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The Chronicles of One Night - A Birthday Party

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Er erinnerte sich noch haargenau daran, wie sie sich damals kennen gelernt hatten. Es war sein zweiter Tag im Kindergarten gewesen, sein erster Tag allein mit all den anderen Kindern. Max war verzweifelt und verängstigt gewesen. Er hätte mit den anderen spielen sollen? Mit Fremden? Niemals!

Die einzigen Kinder, mit denen er bis dahin zu tun gehabt hatte, waren seine beiden Cousins und seine Cousine. Doch selbst wenn sie zu Besuch gewesen waren, hatte er die gesamte Zeit mit seiner vier Jahre älteren Cousine verbracht und nicht mit den gleichaltrigen Zwillingen. Und überhaupt, warum sollte es Spaß machen mit kleinen Metallautos über den Boden zu kriechen?

Max hatte es für das beste befunden, einfach unter dem Maltisch sitzen zu bleiben und zu warten, bis seine Mom ihn abholte. Notfalls würde er eben die ganzen nächsten Jahre so verbringen, bis er in die Schule kam, hatte er sich gedacht und seinen Kopf auf seine Knie gelegt.

Allerdings hatte ein älterer Junge ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht, als dieser plötzlich mit unter den Tisch gekrabbelt war.

„Hey, das hier ist mein Platz“, hatte der Junge gesagt und sich im Schneidersitz direkt vor ihn gesetzt.

„Soll ich gehen?“, war Max’ Frage gewesen, der sofort erschrocken gewesen war, dass er etwas falsch gemacht hatte.

„Nein“, hatte der andere allerdings nur gesagt und sich neben ihn an die Wand gelehnt, an die der Tisch geschoben war.

Den gesamten Tag hatten sie stumm dort unter dem Tisch verbracht, außer als man sie zum Mittagessen geholt hatte. Die Erzieherinnen hatten hin und wieder versucht, sie zum Spielen zu bewegen, doch irgendwann hatte eine von ihnen gemeint, dass es keinen Sinn mache, wenn der „neue“ schon genauso sei wie Lucien. Offensichtlich war der ältere Junge dieser Lucien gewesen.

Etwa eine Woche lang hatten sie jeden Tag so verbracht, bis sie irgendwann angefangen hatten zu reden.

„Wieso versteckst du dich?“, hatte Lucien irgendwann ganz plötzlich gefragt.

„Weil ich nicht mit Autos spielen mag und wenn ich rausgehe, dann muss ich mit den anderen spielen“, hatte Max erklärt und Lucien hatte ein wenig lächeln müssen, weil der Kleinere neben ihm so problemlos gesprochen hatte, während die anderen „Neuen“ sonst immer wahnsinnig langsam geredet, sich ständig versprochen oder gar gestottert hatten. Max war in seinen Augen klug gewesen.

„Wir könnten nach draußen gehen und etwas anderes machen“, hatte Lucien vorgeschlagen, und weil er ihn in den letzten Tagen nicht ausgelacht oder zu viel geredet hatte, war es für Max in Ordnung gewesen, mit nach draußen zu gehen. Also hatte Lucien seine Hand genommen und war mit ihm in den Garten gegangen. Die Erzieherinnen waren froh gewesen, dass die beiden offenbar wieder normal geworden waren und zwischen Max und Lucien hatte eine wunderbare Freundschaft begonnen.

Mittlerweile hatten sie den Kindergarten und die Elementary School verlassen. Max war inzwischen dreizehn und Lucien war fünfzehn. Der Jüngere war in seinem zweiten Jahr auf der Junior High, während der Ältere diese gerade verlassen hatte und auf die Senior High School gewechselt war. Weil Max eine Klasse übersprungen hatte, war er nur noch zwei Jahre unter Lucien und hatte wenigstens ein Jahr zusammen mit ihm an der Junior High verbracht, aber nun war er wieder alleine.

Ihre Freundschaft hatte jegliche Probleme, Differenzen und Komplikationen überstanden. Sie waren Freunde geblieben, obwohl Lucien mit niemandem hatte reden wollen, nachdem seine Mom sich hatte scheiden lassen, obwohl Max mehr als offensichtlich der Klügere der beiden war und das nicht verstecken konnte, obwohl Lucien vor einiger Zeit bemerkt hatte, dass er homosexuell war.

Letzteres war für den Jüngeren sehr überraschend gewesen. Nicht, weil es ihn überrascht hatte, dass Lucien schwul war, sondern weil es ihn überrascht hatte, dass es ihn hätte überraschen sollen.

Als er acht und Lucien elf gewesen war, hatten sie wie so oft im Sommer in Luciens Baumhaus geschlafen. Während sie Comics gelesen und über Fernsehserien philosophiert hatten, war noch alles gewöhnlich gewesen. Doch als sie das Licht ausgemacht und sich ganz nah nebeneinander in ein paar Decken gekuschelt hatten, hatte Lucien gemeint, dass er sich komisch gefühlt hätte.

„Wieso das?“, hatte Max gefragt und währenddessen überhaupt nicht darauf reagiert, dass Lucien ihn näher herangezogen hatte und sich nun wie an ein Kuscheltier an ihn geschmiegt hatte.

„Ich weiß nicht. Mein Dad sagt, dass das heißt, dass ich erwachsen werde, weil ich an so etwas denke“, hatte Lucien geflüstert.

„An was denkst du denn?“

„Ich will wissen, wie küssen geht“, war Luciens leise Antwort gewesen, dem es schrecklich peinlich gewesen war, so etwas zuzugeben. Er hatte schon immer das Gefühl gehabt, dass er eben derjenige war, der den anderen, Max, beschützen sollte, der ihm helfen und auf ihn aufpassen sollte. Es hatte sich komisch für ihn angefühlt, einzugestehen, dass er so etwas noch nicht wusste.

„Du könntest Lisa küssen, die schwärmt mir immer vor, dass sie dich toll findet“, hatte Max vorgeschlagen.

„Darf ich dich küssen?“, hatte Lucien jedoch gefragt, unsicher, warum er lieber einen Jungen als Lisa küssen wollte.

Für Max war diese Frage überhaupt nicht relevant gewesen. Wenn Lucien ihn küssen wollte, dann war das okay, hatte er sich gedacht. Also hatte er genickt und sein älterer Freund hatte vorsichtig seine Lippen auf die des Kleineren gedrückt. Sie hatten sich beide etwas ungeschickt angestellt, als sie probiert hatten, wie ein Zungenkuss geht, aber nach einiger Zeit hatte es begonnen ihnen beiden zu gefallen.

Nach dieser Erfahrung hatten sie sich, bis Max selbst elf geworden war, immer wieder geküsst. Weil es ihnen Spaß gemacht hatte, weil es sich gut angefühlt hatte. Lucien hatte jedoch irgendwann gemerkt, dass er Max gerne... angefasst hätte. Natürlich hatten sie sich hin und wieder berührt, sich über den Rücken gestreichelt oder Ähnliches. Aber Lucien hatte bemerkt, dass es ihm gefallen hätte, die Dinge, die man ihm im Sexualkundeunterricht erklärt hatte, mit Max zu tun.

Naja, jedenfalls die, die er mit ihm hätten tun können. Das ganze hatte ihm einen so großen Schrecken eingejagt, dass er dieses Küssen beendet hatte. Seitdem küssten sie sich nur noch hin und wieder, ganz harmlos, ohne Zunge. Trotzdem hatte er sich nach einiger Zeit eingestanden, dass er schwul war. Lucien fand Jungs einfach viel interessanter und all diese Gefühle, die er bei Mädchen hätte haben sollen, hatte er nur bei den Jungs aus seiner Schule.

Max war mit den Jahren für ihn immer mehr ein Bruder geworden und er hatte gelernt, das von seinen Gefühlen für andere Jungen zu unterscheiden. Deshalb war es auch okay gewesen, Max davon zu erzählen.

Allerdings hatte es diesen, wie bereits erwähnt, überhaupt nicht gewundert. Für Max war es klar gewesen, dass Lucien lieber Jungs küsste, immerhin hatte er ja auch ihn lieber geküsst als Lisa. Doch hatte er wegen Luciens Geständnis darüber nachdenken müssen, ob er deshalb auch schwul war. Für ihn war es immer viel toller gewesen, Lucien zu küssen, als die Mädchen, die immer mal wieder meinten, dass er jetzt ihr Freund war, bis sie keine Lust mehr darauf hatten.

Es war angenehmer gewesen, wenn Lucien ihn geküsst hatte, weil er so dominant gewesen war, weil er die Führung übernommen hatte und es gefiel ihm besser so. Bei Mädchen hätte er immer die Leitung in die Hand nehmen müssen, aber in Wirklichkeit gefiel es ihm viel mehr, wenn jemand anderes ihn festhielt und zeigte, wie er etwas tun sollte. Dann hätte das doch heißen müssen, dass er schwul war, genau wie Lucien. Und Lucien war extra zu ihm gekommen, um ihm das zu sagen, also hatte Max das auch tun müssen. Lucien hatte nur gelächelt, ihn auf die Lippen geküsst und ihm gesagt, dass es toll war, aber sie sich trotzdem nicht einfach so küssen konnten.

So richtig hatte Max das damals nicht verstanden, aber dann hatte Lucien ihm gezeigt, dass er nicht in ihn verliebt war, genauso wie Lucien nicht in ihn. Und es hatte sich so toll angehört, wie es sein musste, jemanden zu küssen, in den man verliebt war, dass Max sich bereit erklärt hatte, es nicht zu vermissen, Lucien zu küssen.

Leider fand er einfach niemanden, in den er sich verlieben konnte. Die Jungs aus der Schule kannte er alle schon so lange, außerdem schienen die alle nur Mädchen toll zu finden oder sich noch überhaupt nicht für solche Dinge zu interessieren. Lucien jedoch schien auf der High School nun plötzlich richtig viele andere, richtig erwachsene Leute kennen zu lernen und er fühlte sich grässlich. Warum wurde er nicht so schnell erwachsen? Warum musste er sich mit den komischen Jungs aus seiner Schule herumschlagen, die alle überhaupt nichts mit ihm gemeinsam hatten?

Lucien kannte nun so viele coole Jungs. Lucien durfte jetzt allen zeigen, dass er Jungs mochte. Er, Max, musste das weiterhin für sich behalten. Die Jungs an seiner Schule lachten nur über Schwule, die an Lucien Schule fanden Schwule okay. Außerdem gab es an dieser Schule plötzlich auch noch andere schwule Jungs. Max hatte noch nie einen anderen schwulen Jungen außer Lucien gesehen.

Auch wenn Max das nicht wusste, war es Lucien genauso gegangen. Er hatte zwar mit Max zusammen experimentiert, aber ansonsten hatte er noch nie viel mit anderen Jungs am Hut gehabt. Allerdings zeigte ihm seine neue Schule völlig neue Möglichkeiten! Da waren andere Jungs, in die er sich verlieben konnte, mit denen er wenigstens reden konnte, die seine Interessen teilten. Die Jahre an Junior High und Elementary School waren damit schnell vergessen.

Außerdem war da Johnny. Johnny war im selben Jahrgang wie er und Johnny war unglaublich cool! Er gehörte zwar nicht zu den richtig coolen Leuten, aber die mochte Lucien auch überhaupt nicht. Johnny war ein ruhiger Junge, er mochte Musik und fuhr gerne Skateboard. Außerdem malte und zeichnete er gerne und war dreimal die Woche Babysitter für die Tochter seiner Nachbarn. Lucien fand Johnny unglaublich toll. Vor allem seit Johnny ihn nach einem Date gefragt hatte.

Sie waren zusammen Pizza essen gewesen und dann hatten sie bis spät in der Nacht im Park gesessen und geredet. Lucien hatte das alles total romantisch gefunden und er hatte Johnny sogar nach Hause begleitet, weil er der Meinung war, dass er ein Gentleman sein sollte und er außerdem so viel Zeit wie möglich mit Johnny verbringen wollte. Eigentlich hatte er Johnny vor dessen Haustür küssen wollen, aber seine Eltern waren herausgestürmt und hatten ihm Hausarrest gegeben, weil es schon halb eins gewesen war und sie um zehn hätten zurück sein sollen.

Lucien hatte auch Hausarrest bekommen und deshalb konnte er ganze drei Wochen nichts mit Johnny unternehmen. Es waren zwar nur noch zwei Tage übrig, aber er fand auch, dass es langsam wirklich reichte. Seine Freunde durften ihn auch nicht zuhause besuchen, nur Max durfte vorbeikommen, weil sein Dad es aufgegeben hatte, zu versuchen, die beiden voneinander zu trennen. Egal wie oft er seinem Sohn Hausarrest gegeben hatte, er hatte immer wieder dagegen verstoßen, um Max zu sehen. Also hieß Hausarrest mittlerweile kein Fernsehen, aber dafür Max sehen.

