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Innocent
Teil 2
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Informationen
- Story: Innocent
- Autor: Vaines
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Coming Out, Diverses
Inhaltsverzeichnis
- Kapitel 8 – Andy
- Kapitel 9 – David
- Kapitel 10 – Andy
- Kapitel 11 – David
- Kapitel 12 – Andy
- Kapitel 13 – David
- Kapitel 14 – Andy
- Kapitel 15 – David
- Kapitel 16 – Andy
Kapitel 8 – Andy
Wortlos starrte ich ihn nahezu an. Für einige Sekunden sahen wir uns gegenseitig an, bis David seinen Blick nervös senkte und zu seinem Platz in der letzten Reihe eilte. Es war wie eine stumme Bestätigung, ein angedeutetes Nicken auf meine ungestellte Frage. Ich bin in einer Großstadt aufgewachsen und ich wusste sehr wohl, woher solche Verfärbungen direkt um das Auge herum kamen. So etwas entstand in 99% der Fälle durch den brutalen Aufschlag einer Faust. Und dass seine Unterlippe ein wenig aufgeplatzt war, ließ auf noch mehr Schläge schließen.
„Guten Morgen“, begrüßte ich die Klasse, nachdem sich wenige Augenblicke später auch der Letzte auf seinem Platz niedergelassen hatte.
„Guten Morgen“, antwortete die Klasse im Chor, selbstverständlich hielt David seinen Mund geschlossen und sah starr in eine andere Richtung. Ich konnte nicht von ihm wegsehen, diese Bestätigung all jener Vermutungen, die ich in den letzten drei Tagen angestellt hatte, warf mich aus der Bahn.
„Wer hat seine Hausaufgaben nicht gemacht?“ begann ich ohne Einführung, die ich natürlich geplant, aber wieder vergessen hatte, die Stunde. Die Schüler schien das zu wundern, bisher hatte ich immer mit irgendeinem Hammer zu Anfang jeder Stunde begonnen. Zu meiner Verwunderung – natürlich nicht, weil ich gedacht hatte, er hätte sie gemacht – meldete sich unter anderem David auf meine Frage hin. Ich hatte nicht erwartet, dass er überhaupt mitbekam, dass ich sprach.
„Macht die Zusammenfassung bitte bis zur nächsten Stunde nach! Kann einer der anderen seine Hausaufgabe vorlesen?“ meinte ich und bemerkte, dass meiner Stimme gerade jegliches Engagement fehlte. Ich rief einen der Jungs auf, der seine Zusammenfassung des ersten Kapitels der Klassenlektüre vorlesen sollte. Ich hörte seine Worte nicht. Mein Blick schweifte zum wiederholten Male zu David. Sein Gesicht sah schmerzhaft aus, die mindestens zwei Schläge, die diese Verletzungen ausgelöst hatten, mussten wahnsinnig weh getan haben, so einfach war es nicht, ein derart blaues Auge zu bekommen. Wer ihn geschlagen hatte? Ich wusste es nicht. Meine Gedanken lenkten sich in die Richtung seines Elternhauses, aber hatte Anthony nicht gesagt, dass er Davids Vater als sehr fürsorglich in Erinnerung hatte?
„Was sagt ihr zu dieser Zusammenfassung?“, fragte ich in die Klasse, da ich Richards Hausaufgabe natürlich nicht einmal bruchstückweise mitbekommen hatte.
„Ihr stimmt also überein? Sehr schön. Wir machen den Rest der Stunde über Gruppenarbeit, teilt euch bitte in Fünfergruppen auf, jede Gruppe nimmt einen der Hauptcharaktere und schreibt alles, was man über ihn im ersten Kapitel erfährt, heraus“, erklärte ich und die Klasse folgte meinen Anweisungen. David setzte sich, nachdem alle anderen sich aufgeteilt hatten, zu der einzigen Gruppe mit vier Schülern und schlug das Buch auf. Er sah wieder sehr abwesend aus, auf diese seltsame Weise, als wäre er mit seinen Gedanken weit weg, aber irgendwie doch hier. Er ließ sich von den anderen in seiner Gruppe sagen, er solle die ersten vier Seiten lesen und alles herausschreiben, worauf er nickte und tatsächlich tat, was sie ihm gesagt hatten.
Es fiel mir schwer, mich den Rest der Stunde über auf den Unterricht zu konzentrieren. Als Schüler schien das ja manchmal schon schlimm gewesen zu sein, doch jetzt als Lehrer konnte ich mir das eigentlich nicht mehr leisten. Doch sein Anblick ließ sich immer wieder alles in mir zusammenziehen und ich spürte ein seltsames Gefühl für diesen Jungen, der doch so wahnsinnig unfreundlich zu mir gewesen war – Mitleid. Seine Mitschüler taxierten ihn mit teils verwunderten, teils angeekelten Blicken, doch David schien es nicht zu bemerken. Ich war mir sicher, dass er jeden einzelnen Blick registrierte.
„Als Hausaufgabe auf Montag lest ihr bitte die nächsten drei Kapitel und schreibt weiterhin alles über euren Hauptcharakter heraus!“, erklärte ich zum Ende der Stunde und die Klasse begann ihre Sachen einzupacken. Laut Stundenplan neben der Tür hatten sie jetzt Mathematik, in diesem Raum, wenn ich also mit David sprechen wollte, was ich mir fest vorgenommen hatte, musste ich ihn vor seiner gesamten Klasse dazu auffordern. Aber für ihn gab es sicher schlimmeres, also würde ihm das ganz bestimmt nicht so viel ausmachen, oder doch?
„David? Kommst du bitte einen Moment mit nach draußen?“, fragte ich also und der Angesprochene hob fast schon erschrocken seinen Blick. Wenige Momente später wurde sein Blick genervt, wütend. Ich öffnete die Tür, ließ ihn nach draußen treten und schloss dann die Tür.
„Wir müssen uns unterhalten, David. Dringend“, erklärte ich und sah hinab auf den Jungen vor mir, der mich mit den Händen in den Hosentaschen und diesem zerschundenen Gesicht anblickte.
„Ich wüsste nicht, worüber“, entgegnete er zischend.
„Sieh in den Spiegel“, meinte ich nur und sah in diesem Moment Kevin neben mir auftauchen.
„Kevin? Brauchen Sie David in dieser Stunde? Ich würde ihn ansonsten für ein dringendes Gespräch aus dem Unterricht nehmen“, fragte ich ihn und bekam, nachdem er David einen Moment angeblickt hatte, ein entschlossenes Nicken zurück.
„Sehr gut. David, komm bitte mit“, bat ich ihn und wollte ihm eine Hand aufs Schulterblatt legen, um ihn in die richtige Richtung zu weisen, doch David wich meiner Hand unmerklich aus und setzte sich von allein in Bewegung.
„Setz dich“, forderte ich ihn auf, als wir in demselben Besprechungszimmer angekommen waren, in dem ich wenige Tage zuvor mit Anthony, Mr. Tailor, gesprochen hatte. Etwas widerwillig ließ David sich auf der einen Seite des Tisches nieder und ich setzte mich ihm gegenüber.
„Wie du weißt, hat Mr. Tailor mit mir gesprochen und ich habe selbstverständlich auch den Eintrag im Klassenbuch gelesen. Dein Chemielehrer scheint keine große Sympathie mit Schulschwänzern zu haben, hat es allerdings für wichtiger gehalten, mich auf dein gesamtes Verhalten aufmerksam zu machen“, begann ich und fixierte den Jungen, der starr auf den Tisch blickte. Ich war nervös, ich hatte mir keine Gedanken gemacht, wie ich ihn nun genau darauf ansprechen sollte, dass er so aussah, dass sich mittlerweile mehrere seiner Lehrer Sorgen um ihn machten.
„Ich finde dein Verhalten natürlich nicht gerade einwandfrei, ich bezeichne es lieber als besorgniserregend. Kein junger Mensch verwandelt sich grundlos von einem netten, ehrgeizigen Jungen in einen stillen, zurückgezogenen und letztendlich in einen vorlauten Rebell“, sprach ich weiter, wurde allerdings von David unterbrochen.
„Sie sind gerade mal läppische vier Tage hier, was soll das, dass Sie so tun, als würden Sie mich seit Jahren kennen?“, zischte er und sah mich für einen kurzen Moment lang an.
„Natürlich kenne ich dich erst seit vier Tagen, aber Mr. Tailor hat mich ebenfalls sehr besorgt darauf aufmerksam gemacht und mir erzählt, wie er dich in den letzten Jahren, in den Wochen vor den Ferien und nun in diesem Schuljahr kennen gelernt hat“, erklärte ich, worauf David unmerklich den Kopf schüttelte. Ich schwieg einen Moment und sah ihn an. In diesem Moment erzählte seine Körpersprache von einem ganz anderen David, als seine Worte. Auch wenn er gerade wieder außerordentlich frech gewesen war, sah er aus wie ein kleiner, verlorener Junge. Ein eingeschüchterter, ängstlicher, zierlicher und vor allem sehr trauriger, kleiner Junge.
„Wie ist das mit deinem Auge passiert?“, fragte ich leise und wieder hob er seinen Blick für einen kurzen Augenblick.
„Meinungsverschiedenheit mit ein paar Freunden“, murmelte er nur und hob wegwerfend seine Schultern.
„Du lässt dich von deinen Freunden wegen einer Meinungsverschiedenheit so verprügeln?“, entgegnete ich noch immer recht leise.
