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Der Tod meines besten Freundes

Teil 1

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Informationen

Vorwort der Redaktion

Liebe Leser,

die folgende Geschichte befasst sich unter anderem mit der Thematik Suizid. Dies ist ein sensibles Thema, das Nickstories.de nicht unkommentiert lassen kann und will. Deshalb haben wir uns entschieden diese Geschichten generell mit einem Vorwort zu versehen.

Für uns ist dieses Thema in Stories kein Tabu, aber wir wollen deutlich machen, dass Selbstmord mit Sicherheit kein Weg ist, um ein Problem zu lösen. Jeder, der sich in einer scheinbar aussichtslosen Lage befindet, sollte wissen, dass er Hilfe finden kann.

Wenn du jemanden kennst, der über diesen Schritt nachdenkt oder ihn geäußert hat, solltest du das nicht auf die leichte Schulter nehmen und versuchen mit dieser Person zu reden. Erst dann wird deutlich, wie ernst die Lage wirklich ist.

Wenn du über Selbstmord nachdenkst, bitten wir dich, Kontakt mit einer Hilfseinrichtung aufzunehmen, bevor du etwas tust, das für deine Freunde und deine Familie ein unwiederbringlicher Verlust sein wird.

Informationen und Notrufnummern findest du z.B. unter: www.telefonseelsorge.de

 

»Hey, was ist denn mit dir los?« fragte mich ein junges Mädchen, als sie mich weinend vor dem Bahnhof antraf.

»Ich will nicht darüber reden, ok?«, sagte ich und sprang auf, um nach Hause zu gehen. Doch das Mädchen folgte mir bis vor meine Haustür.

»Was willst du eigentlich von mir? Lass mich in Ruhe. Ist das zu viel verlangt?«, schrie ich sie an, als ich sie hinter mir bemerkte. Danach schloss ich sofort meine Haustür auf und ging ins Haus.

Der erste Weg führte mich zu meiner hauseigenen kleinen Bar und ich griff mir die Flasche Alkohol mit den höchsten Prozenten. Sofort nahm ich einen großen Schluck, und ich fühlte mich kurz darauf wirklich schon etwas besser, wenn auch nur sehr wenig. Also setzte ich mich mit meiner Flasche aufs Sofa vor die Glotze. Nachdem ich noch einige große Schlucke genommen hatte, schlief ich auch schon ein. Doch plötzlich schreckte ich aus meinem Schlaf empor, weil es plötzlich an der Tür klingelte. Wer konnte um die Zeit noch bei mir klingeln? Der Polizei hatte ich doch schon alles erzählt.

Als ich die Tür öffnete, stand wieder das Mädchen vor meiner Tür.

»Darf ich reinkommen?«, fragte sie, und ich deutete mit meiner Hand in Richtung Flur.

Nachdem sie ihre Schuhe ausgezogen hatte, gingen wir ins Wohnzimmer und setzten uns auf mein Sofa. Und als wir uns setzten, begannen gerade die Nachrichten. Der Nachrichtensprecher begann von einem Selbstmord zu erzählen, der sich auf dem Kölner Hauptbahnhof heute Nachmittag zugetragen hatte. Sofort kamen mir wieder die Tränen in die Augen geschossen. Das Mädchen sah mich an, nahm mich in den Arm und flüsterte, »Du warst dabei, oder?«

Ich bekam nur ein leises »ja« heraus und begann dann richtig zu heulen.

Nachdem ich mich ein wenig beruhigt hatte, fragte sie mich, ob ich ihr davon erzählen möchte. Ich nickte und begann meine Geschichte.

Zuerst erzählte ich ihr von den Ereignissen auf dem Bahnhof.

»Wir wollten heute nach Hamburg fahren. Es sollte ein schöner Tag werden. Wir wollten zum Christopher Street Day. Marc hatte sich so darauf gefreut, endlich unter Gleichgesinnten zu sein. Er fühlte sich immer so allein damit, dass er homosexuell war. Dabei war er ein so wundervoller Mensch. Er hat sich immer für andere eingesetzt, wenn es ihnen schlecht ging. Wir standen ganz vorn am Gleis, und als der Zug einfuhr, der uns nach Hamburg bringen sollte, sprang er plötzlich und ohne Vorwarnung vor den Zug. Ich konnte nichts mehr für ihn tun. Er war so gut gelaunt, als ich ihn gestern noch mal anrief, um ihm zu sagen, dass ich gern mit ihm nach Hamburg fahren würde. Schließlich war er einer meiner besten Freunde, auch wenn ich nicht schwul bin. Auf ihn konnte ich mich immer verlassen. Als wir uns heute morgen trafen, war er aber irgendwie einfach nicht mehr er selbst. Er war total ruhig und hat so gut wie nichts gesagt. Ich hätte es merken müssen, dass etwas mit ihm nicht stimmt.«

»Hey mach dir keine Vorwürfe, sowas kann man vorher nie wissen. Sowas passiert immer unerwartet«, sagte das Mädchen und nahm mich in den Arm. »Erzähl mir mehr von diesem Marc«, sagte sie nach einer Weile.