Für diesen hatte es die ganze Situation angenehmer gemacht. Es fühlte sich toll an, wieder mehr Zeit mit Lucien zu verbringen. Also kam er jeden Tag nach der Schule zu ihm, immerhin brauchten sie beide jemanden zum Reden und es war wunderbar für ihn, wieder jemanden zu haben.

„Du glaubst nicht, was passiert ist!“, rief Lucien, als er die Tür öffnete, und grinste dabei bis über beide Ohren.

„Was denn?“, fragte Max sofort interessiert und folgte seinem drei Jahre älteren Freund nach oben in dessen Zimmer.

„Alex ist heute auf dem Gang zu meinem Spind gekommen, als ich meine Bücher geholt habe“, erzählte Lucien begeistert. Max wusste schon, wer dieser Alex war. Aus vielen Erzählungen hatte er erfahren, dass Alex der beste Freund von Johnny war und außerdem sehr beliebt an der Schule.

„Er hat gesagt, dass er es mir eigentlich nicht sagen darf, aber Johnny hat ihn darum gebeten, dass er mich zu seiner Geburtstagsfeier einläd! Und er hat gemeint, dass er mich auch sonst eingeladen hätte, weil er mich nett findet!“, ereiferte Lucien sich und ließ sich strahlend neben Max auf dem Bett nieder.

„Wow! Das ist ja klasse!“, rief dieser ehrlich erfreut und stürzte sich auf seinen Freund, um ihn zu umarmen. Sofort schloss Lucien seine Arme um ihn und drückte den Jüngeren ganz fest an sich.

„Und wann ist die Feier?“, fragte Max, nachdem sie ihre Umarmung ein wenig gelöst hatten, aber noch immer nah nebeneinander lagen.

„Samstag nächste Woche, eigentlich wollte er schon diesen Samstag feiern, aber Johnny hat noch Hausarrest, seine Eltern machen keine Ausnahme und Alex mag nicht ohne Johnny feiern“, grinste Lucien.

„Na, dann drück ich dir die Daumen, dass du viel Spaß haben wirst“, erwiderte Max und musste sich sofort vorstellen, wie Johnny und Lucien den gesamten Abend aneinander hängen würden, auch wenn er Johnny nicht kannte und nicht wusste, wie er aussah. Lucien hatte ihn oft genug beschrieben.

„Nuh-uh“, meinte der Ältere und grinste noch breiter, als Max etwas fragend zu ihm aufblickte.

Wir werden Spaß haben, Kleiner“, korrigierte er und musste seine Gesichtsmuskeln weiter strapazieren, als er den verwirrten Gesichtsausdruck seines besten Freundes sah. Oh, wie er sich auf diesen Moment gefreut hatte!

„Ich habe Johnny offensichtlich genug von dir erzählt, dass er Alex darum gebeten hat, mir zu sagen, dass ich dich gerne mitbringen kann“, erklärte er und konnte sich sein Lachen nicht mehr verkneifen, als Max ihn mit übergroßen Augen anblickte.

Das konnte doch nicht sein Ernst sein! Max war vollkommen perplex. Lucien wollte ihn mit zu einer Party von jemandem auf der High School nehmen! Er war doch erst dreizehn! Alex feierte seinen fünfzehnten Geburtstag und er war gerade einmal dreizehn! Auf der Party würden lauter Leute wie er sein oder sogar wie Lucien, die dieses Jahr noch sechzehn werden würden. Das konnte doch nicht tatsächlich Luciens Ernst sein, oder? Er gehörte da doch überhaupt nicht hin.

„Du brauchst dir keine Sorgen machen. So viel anders sind Johnny oder Alex nicht und die anderen auch nicht. Du bist für dein Alter schon viel zu weit und ich persönlich finde, dass zwischen dir und den Leuten aus meiner Schule nicht viel Unterschied besteht. Außer dass du wahrscheinlich mehr im Kopf hast, als sie alle zusammen“, versuchte Lucien ihn ein wenig zu beruhigen und drückte ihn an sich.

Er hatte selbstverständlich bemerkt, wie sehr es seinen besten Freund störte, dass Lucien so viele neue Leute kennen lernte und Max sich weiterhin mit den Idioten aus seiner Schule herumschlagen musste. Außerdem war er fest davon überzeugt, dass Max bei den Leuten in seinem Alter viel besser aufgehoben war. Vielleicht war es seine Schuld, weil Max seinetwegen nie etwas mit Gleichaltrigen zu tun gehabt hatte, aber Lucien war vielmehr der Meinung, dass Max einfach von Natur aus viel weiter war, wahrscheinlich wegen seiner beunruhigend hohen Intelligenz.

„Aber... Ich werde doch Johnny und dich nur stören und außer dich kenne ich doch niemanden“, wandte Max ein wenig unsicher ein und blickte ernst geworden zu seinem Freund auf. Es freute ihn, dass Lucien ihn bei dieser Feier auch dabei haben wollte, aber er wollte nicht, dass Lucien sich dadurch davon überzeugen würde, dass es besser war ihn bei solchen Ereignissen nicht dabei zu haben.

Er würde doch sicher nur stören oder Lucien lächerlich machen, weil er keine Ahnung hatte wie er sich verhalten sollte.

„Ach, ich glaube die anderen werden dich alle mögen, die Mädchen sowieso und dann mögen dich auch die Jungs“, meinte Lucien allerdings nur überzeugt und streichelte ihm über seine Schulter. Mit einem Seufzen kuschelte er sich an seinen älteren Freund und genoss diesen Moment der Nähe, noch mehr als Lucien wieder beide Arme um ihn schlang und ihn an sich drückte. Das ganze war wie eine stumme Übereinkunft, dass Max sich geschlagen gab und mitkommen würde.

Als es jedoch soweit war, bereute er es selbstverständlich, sich ergeben zu haben. Lucien und er waren gemeinsam dabei sich für die Party fertig zu machen. Max hatte ihn natürlich vorher gefragt, was er denn anziehen sollte, aber Lucien hatte nur gelacht und ihm gesagt, dass es vollkommen egal war und er ihn noch nie in Klamotten gesehen hätte, die ihm nicht gestanden hätten. Max freute sich natürlich über das Kompliment, aber seine Entscheidung, was er anziehen sollte, hatte ihm das alles andere als erleichtert. Letztendlich hatte er sich einfach für die dunkelblaue Jeans, die er mit Lucien in der Stadt gekauft hatte, und ein kurzärmliges, schwarzes Hemd entschieden. Beides war relativ enganliegend, aber er fühlte sich in „Baggy“ Kleidung lächerlich.

Lucien sah wie immer gut aus. Er trug ein schwarzes, ärmelloses Shirt und eine rot, schwarze Hose. Trotzdem fand Lucien, dass Max einen viel besseren Eindruck machte. Er passte perfekt in seinen neuen Freundeskreis, diese Klamotten hätte auch Alex tragen können, auch wenn er damit sicher weniger attraktiv ausgesehen hätte. Auch wenn sein Gesicht vielleicht noch das eines Dreizehnjährigen war, war alles andere an Max in Luciens Augen keinesfalls kindlich.

„Mein Dad fährt uns zu Alex rüber, weil er sich hat überzeugen lassen, dass es blöd ist mit Schlafsäcken Bus fahren zu müssen“, erklärte Lucien, während er seine Klamotten für den nächsten Tag in einen Rucksack steckte. Das war eine weitere Neuigkeit, die Max erst am Tag zuvor erfahren hatte. Johnny, Lucien und er selbst würden bei Alex übernachten. Johnny, weil er Alex’ bester Freund war, Lucien, weil er Johnnys Fast-Freund war und Max, weil er Luciens bester Freund war.

Max war sich nicht so ganz sicher, was er davon halten sollte. Was, wenn dieser Alex ihn überhaupt nicht mochte? Dann würde er sich die ganze Zeit schrecklich vorkommen, weil Lucien ja sicher mit Johnny beschäftigt sein würde. Aber vielleicht war es auch ganz gut so, vielleicht verstand er sich ja gut mit ihm und freute sich am Ende, dass er noch nicht nach hause musste?

„Können wir?“, lächelte Lucien und Max atmete tief durch, bevor er mit einem tapferen Lächeln nickte.

„Mach dir nicht so viele Gedanken! Komm mal her.“, meinte Lucien und legte seinen Rucksack noch einmal zurück aufs Bett. Lächelnd trat er vor Max und schloss seine Arme fest um ihn. Eigentlich gefiel es ihm selbst ganz gut, dass Max mitkam. Das war immerhin auch seine erste High School Feier und da tat es gut zu wissen, dass sein bester und nahster Freund dabei war. Aufmunternd drückte er seine Lippen auf Max’ Stirn, fuhr ihm dann sanft über die Wange und lächelte ihn solange an, bis Max sein Lächeln ernsthaft und nicht gezwungen erwiderte.

Nicht allzu lange Zeit später waren sie vor einem gewöhnlichen Einfamilienhaus angekommen und holten ihre Sachen aus dem Kofferraum von Luciens Dad. Es war kurz nach achtzehn Uhr dreißig, also waren sie schon ein paar Minuten zu spät, aber Unpünktlichkeit lag in Luciens Familie, Max war daran schon mehr als gewohnt. Diesmal war er sogar ganz froh darüber, der Gedanke, diese Leute alle persönlich kennen zu lernen, die er bisher nur aus Luciens Schwärmereien kannte, war ihm noch immer nicht so wirklich geheuer.

„Ich hole euch dann morgen Vormittag um elf wieder ab, in Ordnung? Viel Spaß und übertreibt es nicht allzu sehr“, rief Luciens Vater und legte beiden Jungs kurz einen Arm um die Schultern, drückte sie an sich. Max wusste, dass Luciens Dad ihn als zweiten Sohn ansah und ihm dankbar war, dass er dafür gesorgt hatte, dass er nach der Scheidung nicht ganz allein mit seinem Sohn gewesen war. Es gefiel ihm und in diesem Moment half es ihm der ganzen Sache positiver entgegen zu sehen.

Als sie vor der Tür standen und Lucien klingelte, fiel Max das erste Mal dieses Lächeln auf Luciens Lippen auf. Er hatte ihn schon in den verschiedensten Arten lächeln sehen, gequält, gezwungen, ironisch, zynisch, überheblich, glücklich, sogar traurig. Aber dieses Lächeln war ihm vollkommen neu. Lucien hatte einen verliebten Ausdruck auf seinem Gesicht, gleichzeitig wirkte er allerdings auch nervös. Offenbar war er wirklich ernsthaft in Johnny verliebt, dachte Max sich dabei.

„Hey, hey!“, wurden sie wenig später auch schon von einem braunhaarigen, relativ dünnen, mittelgroßen Jungen begrüßt. Lucien grinste ihn an und schlug in seine dargebotene Hand ein.

„Das hier ist Max. Max, das ist Alex“, stellte er sie danach vor und legte Max eine Hand zwischen seine Schulterblätter, um ihn näher heran zu ziehen. Alex sah ihn ein wenig musternd an, lächelte aber und hielt dann auch ihm eine Hand entgegen. Max ergriff sie ein bisschen unsicher.

„Johnny ist schon da, ihr könnt eure Sachen in meinem Zimmer abladen, einfach die Treppe hoch und das letzte Zimmer im Flur. Ich muss noch etwas vorbereiten“, erklärte Alex und ließ sie eintreten. Beide streiften sie ihre Schuhe von den Füßen, wobei Max ein wenig taumelte, weil er ja noch Schlafsack und Rucksack hielt. Sofort nahm Lucien ihm den Schlafsack ab und legte eine Hand auf seinen Rücken, um ihm wieder zu einem festen Stand zu verhelfen. Beide sahen sie nicht, wie Alex diese vertrauten, fürsorglichen Gesten beobachtete und stumm lächelte.

Er mochte Lucien. Anfangs war er sich nicht sicher gewesen, was er von Johnnys Homosexualität halten sollte. Immerhin war er sein bester Freund. Er hatte keine Angst davor gehabt, dass Johnny ihm zu nahe kommen würde, vielmehr hatte er sich Gedanken gemacht, dass Johnny ihn nicht mehr brauchen würde, wenn er einen Freund hatte. Bei einer Freundin hätte er keine Angst haben müssen, aber Jungs konnten für Johnny gleichzeitig Freund und Kumpel werden. Allerdings hatte Lucien ihm seine Befürchtungen genommen. Johnny war so schrecklich verliebt!

Es gab nicht einen Tag, an dem er nicht bei Alex vorbeisah oder ihn anrief, weil er sich mitteilen musste. Seit er sich in Lucien verliebt hatte, waren Johnny und Alex sich wieder viel vertrauter geworden, hatten wieder mehr Vertrauen zueinander gewonnen und es war für Alex unglaublich zu sehen, wie schüchtern und unsicher Johnny plötzlich jedes Mal in Luciens Anwesenheit wurde. Die beiden passten scheußlich gut zusammen. Es faszinierte Alex, dass Johnny so begeistert von diesem Max gesprochen hatte. Er selbst hatte sich gewundert, dass gerade Lucien einen besten Freund hatte, der gerade einmal dreizehn war, aber jetzt schien es plötzlich so natürlich.

