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Walhalla

Teil 7 - Feuerfluch

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KAPITEL NEUN - Feuerfluch

1

Der kleine Drache brauchte eine ganze Weile, bis er sich getraute, durch die winzige Öffnung im Fels in die Höhlen zu kriechen. Kix war kein sehr mutiges Geschöpf, dafür aber sehr treu und loyal seinem Herrn gegenüber: Schließlich hatte Artem ihn als kleines Drachenbaby gefunden und vor dem Kältetod aus dem Eismeer gerettet. Jetzt war er ihm auch etwas schuldig, denn was in diesem schwarzen Berg vor sich ging, konnte nicht gut sein. Vor allem nicht für die Gesundheit seines Herren, auch wenn Artem oft wirres Zeug plapperte und irgendwie komisch rüber kam.

Kix lugte hinter abgestorbenen, dürren Dornensträuchern hervor und beobachtete eine ganze Horde von grünen Kerlen - Orks? Dem Körperbau nach waren es diese stinkenden Gesellen ohne Manieren - die bis an die Zähne mit Schwertern bewaffnet in die Höhle stürmten. Irgendetwas musste passiert sein, denn sie wirkten sehr aufgeregt und hektisch.

Er spürte, dass Artem noch am Leben war, doch auch, dass dieses Leben in großer Gefahr schwebte. Gerade als Kix einen mutigen - oder besser gesagt dummen - Frontalangriff starten wollte (einfach die Kleidung dieser grünen Kerle anzünden und in die Höhle stürmen), entdeckte er die roten Fässer.

Der kleine Drache grinste und sein Herz schlug schnell und wild, denn er wusste, was die Farbe rot an Fässern bedeutete: leicht entzündbar!

Ob er es selbst glauben konnte oder nicht, aber Kix hatte einen Plan! Er flog auf den Spalt im Felsen zu und zwängte sich durch die kleine Öffnung ins Innere der Höhle. Dort kam er auf einer Art Vorsprung an und fand sich in einer Art Vorraum, wo schwere Kisten geschleppt und mit grob gehauenen Steinen gefüllte Waggons auf Schienen aus einer Art Stollen gefahren wurden. Überall standen diese roten Fässer und jetzt konnte Kix auch andere grüne Kerle sehen. Diese waren aber viel kleiner und magerer und sie sahen wie dieser Morke aus, der mit seinem Herrn Artem immerzu stritt: Froggys.

So wie es aussah, waren die Froggys Sklaven, zusammen mit anderen Wesen, die Artem wiederum nicht ganz unähnlich waren, wenn auch längst nicht so gut gelaunt und ausgelassen, wie es Artem oft war: Trolle.

Überall waren Peitschenhiebe und Schreie zu hören und das Geräusch von schwerem Metall, das auf Stein prallte.

Kix wurde zuerst traurig, dann wütend. Er musste seinen Plan in die Tat umsetzen. Jetzt, sofort.

Ohne noch lange nachzudenken, huschte er wie ein Schatten durch die Luft auf die roten Fässer zu und spie Feuer.

2

Ragnar sprang in dem Augenblick dem glatzköpfigen Sklaventreiber von hinten auf die Schultern, als der laute, dumpfe Knall einer Explosion zu hören war, der die ganze Höhle erschütterte.

Der Sklaventreiber schrie überrascht auf und ließ seine Peitsche fallen, im nächsten Augenblick versuchte er seinen Angreifer abzuschütteln, wie ein lästiges kleines Tier, das wohl glaubte, es mit einem Bären aufnehmen zu können.

Sowohl der plötzliche Angriff als auch die Explosion ließ die versklavten Froggys und Trolle aufschrecken.

Ragnar packte den glatzköpfigen Sklaventreiber am Hals und wich dabei den Fausthieben aus, die der Kerl ihm erteilen wollte. Ragnar schlang seine Beine um den Brustkorb des riesigen Kerls und versuchte ihn, zu Fall zu bringen.

Im selben Moment kamen andere Sklaventreiber - allesamt muskelbepackt und mit Glatze - angestürmt, um ihrem Kameraden zu helfen. Doch diese wurden von einer regelrechten Flut von Froggys und Trollen überschwemmt. Die kratzten, bissen und traten gegen ihre Peiniger, die wiederum mit Peitschenhieben versuchten sich gegen den Aufstand ihrer Sklaven zu erwehren.

