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Glitter

Teil Drei - Glitter

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Inhaltsverzeichnis

Dritter Teil: G l i t t e r

Sela war gerade dabei, ihre Kristallkugel zu polieren, als Donny ihren Wohnwagen betrat und einen lauten Seufzer von sich ließ. Ohne sich umzublicken sagte die Wahrsagerin mit einem Lächeln auf den Lippen: "Er geht dir nicht aus den Kopf, oder?"

Donny setzte sich auf die Holztruhe, in der Sela ihre Kostüme aufbewahrte, stützte sein Kinn auf die Hände und seufzte nochmals.

"Du siehst und weißt alles, oder?"

"Dazu muss man kein Hellseher sein, Donny", sagte sie ruhig und drehte sich zu ihm um. "Selbst die Ponys merken, was mit dir los ist."

"Und was ist mit mir los?"

Jetzt war es Sela, die seufzte. "Liebeskummer ist nicht mit der Beulenpest zu vergleichen, aber auch nicht so harmlos wie eine Erkältung. Wenn du wirklich verliebt bist, dann musst du dazu stehen."

"Das will ich ja, aber er will es nicht!"

"Hast du ihn gefragt?"

"Das muss ich nicht. So, wie er sich aufführt, ist es eindeutig ...", und murmelnd fügte er hinzu: "… dass er nichts von mir wissen will."

"Du bist ein Pixy", sagte Sela ernst. "Du kannst spüren, was andere Wesen fühlen. Was spürst du bei ihm?"

Donny hielt inne und dachte nach. Eigentlich war er zu Sela gekommen, um herumzujammern. Doch Jammern ließ die weise Frau nicht durchgehen. Sie forderte immer etwas von jenen, die zu ihr kamen. Weise sein bedeutet, andere dazu zu bewegen, selbst nachzudenken und Lösungen zu finden. Das hatte Sela zumindest mal gesagt.

"Verwirrung", sagte Donny nach einer Weile. "Er ist verwirrt."

"Was dich angeht? Seinen Gefühlen dir gegenüber?"

Donny schüttelte den Kopf. "Nein", sagte er selbstsicher. "Das nicht. Er ist allgemein verwirrt. Er weiß nicht, ob er das Recht darauf hat, glücklich zu sein."

"Was siehst du noch?"

"Verbitterung. Verbitterung darüber, was mit ihm und seinem Leben geschehen ist."

"Was soll mit ihm geschehen sein?", wollte Sela wissen.

Donny blickte auf und sah die Wahrsagerin nachdenklich an. "Der Krieg. Er hat den Krieg erlebt."

"Er hat gekämpft?"

Der Pixy schüttelte den Kopf.

"Er wurde verwundet?"

Wieder ein Kopfschütteln.

"Dann hat er seine Familie verloren?"

Diesmal nickte Donny.

"Durch den Dämonenfürsten Necros?"

Wieder ein Kopfschütteln. "Nein. Er glaubt, dass es seine Schuld war."

Für einen Augenblick schwiegen beide. Dann drehte sich Sela wieder zu ihrer Kristallkugel um und sagte ruhig und gelassen, als sei es die einfachste Sache der Welt: "Rede mit ihm. Sage ihm genau das, was du weißt, und stelle ihn vor die Wahl."

Donny fuhr aufgebracht auf. "Was? Mit dem kann man nicht reden. Er flippt aus, und ..."

"Rede mit ihm", sagte Sela ruhig und von Donnys Gefühlsausbruch unbeeindruckt.

Der Pixy seufzte wieder.

 

Er wollte nach der Abendvorstellung zur Bibliothek gehen und mit dem Goblin sprechen. Aber nicht so, wie Sela es ihm empfohlen hatte, da er die Nase voll hatte. Pock war verbittert und missmutig. Er glaubte, keine Seele mehr zu haben, und vergraulte alles und jeden. Ihn eingeschlossen. Donny wusste nicht, ob Pock wirklich aus Liebe zu ihm ihn so hartherzig behandelte, in dem Glauben, ihn vor einer Gefahr, welche von ihm ausging, zu beschützen, oder ob er sich schlichtweg dafür schämte, einen Pixy zu lieben.

