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A true Canadian Sheepstory
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Informationen
- Story: A true Canadian Sheepstory
- Autor: Wölfchen
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Science Fiction
Der einzige Mensch im Umkreis von hundert Kilometern zu sein, war nicht unbedingt in Nachteil. Es gab sicher Millionen von Menschen, die es nicht aushalten würden. Ich fand es dagegen ganz angenehm.
Bei der Zahl allerdings war ich mir nicht ganz sicher. Also, bei der Anzahl der Menschen, die sich in diesem Landstrich befanden. Tiere waren es auf jeden Fall genug.
Ich befand mich im Norden Kanadas und hütete Schafe. Wobei das nicht unbedingt der richtige Ausdruck war. Ich lebte hier und nebenbei achte ich auf ein paar vierbeinige, mehr oder weniger weiße Wollknäule. Ein Bekannter hatte mir den Job vermittelt, als ich es nicht mehr ausgehalten hatte, unter Menschen zu leben.
Nicht, dass ich etwas gegen Menschen hatte. Wenn sie still, unbeweglich und am besten einfach tot in irgendeiner Ecke hockten, dann hatte ich wirklich nichts gegen sie. Aber wer tat das schon? Und da es nun mal beinahe überall Menschen gab, musste ich sie eben minimieren.
Deswegen war ich nach Kanada gezogen. Um endlich meine Ruhe zu haben. Ich musste nur auf die paar genmanipulierten Schafe, ein riesiges Haus, zwei drei Hirsche, einen Bären, eine Katze und zwei Hunde Acht geben. Und natürlich meinem Boss regelmäßig über das Wachstum seiner Tiere berichten.
Es war nicht direkt illegal. Oder moralisch verwerflich.
Jeder Tierschützer würde mich wahrscheinlich kreuzigen, aber soweit ich das sah, ging es den Viechern ganz gut. Sie waren zwar alle nicht mehr ganz normal und zeigten hin und wieder seltsame Wesenszüge … aber ansonsten? … brachten sie mir ein angenehmes Leben. Sie machten nicht allzu viel Dreck, sie laberten mich nicht voll, sie verlangten nur ein kleines Maß an Aufmerksamkeit und sie hörten immer zu, egal was ich ihnen erzählte.
Ich war nun schon fast ein Jahr hier und ich könnte es glatt noch ein paar Jahre aushalten.
Jedenfalls wenn sich die Genmanipulationen, die ihnen verabreicht wurden, nicht allzu sehr änderten. Sprechende Schafe konnten auch nerven.
Mein Leben war angenehm und so sollte aus auch bleiben.
Aber natürlich passierte nicht das, was ich wollte. Mein Pech hatte mich jetzt schon monatelang nicht mehr verfolgt, jetzt kam es wieder.
Es war an einem ruhigen Herbstabend. Ich hatte die Hirsche hinter den Ohren gekrault, die Hunde gefüttert, die Katzen davon abgehalten, die Hunde zu fressen und auch die Schafe besucht.
Eigentlich waren sie meine Lieblinge. Sie standen auf ihrer Wiese, krächzten das eine oder andere merkwürdige Geräusch und fraßen. Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen war es deshalb, stundenlang da zu stehen und ihnen zuzusehen. Ab und zu warf ich auch einen Blick auf die Tafel, auf denen immer ein paar mathematische Probleme standen, die sie lösen sollten. Sobald sie es geschafft hatten, mailte ich das ganze an meinen Boss.
Keine Ahnung, was er damit anstellte.
Ich saß also ganz gemütlich in meinem Sessel, schmauchte ein Pfeifchen und trank ein Bierchen.
Bis ich plötzlich einen lauten Rums hörte. Nun, Rums ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Ein kurzer Schrei und dann ein Geräusch, als würde jemand von einem Baum fallen.
Ich hob den Kopf und wartete auf das übliche Gefluche, das einsetzte, wenn der Hingefallenen sich wieder erhob und bemerkte, wo er sich überall verletzt hatte.