Es passte zu Lucien, dass sein engster Vertrauter jemand war, auf den er aufpassen und ihn ein wenig beschützen konnte. Die Vorstellung, dass er diese Beschützerrolle auch für Johnny übernehmen würde, amüsierte und freute Alex. Immerhin hatte Johnny schon immer nach jemandem gesucht, dem er es erlauben konnte, ihn zu beschützen. Und dieser Max sah verdammt niedlich aus, das konnte sogar er, Alex, sagen, obwohl er nun wirklich nicht homosexuell war.

Das verliebte Lächeln auf Luciens Gesicht wurde mit jeder Treppenstufe schlimmer und er selbst war sich dessen sehr bewusst. Er freute sich riesig darauf, Johnny zu sehen. Außerdem hatten sie sich seit ihrem ersten Date nicht mehr außerhalb der Schule gesehen und er hoffte sehr darauf, dass er vielleicht ein bisschen Zeit mit ihm allein verbringen könnte. Er freute sich so darauf, Johnny womöglich noch an diesem Abend küssen zu dürfen. Seit Wochen, fast schon Monaten phantasierte er, wie es sich anfühlen musste, er konnte es wirklich kaum mehr erwarten.

Oben im Flur fanden sie Alex’ Zimmer schnell und nach einem leisen Anklopfen traten sie nacheinander ein. Sofort erblickten sie beide Johnny, der auf Alex’ Bett lag und in einer Zeitschrift blätterte. Dieser hob sofort seinen Blick und setzte sich auf, ebenfalls dieses überwältigte Lächeln auf seinen Lippen.

„Hey ihr!“, begrüßte er sie, während Max und Lucien ihre Sachen ablegten. Johnny erhob sich und er und Lucien umarmten sich mit roten Wangen für einen Moment, was Max zu einem breiten Grinsen verhalf. In seinen Augen war es schrecklich süß, wie diese beiden Jungs miteinander umgingen. Es gefiel ihm seinen Lucien so schüchtern, aber auch so wahnsinnig verliebt zu sehen.

„Max, Johnny. Johnny, Max“, stellte dieser sie vor und deutete abwechselnd auf beide. Max lächelte ihn nur kurz an und Johnny erwiderte dieses Lächeln. Mit jedem Augenblick fiel ein wenig Spannung von Max ab. Die beiden Jungs gefielen ihm, sie waren nett und wirkten so normal, waren nicht so laut, wie die Jungs an seiner Schule, und mussten nicht sofort drauflos reden.

„Beim nächsten Mal werde ich alle noch eine halbe Stunde früher einladen. Warum müssen immer alle Leute zu spät kommen?“, unterbrach Alex die Stille im Zimmer und warf sich mich einem theatralischen Seufzen auf sein Bett. Max musste daraufhin leise kichern, weil Alex’ Jammern sich einfach zu lustig anhörte. Allerdings lief er augenblicklich peinlich berührt rot an, als sowohl Alex als auch Johnny ihn mit einem „Oh mein Gott, wie süß!“-Blick bedachten.

„Kein Kichern mehr heute Abend!“, sagte er sich innerlich und senkte seinen Kopf ein wenig, damit die anderen drei Jungs seine roten Wangen nicht mehr sahen. Normal konnte er sich besser zusammen reißen, aber es war ungewöhnlich, dass sich ein Junge dazu hinreißen ließ, laut zu seufzen oder offen zu jammern. Die Jungs an seiner Schule fanden sich viel zu cool dafür.

„Was hast du eigentlich für heute Abend geplant?“, fragte Lucien, nachdem Alex ihnen gesagt hatte, dass sie sich setzen konnten, und er sich neben Johnny auf das Sofa und Max auf den Boden gesetzt hatte.

„Denise bringt einen Horrorfilm mit und ansonsten entwickeln sich solche Feiern immer am besten, wenn man Musik anmacht und alle machen lässt, wonach ihnen der Sinn steht“, erklärte Alex mit einem Schulterzucken. Die Sache mit dem Film beruhigte Max. Er mochte Horrorfilme und Filme anzusehen und zu trinken passte in seinen Augen nicht zueinander und davor hatte er Angst gehabt. Er war dreizehn, er wollte nicht versehentlich bei einer Party landen, bei der die Feiernden von ihren Eltern Alkohol klauten. Er hätte Lucien so etwas nicht zugetraut, aber alle anderen kannte er immerhin nicht. Doch mittlerweile war er beruhigt, das alles klang mehr nach einer ganz normalen Geburtstagsfeier und er fühlte sich ein wenig zugehöriger.

„Jedenfalls, falls hier irgendwann noch jemand außer euch dreien auftaucht“, fügte Alex lachend hinzu und der Rest der Jungs grinste. Lucien konnte sowieso nicht mehr aufhören zu grinsen. Er saß neben Johnny! So nah... Am liebsten hätte er seine Hand genommen. Die ganze Zeit in der Schule musste er sich zurückhalten, weil das für ihn dort ein Tabu gewesen wäre und Johnny sicher auch nicht gefallen hätte, aber das hier war etwas komplett anderes. Allerdings fehlte ihm ein wenig der Mut, so etwas zu tun. Vielleicht im Laufe des Abends. Vielleicht wenn mehr Leute da waren. Für den Moment genügte es ihm eigentlich, nur neben ihm zu sitzen. So nah...

Johnny ging es nicht viel anders. Er war überglücklich. Max war ein unglaublich niedlicher Junge, man sah ihm zwar an, dass er jünger war als sie, aber sein Wesen hatte etwas Erwachsenes an sich, was er nicht einmal bei Alex, Lucien oder gar sich selbst ausmachen konnte. Er konnte Lucien verstehen, dass er ihn so sehr mochte und er war sich sicher, dass sie bestimmt noch viel zusammen machen könnten, Alex, Lucien, Max und er selbst. Lucien hatte ihm erzählt, dass Max kein Problem damit hatte, dass er Jungs mochte und Johnny hatte ihn mit sehr großen Augen angesehen, als er ihm gesagt hatte, dass Max selbst nicht sonderlich auf Mädchen stand.

Immerhin war Max erst dreizehn! Aber jetzt, wo er ihn selbst sehen konnte, passte es auf eine merkwürdige Art und Weise, dass dieser Junge schon wusste, was er wollte. Johnny sah bereits kommen, dass sie Freunde werden würden und es freute ihn. Es ebnete seinen Weg zu Lucien. Alleine bei diesem Gedanken lief ein warmer Schauer durch seinen Körper. Die Aussicht mit Lucien zusammen zu sein lähmte ihn noch immer und ließ ihn jedes Mal ungläubig lächeln. Er konnte es tatsächlich kaum glauben, auch wenn er genug Zeit gehabt hatte, es zu akzeptieren.

Lucien nach einem Date zu fragen, war das schwerste gewesen, was er in seinem Leben bisher getan hatte. Aber er hatte Alex viel zu lange vorgeschwärmt, wie toll er ihn fand, wie wunderbar Lucien war. Alex hatte irgendwann gemerkt, dass er ernsthaft verliebt war, also hatte er gemeint, dass er Lucien ansprechen sollte, damit er entweder glücklich wurde oder es am Ende nicht so sehr wehtat, falls er ihm einen Korb gab. Also hatte er all seinen Mut zusammengenommen und war in einer Mittagspause zu ihm gegangen, hatte ihn gefragt, ob er mal etwas mit ihm machen wollte, vielleicht zusammen Pizzaessen gehen oder einen Film im Kino angucken.

Er hatte nicht gewusst, ob er es so offensichtlich hatte machen sollen, dass es sich nicht nur um ein einfaches Treffen, sondern ein richtiges Date gedreht hatte. Letztendlich hatte er sich gedacht, dass er sich so nur einmal überwinden und vielleicht bloßstellen musste. Allerdings hatte er sich alles andere als bloß gestellt, weil Lucien sofort zu strahlen begonnen hatte und mit einem glücklichen, wenn auch überraschten Grinsen zugesagt und gefragt hatte, wann er denn Zeit hatte. Ihr Date war klasse geworden und in gewisser Weise wussten sie beide, dass dies hier so was wie ihr zweites Date war, ihre nächste Möglichkeit miteinander alleine zu sein.

Als es wenig später klingelte schreckten sie alle auf, alle in Gedanken übereinander versunken. Alex sprang sofort auf, um die Tür zu öffnen, und irgendwie kam es Max so vor, als war es richtig, ihm zu folgen. Auch wenn er Alex noch nicht so richtig kannte und er unsicher in Anwesenheit von Fremden war, empfand er es als besser, Johnny und Lucien ein wenig alleine zu lassen. Also wechselte er einen kurzen Blick mit Alex, der seine Frage sofort verstanden hatte.

„Ich werde mal mit runtergehen, damit ich den Rest der Leute gleich kennen lernen kann“, erklärte er in seiner gewöhnlichen, überzeugten Stimmlage und Johnny nahm ihm das augenblicklich ab. Nur Lucien bemerkte sofort, was Max vor hatte und warf ihm einen hilflosen Blick zu. Natürlich freute er sich darauf, mit Johnny alleine zu sein, aber er hatte auch Angst davor. Er hatte noch nie einen richtigen Freund gehabt, Himmel, er hatte außer Max und ein paar Mädchen noch nicht einmal jemanden geküsst! Wie sollte er sich denn verhalten?

Max jedoch ignorierte das Flehen in Luciens Blick, weil er wusste, dass er ihm letztendlich sicher dankbar sein würde. Alex und er verließen das Zimmer, schlossen die Tür und gingen dann nach unten.

„Ich glaube, es nimmt den beiden ein wenig Aufregung, wenn sie nicht den gesamten Abend erst darauf warten müssen, alleine miteinander zu sein“, meinte Alex auf dem Weg und grinste Max an, was dieser erwiderte. Alex schien wirklich nett zu sein und der Abend schien tatsächlich besser zu werden, als er es erwartet hatte. Darüber hinaus war Johnny ihm sehr sympathisch. Er hatte schon immer ein wenig Angst gehabt, dass Lucien einmal einen Freund haben würde und sie sich voneinander entfernen würden, weil sein Freund ihn nicht mögen würde. Aber Johnny schien niemand zu sein, der so etwas tun würde, sein ganzes Verhalten Lucien gegenüber wirkte eher, als wollte er ihm alles zu Füßen legen und ihn nicht zu irgendetwas zwingen.

„Hi Leute“, begrüßte Alex die beiden Mädchen, die vor der Tür standen und geklingelt hatten. Sie grüßten zurück und ihre Blicke wanderten sofort zu Max.

„Wen haben wir denn da?“, fragte eine der beiden und lächelte ihn an, ein wenig dieses typische Lächeln Jüngeren gegenüber, aber auch ein wenig dieses „Flirt“-Lächeln, das Max schon viel zu gut von Mädchen kannte.

„Ich bin Max, ein Freund von Lucien“, stellte er sich vor und schenkte beiden Mädchen das Lächeln, zu dem sein bester Freund immer sagte, dass er damit jegliche Herzen brechen könnte. Lucien sagte, dass es gut war, wenn man bei den Mädchen beliebt war, weil Jungs einen dann eher bemerkten und mehr Interesse zeigten. Und da Lucien gerade oben mit einem Fast-Freund saß, musste ja an seinen Methoden etwas dran sein. Die beiden Mädchen jedenfalls sprangen auf sein Lächeln an.

„Schön dich kennen zu lernen! Ich bin Denise und das ist Claire“, meinte das Mädchen, was ihn zuvor angesprochen hatte, und er gab ihnen beiden kurz die Hand, lächelte sie weiterhin an. Sie behandelten ihn normal und er war froh darüber, offensichtlich sah man ihm also nicht allzu sehr an, dass er überhaupt nicht hergehörte, jedenfalls vom Alter her. Aber die beiden sahen auch nicht unbedingt aus wie 15.

„Sind außer uns schon Leute da?“, fragte Claire, während sie zu viert in Alex’ Wohnzimmer liefen und sich dort auf Couch und Sesseln nieder ließen.

„Ja, Johnny und Lucien sind oben“, erwiderte Alex neutral, doch die beiden Mädchen begannen leise zu lachen und warfen sich einen vielsagenden Blick zu. Offenbar schien bereits jeder davon zu wissen, dass Johnny und Lucien ein etwas innigeres Verhältnis zueinander suchten.

„Mal ganz unter uns, Jungs? Die zwei sind unglaublich niedlich!“, platzte es Denise heraus und sie sah die beiden Jungen herausfordernd an, als hätte sie das nur gesagt, um ihre Meinung heraus zu finden.

„Ja, das sind sie“, bestätigte Max mit einem schüchternen Lächeln, froh, dass er zum ersten Mal in Gesellschaft von mehreren Leuten war, die nichts dagegen hatten, wenn man als Junge andere Jungs toll fand. Er musste Lucien Recht geben, dass sein neuer Freundeskreis wirklich gut zu ihnen beiden passte.