Egal. Donny würde es beenden. Noch diese Nacht.

 

Pock träumte von einem Sternenschauer, der vom Himmel regnete, von buntem Nebel und einem magischen Glitzern, das den Nebel durchtränkte wie tausend kleine, funkelnde Sterne. Dann erschien das Gesicht des Pixies: Fein geschnitten, hell, freundlich und lebensfroh.

Schweißgebadet fuhr der Goblin aus dem Schlaf hoch, doch er lag nicht im Bett, sondern auf dem Boden seiner Kammer. Er blickte an sich herab und sah, dass er nicht mehr trug als einen Lendenschurz. Dann fiel es ihm wieder ein: Er hatte trainiert. Trainiert bis zur Erschöpfung.

Langsam stand er auf, wischte sich mit dem Armrücken den Schweiß von der Stirn und schlüpfte dann in seine Kleider. Er würde noch heute Nacht reinen Tisch machen. Er würde in diesen dummen Zirkus gehen und diesem schwuchteligen Pixy-Elfchen die Meinung geigen. Dann würde er gehen, für immer. Irgendwann war auch mal Schluss! Was hatte dieses kleine Aas in seinen Träumen verloren?

 

Nachdem Pock seine Seele für ein Stück Schlangenfleisch an Grimmol verkauft hatte, war das Leben des Goblins nicht mehr so wie vorher. Schon einen Tag später starben seine Eltern, als ein Teil der Höhle, in der sie gelebt hatten, einstürzte. Nicht lange darauf wurden fast alle Goblins in Pocks Stamm krank. Sie verbannten ihn, da sie glaubten, er würde einen Fluch in sich tragen. Pock hatte seitdem keine Freunde mehr:

Alles und jeder um ihn herum wurde entweder krank oder starb. Er wollte wenigstens etwas Gutes tun und meldete sich freiwillig, in den Krieg zu ziehen, doch selbst die Armee wollte ihn nicht haben: zu dürr, zu schwach, zu jung.

Schließlich fand er sich einsam und verbittert in einer Höhle wieder, in der sich Hunderte von Flüchtlingen drängten. Sein Volk war zur Zielscheibe von Necros‘ Dämonenheer geworden. Sie wollten alle Goblins umbringen (der Grund dafür ist bis heute aber ein Rätsel).

Sie kamen in die Höhle, bauten sich vor den vor Angst zitternden Goblin-Familien auf, zückten ihre Waffen, und sagten:

"Zeit zu sterben, Ungeziefer ..."

 

Der Zirkus war eine schillernde, kleine Welt für sich, erfüllt mit Glitzer und grellen Farben, verrückten Wesen und exotischen, fantasievollen Masken.

Pock hasste all das, denn es tat ihm weh, wie einem Hund schrille Töne in den Ohren schmerzten. Was wollte er eigentlich hier? Warum kam er schon wieder hierher?

Weil er mich wütend macht. Weil ich es ihm ins Gesicht sagen will. Ein für allemal!

Tief in seinem Inneren brodelte Wut, doch diese Wut hatte sich immer gegen ihn selbst gerichtet; Pock hatte immer wieder den Wunsch gehabt, sich selbst zu verletzen, selbst zu hassen. Jetzt hatte sich das gedreht - jetzt war es der Possenreißer, der seinen Zorn zu spüren bekommen sollte.

Die Vorstellung hatte anscheinend schon begonnen, als Pock sich dem Zirkuszelt näherte. Die Nacht brach gerade herein; die Luft war kühl und der Geruch wilder Tiere und gebrannter Nüsse lag schwach in der Luft. Es war Zirkusluft. Auch die hasste Pock mehr als alles andere, genauso wie er diese auf lustig machenden Blödmänner hasste, die am Eingang des Zeltes standen und ihn nicht hineinlassen wollten.