Dabei konnte man noch etwas lernen.
Aber nichts geschah.
Ich runzelte die Stirn. Na dann.
Jetzt musste ich auch noch aufstehen und nachsehen.
Einen Moment überlegte ich, ob ich das schon den Schafen anvertrauten könnte, aber vielleicht entdeckte eines von ihnen seinen Geschmack an Menschenfleisch. Das wollte ich ihnen nicht antun.
Also musste ich mich wohl doch aufhieven.
Ich steckte meine Pfeife Nr. 3 in den Mund, der bisher als einziger das Rauchen gelernt hatte und wanderte gemütlich am Gatter entlang. Dabei kontrollierte ich noch ganz nebenbei die sieben Schlösser, von denen mal wieder die Hälfte offen war. Diese Schafe waren eben intelligent. Sie brauchten Beschäftigung. Natürlich war keines weggelaufen. Hier lief ihnen das Futter ja praktisch ins Maul, also wozu woanders hin gehen?
Dann erreichte ich den Wald, der an das Schafgatter grenzte. Ein zwei Meter hoher Stacheldrahtzaun verhinderte mäßig erfolgreich, dass sich die Anti-Genetiker einschlichen. Sie knipsten normalerweise den Draht durch.
Es gab natürlich auch ein Tor, für das ich immer einen Schlüssel mit mir herum trug. Ich musste ja auch etwas vergesse können und außer den drei Schlüsseln für die Tore und Türen gab es da nichts.
Gemütlich stapfte ich durch den Wald und hielt Ausschau nach einem Fremdkörper.
…
UND DA WAR ER.
Tatsächlich ein er, in braun-grünen Klamotten, mit Kamera und Picknickkorb. Und Angel.
Faszinierend. Das nächste Wasserloch, in dem man angeln konnte, war rund sechzig Kilometer entfernt. Der Typ musste ein unglaubliches Orientierungsgefühl haben. Naja, konnte ja mal vorkommen.
"He. Du." Aha, ich hatte also doch noch nicht verlernt zu sprechen. Mist.
Keine Antwort. Der Gute war wohl ein kleines bisschen ohnmächtig. Ich probierte es als nächstes mit ein paar aufmunternden Tritten gegen die Schulter.
Er rührte sich immer noch nicht. Er war doch wohl nicht tot? Nicht, dass es mir groß etwas ausmachen würde, aber was sollte ich mir der Leiche anfangen? Das gab nur viel zu viel Arbeit. Ich hatte keine Lust ein Loch für eine Leiche zu graben und offiziell wäre das natürlich nie passiert.
Ich bückte mich und grub meine Finger durch die Haare, was ein Weilchen dauerte, bis ich den Hals fand. Diese Haare waren wirklich interessant. So … lebendig! Das Herz schlug also noch. Das war ein Zeichen! Er lebte, also konnte ich ihn weiter ignorieren.
Ich kam genau zwei Schritte weit, bis ein leises Stöhnen mich zurückrief. Mist. Er war aufgewacht. Verdammt! Das war jetzt eine völlig andere Situation. Einen Ohnmächtigen konnte ich liegen lassen, aber die Reste meiner Erziehung funkten hier noch dazwischen.
Ich drehte mich um und ging zurück.
Na gut. Dann bewies ich ausnahmsweise, dass auch ich sozial und nett sein konnte und … Naja, eigentlich hatte ich mir grade ausgerechnet, was mehr Arbeit war, und einen Verletzten zu versorgen hatte eindeutig gewonnen.
Also packte ich ihn an den Schultern und zog ihn langsam Richtung Haus. Man musste es ja nicht übertreiben, nicht wahr? Er rührte sich nicht weiter, also war er jetzt entweder ganz tot oder wieder ohnmächtig.
