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Die Ruhe der Toten
Kapitel 12 und 13
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Informationen
- Story: Die Ruhe der Toten
- Autor: Wölfchen
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Drama, Fantasy und Mystery
Inhaltsverzeichnis
Wiederfinden
Diana schwieg, als ich zurückkam. Sie sagte auch nichts, als wir das Krankenhaus verließen und uns wieder ins Auto setzten. Ihre Schweigsamkeit hielt an, bis wir alle drei stumm in der gemütlichen Küche ihres Hauses saßen und in unsere Tassen starrten. Meine Schwester und ich tranken Kaffee, aber aus Kims Behälter stieg der süße Geruch von heißer Schokolade.
"Wirst du wenigstens zu seiner Beerdigung kommen?", fragte Diana leise und sah mich nicht an. Ich musste mich zusammenreißen, um sie nicht anzufauchen. Was interessierte mich mein Erzeuger im Gegensatz zu Jonathan? Während der ganzen Heimfahrt hatte ich gehofft, dass wir uns zufällig treffen würden, aber ich hatte seine schmale Gestalt nicht entdecken können.
"Mal sehen. Vielleicht. Eher nicht", legte ich mich nicht fest und warf einen Blick auf die Uhr. Fast Mittag. Ich hatte trotzdem keinen Hunger.
"Ich geh dann wieder. Danke für den Kaffee." Die Hälfte der heißen Flüssigkeit war in der Tasse zurück geblieben.
"Ich dachte, du wolltest erst mal hier bleiben. Wegen der ... Nekromanten." Das letzte Wort war nur zögerlich über Dianas Lippen gekommen und Kim sah auf. Mit großen Augen sah das Mädchen ihre Mutter an und fragte: "Was sind das für Dinger? Kann man die essen?"
Ich musste für einen kurzen Moment schief grinsen. Dann schüttelte ich den Kopf, strich meiner Nichte über den Kopf und verabschiedete mich. Einige Minuten später stand ich wieder auf der Straße, den Rucksack des Nekromanten auf dem Rücken. Allerdings ohne die geringste Ahnung, was ich jetzt eigentlich tun könnte. Eigentlich gab es nichts, was mir helfen konnte Jonathan wieder zu finden.
Mit einem leisen Fluch trat ich gegen die nächste Mauer und ignorierte den scharfen Schmerz in meinen Zehen.
Gab es auch noch irgendetwas auf dieser verdammten Welt, das nicht mit mir auf Kriegsfuß stand?
Leicht humpelnd stromerte ich weiter durch die Straßen, ohne darauf zu achten, wo ich eigentlich war. Eigentlich hoffte ich nur darauf, dass ich Jonathan durch Zufall fand. Oder er mich.
Als ich wieder einmal an einer dunklen Gasse vorbeiging, passierte es: Irgendetwas packte mich und mit einem Schrei wurde ich in die Dunkelheit gerissen. Es war eindeutig kein Mensch, denn es war keine Hand, die sich um meinen Arm geschlossen hatte, sondern etwas sehr viel größeres. Etwas Mächtiges, das mich unerbittlich weiter in die Schatten zog.
Nach einem kurzen Moment der Überraschung hatte ich mich wieder im Griff und stemmte verzweifelt die Füße in den Boden und suchte mit meiner freien Hand nach irgendetwas, an dem ich mich festhalten konnte. Trotzdem zog mich die Kraft unerbittlich weiter, auch wenn sie mir erstaunlicherweise nicht weh tat.
Mit zusammengebissenen Zähnen spannte ich alle Muskeln an, von deren Existenz ich wusste, aber es half alles nichts: Eine schmale Tür öffnete sich in einer dreckigen, grauen Wand in einem gesichtslosen Haus und mit etwas zu viel Schwung wurde ich um die Kurve gezerrt und meine rechte Gesichtshälfte machte Bekanntschaft mit der Mauer. Ich stöhnte und hörte für den Moment auf, mich zu wehren.
Wer auch immer mich gerade entführte, genau darauf hatte er gewartet. Die Kraft verschwand von meinem Arm, aber bevor ich weg rennen konnte, schloss sie sich wie eine Klammer um meine Beine. Und dann hob ich ab. Mit einem erschrockenen Schrei schloss ich die Augen. Und sauste kopfüber einen Schacht oder so etwas hinauf. Mir stand eine der Geistermordmethoden immer noch klar vor Augen: Hochreißen und fallen lassen. Unkontrolliert zitternd streckte ich einen Arm aus, aber da war nichts, an dem ich mich festhalten konnte. Dafür ging es so schnell aufwärts, dass mir die Haare aus dem Gesicht geweht wurden.
Ganz plötzlich blieben wir stehen, sodass ich es wagte die Augen wieder zu öffnen. Im letzten Moment nahm ich noch wahr, dass wir durch eine Tür flogen. Eine Sekunde später wurde ich geradezu vorsichtig abgesetzt. Zuerst berührten meine Fingerspitzen den dreckigen Boden, dann konnte ich mich abrollen.