„Na und? Ist ja wohl sicher nicht Ihr Problem!“, rief David plötzlich laut, sprang auf und schob seinen Stuhl mit den Kniekehlen ein Stück nach hinten.
„Es geht weder Sie, noch Mr. Tailor oder irgendjemand anderen hier an, was ich tue oder lasse!“
Kapitel 9 – David
„David, setz dich bitte wieder hin“, meinte Mr. Courten mit einer bemüht sanften Stimme, nachdem ich empört aufgesprungen war und nun mit einem Wutausbruch zu kämpfen hatte.
Ich atmete schwer.
Alles war doch so lachhaft! Was glaubte dieser Mr. Courten eigentlich, wer er war? Dass er sich einfach seine Schüler aus der Klasse picken konnte, um ein wenig Psychologe zu spielen? Er interessierte sich doch gar nicht für mich! Ich war in seinen Augen sicherlich nur ein Problemkind, das er nun freudig behandeln wollte. Oder vielleicht wurde er auch dazu gezwungen von Mr. Tailor. Was weiß ich.
Jedenfalls nahm ich ihm seine Besorgnis um mich nicht ab. Es scherte ihn sicherlich einen Scheißdreck, wie es mir ging. Eben wie jeder andere, den ich kannte.
Es war Aufgabe meines Vaters, mich auf mein blaues Auge anzusprechen, nicht aber meines Lehrers! Mein Dad sollte sich Sorgen um mich machen und nicht Mr. Courten.
Dad… Ich blickte traurig auf meine Hände. Früher hatte er sofort bemerkt, wenn ich wegen irgendetwas Kummer hatte. Wie hätte er nur reagiert, wenn ich mit einem blauen Auge gekommen wäre? Sicherlich hätte er mich in den Arm genommen und mich so lange getröstet, meine Tränen abgewischt, bis ich ihm erzählt hätte, was vorgefallen war.
Aber sicherlich wäre es nie zu solch einer Situation gekommen, denn wenn man es genau nahm, hatte ich diese Prügelei nur hinter mir wegen Dad. Wegen ihm durchlief ich diesen Horror Tag für Tag. Am liebsten wollte ich ihn dafür hassen. Aber so sehr ich mich auch bemühte, ich bekam kein anderes Gefühl zustande, als bloße Sehnsucht nach seinen beschützenden Armen und seiner sanften Stimme.
Und dieser Vater, der nicht einmal mehr sah, dass ich ein blaues Auge hatte, konnte nicht mein Dad sein. Das durfte einfach nicht sein. Es war absurd.
„David?“, wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.
Erschrocken sah ich auf und blickte wieder in das Gesicht von Mr. Courten, der mich eingehend musterte.
„Würdest du dich bitte wieder setzen?“, stellte er seine Bitte erneut.
Mein erster Gedanke war, abzuhauen und nicht auf seine Worte zu hören. Doch ich fühlte mich plötzlich nicht mehr fähig, weiterhin den robusten, widerständigen David zu spielen. Ich war erschöpft von diesem neuen Ich, das ich eigentlich nicht einmal war und niemals sein wollte.
Und so befolgte ich das erste Mal Mr. Courtens Aufforderung und nahm erneut Platz.
Es schien ihn tatsächlich ein wenig zu verwundern, das sagte mir zumindest sein erstaunter Blick, als ich ohne ein Wort zu sagen, wieder auf dem Stuhl saß und ihn ansah.
Er räusperte sich. „Du musst eines wissen, David. Ich möchte dich nicht nerven und es mag sein, dass ich tatsächlich keine Ahnung von den heutigen Problemen der Jugendlichen habe, aber ich sehe, dass du ein Problem hast. Vielleicht sogar mehrere. Und ich glaube, es würde dir einiges helfen, wenn du dich jemanden anvertrauen würdest.“
Seine fragende Stimme überraschte mich ein wenig. Normalerweise klang er doch bestimmend, so als wüsste er genau, dass er das Richtige tat. Diese Unsicherheit machte ihn ein wenig annehmbarer, wenn auch nur minimal und wie durch ein Wunder machten mich seine Worte nicht mehr aggressiv.
Vielleicht war ich es aber auch einfach nur leid, weiterhin rebellisch zu sein. Denn auch wenn Mr. Courten ein Mensch war, den ich nicht leiden konnte, war er momentan neben Mr. Tailor der einzige, der sich nach meinem Wohlbefinden erkundigte. Ich wollte zwar keine Hilfe, aber gerade eben, nach dieser Auseinandersetzung mit meinem Vater, tat diese leise, einfühlsame Stimme von meinem Lehrer ganz gut.
Ich wollte Mr. Courten nichts erzählen. Nichts von den Dingen, die ich durchlitt. In gewisser Weise war es mir peinlich, unangenehm und machte mich noch weiter traurig. Außerdem hatte ich Angst, er könnte das Jugendamt einschalten, wüsste er von der derzeitigen Verfassung meines Vaters. Vielleicht würde ich von zuhause wegkommen! Vielleicht würde man mich ins Heim stecken!
Diese plötzlichen Gedanken erschreckten mich. So weit hatte ich noch nicht gedacht, aber jetzt, da ich die Möglichkeit besäße, mich jemandem anzuvertrauen, erschien dieser Gedanke realer, als mir lieb gewesen wäre.
Noch immer sah mich Mr. Courten fragend an, so als warte er darauf, dass ich wenigstens irgendetwas sagen würde.
„Es sind nur vorübergehende Probleme“, murmelte ich leise. Meine Stimme hörte sich seltsam fremd an. Alle Wut und Lautstärke war aus ihr gewichen. Sie hörte sich so an, wie der alte David geklungen hatte. Ich wusste mit einem Male, dass ich in dieser Gefühllage verletzlicher denn je war. Dass Mr. Courten freie Hand über mich hätte. Er könnte mich nun fertig machen, könnte mich ebenfalls schlagen und ich könnte mich nicht wehren.
Diese Vorstellung machte mir Angst und ich sank weiter in meinen Stuhl.
Mein Lehrer schien diese Veränderung ebenfalls zu registrieren, denn seine unsichere Miene verwandelte sich in eine recht Sorgvolle.
„Wirst du erpresst?“, fragte er ebenso leise wie ich.
Langsam schüttelte ich den Kopf.
Klar, als Erstes wird diese Möglichkeit immer in Betracht gezogen.
Wäre es doch nur Erpressung! Was würde ich darum geben?
In diesem Falle hätte mir Dad sicherlich helfen können. Er hätte jeden Menschen angezeigt, der mir Schaden hätte zufügen wollen.
Schon als ich noch ein kleines Kind gewesen war und mich die älteren Jungs geärgert hatten, war mein Dad zur Stelle gewesen und hatte sie verjagt, mich in den Arm genommen und mir als Trost ein Eis gekauft.
Ich hatte ihm immer gesagt, dass er der beste Vater auf der Welt sei und er wusste, dass ich ihm dankbar für alles war, was er für mich tat.
Dass es nun so kommen musste, war im Hinblick auf die sorglose Vergangenheit schier unvorstellbar und einfach nur grausam.
„Wenn du ein Problem mit deinen ‚Freunden’ hast, kannst du dich doch jemanden anvertrauen“, meinte Mr. Courten wieder. „Ich denke, dein Vater würde dir sicherlich helfen.“
Bei seinen Worten spürte ich einen Stich in der Magengegend. Am liebsten hätte ich Mr. Courten nun ins Gesicht gesagt, dass mein Vater der Grund für all meine Probleme war.
Aber anstatt dies zu tun, wandte ich nur den Blick ab. Noch immer fühlte ich mich seltsam leer und nicht in der Lage, mich verbal zu schützen.
„Meinst du nicht?“, fragte er nach.
Ich schluckte einen schweren Kloß in meinem Hals hinunter. „D…darf ich jetzt bitte gehen, Mr. Courten?“
Ich hasste mich in diesem Moment für meine respektvolle Art, aber ich wollte nicht mehr schreien. Es erinnerte mich zu sehr an meinen Vater.
Und ich wusste, tief in mir wollte ich, dass mein Lehrer herausfand, was mit mir los war. Natürlich wollte ich nicht, dass er etwas für mich tat, aber einfach mal jemanden zu haben, dem ich mich anvertrauen könnte, wäre mir schon hilfreich gewesen. Doch musste es ausgerechnet er sein?
Kapitel 10 – Andy
Als er seinen Blick abwandte, seine Augen kurz erst zur Decke und dann zu Boden richtete, merkte ich, dass er am Boden war. Ganz egal, wie sehr er herumgeschrieen hatte, ganz egal, wie rebellisch, frech oder vorlaut er sich verhalten hatte, David war gerade völlig fertig, vollkommen kaputt.
Ich brachte ein leises „Meinst du nicht?“ über meine Lippen, um seine Aufmerksamkeit wieder auf mich zu lenken. Doch anstatt, dass er antwortete, sah ich David nur schwer Schlucken und dann seinen Blick wieder auf den Tisch richten.
„D...darf ich jetzt bitte gehen, Mr. Courten?“, fragte er dann, mit sehr dünner, sehr leiser Stimme. Ich hatte ihn vorher nie so sprechen gehört. David hörte sich gerade an, wie der Junge, den Kevin mir beschrieben hatte.
Ich überlegte einen Moment lang. Es war sinnlos ihn weiter zu quälen – und ich quälte ihn ganz offensichtlich – reden würde er eh nicht mehr viel. Ich sah wieder zu ihm, sah diesen David an, dieser David, der dort auf dem Stuhl saß, in sich zusammen gesunken und noch abwesender, als ich es von ihm gewohnt war. Also nickte ich letztendlich, was er scheinbar im Augenwinkel erkennen konnte, da er sich, obwohl er mich nicht angesehen hatte, erhob. Ich allerdings sah ihn weiterhin an. Konnte ich ihn so einfach zurück in den Unterricht schicken?