Während sich unten das Wohnzimmer nach und nach füllte, saßen Lucien und Johnny noch immer in Alex’ Zimmer. Mittlerweile saßen sie auf seinem Bett und nicht mehr auf dem kleinen Sofa, da Johnny Lucien etwas in dem Magazin gezeigt hatte, das er zuvor auf dem Bett liegen gelassen hatte. Sie waren beide ein wenig nervös und überlegten die ganze Zeit, wie sie sich am besten nähern sollten. Natürlich wußte jeder, dass der andere ihn mochte, aber – Oh, es gab so viele Erklärungen, weshalb man zurückgewiesen werden konnte und so quälten sie sich weiter.

„Wie... Wie viele Leute hat Alex denn eigentlich eingeladen?“, fragte Lucien nach einiger Zeit leise und blickte seinen Fast-Freund an.

„Ich denke, dass er etwa fünfzehn Leute eingeladen hat, also werden wir nachher wahrscheinlich dreizehn oder vierzehn sein“, erwiderte Johnny und lächelte ein wenig, als sein Gegenüber nickte. Sie wussten beide, dass sie nur miteinander reden wollten, um die Stimmung ein wenig zu lockern.

„Wir sollten langsam zu den anderen gehen, nicht?“, meinte Johnny wenig später und Lucien nickte mit einem leicht enttäuschten, schuldigen Blick gen Boden. Er vermasselte es. Johnny wurde ungeduldig und wollte nicht mehr mit ihm allein sein. Jetzt hatte er schon so eine wunderbare Chance mit Johnny und er schaffte es trotzdem, alles schief laufen zu lassen. Wieso war er auch so unsicher?

Sie erhoben sich beide vom Bett und machten sich daran, nach unten zu gehen, doch bevor sie den Treppenabsatz erreicht hatten, stoppte Johnny ihn vorsichtig. Lucien blickte ihn fragend an, doch sein Fast-Freund hatte schüchtern seinen Blick gesenkt, hob jedoch langsam seinen Kopf, während er seine Finger zaghaft zwischen Luciens gleiten ließ. Unsicher, ob seine Geste in Ordnung war, blickte Johnny zu Lucien auf. Sofort breitete sich ein erleichtertes Lächeln auf seinen Lippen aus, als er einem glücklichen Ausdruck begegnete und spürte, wie seine Hand leicht gedrückt wurde.

Als sie das Wohnzimmer betraten, wandten sich sofort zwanzig Augen auf sie und die zehn Besitzer begannen einer wie der andere zu grinsen, was die beiden Jungs dazu brachte sehr rot anzulaufen. Fest hielten sie die Hand des anderen und ließen sich auf die letzten freien Plätze neben Max auf einem der Sofas nieder. Die acht Gäste begrüßten die beiden und schon nach einigen Augenblicken konzentrierte sich die Horde von Jugendlichen wieder auf ihre Gesprächsthemen. Nur Max und Alex blickten weiterhin zu den zwei Jungs und Max musste Lächeln, als er sah, wie Lucien zaghaft näher zu Johnny rutschte und dessen Hand weiterhin umklammerte.

„Kommst du mit in die Küche? Johnny und ich haben vorhin noch Chips und so besorgt und ich glaube, ich störe ihn jetzt lieber nicht, damit er mir tragen hilft“, lachte Alex leise und Max nickte sofort lächelnd, folgte seinem neuen Freund dann in dessen Küche. Dort nahmen sie beide so viele Tüten und Schachteln, wie sie tragen konnten und ließen dann alles im Wohnzimmer auf den Couchtisch fallen. Laut Alex waren bis auf zwei Jungs nun alle Gäste da, immerhin war es ja auch schon nach sieben Uhr. Bisher mochte Max alle, die er kennen gelernt hatte, auch wenn er sich ein wenig unwohl dabei fühlte, dass Denise ihm, wann immer sie mit ihm redete, eine Hand auf sein Knie, seinen Unterarm oder gar seinen Oberschenkel legte.

„Gehst du schnell aufmachen?“, riss Alex ihn aus seinen Gedanken, als sie gerade zum zweiten Mal in die Küche gegangen waren und es an der Tür klingelte. Da Alex gerade dabei war Küchenschränke zu leeren, nickte Max und machte sich ein wenig unsicher auf den Weg zur Haustür.

„Hallo“, begrüßte er die beiden Jungen, noch bevor er die Tür richtig geöffnet hatte, und blickte dann in zwei grinsende Gesichter. Er trat zur Seite um sie herein zu lassen, fühlte sich dabei, als reagierte er in Zeitlupe. Hätte Alex ihm nicht in irgendeiner Weise sagen oder andeuten können, dass „Simon und Joe“ nicht einfach nur irgendwelche Jungs waren? Er wusste zwar noch nicht, wer von ihnen wer war, aber dieser Junge mit den niedlichen Sommersprossen, den rotbraunen Haaren und den schwarzen Klamotten sah überwältigend gut aus!

„Darf man fragen, wer du bist?“, fragte eben dieser, während er sich seine Chuck Taylors auszog und Max die Haustür schloss.

„Mein... Mein Name ist Max, ich bin ein Freund von Lucien“, erklärte er nervös und versuchte aufzuhören, den Körper des Jungen anzustarren. Er kannte so etwas noch nicht, aber es fiel ihm schwer seine Augen von ihm abzuwenden. Seine Wangen wurden heißer, je länger er die Rückseite des Jungens ansah.

„Ah, du bist das, er hat mir schon von dir erzählt“, grinste der Junge, als er sich aufgerichtet hatte, und streckte ihm eine Hand entgegen. „Ich bin Simon!“

„H-Hi“, meinte Max nur idiotisch und hätte sich dafür im nächsten Moment am liebsten selbst getreten. Er hatte ihn doch schon längst begrüßt!

„Auch wenn du mich nicht wahrnimmst, ich bin Joe“, unterbrach plötzlich der zweite Junge seine Gedanken und Max’ Wangen wurden noch heißer. Er lachte zwar, aber Max war das trotzdem unglaublich peinlich. Das war ihm ja noch nie passiert! Warum konzentrierte er sich so auf diesen Simon? Es war doch schrecklich unhöflich jemanden einfach so zu übersehen, das war überhaupt nicht seine Art!

„Hoffentlich hat Alex nicht wieder das wichtigste vergessen und kein Essen besorgt!“, lockerte Joe die Stimmung allerdings augenblicklich wieder und brachte sowohl Simon als auch Max zum Lachen. Er machte sich auf den Weg ins Wohnzimmer und Simon blickte ihm kopfschüttelnd hinterher, wandte sich dann wieder zu Max und schenkte ihm ein kurzes Lächeln, bevor er ihm eine Hand auf den Rücken legte und ihm somit den Vortritt ins Wohnzimmer ließ.

Max wusste nicht, wie ihm geschah. Diese kurze Berührung fühlte sich unglaublich merkwürdig an. Lucien legte ihm wirklich dauernd eine Hand auf den Rücken, um ihm irgendetwas zu signalisieren, aber darauf reagierte er nie so, dabei hatte er nie das Gefühl, dass ihm warme Schauer die Wirbelsäule hinabliefen. Er kannte diesen Simon doch überhaupt nicht, da war es doch total seltsam, dass er so darauf reagierte, dass er ihn vollkommen harmlos berührt hatte.

Mit einem tonlosen, verwirrten Seufzen machte er sich auf den Weg in die Küche, um Alex weiter zu helfen. Dieser war gerade dabei Tiefkühlpizza in den Ofen zu schieben und Max half ihm kommentarlos dabei, die Packungen aufzureißen und Bleche zu füllen. Er war ganz froh, dass er nicht im Wohnzimmer hatte bleiben müssen. Immerhin konnte er außer mit Lucien und Alex noch mit niemandem einfach so reden und Lucien war mit besserem als ihm beschäftigt.

„Ist alles okay mit dir? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen“, unterbrach Alex seine Gedanken und blickte ihn ein wenig besorgt an. Der Ältere der beiden hatte bemerkt, dass Max nachdenklich aussah, er wirkte ein wenig blasser als zuvor und hatte seine Stirn kraus gezogen.

„Ja, klar, alles in Ordnung“, lächelte Max, doch Alex schenkte ihm nicht sonderlich viel Glauben. Er hatte gehört, dass Simon und Joe lautstark begrüßt worden waren, also hatte Max nichts anderes getan, als die beiden herein zu lassen. Aber was daran konnte ihn so plötzlich in Gedanken stürzen? Er kannte ihn kaum, aber aus irgendeinem Grund nahm er ihn ernster als viele Altersgenossen und außerdem spürte er dieses Gefühl, was Lucien einmal in Bezug auf Max erwähnt hatte. Er konnte gar nicht anders, als sich um ihn zu sorgen und ihn beschützen zu wollen.

Als ihr Abendessen im Ofen verstaut und die Küchenuhr auf die richtige Zeit gestellt war, machten die beiden sich daran, den anderen im Wohnzimmer Gesellschaft zu leisten. Es wurde langsam ein wenig eng, was Lucien eine wunderbare Ausrede lieferte. Mit einem Grinsen bedeutete er Johnny sich zu erheben, rutschte dann zur Armlehne heran und zog Johnny auf den Platz zwischen seinen Beinen. Das Sofa war ungewöhnlich tief, also hatten sie beide genug Platz und auch wenn Johnny ein wenig rot anlief, als die anderen sie daraufhin angrinsten, gefiel beiden diese dadurch entstandene Nähe. Zaghaft lehnte er sich ein wenig an Luciens Brust.

Max setzte sich etwas zögernd auf den dadurch entstandenen Platz, dieser lag nämlich ausgerechnet neben Simon, der zuvor neben Lucien gesessen hatte. Er hatte Angst, dass er weiterhin so komisch auf ihn reagierte, wie zuvor an der Haustür. Noch immer konnte er kaum glauben, dass er so unhöflich gewesen war, Joe einfach so zu übersehen. Dieser Simon hatte wirklich eine komische Wirkung auf ihn und sein Verhalten, aber er musste zugeben, dass sich dieses prickelnde Gefühl auf seiner Haut, als er nun so nah neben ihm saß, ziemlich gut anfühlte.

Alex hatte sich auf die Armlehne eines Sessels nieder gelassen, war mit den Augen allerdings Max gefolgt. Er konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Als der Jüngste von ihnen sich zuvor neben Denise gesetzt hatte, war er nicht so rot angelaufen! Offenbar hatte tatsächlich das Kennenlernen von Simon seinen neusten Freund so nachdenklich gestimmt. Lucien hatte wohl auf den Jungen abgefärbt.

Etwa zwanzig Minuten später brachte er gemeinsam mit Max einige Pizzateller ins Wohnzimmer. Max war sofort aufgesprungen, um ihm zu helfen, als die Küchenuhr geklingelt hatte. Anscheinend war es ihm wohl nicht so ganz geheuer neben Simon zu sitzen und auch noch mit ihm reden zu müssen und das erinnerte Alex ungemein daran, wie Johnny Lucien anfangs aus dem Weg gegangen war, weil er solche Angst gehabt hatte, etwas falsch zu machen, und weil es ihn verunsichert hatte, wie er sich in dessen Anwesenheit gefühlt hatte. Er wusste, dass das ein wenig gewagt war, aber es kam Alex so vor, als verliebte Max sich gerade in Simon.

„Gibst du mir mal ein Stück Hawaii Pizza?“, fragte Lucien leise und lächelte seinen Fast-Freund dankbar an, als Johnny ihm zu einem Stück Pizza verhalf, weil es für ihn ja ein wenig kompliziert war, bis zum Tisch zu reichen. Es fühlte sich jedoch wahnsinnig toll an, Johnny so nah zu spüren, er hatte ihm sogar beide Arme um seine Mitte gelegt, sodass seine Hände auf Johnnys Bauch zu liegen gekommen waren. Jetzt, wo sie dabei waren zu essen, lag nur noch eine Hand an Johnnys Taille, doch allein diese Berührung war für sie beide aufregend. Immerhin verhielten sie sich das erste Mal wirklich in der Öffentlichkeit wie ein Pärchen und das war ihnen beiden neu.

Lucien mochte den Gedanken, bald mit Johnny in seinen Armen einen Horrorfilm anzusehen. Denn wenn er ehrlich war, dann machten ihm solche Filme schreckliche Angst. Gewöhnlich musste Max immer herhalten, damit er jemand hatte, an dem er sich festhalten konnte, wenn es gruselig wurde. Diesmal jedoch hatte er Johnny und, so kitschig er sich bei diesem Gedanken auch vorkam, es war eine tolle Vorstellung bei solch einem Film mit ihm zu kuscheln, um sich abzulenken.

„Alex, wir haben nichts mehr zu trinken hier!“, verkündete Frankie, während gerade die letzten Pizzastücke verputzt wurden.

„Ich kann nicht mehr aufstehen“, stöhnte der Angesprochene allerdings von seinem Platz auf dem Sessel und rieb sich mit einer Hand über den Bauch als Zeichen, dass er zu viel gegessen hatte.