Einen Augenblick später sprang ich schon wieder auf und sah mich nach dem nächsten Fluchtweg um. Das Erste was ich sah, war allerdings eine schmale Gestalt, die beide Hände beruhigend erhoben hatte.
"Dennis! Ganz ruhig, ich bin es nur."
Ich musste einen Moment überlegen, bevor ich erkannte, wessen Stimme das zu mir gesagt hatte, so unglaublich war das. Aber tatsächlich: Mein Lieblingsgeist stand nur zwei Schritte vor mir, mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen.
Der letzte Rest Panik verschwand, als wäre er nie da gewesen und freudig stolperte ich die letzte paar Meter weiter um ihn in die Arme zu schließen.
"Scheiße, ich dachte, sie hätten dich geschnappt! Was zur Hölle hast du gemacht?" Ich drückte den schmalen, kühlen Körper noch ein wenig fester an mich. Er strömte einen seltsamen Geruch aus, ein wenig modrig, wie alte Bücher, aber auch wie Moos und Stein. Wie ein Grab.
Das brachte mich wieder zur Besinnung. Was zu Hölle tat ich hier eigentlich??
Mit einem sehr, sehr heißen Gesicht löste ich mich von Jonathan und sah mich erstmal um.
Wir standen in einer kleinen Kammer, eine Art winziger Dachboden. Es gab keine Möbel, die Wände waren fleckig und die Tapete hing zum Teil in Streifen hinunter. Ein winziges, verdrecktes Fenster ließ etwas Licht herein, die Fensterscheibe war zum Teil herausgebrochen. Die Tür, durch die ich hereingebracht worden war, war nur ein schiefes Loch. In einer Ecke lagen unzählige Kippen, aber auch der restliche Boden war von Vogelscheiße und Staub übersät. Ich stutzte. Irgendetwas stimmte hier nicht.
Ich brauchte noch einen Moment um zu bemerken, dass es nur sehr, sehr wenige Fußspuren gab. Nur meine.
"Keine Sorge. Ich bin es wirklich. Keine Betrügerei eines Nekromanten," erriet der Schwarzhaarige meine Gedanken und lächelte schief.
Ich wich einen Schritt zurück und musterte Jonathan. Er sah aus wie immer, trug Schuhe, eine Jeans und einen weiten Pullover. Auch sein Gesicht hatte sich nicht verändert. Aber heute Morgen war er noch so anders gewesen. Krank und verzweifelt.
"Es dauert vielleicht ein wenig, bis ich es dir erklärt habe, was passiert ist. Setz dich doch."
"Wohin?", fragte ich verwirrt, aber er lächelte nur. Wieder. Er benahm sich geradezu fröhlich. Viel zu fröhlich. Jetzt war ich wirklich misstrauisch.
An meinem Bein spürte ich einen Widerstand wie von einem Stuhl. Vorsichtig tastete ich nach hinten und tatsächlich: Da stand etwas! Etwas eindeutig Unsichtbares.
Es dauerte etwas, aber schließlich hatte ich mich an die seltsame Tatsache gewöhnt, dass ich mitten in der Luft saß, genauso wie der Geist, der interessiert seine Finger betrachtete.
"Also, warum bist du verschwunden?", stellte ich die Frage, die mich brennend interessierte und ignorierte das Nichts unter mir.
"Ich hatte so ein Gefühl, dass sich etwas näherte, dem ich nicht begegnen wollte. Ich bin geflohen, rein aus Instinkt und hatte keine Zeit mehr, nachzudenken oder dich zu warnen. Bist du ihm begegnet?"
Kurz berichtete ich von meiner Begegnung mit dem Geistermädchen, dann fuhr er fort: "Also hab ich mich hier verkrochen." Er umfasste mit einer Geste den kleinen Raum. "Ich brauchte einen Ort, an dem ich einigermaßen sicher war um mich zu beruhigen. Das Haus hier ist verlassen und außer ein paar Vögeln kommt niemand hier her.
Es ist ein sehr, sehr seltsames Gefühl, wenn du plötzlich mehr wahrnimmst, als mit deinen eigenen Sinnen. Ich musste mich einfach daran gewöhnen und vor allem verhindern, dass sie mich findet. Seit dem warte ich darauf, dass etwas passiert. Ich kann den anderen Geist immer noch spüren, wahrscheinlich gilt für sie dasselbe. Ich weiß, dass sie nicht sehr weit weg ist, aber nicht mehr. Außerdem schaffe ich es mit ein bisschen Konzentration, mich aus ihren Gedanken und sie aus meinen herauszuhalten. Wahrscheinlich ist sie ganz in der Nähe und sucht nach mir, aber solange ich nicht wirklich hier bin, kann sie mich nicht finden. Hoffe ich jedenfalls."
"Wie meinst du das, du bist nicht wirklich hier?" Verwirrt beugte ich mich vor.
