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Nur ein kleiner Schritt bis zum Wahnsinn
Prolog
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Informationen
- Story: Nur ein kleiner Schritt bis zum Wahnsinn
- Autor: Astardis
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Lovestory
Dienstag
„Die Wohnung ist nach diesen Kriterien hinsichtlich der Wohnungsgröße wie auch der Kaltmiete mit Nebenkosten unangemessen. Aus diesem Grund ist die Übernahme dieser Unterkunftskosten auf Dauer nicht gerechtfertigt und möglich.
Sie werden aufgefordert, die Aufwendungen für die Wohnung durch einen Wohnungswechsel, durch Untervermietung oder auf andere Weise zu reduzieren. Bitte teilen Sie uns binnen 3 Wochen schriftlich mit, ob Sie bereit sind, die Aufwendungen durch eine dieser Maßnahmen zu senken, oder ob Sie dies nicht wollen.“
Diese beiden Absätze des Bescheides „über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)“, welcher mir, in bestem Beamtendeutsch verklausuliert, meinen endgültigen Abstieg zum Sozialschmarotzer mitteilte, konnte ich mittlerweile auswendig.
So hatte ich mir das nicht vorgestellt und ich sah dringenden Diskussionsbedarf mit Rea. Kein Zweifel, ihr würde das gefallen, ihre Antwort konnte ich bereits hören: „Dachtest Du, die bezahlen Dir 4 Zimmer sanierten Altbau? Willkommen im normalen Leben!“
Das normale Leben, erklärtes Ziel all ihrer Bemühungen um mich. Mich ins normale Leben zurück zu führen, was auch immer das sein mochte. Im Grunde hielt ich sie für hochgradig geistesgestört und mindestens so therapiebedürftig wie mich selbst. Auf der anderen Seite hatte sie mich erstaunlich problemlos durch die vergangenen Monate manövriert, was ich nicht ignorieren konnte.
Die Intensivtherapie hatte parallel zu der auf die Operationen folgende Reha stattgefunden. Sechs Wochen lang fast jeden Tag Gespräche. Auch nach der Entlassung aus der Klinik hatte sie weiterhin auf wenigstens zwei Treffen pro Woche bestanden. Nach weiteren acht Wochen Therapie war ihrer Meinung nach ein Punkt erreicht, an dem ich beginnen konnte, mich, mitten in den Trümmern meines Lebens, um eine Neuausrichtung zu kümmern. Dafür hatte sie den Jahreswechsel 06/07 gewählt. „Nicht, weil es besonders originell wäre, sondern weil es sich anbietet. Ich denke, daß Du das jetzt kannst. Das unmittelbare Trauma hast Du soweit im Griff und den Rest bekommen wir auch wieder hin, aber jetzt ist es an der Zeit, nach vorn zu schauen.“ Sie beherrschte den weihevollen Tonfall perfekt, wenn es ihren Zielen diente.
Ihr Ziel war in diesem Fall, mich in die mehr oder weniger schützenden Arme von Vater Staat zu treiben. Ich hatte 4 Wochen lang tapfer gekämpft, mich letztlich aber doch auf den Fluren der ARGE wiedergefunden. Das Ergebnis hielt ich jetzt in Händen und es drohte, mein Leben wieder in Schwung zu bringen. Nichts, wirklich nichts konnte mir derzeit ungelegener kommen.
Damit war dieser Tag dann auch gelaufen, morgens um elf. Gut zwei Stunden nach dem Aufstehen, was immerhin heute mal wieder ohne Kater funktioniert hatte. Ob das morgen auch so sein würde, wagte ich zu bezweifeln. Ich ging kurz in mich und suchte nach Scarlett O’Hara; fand sie auch problemlos. Kein Wunder, ich hatte sie in der letzten Zeit oft genug benutzt. Ein kurzes Schließen der Augen genügte und schon befand ich mich auf Tara: „Morgen, morgen ist auch noch ein Tag!“ Ich sprach diese Worte mittlerweile so perfekt, daß man mich mit Scarlett verwechseln konnte. Jedenfalls mit einer, deren Stimme durch eine üble Erkältung zum Baß mutiert ist. Und allzu genau anschauen durfte man mich natürlich auch nicht, sollte die Illusion aufrecht erhalten werden.
