwert.“ Jetzt wäre natürlich nur noch interessant, wen er bekämpft.«
Nachdenklich sahen wir wieder auf das Wasser. So lange er nichts gegen uns unternahm, war mir eigentlich ziemlich egal, gegen wen er kämpfte. Das war wenigstens meine spontane Reaktion, doch was, wenn er die Menschen an sich bekämpft? Wir wussten, dass es Mutanten gab, die inzwischen eine extreme Abneigung gegen die so genannten „Normalos“ entwickelt hatten. Falls einer völlig durchdrehte, dann kümmerten sich, bisher jedenfalls, die Freien Mutanten um das Problem. Ein Massenmörder oder Psychopath störte einfach die von ihnen so gewünschte Ruhe, wie Frank das mal zynisch erklärt hatte.
Nachdenklich spielte ich mit einer großen Luftblase, die auf der Oberfläche trieb. Mittels Hydrokinese ließ ich das Wasser um sie strömen und beobachtete ihr Verhalten.
Während Julian gerade wieder eine Skulptur erzeugte, die eine große Ähnlichkeit mit einem Engel hatte, fasste ich Eric bei der Hand und zog ihn in den großen Pool.
»Halt dich an mir fest, ich will etwas probieren.« Etwas verwundert griff Eric zu und ich ließ wieder das Wasser strömen, diesmal jedoch um uns herum. Nach einigen Versuchen erreichte ich tatsächlich den von mir erhofften Effekt. Wie bei einem Jet-Ski erzeugte ich einen Wasserstrahl, der uns vorwärts schob. So schnell war ich noch nie geschwommen und dabei strengte es nicht einmal sonderlich an.
Julian hatte uns nur kurz zugesehen und war nun hinter uns her. Quer durch den großen Pool steuerte ich uns durch den Verbindungskanal in den 2 Meter breiten Schwimmkanal. Dieser verlief an der Außenwand der Kuppel und hatte somit einen Durchmesser von fast 50 Metern und damit eine Länge von rund 150 Metern. Nach der dritten Runde hatte uns Julian trotz Vorsprung eingeholt.
Natürlich hatte er laufend an der „Technik“ gearbeitet und das bis jetzt effizienteste System ausgeknobelt. Dadurch, dass er einen Teil des Wassers um sich stabilisierte, verringerte er den Strömungswiderstand. In solchen Dingen war Julian fast schon pedantisch, er arbeitete immer an der Perfektion.
Doch nun rauschten wir wieder in den großen Pool, und eine wilde Planscherei begann. Telekinetisch hoben wir uns gegenseitig aus dem Wasser, um gleich darauf loszulassen.
Klar, Eric war in diesem Punkt etwas benachteiligt, denn er beherrschte weder Telekinese noch Hydrokinese. Wenn es ihm zu wild wurde, konnte er sich lediglich gegen uns abschirmen, wozu aber keine Notwendigkeit bestand. Wir alle hatten soviel Spaß, wie schon seit Tagen nicht mehr. Es war eine völlig sinnlose, wilde Planscherei, aber genau das war es, was uns daran so gefiel. Nachdem wir schließlich fast drei Stunden im Schwimmbad verbracht hatten, entschlossen wir uns langsam ins Bett zu gehen.
5. - Land Of Confusion
I must've dreamed a thousand dreams, Been haunted by a million screams
I can hear the marching feet, They're moving into the street.
Now did you read the news today, They say the danger's gone away
But I can see the fire's still alight, Burning into the night.
Too many men, Too many people, Making too many problems,
And not much love to go round, Can't you see This is a land of confusion.
This is the world we live in, And these are the hands we're given
Use them and let's start trying, To make it a place worth living in.
Superman where are you now, Everything's gone wrong somehow
The men of steel, men of power, Are losing control by the hour.
aus Land Of Confusion von Genesis
@Mike
„Campus-Occursus“, Donnerstag, 27.12.2035
Julian lag in meinen Armen, und zusammen sahen wir Eric beim Schlafen zu. Die letzten zwei Tage hatten wir überwiegend hier in unserem Bett verbracht. In der Weihnachtsnacht war es dann doch so weit gekommen, wie Eric es gewollt hatte. Zu unserer Beruhigung hatte er es in den folgenden Tagen nicht bereut. Tom und Lukas waren sehr spät oder eigentlich früh von der Feier zurückgekommen. Die beiden hatten uns viel Zeit gelassen, weil sie natürlich wussten, was geschehen war, beziehungsweise geschehen sollte.
In den letzten Wochen gab es immer mal wieder spöttische Kommentare, weil wir vier oder fünf immer zusammen waren. Doch noch immer gefiel es uns so am besten. Wir gehörten einfach zusammen, und wir sahen keinen Grund, weswegen wir nicht alle zusammenbleiben sollten. Wir hatten keine Schwierigkeiten damit und wenn andere sich daran störten, so war das eben deren Problem.
Im Labor-23 hatte es angefangen und uns geholfen, die ganze Geschichte zu ertragen. Tom, Lukas, Julian, ich und auch Eric – wir fühlten, dass es etwas Besonderes war, was uns verband. Keiner von uns war eifersüchtig, wenn der Partner mal mit einem anderen Sex hatte, weil wir immer wussten, was wir für einander empfanden. Für uns war es normal und was andere darüber dachten, war uns inzwischen völlig egal.
Nun gehörte Eric auch in dieser Hinsicht voll zu uns. Und schon hatte ich etwas Angst ihn wieder zu verlieren. Es war kaum anzunehmen, dass sein zukünftiger Partner, wer auch immer das sein würde, es so locker sah wie wir. Wir kannten Angel nicht, außerdem stand natürlich nicht fest, ob aus den beiden ein Paar würde. Doch was, wenn es so weit käme?
»»Wir haben Eric bisher zu nichts gedrängt, dann werden wir nun auch nicht damit anfangen. Falls er einen festen Partner findet, dann müssen wir den beiden erstmal Zeit geben. Du kannst nicht erwarten, dass er sich in eine Beziehung wie die unsrige eingliedert. Er wird dann zuerst mit Eric zusammen sein wollen.««
Julian hatte wieder einmal Recht. Ich machte mir da viel zu viele Gedanken. Bisher hatten Eric und Angel sich gerade einmal getroffen, wobei Angel einen verdammt tiefen Eindruck auf Eric gemacht haben musste. Wie auch immer, wir sollten ihm die Zeit geben, die er benötigte.
Summend meldete sich mein Armband-Kommunikator, den ich auf dem Nachttisch abgelegt hatte. Ich streckte nur meine Hand aus, und er kam sofort angeflogen. Derlei telekinetische Spielereien beherrschten wir inzwischen perfekt. Für Uneingeweihte sah es unglaublich eindrucksvoll aus, doch selbst für einen mittelmäßig begabten Telekineten gehörte so etwas zum Standardprogramm. Bessere Telekineten nannten so was auch ein wenig abfällig „Taschenspielertricks“, dennoch, es sah sehr beeindruckend aus und war auch noch bequem.
Ein leichtes Tippen mit der Fingerspitze aktivierte den eingebauten Bildschirm. Dabei wurde der Gegenstelle auch gleich übermittelt, dass ich auch wirklich der autorisierte Benutzer war. Schaudernd musste ich daran denken, dass nicht nur der Fingerabdruck sondern auch gleich die elektrischen Felder und Biodaten überprüft wurden. Nicht dass jemand meinen abgetrennten Finger für die Autorisierung nutzen konnte. Auf was für Ideen manche Sicherheitsleute kommen konnten.
Nach den üblichen drei Sekunden erschien das Bild von Martin, unserem Sicherheitschef im „Campus-Occursus“. War ja eigentlich fast klar, Telepathen würden den Kommunikator kaum benutzen und so viele Leute gab es nicht, die meine Kennung kannten.
»Hallo Mike,« mit einem breiten Grinsen und nach einem kurzen Seitenblick: »Hallo Julian. Ähm, Eric sollte in 10 Minuten in Camelot sein. Er hat doch heute zusammen mit Kim und Dirk „Rufbereitschaft“. Man hat mich gebeten, ihn noch einmal daran zu erinnern.«
»Kann es sein, dass dieser „Jemand“ zufällig Frank heißt?«, fragte ich ein wenig belustigt.
»Nein diesmal nicht, der „Jemand“ heißt ausnahmsweise Stefan.«, noch immer grinsend schaltete er dann auch schon ab.
Da half alles nichts, wir mussten Eric wohl aus Morpheus Armen reißen. Das mit der Bereitschaft hatten wir noch am 24. beschlossen. Nachdem Metin den Angriff der Catcher gemeldet hatte, war zu viel Zeit vergangen, ehe Lukas, Louis und ich zur Stelle waren.
Zuerst waren alle alarmiert worden, doch nur Lukas und ich hatten die Kampfanzüge an, da wir gerade beim Training waren. Zum Glück machte sich Louis gerade fertig, um ebenfalls zu trainieren, nur deshalb war er dann auch sehr schnell fertig gewesen. Doch in Zukunft wollten wir es nicht mehr auf so einen Zufall ankommen lassen. Zu jeder Zeit musste ein Team aus einem Teleporter und zwei der stärkeren Mutanten bereit sein, unseren Patrouillen zu Hilfe zu eilen.
Diese wiederum waren notwendig, damit es nicht zu Übergriffen anderer Gangs auf unser „Territorium“ kam. Problematisch war hauptsächlich der ehemalige „King Roy“ Sektor. Die Nachricht, dass es ihn nicht mehr gab, hatte sich sehr schnell verbreitet, nun aber glaubten einige Normalo-Gangs, sie könnten diesen Sektor unter ihre Kontrolle bringen. Unter den Mutanten traute sich keiner, denn die wussten ziemlich genau, wer für King Roys Tod verantwortlich war. Nur einige Normalo-Gangs glaubten, es wären die Freien Mutanten gewesen und der Sektor somit verwaist. Denn natürlich beanspruchten die Freien Mutanten keinen Sektor für sich, das verstieße ja gegen ihre eigene Große Konvention.
In „King Roys“ Sektor-7 hatten die Bewohner „Steuer“ an ihn entrichten müssen, und auch sonst war es zu einigen unschönen, aber doch relativ harmlosen Aktionen gekommen. Wenigstens in dieser Richtung war er sehr vorsichtig gewesen. Die Freien Mutanten reagierten sehr empfindlich, wenn Mutanten zu offen gegen Normalos vorgingen, da sie dann die Große Konvention mehr als nur gefährdet sahen.
Wir hatten uns deshalb dazu entschlossen, den Sektor „sauber“ zu halten, denn wir wollten den Bewohnern von Sektor-7 die Streitereien um ihren Sektor ersparen, natürlich ohne „Steuern“ zu verlangen. Dementsprechend waren dann aber auch diese Patrouillen notwendig, wir mussten einfach Flagge zeigen. Und um diese Patrouillen abzusichern, brauchten wir nun aber die Rufbereitschaft, zu der Eric sich jetzt fertig machen musste. So lief es ständig, jede noch so kleine Entscheidung zog einen „Rattenschwanz“ von zusätzlichen Maßnahmen nach sich und es bestand ständig die Gefahr, sich zu verzetteln.
„Camelot“, Donnerstag, 27.12.2035
Etwas missmutig sah Eric aus dem Fenster von Robins Büro. Schon wieder schneite es und die dicken Wolken verstärkten den an sich schon düsteren Eindruck von Sektor 20. Wehmütig dachte Eric an das schöne, warme Bett, das er so abrupt hatte verlassen müssen. Die letzten beiden Tage waren wahrscheinlich die Schönsten in seinem Leben gewesen. Zumindest die Schönsten, an die er sich erinnern konnte, korrigierte er sich sogleich mit aufsteigender Bitterkeit.
Zuerst die Nacht mit Mike und Julian; er hätte nie gedacht, dass es so schön werden könnte. Dann waren auch noch Lukas und Tom zu ihnen gestoßen, und Eric hatte schon Befürchtungen bekommen, er würde die nächsten Wochen nicht mehr sitzen können.
Natürlich war das völlig unbegründet, denn zum einen waren alle sehr vorsichtig gewesen, und zum anderen beherrschte er schließlich selbst das Reiki. Wenn auch nicht im vollen Umfang, so reichte es völlig für den Eigenbedarf. Leise trat Kim an Eric heran und umarmte ihn von hinten, wobei er leicht sein Becken gegen Erics Po drückte.
»Und, noch alles in Ordnung?«, fragte der Junge.
»Ist das jetzt schon Tagesgespräch?«, grummelte Eric ein wenig und wurde sogar etwas rot.
»Nein, natürlich nicht, aber du hast deine Abschirmung vernachlässigt. Da sind dir ein paar sehr interessante Gedanken entwichen.«
»»Alter Spanner!««, sendete Eric und drehte sich zu Kim herum.
Kim war 17 und mit 1 Meter 75 nur wenig kleiner als Eric. Doch im Vergleich zu Kim war Eric um einiges muskulöser und sah mit seinen 23 Jahren auch deutlich älter aus. Doch in dem einen Punkt hatte Kim wesentlich mehr Erfahrung als Eric, zurzeit war Kim allerdings solo.
Eric legte Kim seine Hände auf die Schulter und zog ihn an sich. Als sich ihre Körpermitten berührten, trat ein Funkeln in Kims Augen und auch Eric blieb alles andere als ungerührt. Bisher hatte Eric mehr ein freundschaftliches – fast brüderliches Verhältnis zu Kim gehabt. Doch nun machte er ihn wirklich an … Eric seufzte laut.
»»Ist das denn so schlimm?««, meldete sich Kim und sah in Erics schwarze Augen. Etwas müde schien Eric schon zu sein, auch seine sonst hochgestylten Haare waren noch reichlich durcheinander.
Eric schüttelte den Kopf »»Eigentlich nicht. – Nur sollten wir an etwas anderes denken.««, dabei grinste Eric nun doch ein wenig, als er Kims Erregung spürte.
Ehe Eric richtig realisierte was geschah, standen sie auch schon vor dem Conventiculum. Kim zog Eric lächelnd zur Tür: »»Hier wird uns niemand stören und falls man uns braucht, sind wir trotzdem sofort erreichbar.««
Nur Träger des Telin und Personen, die mit ihnen kamen, konnten den Raum betreten. Dennoch zweifelte Eric ein wenig, ob dies wirklich eine gute Idee war. Zwar war er nicht die ganzen letzten Tage „passiv“ gewesen, dennoch wollte er sich in dieser Hinsicht etwas erholen.
»»Das kannst du ja.««, grinste Kim ein wenig verlegen. »»Ich habe nur schon so lange keinen Sex mehr gehabt, ich weiß fast nicht mehr …««
»»Rede doch keinen Unsinn, da sind doch genug Jungs in deinem Alter. Du wirst mir doch nicht erzählen wollen, dass du da keinen findest, der dir sympathisch ist.««
»»Doch schon, aber die wollen dann immer gleich was „festes“. Ich mag da schon einige, aber eben nur mögen. Mit Mike und Julian oder auch Lukas und Tom als Vorbild glauben die aber jetzt alle, das müsse dann bis in alle Ewigkeit halten.««
Kim war offensichtlich ein wenig frustriert, während Eric nur mühsam ein Lachen verkneifen konnte.
»»Haben die denn keine Ahnung, wie locker die vier miteinander umgehen?««
»»Schon, aber trotzdem haben sie doch eine feste Beziehung. Oder kannst du dir vorstellen, dass Julian wegen eines anderen Mike verlassen würde?««
Eric schüttelte den Kopf: »Bestimmt nicht.««
»»Eben und die Jungs, die mich interessieren, die denken, dass es dann gleich die große Liebe sein muss. Ich mag diese Jungs, aber Liebe ist doch ein wenig mehr als nur Sex. Als Telepath weiß ich ja immer, was die erwarten und deshalb lasse ich mich erst gar nicht darauf ein.««
Eric und Kim hatten sich inzwischen in eine der Nischen zurückgezogen und standen dicht beieinander. Eric war klar, dass er Kim nachgeben würde, gerade weil Kim nicht mehr als Sex erwartete.
»»Und dass ich sechs Jahre älter bin als du, stört dich nicht?««
Kim lächelte und begann Erics Hose zu öffnen: »»Nein, überhaupt nicht. Du weißt, dass ich dich mag und jetzt bin ich ziemlich geil auf dich. – Und du bist auch alles andere als cool.««
Während Kim weiter an Erics Hose nestelte, zog der ihn noch ein Stück näher an sich heran. Eric wusste, dass jetzt nur noch eine Alarmierung ihn davon abhalten könnte. Doch die blieb für die nächsten drei Stunden aus, und beide waren sich hinterher einig, dass dies etwas war, was sie gerne wiederholen würden.
„Camelot“ Meditationsraum, Donnerstag, 27.12.2035
Das Wasser plätscherte über den schwarzen Stein. Kim saß zwischen Erics Beinen und lehnte sich mit dem Rücken an dessen Brust. Längst waren beide wieder „vorschriftsmäßig“ bekleidet und saßen jetzt im Meditationsraum. Hatte Eric anfangs Bedenken gehabt, so war er jetzt wirklich froh, dass sie „es“ getan hatten. Er hatte Kim bisher schon sehr gemocht, jetzt waren seine Gefühle für ihn noch vertieft worden.
Kim ging es genauso, er hatte schon lange ein Auge auf Eric geworfen, dessen ruhige und beherrschte Art ihn unheimlich anzog. Beide unterhielten sich miteinander über ihr bisheriges Leben und Kim war natürlich besonders fasziniert, wie Eric mit seiner Vergangenheit zurechtkam.
Auch über Angel hatten sie gesprochen, aber Kim kannte keinen Mutanten, auf den die Beschreibung zutraf. Wobei dies eigentlich nicht ganz korrekt war, es gab ziemlich viele, die Ähnlichkeit mit Angel hatten.
Schwarz gekleidete, mittelgroße Mutanten mit schwarzen Haaren und blauen Augen waren nicht so ungewöhnlich. Doch der Rest traf dann eben nicht mehr auf die Mutanten zu, die Kim kannte. Noch während sie überlegten, was Eric tun könne, um Angel zu finden, wurden sie von Frank gerufen.
»»Unsere Jungs haben in der Nähe von „King Roys“ ehemaliger Residenz einen brennenden Wagen entdeckt. Ein Catcher liegt daneben, tot, und die Jungs wollen wissen, ob ihr euch das ansehen wollt.««
Kim murrte zu Eric: »Ob wir uns das Ansehen wollen! Hört sich ja fast wie nach Besichtigung an.«
»Ist doch egal, du weißt was die meinen. Es macht einfach keinen guten Eindruck, wenn bei uns im Sektor ständig tote Catcher auf der Straße liegen.«, spottete Eric.