"Ich will die Vorstellung sehen!", sagte der Goblin leise, aber bestimmt und mit einem bösen Funkeln in den Augen dem etwas dicken Pixy, der tatsächlich silberne Sternenaufkleber auf seinen Wangen hatte.

Der Pixy erhob die Hände und nickte. "Meinetwegen, wenn du keine nettere Begrüßung drauf hast, aber ..."

Pock schob sich einfach an ihm vorbei, ohne ihn aussprechen zu lassen, hörte aber mit einem Ohr noch das empörte Schnauben des Glitzer-Kaspers. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er sein Schwert gar nicht dabei hatte. Und wenn schon, notfalls würde er den grünen Wicht mit seinen eigenen Klauen erwürgen, obwohl ihm die Vorstellung, ihn anzufassen, ihm Übelkeit bescherte.

Er betrat den großen Innenraum des Zeltes und war sofort umgeben von einer geheimnisvollen, wohlklingenden Musik. Pock konnte sofort die Quelle der zauberhaften Klänge ausmachen: Es waren Panflöten-Spieler, allesamt so gekleidet und geschminkt, dass man unmöglich erkennen konnte, ob sie nun männlich oder weiblich waren. Zierliche Tänzerinnen - Pock meinte, dass es Waldelfen waren, war sich aber nicht sicher, es hätten auch kleine Menschenmädchen sein können - führten zur Musik einen Tanz auf, bei dem immer wieder bunte Tücher aus hauchdünnem Stoff in die Luft geworfen wurden.

Das Publikum - hauptsächlich Kinder - klatschte, lachte und jubelte. Es herrschte eine fröhliche Atmosphäre, die Pock im ersten Augenblick vergessen ließ, warum er eigentlich hier war ... Er suchte sich einen freien Sitzplatz in der vordersten Reihe und setzte sich. Verwirrt und benebelt von all den Farben, Lichtern und Klängen blickte er sich suchend um. Wieso war er nicht zu den Wohnwagen gegangen, um den Possernreißer dort zu suchen? Jetzt ärgerte er sich über seine Dummheit.

Während Pock damit haderte, was er als Nächstes tun sollte, wichen die Elfentänzer einer lustigen Gruppe aus Narren mit bunten, albernen Kleidern und Masken. Einer von ihnen trug einen Eimer, der von einer weißen Schaummasse überquoll; der andere, ein etwas pummeliger Pixy, stolperte ungeschickt neben ihm her, was das Publikum zum Lachen brachte. Pock beachtete die Vorstellung gar nicht, deshalb fiel ihm auch nicht auf, dass die lustige Narren-Gruppe auf ihn zusteuerte. Der Goblin war gerade im Begriff, aufzustehen, da wurde er von den zwei Narren an den Armen gepackt und mitten ins Scheinwerferlicht der Manege gezerrt.

Pock war so überrascht und perplex, dass er es erst bemerkte, als er schon quasi mitten auf der Bühne stand. Er hätte diese beiden Kasper mit Leichtigkeit platt machen können, aber er wollte nicht vor Dutzenden von Zeugen - die meisten waren Kinder - einen Mord begehen.

"W- w- was soll das? Was wollt ihr von mir ..."

Der pummelige Pixy lachte und rief: "Ihr seht aus, als hättet Ihr Euch schon sehr lange nicht mehr eine Rasur gegönnt, werter Herr Goblin von Blauenstein!"

Pock wurde auf einen Stuhl gedrückt - er wusste gar nicht, dass Pixies so stark waren - und ihm wurde ein großes, weißes Tuch um den Hals gebunden.

"Aber das erledigen wir gerne für Euch!"

Das Publikum lachte, und es klang nach Vorfreude, als wüsste es bereits, was nun folgte.

"Ich blub ..."

"Das ist gut für die Kopfhaut und schont die Rasur!"

Ehe Pock protestieren konnte, wurde er mit der weißen Schaummasse übergossen, die der bunte Kasper in einem Eimer mit sich herumgetragen hatte. Sie bedeckte seinen Kopf und sein ganzes Gesicht, und zwar so, dass er nichts mehr sehen und kaum etwas hören konnte. Das Gelächter und die Musik drangen dumpf und verschwommen an seine Ohren. Er wollte aufstehen und hatte vor, nun kräftig Prügel auszuteilen, doch irgendwie schaffte er das nicht: Pock war wie gelähmt.