"Ich bin mehr ein Schatten, genauso wie ich in den Jahren war, als wir nicht miteinander geredet haben. Nicht wirklich hier, aber auch nicht tot. Wie die meisten Geister." Nachdenklich stand er auf und ging zum verdreckten Fenster. Mit einem abwesenden Blick starrte er hinaus.
"Und wie hast du mich gefunden?"
"Ich habe einfach gewartet. Ich wusste, dass du mich irgendwann suchen würdest. So groß ist die Stadt nicht, dass du nie hier irgendwo vorbeigekommen wärst. Außerdem hatte ich so eine Ahnung. Genauso wie du! Du bist hier hergekommen, obwohl du keine Ahnung hattest, wo ich bin."
"Hm." Ich wandte mich unbehaglich von seinem eindringlichen Blick ab. "Du tust ja schon so, als würde ich der nächste sein, der seine erstaunlichen Fähigkeiten entdeckt." Ich schüttelte den Kopf. "Das ist deine Sache. Ich bin nur ein Mensch."
"Das bezweifle ich nicht. Aber trotzdem..." Nachdenklich sah Jonathan mich an, dann schüttelte er den Kopf. "Es war sicher nicht mehr als Instinkt, dass du hier her gekommen bist, aber immerhin."
Ich schwieg einen Moment, dann wechselte ich das Thema: "Weißt du wie eine Leiche aussieht, die von einem Nekromanten getötet wurde um an den Geist heranzukommen?"
"Irgendwo am Körper müsste ein Schnitt sein, meist an einer Hauptschlagader, aber das ist nicht unbedingt nötig. Oder natürlich etwas so eindeutiges wie eine durchgeschnittene Kehle oder ein eingeschlagener Kopf. Oft holen sie sich einige Tropfen Blut und töten ihre Opfer dann, aber es ist genauso möglich, jemanden nur mit Magie zu töten. Dafür müssen sie aber irgendwie die Haut durchbrechen. Ich weiß nicht genau, wie es funktioniert, aber ein Nekromant braucht einen Kratzer und den richtigen Spruch, um jemanden zu töten. Und den Geist zu bannen."
Wahrscheinlich war ich einfach über vorsichtig und paranoid. Aber trotzdem fragte ich weiter: "Kann man irgendwie erkennen, ob der Geist einer Leiche von einem Nekromanten gebannt wurde?"
Dieses Mal musste Jonathan nachdenken, dann nickte er langsam: "Ein anderer Nekromant könnte das sicherlich. Mit Hilfe der Knochen. Es wäre allerdings eine ziemlich blutige und aufwendige Angelegenheit. Wieso?"
"Mein Vater ist gestorben." Jonathan hob nur eine Augenbraue, sagte aber nicht mehr. Immerhin einer, der verstand, dass ich nichts mit Beileidsbekundungen anfangen konnte.
"Jedenfalls war es ziemlich unerwartet, die Ärzte haben ihm noch mindestens eine Woche gegeben. An seinem Hals war ein Schnitt, den sich niemand erklären konnte. Das heißt nicht, dass er von einem Nekromanten umgebracht wurde, aber trotzdem... Ach, wahrscheinlich sehe ich jetzt einfach überall Gespenster." Nein, ich sah nur Geister.
"Es ist aber möglich. Ich habe nie darüber nachgedacht, aber es ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass die Nekromanten Todkranke töten um an Geister heranzukommen. Irgendwie müssen sie sich ihre Armeen aufbauen." Jonathan drehte sich wieder zu mir um und lehnte sich gemütlich an die Wand hinter ihm.
Ich sah ihn zweifelnd an. Ausgerechnet in dem Krankenhaus in dem mein Vater lag? Das war sogar mir ein Zufall zu viel.
"Vergessen wir das Ganze. Wir werden es wahrscheinlich sowieso nie erfahren. Aber was machen wir jetzt? Bleibst du hier und wartest, bis dieses Geistermädchen dich findet?" Ich biss mir auf die Zunge. "Tut mir Leid."
Jonathan zuckte nur mit den Schultern. "Eigentlich würde ich am ehesten nach Informationen über dieses Mädchen suchen, aber ich habe keine Ahnung, wen ich fragen könnte. Ich kenne keinen Nekromanten und sonst gibt es niemanden, der etwas über Geister wissen könnte. Oder ich warte einfach ab, bis ich sie nicht mehr spüren kann."
Ich nickte nachdenklich. Wir hatten also einen Nekromanten, der nicht nur fast alle von Jonathans Knochen besaß, sondern auch noch mehrere Geister, von denen mindestens einer anders als die anderen war. Was immer das auch bedeutete. Dazu kam noch der rätselhafte Tod meines Vaters, meine vorerst wegen Trauer außer Gefecht gesetzte Schwester, ich selbst, der ich eigentlich überhaupt nicht helfen konnte und schließlich noch Jonathan, der auf irgendeine seltsame Weise mit diesem Mädchen verbunden war. Und wir hatten weder eine Ahnung, wie wir die Verbindung auflösen konnten, noch ob sie uns irgendetwas nützte.
