Stories
Stories, Gedichte und mehr
Denn gemeinsam sind wir stark
Teil 2
Der Lesemodus blendet die rechte Navigationsleiste aus und vergrößert die Story auf die gesamte Breite.
Die Schriftgröße wird dabei vergrößert.
Informationen
- Story: Denn gemeinsam sind wir stark
- Autor: Yato
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Drama
Als es klingelte, sah Kilian auf. Herr Heidrich begaffte Thore schon wieder. Er spürte kalten Hass in sich aufsteigen. Dann ließ er seinen Blick zu Thore rübergleiten und er registrierte sofort, was mit diesem los war. So schnell wie möglich bahnte er sich seinen Weg durch den Klassenraum. Er kannte diese Art von Panikattacken ja schon. Aber gerade jetzt musste sich Heidrich in seinen Weg stellen. "Kilian. Dürfte ich einmal mit dir sprechen?" Er blickte seinen Schüler ernst an. Dieser hatte momentan aber ganz andere Dinge im Kopf, als ein Gespräch mit diesem verhassten Lehrer. "Nein, Sie dürfen nicht," erwiderte er in einem genervten Tonfall. Er wollte sich an Heidrich vorbeiquetschen um endlich zu Thore zu gelangen, doch der Lehrer hielt ihn am Handgelenk fest. "Halt Freundchen. So geht das hier aber nicht. ICH MÖCHTE MIT DIR REDEN!!!" Der Druck um Kilians Handgelenk erhöhte sich. Er wollte jetzt zu Thore und nichts anderes. "Wie gesagt, ICH WILL ABER NICHT!", schrie er Herrn Heidrich an. Und im nächsten Moment hatte er diesem auch schon einen Kinnhaken verpasst, so dass dieser sich zurücktaumelnd den Kiefer hielt. Die Leute, die sich noch im Klassenzimmer aufhielten, hielten die Luft an. Doch Kilian interessierte das im Moment überhaupt nicht. Er drängte sich zu Thore durch, nahm seine Hand und zog ihn nach draußen auf den Pausenhof in eine Ecke, in der sie niemand sehen konnte.
Der Braunhaarige klammerte sich in der Ecke so fest es ging an seinen besten Freund. Noch zitterte er nur, doch er wusste, dass die Tränen nicht mehr lange auf sich warten lassen würden. Darum war er Kilian so dankbar. Er wusste immer, wann es ihm schlecht ging und welche Art von Hilfe er brauchte. Genauso wie jetzt. Die dunkle Ecke, von immergrünen Pflanzen gut abgeschirmt von der Außenwelt. Er vergrub sein Gesicht an der warmen Brust des Größeren, als sich die ersten salzigen Tropfen aus seinen Augen lösten. Thore hasste diese Art von Anfällen und doch war er dankbar, denn so konnte er Kilian ganz nah sein. Nur mischte sich zu seiner Angst jetzt noch die Angst um den 17-jährigen, denn er hatte sehr wohl mitbekommen, dass Kilian Herrn Heidrich mit einem gezielten Schlag zu Boden geschickt hatte. Was würde das für Folgen haben? Hoffentlich keinen Schulverweis für seinen besten Freund. Er krampfte seine Finger in das T-Shirt seines besten Freundes und ließ den Tränen freien Lauf - wissend, dass dies Erleichterung bringen würde.
Sanft schloss Kilian den Kleineren in seine Arme. Er drückte ihn an sich. Er wusste wie egoistisch das war, aber er genoss diese Nähe mehr als alles andere. Die Pflanzen schlossen sie in ihrer eigenen kleinen Welt ein, ohne auch nur einen einzigen dunklen Gedanken der Außenwelt einzulassen. Was mit ihm passierte war ihm egal. Der Heidrich hatte das auf jeden Fall verdient. Was bedrängte er ihn auch so? Man würde ihn schon nicht von der Schule werfen. So was konnte man nicht verantworten. Kilian war der Stufenbeste, das war ihm schon bewusst. Alles was ihm bevorstehen konnte, war ein Tadel. Für das würde es Zuhause dann wieder Prügel regnen, aber was soll’s? Die musste er generell jeden Tag einstecken. Er war froh, dass Thore davon nichts wusste. Er hätte sich nur wieder unnötig Gedanken darüber gemacht. Aber es war wichtig, dass Kilian für Thore da war und nicht anders herum.