Es dauerte ein Weilchen, dann stand ich vor dem nächsten Problem. Sogar ich verstand, dass ich diesen merkwürdigen Typen nicht die Treppe hochziehen konnte. Nicht, dass ich es kräftemäßig nicht schaffen würde, aber was würde mit der armen Treppe passieren?? Ich konnte doch nicht so einfach einen Halbtoten die Stufen hochziehen, das würde sie mir nie verzeihen. Und tragen? War ich irre? Der Typ war fast einen Kopf größer als ich … Jedenfalls so ungefähr.
Aber ich lebte ja nicht alleine, es gab noch mehr atmende Wesen hier. Ich schob zwei Finger in den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus. Oder versuchte es jedenfalls. Das Geräusch, das dabei heraus kam, konnte man nicht als Pfiff bezeichnen, aber ein paar Augenblicke später bog tatsächlich der Hirsch um die Ecke. Er war inzwischen intelligent genug um auf meine Geräusche zu hören und je nach dem, tat er etwas. Natürlich nie das, was ich wollte. Das kam mit der nächsten Genänderung.
Aber jetzt war das Vieh da und ich lud ihm einfach den Knilch auf den Rücken. Dieses Mal wartete ich gar nicht erst darauf, dass das Misttier zur Seite trat, sondern erwartete es schon! Das brachte mich ein ganzes Stück weiter, denn ich folgte ihm einfach und schnappte mir dann ein Horn … oder Geweihteil. Was immer er da auch auf dem Kopf trug. Und wie man das nannte. Egal.
Jedenfalls trug der Hirsch den Typen hinein schüttelte ihn erst wieder ab, als ein Sofa in der Nähe war. Langsam begann ich mir Sorgen um den Mann zu machen. Er war gerade von einem Hirschrücken herunter gefallen und wachte immer noch nicht auf. Hoffentlich trat er ihn jetzt nicht… Und zu spät. Autsch. So ein Hirsch wog jedenfalls einiges mehr als ein Schmetterling. Das muss weh getan haben.
"Du ungezogenes Tier", motzte ich den Hirsch an, der mich nur aus großen, braunen, unschuldigen Augen anstarrte.
Pfff. Als ob ich darauf rein fallen würde.
Das Tier trottete wieder hinaus und natürlich hinterließ er seinen ganzen Dreck auf dem Boden. Ich sollte endlich mal einem Schaf beibringen, einen Wischmopp zu benutzen. Und nicht nur tiefsinnige Gespräche damit zu führen. Jedenfalls war das meine Vermutung, was das eine Schaf tat, sobald ich einen Wischmopp ans Gatter stellte. Die beiden waren richtig gute Freunde!
Aber zurück zu meinem unwillkommenen Besucher. Ich legte ihn jetzt auf das Sofa und machte mich daran, das Gesicht von Haaren frei zu legen. Es dauerte ein Weilchen, weil sich die Dinger, irgendwie wehrten. Wie Schlingpflanzen. Wäh. Ich sollte mir mal den Rasenmäher schnappen.
Er sah ganz gut aus. Nur diese große Schramme über dem Auge und diese große Beule… Man könnte ja schon fast Mitleid mit ihm haben. Fast.
Bis auf die zwei kleinen Kopfverletzungen schien es ihm ganz gut zu gehen. Als nächstes entfernte ich seine wurstige Jacke. Ahaaaaaaa. Ein Pullover. Den durfte er anbehalten. Genauso die Hose und die Socken. Die Wanderschuhe sahen allerdings einfach zu ungemütlich aus.
Dann suchte ich sogar etwas zum desinfizieren und eine Art Eisbeutel heraus. Also, ein kaltes Handtuch, meine kostbaren Eiswürfel brauchte ich dafür nicht zu verschwenden.
Ein paar Minuten später war der Knilch versorgt. Und inzwischen schien er eher zu schlafen als ohnmächtig zu sein. Jedenfalls atmete er regelmäßig und seine Augen zuckten hin und wieder.
Aha.