"Warum greifst du sie nicht einfach an? Wenn du weißt, wo sie ist?", erkundigte ich mich nach einigen Minuten des Schweigens.
Mit großen Augen starrte mich Jonathan an. "Das kann ich nicht! Ich bin kein Mörder, egal was sie mir angetan hat!"
Ja, es war Zeit, sogar dringend nötig.
Paul nickte sich selbst zu und erstarrte dann für einen Moment. Er sollte mal wieder mit einem Menschen reden. Nicht, dass er davon viel hielt, aber trotzdem wurde man irgendwann verrückt, wenn man nur mit Geistern zu tun hatte.
Das galt auch für Nekromanten.
Nun sprach er schon mit sich selbst.
Paul riss sich aus seinen unterhaltenden Gedanken und überprüfte, wo er eigentlich war. Der Ort, den er suchte, war nicht besonders einfach zu finden. Das lag unter anderem daran, dass es vierzig Jahre her war, dass er hier gewesen war. Außerdem hatten sich sehr viele Nekromanten größte Mühe gemacht, den Eingang zu verstecken. Noch dazu existierte sein Orientierungsvermögen praktisch nicht.
Der Nekromant blieb stehen und starrte mehrere Sekunden an die Mauer. Dann ging er einige Schritte zurück, nämlich bis zur nächsten Tür die in dem grauen Gemäuer gähnte. Es war ein Lagerhaus, auch wenn die meisten, nicht mal ahnten, was da eigentlich gelagert wurde.
Ganz abgesehen davon, dass dieses Haus mit mehr Schutzzaubern versehen war, als jeder Friedhof. Und die letzten Ruhestätten waren oftmals so gut gesichert, dass sich kein Nekromant auch nur über die Mauer wagte. Er spürte das leichte Prickeln von Magie auf seiner Haut. Also war er doch richtig.
Paul ging dicht an der Mauer entlang und stoppte nach dem zehnten Schritt. Dann streckte er beide Arme aus und fuhr über die Mauer. Die Steine fühlten sich vollkommen normal an. Nun wanderte der alte Mann zwei Meter zurück und sah sich suchend um. An einer Straßenlaterne entdeckte er einen roten Streifen, der wie zufällig dorthin geschmiert war. Tatsächlich war es eine Rune die man wohl mit "Weg" übersetzen könnte.
Paul zog eine geistige Linie von seinem Standpunkt bis zu dem roten Zeichen. Dann stellte er sich an diese schräge Linie mit dem Gesicht zum Gebäude und flüsterte einen Namen.
Einen Augenblick später erschien die wabernde Gestalt von einem seiner neuen Geister neben ihm.
"Mach auf", befahl Paul einfach und der Nebelschwaden gehorchte augenblicklich. Er hatte zwar keine Ahnung, was er tun musste, aber er wusste es trotzdem. Der Zauber, der auf dem Haus lag, verriet es den Geistern, genau wie den Nekromanten. Sie spürten in der dreckigen, stinkenden Luft was sie tun mussten.
Mit einem leisen Seufzer verschwand der Geist. Wie von einem plötzlichen Windstoß davongetragen, verteilte sich der Nebel einfach in der Luft, bis er nicht mehr zu sehen war.
Stattdessen gähnten die Umrisse einer Tür in der Mauer. Sie passte sich tadellos an die Umgebung an und selbst wenn es jemand schaffen würde, die Tür zu sehen, würde er spätestens jetzt stoppen, denn sie sah genauso aus wie alle Anderen. Uninteressant.
Das war ein weiterer Grund, warum nur wenige Nekromanten diesen Ort besuchten, auch wenn er der einzige seiner Art im ganzen Land war: Man musste ein Menschenleben opfern, um die Tür zu öffnen. Es war eine Art Tribut an die Herren des Hauses, aber in den heutigen Zeiten waren Geister einfach zu schwer zu bannen um sie hier zu verschwenden.
Paul zögerte keinen Moment. Er griff nach der Klinke und drückte sie hinunter. Augenblicklich schwang die Tür auf und offenbarte einen schwarzen Raum dahinter. Es gab keinen Boden, keine Decke, kein gar Nichts. Hinter der Tür war es einfach leer. Der Nekromant schloss vorsichtshalber die Augen und trat einen vorsichtigen Schritt vor.
Die Tür fiel mit einem leisen Schlag zu. Holz auf Holz.
Paul öffnete seine Augen wieder und sah sich um. Nichts hatte sich geändert seit er zum letzten Mal hier gewesen war.