Doch, wenn er ehrlich war, dann mochte er den Gedanken auch nicht sonderlich, dass jemand regelrecht Jagd auf Catcher machte. Wenn sie angriffen, dann war es Okay. Doch sie zu töten, nur weil sie da waren?
»»Du vergisst, dass es ähnliche Fälle wie den von Robin gab, da ist verdammt viel Hass entstanden.««, offensichtlich hatte Kim da ein wenig bei Eric mitgedacht.
»»Sicherlich richtig, aber trotzdem. Wie Stefan schon mal gesagt hat „Wenn das Töten erstmal leicht fällt, dann kommt auch bald der Moment, ab dem es Spaß macht.“ Das will ich nie erleben. Besonders, weil ich nicht weiß, ob ich damals nicht vielleicht schon diesen Punkt erreicht hatte. Also sehen wir uns da mal um, vielleicht erfahren wir, wer die Jäger jagt.««
»Was ist mit Dirk?«
»Der ist unten im physikalischen Übungsraum und dressiert mal wieder die Photonen. Setz also die Sonnenbrille auf, sonst wirst du auch blind.«
Kim teleportierte sie in den Vorraum des Übungsraumes und durch die abgedunkelte Scheibe konnten sie Dirk beobachten, der mit dem Rücken zu ihnen stand. Doch das hatte bei ihm natürlich nichts zu bedeuten. Dirk war schon von Geburt an blind und hatte mit 15 Jahren erste Anzeichen seiner PSI-Fähigkeiten entdeckt.
Wie bei allen geborenen „Multitalenten“ manifestierten sich seine Fähigkeiten über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Bei ihm war als Erstes die Teleortung aufgetreten, die eigentlich „nur“ eine schwache Form der Telekinese war. Praktisch jeder Telekinet konnte die Teleortung erlernen. Aber Dirk war mit Abstand der beste bekannte Teleorter, was angesichts seiner natürlichen Blindheit auch niemanden überraschte. Später manifestierten sich bei Dirk auch die Telekinese und die Photokinese. Vor einigen Tagen waren bei ihm, wie bei Louis und Marc, auch noch die Telepathie und die Larualisation hinzugekommen.
Bevor die Alarmierung kam, war er dabei gewesen, „Laser-Blitze“ zu erzeugen. Er konnte beliebige Atome derart „anregen“, dass sie Photonen emittierten, die er dann auch noch ausrichten und gezielt gegen einen Gegenstand „abstrahlen“ konnte.
So richtig große Fortschritte gelangen ihm aber erst, seit Olaf sich sehr intensiv mit ihm und seiner Fähigkeit beschäftigt hatte. Bisher hatte sich Dirk meist auf Blendeffekte und Verschleierungen beschränkt. Wenn er das Licht und somit die Farben manipulierte, konnte man schon sehr durcheinander geraten. Anfangs hatte er selbst davon überhaupt nichts bemerkte, da seine Teleortung dadurch nicht beeinflusst wurde.
Jetzt sahen Kim und Eric staunend auf die 15 Zentimeter dicke Stahlplatte, welche auf einem Gestell am Ende des Raumes montiert war. Sie wies insgesamt neun fast fünf Zentimeter dicke Durchschüsse auf. Eines der Löcher glühte noch an den Rändern, als das rote Blinklicht, das vor dem Betreten des Raumes warnte, erlosch und Dirk herauskam. Auch er war von Frank informiert worden und hielt eine Untersuchung des Vorfalles für nötig.
„Sektor 20“, Donnerstag, 27.12.2035
Beißender Qualm lag in der Luft. Ab gewissen Temperaturen brannte auch die schwer entflammbare Einrichtung moderner Autos, die Löschanlage hatte ihren Vorrat an Löschmittel diesmal vergeblich verpulvert. Als letzte Maßnahme konnte die Automatik nur noch die Necronit-Batterie ausgestoßen, um Kurzschlüsse im Wagen zu vermeiden. Nachdenklich sah Eric auf den Würfel mit 18 Zentimeter Kantenlänge hinab.
Es war schon erstaunlich, dass Dr. Neckler damit seine „NeckTech“ zur mächtigsten Firma Europas gemacht hatte. Doch in Necronit konnte schon zu Anfang seiner Entdeckung pro kg Masse 20-mal mehr elektrische Energie gespeichert werden, als in den besten Akkumulatoren, die man bis dahin kannte. Inzwischen hatte sich durch Forschung und Qualitätsverbesserung der ursprüngliche Wert verdreifacht. Necronit war eine künstliche, gelartige Substanz, die beim Speichern von Energie auskristallisierte.
Es war nahezu unglaublich, wie sich die Industrie auf dieses Produkt gestürzt hatte. Schiffe, U-Boote, Autos und nahezu alles, was Räder hatte, war in kürzester Zeit auf Elektrobetrieb umgestellt worden. Fast jedes Elektrogerät lief inzwischen ausschließlich oder zumindest als Notversorgung mit einer Necronit-Batterie.
Stärker als jede herkömmliche Batterie, unbeschränkt wiederaufladbar und das auch noch ohne nennenswerten Verlust – Necronit war wie eine Lizenz zum Gelddrucken, ein moderner Stein der Weisen in einer immer energiehungrigeren Welt.
Das Thermonectit war erst später bei einem „gescheiterten“ Experiment entdeckt worden. Bei NeckTech war sogar der Fehlschlag ein größerer Erfolg als bei anderen, wenn sie ihre Ziele erreichten.
Dirk löschte das brennende Wrack mit mehreren Ladungen Schnee, die er telekinetisch auf und in das Auto beförderte. Es war wieder einer der typischen Vans, mit denen die Catcher bevorzugt unterwegs waren. Wie die inzwischen weitergezogene Patrouille berichtet hatte, lag ein Toter neben dem Wagen. Als Eric sich über diesen beugte, konnte er deutlich die Strommarken erkennen, hier war wahrscheinlich ein Elektrokinet am Werk gewesen.
Dann rief Kim von der anderen Seite: »He, Eric, hier liegt noch einer. Der hat anscheinend noch gekämpft.«
Eric und Dirk kamen zu ihm und sahen sich auch diesen Toten an. Lang gestreckt lag er da, die Füße zeigten in Richtung des Wracks. Eine seltsam plump wirkende Waffe hielt er noch mit der linken Hand am Schaft und zuerst sah es aus, als würde ihm ein Finger fehlen.
Bei genauerem Untersuchen erkannte Dirk, dass der Finger von einer kleinen Klappe verdeckt wurde. »Vorsicht Eric, da ist ein Knopf unter der Klappe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der mit der „normalen“ Waffenfunktion zusammenhängt. Während Kim etwas zurückwich, ging Eric in „Phase“ und untersuchte die Waffe genauer. Offensichtlich hatte der Catcher verzweifelt versucht diesen verborgenen Knopf zu betätigen, es war ihm dann aber nicht mehr gelungen.
Die Waffe selbst war ungefähr 1 Meter lang und hatte eine trichterförmige Öffnung von fast 8 Zentimeter Durchmesser. Trotz ihrer Länge wirkte sie sehr kompakt, fast ein wenig gedrungen.
»Was ist das für ein Ding?«, raunte Dirk misstrauisch, während er noch immer mittels Teleortung jede Einzelheit der Waffe abtastete.
Vorsichtig nahm Eric die Waffe auf und pfiff dann laut und schrill durch die Zähne.
Ärgerlich verzog Dirk das Gesicht. Denn bis sich bei ihm die Teleortung herausgebildet hatte, war er auf ein Sonarimplantat angewiesen, entsprechend empfindlich war sein Gehör.
Doch Eric grinste nur und sagte: »Stell dir das jetzt um mindestens Faktor 100 stärker vor und bei einer höheren Frequenz. Das dürfte die Funktion dieser Waffe sein.«
»Schall?«, zweifelte Kim.
»Jep, eine „Long Range Acoustic Device“ kurz L R A D. Das glaube ich zumindest. Von Schallwaffen habt ihr sicherlich schon gehört. Dies ist so ein Ding, nur habe ich noch nie so ein kompaktes Model gesehen. – Jedenfalls nicht so lange ich mich erinnern kann. Ich denke, das ist eine ideale Waffe gegen Mutanten«, dabei lächelte er böse.
»Was soll diese Waffe so besonderes gegen Mutanten auswirken?«, fragte jetzt auch Dirk ein wenig verwundert.
»Akustische Waffen können extreme Schmerzen im Trommelfell verursachen und das Gleichgewichtsorgan im Innenohr lahm legen. Ab 140 Dezibel empfindet man Schmerz, es kann zu inneren Blutungen und bleibenden Hörschäden kommen.
Der schrille Ton wird vom Gehörorgan als extrem starkes Nervensignal zum Gehirn weitergeleitet, du empfindest dann einen sehr starken Schmerz. Hört sich ähnlich wie ein Rückkopplungsgeräusch an, also so, wie wenn man ein Mikrofon vor den Lautsprecher stellt, nur viel stärker.
Das Ganze stört dann deine Konzentration, wahrscheinlich wärst du nicht mehr in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen – von einer geplanten Abwehr ganz zu schweigen. Auf längere Sicht macht es dich verrückt oder tötet sogar.«
Nachdenklich kratzte sich Eric am Kinn und studierte die Waffe: »Damit können sie den Schall zielgenau wie einen Laserstrahl senden. Weder der Schütze, der die Waffe bedient, noch die Menschen, die sich in der Umgebung befinden, bekommen davon etwas mit. Die HyperSonic Sound Technology hat man erst seit 30 oder 35 Jahren in den Griff bekommen. Früher galt Infraschall als nicht zu bündeln. Und so kleine Waffen galten als nicht zu realisieren.«
»Und was ist das für ein Knopf unter dem Deckel?«, wollte Kim nun erfahren.
Eric grinste wölfisch: »Um ein Zitat zu benutzen: „Ein Profi hätte sofort nach dem roten Knopf an der Waffe gefragt.“ Der ist für die Selbstzerstörung! Anscheinend wollte der Catcher nicht, dass wir die Waffe in die Hand bekommen.«
»Hört sich an, als wäre das was für Olaf!«, murmelte Dirk und beäugte die Waffe mehr als nur kritisch.
»Hier sind noch Spuren, die nicht von unseren Leuten kommen, denke ich jedenfalls. – Bin ja kein Profi«, meldete sich Kim nun erneut zu Wort.
»He, das war doch nur ein Scherz, also wo sind die Spuren?«
Eric ging zusammen mit Dirk zu der Stelle, an der Kim stand. Tatsächlich führte eine deutliche Spur zu dem nächsten Gebäude. Die Drei sahen sich an und beschlossen wortlos der Spur zu folgen.
6. - Land Of Confusion (Teil 2)
…
Too many men, Too many people, Making too many problems,
And not much love to go round, Can't you see This is a land of confusion.
This is the world we live in, And these are the hands we're given
Use them and let's start trying, To make it a place worth living in.
Superman where are you now, Everything's gone wrong somehow
The men of steel, men of power, Are losing control by the hour.
…
aus Land Of Confusion von Genesis
„Sektor 20“, Donnerstag, 27.12.2035
Das Gebäude war verlassen, wenigstens weitgehend. Eine Person hielt sich noch darin auf, aber diese Person schien geistig verwirrt zu sein. Das war jedenfalls der Eindruck, den die drei bekamen, als sie das Gebäude nach Lebenszeichen abtasteten. Doch dann klopfte Dirk heftig auf Erics Schulter. »Ich höre da noch jemand, aber ich kann ihn weder spüren noch orten.«
Ein sehr ungutes Gefühl machte sich in Erics Magen breit, und als sie sich einer der Türen näherten, hörte Eric eine vertraute Stimme flüstern: »Es hat keinen Sinn, wenn du dich wehrst, ich bekomme die Information so oder so. Wo ist das Labor „Arktis“? Wer ist dort? Komm schon, gleich hast du es hinter dir, komm sch …«
Das Flüstern hielt inne und nur noch ein scharrendes Geräusch war zu hören. Als die drei den Raum betraten, war er leer. Dennoch war sich Eric sicher – er hatte die Stimme von Angel erkannt.
»Wo sind sie?«, Kim sah sich verwundert um. »War das ein Teleporter? Ich habe keinen Impuls gespürt!«
»Du kannst auch keinen Doppelimpuls spüren – Angel ist ein Parasurfer und kein Teleporter.«, Erics Stimme klang ein wenig enttäuscht. Er hätte nicht gedacht, dass Angel der Mutant sein könnte, der die Catcher überfallen hatte.
Langsam realisierte Dirk das Gesagte: »Angel? Oh, das also war der Angel, von dem du …? Von was für einem Labor hat er da gesprochen?«
»Das werden wir nicht herausfinden, wenn wir uns nicht beeilen. Wir müssen einen Block bilden, dann können wir ihn finden«, drängte Kim.
Als die beiden ihn nur irritiert ansahen erklärte Kim: »He, auch wenn Angel ein Indeprenther wie Eric ist und sich total abschirmen kann, den Catcher können wir erfassen. Angel muss seinen Blockadechip zerstört haben. Finden wir den Catcher, haben wir auch Angel.«
Sofort reichten sie sich die Hände und sondierten die Umgebung. Es dauerte fast zehn Minuten, bis sie die schwache Signatur des Catchers aufnehmen konnten. Eric setzte eine kurze Nachricht für Frank ab, während Kim die gefundene Waffe per Exoteleportation direkt bei Olaf ablieferte. Das Ding war Eric zu wichtig und zu gefährlich, als dass er es mit sich herumschleppen wollte.
Tief unter „Sektor 20“, Donnerstag, 27.12.2035
Die Luft war stickig, feucht und stank nach Unrat. Ein fahles, rotes Licht, beleuchtete den Raum, in dem sie angekommen waren. Alte Maschinen standen an den Wänden oder lagen wie Schrott übereinander gestapelt. Neugierig sahen sie sich um, doch weder der Catcher noch Angel waren zu sehen. Dennoch spürten sie, dass sie nicht alleine waren. Einige Personen befanden sich in ihrer Nähe – für Erics Geschmack zu nahe.
»Wo sind wir denn hier überhaupt gelandet?«, murmelte Kim.
»Wenn ihr durch das Tor geht, dann seid ihr in der Hölle«, gab ihm eine raue Stimme aus dem Hintergrund die Antwort.
Die drei wirbelten herum, doch noch in der Bewegung wurde Kim von etwas Großem umgerissen. Eric sah nur den Schatten und machte sich bereit, ihm eine elektrische Ladung zu verpassen, als auch ihn ein gewaltiger Schlag aufstöhnen ließ.
Dirk sorgte mit einer Lichtentladung dafür, dass die beiden anderen wenigstens annähernd sahen, von was sie angegriffen wurden. Es waren zwei, sich unheimlich schnelle bewegende, Gestalten. Beide sahen sich sehr ähnlich, sie trugen nur eine schwarze Hose und ein gleichfarbiges, ärmelloses T-Shirt. Der offensichtlich etwas Ältere trug sein schulterlanges schwarzes Haar offen, während es bei dem anderen nur mittellang und ziemlich strubbelig war. Es war auch der Jüngere, der nun Kim in den muskulösen Armen hielt, während dieser verzweifelt versuchte frei zu kommen.
»He, nicht so wild, mein Kleiner, ich tu dir doch gar nichts. – Noch nicht«, brummte er, während er drohend seine mit Klauen bestückte Hand an Kims Hals hielt.
Dirk konzentrierte sich und wollte die Hand telekinetisch wegziehen, doch er konnte den Unbekannten zwar spüren, aber nicht richtig erfassen. Eric kämpfte noch immer mit dem Älteren, aber auch er kam nicht weiter. Er konnte nicht in „Phase“ gehen und für Elektrokinese war der Unbekannte sowohl zu schnell als auch zu nahe. Obwohl Eric auch reichlich Erfahrung im Kampfsport hatte, kam er dem Typen einfach nicht bei. Jedem seiner Schläge und Tritte wich der Unbekannte mit spielerischer Leichtigkeit und unglaublicher Geschwindigkeit aus.
Er schien jeden Schlag vorauszusehen, wirbelte herum und landete dabei fast jedes Mal einen Treffer bei Eric. Dabei fiel Eric dann auch schmerzhaft auf, dass die beiden Typen Schwänze hatten, richtige Greifschwänze, in Verlängerung der Wirbelsäule. Den seines Gegners hatte er nun schon zum zweiten Mal in das Gesicht geschlagen bekommen. Mitten im Sprung wirbelte der Unbekannte wieder herum und landete in Erics Rücken. Bruchteile von Sekunden später, spürte auch er die scharfen Krallen an seinem Hals. Beim Kampf waren sie von dem Unbekannten nicht eingesetzt worden, er musste sie, so folgerte Eric, also einziehen können. Das brachte ihm immerhin die Erkenntnis, dass die Unbekannten sie nicht ernstlich verletzen wollten.
Ein gurgelnder Laut von Dirk ließ Eric erahnen, was er wenig später sah. Dirk war in die Fänge einer fast 1 Meter 80 großen, anscheinend völlig schwarzen Mutantin geraten. Sie hielt ihn im Würgegriff, und lächelte dabei ohne jede wirkliche Freundlichkeit.
In Erics Rücken erklang wieder die Stimme von vorhin: »Zack, alles klar bei dir?«
»Alles klar Tommy, der Süße ist jetzt ganz zahm. Nicht war, mein Kleiner?«, dabei schien der Jüngere, Zack, sogar ein wenig zu schnurren.
»Gloria? Wenn du so weiter machst, bringst du ihn noch um und das dürfte Joe nicht gefallen«, rief Tommy der schwarzen Mutantin zu, in deren Griff sich Dirk noch immer wand.
»Und ihm gefällt es ganz sicher nicht, wenn du ihn Joe nennst«, fauchte sie zurück, lockerte aber dennoch ein wenig den Griff, damit Dirk wieder etwas mehr Luft bekam.
Nur das Geräusch ihrer Schritte hatte Dirk noch gewarnt, doch da war es schon zu spät gewesen. Sie war überhaupt nicht aufzuspüren gewesen und dazu anscheinend auch noch unsichtbar. Er hatte gehört, dass es Mutanten geben sollte, die sowohl Occultation als auch die Indeprenthie beherrschten. Sie waren dann nahezu unsichtbar und auch psionisch nicht zu erfassen. Selbst seine Teleortung versagte in so einem Fall nahezu vollständig. Außerdem schien es hier noch weitere Störeinflüsse zu geben.