Ich hatte schon zwei Drittel von dem, was ich die nächsten Stunden brauchen würde, vor mir auf dem Wohnzimmertisch angerichtet: Zigaretten inklusive Raucherzubehör und 4 Flaschen Bier samt Flaschenöffner. Das war zwar nicht ganz authentisch, da laut Gottschalk vom letzten Samstag ja die Bierdose der beste Freund des Hartz-IV-Empfängers war (Arschloch!), aber die Dosen hatte ich mir abgewöhnt. Zu viele Umstände bei der Pfandrückgabe. Was jetzt noch fehlte, war die passende Musikuntermalung. Also auf zu den CDs.
Einer der Bache, Brahms, Bruckner? Nein, nein und nein. Corelli, Grieg, Händel, Herz? Dito. Mozart, naja, vielleicht das Requiem, aber das schien mir nun doch etwas zu theatralisch, ich war ja noch nicht tot. Also weiter. Noch ein Bach, falsch einsortiert. Egal. Rachmaninoff? Nein, zu aufwühlend. Aber hier, Salieri! Nur nicht diese Aufnahme, da müßte doch auch noch… genau! Pietro Spada mit dem Philharmonia Orchester, „26 Variationen über ‚La Follia di Spagna’“ – genau das, was ich gesucht hatte. Deprimierend, aber nicht hoffnungslos, die strahlende Dur-Coda hinterläßt Hoffnung. Ab an den CD-Spieler, CD einlegen, auf Dauerwiederholung drücken und - dann klingelte das Telefon.
Keine Anzeige der Rufnummer, also mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit meine Mutter. Ich kann zwar durchaus ein Telefon ignorieren, komischerweise aber nie dann, wenn ich denke, es könnte Mutter sein.
„Ja?“
„Ja! So?“
„Hallo Mama.“
„Störe ich?“ Rhetorische Frage.
„Nein, wieso?“
„Es hat so lange gedauert, ich wollte schon wieder auflegen. Warst Du auf dem Klo?“
So weit waren das die Eingangsfloskeln praktisch jedes unserer Telefongespräche. Mutter besaß das Talent, mich regelmäßig genau zehn Sekunden vor einem selbst verursachten Orgasmus anzurufen. Daher mußte sie gelegentlich warten, bis ich mich dem Telefon widmen konnte. Der Einfachheit halber diente dann eben ein Toilettenaufenthalt als Erklärung für die Verzögerung.
„Nein, war ich nicht. Was gibt’s denn?“
„Muß es einen Grund geben, wenn ich meinen Sohn anrufe? Hast Du schon was gehört wegen Hartz?“
„Nein, noch nicht.“ Das mußte ich jetzt nicht haben, wirklich nicht.
„Ja hast Du dann überhaupt noch Geld?“
„Ja, verhungern muß ich nicht. Zwei, drei Monate wird das Geld noch reichen.“ Auch das mußte ich jetzt nicht haben.
„Und was machen die Bewerbungen?“ Immerhin, es kam erst nach über einer Minute zur Sprache.
„Nichts neues, da tut sich nichts. Für Leute wie mich gibt es nur eine sehr begrenzte Nachfrage.“ In Wahrheit war ich in Sachen Jobsuche nicht eben übereifrig, genauer gesagt: Ich tat gar nichts. Wozu auch? Ich hatte mir mein Leben recht bequem eingerichtet.
„Na ich seh’ schon, Du hast schlechte Laune.“
„Nein, wieso denn?“
„Du bist so kurz angebunden. Heute sind meine Kinder mal wieder besonders charmant. Deine Schwester war auch schon grantig.“ – Na warum wohl? Machst nach 10 Jahren plötzlich wieder auf Mutter und erwartest, daß wir Dich mit offenen Armen empfangen? So läuft das nicht!