Durch die dichte Schaumdecke vernahm er plötzlich eine vertraute Stimme. Durch den Schaum gedämpft, aber vertraut:

"Haaaaalt! Hört sofort auf damit, Ihr Trottel!"

Lautes Gelächter.

"Wisst Ihr denn nicht, wen Ihr da in der Mangel habt? Das ist der Ork-Häuptling Schlachmichweg aus dem Winterwald!"

"Winterwald?", hörte Pock die (gespielt?) dümmliche Stimme eines der anderen Narren sagen.

"Siehst du denn nicht die blauen Füße? Die werden vom vielen Frieren so!"

Pock frohr in der Tat. Seine Füße waren eiskalt, und er grub seine Zehen in den weichen Sand, mit dem der Boden der Manege ausgelegt war.

"Wir müssen ihn schnell wieder saubermachen, bevor er von seiner Schwiegermama eins mit der Keule über den Schädel bekommt! Und ... eins, zwei, DREI!"

Ein riesiger Schwall eiskaltes Wasser fegte den Schaum mit einem Male von Pocks Gesicht. Er nahm sein Umfeld für einen Augenblick völlig verschwommen war. Dann spuckte er und hustete, rieb sich die Augen und erblickte ... Ihn!

Donny kreischte erschrocken auf, als er den Goblin erblickte und ließ den Wassereimer fallen, mit dem er dem Goblin die Dusche verpasst hatte.

Pock saß immer noch da und starrte den Pixy an. Und Donny starrte den Goblin an. Im Zelt war es plötzlich totenstill.

"Du ... du bist ja hier ...", flüsterte Donny.

Das Publikum sah zu Pock, der sagte: "Ja, und ich bin nass."

Donny kicherte hilflos und trat von einem Fuß auf den anderen. "Warum bist du hier?"

Wieder blickten die Leute im Publikum zu Pock.

"Eigentlich, um dich zu erwürgen."

Donny kicherte wieder verlegen und fasste sich an den Nacken, wobei die Schellen seiner Narrenkappe rasselten. "Oh, na ja ... wie du siehst, habe ich auch noch zu tun."

"Ja, wir alle haben zu tun, nicht wahr?"

Das Publikum blickte zu Donny.

"Willst du mich wirklich umbringen?", fragte Donny etwas leiser. "Ist vielleicht kein guter Zeitpunkt, oder?"

"Irgendwie muss ich mich doch für die Ohrfeige rächen, oder nicht?", zischte Pock.

"Und was soll ich dann mit dir machen wegen dem Kuss?"

Ein Raunen ging durch die Menge. Einige steckten die Köpfe zusammen. "Hat er wirklich Kuss gesagt?" "Ja, habe ich auch gehört ..."

"Dafür werde ich dich auch umbringen", schnaubte Pock und erhob sich.

Wieder blickten sie sich einige Sekunden lang schweigend an.

"Dann nur zu", sagte Donny schließlich und verschränkte die Arme. "Aber es wird deinen Schmerz nicht lindern."

"Was weißt DU schon über meinen Schmerz?"

"Eine ganze Menge!"

"Was denn, hä?", rief Pock herausfordernd.

"Du gibst dir alle Mühe, ein schlechter Kerl zu sein, weil du gehasst werden willst", sagte Donny und machte einen Schritt auf Pock zu. "Du fühlst dich schuldig für den Tod deiner Eltern, weil du glaubst, dass es ein Fluch war. Ein Fluch, den du glaubst, ausgelöst zu haben."

"Lass meine Eltern ..."

"Danach ging alles schief in deinem Leben, weil du es wolltest", fuhr Donny unbarmherzig fort. "Du glaubst, du musst bestraft werden. Du glaubst, du hast Liebe und Vergebung nicht verdient. Deshalb wolltest du in den Krieg. Du wolltest nicht kämpfen, du wolltest sterben!"