„Du wirst schwänzen, richtig?“, fragte ich also leise.
„Ich... ja, ich denke schon“, antwortete er fast flüsternd, nickte leicht mit noch immer gesenktem Blick. Ich war ein wenig überrascht, dass er auf diese eigentlich sehr undurchdachte Frage geantwortet hatte.
„Es wäre besser, du gehst nach hause, David. Wenn du das möchtest, werde ich dich für den Rest des Tages befreien“, meinte ich und stand ebenfalls auf. David hob auf meine Worte hin seinen Blick und sah mich ungläubig an. Es war sicher unüblich, Schüler einfach so zu befreien, aber ich wollte ihm den Ärger ersparen, den er durch schwänzen bekommen hätte. Er hatte sicher genug Ärger.
„Danke“, hörte ich ihn nur noch leise, fast nicht mehr hörbar, flüstern und schon drehte er sich entgültig um, öffnete die Tür und war auch schon verschwunden. Ich ließ mich wieder auf den Stuhl fallen, schloss meine Augen einen Moment lang und atmete tief durch. Was war aus diesem Gespräch geworden?
Was war hier gerade geschehen? Es war beängstigend, was mit ihm passiert war, während er einfach nur vor mir an diesem Tisch stand, mich angeschrieen hatte, sein Leben würde niemanden von uns etwas angehen, und sich plötzlich, von einer Minute auf die andere so veränderte. Er hatte doch einfach nur dagestanden! Er hatte nur dagestanden und war wieder einmal völlig in seinen Gedanken gewesen und plötzlich war er derart in sich zusammen gesackt.
Was hatte sich wohl in seinen Gedanken abgespielt, dass er so unerwartet eingebrochen war? David hatte Probleme. Er hatte es nicht geleugnet, auch wenn ich ihm nicht abnahm, dass seine Probleme nur vorrübergehend waren. Und scheinbar waren ihm diese Probleme sehr unangenehm, fast peinlich, warum sollte er sonst nicht mit seinem Vater sprechen wollen, wenn der doch so fürsorglich war? Jedenfalls interpretierte ich seine Bitte, dass er gehen durfte als Ablehnung meines Vorschlags, sich seinem Vater anzuvertrauen. Vielleicht hatte er mir aber auch überhaupt nicht zugehört?
Langsam stand ich auf und machte mich auf den Weg ins Lehrerzimmer, schließlich musste ich nach der Pause auch wieder unterrichten. Es war besser, ich bekam wieder einen klaren Kopf, ich hatte mich sicher lächerlich genug gemacht, als ich in meiner eigenen Klasse derart ungeplant vorgegangen war, ich hatte bestimmt völlig durcheinander gewirkt.
„Andrew! Sie haben mit David gesprochen?“, hörte ich in der Pause Anthonys Stimme und antwortete mit einem Nicken. Nur kurz erklärte ich, dass David zugegeben hätte, Probleme zu haben und meinte zu ihm, dass ich in der nächsten Woche beim Elternabend mit seinem Vater sprechen würde.
„Sie sollten dem Jungen einen Brief an seinen Vater mitgeben, Mr. Portian hatte die letzten Male keine Zeit zu Schulveranstaltungen zu gehen, Sie sollten ihm also mitteilen, dass es wichtig ist, dass er kommt“, erklärte Anthony und ich nickte auf seinen Vorschlag hin wieder.
In der siebten Klasse, in der ich nach der Pause unterrichtete, hatte ich meine normale Souveränität wiedergefunden, aber in dieser Klasse saß auch kein Junge mit einem blauen Auge im Gesicht. Ich zwang mich, nicht über David nachzudenken, immerhin hatte ich hier meinen Job hinter mich zu bringen, da durfte ich nicht wegen so etwas in Gedanken schweben. Jedoch als ich gegen fünf Uhr zuhause in mein Appartement trat, kamen diese Gedanken wieder zurück. Ich startete meinen Computer, um den Brief an Davids Vater zu schreiben, und in diesem Moment kamen mir plötzlich Zweifel an einer Sache. Wenn sein Vater wirklich so fürsorglich wäre, würde er doch nicht einen Elternabend, an dem er erfuhr, ob sein Sohn sich gut machte, ob es ihm in der Schule gut ging, verpassen, weil er etwas anderes vorhätte?
Wenn er in dieser ganzen Geschichte eine größere Rolle spielte, als ich das bisher erwartet hatte, würde ich es jedenfalls herausfinden. Wenn David schon nicht reden wollte, warum er solche Probleme zu haben schien, dann würde vielleicht sein Vater ein wenig Licht ins Dunkel bringen, auch wenn er wohl nicht mit David darüber gesprochen hatte, immerhin war er ja wohl sein Sohn!
Ich unterrichtete meine zehnte Klasse am nächsten Tag nicht, wollte David diesen Brief allerdings, wenn es irgend möglich war, persönlich geben. Ich wollte seine Reaktion darauf sehen, wollte eine erste Bestätigung, ob meine Gedanken über die Rolle seines Vaters bei der ganzen Sache richtig oder falsch waren. So machte ich mich also in der Pause auf die Suche nach dem Jungen. Ich fand ihn auf dem Schulhof, auf einer Bank sitzend und rauchend. War er nicht erst 15?
„David?“, sprach ich ihn an. „David, ich habe einen Brief an deinen Vater.“
Er reagierte nicht. Er saß einfach nur mit den Ellenbogen auf seinen Knien abgestützt, mit gesenktem Blick auf dieser Bank.
„Hey, David!“, sprach ich ihn also noch einmal an und ging, als er noch immer nicht reagierte vor ihm in die Knie. Ich fuhr mit der Hand durch sein Blickfeld, worauf er endlich aufschreckte. Ich erhob mich wieder und hielt ihm den Brief hin.
„An deinen Vater, gib ihn ihm bitte“, erklärte ich und bemerkte, dass sein Gesicht erstarrte.
„Was ist das?“, fragte er, mittlerweile wieder mit der Art von Stimme, die ich gewohnt war. Diese Stimme, die seinem Gesprächspartner sofort das Gefühl hab, dass er definitiv nicht mit einem reden wollte. Ich ignorierte das einfach und wartete, bis er mir den Brief endlich aus der Hand nahm.
„Das ist eine Einladung, nächsten Montag zum Elternabend zu kommen“, antwortete ich dann erst auf seine Frage und sah, wie David abschätzend auf den weißen Umschlag in seinen Händen guckte.
Er kam mir zwar nicht mehr so fertig vor wie noch am Vortag, allerdings schien er auch nicht mehr ganz so ablehnend zu sein. Natürlich sprach er noch immer in der Art, die mir mitteilen wollte, dass er mich nicht leiden konnte, aber trotzdem schien er mich nicht mehr so sehr abzulehnen, wie noch an den Tagen zuvor. Oder bildete ich mir das ein? Würde er mich wirklich ein wenig mehr akzeptieren, weil ich mich um ihn kümmerte?
„Denk bitte daran, ihn abzugeben“, meinte ich abschließend, drehte mich dann um ging langsam zurück zum Lehrerzimmer. Ich war gespannt, ob er es tun würde, falls nicht, musste ich Davids Vater eben persönlich, oder besser, per Telefon darum bitten, hier einmal zu erscheinen.
Kapitel 11 – David
Ungläubig starrte ich auf den Brief in meiner Hand und bemerkte, dass ich zu zittern begann. Nicht aus dem Grund, wieso jedes normale Kind gezittert hätte, nämlich, dass es eine Mahnung oder einen blauen Brief in der Hand hielt und den seinen Eltern zeigen musste. Nein, meine Unruhe galt einer ganz anderen Sache. Ich rang mit mir, was ich nun tun sollte. Sollte ich meinem Vater den Brief in die Hand drücken? Lesen würde er ihn ohnehin nicht, da war ich mir sicher.
Seufzend verstaute ich den Brief in meiner Tasche und blickte in den wolkenverhangenen Himmel. Die ganze Zeit über hatte die Sonne geschienen, doch seit heute Morgen waren dicke, dunkle Wolken an ihre Stelle getreten, die viel besser zu meiner derzeitigen Stimmung passten, als diese trügerisch glücklich erscheinenden Sonnenstrahlen.
Ich wurde wieder ruhiger. Es war klar, dass ich meine aggressive Stimmung nicht lange halten konnte. Das war nun mal nicht ich, egal wie sehr ich mir das einzureden versucht hatte. In mir steckte noch immer der alte David, derjenige, der nicht aufmüpfig war, sondern alles in allem ein lieber Junge mit großen Problemen.
Meine Vernunft siegte über meine Trotzphase und so musste ich wohl oder übel einsehen, dass Mr. Courten nicht einfach nur ein Lehrer war, der Spaß daran hatte, mich zu kontrollieren oder auszuspionieren, sondern jemand, der sich um seine Schüler sorgte.
Und auch wenn ich es mir nicht wirklich eingestehen wollte, aber es tat gut, zu wissen, dass ich doch nicht ganz alleine auf dieser Welt war.
Eine gewisse Abneigung gegen ihn herrschte zwar noch, aber noch einmal so frech zu sein, das wollte ich nicht. Sollte ich etwa so werden, wie mein Vater?