„Ja, ich bin noch nicht lange auf“ – und will mich besaufen.
„Ach so. Ja dann will ich mal nicht länger stören.“
„Du störst nicht“ – doch, tust Du – „was gibt’s denn neues von Lothar?“ Der hatte sich kürzlich umgebracht; mit Benzin übergossen. Gelungener Schachzug, der Themenwechsel war vollzogen.
15 Minuten später war es dann vorbei, meine Mutter glaubte vorläufig wieder an den Charme zumindest eines ihrer Kinder und ich durfte auflegen. Ich machte es mir auf meinem Sofa gemütlich, öffnete die erste Flasche und startete per Fernbedienung endlich die Musik.
Das Thema. zwei Klarinetten, zwei Fagotte. Düsteres d-Moll. Eine simple Melodie, nur wenig verziert. Salieri schafft es, durch ein paar fein eingesetzte Durchgangsdissonanzen selbst die Dur-Momente ihrer Strahlkraft zu berauben. An sich fast ein Widerspruch, Holzblasinstrumente, ein Stück in Moll, das ganze mit „dolce“ überschrieben und dann keine Strahlkraft! Genies können das wohl aber, Widersprüche auflösen, meine ich.
Die erste Variation. Das Thema in den tiefen Streichern, sehr getragen. Die Violinen spielen ein paar sanfte Verzierungen dazu. Die zweite Variation. Tiefe Streicher in Viertelschritten, die hohen Streicher dazu in Sextolen, hohe Holzbläser dürfen Verzierungen einwerfen.
Meine Gedanken drifteten etwas ab. Ich sinnierte zum x-ten Mal darüber, was einen Opernkomponisten, der nie viel mit Instrumentalmusik am Hut gehabt hatte, bewogen haben könnte, 1815, als sein Ruhm längst am Verblassen war, ein derart singuläres Werk zu schreiben. Wie gesagt, er war ein Opernkomponist, der überhaupt nur eine Handvoll instrumentaler Werke geschrieben hat, noch dazu 40 Jahre vorher. Ein Versuch, am verblassenden Ruhm festzuhalten? Gut möglich. Nicht nur, daß das Stück wegen seiner Form allein steht, auch die Tonsprache ist eine andere, als in Salieris meisten übrigen Werken. Sehr deutlich schon angekommen im noch jungen 19. Jahrhundert. Gut möglich also, daß der mittlerweile betagte Meister hier noch einmal zeigen wollte, was zu schaffen er tatsächlich in der Lage war.
Eben noch wilde Südstaaten-Schönheit, verwandelte ich mich innerlich innerhalb von Sekunden in einen im Wien des frühen 19. Jahrhunderts lebenden Venezianer. Einer, der miterleben mußte, wie sein ehemals strahlender Stern im Begriff war, zu verblassen. Einer, der bereits mehr als Pädagoge denn als Komponist geschätzt wurde. Einer, dessen großes OEuvre bereits auf eine Handvoll Opern reduziert war, die sich noch auf den Spielplänen halten konnten, der ansonsten aber sich freiwillig darauf beschränkte, Gebrauchs-Kirchenmusik zu schreiben. Einer, der mit ansehen mußte, wie das Werk eines bereits verstorbenen Kollegen dabei war, die Welt zu erobern. Aber auch einer, der genug von Musik verstand, um zu begreifen, daß dies zu Recht geschah.
Die 26. Variation. Tutti, fortissimo. Streichertremolo, Paukenwirbel, Holz- und Blechbläser in Akkorden dazu. Die Solovioline noch eine Oktave höher. Strahlend, aber immer noch in Moll. Die Coda, ritardando. Oboen und die Solovioline. Simple Kadenzen, das Ende verzögernd. Volles Orchester, Crescendo auf der Dominante, dann erlösendes D-Dur, keine zehn Takte lang. Die CD springt wieder nach vorne. Das Thema. zwei Klarinetten, zwei Fagotte. Düsteres d-Moll. Eine simple Melodie, nur wenig verziert…
Ich öffnete die dritte Flasche, zündete mir noch eine Zigarette an. Inzwischen war Mittag. Sollte ich etwas essen? Ich zog den reinen Rausch vor. Variation 10. Posaunentrio mit Fagott, Flöte, Pauken und Tamburin. Spada zieht im Begleittext zur CD eine Parallele zu Mozarts „steinernem Gast“ im ‚Don Giovanni’. Beim Wort ‚Gast’ klingelte es bei mir. Gast, Besucher. Es stimmte eigentlich, ein Kerl war schon lange keiner mehr da. Auf ein reguläres Fickdate hatte ich keine Lust, auf Parkplatz auch nicht. Also? Sauna! Sauna also. Dafür mußte ich dann doch erst einmal etwas essen.
