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Mauer
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Informationen
- Story: Mauer
- Autor: Yoru
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Diverses, Kurzgeschichte, Lesbische Geschichten
Mauer
Mauern, rings herum, um mich, um mein Innerstes, um den Rest aus dem ich bestehe vor der endgültigen Kapitulation zu schützen. Aber was ist dieses Ich? Woraus besteht es denn noch? Angst vor dem Leben, Verzweiflung wegen der Einsamkeit, Hass auf die, die glücklich sind!
Die Mauern schützen mich vor der Welt dort draußen, der ich doch nicht ganz zu entfliehen vermag. Die Steine haben Risse, sind beschmiert mit sinnlosen Worten, Worten der Kapitulation und der stummen Schreie, die nie über meine Lippen kamen. Hier und da sieht man die Stellen des Durchbruchs, die Stellen, an denen ich einige Menschen die Mauer zerstören ließ, um zu mir zu kommen und mich hier rauszuholen. Aber klappen wollte es nie. Sobald jemand die Mauer überwunden hatte, schreckte er zusammen und ging wieder, hinterließ ein riesiges Loch, durch das ich lange Zeit angreifbar war. Nun ist die Wand an diesen Stellen noch dicker, noch höher. Nie, nie wieder soll sie eingerissen werden, nie wieder will ich, dass mir jemand so nahe kommt. Deswegen habe ich einst ein schönes Bild auf die Außenseite gezeichnet, damit jeder, der es betrachtet, glücklich ist und sich keine Sorgen machen muss. Dass es eine Mauer ist, die mich von ihnen trennt, nehmen sie so nicht wahr, so versuchen sie nicht zu mir vorzudringen und mich herauszuholen. Und so soll es sein, für immer, ewig.
Verängstigt und zitternd sitze ich hier, im Schutze der schweren Steine, im Schatten meiner Hilflosigkeit und begraben unter einer Last, die ich nicht mehr zu tragen vermag.
Und von weit her dringt ein Lachen an mein Ohr, eine Gruppe, die lachend beisammen steht und sich freudig anlächelt. Und ich höre, wie ich lache, wie die Mauer, die Maske meiner Seele, mit ihnen lacht.
Es ist eine bloße Erinnerung an das, was gewesen ist. An die Zeit, in der ich noch zu ihnen gehörte, in der sie mich annahmen, wie ich war, auch wenn ich mich schon damals sehr von ihnen unterschied. Das Schauspiel, das ich ihnen vorführte, genügte ihnen, um mich in ihrer Mitte aufzunehmen. Sie waren meine Freunde.
Gelogen! Immer und immer wieder kehrt dieser Gedanke in meinen Kopf zurück und rückt sich vor mein geistiges Auge. Ja, es stimmt, alles ist eine einzige Lüge. Das, was ich ihnen vorspielte war Lüge, das Lachen war eine Lüge und die Freundschaft, die sie mir entgegen brachten, war es auch – eine Lüge.
Oft habe ich mir vorgestellt, wie ich einem von ihnen meine Geschichte erzähle, meine Gedanken und Gefühle eröffne und immer wieder kam mir bei diesen Vorstellungen ein sarkastisches Lächeln auf die Lippen. Wie lächerlich war dieser Versuch mich zu offenbaren gewesen. Doch in meiner verzweifelten Hoffnung und dieser bodenlosen Naivität hatte ich mir erlaubt daran zu glauben endlich Verständnis zu finden.
Es gab eine Person in unserer Gruppe, Ellen, der ich es viele Male eröffnen wollte, dieses Ich, mich selbst. Aber ein bestimmtes Gefühl hielt mich davon ab und ließ mich zweifeln, denn ich kannte es nicht, bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich nie ein solch intensives Gefühl außer der Angst empfunden. Schon lange hatte ich mit diesem Gefühl gelebt, mit ihm die Zeit hinter meinen Mauern verbracht. Langsam war es gewachsen, brachte Wärme und Licht zu mir in die Dunkelheit meiner selbst. Und ich? Ich hatte es in mich aufgenommen, denn es gab mir seinen Lebensfunken. Und immer, wenn ich in Ellens Augen sah brachte dieser Funken ein Feuer in mir zum Brennen. Ihr Duft betörte mich und alle Angst schien für die Ewigkeit zu verschwinden.