Noch mehr beunruhigte Dirk die Tatsache, dass es ihm nicht gelang in Phase zu gehen. Da auch Eric es unterlassen hatte, schien es ihm ebenfalls nicht zu gelingen. Dirks Verwirrung stieg, je länger diese Situation andauerte.
»Hört mal zu ihr „Spaßvögel“, ihr seid hier an einem Ort, wo ihr nichts zu suchen habt. Wie euch sicherlich nicht verborgen geblieben ist, könnt ihr hier weder „Herumgeistern“ noch Teleportieren. Unser Freund Marty kann so etwas sehr effektiv zu verhindern.«
Jetzt kam langsam, fast ein wenig ängstlich, ein vierter Mutant hinter einer der Maschinen hervor. Er war jung, nur 1 Meter 65 groß und sehr schlank. Seine Haut wirkte metallisch, fast wie Bronze, seine blauen Haare standen in allen Richtungen ab und er hatte goldene, völlig ausdruckslose Augen.
»Keine Angst Marty, diese „Edelmutanten“ tun dir nichts. Nicht wahr, ihr Hübschen?«, gurte Gloria mit einem leicht drohenden Ton.
Sogleich nahm Tommy den Faden wieder auf: »Also, gegen unseren Willen kommt ihr hier nicht mehr raus. Wenn es nach mir ginge, würde ich die Sache gleich zu Ende bringen, aber jemand will noch mit euch reden. Er wird …«
»Völlig richtig, Tommy! Sicherlich wolltest du mir die drei „Gäste“ gerade übergeben«, schnarrte eine unangenehme, süßliche Stimme von dem Tor, das zu einer größeren Halle führte.
In diesem Tor standen mehrere unförmige Gestalten. Der Sprecher war jedoch unverkennbar. So, wie seine monströsen Begleiter ihn umstanden, konnte es nur der gutaussehende Typ in ihrer Mitte sein.
»Vergiss es Janus, lieber töte ich sie sofort, als sie dir und deinen Monstern zu überlassen«, fauchte Gloria zu Dirks Überraschung.
Kim spürte, wie die Krallen an seinem Hals langsam zurückwichen. Dann hörte er Zack wispern: »Mach jetzt keinen Unsinn, Kleiner.«
Doch da war es bereits zu spät. Einer von Janus' Begleitern galoppierte direkt auf die beiden zu. Am auffälligsten waren seine affenartigen, langen, muskulösen Arme. Nicht minder beeindruckend war der gewaltige Körper, mit einer Höhe von mindestens 2 Meter 50. Seine sichtbare Haut war braun und wirkte lederartig. Der halbkugelförmige, kahle Kopf saß ohne erkennbaren Hals auf seinen breiten Schultern und machte das „Monster“ perfekt.
Im Moment nutzte er zusätzlich auch seine Arme und galoppierte so auf allen Vieren durch die Halle. Dabei rannte er Kim und Zack einfach um, sodass beide einige Meter davon geschleudert wurden und über den schmutzigen Boden schlitterten. Zack fauchte zornig und rappelte sich sofort wieder auf, doch da war Kim schon in den Fängen des Monsters, das zurück zu seinem Herrchen trabte.
»Schön Goliath, das hast du gut gemacht.« So wie Janus mit Goliath sprach, entstand für alle der Eindruck, als schien er ihn mit einem Hund zu verwechseln. Was durch das zufriedene Grunzen von Goliath gleich darauf noch verstärkt wurde.
»Das sind unsere Gefangenen, Janus! Es wird Joe nicht gefallen, wenn er davon erfährt.«, zornig und drohend klang Tommys Stimme.
»Dann würde ich es ihm nicht sagen«, feixte Janus hämisch und mit einem sadistischen Lächeln fügte er hinzu: »Übergib mir die beiden oder Goliath wird dem Kleinen hier den Arm ausreißen. Du weißt doch, so was macht er gerne. Erst die Ärmchen dann die Beinchen«, sein höhnisches Lachen ließ Eric einen kalten Schauer über den Rücken laufen.
Demonstrativ stellte sich Goliath neben sein “Herrchen“, umfasste Kims windenden Körper mit seinem rechten Arm, während er genüsslich mit seiner Linken an Kims rechten Arm zog. Qualvoll schrie Kim auf, konnte sich aber nicht gegen den Griff wehren.
Immer wieder stöhnte Kim auf, was Janus offensichtlich sehr gefiel. Während nun Tommy anfing mit Janus zu streiten, vernahm Dirk die leise raunende Stimme von Gloria: »Hey, Laser-Boy, ich weiß genau was du kannst, mach es jetzt! Goliath wird dem Kleinen wirklich den Arm ausreißen!
Pass auf, er hat zwei Herzen nebeneinander, ungefähr eine handbreit unterhalb der Achseln. Nur wenn du beide triffst, ist er erledigt, seinen Arm solltest du dabei auch erwischen, sonst reißt er den Jungen in seinen letzten Zuckungen doch noch auseinander.«
Einen Moment war Dirk mehr als nur etwas verwirrt, aber seit Janus aufgetaucht war, hatte der Druck um seinen Hals ständig nachgelassen. Was auch immer die drei mit ihnen vorhatten, das, was sie bei Janus erwarten würde, war mit Sicherheit schlimmer.
Dirk konzentrierte sich, spürte die Atome in der Luft, fasste sie zusammen und brachte sie zum Schwingen. Es war etwas, das er schon tausende Male gemacht hatte, doch noch nie war es so dringend gewesen.
Noch einmal visierte er Goliath, der seitlich zu ihm stand, an, dann gab er mit einem Schlag die gesammelte Energie frei. Ein blendend helles Licht entstand mitten in der Luft und raste durch die Halle. Kurz vor Goliath spaltete es sich dreifach auf und schlug fast geräuschlos in den titanenhaften Körper. Je einer der Strahlen traf ihn in der Schulter und trennte dabei seine Arme ab. Der Hauptstrahl jedoch schlug mitten in Goliaths tonnenförmige Brust und durchschlug komplett seinen Oberkörper. Der Riese hatte nicht einmal mehr lange genug gelebt, um zu begreifen, was da geschehen war. Während Goliaths Körper langsam nach hinten taumelte, fiel Kim mitsamt Goliaths abgetrennten Armen zu Boden.
Nicht umsonst nannte man Dirk auch „Flash“, Licht konnte in den unterschiedlichsten Intensitäten auftreten und dies war einer der stärksten und kompliziertesten Laser gewesen, die er je produziert hatte. Er fand es immer wieder erstaunlich, wie sehr einige Mutanten die Photokinese unterschätzten.
Gloria gehörte aber ganz offensichtlich nicht dazu, denn nun wurde ihr Griff wieder etwas fester und sie gurrte nur: »Gut gemacht, Laser-Boy, das hat das fette Schwein schon lange verdient.«
Auch Zack war nicht tatenlos geblieben, vorgewarnt von Gloria hatte er die Blendwirkung ausgenutzt und war zu Kim geeilt. Als Janus wieder sehen konnte, standen alle wieder in der Ausgangsposition, alle außer Goliath.
Noch nie wurde einer der sieben von einem Menschen derart hasserfüllt angesehen wie nun, als sie Janus Blick trotzten. Tommy, Gloria und Zack zogen sich mit ihren Gefangenen etwas zurück und auch Marty blieb dicht bei ihnen. Eric, Dirk und Kim spürten, dass es für sie sicherer war, bei ihren neuen „Freunden“ zu bleiben. Denn Janus war ganz offensichtlich alles andere als eine gute Alternative.
Doch nun stapften langsam und bedrohlich drei weitere Mitglieder, von Janus „Monster-Garde“, auf sie zu. Genauso schnell wichen die sieben zurück, doch das Ende der Halle war abzusehen.
»Tommy, sag Marty er soll unsere Blockade aufheben. Wir nehmen euch mit hier raus«, rief Eric eindringlich, doch Tommy grinste nur.
»Er hätte es nicht wagen sollen, jetzt ist er wirklich sauer«, murmelte Tommy nur zurück.
»Aber Dirk hatte keine Wahl, lass uns los, damit wir wenigstens kämpfen können.«
Doch Tommy kicherte nur: »Du verstehst nicht, ihr werdet nicht kämpfen müssen. Wenigstens jetzt noch nicht.«
Der Abstand zwischen ihnen und den Vorrückenden blieb fast konstant bei fünf Metern. Diese erreichten nun eine Stelle, an der im Boden eine Rinne quer durch den Raum verlief. Doch in der Rinne glitzerte etwas Metallisches. Eric konzentrierte sich darauf und sah nun, wie eine der Maschinen rechts von ihm langsam in sich zusammensank.
Wie ein Bleiblock unter dem Einfluss von Julians Thermokinese schmolz die gesamte Maschine zusammen. Eric wusste jedoch, dass dies nicht sein konnte, würde da Stahl schmelzen, müsste die Hitze gewaltig sein.
Er kam nicht mehr dazu, sich darüber Gedanken zu machen. Die drei Angreifer hatten die Rinne achtlos überstiegen, als das Metall darin ein Eigenleben entwickelte. Sechs schmale Metallbahnen glitten scheinbar selbstständig auf die Füße der Angreifer zu und umschlossen diese blitzschnell.
Mit einem Ruck blieben diese stehen, und der Mittlere brüllte erst überrascht und dann wütend auf. Mit Entsetzen sahen die drei Freunde, wie immer mehr Metall an den Angreifern entlang nach oben glitt und sie mehr und mehr verhüllte, während diese verzweifelt versuchten, das Metall von sich abzuschütteln. Schließlich waren nur noch ihre Köpfe frei, der Rest glich einer surrealen, metallisch glänzenden, Skulptur. Jetzt erst trat Angel langsam aus dem Schatten einer der Maschinen.
»Janus, ich hatte dich gewarnt, Hände weg von meinem Team!«, die Stimme war eisig. Nie zuvor hatte Eric eine derart kalte Stimme gehört. Gleichzeitig kroch in unvermindertem Fluss weiteres Metall an den drei eingeschlossenen empor.
»Sie haben Goliath getötet! Sie müssen bestraft werden«, fauchte Janus, vor Zorn bebend zurück.
»Du hast zuerst angegriffen, du wolltest meine Gäste entführen«, noch immer klang Angels Stimme kalt, aber auch ein wenig gelangweilt. Dabei betrachtete er nachdenklich seine „Skulpturen“, bei denen inzwischen nur noch Augen, Ohren, Mund und Nase frei von Metall waren. Von den Eingeschlossenen hörte man wütendes fauchen, aber Schmerzen schienen sie nicht zu haben.
»Gäste! Dass ich nicht lache, dein Team nannte sie Gefangene!«, zischte Janus wütend. Er schien sich keinerlei Sorge um seine drei Leute zu machen.
»Dann wäre dieser Punkt also geklärt, sie sind also zumindest die Gefangenen meines Teams. Du hast kein Recht auf sie«, raunte Angel lakonisch.
»Zum Teufel mit ihnen!«, noch immer sah Janus wütend zu Angel.
»Nein, ich sagte doch, du bekommst sie nicht.«, spottete Angel und gab Tommy ein Zeichen mit der Hand.
Während Janus nun erneut zu toben begann, zogen Tommy, Gloria und Zack ihre gefangenen Gäste nach rechts, wo nun eine Nische sichtbar wurde. In der Nische stand ein Ring mit einem Innendurchmesser von drei Metern aufrecht im Boden. Als sie näher kamen, konnte Dirk erfassen, dass der Ring fast 50 Zentimeter breit und 10 Zentimeter dick war. Was Kim und Erik hingegen sofort auffiel, war das Material. Es war das gleiche schwarze, steinartige Material, aus dem die Telin-Anhänger und auch der Obelisk bestanden.
Als sie nur noch zwei Meter von dem Ring entfernt waren, leuchtete dieser kurz hellblau auf, dann schien Wasser den Innenraum auszufüllen – blaues, leuchtendes Wasser. Mit wenigen Schritten erreichten sie die spiegelnde „Wasserfläche“ und liefen einfach hindurch. Für einen Bruchteil einer Sekunde hatten sie das Gefühl, in ein Becken mit Eiswasser hineingefallen zu sein, dann waren sie auf der anderen Seite.
nicht mehr so tief unter Sektor 20, Donnerstag, 27.12.2035
»Okay«, begann Tommy, als er Eric losließ. Auch Gloria und Zack ließen von Dirk und Kim ab, während Marty scheinbar träumend in der Ecke stand. »Von hier aus könnt ihr ohne Probleme wieder nach „oben“ finden.«
»He, Moment mal, wie wäre es mit ein paar Erklärungen?«, protestierte Eric, als die vier sich umwandten, um zu gehen.
»Was willst du denn noch wissen?«, knurrte Tommy wenig erfreut.
»Na, ist doch klar! Was sollte das Ganze?«, knurrte Eric zurück. Dabei fiel ihm auf, dass Kim sich leise bei Zack bedankte.
Tommy, der das in dem Moment auch sah, schien ein wenig besänftigt. »Also gut, die Kurzfassung. Joe hat bemerkt, dass zwei von euch ihn beobachtet haben. Als er mit dem Scheißkerl hier unten ankam, befürchtete er, dass ihr „Edelmutanten“ ihm folgen würdet. Wir sollten nur verhindern, dass ihr in die Hände von Janus geratet.«
»Was ist das für ein Tor?«, fragte Kim und deutete auf den Ring.
»Das ist Fred! – Oder George?«, kicherte Zack.
»Das ist George, ganz sicher!«, kam es von Gloria.
»Wie jetzt? Wollt ihr sagen, dass das Mutanten sind?«, wollte nun auch Dirk wissen.
»Fred und George sind Zwillinge und das, was ihr da seht, ist eine ihrer Schattenformen«, gerade als Zack das sagte, floss das Tor zusammen und bildete nun eine Kugel. Ebenso schwarz wie zuvor das Tor, schwebte sie einen Meter über dem Boden.
»Schattenform?«, echote Kim und sah fasziniert zu der Kugel.
»Ja, nur noch ihre psionischen Schatten. Sie haben ihre Körper aufgegeben und treiben sich hier unten herum. Marty ist mit ihnen befreundet, so kann er sie ab und zu überreden, uns zu helfen«, erklärte Zack weiter. Es war offensichtlich, dass er sich sehr viel Mühe gab, Kims Fragen umfassend zu beantworten.
»Das mit dem Metall, das war Angel?«, fragte Eric zögernd.
»Hat er dir den Namen gesagt?«, fragte Tommy und etwas Lauerndes lag in seiner Stimme.
Doch Eric gingen im Moment einfach zu viele Dinge durch den Kopf, als dass er es bemerkt hätte. Als er nur stumm nickte, lachten Tommy und Zack auf, während Gloria schmollend den Mund verzog.
»Ha, wir haben es dir doch gesagt! Er ist anders in letzter Zeit. Es hat ihn wirklich erwischt«, triumphierte Tommy.
»Mann Tommy, was meinst du was los wäre, wenn ihm was geschehen wäre.«, dabei nickte Zack in Erics Richtung.
Der sah diesen nun nachdenklich an: »Du bist ein Indeprenther oder?« nachdem Eric wieder nur nickte, fuhr er fort: »Angel hatte dich nicht bemerkt, er hat nur von zwei gesprochen. Sonst wäre er sicherlich erst gar nicht weggegangen.«
»Aber was war das mit dem Metall?«, hakte Dirk nach, da er bemerkte, wie Eric mit sich kämpfte.
»Wir nennen es Metallokinese, keiner hat je zuvor von etwas ähnlichem gehört. Wenn er will, beginnt das Metall einfach zu fließen, ohne dass es dabei heiß wird. Ist wie Hydrokinese, nur eben für Metall.«
»Wird er die drei sterben lassen?«, Erics Stimme klang brüchig. Er hatte Angst vor der Antwort.
»Eher unwahrscheinlich, anders als Janus macht ihm das Töten keinen Spaß. Wenn er es für notwendig hält, dann hat er keine Probleme damit. Aber so langsam, wie er das bei denen gemacht hat, macht es nur Sinn, wenn sie es überleben und etwas daraus lernen sollen. Du machst dir wirklich Sorgen um die drei?«, Tommys Erstaunen war mehr als deutlich.
»Meine Oma hatte immer so einen Spruch drauf: „Quäle nie ein Tier nur so zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz.“ – Die drei sind keine Tiere, für mich sind es Menschen. Niemand hat ein Recht sie zu quälen oder zu töten, nur weil es ihm gefällt.«, Dirk war jetzt wirklich zornig.
»He, was glaubst du, was Goliath mit Kim gemacht hätte. Glaub mir, dem hätte es Spaß gemacht«, fuhr ihn Zack an.
»Wenn du in ihnen Menschen siehst, was sind dann wir?«, Tommy hatte sich wieder gefangen und sah die drei nacheinander an.
Dirk überlegte kurz: »Ihr seid natürlich, wie wir auch, zuerst einmal Menschen und dann natürlich, wie wir auch, Mutanten. Und …«
»Und dann natürlich auch Monster oder Morlocks, so nennen doch Edelmutanten wie ihr uns Negative Mutanten«, zischte Gloria dazwischen.
Kim ging auf Zack zu und zog ihn vorsichtig an sich: »Ehrlich, auch wenn die erste Begegnung etwas „ruppig“ war, ich mag dich. Ich hätte dich auch nie als Monster oder Morlock bezeichnet, selbst wenn wir keine Zeit zum Reden gehabt hätten.«
Jetzt war tatsächlich ein Schnurren zu hören und Zack hatte jeden Widerstand gegen die Umarmung aufgegeben. Selbst Tommy musste ein wenig lächeln.
Dann erklärte Dirk: »OK zugegeben – als ich Goliath zum ersten Mal sah, da dachte ich auch gleich „was für ein Monster“. Aber das größte Monster, das ich heute getroffen habe, sah überhaupt nicht so aus. Janus machte äußerlich einen positiven Eindruck, dabei ist er das Widerlichste, was mir je begegnet ist.«
Selbst Tommy konnte da nur zustimmend nicken.
»Was ist mit Angel, kommt er nach?«, fragte Eric beunruhigt.