Eine gute Stunde und eine Dose Ravioli später stand ich im Bad. Im CD-Spieler lief mittlerweile doch Rachmaninoff, das zweite Klavierkonzert, c-Moll. Im Grunde ein einziger großer Geschlechtsakt in Tönen, wenigstens zwei Orgasmen inklusive. Eine gute Einstimmung, obwohl ich vermutlich mit maximal einem Orgasmus rechnen durfte.
Der Bart war schnell auf „ordentlichen“ 3-Tage-Bart gestutzt. Was mit dem Rest machen? Brust, Schamhaare? Nein, das lohnte sich nicht. Jene Haare waren noch recht ordentlich getrimmt und das gefiel mir ohnehin besser, als so ganz blank.
Umziehen, abduschen, Bademantel anziehen und da war ich. Ein erster Rundumblick bot spontan keine besonders erfreulichen Aussichten, also schlenderte ich erstmal durch die verschiedenen Räume. Erfahrungsgemäß war die zentrale Halle das erfolgversprechendste Jagdrevier. Ein großer, haushoher runder Raum mit Liege- und Sitzmöglichkeiten, Kaltwasserbecken und gutem Blick auf alle Ein- und Ausgänge, sowie die Türen der meisten Saunakabinen und Dampfbäder. Nein, hier war nichts zu sehen. Eine Seniorengruppe und sonst überwiegend Frauen, die allesamt auch schon bessere Tage gesehen hatten. Na gut, ich ging weiter, da gab es noch ein paar Ruheräume. Im ersten Ruheraum gähnende Leere. Immerhin, sollten alle Strick reißen, konnte ich mich hier auf einem der großen Wasserbetten ausstrecken und vor mich hin dösen. Der nächste Ruheraum, ein wenig auf Südsee getrimmt. Palmen, echte wie künstliche, exotische Plastikblumen, so eine Art Sonnenimitationslicht an der Decke, das sogar einen ganz leichten Bräunungseffekt haben sollte. Dazu Brandungsklang vom Band. Statt klassischer Liegen aus Plastik gab es hier mehr oder weniger gelungene Liegen aus Naturstoffen, wie man sie sich in der Südsee vorstellte. Der Raum war auch nicht eben überbevölkert, aber immerhin waren 3 Liegen belegt. Und auf einer lag sogar etwas recht Ansprechendes. Erfreulich normaler Körperbau, weder muskulös noch fett, dazu halblange dunkelbraune Haare. Und als Krönung den Anflug eines Kinnbärtchens. Kurz: Hätte ich die Wahl gehabt, wäre sie garantiert auf dieses Prachtstück gefallen.