Artem und Morke sprangen vom Felsvorsprung herab und eilten ihren Artgenossen zu Hilfe: Während Morke sich eifrig daran machte, mit seinen Krallen und Zähnen zu kämpfen, schnappte sich Artem die Schlüssel, welche am Gürtel des Sklaventreibers baumelten, der gerade in Ragnars Zangengriff gefangen war.

"Zeit für eine kleine Revolte!", rief Artem und begann, die Froggys und Trolle von ihren Fußfesseln zu befreien.

"Wenn schon", rief Morke aufgeregt, "dann eine große Revolte!"

Ragnar schaffte es endlich, den glatzköpfigen Kerl zu Fall zu bringen: Sie schlugen beide heftig auf dem felsigen Boden auf. Ragnar rollte sich zur Seite und wich somit weiteren Faustschlägen aus. Er versetzte seinem Gegner einen gekonnten Fußtritt und brachte ihn damit zu Fall. Dann sprang er nach vorne und entriss einem anderen Sklaventreiber die Peitsche und schlug zu.

Artem und Morke versuchten sich einen Weg durch die Menge der immer mehr werdenden Sklaven zu bahnen, die um Freiheit bettelten. Sie teilten sich die Schlüssel und öffneten eine Fessel nach der anderen, was bedeutete, dass die Zahl der Aufständigen gegen ihre Peiniger immer mehr und mehr wurde.

Eine zweite Explosion ertönte und erschütterte die Höhle so heftig, dass kleine Felsbrocken von der Decke auf die tobende Menge regneten.

Einige Sklaventreiber begaben sich bereits in Richtung Ausgang und flüchteten vor der Flut von Klauen und Krallen und Fußtritten und Zähnen.

Ein brennendes Fass rollte in einen Tunnel und sprengte auch diesen in die Luft, was noch mehr noch größere Steine und Felsbrocken von der Decke regnen ließ.

Ragnar packte Artem am Arm und zerrte ihn gerade noch rechtzeitig weg, bevor er von einem Felsen zermalmt werden konnte. Sie fielen beide übereinander auf den Boden, wobei Artems schweißfeuchte Hand mitten in Ragnars Gesicht landete. Er schob den dürren Kerl, dessen Leben er gerade gerettet hatte, sogleich zur Seite und rief:

"Raus hier! Alle raus!"

Die befreiten Froggys und Trolle schwemmten wie eine Flutwelle über die letzten Sklaventreiber, die noch in der Höhle waren, hinweg in Richtung Ausgang, der immer mehr durch Feuer und herabstürzende Felsen versperrt wurde.

Ragnar kletterte auf einen Felsvorsprung und rannte einen freien Pfad entlang in eine andere Richtung.

"He, wo willst du hin?!", hörte er Morkes Stimme hinter sich rufen. "Der Ausgang ist hier -"

Dann ging seine Stimme endgültig im Getöse aus Feuer und berstendem Gestein unter, vermischt mit dem Gebrüll der befreiten Froggys und Trolle.

Ragnar ging unermüdlich seinen eingeschlagenen Weg weiter, denn er wusste, dass der Hauptausgang bereits verschüttet war. Es war ihm gleich, ob er hier und jetzt starb - er musste zu Loki, musste ihn finden. Wenn er schon untergehen sollte, dann zusammen mit Loki.

Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gedacht, stand der rothaarige Feuergott vor ihm.

3

Artem konnte sich einen Weg durch die flüchtende Menge bahnen und glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er seinen kleinen Drachen Kix sah. Der kleine Kerl war unermüdlich damit beschäftigt, sich eine ganze Horde angreifender Orks und Menschen mit Feuerstößen vom Leibe zu halten. Dabei gingen immer wieder einige dieser roten Fässer in Flammen auf und explodierten wie kleine Bomben.

Der Drachenpilot wusste nicht, ob er stolz oder wütend auf seinen kleinen Drachen sein sollte, schließlich brachten die explodierenden Fässer die ganze Höhle immer mehr zum Einsturz.

Er schob sich an Froggys und Trollen vorbei und rannte auf Kix zu, erhob den Zeigefinger, öffnete den Mund um etwas zu sagen (schimpfen, "Stopp!" rufen oder was auch immer), als eine auflodernde Feuerwand ihm den Weg abschnitt. Kix erblickte seinen Herren in diesem Augenblick und hielt verdutzt inne. Lange genug, um durch den Schlag einer Schaufel, die ihm ein halb versengter Ork versetzte, durch die Luft geschleudert zu werden.