"Hör auf ..." Pock wandte sich von ihm ab, blieb aber stehen.

Donny hörte nicht auf. "Wesen ohne Seele können keinen Selbstmord begehen, weil sie bereits tot sind", sagte der Pixy leise. "Nur durch die Hand eines Dämons können sie getötet und erlöst werden. Das habe ich gelesen, und du musst es damals auch gewusst – oder besser gesagt – geglaubt haben."

Pock senkte den Kopf, schloss die Augen und atmete zischend aus.

"Es ist mir nicht gelungen. Wie du siehst, bin ich noch da." Er drehte sich um und sah Donny mit müden Augen an. "Ich hätte tot sein müssen, damals, in der Höhle, als ...

Diese Wesen kamen; diese Dämonenwesen aus Necros` Armee. Sie kamen, um mein Volk zu töten. Und sie fanden mich und andere Goblins in dieser Höhle. "Zeit zu sterben" haben sie gesagt, und ich war davon überzeugt, dass meine Zeit endlich gekommen war. Doch ich war nicht alleine: Es waren Goblinweibchen und Jungen in der Höhle gefangen. Ich wollte auch nicht einfach zusehen, wie Kinder getötet werden sollten, also zögerte ich und floh, wie die anderen Goblins auch.

Als wir in der hintersten Ecke der Höhle zusammengedrängt schließlich doch unserem Ende ins Auge blicken mussten, kam jemand, der die Dämonen von hinten niederschlug ... "

Donny hielt sich beide Hände vor den Mund, als er die Bilder vor seinem Inneren Auge sah: Als er sah, woran Pock sich erinnerte.

"Es war ein Pixy ...", fuhr Pock fort. "Und es war der tapferste kleine Kerl, den ich je gesehen habe." Verschämt blickte Pock auf seine Füße. "Ich erkannte an jenem Tag die Schönheit eines Pixys. Seine Eleganz, die Magie, welche ihn umgab. Es ist absurd, in solch einem Augenblick solche Gefühle zu haben, aber sie waren da."

Er blickte Donny an und sah, wie der Pixy ihn erschrocken anstarrte. Dass um sie herum Zuschauer, Narren und Artisten waren, sie ihr Gespräch gebannt verfolgten, hatten beide inzwischen völlig vergessen.

"Wir konnten aus der Höhle entkommen, doch einer der Dämonen lebte noch."

Pock schloss die Augen und ließ den Kopf sinken.

Donny sah seine Gedanken mit seinem Inneren Auge ...

 

Der Dämon springt auf, packte den Pixy am Hals und rammt ihm einen Dolch in die Kehle ...

 

Eine dicke Träne quoll aus Donnys Auge, dann noch eine und noch eine. Tränen verwischten seine Schminke; seine großen, mandelförmigen Augen glänzten und glitzerten wie von Millionen von Sternen erfüllt.

"Simly ... es war Simly", flüsterte Donny kaum hörbar.

Pock seufzte leise, als hätte ihm jemand gerade eine unglaublich schwere Last abgenommen.

"Es ... es tut mir so Leid ..."

"Ich wusste es. Irgendwie habe ich es immer gewusst", sagte Donny und wischte sich die Tränen mit dem Ärmel seines Kostüms ab.

"Ich habe dich geküsst", sagte Pock und blickte wieder auf seine Füße, "weil ich es wollte. Weil ich ... ich ..." Er schnaubte entnervt und wollte sich abwenden, doch Donny packte ihn am Arm und zog ihn zu sich heran.

"Willst du wieder weglaufen?", rief Donny. "Hast du Angst vor dem Stachel, der dich verletzen könnte? Diese Angst habe ich auch, aber wir können uns beide nicht ewig in einen Schutzpanzer zurückziehen!" Donnys Stimme war tränenerstickt. "Wir müssen das Risiko eingehen, uns gegenseitig zu verletzen, denn wenn wir es nicht tun, werden wir auch niemals die Gelegenheit haben, uns gegenseitig gut zu tun."