Gut. Meiner Meinung nach war er ein Umweltknilch, der mal wieder Material gegen uns sammelte. Und dabei war er nun vom Baum gefallen und … Da fehlte aber etwas. Seine Tasche! Kein anständiger Umweltmensch ging ohne Umweltverträgliches Shampoo, Socken, Essen, Besteck und Feuer aus dem Haus. Und vor allem nicht in die Nordkanadische Wildnis, dem Traum von allen naturverbundenen Menschen.
Ich folgerte: Er musste ein Lager haben! Mann, war ich heute wieder scharfsinnig. Jedenfalls hatte ich auch nichts unter dem Baum gesehen, von dem er so stilvoll hinunter geplumpst war.
Ich warf einen Blick nach draußen. Es wurde dunkel. Die Suche würde ich ganz klar auf Morgen verschieben. Ich war ja nicht verrückt. Wer wusste schon, was mich da draußen erwartete?? Da gab es so viele wilde Tiere … Insekten … zum Beispiel.
Ein leises Stöhnen rief mich wieder aus meinen Phobien zurück. Ich drehte mich zum Sofa um. Er war aufgewacht und ließ seinen ersten, eindrucksvollen Worte hören: "Scheiße, verdammt! Welcher blöde Wichser hat mich niedergeschlagen?!"
Aha. Na dann. Von einem freundlichen "Guten Abend", schien er nicht so viel zu halten.
"Ich glaube, das war der Boden. Es könnte natürlich auch der Baum gewesen sein, je nachdem wie man das sieht. Ich würde sagen, das ist Ansichtssache, da beides irgendwie zusammen gewirkt hat."
Der Typ sah mich an, als wäre ich ein sprechendes Schaf. Also bitte, als ob mir Wolle wachsen würde!
"Ähm … Alles klar. Wo bin ich?"
"In dem Haus von dem irren Genmanipulator", antwortete ich und ließ mein verrücktestes Kichern vom Stapel. Manchmal vermisste ich es wirklich, Menschen zu erschrecken. Bei ihm schien das jedenfalls zu klappen, dem Blick nach zu urteilen, mit dem er mich ansah. Als würde er am liebsten durch die nächste Tür abhauen.
Tagesziel erreicht.
"Ach was. Ich bin nur der Schafhirte. Ich pass auf die ganzen Tiere auf. Und natürlich achte ich darauf, dass hier niemand rein kommt und alles versaut."
Dabei sah ich ihn grinsend an, aber er senkte den Kopf. Dann fuhr ich fort: "Du bist vom Baum gefallen, ich hab dich aufgesammelt und jetzt liegst du hier. Da hinten ist die Tür, deine Sachen liegen da auf dem Sessel."
Sein Kopf schnellte wieder empor und er sah mich irritiert an: "Schmeißt du mich raus?"
"Nein, natürlich nicht. Ich BEGLEITE dich hinaus." Da war ein wichtiger Unterschied! Ich wollte nämlich immer noch nicht, dass er meine Tierchen entführte. Oder sonst was mit ihnen anstellte. Immerhin würde ich dann hier meinen gemütlichen Job verlieren.
Jetzt war er wohl endgültig wach, denn nun setzte er sich auf und strich sich die braunen Locken aus dem Gesicht. Aber irgendwie war das ein Ding der Unmöglichkeit. Seine Haare waren einfach überall und fielen bei jeder Bewegung sofort wieder zurück. Da rief dann doch irgendwie der Rasenmäher. Hähä.
"Ich glaube, du hast was falsch verstanden! Ich gehöre zu keiner Umweltorganisation. Jedenfalls nicht so richtig. Also, doch schon irgendwie, aber weißt du, dass ist eine komplizierte Geschichte."
Oh, nein. Nein. NEEEEEEEEEIN. Nicht SO einer. Er gehörte also zu der Gruppe Mensch, die erst Andeutungen einer komplizierten Geschichte machten und dann natürlich sofort anfingen zu erzählen. Egal, ob es jemand interessiert oder nicht.
Und mich interessierte sein Gestammel ganz sicher nicht!