„Ich kann ruhig etwas holen gehen“, bot Max an und erhob sich gleichzeitig, immerhin hatte er zuvor gesehen, wo in der Küche die Plastikpackungen mit den alkoholfreien Getränken standen.

„Ich helfe dir tragen“, grinste Simon und legte dem Jüngsten einen Arm um seine Schultern, während er ihm in Richtung Küche folgte. Alex lachte leise auf, als er den hilflosen Ausdruck auf Max’ Gesicht sah.

„Wie unfair von ihnen, gerade dich Getränke schleppen zu lassen“, meinte Simon ruhig und beobachtete Max dabei, wie er den richtigen Schrank öffnete und zwei Sixpacks Cola herausholte.

„Wieso unfair?“, fragte dieser vorsichtig, weil er nicht recht wusste, ob er nicht wieder zu stottern begann.

„Naja, immerhin bist du der Jüngste und dann lassen sie dich für sie arbeiten“, erklärte Simon und nahm ihm eine Packung Cola ab. Max merkte, wie seine Knie ein wenig weich wurden und die Flaschen in seinen Armen sich plötzlich viel schwerer anfühlten, als Simon ihn anlächelte. Gleichzeitig war es ihm unangenehm, dass Simon wusste, dass er so jung war. Aus irgendeinem Grund wollte er auf ihn nicht wie ein kleiner Junge wirken und der Gedanke, dass er das allerdings war, fühlte sich echt nicht gut an. Er wusste, dass es abwegig war, so zu denken, aber er wollte von Simon ernst genommen werden, selbst wenn ihm nicht ganz klar war, wieso ihm das so wichtig vorkam.

„Na, du hast dich wohl doch noch dazu bewegen lassen, aufzustehen?“, rief Simon und ließ Max ein wenig aufschrecken. Alex kam gerade mit den Pizzatellern übereinander gestapelt in die Küche und stellte sie auf die Theke.

„Ja, Claire mit ihrem Ordnungswahn besteht darauf, dass ich die Teller aufräume“, erklärte er mit einem Augenrollen.

„Brav! Besser als Max alle Arbeit machen zu lassen!“, lachte Simon und wandte seinen Blick wieder von Alex zu Max und lächelte diesen an, zwinkerte ihm sogar kurz zu. Das war für den Jüngsten nun wirklich zu viel, weshalb er die Packung mit den Getränken vorsichtig auf den Boden niederließ, als Simon sich herumgedreht hatte und wieder zurück ins Wohnzimmer ging. Er hatte ihm zugezwinkert! Außer ein paar merkwürdig angeblich jugendlichen Lehrern hatte ihm noch nie jemand zugezwinkert und bei denen war ihm das komplett anders vorgekommen. Nun von Simon mit dieser Geste bedacht zu werden, verwirrte ihn vollkommen.

„Er scheint dich ganz schön durcheinander zu bringen“, durchkreuzte Alex seine Gedankengänge und als Max seinen Kopf hob sah er, dass Alex mit verschränkten Armen und einem gütigen Lächeln an die Theke gelehnt zu ihm blickte. Hatte er etwa bemerkt, wie komisch er auf Simon reagierte?

„Ich... Ich weiß nicht wieso“, meinte Max und sah fast schon entschuldigend zu ihm auf. Es war ihm so schrecklich peinlich, wie er sich verhielt. Das alles war so neu für ihn und fühlte sich so verwirrend an.

„Magst du ihn?“, fragte Alex vorsichtig, weil er den Jüngeren zu wenig kannte und das Gefühl hatte, dass es besser war, wenn er diese Sache eher zaghaft anging. Immerhin war Max erst dreizehn.

„Ich weiß nicht“, wiederholte dieser leise und senkte seinen Blick. Er hatte wirklich keine Ahnung. Eigentlich war ihm Simon sympathisch und er fand ihn wahnsinnig nett, aber seine Anwesenheit ließ ihn komische Dinge tun und fühlte sich merkwürdig an. Mochte er ihn trotzdem?

„Ich glaube, du bist Johnny sehr, sehr ähnlich und ich kenne ihn wirklich ziemlich gut. Ich denke, du solltest versuchen nicht mehr so sehr darüber nachzudenken, wie du dich fühlst. Lass das einfach auf dich zukommen, genieße es, wenn es sich gut anfühlt und sag ihm, wenn es das nicht tut“, riet Alex ihm und lächelte ihn weiterhin an. Max fühlte sich nach diesen Worten ein klein bisschen besser und schaffte es sogar, etwas schwächlich sein Lächeln zu erwidern.

Gemeinsam brachten sie die restlichen Getränke ins Wohnzimmer und Alex kümmerte sich darum den Film von Denise einzulegen, während Max das Licht löschte und sich dann wieder zwischen Lucien und Simon setzte. Frank und Pete hatten sich mittlerweile auf dem Boden vor der Couch gegenüber des Fernsehers nieder gelassen, also war genug Platz, dass auch Alex sich auf einen Sessel setzen konnte. Er startete den Film und es wurde leise im Zimmer, als die ruhige, aber verhängnisvolle Klaviermusik begann. Automatisch rutschten sie alle etwas enger zusammen.

Lucien zog seinen Fast-Freund näher zu sich. Er verwarf jeglichen Gedanken, dass das hier toll werden würde. Er verabscheute Horrorfilme! Wieso machte es manchen Menschen nur solchen Spaß, bei so etwas Angst zu bekommen? Er verstand das wirklich nicht. Aber wenigstens merkte Johnny überraschend schnell, dass der Film Lucien ziemliche Angst einjagte und kuschelte sich deshalb noch etwas mehr an ihn und legte seine Arme auf Luciens, die sich wieder um seine Taille geschlungen hatten. Mit einem leisen Lächeln lehnte er sich an den warmen Oberkörper hinter sich und streichelte beruhigend über Luciens Handrücken.

Es gefiel Max zu sehen, wie liebevoll sein bester Freund und Johnny miteinander umgingen. Er freute sich riesig für Lucien, dass er jemanden wie Johnny gefunden hatte und es machte ihm tatsächlich weniger aus, als er es erwartet hätte, dass er nicht mehr derjenige war, an den Lucien sich während des Horrorfilms klammerte. Denn obwohl er versuchte Alex Rat zu befolgen, hingen seine Gedanken an Simon fest, welcher einige Zeit zuvor einen Arm auf die Rückenlehne der Couch gelegt hatte. Seine Hand war nur ein paar Zentimeter von ihm entfernt und auch wenn Max wusste, dass er sich das einbildete, fühlte es sich an, als glühte sein Nacken, weil er so nah an Simons Hand war. Noch ein klein wenig, ein ganz klein wenig tiefer und...

„Himmel!“, rief Frank laut, während alle anderen im Raum nur still aufschreckten. Auf dem Bildschirm war viel zu plötzlich ein Mann mitten im Zimmer aufgetaucht, als es geblitzt hatte und alle hatte das überrascht. Sogar Max war erschrocken, obwohl ihm das normal nie passierte, weil er sich so sehr auf den Film konzentrierte, dass er abschätzen konnte, wann etwas erschreckendes passierte. Doch der Junge neben ihm raubte ihm jegliche Fähigkeit, sich auf anderes zu konzentrieren.

Max bemerkte, dass sein Atem ein wenig unregelmäßig ging, weil er sich noch von dem Schrecken erholen musste. Offenbar bemerkte das allerdings nicht nur er selbst, denn als er seinen Blick vom Bildschirm abwandte sah er, dass Simon ihn ein bisschen besorgt und fragend ansah.

„Alles in Ordnung?“, fragte er leise. Max konnte nur langsam und stumm nicken und schluckte schwer. Simon lächelte ihn beruhigend an und ließ plötzlich seinen Arm, der so nah an Max’ Nacken gelegen hatte, herabrutschen. Regelrecht behutsam legte er ihn um Max’ Schultern und zog den Jüngeren vorsichtig ein bisschen näher zu ihm. Max war einerseits völlig erstarrt, andererseits einfach nur hilflos in dieser Situation, also ließ er es zu, dass Simon ihn soweit zu sich zog, dass er bequem seinen Arm auf seinen Schultern liegen lassen und über Max’ Oberarm streichen konnte, um ihn zu beruhigen. Wieder dachte Max an Alex’ Worte.

Er sollte es genießen, wenn ihm gefiel, was Simon tat, und es ihm sagen, wenn er es nicht mochte. Aber eigentlich hatte es sich verdammt gut angefühlt, wie Simon beschützend seinen Arm um ihn gelegt hatte. Es fühlte sich auch ziemlich gut an, wie er beständig, aber federleicht über seinen Oberarm streichelte. Max war diese Dinge nicht gewohnt, er kannte das gerade mal von Lucien, aber dieser war immerhin auch sein bester Freund seit frühster Kindheit. Simon war der erste „Fremde“, der ihn auf so eine Art berührte und es gefiel Max ungemein.

Während der Großteil des Raumes sich auf den Film konzentrierte, bemerkten sowohl Alex als auch Lucien ganz genau, was ihr Freund Simon gerade getan hatte. Simultan zogen sie ihre Augenbrauen nach oben, jedoch mit sehr verschiedenen Gedanken. Alex war sehr überrascht davon, dass Max mit einem Mal viel entspannter aussah. Der Junge war doch immerhin gerade einmal dreizehn und hatte sicher noch nie einen Freund gehabt, da musste er sich doch merkwürdig fühlen, wenn jemand so etwas tat, oder? Aber nein, Max sah völlig gelöst aus und schien sich sogar, wenn man so wollte, ein ganz, ganz kleines bisschen gegen den Jungen neben sich sinken zu lassen.

Lucien konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er fand es mehr als niedlich, die beiden so zu sehen. Eigentlich wunderte er sich ein wenig, dass es ausgerechnet Simon war, der Max gerade so beschützend in den Arm genommen hatte. Denn erstens war Simon der Älteste in diesem Raum und Max hatte sich noch einige Zeit zuvor darüber geärgert, dass diese Leute alle älter waren als er. Zweitens fand Lucien es mehr als verwunderlich, dass Simon sich das traute. Sie waren keine sehr guten Freunde, aber sie mochten sich und verstanden sich gut. Es war fast nicht möglich gewesen, nicht davon zu hören, was in den letzten Monaten mit Simon passiert war.

Johnny hatte ihm während ihres Dates davon erzählt. Simon war schon immer ein Macho gewesen und ein bisschen steckte das noch immer in ihm, aber nicht mehr sehr. Vor ein paar Monaten hatte er nämlich mit einem Mal gemerkt, dass er begonnen hatte, sich viel zu sehr für andere Jungen zu interessieren und das hatte ihn in einen schrecklichen Konflikt mit sich selbst gebracht. Offenbar war sein Vater außerordentlich homophob eingestellt und hatte seinem Sohn schon recht früh gepredigt, dass alle Schwulen pädophil, pervers und abnormal waren.

Dieses Gedankengut zusammen mit der Tatsache, dass ihm die Poster von Boygroups im Zimmer seiner Schwester mehr gefallen hatten als das große Playboy Poster, das sein Cousin ihm geschenkt hatte, hatte Simon vollkommen fertig gemacht. Als dann auch noch alle davon zu sprechen begonnen hatten, dass Johnny und Lucien verliebt ineinander seien, war er verzweifelt. Er war freiwillig zur Schulpsychologin gegangen, in der Hoffnung, dass sie ihm vielleicht irgendetwas zeigen konnte, wie er diese in seinen Augen ekelhaften Gedanken vertreiben konnte.

Allerdings hatte ihm die Schulpsychologin in eine komplett andere Richtung gestoßen und nachdem er in den letzten Wochen dreimal die Woche bei ihr gewesen war, hatte er es akzeptiert, dass er schwul war und dass er deshalb weder pädophil, noch pervers, noch abnormal war. Er hatte sich sogar bei Johnny entschuldigt, weil er den ein oder anderen schwulenfeindlichen Kommentar abgelassen hatte, und seitdem suchte er sogar Johnnys und Luciens Nähe.

Den beiden machte das natürlich nichts aus, sie hatten ihm sogar direkt ins Gesicht gesagt, dass er mit ihnen reden sollte, wenn etwas nicht in Ordnung war, weil sie ja sicher vieles davon verstehen könnten. Mit diesem Wissen im Hinterkopf war es für Lucien noch um einiges schöner zu sehen, wie Simon noch immer seinen besten Freund im Arm hielt und hin und wieder heimlich in dessen Gesicht blickte, aber schnell wieder wegsah, damit Max ihn nicht erwischte. Lucien war fast schon stolz auf Simon, weil er sich offensichtlich wirklich soweit gebracht hatte, keine Angst mehr vor sich selbst zu haben und nun sogar allen zu zeigen, dass er Jungs mochte.