Der braunhaarige Schüler sah nach einer Weile wieder auf, wischte mit seiner linken, klammen Hand über seine Augen. Zaghaft lächelte er, als er den Blick in Richtung Kilians Augen hob. "Es tut mir leid", flüsterte er und spürte, wie die Tränen zurückkamen, doch er beherrschte sich und drängte die Trauer zurück in sein Innerstes. Kilian würde so oder so wissen, wie ihm zu Mute war. Thore legte seine Hand über die Brust des Größeren, fühlte dessen Herzschlag, der aufgeregt gegen den Brustkorb pochte. "Ich hoffe, du hast dir ein zweites Shirt mitgenommen." Der 15-jährige schlotterte schon allein bei Kilians Anblick. Seine silberne Raverhose war ja okay, aber der Grauhaarige trug nur sein leuchtend rotes Lieblingsshirt, auch ein Geschenk von Thore. Dieser wusste nicht, wie man es bei solchen Temperaturen so aushalten konnte, doch Kilian ging fast immer so in die Pause. Bei diesem Stichwort horchte der Kleinere auf. Es hatte gerade geklingelt und massenweise Schüler strömten in alle Teile des großen, jedoch fast nur asphaltierten Schulhofes. Sie hatten doch tatsächlich die ganze zweite Stunde verpasst und nur da gestanden und sich gegenseitig warm gehalten. Thore musste lächeln.
Kilian lächelte nur kurz. "Nein, ich habe kein zweites Shirt dabei. Du weißt doch, dass mir nicht sonderlich schnell kalt wird." Er drückte Thore weiterhin an sich. Als er dessen Hand auf seiner Brust spürte, beschleunigte sich sein Puls. Diese Art von Berührungen machten ihn ganz verrückt. Er wollte mehr davon, wusste jedoch, dass er diese wahrscheinlich nie bekommen würde. Gleichzeitig hatte er aber in diesen Momenten auch die furchtbare Angst, Thore könnte merken, wie er wirklich fühlte. Was würde er dann nur denken? Bestimmt würde er Kilian für pervers und krank halten. Vielleicht war er das auch, wer wusste das schon, aber er war sich seiner Gefühle so sicher, wie noch nie wegen etwas in seinem Leben. Mit dem Pausenklingeln wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Er blickte auf. Hatten sie also wieder einmal eine Stunde verpasst. Aber im Endeffekt war es Kilian egal. Er hätte Geschichte gehabt... bei Heidrich. Bei genauerer Überlegung war es wahrscheinlich sogar besser gewesen, dass sie hier gestanden hatten. "Thore? Ich glaube ich schwänze heute die restlichen Stunden. Es hat doch eh keinen Sinn, wenn ich da bleibe. Ich hab außerdem keinen Bock auf das Gelaber der Lehrer..." Er blickte Thore an. Wie würde der Jüngere reagieren?
Der Kleinere blickte den Grauhaarigen Jungen prüfend an, wägte Vor- und Nachteile ab. Es war Anfang der Woche, kein Tag an dem er fehlen wollte, um seinen Unmut nicht zur Schau zu stellen, doch am Ende siegte seine kindliche Unvernunft und seine Kilian- Kenntnis. Er wusste, dass der andere diesen Tag definitiv nicht mehr in der Schule beenden würde, sondern wahrscheinlich im kleinen Stammtisch für Gothics bei einem Glas Met. Und Thore würde ihm folgen. Was anderes stand nicht zur Debatte. Manchmal kam es ihm so vor, als ob er Kilian hörig war, doch wenn er in die grauen Augen sah, die der 17-jährige nur Thore in seiner Schönheit und Ehrlichkeit zeigte, wusste er, dass er alles tun würde, damit es Kilian gut ging. Und das tat er aus eigenem Willen. Kilian würde ihn nie zu etwas missbrauchen, das wusste er. "Klar, kann ich verstehen, aber wir müssen noch unsere Sachen holen. Darf ich überhaupt mitkommen?" Sicher, würde Kilian nur sagen. Sie waren wie eine Symbiose. Der eine konnte ohne den anderen keinen Spaß haben und schon gar nicht vormittags während der Schulzeit.