"KIX! NEIN!", kreischte Artem und sah seinen kleinen Gefährten durch die Luft direkt auf sich zufliegen. Er fing den Drachen mit beiden Händen auf und fiel dabei rückwärts zu Boden.

Beinahe im selben Augenblick explodierte wieder ein Fass - es sollte die letzte Explosion in diesem Teil der Sorgenberge sein - und ließ den Ausgang endgültig mit Felsen und Schutt zuschütten.

Artem schlang schützend seine Arme um Kix und rollte sich quer über den Boden zur Seite, herabregnenden Felsen und Steinen ausweichend.

4

"Was ist? Du willst doch nicht etwa schon gehen?!", zischelte Loki durch seine Zähne wie eine Schlange. Sein Gesicht war zu einer hämisch grinsenden Fratze verzerrt, bei der kaum zu erkennen war, ob er nun lächelte oder wutentbrannt starrte. Seine Augen waren zwei lodernde, flammende Feuerkugeln, seine Finger wie die Klauen eines Raubtiers verkrümmt. Seine roten Haare standen wirr nach oben wie ein wild loderndes Feuer.

Ragnar war wie gelähmt und konnte Loki nur anstarren.

Die Luft war erfüllt von Rauch und Staub und Hitze. Die Zeit schien für einen Moment still zu stehen. Er war bereit ... jetzt würde er sterben, das wusste Ragnar. Loki war nicht mehr der selbe wie einst. Und wenn, dann hatte es dieser Bastard verdammt noch mal gut hinbekommen, ihn hinters Licht zu führen. War ihre Freundschaft tatsächlich eine Lüge gewesen?!

Loki erhob seine Arme und wollte einen Feuerfluch gegen Ragnar wirken - jedenfalls glaubte Ragnar dies - als der junge Wikinger mit den langen, weißblonden Haaren mit dem unbändigen Wunsch, Drachenpilot zu werden, wieder wachgerüttelt wurde.

Es war die Stimme von Artem, die ihn in die Wirklichkeit zurückholte:

"Ragnar, pass’ auf, er wird dich töten!"

Ragnar sprang zur Seite, wirbelte herum und spürte die Hitze des Feuers an seiner Wange und seinem Ohr. Loki hatte ihn tatsächlich mit einem Feuerfluch angegriffen, war tatsächlich im Begriff, ihn zu töten!

Schreiend preschte Ragnar nach vorne, um Loki niederzuschlagen, aber der Feuergott war schneller: Sein Körper löste sich in einer gleißenden Feuersäule auf und verschwand.

Fast im selben Augenblick erbebte die Höhle erneut.

Ragnar sah, wie die bereits eingeschlossenen Froggys und Trolle in einen breiten Tunnel rannten. Instinktiv und ohne darüber nachzudenken, was gerade passiert war, folgte er ihnen, zusammen mit Artem und Morke.

Der Tunnel war zu beiden Seiten mit Fackeln erleuchtet. Sie rannten und stolperten bei ihrer Flucht vor der einstürzenden Höhle, wobei immer wieder Froggys und Trolle von herabfallenden Felsbrocken erschlagen wurden. Ragnar konnte im Dunst aus Rauch und aufgewirbeltem Staub erkennen, dass sich kein einziger Sklaventreiber mehr in der Höhle zu befinden schien: Die waren wohl als erste geflüchtet, wenn sie von ihren Sklaven nicht vorher getötet worden waren.

Einer der Froggys der voranging, brüllte hinter sich über seine Schulter: "Hier entlang! Dieser Tunnel führt zu den Wasserhöhlen!"

"Wasserhöhlen?!", keuchte Artem atemlos.

Morke nickte. "Ja, ein unterirdischer See, der eine direkte Verbindung zum Meer hat. Der einzige Weg hier raus."

"Ich kann aber nicht schwimmen ..."

Artems jammerige Stimme ging im Lärm der einstürzenden Höhle und dem Geschrei der Froggys und Trolle unter.

Sie gelangten zu einer niedrigen Höhle, in deren Zentrum sich ein riesiger, flacher See aus türkisfarbenem, schimmerndem Wasser befand. Wie eine riesige Horde flüchtender Tiere stürzten sich die befreiten Sklaven in das Wasser.

Artem blieb zögernd stehen. Sein Gesicht war kreidebleich. Seinem Drachen Kix erging es nicht anders: Er klammerte sich zitternd vor Angst an seinem Herrn fest.

"Los, wir haben keine Zeit!", rief Morke, packte Artem am Arm und zerrte ihn mit sich in die Fluten.