Für einen Augenblick starrten sie sich wieder schweigend an. Aus dem Publikum, das weiterhin gebannt die kleine Szene verfolgte, war ein vernehmliches Räuspern zu hören.

"Was soll ich tun?", flüsterte Pock unsicher.

"Sag es mir", sagte Donny fordernd. "Sag es mir."

Der Goblin biss sich auf die Lippe, hüstelte und sah wieder auf seine Füße. "Ich .... du ... du bist mir sehr sympathisch."

Donny schnaubte verächtlich. "Das reicht nicht."

"Ich ... ich mag dich irgendwie ..."

Der Pixy berührte Pocks Kinn und hob seinen Kopf, sodass sie sich in die Augen blicken konnten.

"Das reicht immer noch nicht", sagte Donny. "Sag es!"

"Ich ... ich ... liebe dich ..."

"Lauter!"

"Ich ... liebe dich."

"Ich glaube es dir nicht."

"ICH LIEBE DICH!", brüllte der Goblin. "ICH LIEBE DICH!!!"

Er umfasste das Gesicht des Pixys, zog es zu sich heran und küsste ihn voller Leidenschaft und Extase auf die Lippen. Donny erwiderte den Kuss, und sie umschlagen einander mit ihren Armen und pressten ihre Körper fest aneinander, als wollten sie sich nie mehr loslassen.

Plötzlich war das Zirkuszelt von brausendem Applaus erfüllt. Die Zuschauer sprangen von ihren Plätzen, jubelten, applaudierten und pfiffen.

Noch während sie sich küssten, begann in Donnys Wohnwagen die Kristallrose zu leuchten und pulsierendes, rotes Licht auszustoßen. Es erfüllte zuerst den Wohnwagen selbst, dann das Gelände, welches ihn umgab und schließlich erreichte es das Zirkuszelt. Donny und Pock spürten, wie ein unsichtbares Etwas mit unsichtbaren Händen nach ihnen griff und sie beide umarmte. Sie ließen voneinander ab und ihr Blick wanderte nach oben, wohin das rötliche Licht, welches von einem silbernen Glitzern erfüllt war, langsam nach oben stieg und allmählich verblasste.

"Danke, Simly", flüsterte Donny. Dann sah er Pock an und kicherte plötzlich, obwohl ihm wieder Tränen kamen.

"Du lachst?", fragte Pock mit kühler Stimme, aber einem Grinsen im Gesicht.

"Ich musste gerade daran denken, dass du noch nie ... also, du weißt schon ..."

Der Goblin seufzte und nickte zustimmend. "Ja, da hast du recht." Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: "Aber ich habe sehr viele Bücher darüber gelesen."

 

Epilog: D e r   G o b l i n z ä h m e r

(Vier Tage später)

 

Meister Camo und Sela saßen einander gegenüber, und der alte Gremlin nippte an dem Tee, den die Wahrsagerin ihm eingeschenkt hatte, während Sela selbst den dritten Becher jenen Gebräus trank, den Camo ihr mitgebracht hatte. An ihrem Tisch saßen auch zwei Goblins, die mit Pock einen Schwerttanz für die Zirkusvorstellung einstudieren wollten. Es waren sehr junge, sehr dürre Exemplare mit kobaltblauer Haut und tiefschwarzen Haaren. Sie hatten, vom legendären "Pock Monsterjäger" gehört und sich dem Zirkus angeschlossen.

"Wenn wir noch einen Zauberer hätten", begann Norin seufzend und nahm sich noch ein Stück von dem Steinbeißer-Braten, den Camo zusammen mit Glenton, dem Jongleur, zubereitet hatte. "Einen, der wirklich zaubern kann."

"Wer weiß", sagte Sela zuversichtlich, "vielleicht findet sich da draußen noch ein einsames Herz, das hier sein Glück - oder seine Seele - findet."

Alle Augen wanderten zu Norin. Dieser blickte überrascht auf, dann zuckte er mit den Achseln. "Wer weisch?!", sagte er mit vollem Mund und aß weiter.