Er war das abschreckendste Beispiel und ich wusste nun, dass ich ihm mit meinem Benehmen verdächtig ähnelte. Eine grausige Vorstellung. Ich wollte ihm niemals ähnlich sein, ich wollte nicht so werden wie er.
Nachdem ich noch weitere vier Stunden Schule hinter mich gebracht hatte, stand ich um ein Uhr vor der Schule und wusste nicht, wohin ich gehen sollte. Nach Hause? Zu meinen Freunden, denen ich ein blaues Auge und eine aufgeplatzte Lippe zu verdanken hatte?
Ich seufzte.
Ich konnte es drehen und wenden wie ich wollte, aber letztendlich kam es immer auf dasselbe heraus. Ich war dabei, in die Arme von Menschen zu laufen, die mich abgrundtief hassten.
Gedankenverloren spielte ich mit dem Brief in meiner Hand herum. Der Brief, den ich meinem Vater geben sollte. Was würde er wohl damit tun, wenn ich ihm den wirklich überreichen würde? Würde er ihn lachend zerreißen?
Bei der Vorstellung von meinem Vater mit einer lachverzerrten, irren Fratze, lief es mir eiskalt den Rücken hinunter und ich atmete tief durch, um meine plötzliche Panik nicht zu sehr in mir aufkommen zu lassen. Doch es half nichts. Mit einem Male fühlte ich mich von jedem Menschen, den ich sah, bedroht.
Wo sollte ich hin? Was sollte ich nur machen?
Diese Fragen quälten mich und schlugen auf mich ein, sodass ich glaubte, meine Beine würden unter mir nachgeben.
Scheinbar war der Moment erreicht, den ich so sehr gefürchtet hatte: Es wurde mir zu viel. Ich packte das alles nicht mehr!
Ich biss mir auf die Unterlippe, um die aufsteigenden Tränen zurückzuhalten. Nein, ich hatte mir doch geschworen, nicht zu weinen. Ich wollte doch stark sein.
Aber diese Verzweiflung brachte mich dazu, all meine Vorsätze zu vergessen. Und so spürte ich einzelne, heiße Tränen auf meinen Wangen, die ich hektisch abwischte.
„David…“, hörte ich mit einem Male eine Stimme hinter mir.
Erschrocken zuckte ich zusammen und wirbelte herum.
Ich blickte in das Gesicht von meinem Klassenlehrer. Viel zu geschockt, dass ich ihn nun vor mir hatte, vergaß ich all die Vorsätze, vor ihm wegzulaufen und starrte ihn an.
Scheinbar merkte Mr. Courten, dass ich gerade noch geweint hatte, denn seine Miene drückte mit einem Male Unsicherheit aus.
„Was machst du noch hier an der Schule? Willst du nicht nachhause gehen?“, fragte er sanft.
Ich schluckte und schüttelte langsam den Kopf.
„Wartest du auf jemanden?“
„Nein“, antwortete ich leise und senkte den Blick. Mir war es mit einem Male peinlich, dass er meine noch feuchten Wangen sehen konnte. Wie wirkte ich denn jetzt auf ihn? Wie ein kleiner, sensibler Junge?
Aber war ich das nicht sogar?
„Wirst du deinem Vater den Brief geben?“, wollte er plötzlich wissen und deutete auf das Kuvert in meiner Hand.
„Er wird den Brief nicht sehen wollen“, erwiderte ich tonlos.
„Wieso nicht?“
Langsam sah ich wieder auf und als ich in Mr. Courtens Augen sah und darin nicht so eine schreckliche Kälte erblickte, wie ich es bei meinem Vater tagtäglich erleben musste, spürte ich wieder diese Schwäche und Panik in mir.
„Ich kann nicht nach Hause“, hauchte ich, ohne mir wirklich über meine wirren Worte bewusst zu werden.
Was tat ich denn da? Wieso erzählte ich meinem Lehrer das? Vielleicht weil ich nicht mehr weiter wusste? Weil ich am Ende war und keine Möglichkeit mehr fand, jemals aus dieser Misere herauszukommen?
Er schien verwundert über meine Aussage zu sein, zumindest verriet es mir sein überraschter Blick.
„Wieso nicht, David?“, fragte er leise.
„Ich…ich habe Angst“, flüsterte ich.
Mit jedem Moment fühlte ich mich unsicherer. War es richtig, das jetzt alles zu sagen? Ausgerechnet Mr. Courten? Sicherlich war es das nicht, aber in meiner jetzigen Situation kümmerte mich mein Stolz nicht mehr. Was ich wollte, war Hilfe! Egal von wem.
Alles erschien mir im Moment besser, als nach Hause zu einem Vater zu müssen, vor dem ich mich so sehr fürchtete.
Diese Angst sollte endlich aufhören. Ich konnte nicht mehr.
Und aus diesem Grund stand ich wie festgewachsen vor Mr. Courten, der mich noch immer unsicher musterte und traute mich keinen Schritt wegzugehen, aus Furcht, ich könnte meinem Zuhause und somit meinem Vater näher kommen.
„Was ist los, David? Vor was hast du Angst?“ Mr. Courten blickte mich sorgvoll an, erschüttert darüber, dass ich nun in einer derart verletzlichen Verfassung war.
Ich zögerte.
Was sollte ich nun tun?
Kapitel 12 – Andy
Sogar noch bevor ich in sein Gesicht gesehen hatte, hatte ich ein beklemmendes Gefühl gespürt, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Als David sich dann auch noch auf mein Rufen seines Namens hin umdrehte und mich mit großen, glänzenden Augen ansah, fühlte ich einen Stich in mir. Seine Wangen glänzten, dieser Junge, David Portian, hatte gerade geweint!
Ich wurde nervös, erstens konnte ich es nämlich nicht aushalten, wenn jemand weinte und ich denjenigen nicht trösten konnte und zweitens war ich unendlich erschrocken darüber, dass gerade er hier stand und ganz offensichtlich gerade noch einmal seine Tränen wegstrich. Ich hatte ihm, auch wenn er am Vortag schon begonnen hatte, sein rebellisches Verhalten abzulegen, nicht zugetraut, dass er weinen würde. Tränen waren doch als Zeichen von Schwäche bekannt und es passte nicht in das Bild von David, dass ich trotz des vortätigen Gesprächs noch hatte.
Leise fragte ich ihn, ob er nicht heimgehen wollte, immerhin war mittlerweile außer ihm kaum mehr jemand zu sehen, die Schüler waren alle nach hause gestürmt, die meisten Lehrer waren auch auf dem Weg nach hause. Warum also stand er so verloren hier vor der Schule und weinte auch noch? Nach seinem ebenfalls leisem „Nein“ bemerkte ich den Brief in seiner Hand, der Brief, den ich ihm gegeben hatte. Er war nicht geöffnet? Schon wieder wunderte ich mich. Selbst ich hatte Briefe an meine Eltern von der Schule immer geöffnet, bevor ich sie meinen Eltern gab!
„Wirst du deinem Vater den Brief geben?“, fragte ich ihn und blickte von dem Umschlag in seiner Hand wieder in sein Gesicht. Sein Blick war ein wenig seltsam, er sah müde aus, wieder wie am Vortag mit diesem Ausdruck in seiner Mimik, dass er nicht mehr weiter konnte. Und dass er ja offensichtlich geweint hatte sagte mir, dass ich das nicht überinterpretierte, immerhin heulte ein 15jähriger Junge nicht grundlos.
„Er wird den Brief nicht sehen wollen“, antwortete David mit einer Mischung aus Gleichgültigkeit und Resignation in seiner Stimme.
„Wieso nicht?“, erwiderte ich und sah, wie er seinen Kopf hob und mich wieder anblickte. Ich versuchte ihn einigermaßen vertrauensvoll anzusehen, ich wollte, dass er endlich genug Vertrauen fasste, mir zu sagen, was ihn quälte. Ich wusste, dass ich nicht der perfekte Ansprechpartner war, noch dazu kannte ich ihn gerade mal eine knappe Woche, aber scheinbar gab es da außer mir niemanden und mich hatten Ehrgeiz und Mitleid gepackt, diesem Jungen zu helfen.
„Ich kann nicht nach Hause“, sprach David dann plötzlich und ich merkte, dass er sichtbar schluckte und seine Lippen leicht öffnete. Er machte den Eindruck, als würde er jeden Moment wieder anfangen zu weinen. Aber er redete mit mir! Er sagte mir gerade Dinge, die ich vorher nie aus ihm heraus bekommen hatte!
„Wieso nicht, David?“, versuchte ich vorsichtig mehr aus ihm heraus zu bekommen.
„Ich... ich hab Angst“, flüsterte er mit dünner Stimme und schluckte wieder merklich. Mein Gott! Was war mit diesem Jungen? Was machte man mit ihm, dass er so etwas sagte, dass er so etwas fühlte? David hatte gerade gesagt, dass er Angst hatte, nach Hause zu gehen! Was war da nur los?
„Was ist los, David? Vor was hast du Angst?“, fragte ich weiter und sah auf ihn herab. Er hatte eine Hand in der Hosentasche vergraben und scheinbar zu einer Faust geballt, die andere hielt das Kuvert, sie zitterte.
„Ich... es... nein... Scheiße“, fluchte er dann, schloss seine Augen für einen kleinen Moment, drehte sich weg und wandte sich wieder mir zu. Warum sagte er es nicht? Ich hatte ihn so weit! Er hatte eingestanden Angst zu haben, es war nur noch ein kleiner Schritt mir zu sagen, was seine Angst verursachte. Aber der kleine Kerl vor mir war am Boden und dieser kleine Schritt schien viel zu groß zu sein.