Und was nun? Zwar trug er wegen des UV-Lichtes von der Decke eine Sonnenbrille, aber so ruhig wie er da lag und gleichmäßig atmete, war er offenbar eingedöst. Ich konnte ihn ja schlecht wecken und mal eben fragen, ob er mit mir – ja was eigentlich? In eine Kabine geht? Ins Dampfbad? Mir wurde bewußt, daß eigentlich immer ich angesprochen worden war, ich hatte noch nie selbst die Initiative ergreifen müssen. Aber wozu mir den Kopf zerbrechen, da er hier friedlich lag, war er wohl ohnehin nicht auf DAS aus. Die anderen beiden Leute im Raum schienen ebenfalls zu dösen und so setzte ich mich kurzentschlossen auf die Liege neben ihm. Wenigstens noch mal kurz ein bißchen anschauen konnte ich ihn ja. Er war wohl so einen knappem Meter achtzig groß. Um die Hüften hatte er ein kreisch-gelbes Handtuch geschlungen. Durch das Liegen saß es zwar nicht mehr perfekt, verdeckte aber natürlich trotzdem noch die interessantesten Stellen. Natürlich, wie hätte es auch anders sein können. Unfreiwillige Einblicke dieser Art boten ja immer nur diejenigen, bei denen man es ganz gewiß nicht sehen wollte. Um den Hals trug er ein Lederband ohne Anhänger. Seine Haut hatte eine ansprechende Bräune für Anfang März, ziemlich sicher nicht vom Solarium. Unbehaarte Brust, keine Stoppeln zu sehen. Entweder ein fleißiger Rasierer oder einer der Glücklichen, die von der Natur nicht mit Brusthaaren versehen worden waren. Dafür wuchsen an Armen und Beinen um so mehr Haare, was ihn für mich nicht eben unattraktiver machte, ganz im Gegenteil. Mit dem hätte ich mir schon einiges vorstellen können. Insgeheim verfluchte ich die Sonnenbrille, verhinderte sie doch, daß ich mir sein Gesicht richtig anschauen konnte. Ohne die Augen bleibt so ein Gesicht enorm unvollständig, was bei diesem, wie mir nun auffiel, besonders schade war. Eine fast schon römische Nase, dazu volle, aber nicht üppige Lippen. Ein gut geformtes Kinn, wie schon gesagt geziert von einem Bärtchen. Deutlich hervortretende Wangenknochen und was wohl für Augen? Das hätte ich zu gerne gewußt.
Da saß ich und gaffte einen Typen an, der mit Sicherheit nicht aus dem gleichen Grund hier war wie ich. Ich raffte mich also auf und zog weiter, innerlich schon wieder fluchend über die Zeit, die ich hier vergeudet hatte. Weiter also, noch ein Ruheraum war übrig. Hier war nun aber mit Sicherheit nichts zu finden, dieser Raum war in Beschlag genommen worden von einer Horde älterer Damen, die offensichtlich einer recht eigenwilligen Definition des Begriffes ‚Ruhe’ folgten.
Fehlanzeige. Ich entschied, eine Weile abzuwarten und mich erst einmal im Warmwasserbecken draußen zu entspannen. Das Becken mußte ich mir mit nur zwei anderen Leuten teilen, Frauen leider. Aber wenigstens gab es Platz an den Massagedüsen. Vom Becken aus hatte ich außerdem einen guten Blick nach drinnen in die große Halle, so konnte mir wenigstens nicht entgehen, ob vielleicht doch noch ein paar Kerlchen auftauchten. Es schien sich aber nichts zu tun und ich freundete mich schon allmählich mit dem Gedanken an, ausnahmsweise weit und breit der einzig notgeile Mann zu sein.
Nach 20 Minuten verließ ich das Becken, trocknete mich ab und ging wieder rein. Es ging bereits auf 16 Uhr zu, die Feierabendzeit nahte. Vielleicht kamen ja dann noch ein paar Leute mehr. Hoffnung…
Einstweilen ging ich an die Bar und ließ mir – nein, kein Bier geben. Schlichtes Wasser tat es mir hier auch. Mit dem Wasser in der Hand ging ich zu den Fußbädern. Das war zwar an sich eher ein Aufenthaltsort für die Älteren, aber doch wenigstens eine akzeptable Begründung dafür, in der Nähe der Saunakabinen zu sitzen. Auch den Eingang zu 2 Dampfbädern hatte ich von hier aus gut im Blick, worauf ich aber gleich darauf schon wieder liebend gern verzichtet hätte. Die Tür eines Dampfbades öffnete sich und heraus kamen 2 Kerle. Einen davon kannte ich, der war hier regelmäßig auf der Pirsch. Und so, wie die beiden sich angrinsten, konnte ich mir ausmalen, was da drin gelaufen war. Da war wohl jemand schneller gewesen. Bedauernd sah ich den beiden nach.