Er wusste, dass der Gedanke ein wenig weit hergeholt war, immerhin hatte Simon Max ja einfach nur einen Arm umgelegt, aber er konnte nicht bestreiten, dass ihm die Vorstellung, Simon und Max wirklich zusammen zu sehen, gefiel. Die beiden passten in seinen Augen gut zusammen und Max war jemand, der wahrscheinlich besser als alle anderen damit umgehen können würde, dass Simon durch seine Erziehung noch immer ein paar versteckte Hemmungen hatte. Vielleicht hatte er diesen beiden ja einen sehr, sehr großen Gefallen damit getan, dass er Max mitgebracht hatte.

Der Film neigte sich langsam dem Ende zu und die vier Jungs auf einer Couch wussten nicht recht, ob es sie freuen sollte oder nicht. Lucien war froh, wenn der Film zuende war, und er war überzeugt, dass er Johnny trotzdem weiterhin festhalten würde. Dieser kuschelte sich einfach so fest an seinen Fast-Freund, dass Lucien überhaupt keine Möglichkeit hatte zu denken, dass er ihn irgendwann wieder loslassen musste. Max und Simon hingegen waren sich bewusst, dass man ihnen fragende Blicke schenken würde, wenn sie weiterhin so nebeneinander sitzen blieben. Es wusste ja jeder, dass sie sich gerade mal seit höchstens drei Stunden kannten.

Aber die Nähe zueinander gefiel ihnen. Max hatte sich, nachdem er aus fehlender Konzentration schon wieder bis ins Mark erschrocken war, vorsichtig an Simon angekuschelt und der Ältere hatte ihm augenblicklich signalisiert, dass das okay war, indem er ihn mit seinem Arm weiterhin nah bei sich gehalten hatte. Ihre Knie berührten sich und je mehr Max sich gegen Simon lehnte, desto mehr ihrer Oberschenkel berührte sich ebenfalls. Beide Jungen hatten es noch nie erlebt, wegen einer solchen Kleinigkeit solche Gefühle zu verspüren. Es fühlte sich toll an!

Als der Abspann über den Bildschirm lief und sich langsam alle wieder aus ihren gemütlichen Positionen erhoben, um ihre Glieder zu strecken, nahm auch Simon seinen Arm von Max’ Schultern und sie rutschten wieder ein wenig voneinander ab. Alex kroch zum Lichtschalter und löste mit dem Anschalten des Deckenlichts schmerzliches Stöhnen von allein Seiten aus. Schüchtern wechselten Max und Simon einen Blick, lächelten sich für einen kleinen Moment lang an. Max kam das ganze komisch vor, vor dem Film hatten Simon und er nur kurz miteinander gesprochen und nun, nach dieser merkwürdigen Nähe, schien Simon ihm wahnsinnig vertraut.

„Sag mal, darf man bei dir drinnen rauchen?“, fragte Frank und Max verzog dabei sein Gesicht ein wenig. Das war etwas, was er bisher noch nicht so recht kannte, jedenfalls war ihm das nur von Erwachsenen bekannt und offenbar war das die Grenze, an der diese Jungs und Mädchen schon einen Schritt näher waren als er. Er fand Rauchen ekelhaft und war sehr froh, dass Lucien das wieder gelassen hatte, nachdem sein Dad ihn ein einziges Mal erwischt hatte.

„Ne, aber du kannst in den Garten, am Fensterbrett neben der Tür in der Küche steht ein Aschenbecher“, informierte Alex und sowohl Frank als auch Pete und die drei Mädchen machten sich auf den Weg. Max bemerkte mit einem Lächeln, dass weder Johnny noch Alex oder Simon folgten.

„Und wie fandet ihr den Film?“, fragte Alex mit einem Grinsen, während er sich auf dem Sessel zurücklehnte und zufrieden zu seinen verbliebenen Gästen blickte. Er war sehr gespannt, wie das mit den vier Jungs auf der Couch noch enden würde. Immerhin hatte Johnny ihm erzählt, dass er alles daran setzen wollte, Lucien zu küssen, und das Grinsen in Johnnys Gesicht war noch nicht debil genug, als dass das bereits passiert war. Und Simon und Max waren eh ein anderes Kapitel.

„Er war mies. Selbst er ist erschrocken“, entgegnete Lucien auf die Frage und nickte in Max’ Richtung, was die anderen im Raum erst einmal auflachen ließ, weil er dabei sehr wie ein beleidigter Dreijähriger aussah.

„Hey, es ist nicht meine Schuld, dass du Angst vor Horrorfilmen hast, also mach mich nicht schlecht!“, konterte Max lachend und konnte genau beobachten, wie Luciens Wangen bei dieser direkten Aussage rötlich anliefen. Er fand das sehr niedlich und an Johnnys überwältigtem Blick konnte er gut erkennen, dass es diesem ebenso ging. Johnny sah aus als wollte er Lucien am liebsten in den Arm nehmen und drücken. Max ahnte, dass gerade in seinem Kopf der Gedanke aufkam, dass er das sogar durfte, und schon hatte er beide Arme um ihn geschlungen.

Ein wenig Neid spürte Max dabei natürlich und er zog seine Augenbrauen ein wenig zusammen, als er bemerkte, dass alles in ihm danach schrie, Simon ebenfalls so nah zu sein. Er kannte ihn doch kaum! Langsam aber sicher wurde es ihm unheimlich, was da mit ihm passierte. So etwas kannte er nun wirklich nicht und es verunsicherte ihn, dass er sich so ungewöhnlich benahm. Lucien hatte das bestimmt auch schon bemerkt, immerhin kannten sie sich in- und auswendig.

Es dauerte nicht lange, bis die anderen Gäste wieder nach drinnen kamen und eine allgemeine Diskussion über den Film begann, die bald jedoch auf andere Filme und letztendlich komplett andere Themen abschweifte. Max kam sich zwischen Luciens Freunden immer akzeptierter vor, weil sie merkwürdiger Weise alle völlig normal mit ihm umgingen und mit der Zeit immer mehr Wert auf seine Meinung zu legen schienen. Frank holte sich sogar extra seine Zustimmung, als er versuchte Denise davon zu überzeugen, dass die Band von der er sprach hörenswert war.

Mittlerweile hielten sich nicht mehr alle im Wohnzimmer auf, Alex war mit Pete und Claire in sein Zimmer verschwunden, um ihnen etwas auf seiner Gitarre zu zeigen, und der Rest wanderte zwischen Küche, Garten und Wohnzimmer hin und her. Max war bisher die meiste Zeit im Wohnzimmer geblieben, war nun aber auf den Weg in den Garten, um etwas frische Luft zu schnappen, weil Simon auf die Toilette gegangen war. Er hatte den gesamten Abend lang neben ihm gesessen und viel mit ihm gesprochen. Simon war ihm schrecklich sympathisch, außerdem fühlte es sich toll an, wenn sie sich hin und wieder etwas länger ansahen und dann beide peinlich berührt wegsahen, sobald jemand anderes sie dabei unterbrach.

Als er nach draußen trat sah er, dass gerade niemand außer ihm hier war, deshalb ließ er sich mit einem tiefen Seufzen auf die Hollywoodschaukel auf der Terrasse nieder, begann sanft hin und her zu schwingen. Er mochte diese Feier und noch viel mehr mochte er die Tatsache, dass Luciens Freunde offensichtlich nun auch seine Freunde wurden und er endlich Leute kennen gelernt hatte, mit denen er auf einer Wellenlänge lag. Und natürlich – allen voran – Simon.

„Du bist wirklich talentiert, Kleiner“, riss Luciens Stimme ihn aus seinen Gedanken und er blickte zu seinem besten Freund auf, bevor dieser sich neben ihm auf der Schaukel nieder ließ.

„Wieso das?“, fragte er scheinbar ahnungslos, merkte aber trotzdem, dass seine Wangen bereits rot anliefen, weil er befürchtete, dass es um Simon ging.

„Ich meine, erst ärgerst du dich darüber, dass du so viel jünger bist als anderen und niemand dich mögen wird und dann verliebst du dich in den Ältesten hier und flirtest mit ihm was das Zeug hält“, lachte Lucien und wiegte die Hollywoodschaukel etwas stärker mit seinen Füßen hin und her.

„Ich habe überhaupt nicht mit ihm geflirtet!“, ereiferte Max sich sofort, erschrak dabei offenbar selbst über seine Lautstärke und musste dann auch noch an Luciens Grinsen sehen, dass er in eine Falle getappt war.

„Und außerdem habe ich mich nicht in ihn verliebt“, fügte er lasch hinzu und senkte seinen Kopf, damit sein bester Freund seine glühenden Wangen nicht sah. Er war nicht in Simon verliebt, richtig? Immerhin kannte er ihn doch kaum, sie hatten vielleicht höchstens zwei Stunden miteinander geredet, sie waren sich vollkommen fremd, da konnte er überhaupt nicht verliebt sein und er hätte es doch wohl außerdem bemerkt, wenn er sich in Simon verliebt hätte, oder?

„Natürlich nicht“, grinste Lucien und legte ihm einen Arm um seine Schultern, zog ihn zu sich heran und blickte ihn mit „Herzchenaugen“ an. Sofort löste Max sich verärgert aus dieser Umarmung.

„Hör auf ihn nachzumachen, er wollte nur nett sein, weil ich mich erschrocken habe, und er hat mich überhaupt nicht so angesehen“, verteidigte er Simon und verschränkte dabei seine Arme vor der Brust, was Lucien nur noch mehr zum Grinsen brachte. Der Jüngere fiel völlig auf den Plan seines besten Freundes herein.

„Du brauchst dir keine Gedanken zu machen, ich glaube, Simon ist ebenso begeistert von dir wie du von ihm“, lächelte Lucien seinen Freund an und legte ihm diesmal ernst gemeint eine Hand auf den Oberschenkel.

„Denk mal daran, was ich dir damals gesagt habe, als wir beschlossen haben, dass wir aufhören, uns zu küssen“, fügte er noch hinzu, schenkte Max noch ein strahlendes Lächeln und erhob sich wieder.

Hilflos sah dieser ihm hinterher. Woran sollte er denken? Lucien hatte ihm damals erklärt, dass sie sich nicht mehr küssen konnten, weil sie nicht verliebt ineinander waren, und er hatte ihm erklärt, wie es sein würde, wenn er sich tatsächlich in einen anderen Jungen verlieben würde. Laut Lucien würde er nervös werden, die ganze Zeit nur ihn wahrnehmen, sich über seine Aufmerksamkeit freuen, das Gefühl haben, dass er zwischen allen anderen herausstechen würde, sich total ungewöhnlich verhalten und sich vor allen Dingen nach seiner Nähe sehnen.

Und das traf doch alles überhaupt gar nicht auf Simon zu, oder? Oder...? Mit einem tiefen Schlucken streifte er seine etwas feucht gewordenen Handflächen an seiner Jeans ab. Das alles traf vollkommen auf Simon zu!

Max war das erste Mal in seinem Leben verliebt.

„Weißt du, ich glaube, du könntest ihn noch besser anstarren, wenn du nach draußen gehst und dich neben ihn setzt“, wurde diesmal Simon aus seinen Gedanken gerissen und er drehte sich erschrocken zu Alex, der mit einem Grinsen am Türrahmen der Küchentür lehnte und ihn dabei beobachtete, wie er nach draußen sah, wo Max einsam auf der Hollywoodschaukel saß. Alex hatte ein breites, aber sanft und verständnisvoll wirkendes Grinsen auf seinen Lippen und er hatte auch alles andere geplant, als Simon lächerlich zu machen, weil er den Jüngsten beobachtete.

„Ich wollte nicht...“, begann er sich zu rechtfertigen, doch Alex winkte mit einem gönnerischen Lächeln ab.

„Du brauchst nichts zu erklären, wir sind alle nicht blind und es ist nun wirklich kein Geheimnis mehr, dass du nicht viel mit Mädchen anfangen kannst. Er auch nicht.“, erklärte Alex und trat etwas näher. Lucien hatte ihm seine Vermutung nämlich bereits bestätigt, dass Max auf diese Weise Gefallen an Simon gefunden hatte.

„Denkst du... Denkst du es wäre möglich, dass ich hier übernachten könnte?“, fragte Simon etwas leiser als zuvor und mit Blick auf den Jungen auf der Terrasse. Alex zog seine Augenbrauen ein wenig zusammen und betrachtete seinen älteren Freund mit einem leicht kritischen Blick.

„Ich will jetzt nicht nach hause, nicht nachdem ich... ihn kennen gelernt habe. Ich... Ich denke nicht, dass ich meinem Dad gerade gegenüber treten könnte.“, erklärte Simon mit etwas brüchiger Stimme und sah seinen Gesprächspartner nun außer als er das „ihn“ betonte wieder an.

„Ich denke, dass das klar geht.“, meinte Alex sofort mit einem energischen Nicken. Er war zwar im ersten Moment etwas verwundert gewesen, aber wenn es um dessen Vater ging, dann hätte er zu allem ja gesagt, um Simon zu helfen.