„Hey, ganz ruhig“, sprach ich leise. „Komm erst mal.“
Ich legte ihm nach kurzem Zögern eine Hand auf die Schulter und diesmal wich er nicht aus. Vorsichtig drückte ich ihn in Richtung einer der Betonsitzbänke auf dem Hof und ließ ihn sich dort hinsetzen. David ließ das alles mit sich geschehen und blickte zu Boden, seine Augen sahen glänzend aus, ein wenig, als ob er tatsächlich noch einmal beginnen würde zu weinen.
„David, vor was hast du Angst?“, fragte ich ihn, nachdem wir einige Zeit geschwiegen hatten, leise und versuchte ihm in die Augen zu sehen.
„Weshalb hast du Angst nach Hause zu gehen?“, formte ich meine Frage um, als er nicht geantwortet hatte, legte ihm vorsichtig eine Hand auf die Schulter und zwang ihn, mich anzusehen. Ich versuchte ihn möglichst vertrauensvoll anzusehen, damit er endlich sagte, was los war.
„Mein Dad... er... hat sich so verändert. Er ist so anders geworden“, brachte er dann irgendwann, flüsternd über seine Lippen und wich meinem Blick wieder aus. Sein Vater? Also spielte der tatsächlich eine größere Rolle in dem Ganzen, als ich es anfangs erwartet hatte!
„Was ist denn anders geworden?“, fragte ich leise weiter und nahm erst einmal meine Hand von seiner Schulter. Sicher war das eine verständliche Geste, wenn ich ihn doch gerade beruhigen musste, aber ich war ziemlich unsicher was den Umgang mit Schülern und Körperkontakt anging.
„Er ist... anders eben. Er ist nur noch zuhause und er tr... Er kümmert sich nicht mehr um all das, was ihm früher wichtig war“, erklärte David und spielte währenddessen mit seinen Fingern. Sein Vater war also der Grund für seine Probleme, scheinbar kümmerte sie dieser Vater eben nicht mehr um die Dinge, die ihm wichtig waren und wahrscheinlich vor allem nicht mehr um seinen Sohn.
„Ich fühle mich zuhause eben nicht mehr so richtig wohl und deshalb war ich viel bei meinen Freunden“, sprach er dann plötzlich energisch weiter, ein wenig, als wolle er vom Thema ablenken. „Aber die sind eben auch wohl nicht so das richtige, ich dachte, dass ich sie irgendwie als Ersatz nehmen könnte, weil die Leute an der Schule und... mein Vater so anders zu mir waren.“
Ich wunderte mich über seinen Themenwechsel und David schien zu bemerken, dass ich wusste, dass er nur vom vorherigen Thema ablenken wollte. Er wollte also nicht weiter über seinen Vater sprechen? Dann schien es wohl über dieses Thema einiges zu sagen zu geben, allerdings wollte er das nicht. Und genau das machte mich nur noch verwunderter und vor allem besorgter.
„Seit wann geht das denn schon, dass du nicht mehr zuhause sein willst?“, fragte ich ihn.
„Seit ein paar Wochen vor den Ferien. Seit er a...“, David seufzte. „Seit er arbeitslos ist.“
„Dein Vater?“, fragte ich vorsichtshalber nach und er nickte, ohne mich anzusehen.
„Was macht er denn seitdem?“, erkundige ich mich und versuchte weiterhin ihn dazu zu bringen, dass er mich wieder ansah.
Doch David schwieg auf meine Frage nur, aber dieses Schweigen schien viel, viel zu viel zu sagen.
Kapitel 13 – David
„Was macht er denn seitdem?“
Seine Frage brachte mich in einen seltsamen Zwiespalt. Ich realisierte erst so langsam, dass ich hier allen ernstes mit meinem Klassenlehrer saß und gerade dabei war, über meine ganzen Probleme zu reden. Einige Dinge hatte ich umgehen können, doch andere Sachen waren mir einfach so über die Lippen gehuscht, ohne dass ich mich selbst kontrollieren hätte können. Denn auch wenn ich es nicht zugeben wollte, zu reden half mir ein wenig. Ich spürte, dass ich wieder ruhiger wurde, jetzt da jemand neben mir saß und mir ein Gefühl von Milde gab. Dass es Mr. Courten war, machte mir nichts aus. Meine Abneigung gegen ihn war in gewisser Weise verschwunden, denn langsam wurde mir klar, dass ich kindisch gehandelt hatte, als ich ihn hassen wollte. Er hatte Recht. Ich kannte ihn nicht. Und aus diesem Grund durfte ich mir auch kein Urteil über ihn machen, das zumal auch noch gar nicht zu ihm passte. Er war weder arrogant noch kühl. Im Moment war er für mich einfach ein Mensch, der sich um mich bemühte. Und dafür dankte ich ihm still.
„Er sitzt einfach nur noch zuhause“, antwortete ich leise und atmete tief durch, um meine erneuten Tränen zurückzuhalten.
Mr. Courten sah mich eine Weile an. „Das ist doch nicht alles, oder?“
Ich fühlte mich ein wenig unwohl und wich seinem Blick aus. Natürlich konnte ich ihm nicht sagen, was wirklich los war. Nämlich, dass Dad ständig betrunken war. Wahrscheinlich würde Mr. Courten dann das Jugendamt verständigen. Und dieser Gedanke machte mir Angst.
Ich wollte nicht von zuhause weg. Niemals.
„Es tut mir leid“, flüsterte ich.
„Was tut dir leid?“ Er machte ein verwirrtes Gesicht.
Ich sah Mr. Courten wieder an und lächelte unsicher. „Dass ich so frech zu Ihnen war.“
Meine Worte schienen ihn sichtlich zu erstaunen, denn ihm klappte kurz der Mund auf. „W…was?“
„Normalerweise bin ich nicht so“, redete ich leise weiter.
Ich wusste nicht genau, wieso ich das nun alles sagte, aber ich fühlte mich so, als müsste ich endlich mal das loswerden, was ich meinem Lehrer schuldig war: Eine Entschuldigung für mein unangebrachtes Verhalten.
Immerhin kümmerte er sich ja wirklich sehr um mich, obwohl ich das sicherlich nicht verdient hätte.
Und plötzlich lächelte Mr. Courten auch. „Deine Entschuldigung bedeutet mir sehr viel. Danke!“
Es fühlte sich gut an, als er mir ein Lächeln schenkte und für einen kurzen Moment vergaß ich all die Probleme und Ängste, die in mir wüteten.
Für diesen Augenblick zählte nur diese angenehme Wärme in mir, die ich so plötzlich verspürte. Ich wusste nicht, woher sie kam, aber sie war sehr angenehm.
Ich hatte keine Ahnung, wie lange wir so dort saßen und uns ansahen, aber irgendwann löste er diesen Kontakt und blickte auf seine Hände.
„Was wirst du jetzt tun, David?“, fragte er mich leise. „Ich meine, du musst nach Hause gehen.“
Ich nickte langsam. „Sie…Sie haben Recht. Ich bin es scheinbar einfach noch nicht gewohnt, dass mein Vater den ganzen Tag über daheim sitzt.“
Ein tapferes Lächeln zierte meine Lippen, das genauso falsch war, wie meine feste Stimme. Eigentlich wollte ich Mr. Courten zeigen, wie schrecklich es für mich war, zuhause bei meinem Vater zu sein, der mich psychisch fertig machte. Aber jetzt verließ mich der Mut. Mein flehender Blick nach Hilfe verflüchtigte sich und als er aufstand, spürte ich erneut eine aufkommende Unruhe in mir.
„Soll ich…soll ich dich nach Hause fahren?“, fragte er mich plötzlich und zog seine Autoschlüssel hervor.
Ich spürte, wie meine Wangen rot wurden. Wieso mir das nun so peinlich war, wusste ich selbst nicht so genau, aber ich schüttelte nur hektisch den Kopf.
„N…nein. Das ist nicht nötig“, murmelte ich mit starrem Blick auf meine Hände. „Ich wohne nicht weit von der Schule entfernt.“
Er nickte, scheinbar ebenfalls ein wenig verunsichert.
Ich schluckte und sah langsam auf in seine Augen. Sie wirkten ein wenig verwirrt und als er merkte, wie sehr ich ihn musterte, wandte er schnell den Blick wieder ab.
Diese Situation war merkwürdig, aber ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen. „Trotzdem danke“, sprach ich also, um die Stille zu unterbrechen.
Wieder nickte er. „Ich wünsche dir viel Glück, David. Und danke für…für deine Entschuldigung.“
„Andrew!“, rief plötzlich jemand.
Mr. Courten drehte sich um und winkte Mr. Hoffmann zu, der in einiger Entfernung zu uns am Schultor stand.
Dann wandte er sich wieder mir zu. „Also bis morgen, David.“
„Bis morgen.“ Ich lächelte ein wenig und wartete darauf, dass er sich in Bewegung setzen würde.
Und als Mr. Courten dann schließlich außer Sichtweite war, merkte ich, dass ich die ganze Zeit, während unseres Schweigens unterbewusst den Atem angehalten hatte. Jetzt holte ich tief Luft und spürte so etwas wie ein leichtes Kribbeln in der Magengegend.
Völlig verwirrt strich ich mit einer Hand über meinen Bauch und seufzte. Was war denn nun los? Wieso fühlte ich plötzlich kaum noch Ängste? Wieso entschwand meine Verzweiflung immer weiter? Ich verstand es nicht. Genauso wenig wusste ich, wieso es in meinen Ohren rauschte und warum mein Herz so schnell schlug.