"Also, weißt du, eigentlich ist ja nur mein Bruder dabei und er sollte eigentlich hier her kommen, aber weil er im Krankenhaus liegt, musste ich halt dran. Und jetzt bin ich hier eben hier und naja… Keine Ahnung." Er kratzte sich nervös durch die Haare und schaffte es sogar, den Kopf zu erreichen. Dem Geräusch nach zu urteilen. Ürks. Kopfhaut. Igitt. Kopfhaut ist so eklig. Da waren seine Haare ein sehr angenehmer Anblick. So richtig zum drin rum wuscheln.
Themawechsel.
Er hatte da ja noch irgendetwas gesagt, ich musste mich nur noch daran erinnern, was das war. Ach ja, genau. Er wollte bleiben.
WIE WAS WO?
"Mein Bruder killt mich, wenn ich zurückkomme. Bitte." Er sah mich flehend aus großen, grünen Augen von unten an.
Huch. Was wurde das denn jetzt? Als ob ich auf seine, zugegeben, ganz netten Augen rein fallen würde.
Für einen Moment tat ich so, als würde ich ernsthaft darüber nachdenken. Dann: "Vergiss es! Diese Welt ist so groß, dass es jede Menge Ort gibt, an denen du dich vor ihm verstecken kannst. Es muss ja nicht unbedingt hier sein!"
"Aber … Bitte. Ich kann doch sonst nirgendwo hin und ich bin doch schon hier. Draußen ist es kalt, nass und ungemütlich."
Das kalt mochte ja noch stimmen, aber es hatte seit Tagen nicht mehr geregnet und ungemütlich war Ansichtssache.
"Außerdem bin ich verletzt. Du kannst dich niemanden mit einer Gehirnerschütterung in den Schnee jagen!"
Der Mann hatte einen leichten Sinn für Übertreibung. Gehirnerschütterung? Da würden selbst die Schafe drüber lachen, obwohl sie keine Ahnung hatten, was das ist! Und Schnee … Wir hatten Sommer! Sogar hier schneite es erst im Winter. Oder jedenfalls Herbst. Naja gut, im Moment nicht! Fertig.
Und dann sagte ich etwas, das vollkommen irrsinnig war. Es passte nicht zu mir, war einfach nur unlogisch und einfach blöde.
"Na gut. Heute kannst du hier bleiben. Komm mit, ich zeig dir, wo du schlafen kannst. Aber das war es. Morgen gehst du wieder." Ich wollte gerade hinaus gingen, als er nach dem Zipfel von meinem Hemd griff und mich fröhlich angrinste.
"Danke. Sag mal, wie heißt du eigentlich?"
"Grmpf. Andi."
"Jonas. Angenehm."
Ich zeigte ihm sein Gästezimmer, das möglichst weit weg von meinem lag, und das Badezimmer. Das waren die einzigen Räume, die ihn zu interessieren hatten.
Dann wollte ich eigentlich Schlafen gehen. Ich hatte es sogar schon bis unter die Bettdecken geschafft, als plötzlich die Zimmertür aufflog und Jonas hereinstürmte. Er knallte die Tür hinter sich zu und lehnte sich aufatmend dagegen.
Ich sah ihn an.
Er wackelte mit der Nase.
Ich lüftete eine Augenbraue.
Er erklärte: "Da ist ein Schaf in meinem Bett."
War das ein Grund, so auszurasten? Und hier einfach so rein zu kommen? Ich hätte nackt sein können! Oder irgendetwas peinliches tun können. Oder … keine Ahnung. Irgendetwas halt.
"Kraul ihn hinter den Ohren. Das mag er."
Damit drehte ich mich wieder um. Das Problem war ja gelöst.
…
Oder auch nicht.
"GEH RAUS AUS MEINEM BETT", knurrte ich Jonas an, der den Zipfel von meiner dritten Decke lüpfte. Sofort ließ er sie wieder fallen.
"Aber … Da ist ein Schaf in meinem Bett", wiederholte er.