Er stand in einer riesigen Halle, deren Wände mit Regalen bedeckt waren, in denen Bücher standen. Angeblich gab es hier eine Kopie von jedem nekromantischen Werk, das jemals geschrieben wurde. Es gab nur einen einzigen Ausgang, durch den auch der alte Mann hereingekommen war. Die große Holztür war mit groß geschriebenen Runen beschriftet. Wenn man genau hinsah, konnte man erkennen, dass sich die rote Schrift über alle Regale hinweg zog, ebenso über den Boden aus großen dunklen Sandsteinplatten. Überhaupt war jeder Zentimeter mit Zaubern bedeckt. Obwohl es sicher über hundert Jahre her war, dass sie geschrieben wurden, glänzten die Runen immer noch rot. Blutrot. Sie waren auch die einzige Lichtquelle mit Ausnahme einiger Fackeln, die auf einigen Tischen in der Mitte des Raums standen.
Der Nekromant ging einige Schritte in die Halle hinein und legte den Kopf in den Nacken. Der Effekt war genauso faszinierend wie beim ersten Mal, obwohl er inzwischen vierzig Jahre weiser und erfahrener geworden war.
In die steinerne Kuppel war eine pechschwarze Spirale eingelassen, die den Blick unweigerlich immer in die Mitte lenkte. Man konnte sich dem nicht entziehen, egal an welche Stelle der Decke man sah, einen Augenblick später klebten die Augen dann doch an dem innersten Kringel.
"Herr? Willkommen in der Bibliothek der Geister. Was kann ich für euch tun?"
Paul wandte sich dem Sprecher zu. Es war ein Geist, der ihm gerade bis zum Kinn reichte und recht klare Formen hatte. Er sah aus wie ein alter, gebückter Mann, der eine Art Talar, ein Gewand der Gelehrten, trug. Sein Kopf war kahl, aber sein Gesicht war genauso wenig sichtbar wie das des Mädchens. Bei ihm war das allerdings nichts weiter ungewöhnliches, er war einfach schon so alt, dass die Formen verblasst waren.
"Ich will etwas über einen Geist wissen. Über einen ganz bestimmten. Sie ist schon sehr, sehr alt und tritt meistens in der Gestalt eines ungefähr zwölf Jahre alten Mädchens mit roten Locken auf."
Der Geist hob ruckartig den Kopf. Manchmal merkte man selbst diesen alten Dienern an, dass sie einmal Menschen gewesen war. Auch wenn das bei ihm sicher schon fünfhundert Jahre her war.
"Ich bin nicht der erste, der sich über sie erkundigt, nicht wahr?"
"Nein, Herr. In den Jahren sind schon viele gekommen. Sie alle haben erfahren, was sie wissen wollten, aber es hat nie gereicht! Sie sind alle gestorben, bevor ihre Zeit gekommen war. Und sie hat weiter gelebt und ist weiter gereicht worden. Wollt ihr das wirklich riskieren? Wissen ist gefährlich!"
Paul schnaufte nur verächtlich. Er war kein Narr, wie die anderen.
Der Geist verstand. Er verbeugte sich und führte den Besucher zu einem der Tische, die mit einigen Meter Abstand in der Halle verteilt waren.
Paul setzte sich und wartete ab.
Oben und unten
"Du hast bereits ziemlich viele Menschen umgebracht", erinnerte ich Jonathan erstaunt. Mit Gewissensbissen hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Er ging schon immer sehr vertraut mit dem Tod um. Na gut, jemanden zu töten war etwas Anderes, als bereits tot zu sein.
"Aber das war nicht wirklich ich! Ich konnte mich nicht mehr beherrschen und war verzweifelt, aber normalerweise hätte ich so etwas nie getan. Sie haben mich angegriffen und ich habe mich gewehrt. Das war schon alles!", widersprach mir Jonathan heftig. Er war wirklich entrüstet. Seine Stirn war wütend gerunzelt und sein ganzer Körper angespannt.
"Und dieses Mädchen wird dich auch angreifen, sobald sie dich gefunden hat!"
"Sie wird mich aber nicht finden. Ich verhindere es einfach. Wir werden nicht kämpfen!" Er stand mir mit geballten Fäusten gegenüber und schrie mich an. Ich schnaubte. Seine alte Ruhe hatte er noch nicht wieder gefunden.
Plötzlich fiel mir auf, dass der Dreck auf dem Boden herum rutschte, nur von einem seltsamen Wind getrieben. Ich streckte langsam eine Hand in Jonathans Richtung aus. Jetzt spürte ich es auch. In kurzen, unregelmäßigen Abständen gingen von dem blassen Toten schwache Windstöße aus, die über den Boden fegten. Sie waren noch nicht so stark wie auf dem Friedhof, aber es war derselbe merkwürdige Wind.
"Jonathan. Hör auf!"
Aus großen Augen sah mich der Schwarzhaarige an, aber er nahm mich nicht wirklich wahr. Der Wind wurde heftiger. Seine Anspannung ließ nach, seine Hände fielen locker hinunter.