War es Aufregung, weil ich jetzt doch nachhause gehen wollte? Oder hatte das alles einen anderen Grund?
Langsam machte ich mich schließlich auf den Weg nachhause. Mit zittrigen Beinen bewältigte ich diese Hürde und als ich vor der Haustüre stand, war von dem seltsamen Gefühl mit Herzklopfen und Bauchkribbeln nichts mehr übrig.
Jetzt fühlte ich mich komplett leer.
Wie benommen schloss ich die Türe auf und huschte schnell die Treppen hinauf in mein Zimmer. Gott sei Dank lief ich meinem Vater nicht über den Weg.
Hektisch verschloss ich meine Zimmertüre und lehnte mich schwer atmend dagegen.
Ich hatte es geschafft! Ich hatte es tatsächlich geschafft, meinem Vater nicht über den Weg zu laufen.
Etwas erleichtert setzte ich mich an meinen Schreibtisch und holte in der Absicht, endlich mal wieder meine Hausaufgaben zu tätigen, mein Englischbuch hervor.
Als ich es aufschlug, spürte ich schon wieder dieses Herzklopfen und es zwang mich zu einem zufriedenen Lächeln.
Ich las mir die Aufgabe durch, die wir aufbekommen hatten und hatte plötzlich nur einen Gedanken:
„Andrew…“, flüsterte ich leise.
Kapitel 14 – Andy
„Das mit dem Jungen scheint ja langsam besser zu laufen“, meinte Kevin lächelnd. „Ich bin Donnerstag wirklich erschrocken, als ich gesehen hab, wie er zugerichtet war! Hat er Ihnen gesagt, woher seine Verletzungen stammen?“
Ich hörte ihm nur mit einem Ohr zu, versuchte mehr mein wahnsinnig schnell klopfendes Herz wieder unter Kontrolle zu bringen.
„Hat er, ja. Ich werde wahrscheinlich am Montag mit seinem Vater reden, David scheint ein paar wenig vertrauensvolle Freunde zu haben“, erklärte ich kurz und Kevin nickte, noch ein wenig mehr lächelnd.
Mein Puls normalisierte sich langsam und es war nicht mehr so anstrengend meinen Atem in einer normalen Frequenz zu halten.
„Nun, dann sehen wir uns Montag! Und Glückwunsch zu Ihrem Erfolg mit David!“, verabschiedete Kevin sich und legte mir einen Moment eine Hand auf die Schultern.
„Danke! Schönes Wochenende!“, erwiderte ich mit einem mehr oder weniger gezwungenem Lächeln und ging noch einige Schritte weiter zu meinem Wagen.
Nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, legte ich meine Hände aufs Lenkrad und lehnte meine Stirn dagegen. Einen Moment lang schloss ich meine Augen und atmete tief durch. Dieser Moment... Dieser Blickkontakt... Und dieser Gesichtsausdruck dieses Jungens! Warum musste das gerade mir passieren? Ich hatte ja solche Panik bekommen, als Kevin plötzlich gerufen hatte. Immerhin stand ich dort gerade mit einem Schüler, bot ihm an, ihn nach hause zu fahren! Aber was war denn schon dabei? Ich wusste, dass er Probleme hatte und dieses ‚nach Hause fahren’ hätte ja auch irgendeinen Hintergrund haben können, zum Beispiel heraus zu finden, ob er auch wirklich nach Hause ging! Und in gewisser Weise war das auch der Grund, weshalb ich ihm das angeboten hatte, ich wollte sicher gehen, dass er nach hause ging, nicht wieder bei diesen ‚Freunden’ herumhing, die ihm sein Gesicht derart lädiert hatten.
„Das war harmlos“, flüsterte ich leise, atmete wieder tief durch und startete dann meinen Wagen.
Es war harmlos! Für einen Außenstehenden war das einfach nur ein Gespräch zwischen Schüler und Lehrer gewesen – und das war es ja auch – und David hatte sicher nicht bemerkt, dass ich ihn einige Momente zu lang angesehen hatte. Okay, er hatte mich ebenfalls etwas unsicher gemustert, aber genau das beruhigte mich noch ein wenig mehr, ich hatte nichts Verwerfliches getan, nichts, was David oder jemand anderes falsch verstehen konnte. Ich war einfach nur zu unsicher.
Bei dem Gedanken an seine Entschuldigung wurde mir etwas flau im Magen. Ich hatte David also wirklich soweit gebracht, dass er mir vertraute und seine Meinung von mir geändert hatte, sonst hätte er sich schließlich nicht entschuldigt. Ein klein wenig war ich stolz darauf, außerdem war ich froh darüber, dass David es schaffte ein bisschen Vertrauen zu mir zu fassen. Immerhin brauchte er dringend jemanden zum Reden und scheins kam da momentan niemand anderes in Frage. Und es hatte David geholfen, mir all das zu erzählen, ganz eindeutig.
Ich musste lächeln. Dieses Gespräch gerade kam ein wenig meinem Idealbild eines Lehrer-Schüler-Verhältnisses nahe, er sprach ziemlich offen mit mir und ich gab mein Bestes ihm zu helfen. Als Schüler hatte ich es mir gewünscht, wenn man mit einem Lehrer so offen hätte reden können und nun wünschte ich mir als Lehrer, dass meine Schüler das ebenfalls wollten. Und David tat es. Ich war stolz darauf, dass ich wohl doch nicht so schrecklich gegenüber den Jugendlichen erschien, wie ich mich manchmal fühlte, wenn schließlich sogar David, der mich anfangs wirklich sehr deutlich nicht leiden konnte, mir von seinen doch sehr persönlichen Problemen erzählte.
Zuhause angekommen, merkte ich, dass ich noch immer lächelte. Auch wenn es traurig war, dass es dem Jungen schlecht ging, war ich glücklich darüber, dass er gesprochen hatte. Vielleicht konnte ich ihm ja helfen? Wenigstens seinem Vater am Montag klar machen, wie sehr seine scheinbare Gleichgültigkeit seinem Sohn gegenüber ihn traf. Und vielleicht würde das wirklich helfen? Ich hoffte es für David. Vielleicht ging es ihm aber auch von ganz allein wieder besser? Immerhin hatte das Reden geholfen, eventuell hatte er ja auch genug Mut gefunden, seinem Vater zu sagen, dass es ihm nicht gut ging seinetwegen. Vielleicht ging es ihm am Montag ja wieder gut?
Ich musste unwillkürlich noch ein wenig mehr lächeln, David und ich hatten uns mit einem ‚bis morgen’ verabschiedet, dabei war doch Freitag. Wir waren beide scheinbar wohl ein wenig durch den Wind gewesen in diesem Moment und mich beruhigte es, dass es ihm genauso gegangen war, wie mir. Schließlich wäre es doch ziemlich kontraproduktiv gewesen, wenn nur ich so verunsichert und verwirrt ihm gegenüber gewesen wäre, aber ihm ging es ja nicht anders.
Seufzend schloss ich mein Appartement auf, ließ meine Tasche neben die Couch fallen und setzte mich auf eben diese. Eine der wenigen wirklich negativen Veränderungen, dadurch dass ich hergezogen war, stellte ich zum tausendsten Mal fest, war die Größe meiner Wohnung. Damals hatte ich noch ein echt großes Appartement, mit Flur, Wohnzimmer, Küche, Bad und Schlafzimmer gehabt. Doch durch Anwaltskosten und all das konnte ich mir mittlerweile nur noch dieses Mini-Appartement mit Wohnzimmer direkt hinter der Wohnungstür, Küche im Wohnzimmer, Schlafzimmer und Bad leisten. Durch den Platzmangel blieb mir auch nicht viel Platz zum Arbeiten, also breitete ich meine Sachen für den Unterricht auf den Couchtisch aus und begann mit der Unterrichtsvorbereitung für die nächsten Stunden.
In meiner Zehnten war es langsam Zeit, dass die Schüler den ersten Aufsatz über eine der Personen aus dem Buch schrieben und ich war wirklich sehr gespannt darauf. Einerseits, weil ich das zum ersten mal unterrichtete und andererseits, weil mich die Interpretationen einiger Schüler sehr interessierten. Ich musste zugeben, und wollte das auch gar nicht bestreiten, dass mich interessierte, was David schreiben würde. In dem Buch ging es größtenteils um einige Jugendliche aus der Oberschicht und einige aus dem Slum, die gezwungener Maßen in eine Schule gehen. Es interessierte mich definitiv, was David darüber schreiben würde, dass einige der Jungen regelmäßig Prügeleien anstachelten, auf der Straße herumsaßen und kaputte Familien hatten.
Ich entschied, dass die Klasse einen ersten Versuch einer Charakteristik über George schreiben sollte. Der Junge war 16, seine Mutter Alkoholikerin und der Vater verschwunden. Ich wollte sehr gern wissen, was David darüber schreiben würde, aus solchen Aufsätzen ließ sich wahnsinnig viel herauslesen, wahrscheinlich genau die vielen Einzelheiten, die David noch nicht bereit war, mir zu offenbaren. Es war unfair, ihn dadurch ‚auszuhorchen’, aber immerhin hatte ich entschlossen, dass wir das Buch lasen, bevor ich von einem Jungen mit gewalttätigen Freunden und einem scheinbar kaputten Elternhaus gehört hatte. Ich mochte die Geschichte einfach.
Kapitel 15 – David
Mit gesenktem Kopf und Händen in den Hosentaschen stand ich am Straßenrand und blickte starr zu Boden, so als würde ich mich brennend für den ausgespuckten Kaugummi auf dem Gehweg interessieren. Natürlich tat ich das nicht.
