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Auf der Tour
Teil 25
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Informationen
- Story: Auf der Tour
- Autor: cdwgrisu
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Lovestory
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Chris: Wirklich schon Routine?
- Justin: Ein guter Beginn
- Chris: Ein Schritt vorwärts
- Justin: Ich fühle mich richtig gut
- Chris: Fynn ist gut drauf, Dustin muss aufgebaut werden
- Dustin: Halbfinale mit neuen Gedanken und Erkenntnissen
- Chris: Verzögerung und interessante Vorgänge
- Justin: Finale und ein überraschender Anruf
- Chris: Was für ein Match
Vorwort
An dieser Stelle ein Dankeschön an Mo für die Unterstützung und allen Lesern für die zahlreichen Feedbacks.
Ich wünsche allen Lesern ein gesundes und fröhliches Weihnachtsfest. Kommt gut in das Jahr 2022 und ich wünsche mir, dass im kommenden Jahr endlich eine Entspannung der Corona Lage kommt.
Jetzt viel Spaß mit dem neuesten Teil von Chris und seinen Jungs
Chris: Wirklich schon Routine?
Die Anreise zum nächsten Turnierort entwickelte sich zu einem routinierten Vorgang. Es wiederholten sich ähnliche Abläufe: Die Fahrt vom Flughafen ins Hotel, die Anmeldung für den Fahrdienst und das Reservieren eines Trainingsplatzes.
Gerade für die drei Jungs war das aber auch wichtig. Es entwickelte sich eine Handlungssicherheit. Dadurch musste ich nicht mehr alles vorher ansagen.
In diesem Challenger zählten wir durchaus zu den Mitfavoriten. Alle drei waren gesetzt und würden frühestens im Viertelfinale aufeinander treffen können.
Wir befanden uns gerade im ersten Training auf dem Platz, um die Bedingungen zu checken und über die Saitenhärte zu sprechen. Das waren feste Handlungen geworden vor Beginn eines Turnieres. Dabei spielte es keine Rolle, ob es der Sparkassen Cup in Halle war oder ein ATP 250 in Mailand.
Die Bälle flogen schon flott übers Netz und meine Jungs mussten auch recht viel über den Platz flitzen. Genauso sollte das zu Beginn eines neuen Turnieres sein, denn so würde die Gewöhnung recht schnell klappen und das Gefühl für die Plätze kommen.
Für die nicht Tennisexperten sei erklärt, dass jeder Platz seine Eigenarten hat, auch wenn die Größe des Spielfeldes natürlich immer gleich war. Manchmal war das Licht anders, dann die Akustik oder auch die Luft. Je nach Lage der Anlage.
Dustin und Fynn zeigten sehr deutlich, dass sie sich nahezu blind verstanden. Sie mussten nicht mehr viel miteinander sprechen. Für Justin war das heute schwierig, da er halt die Zeichen und Blicke noch nicht so perfekt beherrschte.
Irgendwann schlug Justin drei Bälle hintereinander weit ins Aus. Aber der Grund war die Art der Spielweise von Dustin und Fynn. Sie hatten sich den Spaß gegönnt, Justin ein wenig zu foppen. Grundsätzlich hatte ich damit kein Problem, aber vor einem neuen Turnier beim ersten Platztraining empfand ich das unpassend.
Justin begann sich bereits aufzuregen und die Bälle erreichten ein von mir nicht gewolltes Tempo.
„Stopp“, rief ich über den Platz, „Alle bitte einmal an der Bank treffen.“
Justin pfefferte seinen Schläger leicht gereizt auf seine Tasche. Dustin und Fynn hatten es bemerkt. Ich war von ihrer Aktion nicht begeistert und bevor ich eine Ansage machen konnte, ging Fynn zu Justin an die Bank.
„Sorry, Justin. Wir haben nicht gedacht, dass dich unser kleiner Spaß so nervt. Wir sind wohl über das Ziel hinausgeschossen.“
Dabei hielt er Justin seine Hand hin und nach einer Gedenksekunde schlug Justin ein.
„Leute, das kann echt nicht euer Ernst sein. Wir sind hier zum an den Platz gewöhnen und ihr fangt an, mit Justin irgendwelche Spielchen zu machen. Das finde ich vollkommen daneben. Ich will jetzt die letzten dreißig Minuten ernsthaftes Training sehen.“
Ich war genervt und das sollten sie auch merken. Fynn hatte für einige Momente seine Augen geschlossen und pustete einmal durch.
Allerdings hatte ich jetzt eher eine dumme Bemerkung erwartet, aber nichts dergleichen kam. Sie gingen wieder auf den Platz und zeigten die restliche Zeit eine exzellente Einstellung. Die Bälle flogen mit kontrolliertem Tempo, aber sehr ausdauernd über das Netz. So konnte ich nach Ablauf unserer Trainingszeit mit dem Kommando „Okay, Bälle bitte einsammeln und dann Treffen dort vorne auf dem Rasen“ das Training beenden.
Ich verließ den Platz und erwartete meine Truppe am Treffpunkt. Dabei nahm ich mein Handy hervor und staunte. Es waren in der kurzen Zeit zehn Nachrichten eingegangen. Ich schaute also nach und musste schmunzeln. Es waren etliche Bilder, die allesamt von Maxi kamen. Er war in Halle beim Training und hatte Tim und Carlo abgelichtet. Diese Bilder waren schon lustig. Sie zeigten aber auch, dass ziemlich deutlich wurde, dass sich da unser nächstes Pärchen gebildet hatte.
Ich hatte dadurch nicht bemerkt, dass Dustin und Fynn schon wieder bei mir standen.
„Na, Chris. Was für lustige Nachrichten hast du bekommen?“
Ich schaute hoch und erwiderte:
„Lasst uns gerade noch auf Justin warten, dann zeige ich euch die Bilder.“
Justin stellte ebenfalls seine Tasche ab und damit waren wir vollzählig.
„Hier, damit ihr auch auf dem neuesten Stand seid. Die Bilder habe ich gerade von Maxi bekommen. Außerdem soll ich euch schöne Grüße aus der WG bestellen.“
Ich reichte mein Handy weiter und als sie das Bild von Tim und Carlo auf der Bank sahen, mussten auch sie lachen.
„Wie cool ist das denn? Ist es also jetzt offiziell mit Tim und Carlo?“, fragte Justin.
„Sieht zumindest gerade danach aus. Maxi schreibt, dass die beiden momentan sehr umgänglich seien und gut arbeiten. Das gefällt mir jedenfalls.“
Nachdem ich mein Handy zurückbekommen hatte, wollte ich noch einmal auf die Situation von eben eingehen, aber ich kam gar nicht dazu, weil Dustin schon Redebedarf hatte.
„Was gibt es so Dringendes, Dustin?“
„Eine Entschuldigung. Ich möchte mir das Donnerwetter von dir ersparen. Wir waren wohl zu übermütig und das zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Das tut uns leid und wir werden das besser machen.“
Da blieb mir gar nichts anderes als zu lachen.
„In Ordnung, hahaha, ich akzeptiere das mal so. Jetzt solltet ihr aber schnell auslaufen, zur Physio und in einer dreiviertel Stunde möchte ich euch zur Gegneranalyse im Spielerbereich sehen, Fragen?“
Es gab keine. Damit löste sich unsere Gruppe schnell wieder auf.
Die Analyse über den Gegner entwickelte sich spannend. Jeder hatte sich bereits Gedanken gemacht und sich über den Gegner informiert. Auch hier zeigte sich mittlerweile die gestiegene Erfahrung und Routine bei diesen Abläufen. Ich musste nicht mehr jedes Detail vorbereiten und ausschmücken. So kamen wir zügig voran und nach einer halben Stunde war alles besprochen. Der erste Turniertag konnte beginnen.
Und auch am nächsten Morgen spürte ich ihre höhere Selbstständigkeit. Ich konnte sogar vor dem ersten Spiel von Justin noch einen Latte Macchiato genießen. Dustin und Fynn hatten noch etwas mehr Zeit bis zu ihrem Match. Daher blieben sie die Zeit bei mir.
„Justin war gut drauf heute früh. Ich glaube, es wird ein gutes Spiel, zumal ihm der Gegner liegen wird. Kein Defensivkünstler“, erklärte Dustin.
Fynn stimmte seinem Freund zu und zur Bestätigung gab er Dustin einen offenen Kuss.
Bevor wir zum Platz gehen konnten, kam noch ein junger Mann mit einem Presseausweis zu uns an den Tisch.
„Guten Morgen“, begrüßte er uns freundlich auf Englisch, „Marco Ivanisevic, ich arbeite für den kroatischen Tennisverband und möchte für die Tenniszeitung des Verbandes einen Bericht über euch machen. Könnten wir vielleicht ein Interview verabreden?“
„Guten Morgen“, erwiderte ich, „mit den Jungs oder mit mir?“
„Am liebsten wäre mir mit euch allen. Es geht mir darum, auch hier in Kroatien über Homosexualität im Leistungssport zu berichten und um mehr Anerkennung und Normalität zu bitten.“
„Wie steht denn der Verband zu diesem Punkt?“, fragte ich nach.
„Eigentlich recht offen. Wir haben bereits mehrere Workshops mit den Verbandstrainern zu diesem Thema gehabt. Aber wir erleben dennoch immer wieder Skepsis und Ablehnung bei einigen Sponsoren und Veranstaltern. Wir möchten das verbessern. Von daher freuen wir uns natürlich, dass ihr bei unserem Turnier hier in Split gemeldet habt.“
„Aber in Osteuropa wird das Thema Homosexualität zurzeit recht kritisch gesehen. Teilweise haben Regierungen es sogar wieder unter Strafe gestellt. Ist das hier in Kroatien anders?“, meinte Dustin kritisch.
„Ja, das ist leider korrekt. Aber in Kroatien ist das anders. Hier gibt es einen ziemlich offenen Umgang. Auch politisch wird das eher liberal gesehen. Aber ich kann eure Skepsis gut verstehen. Umso mehr würde ich mich freuen, mit euch darüber sprechen zu dürfen. Ich denke, wir haben viel mehr schwule Tennisspieler. Leider trauen sie sich noch nicht an die Öffentlichkeit zu gehen, weil sie Angst haben.“
Ich war beeindruckt über diese offene Art mit dem eigenen Verband auch kritisch umzugehen.
„Also Jungs, was meint ihr? Wollt ihr das machen? Ich würde ein Interview dazu unterstützen.“
Justin schaute zu Dustin und Fynn, er wollte keinen Druck ausüben und wartete auf die Antwort von ihnen.
„Ich würde es befürworten, aber nur wenn wir das alle gemeinsam machen. Wenn einer nicht möchte, dann sollten wir das respektieren und auch nicht tun.“
„Alles klar, Dustin. Was denkst du, Fynn?“, fragte ich.
„Ich bin dabei. Mir gefällt Marcos Art. Ich glaube ihm, dass es um die Information geht und ich finde, wir sollten das versuchen.“
Justin nickte zustimmend.
„Gut, dann machen wir das. Ich schlage vor, heute Abend, nachdem alle Spiele gemacht wurden. Fynn wird als letzter spielen, eine Stunde nach Spielende? Dann solltet ihr mit der Physio und allem fertig sein.“
Marco war einverstanden und ein Treffpunkt war auch schnell gefunden. Danach ging es für Justin auf den Platz.
Jetzt war die Routine schnell vorüber und ich spürte wieder die Anspannung. Justin begann sehr verhalten und daher geschah bis zum 2:2 nicht viel. Beide hielten ihre Aufschlagspiele. Mir gefiel Justins passive Spielweise insbesondere beim Return nicht. Aber ich war mir auch sicher, dass sich das bald verändern würde. Daher blieb ich noch ruhig auf meiner Position. Eingreifen konnte ich immer noch.
Tatsächlich schaute Justin beim nächsten Seitenwechsel zu mir und ich musste schmunzeln. Er fragte förmlich um Erlaubnis offensiver zu returnieren. Also gab ich mit einer einfachen Handbewegung eine bestätigende Antwort.
Und jetzt zeigte sich die Weiterentwicklung Justins. Er schoss mit enormer Wucht seine Returns auf die andere Seite. Aber nicht mehr wütend und manchmal unkontrolliert, sondern aggressiv und genau berechnend. Er baute den Ballwechsel strategisch auf. Mit viel mehr Druck auf den Aufschläger.
Das erste Break war daher nur eine logische Konsequenz. Ab diesem Zeitpunkt hatte ich nicht mehr das Gefühl, Justin könnte noch ernsthaft in Gefahr geraten. Auch Dustin und Fynn hatten das erkannt. Dustin fragte mich Anfang des zweiten Satzes:
„Denkst du, dass Justin noch Probleme bekommen wird? So kann ihm jedenfalls der Gegner nicht mehr gefährlich werden.“
„Ich weiß es nicht“, erwiderte ich, „wenn Justin das durchspielt, dann brennt nichts mehr an, aber du weißt auch wie schnell das beim Tennis gehen kann.“
Tatsächlich ging es sehr schnell. Aber im positiven Sinn. Justin zerlegte seinen Gegner nach Strich und Faden und gewann glatt mit 6:3 und 6:2. Das war ein gelungener Start in das Turnier.
Dustin und Fynn machten sich nach dem Spiel direkt auf den Weg, um sich vorzubereiten. Auch hier brauchte ich nicht mehr jeden Schritt anzusagen. Das verschaffte mir Freiräume um mit Justin sofort in die Nachbesprechung gehen zu können. So konnte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf die kommenden Matches richten. Dustin ging vor Fynn auf den Platz, aber Fynn würde recht schnell auch anfangen müssen. Also hatte ich wieder zwei Spiele parallel zu begleiten.
Justin: Ein guter Beginn
Mein Match verlief richtig gut. Verwunderlich für mich war das Gefühl ab Mitte des ersten Satzes. Mein Selbstbewusstsein gab mir ein Gefühl, nicht mehr verlieren zu können. Das kannte ich auf diesem Niveau noch nicht. Aber nach dem Match fühlte ich mich großartig. Chris hatte mir in der Nachbesprechung genau erklärt warum dieser Unterschied jetzt spürbar wird.
Damit konnte ich auch mit einem guten Gefühl in das kommende Match gehen. Chris war überzeugt davon, dass wir hier jeden schlagen können würden. Der große Unterschied für mich war, er sagte es auch zum ersten Mal so deutlich. Er hielt mich für den besseren Spieler.
Als ich dann mit Chris beim Spiel von Dustin saß, gingen mir seine Worte erneut durch den Kopf.
Dustin spielte aus meiner Sicht zu vorsichtig. Als ob er darauf warten würde, dass sein Gegner plötzlich viel besser spielen würde. Das Spiel war genau wie bei mir noch im ersten Satz. Bislang hatte sich Chris sehr zurückgehalten mit seiner Kommunikation. Aber als Dustin beim 4:3 immer noch mit großer Vorsicht agierte, forderte Chris mehr Aggressivität von ihm.
Dustin wirkte verwundert über diese klare Marschroute. Er brauchte beim nächsten Seitenwechsel noch einmal mehr den Ansporn von außen. Und Chris gab ihm genau das. Sehr deutlich und bestimmt schickte er Dustin vorwärts.
Aber als er das dann umsetzte, ging es deutlich in die gewünschte Richtung. Auch im Spielstand. Dustin spielte sein Match zu Ende und gewann auch in zwei Sätzen. Dennoch konnte ich bei Chris sowohl Anspannung als auch nach dem Matchball Erleichterung spüren. Er applaudierte meinem Freund offen zu. Und natürlich war Dustin schnell vom Platz verschwunden und Chris auch sehr zügig mit mir zu Fynn an den Platz gewechselt.
Fynn befand sich am Anfang des zweiten Satzes. Den ersten Durchgang hatte er knapp im Tie Break gewonnen, also eine ganz enge Kiste. Innerhalb weniger Ballwechsel war Chris komplett in das Match eingetaucht und wirkte sehr angespannt. Ich kannte ihn mittlerweile lange genug um zu erkennen, dass er nicht so gelassen war wie es äußerlich wirkte.
Fynn wirkte verkrampft und unsicher. Als ob er sich nicht selbst über den Weg trauen würde. Chris blieb zwar ruhig, aber seine Hinweise wurden klar und eindeutig. Was mich faszinierte, wie Fynn begann, diese Hinweise an sich heranzulassen. Er nickte sogar als Bestätigung. Jetzt war ich gespannt, ob er das auch in die Tat umsetzen konnte. Sollte er das können, würde er dieses Match sicher gewinnen. Spielerisch war Fynn seinem Gegner deutlich überlegen. Aber hier war auch der Kopf gefragt.
Und ich wurde bestätigt. Fynn begann sich frei zu spielen. Seine Bälle bekamen viel mehr Länge und Druck. Damit wurde sein Gegner gezwungen einen Meter weiter zurück von der Grundlinie zu gehen. So konnte Fynn irgendwann ans Netz rücken und den Punkt machen.
Der zweite Satz ging dann schnell vorbei und Fynn zeigte endlich sein ganzes Können. Nach dem Matchball freute er sich erleichtert über den am Ende deutlichen Sieg. Natürlich war Dustin auch schon zur Stelle zum Gratulieren und für den Siegerkuss.
„Na, ich glaube wir können die beiden jetzt auch allein lassen. Die Nachbesprechung mache ich, wenn Fynn sich etwas mit Dustin beruhigt hat. Wollen wir einen Kaffee trinken?“
Völlig irritiert schaute ich in das lachende Gesicht von Chris.
„Äh, ja. Sehr gern. Ich komme mit.“
Chris legte mir seinen Arm auf die Schulter und drehte mich in Richtung Clubhaus. Die erste Runde war gespielt und damit standen wir bereits im Achtelfinale. Die Challenger hatten nur 32er Felder.
Im Clubhaus hatten wir uns einen schönen Platz auf der Terrasse gesucht und ich konnte für einen Moment entspannen. Aber meine Gedanken gingen jetzt auch nach Montreal. Trotz der exzellenten Begleitung von Chris und dem Team, fehlte mir manchmal meine Familie.
„Na, wo bist du denn gerade gewesen?“, fragte mich Chris.
Ich zuckte zusammen und schon war ich wieder im hier und jetzt.
„Ganz ehrlich, manchmal fehlt mir meine Familie doch etwas. Ich denke dann an Aaron oder wie es Mama wohl geht. Da hilft zwar das Skypen etwas, aber als sie in Halle zu Besuch waren, war das viel schöner.“
„Das glaube ich dir sofort. Ich habe es gerade bei dir immer schon sehr erstaunlich gefunden wie gut du deine Situation bewältigen kannst. Wenn diese Gedanken kommen, dann lass es einfach zu. Rede mit uns darüber, dann kann ich dir immer zur Seite stehen. Du bist halt auch keine Maschine.“
Chris zwinkerte mir dabei zu und ich musste schmunzeln. Wieder war es Chris ganz schnell gelungen mich wieder aufzuheitern und dabei dennoch ernst zu nehmen.