"Jonathan!", sagte ich lauter, rief noch einmal seinen Namen. Mit zwei Schritten war ich bei ihm, packte ihn an den schmalen Schultern und schüttelte ihn durch. Ich gab mir Mühe, nicht allzu grob zu sein, aber ich wusste, wenn er die Kontrolle vollkommen verlieren würde, dann war ich hier nicht besonders gut aufgehoben.
Genauso wenig wie er. Ein zusammenstürzendes Haus war mehr als Aufsehen erregend.
"Komm wieder zu dir! Jonathan, ganz ruhig, hier passiert dir nichts!" Verzweifelt redete ich auf ihn ein, aber der Wind wurde stetiger und stärker. Jetzt flogen auch die schwarzen Haare hoch, der Müll erhob sich und wirbelte um den Geist herum. Ich wurde immer wieder hart getroffen, aber ich gab nicht auf. Irgendwie musste er doch wieder zur Vernunft kommen!
"Jonathan!", versuchte ich es ein letztes Mal, dann holte ich aus und schlug ihm ins Gesicht. Das blasse Gesicht flog zur Seite und die Haut rötete sich, bis man recht deutlich meine Finger erkennen konnte.
Im nächsten Augenblick flog ich durch die Luft und krachte durch die Tür. Ich versuchte, mich irgendwo festzuhalten, doch es war schon zu spät. Ich prallte gegen die Wand des ehemaligen Treppenhauses und haute mir erst mal ordentlich den Schädel an. Dann fiel mir eine unangenehme Tatsache auf: Die gesamte Treppe fehlte, sie musste weg gefault oder von irgendwem zerstört worden sein. Danach verschwendete ich keinen Gedanken mehr daran, wo diese verdammte Treppe abgeblieben war, denn ich fiel unaufhaltsam durch das Treppenhaus nach unten. Denselben Weg, den Jonathan mich vorhin hoch getragen hatte, raste ich nun hinunter. Die Stockwerke flogen an mir vorbei, ohne dass ich irgendetwas tun konnte.
Ich schrie verzweifelt und kniff die Augen zusammen.
Der Boden kam immer näher und schließlich hatte ich ihn fast erreicht. Ich machte mich bereit, dass mir gleich sämtliche Knochen im Körper brechen würden. Erstaunlicherweise raste nicht noch einmal mein ganzes Leben vor meinem inneren Auge her. Ich dachte gar nichts. Rein gar nichts.
"Du bist ein Idiot, Dennis", fauchte mich eine wütende Stimme an, dann riss mich irgendetwas aus meinem Sturz. Wieder einmal hing ich in der Kralle eines Geistes.
Vorsichtig öffnete ich ein Auge und bereute es sofort wieder. Ich hing kopfüber in der Luft, über mir schwebte Jonathan und hielt mich an einem Fuß fest.
Himmel, ich sah bestimmt völlig idiotisch aus, wie ich hier so unmotiviert zwischen Erde und Himmel schwebte. Und das auch noch kopfüber. Aber immerhin berührten meine Fingerspitzen schon den kalten Betonboden.
"Wärst du vielleicht so freundlich...", fragte ich den Geist vorsichtig und er setzte sich tatsächlich in Bewegung.
Einen Augenblick später landete ich mit der Schulter auf dem Boden und schaffte es irgendwie mich abzurollen. Trotzdem tat mir alles weg. Heute hatte ich eindeutig zu viel Gewalt abbekommen.
"Hölle, was war das denn?", knurrte ich Jonathan an, der immer noch einen halben Meter über mir in der Luft schwebte und mit gerunzelter Stirn auf mich hinunter sah.
"Keine Ahnung. Warum hast du dich hier runter gestürzt?"
"Gestürzt? Du hast mich gestoßen! Ich wollte nur, dass du aufhörst, diesen komischen Wind zu erzeugen, aber du hast nicht auf mich gehört. Stattdessen bist du immer mehr abgedriftet und irgendwohin verschwunden. Und da hab ich dich geschlagen..."
Der Handabdruck war vollkommen verschwunden. Seine blasse Haut sah so unberührt wie immer aus.
"Nun ja, dann hast du mich irgendwie weg gestoßen und ich hatte eine schwungvolle Begegnung mit der Wand. Immerhin hat da kein Nagel raus geragt." Ächzend rappelte ich mich auf und vergewisserte mich, dass alle Knochen und Muskeln noch funktionstüchtig waren.
Erleichtert streckte ich mich. Mein Rücken, meine Arme, meine Beine und auch mein Hinterkopf schmerzten höllisch, aber es war noch zu ertragen. Auch wenn ich jetzt bestimmt hinten vollkommen blau und grün war.
"Ich habe Wind gemacht? Wie seltsam, ich erinnere mich nur daran, dass ich mich furchtbar aufgeregt habe und dann... dann hast du von hier geschrieen und ich musste dich retten. Tut mir Leid, dass ich dich weggeschubst habe. Ich war wohl nicht ganz bei mir."