»Nein, er muss noch einmal weg. Er ist da auf Informationen gestoßen, die für ihn äußerst wichtig sind. Er wird sich bei dir melden.«, versuchte Gloria ihn zu beruhigen, was ihr aber nicht sonderlich gut gelang.
»Ich denke, ihr solltet jetzt gehen, bevor eure Leute noch nervös werden«, sagte Tommy mit ungewohnt warmer Stimme. Dann sah er zu Zack und Kim, die noch immer dicht beieinander standen: »He Jungs, das ist nicht das Ende, ihr werdet euch sicherlich bald wieder sehen, aber jetzt müsst ihr wirklich zurück in die Oberwelt.«
Nachdenklich und ein wenig traurig nickte Eric, und sie verabschiedeten sich von den vier. Die ganze Zeit über hatte Marty kein Wort gesprochen und nur stumm einen unsichtbaren Punkt fixiert. Dirk, Eric und Kim fassten sich an den Händen und waren gleich darauf verschwunden.
»Für „Edelmutanten“ sind sie eigentlich ganz nett – oder was meint ihr?« kicherte Tommy und sah dabei seinen kleinen Bruder mitfühlend an. Dann nahm er Zack in den Arm und tröstete ihn: »He Kleiner, das war kein Spruch, du wirst ihn sicherlich bald sehen. So wie Angel auf diesen Eric reagiert, werden wir uns noch sehr oft mit ihnen treffen.«
7. - Bridge Over Troubled Water
When you're weary, feeling small, When tears are in your eyes, I will dry them all;
I'm on your side. When times get rough, And friends just can't be found,
Like a bridge over troubled water, I will lay me down.
When you're down and out, When you're on the street,
When evening falls so hard, I will comfort you.
I'll take your part. When darkness comes
And pain is all around, Like a bridge over troubled water
I will lay me down. Like a bridge over troubled water
I will lay me down.
aus „Bridge Over Troubled Water” von Simon and Garfunkel
@Mike
„Campus-Occursus“, Freitag, 28.12.2035
Lukas wirbelte mit einer schnellen Bewegung herum und entging dem Fangschlag von Eric. Zwar blitzten für ein paar Sekunden die Funken aus dessen Handschuh, aber das Timing war noch immer alles andere als perfekt.
Seit fast 6 Stunden trainierten wir nun. Wie es für Eric typisch war, hatte er den gestrigen „Vorfall“ gründlich analysiert. Das Ergebnis sah alles andere als gut für uns aus. Wir hatten uns bisher zu sehr auf die Larualisation verlassen. Dass dies ein Fehler war, hatten die drei gestern erfahren müssen. Dabei konnten wir glücklich sein, dass die Sache letztlich gut ausgegangen war.
Selbst nach intensiven Beratungen mit Olaf, Sammy, Thimo und Frank waren wir zu keinem vernünftigen Ergebnis gekommen. Wir verstanden einfach nicht, wie es Marty gelungen sein konnte, sowohl die Larualisation als auch Kims Teleportation zu blocken. Diese beiden Fähigkeiten schienen einfach zu verschieden zu sein, als dass ein Mutant sie beide gleichzeitig blocken konnte.
Olaf hatte inzwischen eine Testserie mit Teleportation und Larualisation gestartet, um nach Gemeinsamkeiten zu suchen. Doch bis jetzt verstand keiner so recht, wie das Ganze funktionierte. Da es somit noch „etwas“ dauern konnte, bis wir in dieser Hinsicht eine Lösung fanden, mussten wir uns eben anders behelfen. Die Lösung war demnach verschärftes Training in ForceFight, Elektrokinese, Telekinese und allem anderen, was uns helfen konnte, Angriffe zu blocken und Gegenschläge zu führen.
Wir befürchteten zwar nicht, dass wir gegen Tommy, Gloria und Zack kämpfen mussten, jedoch war Eric etwas besorgt, dass alle drei entweder Fallerethie oder sogar Indeprenthie beherrschten. Gloria hatte mit Dirk sehr freizügig darüber gesprochen, dass sie Indeprenthie und Occultation beherrschte. Sie war also nicht nur psionisch absolut tot, wie Eric, sondern auch noch weitgehend unsichtbar, so wie Louis und Danny.
Mit der Kombination, wie sie Gloria beherrschte, stellte sie wirklich eine Bedrohung dar. Psionisch nicht zu orten und optisch nahezu unsichtbar war sie für jeden Mutanten eine echte Bedrohung. Nur weil Dirk blind geboren war und sich die Teleortung erst mit 15 bei ihm manifestierte, war sein Gehör so gut entwickelt, dass er Glorias Schritte gerade noch hören konnte. Doch darauf konnten wir unser Gehör natürlich nicht trainieren.
»»Außerdem war es dann auch für ihn schon zu spät, und ich hätte sie bestimmt nicht gehört.««, wie gewöhnlich dachte Julian bei mir mit.
»»Ich bin doch dein PTA, da muss ich doch informiert sein. Außerdem ist dein Filter wieder einmal sehr mangelhaft. Schäm dich und korrigier's, Frank wäre sehr unzufrieden.««, Julian grinste frech, während er mich leicht in die Seite boxte.
Es war ja auch verdammt viel, auf das wir inzwischen achten mussten, aber zum Glück hatte ich ja meinen „Persönlichen telepathischen Assistenten“.
In dem vierstündigen Marathonkurs „Telepathische Firewall für Anfänger“ waren wir gestern von Frank in diesem telepathischen Bereich unterwiesen worden. So wussten wir nun, wie wir es steuern konnten, wer bei uns lauschen durfte und wer nicht. Das Ganze funktionierte, wie so vieles, über die persönliche Signatur, die bei jeder aktiven telepathischen Aktion mitübertragen wurde. Das Problem war nur, dass mich Julian immer mal wieder daran erinnern musste.
Da wir als „Neumutanten“, Frank vermied geradezu auffällig die Bezeichnung „Transmutant“ oder gar „Labor-Mutant“, es einfach nicht gewohnt waren, mussten wir auch in dieser Hinsicht viel üben.
»»Wer hat uns je „Labor-Mutant“ genannt?««, Julians Augen funkelten böse.
Lachend gestand ich: »»Eric! – Er hat es aber nur gestern im Zusammenhang mit den Dreien gedacht. Du weißt doch, sie haben sich selbst als Negative, Monster oder gar Morlocks bezeichnet, und Eric überlegte, wie man uns dann nennen würde. Es war also wirklich nicht böse gemeint.««
»»So, so, Eric nennt uns also heimlich „Labor-Mutanten“, dabei ist er doch selbst nur ein „Trittbrett-Mutant“ quasi per „Anhalter“ zum Mutant geworden.««, lästerte Lukas, aber so, dass auch Eric es hören konnte.
»»Dabei habt ihr mich noch nicht einmal gefragt, ob ich überhaupt „mitfahren“ wollte«, konterte Eric gelassen.
Frank war inzwischen richtig bleich geworden und schüttelte nur noch fassungslos den Kopf: »»Bei geborenen Mutanten wären jetzt aber wirklich die Fetzen geflogen. Ihr müsst immer daran denken, geborene Mutanten reagieren auf solche Äußerungen sehr heftig.«« Noch immer sah er ein wenig entsetzt zu Eric und Lukas: »»Labor-Mutant, Trittbrett-Mutant. Mann, ihr habt vielleicht Nerven.««
Doch von unserer Seite erntete er nur Gelächter.
»»Labor-Mutant, ist doch wirklich treffend, zwar nicht schön und weniger harmlos als „Transmutant“, aber treffend. So lange man es nicht sagt, um mich zu beleidigen ist es mir doch egal«, brummte Tom nur, ließ sich auf seine Hände fallen und kickte dem überraschten Eric die Füße weg.
»»Das kommt davon, wenn man nicht aufpasst.««, grinste er zufrieden und jaulte unter der Schockladung, die ihm Eric im gleichen Moment verpasst hatte.
»»Ihr seid einfach unmöglich, ihr müsst wirklich ein wenig aufpassen, was ihr da so sagt. Gerade wenn ihr euch mit den „Negativen“ einlassen wollt.««
Jetzt fuhr Eric, noch immer am Boden liegend herum: »»He Frank, was soll denn das Gequatsche von wegen „Negativen“? Gut sie sehen anders aus als „normale“ Menschen, aber zumindest Gloria, Tommy und Zack waren wirklich in Ordnung.««
Frank schien nun fast beleidigt und ein wenig ratlos, sodass Eric besänftigend erläuterte: »»Sieh mal, ich bin als „Normalo“ geboren und habe schon einiges gesehen.««, mit einem bitteren Lächeln fügte er hinzu, »»Und natürlich noch mehr vergessen. Doch ich fand die drei keineswegs so erschreckend oder „monströs“, dass ich sie als „Negative“ bezeichnen würde. Jemand mit schweren Verbrennungen sieht mit Sicherheit schlimmer aus. Und dem würde man das „Menschsein“ ja auch nicht absprechen oder ihn als „Negativ Menschen“ bezeichnen – oder?««
Jetzt war es Lukas, der sich neben ihn kniete, und ihm beruhigend die Hand auf die Schulter legte: »»He, mein Süßer. Du vergisst bei deinem tollen Aussehen, dass wir schwul sind. Da spielt das Aussehen eine ganz entscheidende Rolle. Die meisten Mutanten sind schwul und sehr empfindlich, also verstärkt sich das Ganze noch mehr. Warum sind wohl so viele der Jungs scharf darauf, mehr über Reiki zu erfahren? Wir sind nun mal ein verdammt eitler Haufen.««
Da hatte Lukas wohl Recht, mir war aufgefallen, wie gut der Reiki-Kurs von Takashi besucht war. Dabei hatten nur wenige von ihnen das Potenzial, weiter als bis zur ersten Stufe zu kommen. Und die ging eben nur bis zum Wohlbefinden, da war noch nichts mit Heilung und „Verschönerung“.
Doch Eric blickte Lukas ernst an: »»Ich weiß, was du meinst. Aber dennoch – das eigentliche Monster, auf das wir gestern gestoßen sind, entsprach durchaus dem schwulen „Schönheitsideal“. Janus sieht wirklich gut aus, ist aber einfach abartig und widerlich. Du hättest sein Gesicht sehen sollen, als dieser Goliath dabei war, Kim zu quälen. Er hat es genossen, er hat es wirklich genossen, dieses sadistische Schwein.««
Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter, jetzt hatten wir es wahrscheinlich bald auch noch mit diesem Janus zu tun. Ich war mir sicher, dass der nicht zusehen würde, wie wir immer stärker wurden. Dass Eric, Dirk und Kim nicht gerade sehr erfolgreich agiert hatten, würde ihn wahrscheinlich noch beflügeln. So jedenfalls lautete die Einschätzung von Eric.
Da fiel mir natürlich gleich wieder ein, dass wir Transmutanten auch im Punkt „Selbstkritik“ anscheinend weniger empfindlich waren als geborene Mutanten. Jedenfalls hatten Dirk und Kim anfangs wirklich Probleme damit gehabt zuzugeben, dass es „unten bei Janus“ nicht sonderlich gut gelaufen war. Während Eric schon von einer „Beinahekatastrophe“ gesprochen hatte.
Erst nach seiner Analyse, bei der er sich selbst auch nicht schonte, waren Dirk und Kim dann zu Eingeständnissen bereit. Nur weil wir alle Telepathen waren und sowohl Dirk als auch Kim bemerkten, dass wir ihnen keine Vorwürfe machten, waren sie letztendlich nicht beleidigt.
Entsprechend dieser Analyse wurde die Prioritäten beim Training nun etwas überarbeitet. Wir mussten einfach davon ausgehen, dass wir uns nicht mehr so umfassend auf die Larualisation verlassen konnten.
Erneut nahmen wir Aufstellung, als Louis plötzlich im Trainingsraum erschien. »»Mike, Julian ihr müsst sofort kommen, im Conventiculum passiert etwas Merkwürdiges.««
Noch bevor wir überhaupt fragen konnten, teleportierte er mit uns nach Camelot und wir standen vor der Tür des Conventiculum. Ohne etwas zu sagen, schob er uns nachdrücklich durch die offene Tür in den Raum. Das Conventiculum war erfüllt von PSI-Energie und ein sehr bekannter Duft lag in der Luft.
»Pheromone«, flüsterte Julian und grinste breit.
Dann sahen wir das Energieband, das den Obelisken mit zwei Körpern verband, die eng beieinander lagen.
»»Nicht beieinander, aufeinander. Die machen Sex! Die machen tatsächlich Sex im Conventiculum der Bruderschaft!««, belustigt, aber auch ein wenig überrascht sahen wir zu den beiden.
vier Stunden zuvor
„Camelot“, Freitag, 28.12.2035
Kim saß mit Nico im Trainingsraum und wiederholte die Übungen, die ihm Frank gezeigt hatte. Durch den „Untergrund-Einsatz“ hatte er das gestrige Training versäumt. Doch auch er gehörte zu den „Neu-Telepathen“ und musste deshalb noch an seiner „Firewall“ arbeiten. Was „geborene“ Telepathen wie Nico schon lange beherrschten, musste er sich nun mühsam aneignen.
Noch immer bestand bei ihm das Problem, dass, wenn er sich jemanden öffnete, fast jeder andere Telepath mitlauschen konnte. Telepathen wie Frank brachten es locker fertig, mit mehreren anderen Telepathen gleichzeitig zu kommunizieren und dabei sehr genau zu filtern, wer was hörte. Da sie immer öfter auf fremde Telepathen trafen, die Telepathie war schließlich die verbreitetste Fähigkeit unter den Mutanten, musste er nun eifrig trainieren.
Doch heute war es besonders schwer, zumal Nico alle Anstrengungen unternahm, ihn zu sondieren. Kim hatte den Fehler gemacht und Zack erwähnt, angesichts von Nicos extremer Neugierde war so etwas ein übles Eigentor. Nico zählte zu Kims besten Freunden, von Anfang an verstanden sie sich unheimlich gut, aber mehr hatte sich zwischen ihnen nie entwickelt. Schon bald nachdem Kim von Mike und Julian zum Telepathen gemacht wurde, hatten sie sich sehr intensiv ausgetauscht. Dabei war ihnen klar geworden, dass sie sich zwar mochten und gut verstanden, aber es fehlte das gewisse Etwas, das sie wirklich zusammengebracht hätte.
Im Moment machte Nico sich jedoch einen Spaß daraus, Kim ein wenig ins Schwitzen zu bringen. Er litt schon ein wenig darunter, dass Kim ein so guter Teleporter war. Dafür war Nico in der Telepathie wesentlich weiter als Kim, denn bei ihm war die Telepathie rund ein Jahr vor der Teleportation in Erscheinung getreten. Entsprechend lange und eingehend hatte er sich damit beschäftigt.
»»Komm, lass es mich wissen, wann hast du gemerkt, dass da mehr war als Sympathie?««, bettelte Nico, der selbst auch noch nie einen festen Partner gehabt hatte.
»»Nein, Nico, du hast mir auch nicht erzählt, wie es mit Mischa lief.«« Das hatte Kim schon ein wenig geärgert. Hauptsächlich, weil auch er Mischa ziemlich gut leiden konnte.
»»Och Mann, seit wann bist du so nachtragend?««, maulte Nico, obwohl er schon wieder ein paar Infos aus Kims Gedächtnis geklaut hatte.
Gerade wollte Kim protestieren, als sich Metin telepathisch bei ihm meldete. »»Äh, Kim? Komm doch mal rüber zu „Sandros Asyl“, da ist jemand, der mit dir sprechen will.««
Selbst als unterdurchschnittlicher Telepath erkannte Kim, dass Metin irritiert war. Wahrscheinlich wartete wieder ein neuer „Hoods-Anwärter“ auf ihn. So etwas erlebten sie in letzter Zeit, seit es mit den Hoods aufwärts ging, öfter.
Immer mehr Mutanten und auch Normalos wollten sich den Hoods anschließen. Diese Anwärter hatten aber meist keine so direkte Vorstellung was sie erwartete. Also wurden sie erst einmal herumgeführt und ein wenig darauf vorbereitet, auf was sie sich da einließen. Wenn es ihnen gefiel, konnten sie für ein oder zwei Wochen bleiben, bis sie sich entscheiden mussten.
Robin fand, dass es eine gute Idee sei, wenn so ein Anwärter von jemandem herumgeführt wurde, den dieser kannte. Deshalb wurde jeder Anwärter gefragt, ob er jemanden kennt, der schon bei den Hoods war. Meistens bezog sich das „Kennen“ jedoch darauf, dass man sich irgendwann einmal getroffen und vielleicht gesprochen hatte.
Wenn es so jemand gab, dann war es dessen Aufgabe, die Besichtigungstour durchzuführen. Kim mochte es nicht sonderlich, den „Fremdenführer“ zu spielen, aber es war inzwischen so üblich, und so entkam er wenigstens Nicos Neugier. Da der es ebenso wenig wie Kim mochte den „Fremdenführer“ zu spielen, sendete er Kim entsprechend spöttisch: »»Viel Spaß, und wenn er gut aussieht, dann vergiss nicht, ihn mir vorzustellen.««
Kim winkte nur kurz und sprang zum Asyl, das inzwischen im Nachbargebäude eingezogen war. Dort angekommen wurde er auch gleich von Metin zur Seite gezogen. Auch mit Metin kam Kim sehr gut zurecht, verdankte er ihm doch indirekt seine Freiheit. Nur weil „King Roy“ Metin entführt hatte, war es zum Kampf zwischen den „Iratus Lemurum“ und dem „King“ gekommen, bei dem der „King“ gestorben und Kim mit etlichen anderen Mutanten befreit worden war.
Kim sah sich um, konnte den „Anwärter“ jedoch nicht ausmachen. Etwas schüchtern lächelte Metin und deutete nach draußen. »Scheint ein etwas seltsamer Vogel zu sein, er wollte nicht hereinkommen und – na du wirst schon sehen«, lächelte Metin hintergründig und ging. Was soll's, dachte sich Kim, es gibt jede Menge Freaks unter den Mutanten. Drehte sich um und ging nach draußen in die Kälte um sich den „seltsamen Vogel“ anzusehen.
Kim sah sich um und entdeckte eine einsame Gestalt in der Nähe des Blockversorgers im Schnee stehen. Während er auf den Unbekannten zuging, studierte er ihn eingehend. Ungefähr 1 Meter 80 groß, breite Schultern. Der Typ hatte nur ein, für diese Jahreszeit doch etwas sehr kühles, schwarzes Kapuzenshirt an. Die Kapuze war jetzt tief in das Gesicht gezogen. Dazu trug er eine schwarze Lederhose und – jetzt verstand er Metins Bemerkung – keine Schuhe.