„Kannst du mir schon sagen, ob wir bald auch wieder in den USA spielen, oder vielleicht sogar in Kanada?“
„Hm“, überlegte Chris, „genau sagen kann ich dir das noch nicht. Wir haben den Turnierplan noch nicht fertig. Aber wir werden mit Sicherheit auch wieder Turniere dort spielen. Ich gehe auch davon aus, dass wir bald mehr ATP Turniere spielen werden. Montreal hat ja ein großes ATP Turnier. Wer weiß, vielleicht seid ihr ja dafür qualifiziert. Du solltest dann dort auch spielen können.“
„Das ist ein 1000er Turnier. Ich glaube, das wird noch dauern bis wir dafür genug Punkte haben werden. Aber das Ziel habe ich natürlich schon, dort zu spielen.“
Chris nickte nur entspannt. Erst als wir wieder alle beisammen saßen und uns eine Cola gönnten, gab uns Chris in der Nachbesprechung etwas mit auf den Weg.
„Leute, nachdem wir über die Matches gesprochen haben, möchte ich euch eine Information geben. Ich habe mich mal etwas genauer mit eurer Ranglistenposition beschäftigt. Dabei ist mir etwas aufgefallen. Ihr seid nicht mehr weit weg von der Zulassung auch zu den 1000er Turnieren. Hier noch einmal ins Halbfinale oder Finale und einer in ein Viertelfinale bei einem 250er und dann haben wir ein großes Ziel erreicht. Ihr könnt bei allen Turnieren spielen, vielleicht auch nur in der Qualifikation, aber der Schritt unter die besten 150 Spieler in der Welt ist nicht mehr weit.“
„Echt jetzt?“, fragte ich erstaunt nach, „das kann ich irgendwie noch gar nicht glauben.“
„Ich auch nicht“, ergänzte Fynn, „da muss es doch noch einen Haken geben. Das geht mir zu glatt.“
Chris schaute einen Moment ernst, dann begann er zu lachen.
„Hey, wir hatten doch alle schon unsere Rückschläge oder Hindernisse. Reicht euch das noch nicht?“
„Oh doch, das reicht für die nächsten Jahre. Ohne Fynn zu Hause sitzen geht gar nicht. Das muss ich nicht noch einmal haben.“
Das kam so trocken von Dustin, dass wir alle laut lachen mussten.
Dennoch hatten wir alle für einen Augenblick auch das Geschehen von Kitzbühel wieder im Kopf. Allerdings wollte es niemand mehr aussprechen.
Schnell ging es wieder um den nächsten Schritt nach vorn.
„Wir sollten vielleicht zuerst mal dieses Turnier gut bewältigen. Wer weiß, vielleicht gibt es ja auch eine Trophäe für uns.“
Dabei zuckte Fynn mit den Schultern und grinste. Dustin empfand das unpassend und wollte schon seinen Freund zurückpfeifen, aber Chris war schneller:
„Stimmt, warum eigentlich nicht? Ich bin sicher, dass das möglich ist. Also, glaubt an euch und eure Fähigkeiten. Ich mache das jedenfalls und würde mich freuen, wenn ihr das auch würdet. Nur wenn man an sich und sein Können glaubt, kann man auch wirklich Erfolg haben. Gut genug arbeiten tun wir jedenfalls.“
Keiner erwiderte darauf noch etwas. Und Chris beendete damit auch das Thema Wettkampf für heute. Im Gegenteil, es wurde noch richtig lustig, denn er zeigte uns noch Bilder aus Halle und auch aus München und der Schweiz.
„Was meinst du, Chris, werden sich Luc und Stef mal wieder bei uns sehen lassen?“, fragte Fynn.
Ohne eine Sekunde zu zögern, kam die Antwort:
„Natürlich! Ich bin mir sehr sicher, dass wir sie wieder zu Besuch haben werden. Auch Marc und Sabine werden uns wieder besuchen. Oder wir fahren zu ihnen, wäre ja auch mal nicht schlecht, oder?“
„Au ja, oder wir machen noch einmal einen Abstecher zum Nürburgring“, grinste ich jetzt.
Chris schaute mich mit großen Augen an, stutzte dann, fing aber an zu lachen und zeigte mir den Daumen hoch. Dustin fand diese Idee anscheinend nur begrenzt schön. Er verdrehte die Augen, aber musste dann auch lachen.
Mit einigen anderen lustigen Geschichten ging dann unser Turniertag zu Ende. Morgen war wieder ein weiterer, anstrengender Tag.
Eine Sache hatte sich noch auf den nächsten Tag verschoben. Unser geplantes Interview wurde auf den nächsten Tag verlegt.
Chris war, wie immer, vor uns beim Frühstück. Er hatte seine erste Tasse grünen Tee bereits getrunken als ich mich an den Tisch setzte.
„Guten Morgen, Justin“, begrüßte er mich gut gelaunt, „hast du die Nacht gut überstanden oder waren die beiden Jungs wieder unanständig?“
„Hahaha, guter Spruch. Moin, Chris und ein klares Nein, es war alles bestens. Der Tag kann kommen, oder nein, erst muss ein gutes Frühstück her.“
„Na, das lässt sich doch einrichten. Lang zu und mal schauen wo denn die anderen beiden bleiben. Ob sie noch beschäftigt sind? Oder hast du sie schon gesehen?“
„Doch, klar. Sie sind schon wach und fertig mit duschen. Also sollten sie auch gleich hier sein.“
Ich holte mir vom Buffet meine Sachen auf die ich Lust hatte und nahm bei Chris wieder meinen Platz ein. In der Zeit waren auch Dustin und Fynn bereits zum Tisch gekommen. Chris hatte sie genauso gut gelaunt begrüßt und dann wurde ruhig gefrühstückt.
Während des Essens wurde nie über Tennis gesprochen. Das war Chris immer ganz wichtig. Erst nachdem alle fertig mit Essen waren, gab es den Tagesplan und die zeitlichen Abläufe.
„So, dann lasst uns schauen, wer heute eure Gegner sein werden und was zu tun ist. Dustin und Fynn werden parallel spielen. Justin heute als Letzter. Daher würde ich dich bitten, Justin, dass du mich beim Coachen unterstützt. Ich kann nicht auf beiden Plätzen zur gleichen Zeit sein.“
Für mich war das absolut selbstverständlich. Das würden meine Freunde genauso für mich machen. Chris gab jedem von uns eine präzise Gegneranalyse und legte gemeinsam mit uns eine Marschrichtung fest. Er gab keine fixen Strategien mehr vor. Wir bekamen die Informationen und dann sprachen wir uns mit ihm ab. So lernte ich immer mehr über die Denkweise vor einem Match und wusste auch, warum Chris diese Ideen entwickelt hatte. Das half mir enorm, sollte ich während eines Matches mal in Schwierigkeiten kommen.
Chris: Ein Schritt vorwärts
Ich hatte Justin zu Fynn an den Platz gebeten. Somit konnte ich bei Dustin sein. Aus meiner Sicht wäre das Erreichen des Viertelfinales sehr ordentlich, aber mein Gefühl sagte mir auch, hier wäre noch mehr möglich.
Genau das schien Dustin auch gedacht zu haben, denn er begann sehr konzentriert und druckvoll. Er ließ seinen Gegner spüren, dass er sich einiges auch zutraute. Nicht nur im Training.
Bevor sein in der Rangliste besser stehender Gegner nachdenken konnte, hatte Dustin den ersten Satz mit 6:2 gewonnen. Ich saß jedenfalls begeistert an meinem Platz und hatte jetzt nur die Aufgabe, Dustins Konzentration aufrecht zu halten. Der gute Start in den zweiten Satz würde ganz wichtig sein für den weiteren Matchverlauf.
Dustin saß entspannt auf der Bank und schaute zu mir. Die Hälfte der Satzpause war vorüber, als Dustin sich selbstständig wieder begann zu fokussieren. Ich konnte das an der steigenden Körperspannung erkennen. Das gab mir ein tolles Gefühl, denn damit zeigte Dustin einen großen Schritt nach vorn. Er hatte die Situation erkannt und wurde aktiv, um sich gut in den neuen Satz zu bringen.
Wie wichtig dieser Start wurde, zeigte sich dann beim Stand von 4:1 für Dustin. Ein kleines Konzentrationsloch brachte ein Rebreak und jetzt war ich gefragt. Bei 4:3 wurden die Seiten gewechselt. Dustin hatte aber die Chance mit eigenem Aufschlag wieder auf 5:3 zu erhöhen. Ich gab ihm zu verstehen, dass er nur nach vorn schauen und nicht über das verlorene Service nachdenken sollte.
Jetzt geschah etwas Außergewöhnliches. Dustin nickte mir sofort zu. Er wirkte aufgeräumt und fokussiert. Überhaupt nicht zweifelnd wie ich das schon so oft erlebt hatte. Nein, heute war er selbstbewusst und schien zu wissen, dass er diese Aufgabe bewältigen konnte.
Das kommende Aufschlagspiel war für mich ein Highlight. Dustin haute seinem Gegner drei Servicewinner um die Ohren und hatte somit schnell drei Spielbälle. Mit einem Serve and Volley Punkt beendete er seinen Aufschlag zu Null. Das war großes Kino und zeigte ganz deutlich, wie sich Dustin gerade im Kopf weiterentwickelt hatte.
Das Ende des Spieles ist schnell erzählt. Beide Spieler brachten ihre Aufschläge durch und damit stand Dustin tatsächlich im Viertelfinale. Ohne große Probleme, als ob er nie etwas anderes gemacht hätte. Das beeindruckte mich.
Am vereinbarten Treffpunkt erwartete mich ein strahlender Dustin.
„Boah, Chris. Das war ein geiles Spiel. Ich habe mich richtig gut gefühlt. Auch als du mich nach dem ersten Satz an die Konzentration erinnern wolltest, hatte ich das schon im Kopf, ehrlich jetzt. Als ob ich ein Programm abrufen könnte. Das habe ich so bislang noch nie gefühlt.“
„Ja, das war deutlich für mich sichtbar. Da hast du einen guten Schritt vorwärts gemacht. Das freut mich sehr. Aber du hast auch bei 4:1 gesehen, dass einen Moment unaufmerksam sein schon reichen kann, um ein Spiel aus der Hand zu geben. Umso besser war deine Bereitschaft, sich gegen diesen Trend zu stellen und wieder aktiver zu werden. Das war eine sehr gute Leistung, Dustin. Ich bin begeistert. Jetzt erhole dich und wir treffen uns dann gleich bei deinem Freund am Platz.“
Dieses Mal hatte ich bewusst auf die Hinweise zum Auslaufen und Duschen mit Physio verzichtet. Mal abwarten ob das klappen würde.
Bei Fynn am Platz empfing mich ein sichtlich gut gelaunter Justin. Schnell hatte ich erkannt, dass die beiden miteinander kommunizierten. Justin hatte gut bei mir zugeschaut.
Fynn führte im zweiten Satz 5:1, nachdem er den ersten Satz im Tie-break verloren hatte.
„Na, das schaut doch jetzt gut aus. Was war im ersten Satz? Warum war das so knapp?“
„Hi Chris, wie hat Dustin gespielt? Zumindest siehst du zufrieden aus, also hat er gut gespielt?“
„Ja, gut gespielt und gewonnen, aber erzähl mal. Was läuft hier?“
„Ich denke, Fynn hat zu Beginn zu viel nachgedacht. Er hat viel zu zögerlich gespielt. Wie mit einem Bremsklotz am Bein. Nach dem verlorenen Satz, fing er an mutiger zu spielen und weniger nachzudenken. Momentan hat er das Spiel im Griff.“
Ich beobachtete das letzte Spiel des zweiten Satzes und hielt mich noch zurück. Fynn gewann den zweiten Satz mit 6:1. Direkt nach dem letzten Punkt stürmte Fynn zur Bank und nahm sich ein neues Shirt und ein Handtuch, bevor er den Platz verließ. Justin blieb stehen, aber ich wollte dass er zumindest mitkommt.
Mit einem Handzeichen bewegte ich ihn zum Mitkommen. In der Umkleide erwartete mich ein aufgeregter Fynn.
„Bevor du mich haust, ich war im ersten Satz sowas von verkrampft und vorsichtig. Ich habe immer darauf gewartet, dass er mich mehr unter Druck setzt. Aber da kam nichts. Und dann habe ich nach dem blöd verlorenen Satz gedacht, ab jetzt gehe ich nach vorne. Und weißt du was? Ab dem Moment lief mein Spiel wie von selbst. Aber was soll ich jetzt machen? Irgendwie kann das doch nicht so einfach weitergehen.“
Ich schaute Justin an. Er hatte ja bislang das ganze Match verfolgt. Aber er traute sich nicht, jetzt Fynn eine Richtung vorzugeben.
„Pass auf, Fynn. Dein Freund hat Ähnliches in seinem Match erlebt. Ich habe von deinem Spiel noch nicht viel gesehen. Aber ich bin davon überzeugt, dass du in diesem Spiel einfach so weiter spielen solltest. Ändern können wir jederzeit noch etwas. Also bleib weiter mutig und zeig was du kannst. Ich glaube, dass dir dein Gegner heute nicht wirklich gefährlich werden kann.“
„Danke, dass beruhigt mich. Ich werde also direkt wieder so in das Spiel einsteigen.“
Danach hielt er mir seine Hand hin und Justin und ich schlugen sie ab.
Fynn war bereits unterwegs zum Platz als ich Justin fragte:
„Warum hast du ihm das nicht gesagt? Du warst doch die ganze Zeit bei ihm.“
„Weil du der Coach bist. Ich wollte dir nicht vorgreifen. Ich wusste ja auch nicht ob du vielleicht jetzt etwas verändern wolltest.“
„Gut - aber in Zukunft kannst du ruhig diese Dinge auch ansagen. Du hast es ja schon beobachtet und mir geschildert. Ich finde, ihr kennt euch jetzt gut genug, um solche Dinge auch untereinander zu regeln. Ich kann eben nicht überall gleichzeitig sein. Mir gibt es ein gutes Gefühl, wenn du solche Beobachtungen machst und das schildern kannst.“
Justin lächelte als ich geendet hatte.
Wieder am Platz angekommen, ließ sich der dritte Satz schnell erzählen. Fynn wurde immer dominanter und sein Gegner hatte keine realistische Chance mehr auf den Sieg. Mit 6:2 gewann auch Fynn sein Einzel. Justin konnte leider das Ende des guten Matches nicht mehr sehen. Er musste sich aufwärmen für sein Spiel. Da ja Dustin und Fynn bereits gespielt hatten, brauchte Justin jetzt einen anderen Partner zum Einschlagen. Dafür hatte ich einen Spieler aus dem ausrichtenden Verein gebeten. Der Veranstalter hatte das als Service angeboten, den wir gerne wahrnahmen.
Die Nachbesprechung mit Fynn verlief auch recht problemlos. Er haderte etwas mit seinem zu zögerlichen Beginn.
„Hey, hak es einfach ab. Du hast es doch selbst bemerkt und eigenständig verändert. Das ist bemerkenswert. Viele Spieler schaffen genau das eben nicht ohne Hilfe von außen. Jetzt entspannt ihr beiden euch ein wenig und dann sehen wir uns gleich bei Justin am Platz.“
Fynn schaute mich an und irgendetwas ging ihm noch durch den Kopf. Ich wartete einen Moment bis er mich fragte:
„Wann machst du mal Pause? Du wirst mit Justin das dritte Match in Folge machen. Das ist nicht gut.“
„Hahaha, ich mache Pause wenn Justin fertig ist. Vorher wird wohl schwierig. Aber danke, dass du dir Gedanken machst. Ich hoffe, dass es morgen vom Ablauf besser gehen wird.“
Fynn wirkte nicht begeistert. Aber er erwiderte auch nichts auf meine Aussage. Erst als ich bereits Mitte des ersten Satzes bei Justin am Platz saß und er mit Dustin hinzu kam, erkannte ich seine Reaktion auf meine Aussage. Sie hatten drei weiße Magnum Eis in der Hand und Fynn reichte mir eins als sie sich zu mir setzten.
„Hier, damit du wenigstens etwas Nervennahrung bekommst. Wir brauchen dich noch und zwar gesund und munter.“
„Hahaha, sehr cool. Danke schön. Das hilft schon etwas.“
Ich zwinkerte beiden zu und für einen Augenblick konnte ich meinen Fokus etwas lockern. Justin spielte aber auch ein so hohes Niveau, dass ich recht gelassen sein konnte. Bis zum 2:2 war das eher ein Abtasten des Gegners. Aber plötzlich zog Justin sein Tempo an. Er schlug mit viel mehr Härte die Bälle ins Feld und setzte seinen Gegner enorm unter Druck. Das hatte zur Folge, dass die Fehlerquote stieg. Justin hatte das Match gut unter Kontrolle und ich konnte etwas ruhiger werden. Dennoch blieb ich natürlich wachsam. Aber Justin wirkte fokussiert und ließ nichts anbrennen. Das war eine sehr souveräne Leistung, die mit einem klaren Zweisatzerfolg endete. Alle drei Jungs im Viertelfinale.
Aufgrund der Spielverläufe aller drei Jungs hatte ich mir überlegt, eine Gesprächsrunde im Hotel zu machen. Ich wollte ihre Erfahrungen reflektieren und sie darin bestärken, mehr auf sich selbst zu vertrauen.
Aber als Abschluss des Tages auf der Turnieranlage, stand das Interview mit Marco Ivanisevic noch an. Ich war gespannt in welche Richtung sich das entwickeln würde. Immerhin standen alle Jungs im Viertelfinale. Ob der Veranstalter und der kroatische Verband darüber so erfreut waren, dass hier drei deutsche Jungs die Konkurrenz so aufmischten?
Marco erwartete uns bereits als wir uns im Pressebereich trafen.
„Hallo zusammen, sehr schön, dass ihr pünktlich seid. Möchtet ihr etwas trinken?“, fragte er in die Runde.
Wir nahmen einheitlich eine Apfelschorle und dann ging es auch schon Richtung Meeting room. Der Veranstalter hatte für Pressegespräche einen Raum eingerichtet. Dort standen eine Couch und einige Sessel. Dadurch entstand eine gemütliche Situation.
„Bevor wir beginnen, lasst mich bitte ein paar Dinge mitteilen. Sollte jemand von euch eine Frage nicht beantworten wollen, darf er das natürlich auch klar sagen. Das Thema soll in erster Linie eure Entwicklung im Breakpoint Team sein, aber die ein oder andere persönliche Frage wird sicher auch kommen. Habt bitte keine Scheu es zu sagen, solltet ihr etwas nicht beantworten wollen. Da möchte ich auch Chris bitten, mir bitte ein Zeichen zu geben. Es soll für euch nicht unangenehm werden, aber ich glaube einfach, dass ihr für viele homosexuelle Spieler so etwas wie Gallionsfiguren seid.“
Meine Jungs nickten und dann stieg Marco direkt in das Gespräch ein. Nach einigen kurzen Vorstellungen der Jungs kam das Thema auf Kitzbühel und die Veränderungen danach auf das Tablett.
„Hat das Attentat in Kitzbühel eine Veränderung in der Profitennisszene ausgelöst? Oder ist es immer noch schwierig und gefährlich für euch auf Turnieren zu spielen?“, fragte Marco meine Jungs.
„Eigentlich sollte Chris als erster darauf antworten. Er war schließlich derjenige, der am meisten darunter gelitten hat“, erwiderte Dustin.
Aber Fynn hatte anscheinend auch Redebedarf.