Kilian überlegte kurz. Sollte er Thore mitnehmen? Eigentlich müsste dieser ja in seinen Unterricht. Nach längerem Überlegen nickte er allerdings. Ohne Thore würde er doch sowieso nur noch schlechter drauf sein, als er es eh schon war... "Klar kannst du mitkommen. Ich kann dir ja nichts verbieten. Ich hoffe nur, das gibt keinen Stress für dich mit dem Direx." Dann fielen ihm seine Sachen ein. Ein Seufzen entfuhr seinen Lippen. Also hatten sie keine Wahl. Sie mussten Wohl oder Übel noch mal in die Schule. Schlimm genug. Kilians Miene verschlechterte sich. "Dann müssen wir wohl noch einmal rein." Er war nicht sonderlich erfreut über diese Aussicht, aber sie hatten ja keine Wahl. Langsam und widerwillig löste er sich von Thore und drehte sich in Richtung Schule. Er zögerte einen Moment, doch dann ging er hinein, darauf achtend, dass Thore hinter ihm blieb. Egal wo sie langgingen, hinter ihren Rücken wurde getuschelt und gemurmelt. Aber im Endeffekt war das Kilian vollkommen egal, solange Thore bei ihm war.
Thore folgte Kilian zum Klassenraum. Dabei blieb er so dicht wie möglich an seinen Freund gedrängt, verbarg seinen Blick. Er wollte seine Umwelt nicht sehen. Nicht jetzt, so kurz nach seinem Angstanfall. Die beiden Jungen legten ihren Weg sehr eilig zurück, die Pause würde bald vorbei sein und Thore hatte wirklich keine Lust, einem der Pauker zu begegnen. Insgeheim freute er sich sehr auf den spontan freigenommenen Schultag, Kilian schien immer aufzutauen, außerhalb der Lehranstalt ein völlig anderer zu werden. Der Ältere schien plötzlich mehr Lust am Leben zu haben, was natürlich auch an ihm lag, das wusste Thore. Im Klassenraum angekommen holten die zwei in Windeseile ihre Schultaschen und verschwanden wie ein grauer Nebelmorgen aus dem verhassten Gebäude, flüchteten vor den aufdringlichen Blicken der Mitschüler und Lehrer. Der 15-jährige war gespannt, wohin Kilian ihn zuerst entführen wollte. Er vertraute ganz auf seinen Freund, denn dieser kannte hier die besten Plätze, wo sie ungestört ihren Träumen von einem besonderen Leben nachhängen konnten. Jeder für sich. Denn Thore glaubte nicht, dass Kilian das gleiche denken würde, wie er, der Träumer. Der 17-jährige war für sein Alter viel zu abgeklärt; manchmal betrübte das Thore, doch andererseits wäre Kilian nicht Kilian, wenn er nicht jedem seine zynischen Kommentare um die Ohren schleuderte.
Nachdem die Beiden so schnell wie möglich wieder aus dem Schulgebäude verschwunden waren, schlug Kilian eine bestimmte Richtung ein. Er wusste wo er hinwollte. Eigentlich hatte er überlegt an den See zu gehen, an dem sie für gewöhnlich viel Zeit miteinander verbrachten. Da er aber wusste, wie empfindlich Thore auf Kälte reagierte, hatte er sich etwas anderes überlegt. Er wollte es eigentlich bis zu seinem Geburtstag aufsparen. Als Überraschung sozusagen, aber vielleicht war es jetzt auch schon ok. Kilian blickte sich kurz um, um zu überprüfen, ob Thore noch hinter ihm war und warf diesem ein kurzes Lächeln zu. Dann erreichten sie ihr Ziel. Sie standen vor einem kleinen Mehrfamilienhaus. So wie es aussah, war es in 4 Wohnappartements aufgeteilt. Gespannt beobachtete Kilian Thores Reaktion. "Schließ bitte die Augen" befahl er kurz und bündig. Nachdem Thore dies getan hatte, nahm Kilian seine Hand und führte ihn ins Haus. Er schloss die eine Tür im Erdgeschoss auf und führte den Jüngeren in die helle, freundliche Wohnung. Dann dirigierte er den Kleineren in einen hellen Raum, der wohl das Wohnzimmer sein sollte. "Du kannst die Augen wieder aufmachen..." Kilians Stimme war sanft und doch in gewisser Weise gespannt. Wie würde Thore darauf reagieren, wenn er erfahren würde, dass Kilian seit einer Woche eine eigene Wohnung besaß. "Ich muss noch warten bis ich 18 bin, bevor ich einziehen kann. Ich muss sie ja auch noch einrichten, aber das ist es. Das ist mein zukünftiges Heim." In gewisser Weise war Kilian stolz auf sich. Endlich konnte er aus dem Dreckloch raus, dass er noch sein Zuhause nannte.