Barfuß stand der Typ im Schnee und schien ihn ebenso genau zu beobachten. Kim runzelte die Stirn, etwas an der Gestalt kam ihm vertraut vor. Doch er schien sich verändert zu haben. Denn obwohl Kim ein relativ gutes Personengedächtnis hatte, konnte er ihn nirgends einordnen.
Endlich war er bei dem Typen angekommen und bei Kim fiel der Groschen: »He was ist mit deinem Schwanz passiert?«, rief Kim zur Begrüßung.
Zack griff sich, scheinbar überrascht, in den Schritt: »Wieso? Ist doch noch alles da!« Kichernd murmelte er dann noch: »Aber ehrlich Kim, ich hätte nie gedacht, dass du so direkt bist.«
Spontan umarmten sich die beiden und Kim gab Zack sogar einen Kuss auf die Wange. »He, jetzt mal ehrlich, wie und wieso hast du dich so verkleidet?«
Zack wurde mit einem Mal etwas unsicher und druckste herum: »Ich war noch nicht oft bei Tag hier oben, meistens kommen wir nur bei Nacht. Aber du hast sicherlich bemerkt, selbst wenn ich als Mensch durch die Gegend laufe, starren mich alle so seltsam an.«, Zacks Stimme klang unheimlich traurig.
Kim griff ihm unter das Kinn und sah ihm in die Augen: »Zack? Sei nicht böse OK?«
Unsicher nickte Zack mit dem Kopf und seine Schultern rutschten nach unten. Dann flüsterte Kim weiter: »Schau mal auf meine Füße und dann auf deine.«
Zack runzelte die Stirn, tat aber, was Kim sagte. Ratlos sah er Kim dann wieder an und dieser stöhnte halb verzweifelt halb belustigt: »He Zack, wenn du dich als „Normalo“ verkleidest, dann musst du dir auch Schuhe anziehen. Ehrlich, kein „Normalo“ läuft barfuß im Schnee. Wie hältst du das bloß aus?«
»Soll das der Grund sein, warum alle mich anstarren?« Die Zweifel waren nicht zu überhören.
»Zack, im Winter barfuß herumzulaufen ist wie im weißen Frack auf einem Mutantentreffen zu erscheinen. Ehrlich, als ich dich sah dachte ich nur: „Mann was ist das für ein Freak!“«, dabei umarmte Kim ihn gleich noch einmal, damit er das jetzt nicht falsch verstand.
»Du bist wirklich unheimlich nett, ich wollte dich einfach wieder sehen und Tommy hat mir dann von der Asyl-Sache hier erzählt.«, noch immer klang Zack ein wenig schüchtern.
»Deine Leute wissen also, dass du hier bist?«, fragte Kim und legte Zack den Arm auf die Schulter.
»Ja klar, Tommy würde echt stinkig werden, wenn ich einfach so verschwunden wäre. Er und Angel wissen Bescheid!«
Kim fasste ihn bei der Schulter und zog ihn mit: »Komm gehen wir rein, oder würdest du auch mit mir dort reingehen?«, dabei zeigte Kim auf das rote Gebäude von Camelot.
»Wenn ich wieder gehen darf wann ich will, warum nicht.«, dabei sah Zack tief in Kims Augen als wolle er da die Wahrheit finden. Kim bemerkte nun zum ersten Mal bewusst, das Zack wirklich grüne Katzenaugen hatte.
»Ich verspreche es dir! Vertraust du mir?«
»Sonst wäre ich nicht gekommen, oder?«
Kim nickte und fasste nach Zacks Hand, in der gleichen Sekunde standen sie schon im Meditationsraum.
Wie immer war der Raum ruhig, bis auf die leise Hintergrundmusik und das Plätschern des Wassers. Überrascht sah sich Zack um, damit hatte er nicht gerechnet. Seine Füße tasteten über den warmen, weichen, moosgrünen Bodenbelag. Kim wiederum beobachte das Verhalten von Zack, ihn faszinierte die Art wie er sich die Umgebung erschloss.
»Es ist schön hier, und sehr warm«, flüsterte Zack, nur um die Ruhe nicht zu stören.
Da Kim zuvor trainiert hatte, trug er noch immer seine Trainingsbekleidung, und die passte sich automatisch der Umgebung an. Doch Zack war nicht so „luxuriös“ ausgestattet, ihm war es entschieden zu warm.
»Du kannst die warmen Sachen ruhig ausziehen, um diese Zeit kommt kaum jemand her.«
»Oh, das ist gut«, murmelt Zack und grinste breit.
Als Zack jedoch das Kapuzenshirt auszog, rief Kim erstaunt: »Was hast du mit deinen Ohren gemacht?«
Überrascht sah ihn Zack an: »Gefällt es dir nicht?«
Verlegen kam Kim näher, jetzt sahen die Ohren völlig normal aus: »Ich verstehe nicht? Hast du das meinetwegen gemacht? – Und wie?«
Als Zack die Besorgnis in Kims Stimme realisierte, verstand er erst, und musste lachen: »He, ich bin Biometabolist, ich dachte dir würde es gefallen, wenn ich mehr wie ein Mensch aussehe.«
Wieder umarmte ihn Kim und presste sich fest an Zack: »Ich möchte nicht, dass du dich wegen mir verkleidest und veränderst. Ich mag dich so wie du bist – oder war das gestern auch nicht deine wahre Gestalt?«
Verwundert sah ihn Zack in die Augen: »Du willst das Tier sehen?«, dabei klang seine Stimme ein wenig spöttisch.
Als Kim nicht gleich antwortete, sondern verlegen zu Boden sah, nahm er Kims Kopf in seine Hände und zwang ihn sachte ihm in die Augen zu sehen: »Das gestern, das war ich, wie ich wirklich bin. Wenn ich bewusstlos bin, morphe ich immer wieder in diese Gestalt zurück. Willst du mich wirklich lieber so sehen?«
»Bei mir musst du dich nicht verleugnen, ich mag dich wirklich, so wie du bist. Und du bist kein Tier!«
Gerührt sah Zack ihm in die Augen und zog nun auch noch sein T-Shirt aus. Kim wusste nicht so recht, was er mit dieser Situation anfangen sollte, Zack sah einfach unheimlich geil aus. Der muskulöse, haarlose, Oberkörper, sein Waschbrettbauch, er sah einfach klasse aus, und machte Kim unwahrscheinlich an.
Mit einer lasziven Bewegung drehte Zack sich herum und wackelte ein wenig mit seinem Hintern. Dann wuchs langsam Zacks Schweif aus einem Schlitz, den er extra in die Hose gemacht hatte. Zack ließ sein Becken weiterhin lasziv kreisen, während sich der Schwanz wie eine Schlange langsam dem Boden entgegen schlängelte. Besonders faszinierte Kim die schmale Haarspur, die sich vom Nacken über die gesamte Länge der Wirbelsäule entlang zog und in den Schweif überging, was er jedoch noch nicht sehen konnte.
Als Zack sich nun wieder umdrehte, sah er, dass auch bei Kim etwas gewachsen war. Im perfekten Catwalk kam er auf Kim zu und genoss es einfach, wie Kim ihn fast mit Blicken verschlang. Jetzt war er absolut sicher, dass Kim sich an seinem Aussehen nicht störte. Die Ohren hatte er inzwischen auch wieder in ihre „normale“, also spitze Form gebracht, wobei sie relativ unauffällig aus seinen schwarzen Haaren ragten.
Sich anmutig zu der sanften Musik bewegend, griff er nach Kims Händen und zog ihn mit. Obwohl Zack nie tanzen gelernt hatte, bewegte er sich so natürlich zur Musik, dass Kim aus dem Staunen nicht mehr herauskam. Zack genoss es zu sehen, wie Kim auf ihn reagierte, er selbst wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass der ihn auch körperlich anziehend finden könnte.
Er hatte eigentlich nur gehofft, dass Kim ihn noch immer mögen würde, nachdem dieser nun einen Tag Zeit gehabt hatte, ihr erstes Zusammentreffen zu verarbeiten. Immerhin waren sie nicht gerade sanft mit ihm und seinen Freunden umgegangen. Dass sich Kim bei ihm dafür bedankte, dass er ihn nach Goliaths Tod zurückgeholt hatte, bedeutete Zack sehr viel. Doch er war sich nicht sicher gewesen, ob Kim heute noch genauso darüber dachte.
Jetzt aber spürte er, dass Kim ihn mehr als nur mochte; dass er sich für ihn ausziehen sollte, fand Zack schon ziemlich erregend. So ließ er Kims Hände wieder los und tänzelte ein wenig von ihm weg.
Wieder drehte sich Zack um und ehe Kim begriff, was er da tat, hatte Zack auch seine Hose ausgezogen. Strahlend drehte er sich um und sah – Kims total verblüfftes Gesicht.
Erschrocken wich Zack zurück, sein Schweif ertastete die am Boden liegende Hose und schon hielt er sie sich schützend vor den Körper. Er verstand nicht, weshalb Kim ihn nur so erschrocken ansah. Verlegen versuchte er zu erklären: »Ich dachte, ich … Du wolltest nicht, dass ich mich ausziehe?«
Kim begriff, dass sie offensichtlich etwas aneinander vorbei geredet hatten. Schnell fasste er sich und ging auf Zack zu. Behutsam streichelte er ihm den Oberarm und flüsterte: »Sorry Zack, ich glaube wir haben da ein kleines Kommunikationsproblem.«
»Aber du hast doch gesagt ich solle mich ausziehen und dass ich dir gefalle und …«
Kim lächelte jetzt noch mehr und gab Zack einfach einen Kuss, was den aber nur noch mehr verwirrte. Er verstand nur, dass Kim ihm nicht böse war.
Mit einem Lächeln nahm Kim die Hose aus Zacks Hand und betrachtete ihn nun in seiner ganzen Pracht. Nicht nur Zacks Greifschwanz war beeindruckend. Da Zack noch immer nicht so recht verstand, legte Kim ihm die Hand in den Nacken und versuchte Zack telepathisch klar zu machen, was er empfand.
Dabei rannte Kim offene Türen ein. Denn als Zack bemerkte, was Kim wollte, ließ er seine Fallerethie-Sperre sinken und Kim realisierte nun, dass auch Zack Telepath war.
»»Warum hast du nicht gesagt, dass du Telepath bist.««, sendete Kim und übertrug auch gleich die Gefühle, die er für Zack empfand.
Dieser zog Kim nun fest zu sich und fing tatsächlich an zu schnurren: »»Ich wollte nicht, dass du glaubst, dass ich dich belauschen will.««, auch bei Zack schwangen die Gefühle, die er empfand, in seiner Antwort mit.
»»Wie kommst du denn auf diese Idee, ich spüre doch, was du empfindest.««
»»Ich dachte, … nun, weil Tommy und Angel meinten, ich solle zu dir gehen!««
Kim zog Zack noch näher zu sich, streichelte seinen Rücken und spürte dessen Erregung: »»Was hat das mit uns zu tun? Wir sind beide Telepathen, du weißt wir können uns so nicht belügen. Was spielt es da für eine Rolle, warum sie dich geschickt haben. Wenn wir so viel für einander empfinden …««
»»Ich wusste es aber nicht! Ich war mir nicht sicher, ob du wirklich mehr für mich fühlst, ich …««, vorsichtig öffnete sich Zack nun völlig.
Innerhalb weniger Augenblicke tauschten sie mehr über ihre Gefühle und Empfindungen aus, als wenn sie tagelang geredet hätten. Kim spürte die Erregung, die ihn immer stärker erfasste, je länger er Zack so im Arm hielt. Und auch Zack spürte die Erregung in sich aufsteigen. Er empfand mehr für Kim, viel mehr als er je für einen Anderen empfunden hatte.
Wieder küssten sie sich und diesmal stieß Kims Zunge auch in bis dahin unerforschte Tiefen. Für ihn waren Zacks scharfe Eckzähne eine völlig neue Erfahrung. Zack machte sich nun auch an Kims T-Shirt zu schaffen, er wollte dessen Haut fühlen und spüren doch dann – hielt er unvermittelt inne.
»»Da kommt jemand die Treppe herauf, zwei Personen, ein Männchen und ein Weibchen.««, sendete Zack, wobei er mit seiner Nase schnüffelte und sich seine Ohren leicht drehten.
Kim sondierte sofort und erfasste Jan und Tina, beide waren Normalos, und sie suchten wohl auch einen ruhigen Ort. Sie trugen wie inzwischen alle Nichttelepathen der Hoods einen Blockadechip, sodass er sie nur anhand ihrer Signatur erkennen konnte.
Hektisch sahen sie sich um, doch in diesem Raum gab es keine Verstecke und so wollte er „seinen“ Zack auch nicht bloßstellen. Gemeinsam rafften beide die Kleidung von Zack zusammen und Kim teleportierte sie einfach eine Etage tiefer.
Erst als er den dunklen Raum und das matte rote Licht realisierte, welches von der Decke strahlte, begriff Kim, wo sie sich befanden. Seine Gedanken überschlugen sich. Gestern war er hier mit Eric „zusammengekommen“ – aber nun? Das konnte doch eigentlich gar nicht sein! Niemand konnte das Conventiculum betreten, wenn kein Telin-Träger dabei war, das galt auch für Teleporter, wenigstens bisher.
Da Zack nichts davon wusste, sah er sich nur neugierig in dem unbekannten Raum um. Die Dunkelheit kam ihm entgegen, sie war ihm vertrauter als das helle Licht im Meditationsraum. Dann bemerkte er Kims Verwirrung und dieser klärte ihn über den Raum auf.
»»Trotzdem, ich mag diesen Raum, er hat eine tolle Ausstrahlung.««, längst hatte Zack die Kleidung zu Boden fallen lassen und schloss Kim nun wieder in die Arme: »»He, sei doch froh, dass wir keine Panikattacke bekommen.««
Kim wendete sich ihm wieder zu und küsste ihn tief und ausdauern. Er konnte sich der Faszination, die Zack auf ihn hatte, einfach nicht entziehen. Zack erging es genauso und so flüsterte er: »Jetzt will ich dich aber auch sehen, oder soll ich mich wieder anziehen?«
Grinsend zog Kim ihn zu einem Stapel mit Sitzkissen, der in einer der Nischen lag. Unterwegs verlor er T-Shirt und Schuhe, der Hose folgte nur wenig später der Rest seiner Kleidung.
Eng umschlungen lagen sie auf den Sitzkissen. Körperlich tauschten sie Küsse aus und telepathisch die Gefühle, die sie für einander empfanden. Nebenbei erfuhr Kim, weshalb Zack von Tommy hergeschickt worden war. Zack vertraute Kim mehr als jedem anderen, den er bisher kennen gelernt hatte.
Während sie sich weiter telepathisch austauschten, spürte und fühlte Kim, wie erregt Zack war. Vorsichtig tastend sondierte dieser nun noch intensiver, um auch für das weitere Gewissheit zu erhalten: »»Willst du es wirklich?««, kaum gefragt, wusste Zack auch sogleich die Antwort. Wenig später wurde ihre Vereinigung noch inniger, und Kim konnte sich nicht erinnern, dass es je so schön gewesen war. Wie im Rausch drang nun auch er, allerdings telepathisch, in Zack und spürte, was dieser spürte. Er ließ sich in der Flut von Zacks Emotionen treiben und genoss nur noch dessen Liebe.
Dann wurden Kims Empfindungen noch intensiver, er fühlte wie ein heißer Strom ihn durchflutete, anders als alles, was er je gespürt hatte. Durch seine Verbindung mit Zack wusste er, dass es diesem genauso erging. Wie in einem Rausch ließen sie sich treiben und genossen einen Höhepunkt nach dem anderen. Längst war Zack in ihm gekommen und dennoch wuchs das Gefühl des Glücks unaufhörlich in ihnen an.
Ein kaleidoskopischer Sturm aus Lichtern, Tönen und Gefühlen tobte um sie herum. Kims einziger, fester Bezugspunkt war Zack, genau wie dieser nur noch Kim wirklich wahrzunehmen schien.
Plötzlich spürten sie aber noch jemanden. Da war jemand, der nach ihnen rief. Es war eine schöne, angenehme Stimme. Beruhigende Worte wie sanfte Musik, lockend und verheißungsvoll. Sie ließen sich auf diese Stimme ein, wollten ihr folgen, sich von ihr geleiten lassen, durch diese herrliche Unendlichkeit. Langsam lösten sie ihre Verbindung und mit einem Ruck erwachten Kim und Zack gleichzeitig.
Zack lag noch immer auf Kim und zwischen ihnen klebte es ziemlich. Gerade als Kim etwas sagen wollte sprang Zack auf und stellte sich schützend vor ihn, da er noch immer etwas benommen auf dem Rücken lag. Dann bemerkte auch Kim, dass sie nicht mehr alleine waren. Julian und Mike standen nur wenige Meter von „ihrer“ Nische entfernt. Mike schien besorgt, während sich Julian ein Lachen nur schwer verkneifen konnte.
»Hübscher Schwanz! Und dann auch noch so lang, Mike du wirst doch nicht wieder …?«, griente Julian und stützte sich auf Mike, der nun auch schmunzeln musste. Immer mal wieder erinnerte ihn Julian, welche Probleme Mike mit seiner „Größe“ gehabt hatte.
Blitzschnell versuchte Zack nun seine Blöße mit den Händen zu verbergen, was die Beiden aber erst recht auflachen ließ.
»Den meinte ich eigentlich nicht!«, brachte Julian mühsam hervor.
Leicht ärgerlich, trommelte Zacks Schweif auf dem Boden und ein zaghaftes Knurren war zu hören, was nun auch Kim kichern ließ.
»Aber der war doch auch … – AU!«, grob wurde Mike von Julian unterbrochen.
»Ich denke ihr zieht euch jetzt erstmal an«, murmelte Julian, der nun wieder eine ernste Mine aufsetzte. Mit einer umfassenden Handbewegung, beförderte Mike telekinetisch die verstreute Kleidung auf einen Haufen vor den beiden Jungs. Dann drehte sie sich um und warteten in eine der Nischen, nahe beim Ausgang.
Kim und Zack war klar, dass da gerade mehr als Sex zwischen ihnen gewesen war. Etwas sehr Seltsames schien geschehen zu sein. Gerade, als sie soweit angekleidet waren, bückte sich Zack und hob etwas vom Boden „ihrer“ Nische auf.