Langsam stieg er hinunter und stellte sich neben mich. Dann sah er sich unbehaglich um. "Wir sollten verschwinden. Das war nicht gerade unauffällig. Falls irgendein Geist in der Nähe war, hat er das bestimmt gespürt."
"Deinen kleinen Wutausbruch?", erkundigte ich mich ironisch. Nein, so ganz hatte ich ihm noch nicht ganz verziehen, dass er mich diese verdammte, nicht existierende Treppe hinunter geschmissen hatte.
"Mhm. Komm!", kommandierte er und stieg über zwei Holzbretter, die wohl mal Stufen gewesen waren. Einen Moment später stand er an der breiten Stahltür, durch die man wohl nach draußen kam. Den Teil von meiner Entführung hatte ich nicht mehr wirklich mitbekommen.
Ich riss mich aus meinen Gedanken und beeilte mich, dem Geist zu folgen, der mit geschlossenen Augen hinaus sah.
"Was..?"
"Sei bitte einen Moment still", flüsterte Jonathan und hielt sein Gesicht weiter in die Luft.
Ich wartete irritiert einen Moment, dann drehte er sich auch schon wieder zu mir um.
"Alles in Ordnung, die Umgebung ist erst mal sicher, aber ich denke, es sind schon zwei Geister hierher unterwegs. Ein Tiergeist und ein Menschlicher. Wir sollten beiden ausweichen." Damit trat er hinaus und wandte sich tiefer in die schummerige Gasse.
Mit einem seltsamen Gefühl in der Magengegend folgte ich ihm. Wir wurden also von zwei Geistern verfolgt. Wie konnte er da so ruhig bleiben?
Vorsichtig tippte ich dem Schwarzhaarigen auf die Schulter. "Könntest du nicht irgendetwas gegen unsere Verfolger tun?"
"Nein. Das würde nur den Nekromanten alarmieren und der würde dann einfach mächtigere Geister schicken. Außerdem töte ich nicht gerne irgendwelche Geister. Jedenfalls nicht, wenn sie mich noch nicht angegriffen haben." Er warf mir einen schrägen Blick zu. "Haben wir da nicht schon einmal drüber geredet?"
"Doch, kurz vor meinem Beinahe-Tod", gab ich zurück. Er sah ein bisschen schuldbewusst aus, aber anscheinend konnte er sich wirklich nicht daran erinnern. "Wohin gehen wir jetzt?"
"Erst mal weg von hier. Hör mal, das mit dem Sturz tut mir echt Leid. Ich habe nicht gewusst, was ich getan habe!"
"Ich weiß. Aber warn mich bitte das nächste Mal, bevor du die Kontrolle verlierst. Es ist ziemlich unangenehm, neben dir zu stehen und nicht zu wissen, ob du weißt wer ich bin. Und dann dieser Wind..." Ich verstummte und sah zur Seite. "Jonathan? Wohin gehst du?"
Irritiert sah ich dem Dunkelhaarigen zu, wie er langsam nach oben schwebte.
Der Geist stieg wieder ein Stück hinunter und reichte mir eine Hand. "Wir wechseln die Spur! Von da oben hat man einen besseren Überblick und die meisten Geister halten sich eher am Boden. Sie mögen es, durch Menschen durch zu fliegen."
Mit einem skeptischen Blick zu den flachen Häuserdächern ergriff ich seine feingliedrigen Finger. Mit einem sanften Ruck zog Jonathan mich hoch in die Luft. Ich musste nichts tun, als seine kühle Hand fest zu halten. Was nicht besonders unangenehm war.
Allerdings vermied ich es lieber, nach unten zu sehen. Allzu große Höhen waren mir nicht geheuer und vor allem der Anblick meiner Füße mehrere Meter über der Straße hätte mich erschreckt. Also fixierte ich lieber Jonathans Nacken. Praktischerweise schwebte er halb mit dem Rücken zu mir, um die Wand zu betrachten und den Fenstern möglichst auszuweichen.
Wenn uns jetzt jemand gesehen hätte, wäre sicher auch noch die Polizei zu unseren Verfolgern gestoßen. Und Wahrsager. Und Sektierer. Und Irrenärzte. Und Physiker. Und... Talentsucher.
Nach nicht einmal einer Minute erreichten wir das flache Dach und stiegen über die Brüstung. Irgendjemand hatte ein paar vereinzelte Blumentöpfe hier oben aufgestellt, aber aus der Erde ragten nur ein paar Büschel Unkraut. Und eine Bierflasche.
Kopfschüttelnd folgte ich Jonathan quer über das Dach. Man konnte wirklich überall Bierflaschen finden. Nun mussten wir nicht mehr fliegen, denn das nächste Haus schloss nahtlos an dieses an.
"Dennis, du kannst meine Hand jetzt wieder loslassen." Jonathan sah mich kurz halb lächelnd, halb grinsend an, dann löste er seine Finger aus meinen.
Ich lief rot an. Das hatte ich vergessen. "Entschuldige, ich..."