"Sei froh, dass es keine Katze ist. Die eine steht total auf Haare. Das Schaf ist harmlos, es mag einfach Menschen. Was meinst du, wie oft ich schon Gesellschaft von ihm hatte?"
"Wäh. Das ist eklig … Wie kommt es überhaupt hier rein?"
"Durch die Tür, wie denn sonst?" Meinte er etwa, dass sie fliegen konnten?? Entnervt zog ich mir die Decke über das Gesicht. Es half nichts, er laberte trotzdem weiter. Und heute Morgen hatte ich mich doch schon fast gefragt, ob ich mich nicht wieder in der Zivilisation blicken lassen sollte. Wo ist meine Einsamkeit geblieben???? Dieser Knilch ließ sich wirklich nicht ignorieren.
Er zog solange an meiner Decke, bis mein Gesicht wieder frei lag, erst dann fragte er: "Aber … Schafe können keine Türen aufmachen."
"Diese schon. Was, meinst du, ist so interessant an ihnen? Sie bestehen zum Großteil aus Gentechnik! Und überhaupt … Sie sind einfach intelligent." Wütend stand ich auf und schlurfte in sein Zimmer. SEIN Zimmer? Meine Güte, jetzt dachte ich auch schon, als hätte er sich hier für den Rest seines Lebens einquartiert. Wah.
Tatsächlich lag da ein Schaf unter der Decke und schlummerte friedlich. Hach ja. Schafe sind wundervolle Tiere. Auch wenn dieses Exemplar etwas stank. Es führte halt lieber ergreifende Gespräche mit Bürste und Wasserloch, als sich tatsächlich mal zu pflegen, wie das alle anderen taten.
Ich klopfte dem Viech aufmunternd auf die Schulter.
Es rührte sich nicht. Wunder über Wunder. Als ob es reagieren würde, wenn es genau weiß, dass ich es aus dem warmen, nach Mensch riechendem Lager vertreiben will.
"Also, du siehst, hier ist nichts zu machen!" Ich war schon halb aus der Tür heraus, als Jonas mich an der Kapuze meines Schlafpullovers packte.
Notiz an mich: Nie wieder Klamotten anziehen, die man sich schnappen kann, wenn ich selbst schon drei Meter weit weg bin!
"Andi … Das Schaf ist so gruselig…"
Was für eine Memme! Erst ließ er einen Stapel böse Wörter los, jetzt benahm er sich wir ein Kleinkind. Gespaltene Persönlichkeit??
"Gespaltene Persönlichkeit?", fragte ich Jonas tatsächlich. Hups. Manchmal sollte ich doch nachdenken, bevor ich etwas sagte.
Er jedenfalls sah mich einen Moment erstaunt an, dann grinste er. Und nickte fröhlich.
Autsch. Das musste mir ja unbedingt passieren. Jetzt hatte ich einen Typen mit gewaltigen Stimmungsschwankungen an der Backe … Aber Halt! Morgen früh würde er ja verschwinden… Hoffentlich. Irgendwie kam es mir nicht so vor, als würde er großen Wert darauf legen, mich in Ruhe zu lassen.
"Da ist noch ein anderes Zimmer mit einem Bett … Zwei Türen weiter. Genau da." Hatte ich mal erwähnt, dass das Haus recht groß war? Ich war jedenfalls bisher zu faul gewesen, die Zimmer zu zählen.
Jonas verschwand in der angegebenen Tür und ich machte mich auf Zehenspitzen davon.
Und natürlich kam ich mal wieder nicht weit.
"Andi, da ist ein gottverdammtes kaputtes Fenster!", rief Jonas mir hinterher und einen Moment danach hörte ich das Tapsen von Füßen. Zwei Sekunden später hatte er mich eingeholt und folgte mir schweigend bis zu meinem Zimmer.
Gut.
Ich gab auf.
Mürrisch vor mich hin grummelnd schlüpfte ich wieder unter die Decke, zog mir die Decke über den Kopf und ignorierte den Rest der Welt.