Sie saßen an mehreren Tischen kreuz und quer im Freien, nur wenige Schritte von Donnys Wohnwagen entfernt.

"Was meint Ihr", wendete sich einer der jungen Goblins an Camo und Sela, "wann können wir endlich mit Pock sprechen?"

Sela zuckte mit den Achseln und trank einen Schluck. "Wenn der Goblinzähmer mit ihm fertig ist."

Alle lachten, während die beiden jungen Goblins - Schniff und Kratzer hießen sie - nicht ganz verstanden und sich ratlos anblickten.

"So nennen wir hier alle seit kurzem Donny, den Pixy-Gaukler", erklärte Norin. "Er hat den wilden, mürrischen und miesepetrigen Goblin Pock eingefangen. Jetzt muss er ihn aber noch zähmen."

"Und wie macht er das?", fragte Kratzer.

Doch als Antwort erntete er wieder Lacher.

"Kommt schon", drängelte Schniff, "wie zähmt man einen Goblin-Krieger?"

Camo seufzte, legte seine Klaue auf die Schulter des ahnungslosen Goblins und sagte ernst: "Das musst du schon selbst herausfinden. Irgendwann und irgendwie."

"Aber sind sie tatsächlich schon vier Tage da drin?", fragte Norin plötzlich ernst und mit besorgtem Gesichtsausdruck. "Ich meine, sie kommen nicht raus zum Essen oder ..."

"Wer braucht schon Essen?", rief einer der Elfentänzer und kicherte. "Denen hungert und dürstet nach etwas ganz Anderem."

"Oder Schlaf?", fragte Norin irritiert. "Oder ..."

Plötzlich herrschte Schweigen. Die Zirkusleute - ein zusammengewürfelter Haufen aus Elfen, Goblins, Menschen und einem Gremlin - wechselten Blicke, nickten zustimmend einander zu. Schließlich erhob sich Meister Camo nickend und sagte: "Ich werde mal nach den beiden schauen."

"Frag sie, ob sie nicht was zu Essen haben wollen!", rief Norin ihm hinterher.

Der Gremlin watschelte mit seinen kurzen Beinen auf den Wohnwagen zu und klopfte an die Tür.

"Donny? Pock?"

Eine Sekunde später öffnete sich die Tür, und Pock stand - lediglich mit einem Lendenschurz bekleidet und ziemlich verwuschelten Haaren - vor ihm.

"Ja? Was gibt`s denn?", fragte er gelassen.

"Ich ... wir wollten wissen, wie es euch geht", stotterte Camo plötzlich leicht verwirrt.

"Ausgezeichnet", sagte Pock und wischte sich eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht.

"Und Donny?" Camo versuchte einen Blick in den Wohnwagen zu erhaschen und sah den Pixy, der auf seinem Bett saß. Ebenfalls mit völlig zerwühlten Haaren. "Wie geht es dir, Donny?"

"Fantastisch!", rief Donny grinsend. "Ich fühle mich wie ein Feuer, in das man Öl gießt."

Camo drehte sich zu den anderen, neugierigen Zirkusleuten um und rief: "Es geht beiden gut!"

Dann wandte er sich wieder Pock zu. "Ach, ich bin ja so stolz auf dich, mein Kleiner!"

Der Goblin strahlte wie ein frisch geputzter Eimer. "Gell?"

Dann machte er die Tür wieder zu, drehte sich zu Donny um und sagte mehr zu sich selbst: "Tja, das war also der Kontrollbesuch von Meister Camo. Und wo waren wir gerade stehen geblieben?"

Donny kicherte. "Ich glaube, ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern."

Pock seufzte und schüttelte den Kopf. "Dann muss ich deine Erinnerung wohl ein bisschen auffrischen, Possenreißer!"

"Das kommt mir sehr gelegen, durchgeknallter Goblin!"

Der Goblin nahm Anlauf, sprang ins Bett und beide umschlangen einander wie Wesen, die sich niemals mehr loslassen wollten.

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