„Es hat sich einiges verändert. Das heißt aber nicht, dass wir damit zufrieden sind. Viele andere homosexuelle Spieler trauen sich weiterhin nicht zu outen und zu ihrem Leben zu stehen. So lange das noch der Fall ist, haben wir das eigentliche Ziel nicht erreicht. Jeder Sportler soll nur aufgrund seiner Leistung beurteilt werden. Es spielt keine Rolle ob heterosexuell oder schwul. Entscheidend ist doch, dass ich den Ball besser als der Gegner in das Feld spielen kann.“
Ich musste schmunzeln. Fynn hatte viel Wahres damit gesagt.
„Ich sehe es ähnlich“, erklärte ich, „ein Spieler darf keine Angst mehr haben, dass sich seine Sponsoren und Partner von ihm abwenden, sollte er mit seinem Freund zusammen leben wollen. Es ist doch einfach nur normal. Krank ist es, wie bestimmte Länder ihre Gesetze gerade wieder verschärfen, weil es angeblich falsch ist, mit gleichgeschlechtlichen Menschen zusammenzuleben. Bestes Beispiel ist Polen. Für mich ist ganz klar, bei dieser politischen Lage werden wir niemals dort ein Turnier spielen. Und das gilt für alle anderen Länder wo ich Angst um mein Leben haben muss, nur weil ich schwul bin. Glücklicherweise gibt es ganz viele Länder wo die Menschen begriffen haben, dass Homosexualität genauso normal ist wie eine Ehe von Mann und Frau. Und wenn das Attentat von Kitzbühel dazu beigetragen hat, dass dieses Problem öffentlich wurde und jetzt vermehrt darüber gesprochen wird, dann war es doch zu etwas gut. Ich persönlich habe sehr lange unter diesen Erlebnissen gelitten. Aber jetzt haben wir auch viele neue, gleichgesinnte Freunde kennengelernt und ich bin mir sicher, es ist nur eine Frage der Zeit, wann sich weitere Spieler dazu bekennen werden.“
Ich wollte eigentlich gar nicht so bestimmt und aggressiv auf diese Situation reagieren. Aber es führte dazu, dass insbesondere Dustin und Fynn sich klar hinter mich stellten. Ganz demonstrativ nickten sie mir zu und Dustin schob noch hinterher:
„Um es klar zu sagen, dieses Erlebnis war so prägend, dass ich verstanden habe, wie wichtig es ist, Freunde zu haben und nicht mehr ständig in Angst leben zu müssen, nur weil ich Fynn als Partner habe. Wer uns das nicht gönnt, dem ist nicht zu helfen und der sollte sich warm anziehen, sollte er gegen uns auf dem Platz stehen müssen.“
Marco schien zu bemerken, dass er uns mit seiner Frage etwas aus der Reserve gelockt hatte. Das war ganz sicher nicht seine Absicht. Ich versuchte wieder ruhiger zu werden.
„Eine Sache ist mir aber auch ganz wichtig. Es gibt viele Turnierveranstalter, die sich ganz hervorragend um uns bemühen und wo wir uns sehr wohl fühlen. Auch bei den meisten Zuschauern ist es mittlerweile nichts Besonderes mehr, dass sich Fynn und Dustin offen einen Kuss geben. Eher im Gegenteil, wir erhalten viel Unterstützung. Das wir die Vorreiter sind, ist halt so. Das haben wir uns nicht ausgesucht, aber es ist eben so. Aber ich bin heute auch froh, dass sich Dustin und Fynn so entschieden haben und nicht mehr Versteck spielen. Mit Gerry Weber haben wir einen Menschen an unserer Seite, der ganz sicher nicht mehr zur jungen Generation zählt. Er hat von Anbeginn an auf unserer Seite gestanden und sich für Dustin und Fynn eingesetzt. Das sollte an dieser Stelle unbedingt erwähnt werden. Er ist ein Vorbild für andere Mäzene im Sport.“
„Das stimmt sicherlich“, stimmte Marco mir zu, „ich habe auch gehört, dass ihr mit Marc Steevens ebenfalls ein Schwergewicht im Profisport als Unterstützer habt. Steht er weiterhin an eurer Seite?“
„Ja“, antwortete Dustin, „Marc steht weiterhin hinter uns und unterstützt auch insbesondere Chris und das Team mit seiner Erfahrung und seinen Kontakten. Auch hier haben wir viele wichtige Kontakte bekommen. Wer weiß, vielleicht werden wir irgendwann einmal ein großes Turnier gewinnen und es interessiert niemanden mehr ob man heterosexuell oder schwul ist. Davon träume ich jedenfalls noch. Und, was mir ganz wichtig ist, Chris hat bislang immer dafür gesorgt, dass unsere sportlichen Träume in Erfüllung gegangen sind.“
Marco schaute Dustin und Fynn verblüfft an. Ich empfand das zu diesem Thema ein tolles Schlusswort und bat Marco das Thema zu wechseln. Daraufhin fragte er mich nach den Chancen bei diesem Turnier.
„Ganz einfach, sollten meine Jungs gesund bleiben und sie ihre normale Leistung abrufen können, ist hier alles möglich. Auch ein Turniererfolg ist aus meiner Sicht nicht ausgeschlossen. Aber warten wir es ab. Noch ist erst das Viertelfinale erreicht.“
„Was ich von anderen gehört habe“, erwiderte Marco, „haben viele Spieler vor euch Respekt. Insbesondere weil ihr als Team arbeitet und jeder für den anderen einsteht. Das ist in einer Individualsportart wie Tennis sehr selten. Ich finde es umso bedauerlicher, dass gerade euer Dachverband, der DTB, euch so wenig Unterstützung gibt. Was ich gelesen habe, ist es ja sogar eher so, dass sie euch Steine in den Weg legen.“
Obwohl Marco sicher mit dieser Bemerkung Recht hatte, wollte ich das nicht weiter aufbauen.
„Es ist sicher nicht einfach, in Deutschland von den Verbänden Akzeptanz zu erhalten und da es noch ein laufendes Verfahren gegen einen Landesverband gibt, möchte ich zu diesem Thema keine Aussage machen.“
Marco nickte verständnisvoll. Er beließ es dann auch damit und er bat uns nur, sollten wir ins Halbfinale kommen, ein weiteres Interview führen zu dürfen.
Erst als das offizielle Interview zu Ende war und ich noch für einen Augenblick mit Marco an der Theke eine Cola trank, meinte er zu dem Sachverhalt:
„Ich habe von der Klage gegen euren Landesverband gelesen. Gerry Weber hat sich richtig mit dem Verband angelegt und ich denke, es wird höchste Zeit, dass sich die Funktionäre aus dem Mittelalter heraus bewegen.“
„Es wäre schön, aber solange diese alten Köpfe dort sitzen, wird sich nichts verändern. Erst wenn andere und jüngere Personen an den richtigen Positionen sitzen, kann es sich realistisch positiv verändern. Schade, aber das ist leider so.“
Meine Jungs hatte ich bereits gebeten ihre Taschen zu holen. Ich wollte einfach runterkommen und ins Hotel zurück. An eine gemütliche Runde zum Tagesabschluss hatte ich gedacht.
Eine Stunde später saßen wir bei uns in der Hotellobby und jeder hatte etwas zu trinken. Dustin und Fynn hatten bereits einige Bilder aus München gezeigt und ich hatte noch ein paar Nachrichten aus Halle für die Jungs zur Information.
„Wenn ihr mir für einen Moment zuhören könntet, wäre ich euch dankbar.“
Sofort hatte ich ihre Aufmerksamkeit, denn so eine direkte Ansage kannten sie eigentlich nicht.
„Ist etwas passiert?“, fragte Justin sofort.
„Ich habe euch ein paar Dinge mitzuteilen. Zum einen hat Maxi die Einladung für den DTB-B Trainerlehrgang erhalten. Er wird also bei unserer Rückkehr für drei Wochen nicht in Halle sein. Außerdem hat der Umbau in der WG begonnen. Das Kellergeschoss wird umgebaut und dort wird ein weiteres, kleines Appartement eingerichtet werden. Maxi wird endgültig zurück zu seiner Mutter ziehen. Damit wird auch sein Zimmer wieder frei zur Neubelegung.“
Meine Jungs waren überrascht, aber auch erfreut. Denn sie waren schon länger der Meinung, dass die Räume im Keller besser zu nutzen wären. Thorsten hatte mit Marco bereits Gespräche geführt und ich hatte jetzt die Aufgabe, meine Jungs über die Entscheidung des Teams zu informieren.
„Bevor ihr von Carlo oder Tim wilde Geschichten hört, möchte ich euch informieren, was das Team mit den zusätzlichen Plätzen vorhat. Beim Sparkassen Cup hatte sich gezeigt, dass Simon und Mattes aus Rügen großes Talent bewiesen hatten. Wir haben sie daher eingeladen für drei Wochen zur Probe nach Halle zu kommen. Das wird zeitnah auch geschehen. Damit sie sich auch gleich einen richtigen Eindruck von der WG machen können, werden sie dann auch schon dort untergebracht werden. Ob sie letztlich bei uns bleiben, wird sich danach zeigen. Aber das Team hat die besonderen Fähigkeiten der beiden gesehen und möchte ihnen zumindest diese Probezeit anbieten.“
„Wie geil“, war die spontane Reaktion von Dustin.
Das kam so gut rüber, dass alle anderen lachen mussten. Auch ich war überrascht über diese Reaktion. Ich hatte nicht erwartet, dass Dustin und Fynn sich noch so gut an die beiden erinnern konnten. Aber da hatte ich mich wohl geirrt. Ihre Erlebnisse in Rügen waren wohl doch bleibender Natur gewesen. Umso schöner, denn dann würden sie sich sicher gut um diese beiden Jungs kümmern. Marco hatte mir bereits mitgeteilt, dass sich Carlo und Tim auf die beiden freuen würden. Also könnte das eine positive Ergänzung in der WG werden.
„Werden sie dann in diesen drei Wochen auch schon bei uns zur Schule gehen oder haben sie da Ferien?“, fragte logischerweise Fynn.
„Sie werden bei euch in der Schule sein. In dem Jahrgang von Tim und Carlo. Die beiden werden sich auch verstärkt um die Gäste kümmern. Das liegt aber nicht daran, dass Fynn und Dustin dafür nicht geeignet wären. Im Gegenteil, aber ihr seid halt viel unterwegs und wir können den beiden nicht garantieren, dass ihr die ganze Probezeit in Halle seid.“
Dustin und Fynn nickten. Allerdings war ihre Freude über diese Teamentscheidung für mich deutlich erkennbar.
„Dann wird es ja richtig lebendig in der WG. Ich finde das cool“, meinte Justin und lachte.
Ich hatte mit diesem Thema die nötige Ablenkung vom Turnierstress erreicht. Dustin und Fynn erzählten sogar noch ein paar lustige Geschichten aus ihrem Rügenurlaub, die Justin und ich auch noch nicht kannten. Mir gefiel diese lockere Gesprächsrunde sehr gut. So gingen alle entspannt gegen halb zwölf ins Bett.
Justin: Ich fühle mich richtig gut
Heute stand also das Viertelfinale beim Challenger in Split an. Schon beim Frühstück hatte ich ein gutes Gefühl und jetzt beim Einschlagen auf dem Trainingsplatz fühlte ich mich immer noch sicher und gut.
Chris hatte mit mir eine klare Strategie erarbeitet, die mir sehr entgegenkam. Ich sollte und wollte versuchen, dem Gegner mein Spiel aufzuzwingen und nicht mehr auf die Spielweise des Gegners zu reagieren. Chris hatte mir gesagt, dass ich mehr und mehr meine Stärken ausspielen und nicht mehr so abwartend sein sollte.
Er hielt mich für gut genug, dass ich hier selbstbewusst auftreten sollte. Entsprechend aggressiv haute ich Fynn meine Bälle um die Ohren. Allerdings führte das zu einer neuen Situation. Fynn musste sich mehr bewegen als es ihm recht war.
„Hey Justin, musst du mich jetzt so in die Ecken schicken? Ich will mich nur aufwärmen und noch nicht in den Wettkampfmodus gehen.“
Einerseits konnte ich natürlich verstehen, dass er seine Kräfte für sein Match aufsparen wollte, aber wie sollte ich andererseits das passende Gefühl entwickeln, ohne den Ball auch über den ganzen Platz zu verteilen?
Chris stand aber passend am Platz und er löste die Situation spontan. Er beorderte Dustin zu Fynn und so konnten sie sich das Feld aufteilen und mussten eben nicht mehr so viel laufen. Vor allem konnte ich ohne Rücksicht nehmen zu müssen, meine Bälle verteilen.
Heute war ich zuerst an der Reihe. Leicht zeitversetzt spielten Dustin und Fynn. Für Chris war das wieder mit Stress verbunden. Aber Fynn würde bei Dustin am Platz starten und Chris hatte die Idee, dass ich zumindest bald mit meinem Spiel fertig sein würde, sollte Fynn schon früher beginnen müssen.
Als ich auf meinen Aufruf wartete, spürte ich die Anspannung wieder. Es musste jetzt losgehen. Gemeinsam mit meinem Gegner betrat ich den Platz und als ich meine Tasche an der Bank abgestellt hatte, schaute ich mich einmal um. Chris saß bereits an seinem Platz und nickte mir zu. Das war beruhigend für mich.
Der Schiedsrichter machte mit uns die Seitenwahl und ich konnte mich für Aufschlag entscheiden. Chris hatte mir mit auf den Weg gegeben voran zu gehen und nicht abzuwarten.
Schon während der fünfminütigen Einschlagzeit spürte ich, dass ich die schnelleren und härteren Schläge haben würde. Komisch, das war mir noch nie so deutlich geworden bevor ich ein Match begonnen hatte.
Als das „time“ vom Schiedsrichter ertönte, nahm ich mir ein Handtuch mit auf meine Seite und trank noch einen Schluck aus meiner Flasche. Ich hatte mir bereits zwei Bälle eingesteckt und das Spiel konnte beginnen.
Heute war ich zum ersten Mal nur fokussiert, angespannt aber nicht mehr ängstlich. Ich wollte gut performen.
In meinem ersten Aufschlagspiel kam kein wirkliches Spiel zustande. Mein Gegner bekam nur zweimal seinen Schläger an mein Service. 1 : 0 Führung ohne dass ein Ballwechsel zustande gekommen war. So könnte es weitergehen, würde es vermutlich aber nicht, doch beim ersten Seitenwechsel konnte ich bereits normal mit Chris Blickkontakt aufnehmen.
Fynn und Dustin saßen jetzt auch bei Chris und zeigten mir sofort die Faust. Ein cooles Gefühl mit meinen Freunden im Rücken spielen zu können.
Jetzt war mein Gegner an der Reihe mit Aufschlag. Ich stellte mich direkt an die Grundlinie und wollte sofort aufzeigen wer hier auf dem Platz die Richtung vorgeben würde.
Ich bemerkte wie er ungläubig schaute. Sein Gegner blieb vor dem ersten Aufschlag an der Grundlinie stehen. Das irritierte ihn und ich war direkt im Vorteil.
Bevor er überlegen konnte was gerade passierte, hatte ich ihm drei Returns um die Ohren gehauen. 0 : 40 und drei Breakbälle. Das erste Break war ruckzuck geschafft und meinen Aufschlag hatte ich erneut ohne Probleme gewonnen. Bei 3 : 0 saß ich auf der Bank und blickte zu Chris. Der zeigte mir nur den Daumen hoch und nickte. Fynn und Dustin hingegen waren euphorisch und klatschten laut.
Seit langer Zeit fühlte ich mich richtig gut während eines ernsten Matches, hatte keinen Druck auf der Brust und nur pure Freude in mir über die Spielsituation. Das machte so viel Spaß. Leider hatte mein Gegner eher weniger davon. Er hatte wirklich keine ernsthafte Chance mich zu schlagen. Und genau dieses Gefühl konnte ich voll genießen, die Sicherheit, eigentlich nicht verlieren zu können. Das war mir auf diesem Niveau vollkommen neu, aber auch richtig geil.
Ich hatte also das Viertelfinale bei diesem Challenger gewonnen. Damit war das Halbfinale erreicht. Für mich fühlte sich das großartig an. Und das Bonbon, ich hatte das Gefühl, noch nicht auf einen ganz schweren Gegner getroffen zu sein.
Umso schöner das Zusammentreffen mit Chris vor der Umkleide. Eine kräftige Umarmung gab es für mich zur Belohnung.
„Du bist echt eine richtig coole Socke geworden. Sehr beeindruckend. Das darf hier gerne so weitergehen. Ich geh mal zu Dustin. Für ihn ist es immer noch ziemlich wichtig, dass ich frühzeitig bei ihm bin.“
Und schon war Chris wieder auf dem Weg zum nächsten Match. Während des Auslaufens gingen mir einige Gedanken durch den Kopf. Wird das jetzt bei Challengerturnieren regelmäßig möglich werden, das Halbfinale zu erreichen? Dann würden wir bald unter den Top 150 in der Welt stehen und nicht mehr nur in Deutschland.
Plötzlich sprach mich ein etwa dreizehnjähriger Junge auf Englisch an. Ich war überrascht, denn er hatte ein T-Shirt des Hauptsponsors an. Alle Ballkinder und Schiedsrichter trugen dieses Outfit. Wobei es nur auf dem Center Court Ballkinder gab. Die anderen Plätze hatten nicht ausreichend Auslauf um dort Ballkinder zu platzieren.
Bevor hier Fragen auftauchen, der Auslauf war ausreichend für ein offizielles Turnier, aber auf dem Center Court gab es mehr Platz. Ein Beispiel, der Court Central in Paris hatte in etwa drei Meter mehr Auslauf als ein normaler Center Court bei 250er Turnieren.
Der Junge bat mich um ein Autogramm auf einem neuen T-shirt, welches er mir hingehalten hatte. Auf Englisch fragte ich ihn:
„Warum soll gerade ich dort unterschreiben. Ich bin doch noch recht unbekannt.“
Lächelnd antwortete er:
„Weil du zum „breakpoint-team“ gehörst und ihr für meinen Bruder etwas ganz Besonderes seid. Ich möchte ihm das zu seinem Geburtstag schenken.“
Ich überlegte einen Augenblick und dann kam mir die Erleuchtung.
„Möchtest du vielleicht von uns allen darauf ein Autogramm? Also auch von Dustin, Fynn und Chris?“
„Das wäre natürlich mega. Aber ich habe noch keine Möglichkeit gehabt an Fynn und Dustin heranzukommen. Wir Ballkinder dürfen nicht viele Kontakte zu aktiven Spielern haben.“
„Pass auf, ich nehme dein T-Shirt mit und gebe es Dustin, Fynn und Chris zum Unterschreiben. Dann treffen wir uns morgen hier irgendwo und ich gebe es dir zurück. Vielleicht können wir uns auch am Abend mal zusammen treffen. Darf ich fragen, warum ist das für deinen Bruder so wichtig?“
„Weil er auch schwul ist, aber seit er sich hier im Verein geoutet hatte, wurde er häufig von Erwachsenen gemieden. Er hat daher den Verein gewechselt. Sonst würde er hier auch als Ballkind oder später vielleicht sogar als Linienrichter helfen.“
„Wie alt ist denn dein Bruder und verrätst du mir noch deinen Namen?“
„Mein Bruder ist fünfzehn, ich bin dreizehn, Dario ist mein Name und Manuel heißt mein Bruder.“
„Spielst du denn selbst auch Tennis?“, fragte ich.