„Johnny und Lucien werden sicher nichts dagegen haben, zusammen in meinem Bett zu schlafen, dann nehme ich Johnnys Schlafzeug und du kannst Luciens haben. Die beiden haben sicher kein Problem damit und ich bezweifle, dass er etwas an deiner Anwesenheit auszusetzen hat“, erklärte er lächelnd und deutete mit einem Nicken in Richtung Terrasse, damit Simon verstand, wen er als letztes gemeint hatte. Wie erwartet weiteten sich dessen Augen dabei ein wenig.

„Er schläft auch hier?“, fragte er hörbar unsicher, ob ihn das freuen sollte oder nicht. Alex fand das mehr als niedlich. Auf den ersten Blick hätte man von Simon niemals solch eine Unsicherheit erwartet, ebenso wie jeder wahrscheinlich kritisch darauf geblickt hätte, einen Dreizehnjährigen mit einem Sechzehnjährigen zu sehen. Aber Simon wirkte nicht wie ein erfahrener, erwachsener Sechzehnjähriger. Er war nicht viel weiter als Max mit seinen Erfahrungen und Alex war der Meinung, dass die beiden mit ihrer Vorsicht gegenüber dem anderen perfekt zusammen passten.

„Ja, aber es geht in Ordnung, dass du auch hier schläfst. Aber nur, wenn du nachher beim Aufräumen hilfst“, lachte er und legte Simon für einen Moment eine Hand auf die Schulter, bevor er sich umdrehte und wieder in Richtung Wohnzimmer verschwand. Simon hingegen drehte sich wieder zum Fenster und ließ zögerlich seine Blicke über den zierlichen Körper auf der Schaukel schweifen.

Lucien hatte sich nach dem Gespräch mit Max auf die Suche nach seinem Fast-Freund gemacht, war aber zuvor von Alex abgefangen worden. Es hatte ihn gefreut, dass Alex sich offenbar bereits um Max sorgte, weil er so vorsichtig nachgefragt hatte, ob er das Verhalten von Simon und Max richtig interpretierte. Er hatte das Gefühl, dass Max schon nach diesem einen Abend perfekt in seinen Freundeskreis integriert sein würde. Es beruhigte ihn und machte ihn verdammt glücklich. Besser konnte es nur noch kommen, wenn es mit Johnny und ihm nun tatsächlich klappte.

Auf der Suche nach diesem war er mittlerweile in Alex’ Zimmer angekommen und wurde dort auch fündig. Mit einem Lächeln sah er seinen Fast-Freund an, der im Licht der Schreibtischlampe neben seinem Rucksack kniete und offenbar dabei war, etwas zu suchen. Wie so oft, wenn er ihn ansah, konnte er sein Glück kaum glauben, dass er auf dem besten Wege war, Johnnys Freund zu werden. Johnny war in seinen Augen einfach unglaublich toll, unübertrefflich.

„Hey“, sprach er leise, um ihn nicht zu erschrecken, und schloss ebenso leise die Zimmertür hinter sich.

„Oh, Lucien“, lächelte Johnny, nachdem er etwas zusammen gefahren war, als er Luciens Stimme gehört hatte. Dieser war im Halbdunkeln zum Sofa gegangen und hatte sich dort nieder gelassen. Nachdem Johnny seinen Rucksack wieder geschlossen hatte, trat er näher zu ihm und setzte sich ebenfalls. Wie schon zuvor saßen sie stumm und nervös nebeneinander auf diesem Sofa.

„Sie denken jetzt alle, dass wir hier... Unzüchtiges tun, oder?“, brach Johnny die Stille und lächelte.

„Alex und Max werden in jedem Falle darauf warten, dass wir beide mit einem debilen Grinsen im Gesicht nach unten kommen.“, stimmte Lucien ihm mit einem Nicken zu und spürte, wie ein Herz ein wenig schneller schlug, als Johnny etwas näher zu ihm heranrutschte und sich an ihn kuschelte. Nervös legte er einen Arm um seinen Fast-Freund und genoss dessen Nähe.

„Ich habe Alex heute Nachmittag noch ganz stolz erzählt, dass ich mir fest vorgenommen habe, dass ich dich heute küsse“, flüsterte Johnny nach einem tiefen Durchatmen und schmiegte sich fester an den Körper neben ihm.

„Ja, Max erwartet auch, dass ich ihm morgen alles detailgenau erzähle“, kicherte dieser und drückte mit all seinem gesammelten Mut seine Lippen vorsichtig gegen Johnnys Stirn. Es war immerhin ein Anfang. Sie wussten beide, dass das hier vielleicht nicht der romantischste Weg war, gerade weil sie bereits darüber redeten, dass sie sich küssen wollten und würden, aber es war einfacher. Keiner von ihnen hatte das je getan, also war es erlaubt, dass sie zu nervös für Romantik waren.

„Was hältst du davon, wenn wir es einfach hinter uns bringen? Dann müssen wir beide nicht mehr aufgeregt sein... und können es noch ganz oft wiederholen“, schlug Johnny mit einem Grinsen vor und entfernte sich etwas von Lucien, der mit einem zustimmenden Lächeln in sein Gesicht blickte.

Vorsichtig legte er eine Hand an Johnnys Wange und streichelte mit seinem Daumen über dessen Haut, berührte nur ganz zaghaft Johnnys rot schimmernde Lippen. Behutsam führte er ihn näher zu sich und kam Johnny ein wenig entgegen. Je näher sie sich kamen, desto schneller spürten sie beide ihre Herzen schlagen und es kam ihnen vor wie eine klitzekleine Explosion, als sich ihre Lippen endlich berührten. Vollkommen unschuldig genossen sie einfach nur diese kleine Errungenschaft in ihrer Beziehung. Immerhin hatten sie damit eine große Hürde überwunden und Lucien jubelte innerlich, dass er Johnny jetzt nicht mehr seinen Fast-Freund, sondern seinen Freund nennen konnte. Er hatte einen Freund! Und er küsste seinen Freund gerade das erste Mal!

Als sie sich voneinander lösten blickten sie sich etwas benebelt an, konnten jedoch beide nicht widerstehen und schon fanden ihre Lippen wieder zueinander. Sie küssten sich noch einige Zeit lang auf diese so unschuldige Art und Weise, bis Lucien ein weiteres Mal all seinen Mut zusammensammelte und zaghaft seine Lippen öffnete. Johnny verstand sofort und tat es ihm gleich, sodass sich kurz später schüchtern ihre Zungen ein erstes Mal berührten. Sie waren einer wie der andere überwältigt davon, wie schüchtern aber gleichzeitig liebevoll dieser Kuss sich entwickelte.

Einmal überwunden, fiel es ihnen schwer, sich wieder voneinander zu trennen. Lucien hatte das Gefühl, dass Johnny irgendetwas an sich hatte, dass ihn süchtig danach machte, ihn zu küssen. Das war ein unglaubliches Gefühl! So komplett anders als mit Max, anders als mit den wenigen Mädchen, die er schon geküsst hatte. Alles in ihm schrie danach, nie wieder damit aufzuhören und sein Körper spielte vollkommen verrückt, als Johnny seine Arme in seinen Nacken legte und sie sich damit noch viel, viel näher kamen. Er war sich sehr sicher: Es gab nichts, gar nichts besseres auf der Welt, als Johnny zu küssen. Und er durfte ihn so viel küssen, wie er wollte!

Alex, Frank, Simon, Claire und Max saßen gemeinsam im Wohnzimmer, als Johnny und Lucien sich wieder nach unten wagten. Und wie sowohl Max als auch Alex erwartet hatten, strahlten die beiden um die Wette und hielten wieder stolz die Hand des anderen in ihrer. Die beiden wechselten einen Blick, sahen dann wieder zu dem „Pärchen des Abends“ und begannen dann zu lachen. Man sah den beiden sehr an, dass sie sich endlich getraut hatten, sich zu küssen, und Max und Alex gönnten es ihnen von ganzem Herzen, dass sie sich darum keine Gedanken mehr machen mussten.

Das Pärchen setzte sich gemeinsam auf einen der Sessel und strahlte trotz des Lachens ihrer Freunde weiterhin vor sich hin. Alle Anwesenden mussten schwer an sich halten, nicht allzu neidisch auf die beiden zu sein, insbesondere Simon und Max fiel es schwer, diesen Neid zu unterdrücken. Seit sie sich wieder gemeinsam im Wohnzimmer eingefunden hatten, schien die Luft zwischen ihnen noch gespannter zur sein, immerhin hatten sie sich beide zuvor eingestanden, dass sie sich wohl ein bisschen ineinander verliebt hatten. Es war nicht nur für Max das erste Mal, dass er richtig verliebt war, und so fühlten sie sich schrecklich unsicher in Anwesenheit des anderen.

Der Rest des Abends bzw. der Nacht verlief ähnlich. Während Johnny und Lucien sich anhimmelten, warfen Max und Simon sich schüchterne Blicke zu und die übrigen Gäste und Alex mussten sich zurückhalten nicht jedes Mal laut „Aw“ zu rufen. Gegen halb eins tauchten Claires und Franks Väter auf und holten die nicht übernachtenden Gäste, die darüber sichtbar nicht erfreut waren, ab.

„War echt cool, dich kennen zu lernen, wenn wir das nächste Mal irgendetwas machen, dann bist du auf jeden Fall dabei!“, verabschiedete Frank sich von Max und hielt seine Hand hin, damit Max sich mit einem Handschlag verabschiedete. Dieser strahlte einerseits, weil alle bisher gesagt hatten, dass sie ihn wiedersehen wollten, andererseits fühlte er sich etwas traurig, weil Simon sich bisher noch nicht bei ihm verabschiedet hatte und er ihn eigentlich auch gar nicht gehen lassen wollte.

„Macht’s gut und kommt gut nach hause!“, rief Simon den anderen hinterher und sofort blickte Max überrascht zu ihm.

„Du fährst nicht mit?“, fragte er direkt und dabei von sich selbst verwundert, weshalb er sich das zu fragen traute.

„Nein, Alex meint, dass ich bleiben kann“, lächelte Simon und Alex, der etwas abseits stand und die beiden beobachtete, musste sich sehr zusammenreißen, nicht aufzuquietschen, als beide Jungs plötzlich zu strahlen begannen. Max, weil Simon blieb, und Simon, weil Max sich darüber freute.

„So, dann machen wir uns mal ans Aufräumen!“, meinte Alex laut und die Verbliebenen fünf versammelten sich im Wohnzimmer.

„Max, Simon, könntet ihr das Geschirr zusammensammeln und abwaschen? Wir drei kümmern uns ums Aufräumen und Saubermachen“, schlug er vor und die Angesprochenen nickten, machten sich auch gleich daran, Teller, Gläser und Schalen einzusammeln und in die Küche zu bringen. Johnny und Lucien schenkten Alex einen wissenden, aber zustimmenden Blick, hatten sie doch beide sofort bemerkt, dass Alex damit nur plante die zwei Jungs alleine miteinander sein zu lassen.

„Wollen wir die Arbeit aufteilen? Ich wasche das Geschirr ab und du trocknest ab?“, fragte Simon noch immer breit lächelnd und Max nickte sofort, ebenfalls immer noch mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen. Er ging noch einmal ins Wohnzimmer, um das restliche Geschirr zu holen, während Simon bereits anfing abzuwaschen. Max war unsagbar glücklich, dass Simon mit bei Alex übernachten würde. Sie würden noch mehr Zeit miteinander verbringen dürfen! Vielleicht würden sie sogar nebeneinander schlafen können, vielleicht würde Simon ja wie als sie den Film angesehen hatten einen Arm um ihn legen, vielleicht würde er...

Ihm fielen so unzählbar viele Dinge ein, die er als wunderschön empfunden hätte. Das meiste waren völlig banale Sachen, die sich aber in Bezug auf Simon plötzlich ganz anders anhörten. Wenn er Glück hatte, dann würde Simon ihn morgen zum Abschied vielleicht umarmen! Es wäre komisch gewesen, wenn er es vor allen anderen getan hätte, aber wenn sie nur zu fünft waren, dann würde er das eventuell wirklich machen. Oder vielleicht würde er auch einfach nur so weiter machen wie jetzt und ihn so oft anlächeln. Selbst das würde ihm mehr als genügen.

Bei dem Gedanken, dass Simon ihn womöglich genauso mochte, wie er ihn, wurde Max mit einem Male unglaublich warm. Die Vorstellung, dass sie alleine zu zweit irgendetwas unternehmen könnten, ließ ihm das Blut in den Kopf schießen und auch wenn er alleine war, lief er rot an. Solche Gedanken waren so unglaublich neu und aufregend und irgendwie auch angsteinjagend. Aber Lucien hatte gesagt, dass Simon ihn auch mochte, und das hätte er doch niemals getan, wenn er sich da nicht sicher gewesen wäre, oder? Und Simon lächelte ihn immerhin auch ständig an!