"Vergessen wir's. Es geht weiter."
Nebeneinander kletterten wir wieder über die Brüstung und sprangen auf das nächste Dach, das etwas tiefer gelegen war.
Vor uns erstreckten sich unzählige Dächer mit flachen und spitzen Dächern, manche waren zugestellt, andere leer.
Aber es waren eindeutig zu viele.
Ich jedenfalls hatte immer noch nicht die geringste Ahnung, wie es jetzt weiter gehen sollte. Und bei dem Gedanken an die etlichen Meter leere Luft, die zwischen mir und dem Boden gähnte, wurde mir schwindelig. Nicht die idealsten Vorraussetzungen um hier herum zu klettern.
Paul fühlte sich alt, als er die Bibliothek der Geister verließ. Er hatte nicht besonders viel erfahren, aber trotzdem wusste er jetzt so viel mehr als vor seinem Besuch.
Mit schweren Schritten schleppte er sich zur Straße und zögerte einen Moment. Er besaß kein Auto und die Menschenmassen des Busses hätte er heute nicht ausgehalten. Also wartete er einige Minuten, bis das nächste Taxi vorbei fuhr und winkte es heran.
Es hielt fast sofort und erleichtert ließ sich der Nekromant in den Sitz sinken. Seine Knochen schmerzten und seine Augen waren müde von den vielen Buchstaben, die er heute schon gelesen hatte.
Erleichtert, etwas Ruhe zu haben, schloss er einen Moment die Augen bevor er dem wartendem Fahrer seine Adresse nannte.
Der Büchergeist hatte ihm mehrere alte Bücher und sogar einige Schriftrollen gebracht. Es waren Biographien von anderen Nekromanten, Bücher über mächtige Geister, Berichte über erstaunliche Geschehnisse und ganze Kapitel, die nur mit der Erzählung gefüllt waren, wie ein einzelner, besondere Geist gebannt wurde. Immer wieder waren freie Geister vorgekommen, warum sie entstanden und was ihre Fähigkeiten waren.
Auch über sie wusste Paul jetzt viel mehr, sehr viel mehr. Als er sich daran gemacht hatte, die Freien zu erforschen, da hatte er nicht an die Bibliothek der Geister gedacht, nicht daran denken wollen. Er hatte mit alten Geistern und alten Nekromanten gesprochen, seine Bücher durchsucht und jedes Buch, das er in die Finger bekommen hatte.
Aber in der Bibliothek war er trotzdem nicht gewesen.
Hätte er sie besucht, wäre alles andere unnötig gewesen, denn jetzt wusste er genug. Er hätte den Freien an seinem Grab bannen können. Er hätte vielleicht das Mädchen endgültig unter seine Macht bringen können und den ganzen Friedhof auferstehen lassen, hätte er nur so viel gewusst, wie jetzt.
"Is alles in Ordnung?", knarrte plötzlich die Stimme des Fahrers nach hinten und riss Paul aus seinen Gedanken.
Der Nekromant schreckte hoch und wusste für einen Moment nicht, wo er war. Dann nickte er kurz nach vorne und strich sich über das faltige Gesicht.
Viele hatten das Geistermädchen gekannt. Ihre Haare und ihr nicht vorhandenes Gesicht waren auch auffällig genug, aber fast niemand hatte etwas wirklich Bedeutendes über sie niedergeschrieben. Immer wieder waren ihre Kräfte erwähnt worden, ihr Hass auf andere Geister und Nekromanten und auch ihr geübter Umgang mit Schwächeren. Es stand so gut wie fest, dass sie selbst einmal eine Nekromantin gewesen war.
Aber trotzdem konnte sie bei ihrem Tod nicht älter als 13 Jahre alt gewesen sein. Nicht der beste Nekromant konnte schon so früh irgendeinen Geist beherrschen.
Dann war da noch, dass nirgends ihr Name aufgetaucht war. Die meisten Geister teilten ihren Herren mehr oder weniger freiwillig ihren Namen mit, es war nicht unbedingt nötig, aber die Nekromanten konnten dann nicht mehr so leicht durcheinander kommen, welchem Geist sie welche Aufgabe zu teilten.
Aber trotzdem hatten auch Geister Namen, egal in welchem Alter sie gestorben waren.
Nur dieses Mädchen nicht. Es schien nicht daran zu liegen, dass sie stur war und ihren Namen nicht verraten wollte, es war ganz einfach so, als hätte sie gar keinen. Aber wie konnte ein Mensch mehr als zehn Jahre überleben, ohne einen Namen oder wenigstens so etwas Ähnliches zu erhalten?
Die Bücher hatten ihm viele Antworten gegeben. Aber sie waren außergewöhnlich, sogar für einen Nekromanten.
Der Geist steckte immer noch voller Geheimnisse. Aber jetzt war Paul wenigstens nicht mehr vollkommen unvorbereitet auf ihre Kräfte.
Hoffte er jedenfalls.
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