„Ja, aber natürlich nicht auf diesem Niveau. Nur zum Spaß. Mein Bruder ist schon ganz gut geworden.“
Dann nahm ich das Shirt und versprach ihm, dass er es unterschrieben zurückbekommen würde. Ich musste leider weiter, damit ich nicht zu viel von Dustins Match verpassen würde. Auf dem Weg zur Dusche gingen mir Gedanken durch den Kopf. Immer wieder trafen wir auf andere homosexuelle Jugendliche. Alle hatten häufig ähnliche Schwierigkeiten. Es musste doch möglich sein, dass Homosexualität nicht mehr zu einer Besonderheit gezählt werden würde.
Ich war gespannt, wie Chris auf dieses Anliegen reagieren würde. So wie ich ihn kannte, würde er sicher versuchen für Dario und Manuel etwas zu tun.
Als ich später zu Chris an den Platz von Dustin kam, spürte ich sofort die Anspannung bei Chris. Mit einem Blick auf den Spielstand erkannte ich auch den Grund. Der erste Satz war mit 2:6 deutlich an Dustins Gegner gegangen. Im zweiten Satz stand es 5:5 bei Aufschlag von Dustins Gegner.
Ich traute mich auch nicht Chris zu stören. Bei diesem Spielstand hatte er nicht einmal bemerkt, dass ich zu ihm gekommen war. Das war auch gar nicht wichtig. Ich wusste genau wie sehr sich Chris jetzt konzentrieren musste. Für mein Empfinden spielte Dustin zu diesem Zeitpunkt gutes Tennis und ich konnte kein größeres Problem erkennen.
Im Gegenteil, Dustin gelang das Break zum 6:5. Jetzt kam von Chris auch eine emotionale Reaktion mit einem lauten „Yes“.
Das war auch der Moment in dem er mich bemerkt hatte.
„Hallo Justin. Bei dir alles gut? Physio war in Ordnung?“, fragte er mich.
„Ja, danke. Alles bestens. Aber meine Beine fühlen sich dennoch schwer an. Aber das ist wohl nach so einem Match auch nicht ungewöhnlich, oder?“
Und erstaunlicherweise fing Chris erst an zu schmunzeln und plötzlich lachte er befreit auf, umarmte mich und meinte:
„Ja, das ist schon zu erwarten. Hahaha. Sehr gut, Justin.“
Aber als Dustin sich nach dem „Time“ für seinen Aufschlag die Bälle nahm, wurde Chris sofort wieder ernst und hatte nur noch den Blick für das Spiel auf dem Platz.
Und das wurde wirklich ein kleines Drama. Dustin gewann den zweiten Satz mit 7:5 und ich hatte große Hoffnung, dass er sich jetzt befreien würde und im dritten Satz das nach Hause spielen würde. Leider gelang das überhaupt nicht. Dustin spielte wie blockiert. Das sah fast ängstlich aus. Auch Chris gelang es nicht, ihn zu beruhigen. Dustin begann zu verzweifeln. Es klappte nicht mehr viel. Und ich litt mit ihm. Ich konnte mich so in seine Situation hineindenken.
Aber Chris blieb weiterhin ganz ruhig und beim Stand von 1:4 stand Chris von seinem Platz auf. Er schaute auf den Court herab und dann sprach er zu mir:
„Dustin wird gleich sehr gefrustet sein und vielleicht auch wütend. Ich möchte, dass du einfach nur bei ihm bist und ihm etwas Freiraum verschaffst. Geht einfach eine Runde laufen oder sonst etwas. Ich muss gleich zu seinem Freund und ich möchte Dustin dort nach dem Auslaufen bei mir haben. Sollte er gleich dir gegenüber ablehnend sein, bitte sei nachsichtig. Aber er soll nicht allein irgendwohin gehen.“
„Ja, das ist kein Ding. Mir tut das schon weh, ihn so ratlos zu sehen. Hast du eine Ahnung was heute schiefgegangen ist? Warum spielt er im zweiten Satz so gut, aber im ersten und dritten Satz dann wieder so schlecht?“
„Nein, einen genauen Grund habe ich bislang auch nicht, aber das ist im Tennis manchmal so. Im Kopf sind Gedanken, die es schlichtweg verhindern, dass man sich nur auf das Spiel konzentrieren kann. Dass er gut genug ist, um dieses Spiel gewinnen zu können, das ist offensichtlich. Also ist es heute im Kopf schiefgegangen. Das kommt auch bei den absoluten Topspielern vor. Wenn auch nur noch sehr selten, aber es passiert. Davon geht die Welt nicht unter. Das wird euch mit Sicherheit auch passieren. Also bleib bitte bei Dustin oder wenn es ganz übel wird, kommt einfach zu mir. Ich weiß zwar nicht, ob es für Fynn gut wäre, wenn Dustin in diesem Zustand an seinem Platz sitzt, aber das wäre mir lieber, als dass Dustin irgendwo allein Frust schiebt und an sich zweifelt.“
„Geht klar, ich kümmere mich um Dustin.“
In diesem Augenblick war das Spiel vorbei. Dustin hatte verloren und ich machte mich auf den Weg nach unten. Chris applaudierte trotzdem und munterte Dustin auf. Ob das gerade bei ihm ankam, wagte ich zu bezweifeln. Immerhin packte Dustin seine Sachen noch recht gefasst ein und verließ den Platz.
Chris ging erst danach vom Court als Dustin bereits auf dem Gang war.
Jetzt fühlte ich mich überhaupt nicht mehr gut.
Chris: Fynn ist gut drauf, Dustin muss aufgebaut werden
Dustins Niederlage hatte auch etwas Gutes. Ich konnte meinen Jungs anhand dieses Matches erklären, dass es eben nicht in jedem Turnier ein gutes Ergebnis gibt, nur weil ich einmal in einem 250er eine gute Leistung gezeigt habe. Jedes Match, jedes Turnier begann halt wieder bei null.
Aber ich war keineswegs enttäuscht oder gar sauer über diese Niederlage. Allerdings war mir jetzt schon absolut klar, dass das Spiel mit Fynn für mich dadurch keinesfalls einfacher geworden war. Schließlich würde mich Fynn ganz sicher sofort nach Dustins Ergebnis fragen wollen.
Für einen Moment hatte ich sogar darüber nachgedacht, Fynn kein Ergebnis zu vermitteln. Aber schnell wurde mir bewusst, dass er dann noch mehr Gedanken an dieses Spiel verschwenden würde und vermutlich die Gefahr einer schlechten Leistung um ein Vielfaches ansteigen würde.
Fynn hatte bereits einige Spiele bestritten als ich an seinen Platz trat. Bei 4:1 für Fynn und auf der Bank sitzend, hatte er mich entdeckt. Natürlich war die erste Geste die Frage wie Dustin gespielt hatte.
Ich hatte mich entschieden, mit offenen Karten zu spielen. Fynn zog sofort ein trauriges Gesicht, aber entgegen meinen Befürchtungen hatte er sich schnell wieder in sein Spiel gebeamt. Nach dem „Time“ des Schiedsrichters stellte er sich zum Return und meine Neugier stieg deutlich an. Wie würde es nun bei diesem Spiel weitergehen?
Furios!
Fynn haute seinem Gegner direkt den ersten Return um die Ohren und pushte sich sofort mit der geballten Faust. Das war genau das Signal welches ich erhofft hatte. Entsprechend ging ich ebenfalls mit der geballten Faust mit.
Fynn dominierte seinen Gegner. Er zeigte ihm, dass er nicht gewillt war auch nur einen Meter nach hinten zu weichen. Entsprechend schnell stand der Gegner unter Druck und Fynn war im Vorteil.
Diesen Vorteil behielt Fynn auch im zweiten Satz und jetzt kam ein für mich ungewohntes Gefühl auf. Die Sicherheit, dass Fynn dieses Match gewinnen würde. Ich hatte heute keine Zweifel mehr, dass ihn noch irgendetwas umwerfen könnte. Außer eine Verletzung natürlich.
Und dann gab es für Fynn noch eine zusätzliche Motivationshilfe. Dustin kam mit Justin zu mir und gab seinem Freund damit natürlich noch einen Push nach vorn. Erstaunlicherweise wirkte Dustin nicht so niedergeschlagen wie ich es erwartet hatte. Aber das konnte auch täuschen, da das Spiel seines Freundes noch nicht beendet war.
Justin und Dustin feuerten ihren Freund jedenfalls euphorisch an und somit blieb Fynn auch gar nichts anderes übrig als sein Match in zwei Sätzen zu gewinnen. Damit hatten wir zwei Jungs in einem Halbfinale eines Challenger Turnieres. Die Entwicklung dieser Jungs war weiterhin von einem rasanten Tempo bestimmt.
Natürlich war Dustin schnellstens zu seinem Freund verschwunden. Justin hatte ich gebeten bei mir zu bleiben. Die ersten Minuten sollten sie für sich haben.
„Du meinst also, Fynn wird für Dustin der bessere Seelentröster sein, hihihi.“
„Hahaha, ja. Der Spruch ist richtig gut. Aber genau so hatte ich mir das vorgestellt. Wir können gleich immer noch gratulieren. Aber vermutlich wird bei Dustin die Enttäuschung noch kommen. Aber das wird sicher nicht lange anhalten. Ich habe eigentlich schon lange mit so einer Niederlage gerechnet. Denn nötig war sie nicht. Spielerisch war Dustin der bessere Akteur. Aber das reicht halt manchmal nicht aus.“
„Du hast uns das ja nicht umsonst immer wieder angekündigt. Irgendwann wird es schwieriger werden und wir werden Geduld haben müssen, um uns Step by Step weiter zu entwickeln. Bislang war das für mich eher ein Märchen was stattgefunden hat.“
Justin stand neben mir und ich musste für einen Augenblick nachdenken, ob er wirklich erst fast 17 war.
„Komm, wir können jetzt so langsam Richtung Fynn gehen. Sonst ist er schon beim Auslaufen. Ich finde, eine Gratulation sollte jetzt fällig sein.“
Auf dem Weg Richtung Umkleiden wurden wir mehrfach nach Autogrammen gefragt und immer wieder insbesondere von sehr jungen Zuschauern. Alles in Allem war die Stimmung bisher für uns sehr positiv. Hoffentlich würde das auch so bleiben.
Ein schönes Bild bot sich uns als wir vor dem Clubhaus auf Dustin und Fynn trafen. Es hatte sich eine kleine Traube gebildet und mittendrin meine beiden Jungs.
„Was ist denn hier los?“, fragte ich.
Bevor ich noch etwas machen konnte, kam von Fynn aus der Traube:
„Leute, macht mal etwas Platz für unseren Coach.“
Erstaunlicherweise bildete sich sofort ein kleiner Gang. Ich ging mit Justin zu den beiden und mit einer freudigen Umarmung von Fynn wurde ich begrüßt.
„Gratulation zu dieser tollen Leistung. Ich glaube, dass wir hier ein gutes Bild abgeben. Wie geht es dir jetzt?“
Fynn strahlte als er antwortete:
„Danke, aber es ist auch immer wieder einfach nur geil, dich am Platz zu wissen und nur auf mich selbst achten zu müssen. Hoffentlich muss ich nicht gegen Justin im Halbfinale spielen. Das wäre richtig blöd.“
„Das ist noch nicht Thema, jetzt schicke ich dich erst einmal auslaufen und dann möchte ich hier schnell verschwinden. Ich brauche auch mal etwas Ruhe.“
Und ohne große Worte gab Fynn noch zwei Autogramme und verschwand zum Auslaufen. Ich hatte erwartet, dass Dustin ihn begleiten würde, aber Dustin blieb bei uns und plötzlich wurde ich auch von einem der jungen Autogrammjägern angesprochen.
„Können wir von Ihnen auch ein Autogramm bekommen. Dann hätte ich alle von euch auf meinem T-shirt.“
Ich blickte in das Gesicht eines etwa fünfzehnjährigen Jungen, der mich freundlich anschaute.
„Na klar, wenn du mich so freundlich fragst. Aber hast du einen Stift für mich?“
Er lächelte und reichte mir seinen Edding und drehte sich um, damit ich auf seinem Rücken unterschreiben konnte. Und tatsächlich konnte ich schon die Signaturen von meinen Jungs sehen.
Es dauerte noch etwa fünf Minuten bis sich das Ganze auflöste. Es gab kein Gedränge und alle waren wirklich sehr freundlich.
Dustin, Justin und ich machten uns auf den Weg ins Clubhaus. Ich hatte Lust auf ein Eis und wollte meine Jungs um mich haben.
„Wer geht Eis bestellen?“, fragte ich.
„Eis? Da bin ich immer dabei. Wer möchte was?“, fragte Justin sofort mit einem Grinsen im Gesicht.
Schnell war klar wer was haben wollte.
„Dustin, was möchte Fynn wohl haben? Bestellst du ihm bitte eins mit. Ich denke er wird bald zurück sein.“
Mit einem Blick an den Himmel konnte ich erkennen, dass sich das Wetter verändern würde. Bislang war es recht angenehm warm und trocken. Aber die Bewölkung nahm zu und für den morgigen Tag waren Niederschläge zu erwarten.
Da es im Clubhaus sehr voll war, entschied ich mich, draußen auf der Rasenfläche Platz zu nehmen und dort auf Justin mit dem Eis zu warten. Dustin hatte sich neben mich gesetzt und wirkte jetzt nachdenklich.
„Na, worüber denkst du gerade nach?“, fragte ich.
Er wirkte fast wie ein ertappter Sünder und zuckte etwas zusammen.
„Ach, ich bin schon enttäuscht, dass ich so deutlich verloren habe. Vor allem, weil ich im zweiten Satz gut gespielt habe und es dann aber nicht zu Ende spielen konnte. Das nagt gerade etwas. Zumal Fynn und Justin es hinbekommen haben.“
„Ja, aber du fängst jetzt nicht an, an dir zu zweifeln? Dafür gäbe es nämlich überhaupt keinen Grund.“
Er schwieg und damit war für mich klar, heute Abend würde ich noch ein längeres Gespräch brauchen, um mit Dustin diesen Sachverhalt aufzulösen.
In diesem Augenblick kam Fynn vom Auslaufen zurück und hatte uns auf dem Rasen erspäht. Nach einem Kuss für Dustin fragte er:
„Was macht ihr denn hier? Gibt es etwas umsonst?“
Dabei lachte er befreit auf. Da ging mir einfach das Herz auf. Das könnte ruhig häufiger passieren.
„Ja, es gibt etwas umsonst. Chris hat uns zum Eis eingeladen und wir haben nur noch auf dich gewartet. Schau mal, Justin hat ein perfektes Timing, denn da kommt unser Eis.“
Dustin lachte jetzt auch wieder als er das gesagt hatte. Fynn stutzte und verwundert fragte er mich:
„Darf ich erst das Eis essen oder soll ich direkt duschen gehen?“
„Komm, setz dich zu uns und genieße das Eis. Es wäre doch echt blöd, wenn wir fertig sind und dein Eis inzwischen geschmolzen wäre. Also hock dich zu deinem Freund und lass uns den Tag hier mit dem Eis beschließen. Die Nachbesprechungen machen wir im Hotel und seid mir nicht böse, ich möchte heute Abend etwas entspannen.“
Obwohl keiner darauf etwas antwortete, waren alle Augen auf mich gerichtet. Ich reagierte aber bewusst nicht darauf. Ich wollte abwarten wie sie mit meiner Äußerung umgehen würden.
Die Reaktion auf meine Bemerkung ließ dann im Hotel nicht lange auf sich warten.
Nachdem wir zurück waren, hatte ich meine Jungs zur Nachbesprechung auf die Hotelterrasse gebeten. Aber erst nach einer halben Stunde Pause. Ich wollte für mich eine Übung des autogenen Trainings machen. Sabine, Marc und auch mein Therapeut hatten mir dringend geraten, häufiger solche Regenerationsphasen zu machen. Ich wollte testen, ob mir das auch wirklich gelingen würde.
Während des Tages konnte ich mir das kaum vorstellen, aber jetzt wollte ich das nutzen. Allerdings kam ich nicht direkt dazu. Justin hatte bei mir geklopft und stand nun bei mir im Zimmer.
„Was hast du auf dem Herzen was nicht bis gleich warten kann?“, fragte ich.
„Naja“, zögerte er, „wir wundern uns über deine Bemerkungen und auch, dass du jetzt eine halbe Stunde Leerlauf bis zur Nachbesprechung machst ist ungewöhnlich. Ist alles bei dir in Ordnung?“
„Ah okay, ich sehe schon. Dustin und Fynn haben dich vorgeschickt. Noch ist alles bestens, aber ich bin einfach erschöpft. Ich brauche eine Ruhephase, um gleich wieder eine gute Nachbesprechung zu machen. Ihr werdet euch daran gewöhnen müssen, dass ich mir mehr solche Pausen nehmen will. Dazu erkläre ich euch nachher noch mehr. Sei unbesorgt, es ist alles gut.“
Damit gab er sich auch ohne Nachfrage und Kommentar zufrieden.
Die Übung verlief noch nicht so wirklich gut. Ich konnte nicht direkt abschalten und runterfahren. Daher konnte ich nur einen Teil der Zeit für mich optimal nutzen. Damit war ich nicht zufrieden. Das müsste besser gehen können. Dennoch spürte ich eine Verbesserung als ich nach draußen ging und mich zu meinen bereits auf mich wartenden Jungs gesellte.
„Nanu? Bin ich etwas zu spät oder seid ihr heute besonders früh und erwartungsfroh?“
„Weder noch“, erwiderte Dustin angespannt, „wir haben uns gefragt was bei dir wirklich Sache ist. Du hast noch nie bewusst einen Erholungsabend angekündigt. Das beunruhigt mich.“
Ich nickte.
„Ja, daran werdet ihr euch wohl gewöhnen müssen. Mein Therapeut und vor allem Sabine und Marc haben mir diesen eindringlichen Rat gegeben. Das will ich ausprobieren und wenn es mir gut gefällt, werde ich das häufiger machen. Ihr seid keine kleinen Kinder mehr, die eine rund um die Uhr Betreuung benötigen. Und bevor mich Dustin gleich steinigt, ich werde auch weiterhin bei wichtigen Problemen oder Fragen für euch ansprechbar sein. Auch in meiner Auszeit. Also, für euch ändert sich nicht wirklich etwas. Ich möchte aber für mich etwas mehr tun und meinen Akku häufiger auch zwischendurch aufladen. Mein Akku ist halt schon etwas älter und muss daher häufiger geladen werden.“
Der letzte Satz hatte genau die auflockernde Wirkung, die ich bekommen wollte. Alle Jungs fingen an zu grinsen und was folgte, überraschte mich. Alle Jungs standen auf und umarmten mich. Dustin hatten sie anschließend erneut als Sprecher ausgewählt.
„Es freut uns sehr, dass du mehr auf dich achtgeben möchtest und wir unterstützen deinen Plan voll und ganz. Wir werden dich auch daran erinnern, solltest du in Zukunft nicht daran denken.“
„Alles klar. So, wer geht Getränke bestellen? Ich hätte gerne eine Apfelschorle.“
Schnell hatte Justin das wieder geregelt und wenige Minuten später hatte ich meinen Laptop geöffnet und die Nachbesprechung konnte in entspannter Atmosphäre stattfinden. Zu Fynn und Justin brauchte ich nicht viel zu erzählen. Sie hatten ihr Match äußerst souverän bewältigt und mir ging es eher um die gefühlte Wahrnehmung auf dem Platz. Da kamen einige Interessante Punkte ans Tageslicht.