Ich ließ dieses Gefühl meine Schritte lenken weil ich dachte, es könnte mich aus meinem Loch befreien, würde mir eine Hand reichen und mich aus der endlosen Dunkelheit empor ziehen ins Licht.
Es gab eine Party am Wochenende, zu der ich von einem meiner Freunde eingeladen war und ich ging hin, denn ich wusste, dass sie da sein würde. Sobald ich sie sah, übermannte mich dieses heimliche Gefühl in mir und ich konnte ihm nicht länger widerstehen. Wir tranken und feierten und die Stimmung wurde ausgelassener und schließlich spürte ich ihre Lippen auf den meinen. Es war, als würde ich in diesem Moment aus einer Trance erwachen und mein Herzschlag setzte aus. Was hatte ich getan? Sie blickte mich an, starr und kalt, ohne Verständnis, ohne Verzeihen.
Das tiefste Geheimnis meiner selbst hatte sich gezeigt und jeder konnte es sehen, dieses abstoßende Wesen – mich.
Von diesem Zeitpunkt an sprach niemand mehr mit mir, und ihr Schweigen war schlimmer als jede Beleidigung, die sie mir hätten zurufen können. Immer wieder tauchten Bilder von diesem Abend auf, auf denen Ellen und ich zu sehen waren, auf denen sich meine schändliche Tat abzeichnete. Die Blicke der anderen hafteten auf mir, verächtlich und angewidert von dem Mädchen, das sie bis vor kurzem noch »Freundin« nannten.
Und immer wieder rinnen endlose Tränen über mein Gesicht, Tränen, die selbst meine Mauer nicht zurückhalten konnte. Aber sie sehen weg ...
Ich bin alleine und werde es immer sein, denn das Vertrauen in die Menschen ist mir abhanden gekommen. Die Angst vor weiteren Verletzungen lebt in mir, unsterblich, nicht gewillt mich je wieder zu verlassen und so dränge ich mich immer weiter zurück, immer weiter in mich hinein, bis vielleicht nichts mehr von mir übrig bleibt außer einem Schatten, einem Hauch meiner selbst.
Ich halte es nicht mehr aus, diese Last, dieses Gewicht, das für mich allein viel zu schwer ist. Ich kann es nicht weiter tragen und die Hilfe, die ich bräuchte, ist weiter entfernt denn je. Einen Weg, es gibt nur diesen einen Weg um all dem zu entfliehen, der Last zu entfliehen, den Mauern zu entfliehen und die letzten Bruchteile meiner Maske abzulegen.
Nicht einmal der süße Duft der wahren Freundschaft, der über die Mauer zu mir herüberwehte, ist mir geblieben.
Jetzt ist es an der Zeit meinem Käfig zu entfliehen und euch Lebewohl zu sagen, denn das glänzende Metall in meiner Hand ruft nach mir, und mein Verlangen nach der Erlösung ist zu stark, um ihm zu entrinnen. Ich schließe die Augen und Tränen rinnen über meine Wangen, während ich die kalte Klinge auf meiner Haut spüre ...
Nachwort
Bei dieser Story bleibt zu beachten, dass es sich um einen fiktiven Text handelt und keinen zum Suizid anregen soll. Das ist kein Ausweg! Der Grund diese Story zu schreiben lag im Unterricht (Kunst um genau zu sein) bei dem es darum ging, eine Kurzgeschichte zu schreiben und dazu Standfotos zu entwerfen. Für mich ging es darum Bilder gestalten zu können, die möglichst viel Ausdruckskraft haben und deswegen entstand eine so krasse Geschichte. Ich hoffe nur, das nimmt sich keiner zum Beispiel.
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