Er wusste nicht, was er sagen sollte. Staunend sah Thore sich in dem leeren aber doch freundlich wirkenden Raum um. "Ei- Eine eigene Wohnung?" krächzte er ungläubig. Dann aber setzte die Freude ein, die er immer verspürte, wenn er wusste, dass es Kilian zumindest für den Moment gut ging. Trotzdem konnte er sich keinen Reim darauf machen, dass seine Eltern das so einfach zuließen. Bei ihm selbst war es so, dass seine Eltern ihn auf keinen Fall gehen lassen würden, denn für ihren Stand in der Gesellschaft - sie waren beide in der Justiz - brauchten sie natürlich einen Vorzeigesohn. Sonst aber zählte er nicht in dieser Familie, doch Thore verstand das, schließlich waren seine Eltern immer sehr beschäftigt. Der Braunhaarige wandte sich wieder um zu dem Grauhaarigen. Freundlich musternd betrachtete er ihn, bevor er wieder einmal versuchte, das Geheimnis des Älteren zu ergründen. Dass er wieder einmal scheitern würde, versetzte ihm einen kleinen Stich. Er wollte doch nur einen kleinen Einblick haben, damit er Kilian noch näher stehen könnte. Schließlich wusste der 17-jährige auch fast alles über ihn. Lächelnd drehte er sich einmal um die eigene Achse, sein Gefallen an dem Wohnplatz zeigend, bevor er mit seinen Augen den geheimnisvollen, düsteren Blick seines Freundes suchte. "Wie hast du deine Eltern dazu gekriegt? Und vor allem, wie bezahlst du die Wohnung?"
Kilian lächelte schwach. "Weißt du, ich brauche die Erlaubnis nicht. Ich bin ja bald 18. Außerdem bekomme ich Unterstützung vom Jugendamt." Er lächelte schwach. Thore musste ja nicht zwangsweise erfahren, dass man so eine Unterstützung nur mit besonderem Grund bekam. "Natürlich bezahlen die mir nicht alles. Einen Teil muss ich selbst finanzieren. Aber du weißt ja, dass ich schon lange nebenbei jobbe. Sonst könnte ich mir mein Auto ja auch gar nicht leisten. Nun ja, das Geld, was ich da bis jetzt verdient habe fließt jetzt eben mit in die Wohnung und in Nahrungsmittel. Das Kindergeld bekomme ich zusätzlich ja auch noch bis ich studiere. Von daher..." Kilians Blick wanderte durch das Zimmer. Endlich...endlich hatte er es geschafft. Endlich entkam er dem ganzen Suff und den Schlägen Zuhause. Bald könnte er das machen, was er wollte. Er ging einen Schritt zurück und stellte sich hinter Thore. Dann schlang er die Arme von hinten um ihn und lächelte sanft. "Hilfst du mir die Wohnung einzurichten? Ich schaff das alleine nicht. Außerdem bist du eindeutig der künstlerisch Begabtere." Kilian war sich bewusst, dass wenn er die Wohnung ganz alleine einrichten würde, alles im Chaos versinken würde und er war sich auch sicher, dass Thore nicht nein sagen würde. Eine freudige Erregtheit fasste ihn, wenn er daran dachte, wie das alles hier bald aussehen könnte. Dass er bald endlich Thore mit zu sich nehmen konnte und ihn nicht, wie sonst, an der Haustür abwimmeln musste. Das war einer dieser Momente in seinem Leben, in denen Kilian einfach nur glücklich war. Und er hatte schon lange bemerkt, dass es diese Momente nur in Thores Gegenwart gab.
Der Lesemodus blendet die rechte Navigationsleiste aus und vergrößert die Story auf die gesamte Breite.
Die Schriftgröße wird dabei vergrößert.