Es war Samstagnachmittag und ich hatte mir wirklich schwer überlegt, ob ich das tun sollte. Eigentlich war mir klar gewesen, dass es nur Ärger bringen würde, aber schließlich war ich doch meinem Willen gefolgt, der von mir verlangt hatte, so wenig wie möglich zuhause zu sein. Und genau aus diesem Grund stand ich jetzt mit Greg, Justin und Darren hier.
Es waren meine Freunde. Meine Freunde?
Ich musste ein wenig lächeln bei diesem Gedanken. Freunde, denen ich ein blaues Auge und eine aufgeplatzte Lippe zu verdanken hatte? Seltsame Freunde.
Aber sie waren die Einzigen, die mir etwas anderes bieten konnten, als ein Zuhause, das einer wahren Hölle glich. Sie waren allesamt älter als ich, 18 bis 20 Jahre. Dagegen war ich mit meinen 15 Jahren natürlich noch ein Kind, ein unschuldiges Kind, das man herumschikanieren konnte. Es war klar, dass sie sich das zunutzen machen würden.
„Du weißt, was du zu tun hast, David?“, zischte mir Darren zu und schupste mich unangenehm in die Seite.
Ich erwiderte nichts darauf, sondern nickte nur schwermütig.
„Vermassle es nicht wie das letzte Mal!“, meinte Greg und drückte seine Zigarette aus.
Ich seufzte kaum hörbar und nickte ein weiteres Mal. Ich fand keinen Sinn darin, dass ich diesen Typen bei etwas half, von dem ich noch nicht einmal mit profitieren würde. Aber was sollte ich tun? Es war ein regelrechter Teufelskreis, in dem ich mich befand. Entweder verbrachte ich die freie Zeit am Wochenende bei meinem besoffenen Vater oder aber ich lenkte mich ab und fiel meinen ‚Freunden’ zum Opfer, klaute für sie und hatte dadurch die Möglichkeit, meine eigentlichen Sorgen zu vergessen. Zumindest für die Zeit, in der ich Dinge in Geschäften für sie klaute, in denen sie schon längst Hausverbot hatten. Ich, als zierlicher 15jähriger, fiel kaum auf, ganz im Gegensatz zu Greg, Darren oder Justin, die eher einem Panzerschrank ähnelten, als einem Menschen.
„Also, dann zisch ab!“, murmelte Justin und drückte mich Richtung Kaufhaus.
Widerwillig tat ich, was sie von mir verlangten und verschwand zwischen den Menschenmassen, die sich vor dem großen, hellbeleuchteten Eingang tummelten.
Mein Weg führte mich in das dritte Stockwerk, in die Computerabteilung. Ich war hier schon einmal gewesen, um meine „Dienste“, wie Darren es nannte, auszuführen. Hier wurde ich noch nie erwischt, wenn ich für die Jungs PC-Spiele klaute. Samstage eigneten sich gut für solche Aktionen, denn wenn so viele Menschen unterwegs waren, fiel es umso einfacher, in den Massen unterzugehen. Trotzdem war Klauen eine Tätigkeit, die ich nach wie vor verabscheute und die mir wahnsinniges Herzklopfen bereitete, sobald ich eine gewünschte Ware in den Händen hielt und unauffällig in meine Jackentasche verschwinden ließ.
Jedes Mal fühlte ich mich schrecklich dabei. Früher hatte mir Dad oft eingebläut, dass Klauen eine der widerlichsten Sachen sei, die er sich vorstellen könnte. Man müsste für seine Wünsche hart arbeiten, das waren stets seine Worte gewesen.
Trübselig dachte ich daran, was er nun sagen würde, würde er herausfinden, dass ich seine weisen Worte so sehr missachtete. Ob es ihm egal wäre? Ob er sich überhaupt noch selbst an seine Ansichten erinnern könnte?
Ich bezweifelte es mittlerweile.
Im dritten Stockwerk angekommen, lief ich durch die Regale, immer darauf bedacht, meine Nervosität gut zu verstecken. Ich kannte die Kaufhausdetektive schließlich; sie waren immer auf der Suche nach Leuten wie mir, die sich auffällig verhielten.
Erwischt wurde ich schließlich schon fast einmal. Gerade noch rechtzeitig hatte ich wegrennen können. So etwas wollte ich wahrhaftig nie wieder erleben.
Ich spürte, wie meine Augen in dem hellen Licht des Kaufhauses schmerzten. Auch mein Kopf tat heute schon den ganzen Tag weh, nur jetzt wurde es schier unerträglich. Er dröhnte geradezu, als die aggressive Musik, die hier gespielt wurde, meine Ohren erreichte.
Hoffentlich wurde ich nicht krank. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn ich für ein paar Tage lahm gelegt sein würde und gezwungen war, zuhause zu bleiben. Nein, das wollte ich nicht! Lieber würde ich mit 40 Grad Fieber in der Schule sitzen.
Hektisch und doch bemüht langsam, durchforstete ich die Regale nach den besagten zwei PC-Spielen, die ich für Darren und Greg klauen sollte.
Endlich hatte ich sie gefunden und hielt sie in meiner Hand. Es waren genau die zwei Spiele, bei denen der Klauschutz fehlte. Greg hatte sie einen Tag zuvor entdeckt. Alles, was ich tun musste war also, sie unbemerkt aus dem Kaufhaus zu befördern.
Neben mir standen zwei ältere Frauen, die sich gerade lauthals darüber unterhielten, was ihre Enkel denn nun zum Geburtstag haben wollten und ob alle Spiele hier so teuer seien.
Unauffällig und mit gesenktem Kopf atmete ich tief durch, bevor ich blitzschnell die beiden Spiele in die Innenseite meiner Jacke verstaut hatte.
Ich spürte, wie meine Beine zu zittern begannen. Eigentlich wollte ich nun nichts lieber, als blitzschnell zu verschwinden, aber ich wusste, dass ich langsam zum Ausgang laufen musste. Ich schwankte leicht, als ich mich in Bewegung setzte und meine Stirn fühlte sich von Minute zu Minute heißer an. Wenn doch nur meine Kopfschmerzen verschwinden würden!
„David!“, rief plötzlich jemand und ich zuckte erschrocken zusammen, sodass ich beinahe die PC-Spiele aus der Jacke hätte fallen lassen.
Nervös wandte ich mich um und bekam große Augen, als ich in ein Gesicht sah, das mir sehr vertraut war: Mr. Courten!
Sofort schnürte sich mir die Kehle zu. Hatte er etwa bemerkt, dass ich am Klauen war? Ich war so verwirrt und aufgeregt, dass ich keinen Ton herausbrachte, als er vorsichtig lächelnd auf mich zuschritt.
„Hallo! Wie geht es dir?“, fragte er mich mit einer sanften Stimme, die neben all dem Lärm und dem Trubel richtig beruhigend für meinen Kopf wirkte.
Doch noch immer war ich nicht fähig, etwas zu erwidern. Wieso ausgerechnet jetzt? Wieso sah ich ihn jetzt, da ich Spiele im Wert von knapp 100 Dollar in meiner Jackentasche dabei hatte?
Mr. Courten schien zu bemerken, dass etwas nicht stimmte, denn seine freundliche Miene wechselte sich in eine Besorgte um. „Ist alles in Ordnung mit dir, David? Du siehst so blass aus.“
Ich versuchte verzweifelt, meine Stimme wieder zu erlangen, aber noch bevor ich etwas hätte sagen können, spürte ich eine starke Hand auf meiner Schulter, die mich kurz aufschreien ließ. Und weil ich mich ein weiteres Mal so heftig erschreckte, kam es, wie es kommen musste. Die zwei Spiele fielen mir zu Boden.
„Kaufhausdetektiv!“, zischte derjenige, der mich festgehalten hatte und streckte mir einen Ausweis hin. „Könntest du bitte mitkommen? Du stehst unter Verdacht, zwei Spiele klauen zu wollen.“
Ich keuchte leise auf und mir wurde regrecht schwarz vor Augen, solch eine Panik breitete sich nun in mir aus.
Verzweifelt blickte ich zwischen dem Detektiv und meinem Lehrer hin und her und war nahe daran, in Tränen auszubrechen, weil ich nun keinen Ausweg wusste.
Ich bemerkte Mr. Courtens verwirrten Gesichtsausdruck, als er die Klauware auf dem Boden betrachtete.
„Kommst du bitte mit?“, meinte der Detektiv noch einmal. Seine Stimme klang hart im Gegensatz zu der von Mr. Courten. Eine unangenehme Gänsehaut lief mir über den Rücken, als er mich an der Schulter packte und mitschleifen wollte.
„Entschuldigen Sie!“, hörte ich dann plötzlich Mr. Courten sagen.
Verwirrt sah ich auf und blickte in sein entschlossenes Gesicht, mit dem er den Mann anschaute. „Was haben Sie bitteschön vor? Mein Neffe sollte doch lediglich zwei PC-Spiele für mich aussuchen, die ich ihm aufgetragen hatte.“
Ich konnte nicht glauben, was Mr. Courten da plötzlich sagte. Log er jetzt etwa für mich? Ich wagte diesen Gedanken kaum in mir aufkommen zu lassen.