„Zu Beginn habe ich immer wieder darauf gewartet, dass mich mein Gegner mehr unter Druck setzen würde und dadurch habe ich mich nicht getraut alles zu spielen was geht. Ich habe der Lage nicht getraut“, begann Fynn.
„Aber das war jetzt im Viertelfinale nicht mehr so, oder? Ich habe davon jedenfalls nichts gesehen“, fragte ich nach.
„Das stimmt. Da war es sogar eher gegenteilig. Ich hatte von Beginn an das Gefühl, dass ich ihn schlagen könnte und vor allem auch unbedingt wollte. Ich wollte dir beweisen, dass ich konsequent unsere Taktik umsetzen kann und auch zu Ende spielen kann. Und ich glaube, das habe ich auch gezeigt. Und ich möchte mich bei dir bedanken, dass du nicht versucht hast, mir Dustins Ergebnis vorzuenthalten. Trotz seiner Niederlage. Ich glaube, heute habe ich trotzdem ein gutes Spiel gezeigt.“
Danach schaute er mich so an als ob er sich gerade über seine Worte erschrocken hätte. Er wollte schon ansetzen, zu relativieren.
„Hey, lass es so stehen. Das gefällt mir richtig gut. Ich habe vor allem überhaupt nichts hinzuzufügen. Bitte für das Halbfinale nicht vergessen.“
Fynn lächelte danach. Als ob er eine Bestätigung gebraucht hätte, bekam er von Dustin einen Kuss.
„Wie hast du dich auf dem Platz gefühlt, Justin?“
„Anders als sonst. Viel selbstbewusster. Komischerweise hatte ich von Beginn an ein gutes Gefühl. Ich wollte meinem Gegner zeigen, dass ich heute der Bessere sein würde. Und ich hatte auch sehr schnell keinerlei Zweifel daran. Fass das bitte nicht als arrogant auf, ich habe es wirklich heute so gefühlt. Und das hat richtig Bock gemacht so auftreten und spielen zu können. Deine Arbeit fängt an sich auszuzahlen. Hahaha.“
„Wenn ihr dabei nicht aus den Augen verliert, dass das bei jedem Spiel anders sein kann. Nur weil wir heute eine Top-Leistung gezeigt haben, wird das beim nächsten Match automatisch nicht auch so sein. Seid weiterhin wachsam und arbeitet an euch und euren Fähigkeiten. Ich bin heute davon überzeugt, dass ihr noch lange nicht am Ende eurer Entwicklung angekommen seid.“
Dustin wirkte jetzt verunsichert und ich musste aufpassen, dass er das nicht falsch verstehen würde. Daher legte ich noch etwas nach.
„Damit Dustin jetzt keine Zweifel bekommt. Auch für dich gilt genau das was ich gerade gesagt habe. Du hast heute erlebt, dass es eben nicht selbstverständlich ist, bei jedem Match die gleiche gute Leistung zeigen zu können. Und dennoch glaube ich auch bei dir, du hast die gleichen Fähigkeiten wie alle von uns. Ich möchte dir daher anbieten, gleich noch ein wenig in aller Ruhe dein Spiel zu analysieren.“
Dustin war verunsichert, aber er entspannte sich deutlich sichtbar.
„Wolltest du nicht deinen Akku aufladen?“, fragte er vorsichtig nach.
„Danach. Das ist mir zu wichtig. Und mach dir echt keinen Kopf. Das passt alles so wie es ist.“
„Danke, das tut mir gut von dir zu hören“, kam leise von ihm zurück.
„Ich möchte jetzt für euch noch etwas erklären. Ihr fragt euch vielleicht warum arbeite ich mit einem Therapeuten? Es hat sich für mich ergeben, dass mich die Ereignisse von Kitzbühel und den anderen Situationen mehr beschäftigen als mir recht ist. Die Zeit allein hat nicht ausgereicht, dass ich damit gut umgehen kann. Deshalb habe ich mich entschieden, dies regelmäßig mit einem guten Therapeuten aufzuarbeiten. Habt ihr dazu Fragen?“
Sofort reagierte Dustin.
„Ich finde das gut. Wenn ich mit Fynn nicht so einen guten Freund und mit dir einen tollen Coach und Freund hätte, würde ich damit wahrscheinlich auch nicht umgehen können. Aber ich möchte wirklich sicher sein, dass du dich nicht überforderst. Geht es dir gut?“
„Ja, Dustin. Es geht mir soweit gut. Und ich bin zuversichtlich, dass ich auch bald diese therapeutische Unterstützung nicht mehr benötige. Jetzt empfinde ich das als Entlastung und daher setze ich das fort. Auch meine Ruhephasen während eines Turniers möchte ich als festen Bestandteil installieren. Da wo es geht, will ich das regelmäßig machen. Ich hoffe, ihr könnt das verstehen und auch akzeptieren.“
„Nein, das geht so nicht“, kam sofort von Fynn.
Alle Blicke schnellten zu ihm.
„Es ist immer möglich, wenn du das brauchst. Aber fordere es ein. Wir möchten noch lange mit dir unterwegs sein. Also das geht immer und überall. Wir werden schon eine Zeit ohne dich überleben. Hihihi. Aber wenn du länger krank wirst und wir ohne dich reisen müssen, das geht überhaupt nicht.“
„Mann, Fynn. Wie kannst du uns so einen Schreck einjagen? Aber du hast voll ins Schwarze getroffen“, grinste Justin jetzt, „Chris soll das immer machen, wenn es für ihn nötig ist. Aber er muss es auch wirklich machen.“
„Okay, ich habe euch verstanden. Habt ihr noch etwas, oder kann ich jetzt noch ein paar Minuten mit Dustin allein über das letzte Match sprechen?“
Interessant war die Reaktion der Jungs. Auch Fynn stand wortlos auf und nur mit einem Kuss ging er nach oben. Somit waren Dustin und ich jetzt allein.
„So, Dustin, jetzt erzähl mir von deinen Gedanken. Und bitte offen und ehrlich. Nur so kann ich dir richtig helfen.“
Er holte tief Luft und ich spürte sofort seine Anspannung.
„Es ist einfach frustrierend und verunsichernd wenn du überhaupt nicht das machen kannst was besprochen worden ist. Auch nach dem tollen Training und den ersten beiden guten Spielen. Was kann ich nicht, was die anderen können? Warum scheitere ich so an einem Gegner, den ich eigentlich schlagen müsste.“
Es wühlte ihn auf und es hatte ihn Überwindung gekostet es auszusprechen.
„Ja, das kann ich absolut verstehen und auch nachvollziehen. Deine Gemütslage ist gerade unangenehm. Aber ich bin sehr angetan über deine offenen Worte. Lass uns gemeinsam versuchen das zu sortieren.“
Er nickte nur, aber seine Augen sagten viel mehr aus. Es arbeitete in seiner Seele.
„Pass auf Dustin, du musst dir wegen dieses einen Spiels überhaupt keine Sorgen machen. Jedem von euch wird das passieren. Vermutlich auch nicht nur einmal. Es ist einfach nur ein klarer Beweis, wie wichtig die mentale Stärke im Spiel ist. Und die schwankt von Tag zu Tag. Ihr seid doch keine Maschinen. Heute warst du nicht in der Lage, deine normale Leistung abrufen zu können. Das ist überhaupt kein Drama. Es ist menschlich. Viel wichtiger ist es, dass du lernst dies zu akzeptieren und weiter an dir zu arbeiten. Lass dich nicht verunsichern. Du hast vollkommen recht. Dieser Gegner ist für dich an einem normalen Tag keine wirkliche Gefahr mehr. Das heißt aber nicht, dass du immer gewinnen wirst. Wie sollte es denn sonst gehen, dass ein Novak Djokovic auch verlieren kann? Er ist momentan mit Abstand der beste Tennisspieler der Welt, aber dennoch gibt es Gegner, die ihn an diesem Tag schlagen. Weil eben in der Weltspitze Kleinigkeiten über Sieg oder Niederlage entscheiden. Genau wie bei euch. Und noch einmal ganz klar formuliert, du hast keinen Grund zu zweifeln. Deine Enttäuschung ist in Ordnung und etwas Ärger ist auch erlaubt, aber jetzt gilt es, den Blick wieder nach vorn zu richten und voller Tatendrang auf das nächste Turnier schauen. Nur dann werden dich solche Situationen nicht mehr ängstigen.“
Danach gab es einen Moment der Stille. Das war angekommen. Und jetzt arbeitete es in seinem Kopf. Nach einigen Augenblicken der Stille, holte er wieder tief Luft.
„Das habe ich verstanden. Es tut gut zu spüren, dass du so viel von dem verstehst was wir machen. Mir fällt es halt schwer mich einzuschätzen, wo ich wirklich stehe. Verliere ich, weil ich vielleicht überheblich war? Oder war ich zu schlecht? Diese Unsicherheit über den Grund der Niederlage lässt mich zweifeln.“
„Ja, das kann ich nachvollziehen. Es ist aber nicht die ganze Wahrheit. Ich glaube, dass bei dir noch ein ganz wichtiger Faktor zusätzlich eine Rolle spielt. Deine Vergangenheit nämlich. Wo du herkommst und was du schon erlebt hast an Demütigungen und seelischer Verwundung. Diese Wunden sind zwar vernarbt, aber sie haben Spuren hinterlassen. Das darfst du nicht außer Acht lassen. Kannst du dich daran erinnern wie die Lage nach Kitzbühel war? Wir alle haben daran heute noch zu knacken. Jeder für sich auf seine Art und Weise. Ich habe auch gedacht, ich schaffe das ohne fremde Hilfe. Aber nach der New York Reise war mir eigentlich klar, ich brauche Hilfe. Es ist eben schwer zu akzeptieren, dass manche Dinge sich nicht so entwickeln wie man das gerne gehabt hätte. Aber wenn alles so einfach wäre, gäbe es viel mehr sehr gute Tennisspieler. So gibt es eben nur wenige Hundert, die das absolute Niveau haben.“
„Darf ich dich etwas fragen? Was ist damals in New York passiert? Wir haben eigentlich nichts bemerkt. Außer, dass Jan an einem Tag mehr klare Ansagen gemacht hatte.“
Ich schilderte ihm dieses Erlebnis von dem Weg zum Interview mit der Panikattacke und der Angst sich frei zu bewegen. Das zeigte klare Wirkung. Er war erstaunt und andererseits gab es ihm das Gefühl nicht allein mit diesen Dingen zu sein. Genau das wollte ich erreichen.
„Das heißt, da hast du für dich Hilfe annehmen können? Und trotzdem hat es noch so lange gedauert bis du endlich mit deinem Therapeuten angefangen hast? Warum?“
„Eine gute Frage. Weil ich erst absolut dazu bereit sein musste zu akzeptieren, dass es nur so gehen wird. Und dann musst du noch den richtigen Experten finden, der zu dir passt. Auch das ist nicht immer einfach.“
Plötzlich fing er an zu lächeln. Irgendetwas war passiert.
„Dann kann ich ja eigentlich sehr glücklich sein. Ich habe ja diesen perfekten Therapeuten für mich schon gefunden, nämlich dich. Du hast mich immer verstanden, auch schon ganz zu Beginn. Du hast es eigentlich schon sehr schnell gewusst, was bei mir los war, oder nicht?“
„Ja, im Prinzip schon. Mir war schnell klargeworden wie schlecht es dir damals ging. Und das wir sofort handeln mussten. Und wie ich finde, ist es uns allen recht gut gelungen, dir wieder ein lebenswertes Dasein zu geben mit einem klaren Ziel vor Augen.“
Jetzt brach Dustin ein. Dieser Satz löste ein starkes Gefühl bei ihm aus. Er stand auf und wir umarmten uns wortlos. Es war auch alles gesagt und kein Wort hätte das besser ausdrücken können, was wir gerade fühlten.
Als wir uns wieder trennten, wirkte er aufgeräumt und ich wusste, er hatte begriffen was heute passiert war.
„Bevor ich jetzt auf unser Zimmer gehe, eines möchte ich dir versprechen. Solange du mir solche Dinge so klar erklären kannst, werde ich alles dafür tun um mich weiter zu entwickeln. Es ist einfach geil mit so einem Team von Freunden das erleben zu dürfen. Und du versprichst mir, dass du mehr auf dich achtgeben wirst.“
„Ja, Dustin, das verspreche ich dir. Und das wird uns noch erfolgreicher machen. Wir achten gegenseitig auf uns. Ich bedanke mich bei dir für dieses tiefgehende Gespräch. Jetzt wünsche ich dir eine gute Nacht und wir werden morgen wieder eine tolle Teamleistung zeigen.“
Dustin: Halbfinale mit neuen Gedanken und Erkenntnissen
Mit einem Blick in den Himmel wurde mir klar, heute wird ein schwieriger Tag werden. Es regnete. Entsprechend genervt war mein Schatz schon aus der Dusche gekommen.
„Schatz, reg dich nicht auf. Du kannst das Wetter doch eh nicht ändern. Chris hat immer gesagt, nehmt die Dinge einfach so hin, die wir nicht beeinflussen können. Und das Wetter gehört sicher nun mal dazu.“
Fynn schaute mich an und plötzlich fing er an zu lachen.
„Du hörst dich echt schon genau wie Chris an. Das ist echt krass. Aber dafür mag ich dich auch so.“
Dann gab er mir einen intensiven Kuss. Da er aber nackt aus der Dusche gekommen war, gab es eine entsprechende Reaktion seiner Männlichkeit. Ich musste lachen.
„Anscheinend hast du immer noch Lust auf mich“, grinste ich ihn frech an.
„Oh ja, die habe ich“, erhielt ich als Antwort.
Dies führte dann noch zu einer kleinen Verzögerung bis wir zum Frühstück gehen konnten. Aber mir hatte das gut gefallen. Außerdem waren wir nicht unpünktlich, also alles im grünen Bereich.
„Moin, Jungs. Alles gut bei euch?“, fragte Chris gut gelaunt.
„Ja, ich bin nur tierisch aufgeregt. So oft habe ich noch kein Halbfinale bei einem Challenger gespielt“, erwiderte Fynn.
Chris lachte bei seiner Antwort:
„Ja, das ist noch so. Allerdings glaube ich, dass es in Zukunft häufiger vorkommen könnte. Also wird es Zeit, dass du dich schnell daran gewöhnst. Und deshalb setzt euch jetzt und gönnt euch ein ausgiebiges Frühstück. Der Tag wird anstrengend.“
Justin hatte sich wie immer gleich reichlich auf den Teller getan. Was der so alles essen konnte erstaunte mich immer wieder. Und er nahm dabei kein Gramm zu, gleichwohl er auch mit Chips am Abend nicht gerade sparsam war. Das empfand ich manchmal schon etwas ungerecht.
Während des Frühstücks hing jeder so seinen Gedanken nach. Tennis war wie gewohnt natürlich noch gar kein Thema. Da kam von Chris die Frage:
„Sag mal Fynn, hast du dir schon ein paar Gedanken über deinen nächsten Geburtstag gemacht? Du wirst ja nun bald achtzehn.“
Mein Schatz wirkte überrascht mit dieser Frage.
„Äh, nö. Das ist ja noch ein wenig hin. Ist doch erst in drei Wochen. Warum fragst du?“
Chris schüttelte leicht seinen Kopf.
„Warum ich wohl damit gerechnet habe, dass du dir noch keine Gedanken gemacht hast. Aber vielleicht möchten ja Luc und Stef auch zu deinem Geburtstag kommen? Die müssen da vermutlich etwas planen. Sie wohnen ja nicht gerade um die Ecke. Und vielleicht wäre ja eine gemeinsame Feier mit Dustin zu überlegen. Ihr seid ja nicht so weit auseinander.“
„Oh, das stimmt. Aber ich habe überhaupt keinen Plan ob wir überhaupt feiern können. Da ich den Turnierplan bis dahin gar nicht im Kopf habe. Aber ich würde eh nur eine kleine Feier machen wollen. Mit den wichtigsten Freunden. Allerdings sind Luc und Stef für mich schon wichtig. Da habe ich nicht drüber nachgedacht, dass die Planung hier etwas größer ist.“
Chris nickte und beließ es dabei. Justin bekam schon wieder sein Grinsen. Und da wusste ich, dass da noch etwas hinterher kommen würde, aber auch Chris hatte das bemerkt, unterließ jedoch jeglichen weiteren Kommentar.
Ich ahnte da schon, das würde noch interessant werden mit unserem Geburtstag. Ich wollte daher etwas klarstellen.
„Aber nicht, dass es so eine Überraschungsparty wird wie bei Lucs achtzehntem Geburtstag.“
Fynn schaute mich mit großen Augen an und fast panisch kam von ihm:
„Bloß nicht. Das würde ich nicht überstehen. Außerdem übersteigt das unser Budget dafür. Und wir sind auch nicht in der Schweiz, wo die Eltern wohl solche Geburtstage planen.“
„Ach“, meinte Chris lachend, „ich finde diese Regelung mit den Eltern eigentlich super gut. Es muss ja nicht gleich ein Konzertevent werden, aber ein paar Überraschungen fände ich schon schön.“
Oh, oh. Wenn Chris solche Gedanken äußerte, würde das mit Sicherheit spannend werden.
Aber Chris hatte sich das clever überlegt, es ausgerechnet jetzt anzusprechen. Damit war mein Schatz abgelenkt und wir konnten in Ruhe zu Ende frühstücken. Erst auf dem Weg zur Anlage wurde Fynn wieder unruhiger. Ich hatte wie immer seine Hand genommen und ließ ihn komplett in Ruhe. Für ihn begann jetzt bereits die Fokussierung auf sein Match.
Auf der Anlage herrschte schon richtig Betrieb. Obwohl wir noch zwei Stunden Zeit hatten bis die Halbfinals anstehen würden. Allerdings hatte ich große Zweifel ob das so stattfinden würde. Es regnete und der Himmel war in ein einheitliches Grau gefärbt.
„Bevor ihr über zu viele andere Dinge nachdenkt“, meldete sich Chris bevor wir uns bei der Turnierleitung anmelden konnten, „wir machen alles wie immer. Unabhängig vom Wetter. Es wird so lange gespielt, bis der Supervisor etwas anderes ansagt. Ich werde fragen ob wir uns in der Halle einschlagen können. Bis dahin können sich Justin und Fynn schon ganz normal aufwärmen.“
Dann verschwand Chris einfach im Gebäude.
„Wir sollten uns wohl mal umziehen und die Taschen wegbringen“, sagte Justin.
Ich nickte und mein Schatz fragte mich:
„Kommst du mit zum Aufwärmen? Oder bleibst du lieber im Trockenen?“
„Ich bleibe hier. Ihr werdet euch schon nicht verlaufen.“
Fynn nickte, umarmte mich und gab mir einen Kuss. Danach verschwanden beide in der Umkleide.
Ich stellte mich derweil unter einen der großen Schirme von Sponsoren und wartete auf Chris Rückkehr. Da ich natürlich Teamkleidung trug, dauerte es erneut nicht lange und ich hatte drei oder vier Jugendliche um mich herum, die um ein Autogramm baten. Interessanterweise wartete Chris etwas abseits stehend bis ich alle Wünsche erfüllt hatte. Als ich wieder allein war, kam er zu mir.