Weitere 20 Minuten vergingen ereignislos. Das Publikum bestand ausnahmslos aus Menschen, die wenigstens 20 Jahre jenseits des von mir maximal tolerierten Höchstalters lagen und setzte sich auch wenigstens zur Hälfte aus Frauen zusammen. Nun konnte ich hier nicht viel länger sitzen bleiben und entschied mangels Alternativen, einen erneuten Blick auf das gelbe Handtuch zu werfen. Soweit ich mich erinnern konnte, war der zum Handtuch gehörende Mann noch nicht wieder aus seinem Ruheraum herausgekommen.
Ich fand den Raum praktisch unverändert vor, alle 3 Insassen schienen nach wie vor zu schlafen. Immerhin hatte das Goldstück mittlerweile seine Ruheposition etwas verändert, von einer leichten Seitenlage war er nunmehr in komplette Rückenlage gewechselt. Ein prüfender Blick von der Tür aus, ja, er atmete immer noch völlig regelmäßig und lag still da. Ich setzte mich wieder auf die neben ihm stehende Liege und schaute mir das Kerlchen erneut an. Die Rückenlage hatte eindeutige Vorteile. Das gelbe Handtuch muß beim Wechsel auf den Rücken etwas Spannung bekommen habe, jedenfalls war eine deutliche Wölbung zu erkennen, wie ich erfreut feststellte. Fast etwas zu erfreut, bei mir regte sich da auch schon etwas. Wohl doch notgeil. Froh über meinen Bademantel, beeilte ich mich, den Raum wieder zu verlassen, da ich mir hier nach wie vor keine Chancen ausrechnete. Immerhin, ich hatte mir die Konturen halbwegs eingeprägt und zur Not würde er später eine gute Wichsvorlage abgeben.
Draußen regte ich mich schnell wieder vollends ab und stellte fest, daß nach wie vor nicht mehr Betrieb herrschte. Allmählich mußte ich mich wohl mit dem Gedanken anfreunden, hier nicht so schnell ans Ziel zu kommen. Also entschied ich mich doch für einen Saunagang. Ich konnte schließlich wenigstens etwas für mich tun, wenn ich schon nicht zum Schuß kommen sollte.
15 schweißtreibende Minuten später, ich hatte die Sauna für mich alleine, kam ich eben aus der Dusche, als ich ihn sah. Ihn oder es, das gelbe Handtuch eben. Er war wohl doch endlich aufgewacht und lief zielstrebig in meine Richtung. Zu mir? Nein. An mir vorbei und in die Sauna, die ich gerade erst verlassen hatte. Es wäre außer Frage gestanden, ihm zu folgen, hätte es da nicht einen Sekundenbruchteil gegeben, in dem ich seine Augen hatte sehen können. Grün! Das hieß, ab sofort war er nicht mehr Zeitvertreib bis zum Auftauchen der Beute, sondern die Beute selbst. Den mußte ich, wenn schon nicht haben, dann wenigstens sehen.
Ohne mir große Gedanken über mögliche Folgen für meinen Kreislauf zu machen, folgte ich ihm in den Backofen. Erfreut stellte ich fest, daß die Kabine bis auf uns beide nach wie vor leer war. Er saß auf der obersten Bank, offenbar hart im Nehmen. Beine gespreizt, Hände auf der Bank abgestützt, den Kopf nach hinten gelehnt. Die Augen geschlossen, wie schön. So konnte ich halbwegs ungeniert schauen. Und schauen. Und schauen. Wow! Was der Kerl da zwischen den Beinen hatte, war irgendwo zwischen beeindruckend und gewaltig anzusiedeln. Und sah obendrein bemerkenswert perfekt aus. So ziemlich genau das, was ich, zumindest zum Anschauen, mochte. Damit dann zu „arbeiten“ war ein anderes Thema, aber das stand ja hier ohnehin nicht zur Debatte.