Neugierig kam Kim näher. Zack hielt zwei dunkelgraue, sechseckige Anhänger in der Hand.
@Mike
Conventiculum in Camelot, Freitag, 28.12.2035
Wie zwei ertappte Sünder, die sie ja auch waren, kamen die beiden auf uns zu. Julian ließ wieder vier Sitzkissen telekinetisch heranrutschen und wir setzten uns nahe bei dem Obelisken hin. Nachdenklich betrachtete ich Zack – den Namen hatten wir während unserer „Rettungsmission“ erfahren.
Als wir vor einer halben Stunde so überraschend von Louis hier her befördert wurden, waren die beiden schon mehr als zwei Stunden am Interagieren gewesen. Interagieren deswegen, weil uns nicht so ganz klar war, wer da mit wem, wie und vor allem was getan hatte.
Klar und offensichtlich war, dass die beiden hier Sex gehabt hatten, aber das war längst nicht alles. »»Stimmt, Zack war offensichtlich der „Kater“.««, spöttelte Julian schon wieder.
»»Ich meinte das mit dem Obelisken!««, versuchte ich vorwurfsvoll Julians gute Stimmung zu dämpfen. Aus einem uns unbekannten Grund hatte der Obelisk auf die beiden reagiert.
»»Sie hätten eigentlich nicht hier sein können, ohne einen Telin-Träger.««, gab Julian nun ernsthaft zu bedenken.
Da Julian für die beiden offen dachte, meldete sich Kim nun zögernd. »»Ich war gestern schon einmal mit Eric hier.««
So rot wie er jetzt wurde, hatten sie bestimmt nicht die Aussicht genossen, zumal der Raum fensterlos war. Besorgt sah ich zu Zack, doch der schien davon gewusst zu haben, jedenfalls hielt er weiterhin Kims Hand.
Behutsam sondierte ich Kim und bemerkte nun auch, dass sich dessen Signatur verändert hatte. Ich musste mich wirklich zwingen, die erotische Komponente seiner Erinnerung auszublenden. Langsam stieß ich auf die Informationen, die wir insgeheim vermutet hatten. Kim und Zack waren telepathisch verbunden, als sie dem Höhepunkt zustrebten. Die Energie, die sie dann spürten, musste aber schon vom Obelisken gekommen sein.
»»Das erinnert mich ein wenig daran, wie du von Lukas den „Ghost“ bekommen hast.««
»»Nicht nur ein wenig!««, grinste ich Julian an und hatte langsam das dringende Bedürfnis mit ihm alleine zu sein.
»»Lustmolch! Was ist mit Kim geschehen?««
»»Was ist mit beiden geschehen? Die Veränderung bei Kim kann ich nicht so recht einordnen, aber bei Zack steckt eindeutig Teleportation in der Signatur.««
»Zack? Du warst bisher kein Teleporter oder?«, Julians Frage klang völlig neutral.
Doch Zack hatte Instinkte entwickelt, die ihn jetzt warnten. Es war zu sehen, wie sich seine ganze Haltung änderte. Doch ein leichter Händedruck von Kim ließ ihn wieder entspannen.
»»Fast wie wir – oder?««, wisperte Julian und lehnte sich an mich.
Zack sah uns offen an, seine Ohren vibrierten leicht und wir konnten hören, wie sein Schweif nervös auf den Boden pochte: »Ich bin kein Teleporter, es tut mir leid, wenn Kim wegen mir etwas Falsches getan hat. Ich …«
Eine sanfte Handbewegung von Julian ließ ihn verstummen: »»Kim, zeig ihm, wie man teleportiert.««, gleichzeitig mit der Aufforderung ließ Julian die beiden wissen, was wir bemerkt hatten. Synchron schien bei beiden die Kiefermuskulatur ausgefallen zu sein, mit offenem Mund sahen sie uns an. Dabei entblößte Zack auch seine, wirklich spitzen, Eckzähne. – Wow was für ein Gebiss!
Gleich darauf spürten wir Kims Informationsfluss, mit dem er Zack alles Nötige über Teleportation beibrachte. Es dauerte dann nur noch wenige Minuten bis Zack seine erste Teleportation von 2 Metern geschafft hatte. Sichtlich ausgelaugt, aber mit strahlenden Augen kam er zu uns zurück.
Wir brauchten dann noch einmal eine halbe Stunde, bis wir den beiden annähernd erklärt hatten, wie der Obelisk normalerweise mit „uns“ funktionierte. Dass die beiden den Prozess ohne uns „angestoßen“ hatten und sie beinahe nicht mehr zurück in die Wirklichkeit gefunden hätten, war ihnen inzwischen auch klar geworden.
Als wir den Raum betraten, war der Prozess schon sehr weit fortgeschritten. Bis wir uns dann auf sie eingespielt hatten, waren ihre Körper schon halb transparent geworden. Ich war mir nicht sicher, ob es ihnen dann auch gelungen wäre, wieder zurückzukommen.
Julian und mir war etwas vergleichbares während des letzten Experiments im Labor-23 geschehen. Doch wir waren dort nicht so euphorisch gewesen wie die beiden heute. Wir wollten damals zurück, doch Kim und Zack mussten wir „überreden“ und regelrecht locken.
Als wir so zusammen waren, öffnete sich Zack uns immer mehr. Dass er ein Biomet war, hatten wir inzwischen auch erfahren, die Telepathie war auch nichts Neues. Von seiner Fallerethie hatte uns Dirk schon berichtet, er hatte Zack zwar orten, aber nicht wirklich erfassen können.
Doch eine Fähigkeit war für uns dann doch neu, obwohl Julian und ich Ähnliches beherrschten. Zack berichtete uns, dass diese Fähigkeit von Angel „Raptime“ genannt wird, abgeleitet vom lateinischen „raptim“, also eilen. Zack und Tommy konnten sich mit zwei bis dreifacher Geschwindigkeit bewegen. Waren sie doch normal schon sehr schnell, so konnten man ihren Bewegungen dann fast nicht mehr folgen.
Bei der Gelegenheit erfuhren wir, dass Tommy und Zack Brüder waren und ihre Mutter bei Zacks Geburt gestorben war. Sowohl ihre Mutter als auch ihr Vater, der bei einem Angriff von Morlocks umkam, waren Mutanten.
Anscheinend war die Raptime-Fähigkeit wesentlich energiegünstiger als unsere Movation, bei der wir die Umgebung verlangsamten. Denn noch immer benutzten Julian und ich diese Fähigkeit höchst selten. Nach wenigen Minuten waren wir psionisch am Ende, unsere Kapazität war also total erschöpft. Man könnte auch sagen, unser Energievorrat war völlig aufgezehrt, um bei Sammys Gedankenmodell zu bleiben. Wir brauchten danach jedenfalls fast einen Tag, um uns wieder vollständig zu regenerieren und das konnten wir uns zurzeit wirklich nicht leisten.
»»Ist doch eigentlich logisch, beides verändert anscheinend die Zeit, doch mit Raptime beschleunigst du nur dich selbst, während du mit Movation deine Umgebung ausbremst und dich selbst davon ausnimmst. Das muss einfach aufwändiger sein.««, analysierte Julian messerscharf.
»»Und jetzt ist er auch noch Teleporter.««, vernahm ich Lukas, der mit Tom gerade den Raum betrat.
»»He, Lukas! Jetzt bekommst du aber wirklich Konkurrenz, wenn es um die beste Katze geht.««, grinste Julian.
»»Wenn schon, dann Kater, das ist ein wichtiger Unterschied!««, dozierte Tom völlig trocken.
Zack war aufgestanden, noch ehe Lukas den Raum richtig betreten hatte. Beide sahen sich abschätzend an und schienen sich regelrecht zu beschnuppern.
»He, wir brauchen hier keine Katerkämpfe«, rief Julian besorgt, doch die beiden standen sich nun dicht gegenüber. Zacks Schweif zitterte leicht, während er Lukas anstarrte. Dabei tasteten sich beide auch telepatisch ab und eine leichte Spannung schien in der Luft zu liegen. Plötzlich breitete Lukas aber die Arme aus und beide umarmten sich, als würden sie sich schon lange kennen.
Kim und Tom sahen nur erstaunt zu, während Julian und ich nicht so recht verstanden, was da abging.
»»Wow, du hast wirklich eine tolle Ausstrahlung.««, freute sich Lukas, streichelte Zack noch einmal über den Rücken und setzte sich neben Tom.
Auch Zack kehrte wieder zu seinem Kim zurück, aber er schien jetzt wesentlich ruhiger und entspannter zu sein.
»»Wie geht es jetzt weiter? Frank möchte das alles „gerne“ in der Tafelrunde besprechen.««, Tom schien es nicht sonderlich zu gefallen.
»»Warum nicht? Es ist nun mal geschehen und es liegt an Kim und Zack, wie es weiter geht. Mir wäre es natürlich sehr recht, wenn Zack sich entschließen könnte bei uns zu bleiben. Aber das ist sicherlich auch etwas, was er mit „seinen Leuten“ besprechen will.««
Nachdenklich den sechseckigen Anhänger in der Hand haltend, sah Julian nun direkt in Zacks Augen: »»Weiß dein Bruder eigentlich, dass du bei uns bist, ich meine, dass du Kim besuchen wolltest.««
»»Er hat mich mehr oder weniger geschickt.««, jetzt lag sogar ein wenig Furcht in seinen Augen.
Lukas lächelte nur und fragte dann: »Um Kim zu besuchen oder um hier zu bleiben.«
Für Lukas schien es keine andere Möglichkeit zu geben, Frank wären da sicherlich noch einige andere Alternativen eingefallen. Er befürchtete, zugegeben nicht zu unrecht, dass einige nur kamen, um Informationen zu sammeln. Manchmal fiel in dem Zusammenhang auch das hässliche Wort „Spionage“.
Zack sah uns an und nachdem er keine Ablehnung spüren konnte, erklärte er: »Angel will, dass Tommy, Gloria und ich uns absetzen. Janus will Krieg mit den „Normalos“, weil er sich zum Führer der Mutanten machen will.
Angel glaubt, dass er den Krieg bekommt, jedoch nur wieder in Form eines Angriffes der Freien Mutanten. Deshalb sollen wir uns absetzen, denn für Janus werden wir nicht kämpfen und die Freien Mutanten sehen in uns ja auch nur „Negative“. Er und Tommy meinen, dass ich versuchen sollte, bei euch unterzukommen.«
Betroffen sahen wir ihn an, bisher hatte Thimo nichts davon gesagt, dass die Freien eine neue Aktion vorbereiteten.
»Was ist mit deinem Bruder und Gloria und diesem Jungen, diesem Marty?«, wollte ich nun wissen. Für mich stand fest, dass Zack bleiben konnte, wenn er es wollte.
»Gloria und Tommy können sich auch als Freelancer durchschlagen, aber sie werden wahrscheinlich bei Angel bleiben«, kam es zögernd von ihm, es war klar, dass er sich eine andere Lösung wünschte.
»Warum kommt Angel nicht, um mit uns zu sprechen? Wir würden doch sicherlich eine Lösung finden.«, Julian klang beunruhigt, nicht nur, weil er wusste, wie viel Eindruck Angel auf Eric gemacht hatte.
»Ich weiß es nicht so genau, Angel glaubt nicht, dass es da eine Lösung gibt. Er wollte nur, dass ich auf jeden Fall in Sicherheit bin, da Janus mich absolut nicht leiden kann.«, fragend sah er uns an.
Beruhigend lächelte ich ihn an: »Frank will eine „Tafelrunde“, das ist unsere Version des Großen Rats, und wir sollten dem nicht weiter vorgreifen. Aber auch er wird dich sicherlich nicht wegschicken. Ich denke, wir sollten jetzt einfach mal abwarten wie die anderen darüber denken.«, dann reichte ich Zack seinen Anhänger.
Wie auch immer, der Obelisk hatte ihn damit quasi zum Mitglied der „Iratus Lemurum“ gemacht. Auch wenn sein und Kims Anhänger anders aussah.
»»Vielleicht sind sie nur „Anwärter“?««, vermutete Julian schmunzelnd.
»»Oder „in Ausbildung“««, scherzte Lukas.
»»Es gab doch Meister und Schüler in der Bruderschaft! Vielleicht kann uns Pascal sagen ob Schüler diese Art von Anhänger trugen.««, fasste Tom zusammen.
8. - Don't Look Back In Anger
@Mike
Camelot, Freitag, 28.12.2035
Als wir in den Versammlungsraum kamen, herrschte eine seltsam gespannte Atmosphäre. Frank und Thimo standen dicht zusammen und tauschten sich telepathisch aus. Auch wenn wir nicht verstanden, um was es konkret ging, so spürte ich doch, dass Frank die Anwesenheit von Zack missfiel.
Sammy, Sandro und Olaf hätten sich am liebsten auf ihn gestürzt, um ihn zu untersuchen und zu befragen. Wie üblich sahen sie in Zack einfach einen weiteren Mutanten, das Aussehen spielte bei ihnen keine Rolle. Außer für Sandro, der sich, aus medizinischer Sicht, sehr für Zacks Schweif interessierte.
Robin und Nico unterhielten sich leise mit Eric, Louis, Dirk, Marc und Takashi, der heute zum ersten Mal dabei war. Er war mit Abstand das älteste Mitglied der Runde, doch inzwischen legten wir alle großen Wert auf seine Meinung. Aufgrund seiner Lebenserfahrung betrachtete er unsere Probleme mit erstaunlicher Gelassenheit. Es war auch sonst kaum vorstellbar, dass ihn je etwas aus der Ruhe bringen könnte.
Kaum hatten wir den Raum betreten, da sah Frank fragend in Richtung von Zack und Kim. Wir spürten richtiggehend, wie die beiden zusammenzuckten und es sah fast so aus, als wolle Zack den Raum verlassen. Doch Lukas legte ihm nachdrücklich die Hand auf die Schulter.
Etwas verwundert über Franks Verhalten rief Julian laut über die Köpfe hinweg: »Ich nehme doch an, dass keiner der Anwesenden etwas dagegen hat. Die Personen, über die wir hier beraten, sollten nach meiner Meinung anwesend sein.«
Frank und Thimo tauschten Blicke und sahen fast schon ein wenig hoffnungsvoll zu Louis. Denn Louis hatte noch immer Schwierigkeiten damit, dass auch „Normalos“ und „schwache Mutanten“ in der zukünftigen Bruderschaft sein sollten. Wobei sich das inzwischen etwas gebessert hatte und er eingestand, dass es auch Vorteile haben könnte.
Wie aber standen Dirk, Marc und er zu „negativen“ Mutanten? Lag darin der Grund für Franks kaum verborgene Ablehnung gegen Zack? Andererseits war Dirk auch „unten bei Janus“ gewesen und hatte sich nicht negativ über Tommy, Gloria und Zack geäußert.
»»Das Aussehen ist mir weitgehend egal, so lange der Kontakt nicht zu persönlich wird. Mir ging es immer nur um die Fähigkeit und Stärke und nie um die Herkunft oder das Aussehen. Dirk und Marc sehen das genauso, auch wenn Franks Argumente sicherlich nicht von der Hand zu weisen sind. Hör sie dir unvoreingenommen an! – Übrigens danke, dass du mich nicht ausgesperrt hast.««, grinsend nickte mir Louis zu.
Witzig fand ich die Bilder, an die er bei „nicht zu persönlich wird“ gedacht hatte. Ein grünhäutiger, säulenbeiniger, drei Meter Riese mit Reptilienkopf, der ihn einfach unter den Arm klemmen konnte, war Zack nun wirklich nicht. Auch das schien Louis inzwischen bemerkt zu haben, denn Dirk musste ihn anstupsen, damit er von seinen, sicherlich rein wissenschaftlichen Betrachtungen von Zack, abließ. »»Ich denke bei Zack hätte er nichts gegen einen sehr persönlichen Kontakt««, spöttelte Julian in einer Privatmitteilung an mich.
Dafür legte sich nun ein leichter Schatten über Franks Gesicht. Er schien gehofft zu haben, dass Louis eine ablehnende Haltung einnehmen würde. Wenn ich zu Robin und Nico sah, wuchs in mir der Verdacht, dass Thimo und Frank in diesem Punkt ziemlich isoliert waren. Doch wo sahen sie überhaupt das Problem?
»»Das wirst du nie erfahren, wenn wir nicht bald anfangen.««, grummelte Tom zurecht.
Wenig später hatten sich alle gesetzt und Julian und ich berichteten erst einmal, was im Conventiculum geschehen war. Zack und Kim bekamen rote Köpfe und die meisten der Anwesenden konnten sich ein Grinsen nicht verkneifen.
»Fest steht jedenfalls, dass Zack zum Teleporter wurde und Kim auch etwas mitbekommen hat. Außerdem haben „beide“ eine andere Art von Telin-Anhänger bekommen. Nach unseren bisherigen Informationen würde dies bedeuten, dass sie von der Bruderschaft aufgenommen worden wären. Ich werde aber auf jeden Fall noch mit Pascal darüber reden.«
»Nur wegen der Anhänger musst du das nicht, genauso wie das „Telin“, das ihr bekommen habt, ist auch das „Galmatol“ noch immer vielen Mutanten bekannt. Es soll das Zeichen der „Novizen“, also gewissermaßen der Auszubildenden gewesen sein«, Thimo klang keineswegs begeistert uns diese Neuigkeit zu verraten.
Er beendete dann auch gleich wieder die einsetzende Stille: »Zuerst muss ich Zack sagen, dass ich nichts gegen ihn persönlich habe, aber die Freien Mutanten werden …«
»… uns das nächste Mal gleich richtig erledigen!«, fuhr ihn Zack zornig an, der schon die ganze Zeit über Thimo fixiert hatte.
Thimo seufzte: »Wir haben uns doch entschuldigt! Denn …«
»… Gloria hatte einen von euch erwischt und ihr seid nicht an ihn herangekommen.«
»… es war ein schreckliches Missverständnis. Wir wollten …«
»… uns dann aber trotzdem „Zurückstufen“, als ihr schon Mal damit begonnen habt«
»… nur Janus finden und auch vernichten.«
»Und dabei auch gleich alle Mutanten, die euch in die Quere gekommen sind. Sofern sie nicht eurem „Idealbild“ entsprachen.«
Lukas legte Zack besänftigend die Hand auf die Schulter und ich sah Thimo fragend an. Thimo war nie einer der Fundamentalisten gewesen und auch jetzt stand er zu den Fehlern die begangen worden waren.