„Warum kommst du jetzt erst? Du lässt mich mit den Autogrammjägern allein? Ich finde, du könntest auch gut Autogramme geben“, meckerte ich, aber natürlich nicht ernst gemeint.
Chris überlegte nur eine Sekunde und antwortete:
„Du musst doch beim Schreiben im Training bleiben. Ihr tippt doch sonst nur noch auf euren Tablets, Smartphones oder ähnlichem herum.“
Na, ich hätte mir denken können, dass Chris immer den besseren Spruch auf Lager hatte.
Er reichte mir eine Base Cap gegen den Nieselregen. Ich hatte zwar eine auf, aber das war kein Team Cap. Chris meinte nur:
„Das sieht doch komisch aus. Alles wie aus einem Guss, aber oben auf dem Kopf dann aus der Art geschlagen.“
Ich nahm das Cap und dann ging es erstaunlicherweise nicht an die Plätze. Chris ging mit mir ins Clubhaus und bestellte sich einen Othello und für mich einen Cappuccino. Auch solche Dinge hatte Chris bislang sehr selten gemacht. Ich wusste gar nicht wie ich mich verhalten sollte, denn er blieb ruhig am Tisch und schaute sich das Treiben um uns herum an.
Auch als er seinen Othello bereits geleert hatte, wartete er auf mich bis auch ich meinen Cappucino ausgetrunken hatte. Das irritierte mich einfach. Diese Gelassenheit heute.
Aber den Fehler, ihn darauf jetzt anzusprechen, beging ich nicht. Erst als wir wieder draußen auf der Spielerterrasse standen, fragte ich ihn:
„Ist heute etwas Besonderes?“
„Warum?“, fragte er mit einem Lächeln.
„Naja, so gelassen und ruhig am Morgen vor den Spielen und in Ruhe mich zu einem Cappuccino einladen. Also das hatten wir noch nicht oft.“
„Wir hatten auch noch nicht oft zwei Spieler in einem Halbfinale eines Challengers.“
Chris spielte mit mir. Das spürte ich deutlich. Aber im Gegensatz zu früher konnte ich das lustig finden. Ich erwiderte auch nichts mehr. Ich spürte allerdings eine steigende Anspannung, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass bei so einem Wetter pünktlich begonnen würde.
Chris schaute sich die Plätze genau an. Er machte sogar ein paar Schritte auf einen Court und meinte:
„Ich hoffe, dass der Supervisor auf diesen Plätzen nicht spielen lässt. Das ist sehr rutschig und gefährlich.“
„Und du kannst dagegen nichts tun wenn er sagt, dass gespielt wird?“, fragte ich ihn.
„Korrekt. Es ist ganz allein seine Entscheidung. Das ist eben bei den Profis anders als bei den Amateurturnieren. Aber ich denke, zuerst einmal muss es aufhören zu regnen. Dann dauert es noch mindestens eine Stunde bis gespielt werden könnte. Warten wir mal ab. Justin und Fynn müssten eigentlich gleich zurück sein.“
Und Chris hatte ein gutes Zeitgefühl. Nach fünf weiteren Minuten waren Justin und mein Schatz auch wieder zurück. Justin wirkte nervös. Fynn hingegen nahm mich einfach mit und wir gingen ein wenig abseits.
Es waren nicht viele Leute bei dem Wetter auf der Anlage und erst recht nicht draußen unterwegs wie wir. Aber wir hatten uns ein trockenes Plätzchen unter einem Schirm an einem Außenplatz gesucht.
Dort hatten wir uns eng aneinander gekuschelt und ich fühlte mich gut. Mein Freund war bei mir und wir hatten endlich auch einmal außerhalb des Hotels so etwas wie Ruhe für uns.
„Es ist doch echt krass, was wir momentan erleben dürfen. Wir sind innerhalb weniger Monate zu möglichen Favoriten in einem Challenger Turnier geworden. Und wir dürfen es gemeinsam erleben.“
Fynn war noch nicht im Tunnel für sein Match. Das wunderte mich. Aber ich wollte jetzt auch die Gelegenheit nutzen, in Ruhe mit ihm sprechen zu können und die Minuten zu genießen.
„Ja, es ist toll und manchmal denke ich, wann ist dieser Traum vorbei? Wir haben viel geschafft und weißt du was? Wir sind noch nicht am Ende des Weges. Und wir dürfen diesen Weg auch noch zusammen bestreiten. Dank Chris, der uns immer wieder den Rücken freihält.“
Fynn schaute mich an und umarmte mich ganz fest mit einem langen Kuss. Ein unglaubliches Gefühl durchströmte meinen Körper. Als wir wieder normal auf der Bank saßen, musste ich für einen Augenblick Luft holen. So intensiv hatte ich es schon lange nicht mehr gefühlt. Entsprechend hart war meine Latte in der Hose. Es war einfach geil.
Mein Schatz hatte genau wie ich unseren Teamtrainingsanzug an. Natürlich konnte ich seine Erregung genauso gut sehen wie er meine. Mein Puls fing an zu rasen. Und Fynn schien es zu genießen. Er war gerade gar nicht gewillt, sich mit seinem bevorstehenden Spiel zu beschäftigen. Meine Aufgabe sollte sein, ihn zu beruhigen und ihm Sicherheit zu geben.
Dann legte er seine Hand auch noch genau auf meine Latte. Ein Stromstoß durchzuckte mich und es war einfach nur geil. Aber ich traute mich nicht das zu erwidern. Wir saßen draußen auf einer Bank bei einem Tennisturnier. Und es regnete.
Mein Schatz hatte andere Gedanken, denn er begann meine Latte durch die Hose zu massieren. Ich verkrampfte sofort. So geil fühlte sich das an. Dennoch traute ich mich nicht das zu erwidern. Fynn nahm mir die Entscheidung ab und führte meine Hand an seine genauso harte Latte und forderte gleiches ein.
Nach wenigen Sekunden war ich so erregt, dass ich einfach die Situation genießen wollte. Es war mir egal, dass wir draußen auf einer Bank saßen. Es war auch schnell wieder vorbei, leider, denn so schnell war ich schon lange nicht mehr zum Abspritzen gekommen. Fynn war nur wenige Augenblicke später soweit. Wir umarmten uns fest und bei dem folgenden Kuss war ich einfach nur sehr glücklich.
Das Problem einer nassen Boxershorts interessierte mich gerade überhaupt nicht mehr. Es war halt so.
Wenige Minuten später hatten wir uns in der Umkleide frische Boxer angezogen und waren auf dem Weg zurück zu Chris. Wir redeten nicht über diese Aktion, aber ich hatte es mega geil gefunden. Als wir dann bei Chris ankamen, schaute er uns an. Er lächelte nur und meinte:
„Da seid ihr ja. Setzt euch. Ich habe gerade erfahren, dass die Spiele um mindestens zwei Stunden verschoben werden. Was sollen wir tun? Ich wäre dafür zurück ins Hotel zu fahren und die Zeit dort zu nutzen sich noch etwas zu entspannen. Das Aufwärmen kann ganz normal dann stattfinden wenn wir wieder hier sind.“
„Was meinst du, Justin?“, fragte ich.
„Ich würde nicht gern hier nur rumsitzen. Es ist ungemütlich und unruhig.“
Ich schaute Fynn an und da wusste ich schon was passieren würde.
Chris: Verzögerung und interessante Vorgänge
Nachdem die Turnierleitung entschieden hatte, den Start um mindestens zwei Stunden zu verschieben, war ich mit den Jungs zurück ins Hotel gefahren. Ich hatte mich entschieden, in das Cafe gegenüber zu gehen und dort ungestört etwas zu lesen und einen guten Café Service zu nutzen, ohne die Hotelpreise.
Meinen Jungs hatte ich gesagt, dass ich dort sein würde und ihnen den Rat gegeben, sich auszuruhen und keine unnötige Unruhe zu entwickeln. Sie würden umgehend von mir informiert, sollte es neue Entwicklungen beim Wetter und der Turnierereignisse geben.
Diese Ruhe vom Turnierstress war wohltuend. Meine Gedanken kreisten einmal nicht ständig um Strategien und Gegner. Im Gegenteil, mir kam die Idee, mal bei Marc anzurufen.
„Steevens“, hörte ich seine Stimme.
„Hallo Marc, Chris hier.“
„Ja Grüezi, das ist ja eine schöne Überraschung. Bist du nicht im Halbfinalstress?“
„Nein, hier regnet es und die Spiele sind verschoben. Ich habe die Jungs ins Hotel geschickt und mir einen Cafébesuch gegönnt. Und da sitze ich jetzt auch. Wie geht es euch, was machen Luc und Stef?“
„Das hast du sicher richtig entschieden. Hier ist alles bestens. Luc muss zwar viel tun, aber Karl ist total begeistert von seinem Engagement und seinen Ideen. Stef hat sich imzwischen entschieden was er machen möchte und hat seine Ausbildung zum Erzieher begonnen. Leif hat tatsächlich ein Lehramtsstudium begonnen und insofern ist hier gerade alles sehr ruhig. Wie ist jetzt der Ablauf bei euch? Thorsten hat mir geschrieben, dass Justin und Fynn im Halbfinale sind. Das hört sich richtig gut an.“
„Oh ja, ein tolles Ergebnis und ich glaube sogar, dass da noch etwas mehr gehen könnte. Gerade Justin ist hier völlig fokussiert. Dustin und Fynn haben ihre Beziehung etwas mehr hervorholen können. Sie verstecken sich viel weniger und das tut ihnen gut.“
„Sehr schön. Eine Frage habe ich. Thorsten hat bei Heikki angefragt, ob er ein Seminar für eure Physios anbieten würde. Heikki hat wohl Lust dazu und ich würde dich fragen wollen, ob es dir recht wäre, wenn wir euch da auch besuchen würden. Luc hat schon öfter gefragt, wann er deine Jungs mal wiedersehen kann. Was meinst du dazu?“
Ich schaute jetzt in meinen Kalender, denn den genauen Termin hatte ich dafür nicht im Kopf. Bislang stand da kein Turnier an und wir würden in der Woche in Halle trainieren.
„So wie das z.Zt. aussieht, sollte da kein Turnier anliegen. Ihr seid immer willkommen bei uns. Und dass Luc und Stef bei den Jungs willkommen sind, brauche ich ja nicht besonders zu erwähnen.“
„Na, das ist doch klasse. Stef hat jetzt auch seinen Führerschein gemacht. Deshalb denke ich einen Tag Bilster Berg zu buchen. Dann können wir auch etwas Spaß haben. Was meinst du? Wie weit sind deine Jungs mit Führerschein?“
„Oh oh, da ahne ich schon wieder Böses. Hihihi. Zum Führerschein haben sie eigentlich kaum Zeit. Ich weiß, dass Fynn und Dustin mit der Theorie schon recht weit sind. Sie machen online ihre Bögen. Justin ist ja noch ein Jahr jünger. Maxi hat seine Lizenz mittlerweile gemacht und beginnt nun auch seine B-Trainer Ausbildung.“
„Ja, das hat mir Thorsten berichtet. Gefällt mir gut. Und in der WG verändert sich auch einiges hat er mir geschrieben. Ich bin sehr gespannt, was ihr da auf die Beine bringen wollt.“
„Ich auch. Ich weiß aber auch nur das, was mir Thorsten dazu geschrieben hat. Es wird Zeit, dass wir mal wieder nach Hause kommen.“
„Kann ich verstehen, aber wenn ihr mit einem Titel auf der Challenger Tour heimkommt, wäre das doch auch nicht so schlecht.“
Dabei fing er an zu lachen. Dieses Gespräch mit Marc hatte mir viel positive Energie gegeben. Einfach mal den Kopf vom Turnieralltag frei zu bekommen.
Ich hatte noch etwas Zeit und komischerweise spürte ich das Bedürfnis, meinen Bruder einmal anzurufen. Ich wusste, er ist zu Hause und nicht auf einem Turnier unterwegs.
„Hallo Chris“, begrüßte mich Jan freundlich.
„Hi Jan, keine Sorge, es ist nichts passiert. Ich dachte gerade, dich einfach einmal anzurufen . Hier regnet es und die Halbfinals sind verschoben worden.“
„Sehr schön, dass du dir die Zeit nimmst, mal etwas Ruhe zu bekommen. Ich habe von Thorsten deinen guten Bericht bekommen und muss sagen, ihr macht mir etwas Angst. Wenn das so weitergeht, machst du mir auf der großen ATP-Tour bald Konkurrenz. Aber sehr schön. Wie geht es dir?“
„Eigentlich geht es mir gut. Ich versuche den Rat von Marc und Sabine und meinem Therapeuten umzusetzen und mir die Freiheit häufiger zu nehmen, mal aus dem Tagesgeschehen kurz rauszugehen.“
„Sehr gut. Und gelingt dir das auch oder ist das schwierig?“
„Hm, es ist ungewohnt, aber hier in Split gefällt mir das ganz gut. Es ist auch eine angenehme Situation. Der Veranstalter macht einen wirklich guten Job. Da kann ich das problemlos auch machen. Meine Jungs können sich hier auch ohne meine ständige Anwesenheit frei bewegen.“
„Du wirst lernen müssen, dass du das überall machen kannst, wenn du das möchtest. Du hast genau an den richtigen Stellen begonnen, an dir selbst zu arbeiten. Das beruhigt mich. Du wirst bald merken, dass es dir ganz neue Freiräume in den Entscheidungen geben wird. Habe Geduld und beobachte dich.“
Darauf wusste ich nicht zu antworten. Jan hatte es gespürt und wechselte geschickt das Thema. Dafür war ich dankbar.
„Wie schätzt du die Halbfinalchancen ein? Wie sind Justin und Fynn drauf? Für Justin sicher immer etwas schwieriger, er hat nicht seinen Freund ständig an seiner Seite wie Fynn.“
„Darüber staune ich eh ständig. Justin ist unglaublich selbstständig und immer gut gelaunt. Nur, als er sich nach dem Unfall von Aaron allein fühlte, da konnte ich zum ersten Mal seine Angst spüren, etwas nicht bewältigen zu können. Ich habe aber mittlerweile einen recht guten Draht zu Justin. Er berichtet mir mehr als noch vor einigen Wochen und das macht es für mich auch einfacher.“
„Das ist doch schön. Ich wünsche euch ein tolles Halbfinale und bin gespannt wie das ausgehen wird. Ich werde es mir im Live Stream im Internet anschauen.“
Ach herrjeh. Das passte mir natürlich gar nicht. Aber ich konnte es eh nicht ändern, also hatte ich das bereits fünf Minuten später schon nicht mehr im Kopf. Ich ließ noch schöne Grüße an Gundi und unsere Eltern ausrichten und dann legte ich das Handy wieder auf den Tisch.
Eine Stunde und einige Latte Macchiato später bekam ich einen Anruf von der Turnierleitung. Es könnte in zwei Stunden gespielt werden. Also bezahlte ich und ging zurück ins Hotel um meine Jungs zu aktivieren.
Erstaunlicherweise waren meine Jungs nicht auf ihren Zimmern, sondern zockten mit anderen Hotelgästen im Freizeitraum. Dort standen zwei Kicker und ein Billardtisch. Justin und Fynn spielten gegen zwei Jungs aus Frankreich, die mit ihren Eltern im Urlaub waren.
„Hi Chris, wie ist die Lage an der Wetterfront?“, fragte mich Dustin, der bei seinem Freund zuschaute.
Fynn haute den Gegnern gerade ein Tor rein und ein lauter Jubelschrei folgte.
„Es soll in zwei Stunden gespielt werden. Wir müssen uns also jetzt auf den Weg machen und ihr schlagt euch dann auch ein.“
Die Jungs erklärten ihren Spielpartnern, dass sie jetzt aufhören mussten und dann ging es auch direkt zurück zur Anlage.
Mit einem Blick an den Himmel konnte ich eine leichte Verbesserung erkennen. Vor allem war es momentan von oben her trocken. Sollten die Plätze nicht mehr zu rutschig sein, würde ich Fynn und Justin sofort zum Einschlagen schicken. Sie hatten heute noch keinen richtigen Ball gespielt.
Einige Minuten später hatte ich die Erlaubnis auf Court fünf zu gehen. Dort konnten sich meine Jungs gut aufwärmen und einschlagen.
„Passt mal auf, ihr beiden“, holte ich Fynn und Justin zu mir, „ich gehe mir einen Eindruck vom Einschlagen eurer Gegner holen. Ihr macht bitte alles wie immer und achtet nur auf den Boden. Da wo es noch rutschig ist, seid ihr bitte vorsichtig. Eine Verletzung wäre jetzt nicht sonderlich geschickt.“
„Kommst du nicht mit uns mit?“, fragte Fynn etwas zögerlich.
„Nicht sofort. Ihr seid doch keine Anfänger mehr. Das solltet ihr hinbekommen. Ich komme aber gleich nach. Dustin, du passt bitte auf die beiden auf. Sollte es Probleme geben, ich bin an Platz zehn.“
Und dann ging ich einfach weg. Ich wollte ihnen damit zeigen, dass ich absolutes Vertrauen in ihre Fähigkeiten hatte und es für mich gar keine Zweifel gab, dass sie das nicht bewältigen würden.
Die Eindrücke vom Einschlagen der Gegner gab mir ein gutes Gefühl. Ich hatte meine Jungs gut auf ihr Match eingestellt und es würde heute sicher verstärkt darauf ankommen, sich mit den äußeren Bedingungen anzufreunden.
Als ich dann an Platz fünf ankam, bekam ich exzellentes Einschlagen präsentiert. Keine wilden Sachen sondern lange Ballwechsel mit steigendem Tempo. Ohne viel Laufen und sehr auf den Rhythmus bedacht.
Allerdings konnte ich bereits jetzt schon erkennen, dass die Bälle extrem die Feuchtigkeit aus dem Boden aufgenommen hatten und zu „Bleikugeln“ geworden waren. Als die beiden zu einer kurzen Trinkpause an die Bank gingen, stieß ich zu ihnen.
„Und bist du zufrieden mit dem was du von uns gesehen hast?“, fragte mich Fynn.
„Absolut, Fynn. So wie ich es von euch erwartet habe. Aber bevor ihr weitermacht, gebt mir bitte die Bälle. Das sind doch schon fast Wasserbälle. So geht das richtig auf den Arm. Hier ist noch eine Dose neuer Bälle. Über den Einfluss des Wetters sprechen wir gleich im Anschluss noch einmal ausführlicher. Jetzt macht noch etwa zwanzig Minuten weiter und dann trockene Sachen anziehen.“
Die folgenden zwanzig Minuten wurden spannend. Nicht weil Fynn und Justin sich jetzt gehen ließen, nein überhaupt nicht, das lief gut und routiniert. Aber wir bekamen Besuch von einigen dunkel gekleideten Typen.
Sie hatten sich am Rand des Platzes postiert und schauten sich erst ein paar Bälle ruhig an. Ich hatte Dustin zu mir geholt. Irgendwie hatte ich kein gutes Gefühl, aber dieses Mal hatte ich eine andere Strategie im Kopf.
Als sie dann begannen Fynn zu provozieren, wurde Dustin natürlich sofort unruhig.