Artems protestierende Stimme ging in einem Gurgeln unter.

Ragnar sprang ins Wasser, das überraschenderweise eiskalt war. Und es war kristallklar; er konnte schon nach wenigen Sekunden beinahe klar sehen. Um ihn herum waren Luftblasen und dutzende von Froggys und Trollen, die alle durch das Wasser auf ein Licht zuschwammen.

Er musste sich regelrecht durch die Menge unter Wasser kämpfen und sah, wie Artem panisch herum fuchtelte und zu weinen schien - unter Wasser! Sein Drache klammerte sich so fest an seinem Herrn fest, dass bereits Blut in dünnen Linien durch das Wasser schwebte.

Ragnar packte Artem an der Schulter und zog ihn mit sich. Er erschrak förmlich, als er bemerkte, wie fest und schmerzhaft sich der dürre Kerl an ihn klammerte wie an einen Rettungsring. Und nicht nur das: Ragnar konnte den schnellen Herzschlag des Trollmischwesens spüren.

Er schwamm auf das Licht zu, seine Augen wie auch seine Lungen begannen zu brennen. Das Licht verschwamm zu einem Bild und ...

... Ragnar erblickte Lokis Gesicht in Form einer verzerrten Fratze. Er kreischte und schrie.

"Du hast mich in den Vulkankrater fallen lassen! Du bist an allem Schuld! Der Erbe Thiazis wird mich dafür rächen! Du und alle anderen werden dafür bezahlen!"

Dann verschwamm das Bild wieder und Ragnar sah die Gestalt eines jungen Mannes, kaum jünger als er selbst, mit kurzen, blonden Haaren und moosgrüner Kleidung mit einem braunen Umhang. Er trug ein Messer mit einer geschwungenen Klinge in seiner Hand. Und sein Blick war ratlos, unentschlossen ...

Ragnar glaubte, dass sein Herz gefror, denn als der Junge ihn anblickte, glaubte er, sein eigenes Spiegelbild zu erblicken.

Der Junge machte den Mund auf, um etwas zu sagen, doch seine Worte waren stumm ...

Die Klinge seines Messers begann blau zu glühen und wurde immer heller und heller und heller und ...

... er tauchte auf und rang nach Luft. Er hustete und presste seine Augen fest zusammen, um sie vor dem grellen Licht der Sonne zu schützen.

5

Das erste, was Ragnar hörte, war Artems jammernde Quengelstimme:

"Meine Kappe! Wo ist meine Fliegerkappe?!"

Dann ging die Stimme des Drachenschiff-Piloten schnell im Lärm von hustenden, prustenden und kreischenden Froggys und Trollen unter.

Sie alle schwammen Richtung Meer, wohin der Fluss aus der Höhle führte. Nicht wenige von ihnen waren in Panik und wirkten hilflos, herumzappelnd im Wasser. Ragnar konnte Artem hören und auch spüren, denn er klammerte sich immer noch an ihm fest wie eine Klette.

"Wasser! Wasser! So viel Wasser!", kreischte er panisch und schlang seine Arme um Ragnars Hals.

"Du erwürgst mich, du Dummkopf!", keuchte Ragnar atemlos, packte Artem an der Schulter und riss ihn von sich los. "Ich halte dich fest, aber lass’ gefälligst meinen Hals in Ruhe!"

Er zerrte Artem, der wie von Sinnen mit seinen Beinen im Wasser strampelte wie ein Hund, neben sich her.

"Die Strömung ist nicht so stark!", rief Morke, der als einer der wenigsten Ruhe zu bewahren schien. "Da lang!"

Sie folgten dem Froggy und gelangten an eine Stelle, wo das Wasser immer seichter wurde. Ragnar fand festen Boden unter seinen Füßen und einige Momente später sah er eine Art felsigen Strand, durchzogen von Grasbüscheln und Seeschleim, einer grünen Algenart, die auf Felsen wuchs.

Obwohl ihnen schließlich das Wasser nur noch bis zum Bauch reichte, zappelte Artem immer noch panisch und kreischte, keuchte und prustete. Kix hatte sich inzwischen von ihm gelöst und flog um seinen Herrn und Ragnar herum wie eine lästige Stubenfliege.

"He, wir sind am Ufer. Du kannst mich jetzt ..." Ragnar kam kaum zu Wort, denn Artem war immer noch so in Panik, dass er mit seinen Armen herumfuchtelte und von Zeit zu Zeit drohte, Ragnars Gesicht mit seinen Händen zu treffen.