»Janus hatte sich im Untergrund versteckt und hielt einen Heiler gefangen. Wir mussten einfach reagieren. Ihr wisst, die Heiler stehen unter besonderem Schutz, das konnten wir Janus einfach nicht durchgehen lassen. Doch von Anfang an lief die Aktion nicht sonderlich koordiniert. Wir mussten uns beeilen, da wir wussten, dass Janus den Heiler foltern und töten würde.«, Thimo wischte sich den Schweiß von der Stirn und sah nachdenklich zu Zack. Doch der blieb diesmal ruhig, da er von Lukas und Kim besänftigt wurde.
»Janus hatte unter anderem auch einen „Störer“, einen Conturbator-Mutanten. Conturbatoren können Störquellen und Spiegelungen erzeugen, sodass die abgeschirmte Person nicht einmal mehr ungefähr erfasst werden kann. Diese Störung kann auch auf ein größeres Gebiet ausgedehnt werden. Da wir das wussten, bildeten unsere besten Teleorter einen Block und suchten nach solchen Störungen. Leider gab es im Untergrund einige Stellen, bei denen solche Störungen auftraten.
Daraufhin schickten wir Teleporter-Teams los, um diese Stellen zu erkunden, dabei kam es dann, unter anderem, zu einer Begegnung mit Zacks Leuten. Wie gestern, konnten die beiden Teleporter nicht zurück, da wahrscheinlich auch damals Marty das verhinderte.«, fragend sah Thimo zu Zack, und der nickte nur stumm.
So fuhr Thimo fort: »Da wir damit gerechnet hatten, dass Janus so etwas vorbereitet hatte, kam dann sofort ein Einsatzteam und griff an. Es war ziemlich übel! Wir hatten mit Janus und seiner Horde gerechnet und stießen stattdessen auf eine Gruppe relativ harmloser und von all dem nichts ahnender Mutanten. – Es gab Tote auf ihrer Seite und bei uns ein paar Verletzte. Als klar wurde, dass wir falsch lagen, wollten wir uns zurückziehen, doch dann geriet einer unserer Leute in Gefangenschaft.«
»Ihr wolltet euch einfach nur zurückziehen und so tun als wäre nichts geschehen?«, Marc war sichtlich erschüttert. »Wie konntet ihr, ich meine, ihr habt sie angegriffen!«
Thimo nickte nur: »Ja, leider. Wie gesagt, die ganze Aktion war sehr chaotisch und nicht sonderlich gut organisiert. Wir suchten noch immer verzweifelt nach dem Heiler, und wo wir auftauchten gab es Probleme.«
»Wie ging es dann weiter?«, fragte Eric relativ ruhig. Er sah das mal wieder vom Standpunkt des Militärs, für ihn galt so was wohl als Kollateralschaden.
Dankbar griff Thimo den Faden wieder auf: »Wir schickten einen Heiler, der mit ihnen verhandelte und ihnen half, so weit es ging. Sie ließen dafür den Gefangenen frei.
Janus tötete jedoch den Heiler, den wir befreien wollten und erhielt wohl dessen Macht.«
»Was?«, ein eisiger Schauer durchfuhr mich. Das wurde noch schlimmer als Thimo mich nun ironisch anlächelte.
»Ja, darum habe ich euch geraten, damit vorsichtig zu sein. Janus kann wohl auch Fähigkeiten replizieren! Ich hatte das damals nicht so genau mitbekommen, aber als ihr davon berichtet habt, habe ich mich noch einmal etwas umgehört. Genau wie ihr kann er die Fähigkeit eines sterbenden Mutanten übernehmen. Nur tötet er gezielt, um seine Fähigkeiten zu erweitern.«
Mit brüchiger Stimme flüsterte Zack: »Für ihn ist es fast schon eine Art Ritus. Er foltert sie so lange, bis sie sehr schwach sind, dann tötet er sie. Da sie geschwächt sind, ist die Energieentladung nicht so stark und es fällt nicht auf. Inzwischen macht er anscheinend gezielt Jagd auf Mutanten mit ungewöhnlichen Fähigkeiten.«
»Was für ein Monster!«, Sammy war ganz bleich im Gesicht und die meisten Anwesenden sahen nicht besser aus.
»Dennoch habt ihr euch ihm angeschlossen!«, Thimo funkelte nun Zack wütend an.
Doch der schüttelte ebenfalls wütend den Kopf: »Ihr habt alles zerstört, wir hatten keine sichere Unterkunft mehr. Ständig wurden wir von den Morlocks angegriffen …«
Als er mein überraschtes Gesicht sah, erklärte er: »Ja, auch wir nennen sie Morlocks! Ich weiß, dass viele „hier oben“ alle, die „unten“ leben, Morlocks nennen. Aber die, die wir so nennen, sind einfach nur noch triebgesteuerte „Kreaturen“. Da ist nichts Menschliches mehr. Mit Tieren kann man sich arrangieren, doch mit den Morlocks nicht.« Als ich seinen fast schon panischen Blick sah, während er diese „Monster“ beschrieb, ahnte ich, wie schlimm es gewesen sein musste.
Wir hatten bisher einfach keine so genaue Ahnung. Manche Normalos, wie die Drachen, bezeichneten alle Mutanten als Morlocks. Als Robin uns Sektor 20 beschrieb, sprach er von den Mutanten, die im „Untergrund“ lebten, als Morlocks. Dabei meinte er aber eigentlich nur die „Negativen“, die nichts Menschliches mehr an sich hatten.
»Die Freien Mutanten haben unsere Unterkunft zerstört, täglich wurden Leute von uns angegriffen und verwundet. Dann kam Janus und bot uns Hilfe an, was blieb uns anderes übrig – wenn wir überleben wollten. Doch wäre Angel nicht gekommen, dann hätte er nach und nach auch die Letzten von uns abgeschlachtet.«
Wütend fixierte er Thimo und schrie: »Vor eurem Angriff lebten in unserem Clan 35 Mutanten, 27 Überlebten. Doch davon sind jetzt nur noch Gloria, Tommy, Marty und ich übrig. – ABER IHR HABT EUCH JA ENTSCHULDIGT!«
Thimo war in sich zusammengesunken und ganz grau im Gesicht. Sicherlich konnte man ihn nicht dafür verantwortlich machen, auch er war nur ein kleines Rad in dieser Geschichte gewesen. Schließlich gehörte er nicht einmal selbst zum Großen Rat der Freien Mutanten, der hatte ihn sogar zu „King Roy“ geschickt und dann im Stich gelassen.
»»Nicht ganz, sie haben uns die Informationen gegeben und Leon herbeigeschafft, damit wir „King Roy“ für sie erledigen.««, korrigierte mich Julian zynisch.
Kim und Lukas kümmerten sich unterdessen um Zack, während ich zu Thimo ging. Er tat mir jetzt unheimlich leid, da er all das vorgehalten bekam, was man dem Großen Rat hätte vorhalten müssen.
In die beunruhigende Stille hinein sagte Takashi mit ruhiger Stimme: »Ein Mensch hat dreierlei Wege, klug zu handeln:
Der erste: Durch Nachdenken - das ist der edelste.
Der zweite: Durch Nachahmen - das ist der leichteste.
Der dritte: Durch Erfahrung - das ist der bitterste.
Was geschehen ist, ändern lässt es sich nicht mehr. Euch bleiben nur noch, für zukünftiges Handeln ziehen richtigen Schlüsse daraus.«
Frank unterbrach daraufhin die Sitzung für eine halbe Stunde, Zack und Thimo waren sehr angeschlagen. Aber auch Frank wirkte nun sichtlich unschlüssig. Nicht nur, da er genau wusste, dass niemand von uns Zack zurückweisen würde.
Obwohl er auch selbst schon schlechte Erfahrungen mit dem Großen Rat gesammelt hatte, war er nun mehr als nur enttäuscht über das Verhalten derer, die dort die Verantwortung trugen.
Nachdem wir uns alle wieder gesetzt hatten, ergriff Eric das Wort: »Es tut mir wirklich leid Zack, aber darf ich dir noch ein paar Fragen zu dem stellen, was du uns erzählt hast?«
Ohne zu zögern nickte Zack, er hatte sich sichtlich beruhigt, wurde aber noch immer von Kim gestützt. So begann Eric nach kurzem Zögern: »Du hast gesagt, 27 Mutanten deines Clans überlebten den Angriff der Freien Mutanten, und davon sind jetzt nur noch ihr vier übrig. Dann hast du gesagt: „Doch wäre Angel nicht gekommen, dann hätte er nach und nach auch die Letzten von uns abgeschlachtet.“. Heißt das, dass Janus euch auch angegriffen hat?«
Zack nickte zögernd und erklärte: »Von meinem Clan hatten nur 27 überlebt, als der Heiler wieder weg war, begannen die Angriffe der Morlocks. Dabei sind dann weitere sechs getötet worden darunter auch der Tjörg, der Clanchef. Janus bot uns an, dass wir bei ihm „Sicherheit“ finden könnten, wenn wir ihm helfen würden. Gloria ist Empath, und auch wenn sich Janus abschirmte, von seinen „Gefühlen“ kamen doch genug durch, sodass sie ihn verabscheute. Aber wir hatten keine andere Wahl, also gingen wir auf das Angebot ein, obwohl sie davor gewarnt hatte.
Nach und nach „verunglückten“ immer mehr von unseren Leuten bei „Missionen“ mit den Leuten von Janus. Es waren keine sonderlich starken Mutanten, weshalb das auch nicht so sehr auffiel. Da unten ist es eben sehr gefährlich und seit der Aktion der „Freien Mutanten“ ist es noch schlimmer geworden.
Thimo hat es ja gesagt, wo sie auftauchten gab es Probleme. Wir waren nicht die Einzigen, die „unbeabsichtigt“ angegriffen wurden. Da wir nicht mit den Leuten von Janus zusammenlebten, sondern nur hin und wieder gemeinsam Aufträge mit ihnen erledigten, kamen wir erst so spät dahinter was, da wirklich lief.«, wieder unterbrach er, um sich ein wenig zu sammeln.
Thimo hatte nur kurz aufgesehen aber nichts dazu gesagt, dass noch andere Gruppen angegriffen worden waren, also stimmte es wahrscheinlich. Doch Zack machte ihm jetzt wenigstens keine direkten Vorwürfe mehr und fuhr fort.
»Dann, es war so Mitte Juli, fing Marty einen Mutanten ein. Marty spürt Ghostläufer, wie wir sie nennen, also Mutanten die in „Phase“ gehen können, wie ihr es nennt. Es gibt einige Fähigkeiten, die damit zusammenhängen. Die reinen „Ghosts“ so wie Lukas, Eric, Dirk und ihr anderen, dann die „Kabelhüpfer“, die elektrische Leitungen benutzen, oder die „Schnellläufer“ aber da kenn ich nur einen. Marty kann sie alle aus der „Phase“ zwingen und dann verhindern, dass sie wieder in „Phase“ gehen. Genauso die Teleporter, da kann er aber nur verhindern, dass sie wieder verschwinden.«
Sammy stöhnte auf und wollte da natürlich sofort mehr erfahren, bekam aber, im wahrsten Sinn des Wortes, den Mund nicht auf. So wie Lukas grinste, war es seine Telekinese, die Sammy am Sprechen hinderte. Zack konnte also weitgehend ungestört weiter erzählen.
»Der Mutant, den Marty da eingefangen hatte, war Angel, und er war völlig fertig. Ich meine damit, dass er kaum ansprechbar war und auf fast nichts reagierte. Ich denke, das war der Grund, weshalb Marty sich mit ihm anfreundete. Marty ist so lange wir ihn kennen so apathisch, die Einzigen, mit denen er sich anscheinend länger unterhält, sind Fred und George, doch davon bekommen wir nichts mit.
Jedenfalls, nach einigen Tagen, wurde Angel langsam munter und Janus war an ihm sehr interessiert, doch Angel wies ihn kalt zurück. Da Janus die ungeheure Stärke von Angel spürte, hielt er sich von da an, auch uns gegenüber, sehr zurück.
Als Tommy mit Angel unterwegs war, um Lebensmittel zu organisieren, trafen sie auf ein Kommando von Catchern. Angel, der noch immer sehr in sich gekehrt war, fing plötzlich an zu toben. Tommy war total fassungslos, eigentlich hatte er sich sofort zurückziehen wollen, als er die Catcher entdeckte. Doch Angel griff sie an und keiner der Catcher überlebte!
Von da an wurde Angel immer aktiver, er machte gezielt Jagd auf die Catcher und tötete jeden, auf den er traf. Das ging dann ein paar Wochen so weiter, immer nachts ging Angel auf die Jagd, er überfiel nie große Gruppen, sondern meist Zwei- oder Drei-Mann-Teams. In der Zeit näherten sich Janus und Angel dann ein wenig an, Janus konnte Angel dazu überreden, ein paar Aufträge, meist Botengänge, für ihn zu übernehmen.«
Thimo lachte in diesem Moment böse auf: »Botengänge? – So kann man es natürlich auch nennen. Wie ich inzwischen erfahren habe, hat er Mutanten, meist Freelancer aufgesucht und ihnen klar gemacht, dass sie für Janus arbeiten sollten!«
Eric zuckte zusammen und starrte Thimo ungläubig an.
»Und wen hat er dazu gezwungen? Sag mir einen Mutant, den er dazu gezwungen hat, nur einen Einzigen!«, schrie Zack jedoch zurück.
»Ach komm schon Zack, sei doch ehrlich! Wenn ein Typ wie Angel mit finsterer Miene vor dir auftaucht, und sagt, dass du für Janus arbeiten musst, dann gibt es kaum einen der „Nein“ sagt. Nicht bei dem Ruf, den er hat. Warum wohl nennen ihn die Freelancer „Joe Black“?«
Zack sah Thimo zornig an, wurde aber dann doch etwas nachdenklich: »Aber er hat niemandem gedroht oder gezwungen. Und es gab auch welche, die „Nein“ gesagt haben. Denen hat er nie etwas getan, er …«
»… er hat ihnen nur geraten, sich eine starke Gruppe zu suchen, da Janus das „Nein“ sicherlich nicht akzeptieren würde!«, fuhr Thimo dazwischen.
»Ja klar! Das stimmt auch. Damit hat Angel ihnen doch einen guten Rat gegeben – oder etwa nicht?«, trotzig sah Zack zu Thimo. Wir anderen sahen nur staunend und schweigend zu.
»Objektiv ja, aber für viele wirkt es wie eine Drohung! Darum sind auch einige …«
»… zu David und seinem Freundeskreis gelaufen!«, ergänzte Zack den Satz den Thimo so sicherlich nicht beenden wollte.
»Wer ist David?«, fuhr ich dazwischen, damit die beiden etwas abkühlen konnten.
Frank sah kurz auf und erklärte: »David ist ein Freelancer, mit einem sehr großen- äh, Bekanntenkreis. Er hat einige andere Freelancer um sich zu einem lockeren Bund versammelt. Sie sind ähnlich wie die „Freien Mutanten“ und kümmern sich nicht um andere. Nur dass sie sich gegenseitig helfen, wenn einer bedroht wird, das dürfte der Hauptunterschied sein.« Es war offensichtlich, dass Frank nicht all zu viel von dem „Freundeskreis“ hielt.
Doch das spöttische Lächeln auf Thimos Gesicht machte mich neugierig, und aufgrund meiner stummen Frage erklärte er: »Da hat Frank sich, wie viele andere auch, ganz schön täuschen lassen. David versucht seit langem, quasi durch die Hintertür, so etwas wie die Bruderschaft neu entstehen zu lassen.«
Frank runzelte überrascht die Stirn, so dass Thimo weiter erklärte: »Davids Leute nennen sich verharmlosend „Freundeskreis“, um dem Großen Rat keinen Ansatzpunkt zu geben. Sie sind keineswegs so unbeteiligt und desinteressiert, wie sie sich selbst immer darstellen.
Bei den Freien Mutanten wurde schon mehrfach registriert, dass sich der „Freundeskreis“ auffallend oft um schwächere Mutanten bemüht. Sie nehmen sie natürlich nicht bei sich auf, dann würden sie ja einer Gruppe gleichen. Nein, sie vermitteln die Jungs in „befreundete Gruppen“. Sie vermeiden alles, was den Großen Rat zum Handeln bewegen könnte, dennoch ist der „Freundeskreis“ eine der Stärksten „Nichtgruppen“ die wir kennen.«
Ups, wieder etwas gelernt. Bei einem harmlosen „Freundeskreis“ konnte der Große Rat kaum etwas gegen einen Zusammenschluss von Freelancern sagen. Auf lange Sicht war dies sicherlich eine interessante Strategie.
»»Und wir kommen da an und arbeiten gleich mit der Brechstange.««, grinste Tom.
Doch Eric war das Abschweifen gar nicht recht, er wollte mehr über „seinen“ Angel erfahren. So nahm er den Faden wieder auf: »Zack, wie ging die Sache dann weiter?«
»Nun, einige Mutanten schienen tatsächlich so eingeschüchtert zu sein, dass sie kurzzeitig zu Janus kamen. Doch dann kam Angel dahinter, was Janus vorhatte und stellte sich im entscheidenden Moment gegen ihn. Seit dem ist das Verhältnis der beiden mehr als nur angespannt.«
»Äh, sorry Zack, aber was hatte Janus vor?«, sanft klang Julians Stimme durch den Raum.
Zack seufzte, richtete sich dann aber auf: »Janus versuchte die „Neuen“ unter Kontrolle zu bekommen, also zu hörigen Anhängern zu machen. Doch auch wenn sie anfangs ein wenig eingeschüchtert waren, so begriffen doch alle sehr schnell, dass sie von Angel nichts zu befürchten hatten.
Als dann der Erste wieder abhauen wollte, versuchte Janus ihn zurückzuhalten und „einzugliedern“. Also auf seine übliche Art, wie wir dann herausgefunden haben, zu töten. Zuerst folterte er ihn, um ihm dann die Energie zu entziehen, damit Janus seine Fähigkeit bekam. Angel kam gerade zurück, und hat es mitbekommen, er hat so getobt, wie ich es noch nie erlebt habe. Nur weil Janus dann von dem Typ abließ und ihn vollständig regenerierte, gab es keinen offenen Kampf, da bin ich mir sicher.