„Du gehst jetzt direkt zum Turnierbüro und holst den Supervisor her. Und keine Angst, ich werde hier ruhig sitzen bleiben. Es wird kein zweites Kitzbühel geben.“
Natürlich nahmen Fynn und Justin mit mir Blickkontakt auf. Ich zwang mich ruhig auf meiner Position zu bleiben und beobachtete das Geschehen. Dass Fynn und Justin jetzt weniger gute Bälle spielten, beunruhigte mich eigentlich viel mehr. Sie wurden in ihrer Vorbereitung gestört.
Nach kurzer Zeit kam Dustin zurück. Er hatte den ATP-Supervisor tatsächlich an seiner Seite, der direkt zu mir kam und sich erkundigte was unser Problem sei. Nachdem die Gruppe der Störer erneut lautstark gegen Schwule pöbelten, reagierte er sofort. Er nahm sein Funkgerät und beorderte die Security zu unserem Platz.
Ohne überhaupt eine Diskussion mit den Leuten zu führen, wies er die Sicherheitskräfte an, diese Leute mit einem Betretungsverbot von der Anlage zu bringen. Und genau das passierte auch ohne weitere Zwischenfälle. Mein Puls beruhigte sich wieder und ich war dem Veranstalter dankbar, dass er sofort reagiert hatte.
„Woher hast du gewusst, dass die Security hier so gut reagiert?“, fragte mich Dustin immer noch etwas aufgeregt.
„Ich habe es nicht gewusst, aber ich habe es gehofft. Erinnert euch an das Interview mit Marco Ivanisevic, er hatte gesagt, dass sie hier recht loyal sind und sie Gewalt oder Diskriminierungen hier nicht dulden würden. Er hat die Wahrheit gesagt. Und ich bin gebeten worden, gleich noch einmal im Turnierbüro vorbeizugehen. Also wundert euch nicht, falls ich gleich ein paar Minuten länger weg bin.“
Dustin nickte zwar, aber in seinem Kopf arbeitete es heftig.
Ich nahm ihn in den Arm und redete ruhig auf ihn ein.
„Komm, reg dich nicht auf. Dein Freund braucht dich gleich fokussiert am Platz. Es ist nichts passiert, außer dass mein Puls deutlich erhöht war. Aber noch hält der alte Drache das gut aus.“
Er schaute mich an und zuerst kam ein:
„Blödmann“, und dann lachte er.
Damit war das für mich abgehakt. Schön habe ich gefunden, dass auch Justin und Fynn in der Umkleide wieder gelöst waren. Sofern man vor einem Halbfinale von gelöst reden kann. Aber dieser Vorfall wurde nicht mehr zum Thema gemacht. Ein gutes Zeichen.
Plötzlich fragte mich Fynn:
„Wo sprechen wir über das Wetter und die Bedingungen auf dem Platz?“
„Wir gehen in den Players Bereich. Dort haben wir unsere Ruhe. Ich würde sagen, in zehn Minuten treffen wir uns dort. Dann kann ich noch schnell ins Turnierbüro und ihr zieht euch währenddessen trockene Sachen an.“
Ich war gespannt, was mich im Turnierbüro erwartete. Aber sehr schnell spürte ich Unterstützung. Als ich den Raum betrat, wurde ich sofort zum Supervisor gebracht. Er nahm mich in Empfang und fragte:
„Ist bei euch alles in Ordnung? Es macht uns betroffen, dass es wieder zu unangenehmen Situationen für euch gekommen ist. Ich nehme diesen Vorfall sehr ernst und habe bereits die Security angewiesen, ein wachsames Auge auf euch zu haben. Wobei sie ja nicht auf euch achten sollen, sondern auf die Störer.“
„Danke der Nachfrage, aber noch geht es uns gut. Natürlich wird dieser Vorfall für meine Jungs keine gute Vorbereitung auf das Halbfinale sein. Wir können es aber nicht ändern. Aber ich freue mich natürlich über die schnelle Reaktion von euch. Das gibt mir ein gutes Gefühl. Ich brauche kein zweites Kitzbühel.“
„Absolut. Das sehe ich genauso und werde dafür sorgen, dass euch das hier nicht passieren wird. Ihr sollt euch hier sicher fühlen und vor allem seid ihr hier gern gesehene Gäste bei diesem Turnier. Das möchte ich klar sagen. Sollte euch erneut eine Gruppe auffallen, dürft ihr mich sofort informieren und ich werde reagieren. Ich will hier keine rechte Szene haben. Ich wünsche euch ein faires Halbfinale und habe angeordnet, dass immer eine Security Kraft hinter beiden Spielerbänken steht und nicht nur bei den Seitenwechseln.“
„Das finde ich korrekt und bedanke mich für die Unterstützung. Ich werde jetzt zu meinen Jungs gehen und wir sehen hoffentlich zwei gute Halbfinalspiele. Ich hoffe es bleibt trocken.“
„Ja, es sieht momentan so aus, dass wir spielen können und für morgen sieht es auch viel besser aus.“
Damit verließ ich die Turnierleitung wieder und erstaunlicherweise erwarteten mich meine drei Jungs nicht vor der Tür. Sie hatten sich wie vereinbart im Players Bereich bereits an einen Tisch gesetzt. Als ich den Raum betrat, winkte mir Justin zu.
Am Tisch fragte mich Dustin:
„Latte oder Othello? Wir waren uns nicht sicher sonst hätten wir für dich schon etwas bestellt.“
„Das ist sehr aufmerksam von euch. Ich nehme jetzt aber gern eine Latte Macchiato.“
Justin nickte und stand auf und bestellte mir an der Theke mein Getränk. Eine schöne Geste.
Er brachte mir das Glas mit an den Tisch, stellte es mir hin und nahm wieder bei uns Platz.
„Danke, Justin. Jetzt möchte ich euch kurz ein paar Dinge zum Spiel auf diesem schweren Boden mit auf den Weg geben. Der Ball wird mit jedem Spiel schwerer, weil er Feuchtigkeit und Rotgrand vom Boden aufnimmt. Dadurch lässt sich der Ball auch nicht mehr so gut beschleunigen und vor allem nimmt er weniger Spin an. Gerade für Justins Spiel ist das von Nachteil. Deine Raketengeschosse werden also langsamer und damit weniger gefährlich sein. Daher spare dir die Kraft auf wenige gute Momente und nutzt vor allem den Slice. Und ganz wichtig, nutzt die neuen Bälle aus, solange sie noch trocken sind.“
Justin stöhnte leicht und auch Fynn wirkte nicht angetan. Er fragte nach:
„Also werden die Ballwechsel länger und ich muss viel mehr Geduld aufbringen. Das ist ja wieder toll. Ich liebe das.“
„Hey, was soll das jetzt“, fuhr ich direkt dazwischen, „wir sind hier bei den Profis und nicht beim Kaffeeklatsch der Hausfrauen. Ihr seid gut genug um das umzusetzen. Wenn wir Erfolg haben wollen, müssen wir dafür hart arbeiten. Und das Wetter ist nun mal kein Wunschkonzert.“
„Ja, du hast leider wie immer recht. Dennoch macht das keinen Spaß oder halt, es macht weniger Spaß. Es ist immer noch viel besser bei schlechtem Wetter ein Halbfinale zu spielen als bei Sonne bereits im Flieger nach Hause zu sitzen. Hahaha!“
Ich schaute Fynn mit großen Augen an. Das kam so trocken rüber, dass ich einfach lachen musste. Es gab dazu auch nichts mehr hinzuzufügen.
Nachdem etwas später der Aufruf für die beiden Halbfinalspiele gekommen war, stand ich jetzt zwischen beiden Zuschauerplätzen und würde mich zu Beginn bei Justin an den Platz setzen. Fynn hatte seinen Freund am Court und ich hatte Dustin alle Informationen mitgegeben.
Die Einschlagzeit neigte sich dem Ende zu und Fynn machte einen aufgeräumten Eindruck. Auch Justin wirkte fokussiert. Hoffentlich würde Fynn heute nicht zu viel über die Situation nachdenken. Er hatte einen Gegner, der richtig gut war. Ein erfahrener Profi, der bereits viele Jahre auf der Tour gespielt hatte. Zum Ende seiner Karriere spielte er noch auf der Challenger Tour.
Justin hatte einen jungen Franzosen als Gegner. Hier war es für mich so, dass Justin sogar leicht favorisiert galt. Zumindest auf trockenem Boden. Heute war es aber nicht trocken und ich wusste nicht genau, wie sehr sich Justin disziplinieren konnte. Ich war sehr gespannt.
Mit einem kurzen Blickkontakt verabschiedete ich mich von Fynn und überließ Dustin dort die Führung.
Mein Ziel war nun mein Platz bei Justin am Court. Justin hatte die Wahl gewonnen und sich erstaunlicherweise für Rückschlag entschieden. Das war sehr ungewöhnlich.
Aber schnell konnte ich seine Absicht erkennen. Er wollte ohne Druck ins Spiel finden. Das gelang ihm richtig gut. Er spielte die ersten Punkte locker wie im Training. Ohne groß zu überlegen. Einfach intuitiv ins Feld gespielt. Dadurch entstanden vier lange Ballwechsel und es stand 30:30 als sich Justin das erste Mal zum Return an die Grundlinie stellte. Damit ging er einen Meter weiter nach vorn als zuvor.
Ich hielt für einen Moment die Luft an. Würde er jetzt schon beginnen aggressiv auf den Ball zu gehen und seiner Ungeduld nachgeben?
Nein, weit gefehlt. Er machte etwas ganz anderes. Er spielte einen Chip als Return und rückte sofort ans Netz vor.
Der Chip war ein Schlag mit einer kurzen Ausholbewegung und einem leichten Rückwärtsdrall. Damit war der Ball länger in der Luft und das gab Justin die Möglichkeit nachzurücken. Eine clevere Alternative gerade bei diesen Bedingungen.
Jedenfalls war sein Gegner überhaupt nicht darauf vorbereitet und verschlug den Passierball. Damit gab es gleich im ersten Spiel einen Breakball.
Justin blickte mit einem verschmitzten Lächeln zu mir. Meine Güte war der Junge cool. Innerlich musste ich grinsen. Aber das wollte ich ihm nicht zeigen. Ich nickte ihm zustimmend zu und beim Breakball blieb er dieses Mal an der Grundlinie. Es entwickelte sich ein langer Ballwechsel bis zu dem Moment als der Franzose einen Ball zu kurz spielte. Justin ging zwei schnelle Schritte in den Ball und hämmerte ansatzlos mit seiner Vorhand auf den Ball. Ohne Chancen schlug der auf der anderen Seite im Feld ein. Break!
Das Publikum staunte über diesen furiosen Beginn des Halbfinales. Das versprach gutes Tennis und ich war mir sicher, dass das noch nicht die letzte Überraschung von Justin gewesen sein würde.
Justin hatte gut zugehört, zeigte Disziplin und heute auch Kreativität. Seine Art den Gegner auszuspielen überzeugte mich voll und ganz. Entsprechend gut verlief der Satz und Justin gewann den ersten Durchgang mit 6:4. Mit einem Handzeichen forderte er mich auf, ihn in der Umkleide zu treffen.
Auf dem Weg dorthin musste ich bei Fynn am Platz vorbei. Dort sah es nicht so gut aus. Er lag ein Break zurück. Justin empfing mich in der Umkleide:
„Boah, Chris. Das ist so böse zu spielen. Der Ball fühlt sich an wie eine Bleikugel. Manchmal würde ich gerne mehr Druck machen.“
„Ja, ich kann mir das gut vorstellen. Aber du machst das richtig klasse. Sehr kreativ und diszipliniert. Bitte erst die Strategie ändern wenn du spürst, dass er mit deiner Art besser klarkommt.“
Justin nickte und fragte gleichzeitig:
„Wann wirst du zu Fynn gehen? Ich möchte dich bitten den Beginn des zweiten Satzes bei mir zu bleiben. Ich möchte sicher sein, dass ich noch nichts ändern muss.“
„In Ordnung, das kann ich machen, aber bei Fynn steht es grade nicht so gut. Ich möchte Dustin da auch nicht die ganze Zeit allein lassen.“
Dann war die Zeit auch schon wieder vorbei und Justin musste zurück auf den Platz. Ich ließ ihn zuerst gehen und auf dem Weg zurück, konnte ich sehen, dass Fynn den ersten Satz soeben verloren hatte.
Die Versuchung war groß, für einen kleinen Moment bei Fynn zu schauen und mit Dustin zu sprechen. Aber ich hatte Justin versprochen direkt wieder an seinem Platz zu sein. Das Wort galt für mich.
Zum Glück startete Justin gut in den zweiten Satz und bei einem Stand von 1:1 wechselte ich meinen Standort zu Dustin und ließ mir eine Lagebeschreibung geben.
„Fynn spielt richtig gut. Aber sein Gegner ist mit allen Wassern gewaschen. Der spielt nur diesen tiefen Slice von der Grundlinie und Fynn kann gar nicht offensiv werden. Der Ball springt eigentlich überhaupt nicht mehr hoch. Das kann keinen Spaß machen. Umso mehr habe ich vor Fynns Disziplin Respekt. Er hat bislang nur einmal einen Schuss angesetzt, der prompt danebenging. Ich habe allerdings auch keine Idee wie ich Fynn helfen könnte und was er ändern sollte.“
Ich schaute mir die folgenden zwei Spiele an und konnte Dustin nur zustimmen. So würde es nahezu unmöglich sein zu gewinnen. Das musste ich akzeptieren. Daher entschied ich mich für einen Strategiewechsel.
„Wir sollten Fynn sagen, dass er offensiver spielen muss. Auch auf die Gefahr hin, dass er zu viele Fehler machen wird. Aber dieses Spiel wird er unter den Bedingungen nicht gewinnen können.“
Dustin wirkte etwas enttäuscht. Er hatte vielleicht von mir noch einen anderen Plan B erwartet. Was ich verstehen konnte, aber zaubern konnte ich auch nicht. Ich hatte mich entschieden und wollte das auch anschieben. Das war nicht mehr Dustins Aufgabe.
„Kannst du bitte zu Justin gehen? Ich denke, ich werde hier jetzt gebraucht, aber ich möchte nicht dass Justin ganz allein spielen muss. Sollte sich dort etwas verändern, kommst du bitte zu mir. Er hat den ersten Satz sehr gut und clever gespielt. Aber ich rechne mit einem Strategiewechsel seines Gegners.“
Dustin schaute mich unsicher an.
„Was ist? Das hast du doch schon häufiger gemacht.“
„Ja, aber eventuell einen Strategiewechsel ansagen? Das traue ich mich nicht. Ich weiß doch gar nicht wann ich reagieren müsste.“
„Du würdest dir eher zutrauen, Fynn jetzt zu erklären, dass er offensiv werden soll?“
„Ja, weil du hier jetzt die Entscheidung schon getroffen hast. Und ich weiß wie ich das machen muss.“
Das war so eine typische Dustin Antwort. Da konnte ich auch nichts mehr drauf erwidern. Also gab ich Fynn beim nächsten Seitenwechsel nur das Signal offensiver spielen zu sollen. Nachdem er mir zugenickt hatte, verließ ich das Spiel wieder um zu Justin zurückzukehren.
Dort hatte sich ein heftiger Fight entwickelt. Justins Gegner hatte begriffen, dass es heute nicht reichen würde nur auf den Fehler zu warten. Umso schneller flogen jetzt die schweren Bälle übers Netz. Das würde Justin noch nicht bis zum Schluss durchhalten können. Beim Spielstand von 3:4 im zweiten Satz gab ich Justin während der Wechselpause Signale, dass er wieder ruhiger spielen sollte. Nicht ständig Vollgas. Justin hatte mich verstanden und nickte.
Schon beim folgenden Aufschlagspiel versuchte er nur durch einen guten Aufschlag die Ballwechsel kürzer zu halten. Das 4:4 folgte recht glatt. Jetzt hatte sein Gegner den größeren Druck. Eigentlich musste er sein Service jetzt durchbringen. Justin hatte noch keinen Breakball zugelassen und das würde für Justin ein klarer Vorteil sein.
Sein Gegner machte jetzt den Fehler, dass er Justin unterschätzte. Justin wartete eben nicht nur auf den Fehler sondern er agierte clever mit Übersicht. Er spielte einen mutigen Return. Der führte zwar nicht zu einem direkten Punkt, da der Ball einfach zu langsam war, aber er konnte sofort den Ballwechsel bestimmen.
Das führte zu einem Breakball und jetzt wurde es noch spannender. Der Schiedsrichter hatte den Ball von seinem Gegner ausgegeben und das wollte der nicht akzeptieren. Er diskutierte mit dem Stuhlschiedsrichter und das dauerte einige Zeit. Für Justin auch nicht einfach, aber cool wie er war, er setzte sich auf die Bank und nahm mit mir Blickkontakt auf.
Justin hatte bereits viele Dinge verinnerlicht und konnte sie direkt einsetzen ohne meine ständige Anleitung von außen. Nachdem der Schiedsrichter eine Zeitverwarnung ausgesprochen hatte, musste der Gegner sich wieder zum Aufschlag stellen. Justin stand ebenfalls von der Bank auf. Jetzt war ich gespannt ob er die Konzentration aufrecht erhalten konnte.
Und wie er konnte. Auf den zweiten Aufschlag folgte ein fast schon dreist gespielter Chip mit folgendem Netzangriff. Damit war das Break zum 5:4 geschafft und Justin schlug nun zum Matchgewinn auf.
Ich war nur noch auf den Moment konzentriert und wusste auch wie schwierig es jetzt für Justin sein würde zum Matchgewinn zu servieren.
Entsprechend intensiv verlief der Kontakt in der Wechselpause. Justin konnte es kaum erwarten bis das „Time“ des Schiedsrichters ertönte. Ich war mir nicht sicher ob das gut sein würde so auf das möglicherweise letzte Spiel zu lechzen.
Aber es gab einen vielleicht entscheidenden Vorteil für Justin. Es gab vor dem Aufschlagspiel noch einmal neue Bälle. Justin bekam die neuen Filzkugeln und dann hielt er mir einen Ball mit einem Grinsen hin. War der Junge cool. Und ich wusste, das war keine Arroganz. Das war das Wissen, einen Vorteil zu haben.
Und er nutzte diesen Vorteil eindrucksvoll. Mit zwei Service Winnern und einem Ass hatte er drei Matchbälle. Das Publikum klatschte laut und wirkte gleichzeitig überrascht über diese Performance von Justin. Ich saß auf meinem Platz und musste tief durchatmen. Das wurde nicht besser als Justin mit einem Doppelfehler fortfuhr. Er wollte mit einem harten zweiten Aufschlag den Sieg erzwingen. Das ging in die Hose.
Wieder stellte er sich zum Aufschlag, konzentrierte sich lange und warf den Ball hoch. Ich hielt die Luft an. Was würde kommen? Justin zog voll durch und der Ball blieb unerreichbar für den Gegner. Vorbei, das Match war zu Ende. Ich schloss für einen Augenblick die Augen und erst danach konnte ich auch jubeln und applaudieren. Justin hatte das Finale beim Challenger in Split erreicht.
Eigentlich hätte ich jetzt direkt zu Fynn wechseln sollen. Aber ich wollte diesen Moment einfach genießen. Justin packte seine Taschen, dann drehte er sich noch einmal um und zeigte zu mir mit einem befreiten Lachen im Gesicht. Das war für mich der Moment, um anschließend zu Fynn zu wechseln.
Dabei konnte ich noch sehen, dass viele junge Zuschauer am Ausgang auf Justin warteten. Sie wollten alle ein Autogramm. Erstaunlich, was sich in den letzten Monaten entwickelt hatte.