Der Detektiv blickte ihn abschätzend an. „Bitte?“
Mr. Courten nickte ungeniert. „Ja, ich wollte gerade eben mit ihm an die Kasse gehen. Wieso halten Sie uns jetzt auf?“
Ich traute mich nicht mehr aufzusehen. Einige Momente hielt mich der Kaufhausdetektiv noch fest, doch dann ließ er mich wie durch ein Wunder los und redete noch etwas vor sich hin, bevor er sich mit einem „Entschuldigen Sie“ von uns verabschiedete und wieder ging.
Mein Herz klopfte wahnsinnig schnell. Verbissen starrte ich auf meine Schuhe und konnte die Blicke meines Lehrers spüren.
„Kommst du, David?“, meinte er dann mit derselben, sanften Stimme.
Kapitel 16 – Andy
Was zur Hölle tat ich hier gerade? Warum zum Teufel legte ich dem Jungen eine Hand auf die Schulter und drückte ihn vorsichtig Richtung Kasse, während er mit zitternden Fingern diese beiden Spiele festhielt, die ihm jeden Moment wieder herunterfallen wollten? Ich hatte gelogen! Ich hatte für ihn einen Kaufhausdetektiv belogen, weil er verdammt noch mal geklaut hatte. Ich spürte die Blicke dieses eindeutig angsteinjagenden Typen noch immer in meinem Nacken.
„95,99 $ bitte!“, hörte ich die Stimme der Kassieren, nachdem ich David mit einem Nicken angewiesen hatte, die Hüllen auf das Laufband zu legen. Ich zahlte mit definitiv unnormal schnell klopfendem Herzen, drückte David die Tüte in die Hand und zog ihn aus dem Kaufhaus. Der Detektiv hatte uns bis zuletzt beobachtet und tat das auch jetzt noch, also zog ich David und mich aus seinem Blickfeld.
Mein Herzschlag normalisierte sich langsam und ich begriff nach und nach. Ich hatte ihn gerade also vor einem Kaufhausdetektiv beschützt. David hatte versucht zu klauen! Computerspiele! Wozu brachte dieser Junge mich verdammt noch mal? Ich hatte ihm geholfen ungeschoren davon zu kommen, obwohl er geklaut hatte! Ich merkte, dass ich wütend wurde. Das ging definitiv zu weit, weshalb hatte ich das also gemacht? Dass ich es nicht aushalten konnte, David zu sehen, wie er niedergeschlagen, totenbleich und völlig verängstigt ziemlich sichtbar gegen seine Tränen angekämpft hatte, war doch wohl kein Argument!
„Warum?“, riss seine Stimme mich plötzlich aus meinen Gedanken. Er klang noch immer verängstigt und vor allen Dingen ziemlich verlegen.
Ich atmete tief durch. Okay, scheinbar hielt ich es also wirklich nicht aus, ihn und sein verdammtes, trauriges Gesicht in so einer Situation zu erleben, aber das hieß noch lang nicht, dass ich nicht wütend auf mich selbst sein konnte, weil ich das getan hatte. Ich ärgerte mich maßlos über mein eigenes Verhalten – und darüber, dass er klauen wollte. Doch erst einmal wunderte ich mich, was er gerade von mir wissen wollte.
„Warum haben Sie...“, begann er leise. „Haben Sie das für mich gemacht?“
Das wollte ich auch gerne wissen. Jedenfalls wäre es gut gewesen, einen Grund dafür zu wissen, den ich ihm sagen konnte, denn ihm zu erklären, dass ich ihn nicht mit diesem derart traurigen Gesichtsausdruck hatte ertragen können, war sicher nicht das beste. Aber musste ich überhaupt etwas erklären?
„Sag du mir lieber, was das sollte, David. Und bitte, versuch gar nicht dich heraus zu reden, sag einfach die Wahrheit“, entgegnete ich statt einer Antwort auf seine Frage und blickte ihn auffordernd an.
„Ich... Ich hab die Sachen nicht für... mich geklaut“, erklärte er und räusperte sich. „Das war für meine Freunde. Die, die auch das letzte mal... Ich wollte eigentlich nicht wieder zu ihnen, aber... ich wusste nicht, wohin sonst und ich hab es zuhause nicht mehr ausgehalten.“
Na prima! Anstatt, dass ich mich weiterhin über ihn ärgern konnte, merkte ich, dass ich schon wieder so etwas wie Mitleid für ihn empfand. Aber er hatte doch verdammt noch mal geklaut! Nur die Umstände des ganzen machten es sogar für mich verflucht schwer, ihn dafür zu verurteilen. Ich konnte ihn verstehen, ich konnte verstehen, dass er nicht zuhause sein wollte, dass er nicht so schnell andere Freunde fand, dass er tat, was diese sogenannten Freunde von ihm verlangten. Aber verdammt, ich musste es verurteilen, dass er das gemacht hatte, er hatte eine Straftat begangen!
„Es... es tut mir wirklich leid! Ich hätte das nicht tun dürfen, ich weiß“, setzte David noch leise dazu und schluckte. „Ich werde das Geld irgendwie auftreiben, ich werd das bezahlen!“
Ich seufzte und schüttelte den Kopf.
„Es geht mir nicht ums Geld, David. Du weißt, dass du eine Straftat begangen hast und dass das verdammt noch mal falsch war, ganz egal, ob du das für dich geklaut hast, oder für jemand anderen“, versuchte ich ihm das ganze klar zu machen, obwohl es mir selbst schwer fiel, aus seiner Lage einen Ausweg zu sehen.
„Ja, ich weiß, dass das falsch war, ich...“, begann er, brach allerdings ab. Ich tat in dem Moment genau das, was ich die ganze Zeit vorher vermieden hatte, um nicht wieder einzubrechen, ich blickte ihm ins Gesicht. Davids Haut sah leichenblass aus, nur seine Wangen schienen regelrecht zu glühen. Er blinzelte schwach und schwankte unmerklich. Konnte es sein, dass er krank war? Konnte es definitiv!
„Sag mal, geht’s dir gut?“, fragte ich ihn blödsinnigerweise, worauf David ein wenig benebelt seinen Blick hob.
„Du siehst gar nicht gut aus“, murmelte ich leise und legte vorsichtig eine Hand auf seine Stirn. Instinktiv biss ich mir auf die Unterlippe. Verdammt! Ging ich hier gerade nicht ein wenig zu weit? Aber verflucht, der Junge glühte, hatte 100 pro ziemliches Fieber und sah aus, als würde es ihm echt dreckig gehen!
„Okay, ich glaube, du solltest jetzt ganz dringend nach Hause gehen“, meinte ich leise. Doch David blinzelte nur einige male noch immer etwas benebelt und schüttelte dann leicht den Kopf.
„Nein, David, es ist mir egal, ob du nach Hause willst, oder nicht. Du bist krank und solltest im Bett liegen. Es ist besser, ich fahr dich heim“, entschied ich mehr oder weniger geistesgegenwärtig und legte ihm vorsichtig einen Arm um die Schultern. In dem Moment war es mir egal, ob ich einen oder sogar mehrere Schritte zu weit ging. Ich machte mir Sorgen um David und in diesem Augenblick auch um seine Gesundheit, immerhin wusste ich, dass es ihm eh schon psychisch nicht gerade toll ging.
„Ich kann Ihnen doch nicht...“, murmelte David leise, während ich ihn zum Parkplatz in meinem Wagen dirigierte, doch ich schüttelte nur wieder den Kopf.
„Ich denke, als dein Lehrer und als Mensch ist es meine Pflicht, dich so schnell wie möglich nach Hause zu bringen“, erklärte ich und merkte, dass er sich wohl unbewusst ein klein wenig gegen mich lehnte. Ich warf einen Blick in sein Gesicht und sah, dass es ihm definitiv nicht gut ging, der Junge konnte sich ja kaum mehr auf den Beinen halten!
„Moment, ich muss kurz an meine Autoschlüssel“, meinte ich leise, als wir an meinem Auto angekommen waren und kramte meine Schlüssel aus meiner Hosentasche. David schien sich geschlagen gegeben zu haben und trottete langsam auf die Beifahrerseite. Okay, vielleicht war es nicht so normal, dass ich ihn nach hause fuhr, aber er war krank und ich konnte ihn ganz einfach als Mensch nicht dort stehen lassen!
„Setz dich“, wies ich ihn an, als ich die Tür von innen geöffnet hatte und David wieder einen Moment zögerte einzusteigen. Allerdings schien es mir, als sah er selbst ein, dass er am Ende seiner Kräfte war.
„Wohin?“, fragte ich dann leise, als er saß und blickte ihn an. In mir zog sich alles zusammen. Es war irgendwie schrecklich ihn gerade so zu sehen, zu seiner eh schon ziemlich schlechten psychischen Verfassung und somit zu seinem wahnsinnig traurigem Blick, kam nun auch noch diese körperliche Schwäche. In mir drängte einfach alles danach ihn irgendwo in ein Bett zu stecken und ihn ganz fest in den Arm zu nehmen.
Es dauerte nicht lang, bis wir bei ihm angekommen waren. Das Viertel sah nicht schlecht aus, Mehrfamilienhäuser, aber keine dreckigen Hochhäuser. David schien mittlerweile wieder etwas zu Kräften gekommen zu sein, er sah nicht mehr ganz so kaputt aus.
„D-Danke fürs Herfahren“, meinte er und blickte verlegen auf seine Hände.
„Keine Ursache. Aber David, versprich mir, dass du dich jetzt wirklich ins Bett legst, ja? Ich werde dich jetzt gehen lassen und du gehst wirklich nach Hause! Du merkst selbst am Besten, dass es dir nicht gut geht und ich will nicht, dass du nachher in irgendeinem Straßengraben liegst!“
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