An diesem Abend kamen wir dann auch dahinter, was mit einigen unserer verschollenen Freunden geschehen war. Janus ist wohl inzwischen süchtig nach PSI-Energie, er ist zu einer Art „PSI-Vampir“ geworden. Er sucht sich den Schwächsten aus und tötet ihn, um an seine Energie zu kommen.«
Nicht nur Frank stöhnte nun entsetzt auf, das Ganze wurde wirklich immer widerlicher. Doch Zack war jetzt nicht zu bremsen: »Angel hat Janus gedroht, dass er es nicht zulassen würde, dass Janus so etwas noch einmal probiert. Die nächsten Wochen ging es dann wieder einigermaßen. Es gab noch immer ein paar Punkte, in denen beide einer Meinung waren. Doch vor ungefähr zwei Wochen muss dann etwas geschehen sein, was wohl nun zum endgültigen Bruch geführt hat.
Angel kam zurück und tobte ganz fürchterlich. Tommy und Marty gelang es, ihn wieder etwas zu beruhigen, bevor er tatsächlich alle aus Janus „Garde“ getötet hatte. Er zog sich dann fast vollständig zurück, war total in sich gekehrt und grübelte viel. Den wenigen Freelancern, die bis dahin noch nicht abgehauen waren, legte Angel dies „nachdrücklich“ nahe.
Letzten Samstag, kam er wieder völlig verändert zurück. Ich denke, Eric weiß was ich meine.«, jetzt lächelte Zack sogar ein wenig.
Thimo, der einige Sekunden in völliger Konzentration erstarrt war, sah ihn etwas verwundert an: »Das mit den Freelancern hat mir David gerade bestätigt.«, dabei grinste er sogar ein wenig.
»David ist immer sehr gut informiert, was im Sektor los ist. Gerade ist wieder ein Freelancer zu ihm gekommen, dem hat Angel sogar empfohlen, hierher zu kommen.«, das Erstaunen über diese Neuigkeit war ihm dann aber doch anzusehen, so, als habe er es eben erst selbst begriffen.
Dann sah er wieder zu Zack und fragte vorsichtig: »Aber wie sind die anderen deiner Gruppe gestorben? Es können doch nicht 17 Leute „verunfallen“, ohne das ihr misstrauisch geworden seid.«
Zack schüttelte den Kopf: »Durch diese „Unfälle“ kamen 8 von uns innerhalb von einigen Wochen um, aber auch einige von Janus Leuten verschwanden oder kamen einfach nicht mehr zurück.«
Als er nun weiter sprach, konnten wir die Wut und Trauer mitfühlen: »Als gestern Kim, Eric und Dirk auftauchten, waren wir eigentlich noch 13. Doch kaum hatten wir euch da raus geschafft, ging Angel noch einmal auf die Jagd nach einigen Catchern, nicht um sie zu töten, er sucht Informationen.
Doch Janus nutzte Angels Abwesenheit und überfiel uns. Nur wir vier sind ihm entkommen. Fred und George können noch mehr als „nur“ Portale erzeugen. Sie schützten uns, wahrscheinlich aber eher Marty und wir konnten entkommen.
Darum meinte Angel, dass ich versuchen sollte mit euch in Kontakt zu treten. Kim war derjenige dem ich …«
»He, ist schon gut, wir wissen, dass du Kim nicht benutzt hast. Als ihr im Conventiculum wart, da haben wir mehr mitbekommen als du dir vorstellen kannst.«, wieder war es Julians sanfte Stimme, die Zack fast augenblicklich ruhig werden ließ.
»He Zack, wir sind überzeugt, dass es mit euch beiden ähnlich ist wie mit uns. Es ist fast so etwas wie eine Bestimmung, ihr gehört einfach zusammen. Glaub mir, was auch immer geschieht, du kannst dich auf Kim verlassen, genauso wie er sich auf dich verlassen kann.«, alle starrten Julian und mich verwundert an. Nur Lukas und Tom wussten, wie tief so eine psionische Vereinigung gehen konnte, wie sie nun auch Kim und Zack erlebt hatten.
Ich wunderte mich nur über Erics spöttisches Grinsen, mit dem er Kim betrachtete: »Siehst du Kim, manchmal kommt es doch ganz anders als man denkt!« Offensichtlich verstand nur Kim was Eric damit meinte. Woher sollten wir auch wissen, dass Kim erst gestern erklärt hatte, er wolle noch keinen festen Partner. Diese Information musste Kim uns, schüchtern grinsend, erst noch nachliefern.
Wir alle brauchten indessen noch etwas Zeit, die Schilderungen von Zack zu verarbeiten. Auch die Konsequenzen, die sich daraus ergaben, mussten wir erst abschätzen.
Janus tötete Mutanten, auch seine Eigenen, um an ihre Fähigkeiten und ihre PSI-Energie zu kommen. Wie würden uns in Zukunft andere Mutanten begegnen, wenn sie erfuhren, dass auch wir ihre Fähigkeiten „absaugen“ konnten. Mich fröstelte alleine schon beim Gedanken daran.
Kim, der noch immer Zacks Hand hielt, wollte jedoch nicht länger warten und fragte nun laut: »Was ist nun mit Zack? Kann er bei uns bleiben? Und was ist Gloria, Tommy, Marty und Angel? Sollen wir die einfach ignorieren?«
Robin sah kurz zu mir und klopfte dann auf den Tisch: »Also ich würde beantragen, dass Zack offiziell bei uns aufgenommen wird. Ob nun als Hood oder als „Iratus Lemurum Novize“ ist mir dabei egal. Aber zuvor sollten wir noch die Bedenken von Frank hören.«
Tom stöhnte unterdrückt auf, ihm ging das Ganze offensichtlich ziemlich auf die Nerven. »»Darauf kannst du einen lassen.««, vernahm ich sein telepathisches Gebrumme.
Doch jetzt blickte Frank auf: »Es sollte jedem klar sein, dass ich nichts gegen Zack habe und im Prinzip unterstütze ich Robins Antrag. Besonders nach dem, was wir inzwischen erfahren haben.
Ich sah die Gefahr, dass der Große Rat dies als falsches Signal verstehen würde. Ja – sogar, dass man dort befürchten könnte, dass wir mit Janus zusammenarbeiten wollten.
Auch gibt es unter den Freien Mutanten einige, die sehr enge Vorstellungen davon haben, wer ein positiver und wer ein negativer Mutant ist. Doch das ist mir inzwischen völlig egal. Ein schönes Gesicht nützt nichts, wenn sich dahinter ein kranker Geist verbirgt.
Was Angel und die drei anderen betrifft, so bin ich mir nicht sicher. Wir kennen sie noch nicht. Ich denke, wir sollten sie einfach einladen, um zu sehen, ob sie in den wesentlichen Punkten mit uns konform gehen.«
»Aber prinzipiell hast du auch gegen ihre Mitgliedschaft, wo auch immer, nichts?«, vergewisserte sich Eric.
»Ich sehe nach dem, was wir heute gehört haben, keinen Grund, weswegen „dein“ Angel nicht zu uns kommen sollte. Und ich denke, dass Thimo uns dabei unterstützen wird, dies dem Großen Rat entsprechend zu erklären.«, Frank wirkte jetzt wieder richtig entspannt.
Thimo nickte nur und ergänzte dann doch noch: »Ich habe schon David informiert, bald weiß es dann jeder, der sich dafür interessiert. So können erst gar keine Gerüchte aufkommen.«
»Ist dieser David denn überhaupt daran interessiert, uns zu helfen? Ich meine, wenn er doch selbst ähnliche Ziele verfolgt«, brummte nun Tom dazwischen.
»Äh, David ist nicht so sehr der – äh, „Führungstyp“«, kicherte Thimo. »Er kennt nur sehr viele Mutanten. Er hat eben wirklich einen großen „Freundeskreis“ und da ergab sich dann, mehr von alleine, diese Idee. Zumal er den Großen Rat als spießige, verknöcherte Institution bezeichnet und überhaupt nicht schätzt.«
Frank brummte etwas, was sich sehr nach „geschwätzige Tucke“ anhörte, übersah aber geflissentlich jeden unserer fragenden Blicke.
»Dann können wir also endlich zur Abstimmung kommen? Hat jemand etwas dagegen, das Zack bei uns als Novize aufgenommen wird?«, Lukas grinste unverschämt breit, als er sich umsah. Natürlich meldet sich niemand und so war es einstimmig beschlossen.
Doch so schnell gab sich Lukas mit dem Erreichten nicht zufrieden: »Schön, dass wir uns einig sind. Dann möchte ich auch gleich noch eine Frage nachschieben. Hat jemand etwas dagegen, dass die beiden heute noch zu Telekineten gemacht werden? Ich will, dass sie so schnell wie möglich den ForceFight lernen. Wenn wir uns schon nicht mehr auf die Larualisation verlassen können.«
Verblüfftes Schweigen, Lukas war da wirklich etwas sehr schnell bei der Sache, fand ich und wurde nun glatt überfahren. Wieder grinste Lukas: »Schön, dass ihr damit …«
»Moment mal, so geht das aber jetzt wirklich nicht«, fuhr ihm Robin dazwischen, allerdings mehr belustigt als verärgert.
»Robin, lass es sein, es ist eh zu spät«, murmelte Thimo und griff nach seinem Orangensaft.
»Wie jetzt? Wieso zu spät?«, fragte ich etwas beunruhigt.
Thimo sah mich an: »Erstens, wenn er das will, dann wird es eh passieren. Und zweitens sind sie es doch schon.«
Ich war nun doch ein wenig verblüfft. Von was sprach Thimo den nun? Natürlich, wenn Lukas unbedingt darauf bestehen würde, dann würde es sicher so kommen, aber ich glaube nicht, dass er so massiv darauf bestehen würde.
Thimo schluckte und setzte das Glas wieder ab: »Als ich mit Sammy zusammen die Fähigkeiten der Hoods erfasste, um die Trainingspläne zu erstellen, habe ich sehr viel über die Signatur gelernt. Du weißt doch, dass jede Veränderung deiner Fähigkeiten sich in deiner Signatur abzeichnet. Natürlich gilt dies für jeden Mutanten. Verschiedene Fähigkeiten, meist die Starken treten deutlicher hervor, aber in der Signatur sind prinzipiell alle Fähigkeiten ablesbar.
Nun, Kim und Zack sind eindeutig auch Telekineten, deshalb erübrigt sich eine Abstimmung.«
»Aber? – Aber wie? Keiner von beiden ist Telekinet gewesen und wir haben sie nicht dazu gemacht!«, Julian sprach aus, was ich dachte.
Nachdenklich runzelte Thimo die Stirn: »Bei Kim spüre ich: Teleporter, Exoteleporter, Telepath, Telekinet, Biometabolist und Fallerethie. Bei Zack: Biometabolist, Telepath, Telekinet, Frequezsehen, Fallerethie, Teleporter und etwas, was wohl die Schwingung von Raptime ist. Die spüre ich auch sehr schwach bei Kim. Über das wie und woher, kann ich natürlich nichts sagen.«
»Ziemlich gut ausgestattet, Biomet und Raptime würden mich auch interessieren«, grinste Lukas und sah Julian und mich anzüglich an.
Doch Julian sprach aus, was ich in ähnlicher Form dachte: »No Chance Baby! Nicht solange die Sache mit Janus so heiß ist.«
Ich wurde den Verdacht nicht los, dass Lukas geradezu darauf brannte, zusammen mit Zack zu trainieren. Sonst war Julian immer sein liebster Gegner. Dass es mit neuen Fähigkeiten vorerst nichts wurde, schien ihn nicht wirklich zu bedrücken. Wahrscheinlich hatte er es auch nicht wirklich so ernst gemeint. Aber warum sahen mich jetzt alle so spöttisch an?
Es war Sammy, der mir indirekt die Erklärung lieferte: »Ich denke auch nicht, dass dies ein guter Zeitpunkt für so ein Experiment wäre. Abgesehen davon, dass Kim oder Zack sich dafür zur „Verfügung stellen“ müssten, sollten Mike und Julian das Sammeln nicht übertreiben.«
»He, Stopp! Das war kein Vorschlag der von uns ausging!«, protestierte Julian ungewohnt heftig. Doch insgeheim fühlte ich ähnlich, ich musste daran denken, wie Janus andere quälte, um an deren Fähigkeiten zu kommen. Was mochte er inzwischen alles angesammelt haben, wie Sammy das so schön nannte.
»Mike, Julian – es tut mir leid, ich wollte da nichts andeuten. Ihr seid da absolut nicht vergleichbar.«, Sammy war wirklich ein wenig geknickt. Aber wenn ich zu Thimo und Frank sah, dann hatten die in dieselbe Richtung gedacht. Wir waren aber keine PSI-Vampire und dieser Janus ekelte mich immer mehr an.
»Wie stark kann so ein Mutant werden, gibt es überhaupt eine Grenze?« Eric betrachtete Mal wieder den strategischen Aspekt.
Alle Augen richteten sich nun auf Sammy, dem das überhaupt nicht so recht war. Unruhig rutschte er auf seinem Stuhl hin und her und warf Julian und mir immer wieder flüchtige Blicke zu. Bis es mir dann zu blöd wurde und ich ihn anfuhr: »Gegackert hast du genug, jetzt leg schon das Ei! Wenn es uns nicht gefällt, was du sagst, dann legen wir dich trocken. Gibst sicherlich ne hübsche Mumie ab.«
Totenstille im Raum, Sammys Gesichtsfarbe wechselte in kalkweiß und gleich darauf nach knallrot. Dann konnte er sich nicht mehr beherrschen und lachte einfach los. Jetzt mussten wir noch länger warten, bis er sich endlich beruhigt hatte.
»OK, OK – aber dann möchte ich einen Platz in der Empfangshalle!«, kicherte er noch immer und fasste sich dann endlich.
»Also dann zu Janus!« Schlagartig sank die gefühlte Temperatur um einige Grade. »Ich habe euch schon öfters erklärt, dass jede neue Fähigkeit eure Kapazität etwas sinken lässt. Nur durch Training kann dieser Effekt wieder ausgeglichen werden. Wenn Janus dies noch nicht realisiert hat, könnte es tatsächlich sein, dass er sich laufend schwächt!
Das ist jetzt nur eine Hypothese, aber es könnte sein, dass er die Mutanten getötet hat, weil er damit, wenn auch nur kurzzeitig, eine Überkapazität aufbaut. Ihm könnte es dann so vorkommen, als würde er so seine „alte Stärke“ wiedererlangen.
Als ihr bei „King Roys“ Tod seiner Energie ausgesetzt wart, habt ihr auch Fähigkeiten von ihm übernommen, wie zum Beispiel die von Mike so liebevoll angedeutete Hydrokinese.«, jetzt lächelte er wieder so bissig, wie wir ihn mochten, während Frank anscheinend wirklich um Sammys Gesundheit fürchtete. Dabei sollte er uns doch gut genug kennen.
Ungerührt erläuterte Sammy weiter: »Als das geschah, habt ihr es nur deshalb nicht bemerkt, weil eure Kapazität scheinbar nicht gesunken ist.
Natürlich könnte es auch sein, dass dieser Janus einfach nur ein perverses Schwein ist und auch seine eigenen Leute zum Spaß tötet. Ich glaube jedoch, dass er so probiert, den Kapazitätsverlust zu kompensieren.
Würde er stattdessen trainieren, könnte er sich viel besser entwickeln. So jedoch schwächt er sich gleich doppelt. Er „verzehrt“ seine eigenen Leute und die „Überkapazität“ dürfte mit jeder zusätzlichen Fähigkeit weniger Wirkung entfalten.
Natürlich müsste man das gerade gesagte „experimentell“ erforschen. Doch ich denke, die Bereitschaft dafür dürfte bei allen Beteiligten hier sehr gering sein.«
»Worauf du dich verlassen kannst«, grummelte Julian.
»Ich hoffe aber, dass du damit Recht hast! Ich meine damit, dass er noch nicht realisiert hat, wo sein „Energieproblem“ wirklich steckt«, brummte ich dann auch noch. Die Sache gefiel mir einfach nicht, wir hatten eigentlich eine tolle Fähigkeit und durch Janus wurde sie regelrecht beschmutzt.
»Wenn er wirklich so ein Typ ist, wie wir aufgrund von Zacks Berichten vermuten können, dann wird er alle möglichen Fähigkeiten „sammeln“. Dann könnte ein von Lukas mal angedeutetes Problem auch noch zum Tragen kommen. Er weiß in bestimmten Situationen einfach nicht, welche seiner Fähigkeiten er einsetzen soll. Sein Arsenal ist einfach zu groß.«, damit riss mich Eric wieder aus meinen Grübeleien.
»Wenn er sie nicht systematisch trainiert, dann wird er immer nur Mittelmaß erreichen. Höchstens!«, brummte Sammy.
»Er ist kein besonders guter Telekinet und ein mieser Teleporter. Das weiß ich sicher. Auch seine Suggestion scheint schlechter geworden zu sein, aber so genau kann ich das nicht beurteilen. Wie schon erwähnt, er kann mich absolut nicht leiden, deshalb habe ich mich auch immer von ihm fern gehalten«, ergänzte Zack nun auch noch.
Aber immerhin war es doch so etwas wie ein kleiner Trost, wenigstens so lange er nicht dahinter kam, was er tun musste, um sich wirklich zu steigern.
Anmerkung1:
Für alle die es nicht wussten. Es gibt einen Film „Rendezvous mit Joe Black“ mit Brad Pitt und Anthony Hopkins in den Hauptrollen. Dabei spielt Joe Black (Brad Pitt) den personifizierten Tod, der „Urlaub“ macht und mehr über Menschlichkeit erfahren will. Es ist sicherlich kein Film für die breite Masse. Wer schnelle Schnitte und viel Action erwartet, wird sicherlich enttäuscht, aber ich mag den Film. ;-)
Anmerkung2:
Natürlich ist mir bewusst, dass die Sache mit dem Weihnachtsmann etwas Verwirrung stiften kann, da viele (süddeutsche) glauben, dass er aus dem Angelsächsischen kommt. Bei uns gibt es den Nikolaus (6.Dez.) und das Christkind (24.Dez.), bei denen ist der Nikolaus zum Weihnachtsmann mutiert. (Auch die Coca-Cola-These ist in dem Zusammenhang interessant. ;-))
Ein Blick in die Wikipedia zum Thema Weihnachtsmann belehrt mich (uns) eines besseren. Interessant ist übrigens, in dem Zusammenhang, auch der Wikipedia-Artikel zum Christkind.
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