Insbesondere meinen unwillkommenen Gast.
Ach ja … Das kaputte Fenster… Kaputt war eigentlich nicht der richtige Ausdruck. Eher nicht vorhanden. Der Hirsch hatte es in einem Anfall von Hysterie und plötzlichem Glashass zerstört. Irgendwie hatte er es geschafft, in den zweiten Stock zu springen. Mit voller Wucht.
Und ich war zu faul gewesen es zu reparieren. Ich bekam ja nie so viel Besuch, dass ich zwei Gästezimmer benötigte.
Das hatte ich jetzt davon.
Scheiße.
Ich wachte davon auf, dass mir ein köstlicher Geruch in die Nase zog. Mein empfindliches Riechorgan teilte mir mit:
1 großer Teller heiße Pfannkuchentürme
1 See aus Ahornsirup
und unzählige Tupfen aus geschmolzener Butter
…
Zwei Sekunden nach dem diese Informationen mein Hirn erreicht hatten (naja, nicht unbedingt mein Hirn, ich nahm es nicht wirklich bewusst war, also wahrscheinlich eher mein Rückenmark) stand ich in der Küche und starrte tatsächlich auf einen Teller, auf den jemand mehrere Türmchen aus Pfannkuchen gebaut hatte.
Hierzu muss man wissen, dass es nur einen einzigen Weg gibt, kanadische Frühstückspfannkuchen richtig zu genießen. Man muss den Teig zu handtellergroßen, duftenden Scheiben braten und dann jeweils drei davon aufeinander türmen. Dazwischen kommt dann immer ein Stückchen Butter, das wegen der Hitze natürlich sofort zerläuft. Sobald die Pfannkuchen zu dieser architektonischen Meisterleistung gebaut wurden, nimmt man eine Flasche Ahornsirup und gießt diese geniale Erfindung großzügig darüber.
In meinem Fall war dann erst mal für die nächste halbe Stunde gefräßiges Schweigen angesagt und wenn ich genug gegessen habe, kann man mich sogar auf ein 200.000-Menschen-Event loslassen, ohne dass ich Amok laufe.
Diese Kombination aus Pfannkuchen, Butter und Ahornsirup ist einfach göttlich.
"Ich mir gedacht, ich mach Frühstück. Bedien dich doch." Jonas grinste mich an und schob mir den Teller rüber.
Tatsächlich herrschte dann erst mal Leere in meinem Hirn. Jedenfalls bis ich alle Pfannkuchen verputzt hatte. Während sie sich alle in meinem Magen miteinander bekannt machten, suchte ich mir einen Stuhl (natürlich hatte ich im Stehen gegessen, man darf keine Zeit mit Hinsetzen verschwenden!) und lehnte mich zufrieden zurück. So gut hatte ich seit Jahren nicht mehr gegessen.
Egal, was Jonas für ein komischer Kauz war, kochen konnte er. Eindeutig. Und viel zu gut.
Vielleicht sollte ich ihm doch erlaubten, hier zu bleiben. Anscheinend hatte er nicht vor, sobald wieder zu verschwinden.
Jedenfalls bis ich seine Pfannkuchen satt war.
"Du darfst hier bleiben… Unter zwei Bedingungen! Du bist für das Essen zuständig und du rührst die Tiere nicht an!" Ich öffnete ein Auge und versuchte ihn, scharf anzusehen. Ich glaube nicht, dass es besonders gut funktionierte, denn er lächelte schief und wischte sich wieder mal ein paar Schlingpflanzenhaare aus dem Gesicht.
"Einverstanden. Aber sag mal… Hast du nichts dagegen, dass deine Schafe deine Pfannkuchen essen?"
AAAAAAAAAAAAAAAAAARGH!
Nachwort
Die Schafe, der Ort, die Menschen und überhaupt sind meiner Fantasie entsprungen. Die Pfannkuchen allerdings nicht, die gibt es wirklich.
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