»Ich habe ihn vor zwei Jahren übers Internet kennengelernt, in einem Chat. Er war mir sofort sympathisch. Ich hatte damals gerade eine schwere Trennung hinter mir und er hat mir sehr geholfen. Er sagte mir auch gleich am Anfang, dass er schwul sei, aber das hatte mich eigentlich überhaupt nicht gestört. Er ist ja trotzdem noch ein Mensch, der nichts für seine Gefühle kann und sie sich nicht ausgesucht hat. Und er wusste, dass ich nur auf Mädchen stand, was für ihn auch kein Problem war. Irgendwann verabredeten wir uns dann in einem Cafe und wir unterhielten uns bis spät in den Abend. Danach sind wir noch in einen Club gegangen und haben noch ein wenig gefeiert. Seitdem waren wir die besten Freunde. Er hat mir bei meinen Problemen damals sehr geholfen. Doch irgendwann änderte sich alles. Er wurde immer stiller und verschlossener, wollte kaum noch unter Menschen und hat sich nur noch zu Hause verkrochen. Irgendwann erzählte er mir dann, dass ein Arbeitskollege von ihm rausgefunden hatte, dass er homosexuell sei, und alle begannen ihn in der Firma zu mobben. Aber auch seine Umwelt wurde ihm gegenüber immer aggressiver. Er wurde beschimpft, rumgeschubst und sogar zweimal verprügelt. Ich versteh das bis heute nicht. Schwule und Lesben suchen sich ihre Gefühle doch nicht aus. Sie werden so geboren, wie sie sind. Daran kann niemand etwas ändern. Warum werden diese Menschen so fertig gemacht? Sie wollen doch auch nur leben, wie andere auch. Sie haben es doch schon schwer genug, einen Partner zu finden. Müssen sie dann auch noch so fertig gemacht werden?«, fragte ich und begann wieder zu weinen.

»Ich verstehe diese Menschen auch nicht, die etwas gegen solche Leute haben. Die sind einfach nur intolerant und denken, sie wären die einzigen, die eine Daseinsberechtigung haben, für dieses Leben. Ich weiß, es ist schwer in unserem ach so toleranten Deutschland« versuchte sie mich aufzumuntern.

»Aber warum gerade er? Ich verstehe es nicht. Er war so ein liebenswerter Mensch. Er hat immer anderen zugehört und versucht ihnen zu helfen. Sowas hab ich bei den meisten Heteros nicht erlebt. Die kümmern sich immer nur darum, dass es ihnen gut geht. Die anderen sind ihnen doch meistens egal« schluchzte ich.

»Hey, ich weiß, es ist schwer für dich, darüber hinweg zu kommen. Aber du musst jetzt stark sein. Marc hätte bestimmt nicht gewollt, dass du dich jetzt so fertig machst, oder?«

Ich sah sie nur an und merkte, wie die Müdigkeit mich übermannte. Sie sagte nur noch, dass ich jetzt schlafen sollte. Also legte ich mich aufs Sofa und schlief sofort ein.

Am nächsten Morgen weckte mich das Klingeln an der Haustür. Also lief ich schnell runter und öffnete die Tür. Und Marc stand vor mir. Ich sah ihn an und nahm ihn dann ganz fest in den Arm.

»Hey was ist denn mit dir los? Wir haben uns doch gestern erst gesehen. Du tust ja so, als wäre unser letztes Treffen Jahre her.«

Als ich über seine Schultern schaute, sah ich das Mädchen von letzter Nacht. Sie fuhr auf einem Fahrrad vorbei und lächelte mir zu. Nun begriff ich es endlich. Die ganze Zeit über hatte sich Marc um meine Probleme gekümmert und es ist Zeit, dass ich mich nun auch um ihn kümmere, bevor wirklich etwas Schlimmes passiert.

Ich habe nie an Träume geglaubt, doch seit heute tue ich es. Und ich bin unendlich dankbar dafür, dass ich diesen Traum hatte.

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