Als Max zurück in die Küche kam, schenkten sie sich selbstverständlich wieder ein Lächeln und mit einem angenehmen Kribbeln in seinem Bauch und seinen Armen griff er nach einem Geschirrtuch, um das bereits gewaschene Geschirr abzutrocknen. Es war ziemlich still, da die anderen drei in den Keller verschwunden waren, um Putzzeug und Staubsauger zu holen, und die Stille war Max unangenehm. Sollte er irgendetwas sagen, um ein Gespräch anzufangen? Aber was? Und was, wenn Simon gar keinen Wert darauf legte, etwas zu sagen? Aber das hatte er doch den gesamten Abend lang getan!

„Wie hat dir die Party eigentlich so gefallen?“, nahm Simon ihm die Entscheidung, ob er etwas sagen sollte oder nicht, ab und sah mit einem interessierten Blick und selbstverständlich einem Lächeln zu ihm.

„Es war toll! Ich hatte eigentlich ein wenig Angst mitzukommen, weil ich dachte, dass ihr mich alle komisch ansehen werdet, weil ich... naja, nicht so alt bin wie ihr, aber Lucien hat recht gehabt, ihr seid echt alle verdammt nett gewesen“, antwortete er ehrlich und stellte einige Teller dabei zur Seite.

„Lucien hat vorher schon ein paar Mal von dir erzählt und ich dachte mir zuerst auch, dass es doch komisch sei, dass er mit jemandem so gut befreundet ist, der so viel jünger ist, aber auch ich muss ihm Recht geben. Du bist weniger dreizehn als alle anderen hier“, entgegnete Simon und Max spürte, dass sein gesamtes Gesicht ein weiteres Mal rot anlief. Er hatte gerade ein Kompliment bekommen, oder? Von Simon! Simon fand, dass er erwachsener war als die anderen!

„D-Danke“, stammelte er und fuhr sich mit dem Handrücken seiner rechten Hand über seine Wangen, in der Hoffnung, dass seine vom kalten Wasser kühle Haut ein wenig dagegen half, dass er so rot anlief. Simon schien ihm dabei ganz genau zuzusehen und als er seine Hand sinken ließ, richtete dieser sich plötzlich auf.

„Du... Du hast da...“, meinte Simon mit einem Mal viel leiser als zuvor und trat einen Schritt vom Waschenbecken zurück. Wie versteinert sah Max zu, wie Simon seine Hände aus dem Wasser hob und er vorsichtig über seine Wange strich.

„Da... Da ist Sch-Schaum“, stotterte er und Max konnte nichts anderes tun, als in die Augen des Älteren sehen, der diesen Blick wie hypnotisiert erwiderte. Selbstverständlich hatte Simon seine Hände nicht abgetrocknet, also erreichte er genau das Gegenteil und verteilte nur noch mehr Schaum auf Max’ Wange.

„Warte.“, meinte er leise, noch immer ohne ihren Blickkontakt abzubrechen, und wischte sich hastig seine Hände an einem Handtuch ab, bevor er ein weiteres Mal zaghaft über Max’ Wange strich und die kleinen Schaumbläschen von dessen Haut wischte. Aus einem merkwürdigen Grund waren sie beide von dieser Geste völlig überwältigt und merkten beide nur unterbewusst, dass Simon nicht damit aufgehört hatte, über Max’ Wange zu streichen. Erst als aus dem Wohnzimmer Gelächter der anderen drei zu hören war, entrissen sie sich den Blicken des anderen und erschraken beide vor dem, was sie da getan hatten. Mit knallroten Wangen wandten sie sich wieder dem Geschirr zu, das noch darauf wartete, gewaschen zu werden.

Mit unsagbar schnell klopfendem Herzen und nervös zitternden Händen trocknete Max hastig einen Teller nach dem nächsten ab. Er hatte keine Ahnung mehr, was er denken sollte. Es hatte sich unglaublich angefühlt, was Simon da gemacht hatte. Und dieser Blickkontakt erst! Er konnte kaum glauben, dass das wirklich passiert war. Simon hatte ihm über die Wange gestreichelt und sie hatten sich lange in die Augen gesehen und hatten sich beide total in diesem Moment verloren. Das hieß, dass es Simon ganz genauso ging wie ihm, oder? Das hieß, dass Simons Herz gerade genauso schnell und heftig gegen seinen Brustkorb klopfen musste, richtig?

Die anderen drei Jungs ließen sich extra viel Zeit. So viel war nicht aufzuräumen, aber sie ließen sich so lange Zeit, bis Max und Simon in der Küche fertig waren. Unten im Keller hatten sie darüber philosophiert, was die beiden wohl ganz allein in der Küche machten. Alex hatte, nachdem sie die Tür geschlossen hatten, sogar laut gequietscht, wie schrecklich süß die beiden zueinander waren. Lucien hatte das gleichermaßen zum Lachen gebracht und gefreut. Johnny und Alex sorgten sich um Max, sie freuten sich für ihn und sie fanden ihn ganz genauso niedlich wie er!

Nach etwa einer halben Stunde kamen die zwei Jungs aus der Küche, einer wie der andere mit einem schüchternen, aber merkwürdig glücklichen Ausdruck auf dem Gesicht und diesmal war es nicht nur Alex, der sich zurückhalten musste, irgendein lautes Geräusch der Entzückung zu machen. Lucien war schon sehr gespannt darauf, Max auszufragen, was in der Küche passiert war, und wenn sein bester Freund wissen wollen würde, was zwischen ihm und Johnny geschehen war, als sie alleine in Alex’ Zimmer gewesen waren, dann musste er mit der Sprache rausrücken, was mit ihm und Simon war. Und am besten so bald wie möglich, Lucien war schrecklich neugierig.

Die gesamte untere Etage war mittlerweile wieder ordentlich und auch sauber und die fünf machten sich auf den Weg nach oben in Alex’ Zimmer. Max schaffte es den gesamten Weg über nicht, seine Augen von Simon abzuwenden. Das verhaltene, freudige Lächeln auf dessen Lippen musste einfach ihm gelten! Offenbar hatte dieser Moment in der Küche Simon ganz genauso berührt, wie ihn selbst. Dabei war Simon viel älter als er und bestimmt auch erfahrener. Vielleicht hatte Simon sich ja tatsächlich auch in ihn verliebt und freute sich deshalb so darüber?

„Da ist übrigens das Bad“, wies Alex sie oben im Flur auf eine Tür hin, bevor sie alle gemeinsam in ein Zimmer traten. Mit einem Gähnen bekundete Johnny, dass er tot müde war und sie klärten noch kurz, dass Johnny und Lucien sich Alex’ Bett teilen würden, bevor Lucien und Max sich zusammen auf den Weg ins Bad machten, weil sie sich immerhin schon seit Ewigkeiten kannten und kein Problem damit hatten, gemeinsam ein Badezimmer zu benutzen.

„Du hast so viel zu erzählen, Kleiner“, stellte Lucien bereits auf dem Flur fest und erntete von Max nur ein breites Grinsen.

„Also, los, warum grinst ihr beide so debil?“, befahl er geradezu, nachdem sie die Badezimmertür hinter sich geschlossen hatten, und begann nebenbei sich schon einmal auszuziehen. Für einen kleinen Moment zögerte Max das erste Mal in seinem Leben, ob er das Lucien wirklich erzählen sollte, weil dieser Augenblick mit Simon ihm so intim und besonders schien, aber letztendlich siegten sein Mitteilungsbedürfnis und sein Drang danach, dass Lucien weiterhin alles von ihm wusste.

„Wir haben abgewaschen und... Simon hat mir gesagt, dass er findet, dass ich genauso, wenn nicht noch erwachsener sein würde als ihr, und ich bin schrecklich rot angelaufen. Deshalb hab ich mir über meine Wangen gestrichen und dabei offenbar Schaum in mein Gesicht geschmiert und... Simon hat das gesehen und ganz, ganz vorsichtig den Schaum von meiner Wange gestrichen... auch als gar keiner mehr da war“, erzählte er aufgeregt und schon wieder wurde sein Gesicht alleine bei dem Gedanken daran ganz heiß. Simon hatte ihm über die Wange gestreichelt!

„Oh! Wow“, grinste Lucien ihn an, während er gerade seine Zahnbürste aus dem Rucksack holte und begann, Zähne zu putzen.

„Ich glaube, du hattest wirklich recht damit, dass ich mich in ihn verliebt habe“, gestand Max ein wenig leiser als zuvor und augenblicklich zog Lucien ihn fest in seine Arme und drückte den Kleineren an sich. Natürlich musste auch der Ältere berichten, was er allein mit Johnny getrieben hatte und so betraten die beiden wenig später mit einem noch breiteren Grinsen Alex’ Zimmer, nicht mehr nur glücklich über ihre eigenen Erlebnisse, sondern auch noch über die des anderen.

Die übrigen drei hatten bereits Schlafsäcke und Isomatten ausgebreitet und etwa zehn Minuten später waren alle umgezogen und müde genug augenblicklich einzuschlafen. Zu Max’ Freude lag die Schlafstelle von Simon direkt neben seiner und während Johnny und Lucien eng aneinandergekuschelt und sicher in den Armen des anderen unter Alex’ Bettdecke lagen, verkroch er sich ebenso wie Simon in einem der Schlafsäcke. Alex wartete noch, bis alle ihre Schlafplätze erreicht hatten, löschte dann das Deckenlicht und stolperte seinem oder vielmehr Johnnys Schlafsack entgegen.

„Schlaft gut, Leute“, meinte er leise und anstatt sich hinzulegen, blieb er auf dem Schlafsack sitzen und blickte zuerst zum Pärchen und dann zum Fast-Pärchen in seinem Zimmer. Sie waren süß, in seinen Augen. Auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, selbst einem anderen Jungen auf diese Art nahe zu sein, fand er es einfach unbeschreiblich süß, wie diese vier miteinander umgingen.

„Gute Nacht“, kam von ihnen zurück und man hörte noch einige Augenblicke das Rascheln der Bettdecke, bis Johnny und Lucien offenbar eine für sie beide bequeme Schlafposition gefunden hatten. Max wusste nicht recht, was er denken sollte. Er war glücklich, dass Simon so nah neben ihm lag, aber... er wollte ihm noch näher sein. Am liebsten hätte er gerade genauso in Simons Armen gelegen, wie Johnny in Luciens lag. Aber das war ein wenig voreilig, oder? Johnny und Lucien waren immerhin ein echtes Pärchen und was waren Simon und er schon? Sie waren bisher noch gar nichts.

„Max?“, unterbrach eine leise Stimme diese Gedanken und der Angesprochene fühlte, wie sein Herz augenblicklich höher schlug.

„Ja?“, flüsterte er zurück und schon war wieder leises Rascheln zu hören, diesmal aber nicht vom Bett.

„Darf ich...?“, fragte Simon wispernd und Max spürte, wie der Ältere zaghaft eine Hand auf seinen Arm legte. Sein Herz legte noch einmal etwas zu und erhöhte seine Schlagfrequenz um ein Vielfaches.

„J-Ja“, hauchte er fast nur noch zurück und nach noch ein bisschen mehr Rascheln legten sich plötzlich vorsichtig und behutsam zwei Arme um ihn. Das Kribbeln, das er zuvor nur in seinem Bauch und in seinen Armen gespürt hatte, breitete sich nun in seinem gesamten Körper aus. Simon hatte ihm einen Arm unter seinen Hals gelegt und den zweiten zaghaft um seinen Bauch geschlungen und Max hatte das Gefühl im Himmel zu sein. Simon sehnte sich genauso nach der Nähe zu ihm, wie er selbst es tat! Glücklich und von diesem Gedanken ermutigt legte er seine Hand auf Simons Arm, der auf seinem Bauch ruhte, und rutschte etwas näher.

„Danke“, kam es leise von dem Jungen neben ihm und Max kuschelte sich fest in dessen Arme. Gerade noch hatte er sich gewünscht, ihm so nahe zu sein, und nun erfüllte Simon ihm diesen Wunsch. Einfach so. Als hätte er, als er neben ihm gelegen hatte, ganz genau dasselbe gedacht wie er. Hatte er das? Vielleicht. Eigentlich war es ihm egal, solange Simon ihn nur weiterhin festhielt und er sich in seinen Armen ebenso beschützt fühlen durfte, wie Lucien das bei Johnny tat. Und er musste dafür noch nicht einmal mit ihm zusammen sein! Mit einem glücklichen Lächeln dachte er daran, wie wundervoll es erst würde, falls Simon und er irgendwann einmal tatsächlich ein Pärchen würden, bevor er noch einmal über dessen Arm strich und seine Augen schloss.

Alex lächelte. Selbstverständlich hatte er die gesamte Szene beobachtet und fand nun noch viel weniger Worte dafür, wie niedlich er seine beiden Freunde fand. Wer wusste schon, was aus all dem noch werden würde? Alex wollte das überhaupt nicht wissen, ihm genügte es zu wissen, dass diese Feier vier Menschen unglaublich glücklich gemacht hatte, und wenn er es sich so überlegte, dann war das definitiv die beste Geburtstagsfeier, die er jemals gehabt hatte.

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