"Muss ... hier ... raus! Wasser ... Wasser ... Bei den Göttern ... !!"

Ragnar - inzwischen reichte ihm das Wasser nicht mal bis zu den Knien - ließ Artem einfach fallen wie einen Sack Kartoffeln und dementsprechend plumpste der Troll auch ins seichte Wasser.

Einige Sekunden lang ruderte und fuchtelte Artem wie von Sinnen brüllend und kreischend im seichten Wasser, bis er plötzlich inne hielt und an sich herabsah. Sein sonst immer wuscheliges, wirres Haar hing ihm nass und in Strähnen ins Gesicht; seine Tunika war nass, schmutzig und stellenweise zerrissen und er musste feststellen, dass er einen Schuh verloren hatte. Mit großen Augen starrte er den nackten Fuß an, dann seufzte er.

"Na? Endlich ertrunken?", rief Morke und einige Froggys und Trolle lachten genüsslich. Sie hatten sich an das seichte, matschige Ufer begeben und angefangen, sich von der Flucht aus den Sorgenbergen auszuruhen.

Ragnar kletterte auf einen mit Grünschleim überzogenen Felsen, zog sich seine Stiefel aus und kippte das sich darin gesammelte Wasser aus.

Einige der Froggys klatschten sich den Grünschleim auf die wunden Stellen, wo sich vor ihrer Befreiung noch die Eisenketten und Fesseln befunden hatten. Andere saßen im seichten Wasser und genossen die Nässe; schließlich waren es ja Sumpfwesen.

Wie ein begossener Pudel rappelte sich Artem schließlich auf und blickte müde und auch etwas traurig zu seinem Drache Kix, der sich auf die Schulter seines Herrn setzte und ihn erwartungsvoll anblickte.

"Nicht jetzt, Kix. Ich bin nass ..."

"Was hat er denn?", fragte Ragnar, als Morke sich zu ihm auf den Felsen gesellte.

Der Froggy zuckte mit den Achseln. "Woher soll ich das wissen? Er ist ein kleiner Idiot und Angeber, das ist alles."

Ragnars Blick wanderte von Artem zu dem sich vor ihnen aufragendem Gebirge. Die Sorgenberge lagen hier am Meer und waren so hoch, dass die Orks und Loki von der anderen Seite Tage brauchen würden, um sie zu überqueren.

"Was meinst du", begann Morke langsam und sah in dieselbe Richtung wie Ragnar. "Ob sie uns folgen werden?"

"Ich weiß es nicht."

"Du kanntest diesen Feuerkerl?"

"Ich fürchte ... ja", sagte Ragnar leise.

"Was hast du mit dem zu schaffen."

Ragnar senkte den Blick und seufzte. "Das ist eine lange Geschichte. Und keine sehr schöne."

Morke schnitt eine Grimasse und nickte. "Verstehe. So eine Art Familiending, oder?"

Der junge Nordmann blickte den Froggy erschrocken an. Dieser machte mit seinen Händen eine beschwichtigende Bewegung.

"Ihr habt euch Brüder genannt oder nicht?!"

Bevor Ragnar darauf etwas sagen konnte, rief einer der Trolle laut:

"Ein Schiff! Es ist ein Drachenschiff!"

Ragnar stand so schnell auf, dass er auf dem Grünschleim über den Felsen rutschte und ins seichte Wasser platschte. Er watete durch das Wasser und sah in jene Richtung, in die der rufende Troll mit seiner Hand deutete. Und in der Tat: Der geschwungene Bug eines Drachenschiffes ragte hinter dem Gebirge der Sorgenberge hervor und bewegte sich langsam auf die Flüchtlinge zu.

"Freund oder Feind?", hörte Ragnar hinter sich Morke leise und mit einem Unterton von Misstrauen sagen.

Auf die Idee, dass Loki und seine Gesellen auch ein Schiff haben könnten, war Ragnar noch gar nicht gekommen, was aber logisch wäre, denn wie sollten sie das seltsame blaue Erz, das in den Sorgenbergen abgebaut wurde, auch transportieren? Oder überhaupt sich fortbewegen?

Doch als immer mehr von dem Schiff sichtbar wurde, dass sich majestätisch durch die Luft über das Meer bewegte, verformten sich seine Gesichtszüge zu einem erfreuten Lächeln - zum ersten Mal seit langer Zeit - denn er erkannte, dass es die OBERON war!

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