Er öffnete seine Augen. „Sauna im Stehen, mal was Neues. Die meisten setzen sich hier.“ Sah mich kurz an. Stand auf. Und ging.
So fühlte sich wohl ein Vorschlaghammer an. Geniale Nummer, wie konnte man sich nur so blamieren? Offensichtlich, man konnte. Ich wenigstens. Fluchtartig verließ ich die Sauna, packte meinen Bademantel und steuerte schleunigst das Dampfbad an. Ich wollte mich verstecken, im Dampf untertauchen. Darauf warten, daß, vielleicht in einer Stunde, mein Kopf, der derzeit ohne weiteres als Signalboje hätte Verwendung finden können, wieder Normalfarbe annahm.
Mehr im Vorbeigehen nahm ich wahr, daß offenbar direkt neben der Tür jemand saß. Ansonsten schien der Raum, wie ich bei der Suche nach dem Schlauch feststellte, leer zu sein. Ich fand den Schlauch, spritze ein Stück Sitzfläche an der der Tür gegenüber liegenden Wand ab und konnte mich endlich setzen.
Die Sichtweite betrug keine 30 cm. Eingehüllt in den Nebel saß ich da, im Geiste die erst Minuten zurückliegende Peinlichkeit durchgehend, als ich bemerkte, wie sich jemand neben mich setzte. Als nächstes spürte ich eine Hand an meinem Oberschenkel, zwischen meine Beine wandernd. Sie fand ihr offenkundiges Ziel. Griff, nein, packte zu, fordernd.
„Ich dachte schon, Du kommst nicht.“
„Was…“ ist los, wollte ich sagen, kam aber nicht dazu.
„Halt die Klappe. Wir sind allein.“
„Ein Grund mehr…“ mir zu sagen, was hier los ist, wollte ich sagen.
Eine Hand fing an, meinen Schwanz – wann war der eigentlich steif geworden? – zu wichsen, eine andere Hand griff mein Kinn, drehte so meinen Kopf nach rechts. Ein Gesicht kam in Sichtweite, es gehörte zu dem gelben Handtuch.
„Und jetzt halt endlich die Klappe!“
„OK“, wollte ich eigentlich denken, muß es aber wohl gesagt haben.
„Na also.“
Ich ließ ihn machen. Ein Teil meines Gehirnes schien noch zu autonomem Denken fähig, ich kam auf die Idee, die Gefälligkeit zu erwidern. Meine Rechte ging auf Wanderschaft, fand ihn, griff zu. Wow – schon wieder wow! – das fühlte sich mehr als gut an.
„Laß das!“ Keine Bitte, eindeutig ein Befehl.
OK, keine Gegenleistung erforderlich, auch in Ordnung. Diesmal hatte ich es geschafft, tatsächlich nur zu denken.
Plötzlich hörte er auf.
„Leg Dich hin, auf den Rücken!“ Wieder dieser Befehlston.
Ich tat es. Er kniete sich über mich. Durch den Nebel kam sein Hintern meinem Gesicht angenehm nahe. Und dann war ich in seinem Mund. Lippen, Hände und seine Zunge arbeiteten perfekt zusammen.
„Paß auf!“ sagte ich, es sollte eine Warnung sein, rechtzeitig aufzuhören. Er ignorierte sie.
Er stand auf, beugte sich über mich, drückte seine Lippen auf meine, ich öffnete zögernd meine Lippen. Ebenso plötzlich, wie der Kuß begonnen hatte, hörte er auch auf. Er richtete sich auf und trat in den uns umgebenden Nebel.
„Ciao dann.“
„Warte!“
„Was?“
Ja was eigentlich? Es war ja alles erledigt.
„Wie heißt Du?“ Im gleichen Moment trat ich mir auch schon gedanklich für diese alberne Frage in den Hintern. Erwartete ich darauf ernsthaft eine Antwort?
Tatsächlich zögerte er. „Timon.“
Die Tür ging auf. Dadurch wurde ein wenig des Nebels nach draußen gezogen und ich konnte kurzzeitig genug erkennen, um zu sehen, wie er durch die Tür ging.
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