Bei Fynn erwartete mich eine komplett andere Situation. Dustin hatte wohl schon mitbekommen, dass Justin gewonnen hatte.
„Da bist du ja. Justin hat gewonnen oder?“
„Ja, woher weißt du das schon?“
„Eben ist ein Junge hier vorbei gekommen, der mir das gesagt hatte. Richtig geile Sache. Ich fürchte nur, Fynn wird es nicht so gut hinbekommen. Vielleicht bin ich auch nicht der richtige Coach, jedenfalls liegt er wieder mit einem Break zurück. Aber er spielt nicht schlecht wie ich finde.“
„Ja, Justin hat eine tolle Performance gezeigt und jetzt werden wir mal schauen, was wir für Fynn noch machen können.“
Es stand erst 3:4 im zweiten Satz. Also konnte es gar nicht so schlecht gewesen sein. Mir wurde auch sehr schnell klar, dass Fynn genau das spielte was wir nach dem ersten Satz besprochen hatten. Und das war auch gut. Aber sein Gegner war ein ausgebuffter Profi, der gut analysiert hatte, wie er Fynn schlagen konnte. Fynn fehlte es etwas an Selbstvertrauen und Erfahrung in einigen wenigen wichtigen Situationen.
Nach etwa einer Viertelstunde hatte ich wieder guten Kontakt mit Fynn und konnte ihn vor allem beruhigen und motivieren einfach genau so weiterzuspielen. Sollte sein Gegner keine Schwäche mehr zeigen, würde es halt heute nicht zum Sieg reichen. Dafür fehlte Fynn noch etwas die Routine. Kein Problem, die würde er bald bekommen durch solche Niederlagen.
Dustin hingegen wirkte enttäuscht. Es gab überhaupt keinen Grund dafür.
„Warum bist du so negativ?“, fragte ich.
„Es ist bitter zuzuschauen und ihm nicht helfen zu können. Ich finde, er ist nicht weit weg von seinem Gegner.“
„Ja, aber warum macht dich das so unruhig? Es wird immer wieder Tage geben wo man Spiele nicht gewinnt, die man gewinnen könnte. Das ist Teil des Spieles. Deshalb ist es auch so schwierig bei den besten Spielern der Welt mitspielen zu können. Ich bin mehr als zufrieden mit Fynns heutiger Performance. Bei wärmeren, trockeneren Bedingungen wäre er heute vielleicht sogar als Sieger vom Platz gegangen, aber heute war das Wetter nicht auf unserer Seite.“
Auf dem Platz neigte sich das Spiel dem Ende zu. Fynn hatte auch etwas resigniert. Er war heute nicht in der Lage ein Mittel gegen diesen Gegner zu finden. Das musste man einfach anerkennen.
„Ich möchte, dass du gleich nach dem Spiel nicht enttäuscht bist wenn du zu Fynn gehst. Ich glaube, er wird auch gar nicht so enttäuscht sein. Er hat ein exzellentes Match gemacht. Und jetzt mach dich auf den Weg zu deinem Freund. Ihr kennt ja die Abläufe.“
„Ja, ich glaube, ich habe dich verstanden und wir arbeiten weiter hart daran, solche Spiele in Zukunft dann gewinnen zu können.“
Ich zwinkerte Dustin zu und schon huschte wieder ein Lächeln über sein Gesicht. Morgen würde Justin ein Finale spielen in einem großen Challenger. Unsere Belohnung waren viele Ranglistenpunkte und ein stattliches Preisgeld.
Für mich viel wichtiger waren jedoch die neuen Erfahrungen. Die drei spürten immer mehr, dass sie kurz davor standen, den Durchbruch auf die ATP zu schaffen. Hoffentlich blieben sie geduldig und auf unserem Weg. Ich war mir heute zum ersten Mal recht sicher, dass sie eine realistische Chance hatten auf der ATP Tour erfolgreich spielen zu können.
Justin musste ich nun auf einen unangenehm spielenden Gegner vorbereiten. Da hatten wir aber einen großen Vorteil. Fynn hatte bereits gegen ihn gespielt und konnte Justin gut berichten wie sich das auf dem Platz angefühlt hatte.
Justin: Finale und ein überraschender Anruf
Obwohl ich nach dem Halbfinale richtig kaputt war und ein wenig Angst vor dem heutigen Finale hatte, blieb Chris bei seiner Linie. Er hatte uns einen freien Abend gegeben. Dustin und Fynn hatten das natürlich dazu genutzt, um sich mit sich selbst zu beschäftigen. Chris schien das geahnt zu haben, denn er hatte mich gefragt ob ich Lust hätte, mit ihm ein wenig in die Stadt zu gehen. Trotz der müden Beine tat mir das gut. Chris erzählte mir ein paar Dinge aus seiner Zeit als junger Spieler. Das war sehr interessant für mich. Auch, wie er damals unter seinem Vater gelitten hatte und deshalb sehr früh die Lust am Leistungssport Tennis fast verloren hatte.
Heute früh gab es noch eine große Überraschung. Das Wetter war komplett umgeschlagen und die Sonne stand an einem wolkenlosen Himmel. Es war gerade einmal neun Uhr am Morgen. Dennoch hatten wir bereits angenehme 23 Grad. Das würde viel mehr Freude machen als gestern bei dem schweren Boden.
Dustin und Fynn hatten sich bereits zu uns gesetzt und während des Frühstücks war Tennis wie immer noch kein Thema.
„Na, ihr zwei“, begrüßte Chris Dustin und Fynn, „habt ihr auch einen schönen Abend gehabt?“
„Ja“, kam sofort mit einem Grinsen von Fynn, „es war sehr schön. Und jetzt schaue ich nach vorn und hake das Halbfinale ab. Ich werde Justin dafür sicher ein paar Hinweise geben können, wenn das gewünscht ist.“
Fynn wirkte aufgeräumt und echt gut gelaunt. Das überraschte und freute mich gleichzeitig.
„Sicherlich wird deine Expertise gleich benötigt. Aber erst wird in Ruhe zu Ende gefrühstückt. Wir haben noch genug Zeit für die strategische Ausrichtung.“
Chris gab gleich wieder klare Strukturen und holte sich einen neuen Kaffee von der Anrichte.
„Wenn du mit Chris keinen Stress möchtest, solltest du jetzt lieber nicht mehr von Tennis sprechen“, gab Dustin seinem Freund leise einen Hinweis.
Im Gegensatz zu früher fing Fynn an zu lachen und meinte:
„Danke für den Hinweis, aber ich bin nicht total blöd. Ich weiß auch, dass Chris das beim Frühstück nicht mag.“
Dann gab er Dustin einen Kuss und holte sich auch noch ein neues Brötchen und frischen Kakao.
Chris kam zurück und schaute uns an. Fing an zu lächeln und schwieg. Das machte mich immer wieder unruhig. Dieses Mal hatte es Dustin leider auch bemerkt.
„Hey Justin, du kannst dich abregen. Chris wird jetzt eh nichts mehr sagen. Allein schon nur deshalb, damit du lernst ruhiger zu werden.“
„Jetzt tu nicht so, dass du früher so gut abwarten konntest“, konterte Chris sofort.
Jetzt musste ich lachen. Schon hatte Chris die Situation aufgelockert und die Stimmung blieb jetzt bis zur Anlage bestens. Erst als ich eine Stunde später mit Chris das Clubhaus betrat spürte ich die Aufregung kommen. Dustin und Fynn gingen schon zur Umkleide. Fynn wollte mit mir das Einschlagen machen. Aber Dustin begleitete ihn natürlich. Ich hatte bereits im Hotel meine Sachen angezogen und konnte direkt auf den Aufwärmplatz.
Ich schaute auf die Uhr und stellte fest, dass es Zeit war zum Platz zu gehen. Chris hatte noch ein halbvolles Glas seiner Latte Macchiato vor sich stehen und machte keinerlei Anstalten aufzustehen.
„Was für ein Problem hast du?“, fragte er mich mit einem Lächeln.
Irgendwie hatte ich das Gefühl, Chris provozierte mich ganz bewusst.
„Ich möchte zum Platz gehen. Fynn ist doch bestimmt direkt dorthin gegangen.“
„Und wo ist das Problem? Mach das doch einfach. Ich muss dir dabei doch nicht das Händchen halten. Du weißt ganz genau was zu tun ist. Machst du heute ja nicht zum ersten Mal. Ich komme gleich hinterher. Keine Sorge.“
Also ging ich alleine zum Aufwärmen und Einschlagen. Ich hätte mir gewünscht, Chris würde mich begleiten, denn ich war mittlerweile ziemlich aufgeregt.
Das Einschlagen selbst war wie immer. Da konnte ich sogar etwas meine Nervosität verbergen. Allerdings gab es für mich diesen Moment, als Chris zu uns an den Platz kam: Meine Sicherheit kehrte zurück, sowohl bei den Schlägen als auch im Empfinden.
Chris stellte sich hinter mich an den Zaun. Ganz ruhig beobachtete er meine Schläge. Und diese Ruhe strahlte er auch aus. Es gab mir sowohl ein gutes Gefühl als auch Sicherheit.
Nach nur einer halben Stunde brach Chris das Einschlagen ab. Ich drehte mich überrascht um und Chris kam auf mich zu.
„Wir beide unterhalten uns gleich einmal. Und zwar ohne Fynn und Dustin. Nur wir beide.“
Ich ging zur Bank und wollte mit Fynn den Platz abziehen als Chris meinte:
„Nimm nur deine Tasche bitte von der Bank und komm mit. Dustin wird für dich abziehen.“
Chris verließ den Platz und suchte sich unter einem der Bäume einen schattigen Platz auf dem Rasen. Dort wartete er auf mich. Meine Unruhe stieg wieder enorm an. Was war passiert?
„Setz dich einfach bequem zu mir auf den Rasen. Kannst du dir vorstellen, warum ich mit dir jetzt sprechen möchte?“
„Ehrlich gesagt nein. Um die Strategie kann es ja nicht gehen, Fynn ist nicht dabei.“
„Richtig, gut kombiniert. Nein, es geht mir um etwas vollkommen anderes. Es geht um deine Art mit Gefühlen umzugehen. Den Guten wie den Schlechten. Vor dem Einschlagen hast du ein Problem mit der Situation gehabt, dass ich nicht mit dir zum Platz gegangen bin. Aber du sprichst nicht mit mir darüber, sondern gehst dann mit einem schlechten Gefühl zum Einschlagen. Ist das sinnvoll?“
Es war mir ein vollkommenes Rätsel wie er das wieder erkannt hatte.
„Ähm, nein, sinnvoll sicher nicht. Aber…“
Ich wusste nicht wie ich das ausdrücken sollte. Chris blieb ruhig neben mir sitzen und ließ mir Zeit.
„…es ist für mich schwierig einen Wunsch oder ein Gefühl zu beschreiben. Aber es stimmt schon, ich hätte es heute gern gehabt, wenn du mich begleitet hättest.“
„Was ist für dich schwierig? Es überhaupt zu sagen oder ist es ein sprachliches Problem?“
Chris nahm mich ernst und machte keinerlei Anspielungen. Mein Puls raste jetzt zwar, aber irgendwie fühlte ich mich sicher als ich ihm antwortete:
„Überhaupt Bedürfnisse klar zu äußern. Ich weiß ja, dass ich auch jederzeit in Englisch mit euch sprechen könnte, falls mir die Worte im Deutschen einmal fehlen sollten.“
„Genau, das ist beruhigend, dass du das weißt. Ich habe vorhin sofort gespürt, dass bei dir heute etwas anders ist als sonst. Ich finde das vollkommen normal, dass du heute vielleicht sogar etwas verunsichert bist. Aber wenn du mir nicht mitteilst, dass du heute gern etwas mehr Unterstützung von mir haben möchtest, dann kann ich das nicht wissen. Und du würdest unzufrieden und vielleicht sogar unsicher in dein erstes Finale in einem Challenger Turnier gehen. Das ist doch bescheuert, oder nicht? Zumal ich dir mit Sicherheit diesen Wunsch nicht abschlagen würde. Das solltest du mittlerweile wissen.“
Obwohl Chris ruhig blieb und ich es nicht als meckern empfand, fühlte ich mich unwohl. Ich überlegte einen Moment, dann hatte ich mich entschieden.
„Es ist halt echt schwierig für mich. Mein Vater hat immer darauf bestanden, dass ich so früh wie möglich eigene Entscheidungen treffe und mich unabhängig mache. Ich habe vorhin gedacht, bei Dad würde das einen riesigen Aufstand geben, wenn ich um Hilfe bitten würde. Er hätte mich ausgelacht. Das will ich mir nicht mehr geben. Und bevor du darauf etwas antwortest, ich bin mir absolut bewusst, dass du mich niemals auslachen würdest. Dennoch sitzt das so tief in mir. Es tut mir leid, wenn ich dich jetzt enttäuscht habe.“
„Stopp, Justin. Warum solltest du mich enttäuscht haben? Im Gegenteil, ich finde es ganz toll wie du mir deine Empfindungen und Gedanken beschreibst. Das kann ich bestens nachempfinden. Lass uns doch gemeinsam daran arbeiten, dass du es bald anders machen kannst. Ich habe heute gelernt, dass du in dieser Situation nicht so selbstbewusst bist wie du nach außen wirkst. Da kann ich dich besser unterstützen. Und jetzt möchte ich wissen ob du noch etwas auf der Seele liegen hast oder ob wir direkt zur Strategie übergehen sollen?“
„Ja, eine Sache habe ich noch. Warum hast du heute deinen neuen Hut noch nicht aufgesetzt? Die Sonne brennt und du hast nicht einmal ein Cappi auf.“
Er schaute mich an, fing an zu schmunzeln und dann richtig laut zu lachen.
„Hahaha, wirklich sehr gut. Danke, Justin. Ich habe ihn dabei. In meiner Tasche, die ich bei Dustin abgegeben habe. Also ich werde ihn gleich während deines Spieles aufsetzen. Ganz bestimmt.“
In diesem Moment klingelte mein Handy. Ich schaute auf das Display und Chris nickte mir nur zu.
„Ja?“, meldete ich mich.
„Hallo mein Sohn“, hörte ich die Stimme meiner Mutter.
„Mum? Das ist ja eine tolle Überraschung.“
„Ich möchte doch nicht versäumen, dir vor dem ersten großen Finale alles Gute zu wünschen und dir den Hinweis geben, vertraue dich mit deiner Aufregung und deinen Gefühlen Chris an. Er wird wissen wie er dir helfen kann. Alle sind enorm stolz auf deine Leistung das Finale erreicht zu haben. Genieße das Spiel und dann ist hier noch jemand, der unbedingt mit dir sprechen möchte.“
Ich war komplett überrascht von diesem Anruf und wer wollte jetzt noch mit mir sprechen?
„Hallo Justin“, vernahm ich die Stimme meines Bruders, „ich drücke dir alle Daumen und wehr dich. Du kannst heute gewinnen und ich darf sogar zuschauen. Darauf freue ich mich ganz besonders.“
Das haute mich wirklich komplett um. Natürlich hatte Chris das ganze Gespräch in meiner Nähe mitbekommen. Als ich das Handy weggelegt hatte, fragte er:
„Na, ist uns diese Überraschung gelungen?“
„Ohja, vollkommen. Sie haben dich echt gefragt ob sie anrufen dürfen?“
„Ja, deine Mutter hat mich schon gestern angeschrieben und gefragt ob es dir gut tun oder eher hinderlich sein würde. Und ich war der Meinung, dass sie das ruhig häufiger machen dürfen. Gerade für Aaron ist so ein Kontakt zu dir jetzt besonders wichtig.“
Und jetzt legte Chris mir seinen Arm auf die Schulter und auch Fynn kam zu uns. Fynn setzte sich still zu uns auf den Rasen. Chris spürte meine Aufregung und strahlte eine Ruhe aus, die einfach ansteckend war.
„Fynn wird uns jetzt mal von seinem Match berichten und wie wir gemeinsam gegen den Knaben gewinnen werden.“
Was war das denn? Chris hatte zum ersten Mal vor einem Spiel gesagt, dass wir gewinnen werden!
Fynn schilderte seine Eindrücke und Chris unterbrach ihn nicht einmal. Erst als Fynn mit seinen Gedanken fertig war, meinte Chris:
„Also, klare Ansage. Heute kannst du voll zur Attacke blasen und deine Aggressivität ausleben. Aber kein blindes Geballer, sondern konstruktiv den Ballwechsel aufbauen, aber da, wo es dann möglich wird, sofort drauf. Er darf nicht ausreichend Zeit bekommen, sein defensives Spiel aufzubauen. Dann macht er viele Fehler.“
Diese Strategie machte Hoffnung. Nicht viel taktieren, sondern das Spiel bestimmen. Zumindest versuchen.
Dustin stieß nun auch zu uns und er hatte die Tasche von Chris dabei. Und Chris hielt Wort. Er griff direkt hinein und holte sich den Hut hervor. Dazu seine dunkle Ray Ban Brille und die Verwandlung war perfekt. Dieses Outfit hatte fast etwas Bedrohliches an sich.
„So Jungs, es wird ernst. Justin sollte sich bereit machen. Und nicht wundern. Es wird vor dem Match und während der Einschlagzeit eine kurze Vorstellung der Spieler geben. Ich werde mich jetzt auf den Weg zum Center Court machen und meinen Platz in der Box einnehmen.“
Chris stand auf und ich tat es ihm gleich. Er drehte sich noch einmal zu mir und umarmte mich mit den Worten:
„Geh auf den Platz ohne Angst. Spiel einfach und alles wird gut. Wir werden immer an deiner Seite stehen.“
Danach trennten sich unsere Wege und ich ging meine Tasche holen. Was ich klasse fand. Dustin und Fynn blieben bis zuletzt bei mir.
Ab jetzt war ich im Tunnel und das wussten die beiden am besten. Sie ließen mich einfach in Ruhe. Blieben aber bei mir. Als dann der Supervisor in die Umkleide kam, um uns zum Platz zu bringen, schlug mir mein Herz bis zum Hals.
Ab jetzt war ich allein mit meinem Gegner.
Chris: Was für ein Match
Das Finale begann mit einem neuen Verhalten von Justin. Schon beim Betreten des Platzes suchte er zu mir Blickkontakt. Beim Tasche ablegen an der Bank wirkte noch alles normal, aber als der Schiedsrichter zur Platzwahl bat, erkannte ich Justins Anspannung. Hoffentlich würde er sich nicht selbst zu viel Druck machen.
Während des Einschlagens kamen Dustin und Fynn zurück zu mir und nahmen neben mir Platz. Die Spielerbänke hatten große Sonnenschirme. Leider hatte unsere Box keinen Schutz. Umso wichtiger waren unsere Hüte. Auch Dustin und Fynn trugen ihre Hüte passend zu mir.
Die Sonne stand fast am höchsten Punkt als das Match begann. Wie gut, dass wir an die Hüte gedacht hatten. Sie erfüllten bestens ihre Aufgabe.
Justin startete furios in das Spiel. Gleich im ersten Aufschlagspiel hämmerte er seinem Gegner drei Asse und einen direkten Punkt um die Ohren. Es ging ein Raunen durch die Zuschauerreihen.
„So darf Justin gerne weitermachen, oder Chris?“, grinste Dustin.
„Ja, ein guter Start ins Match. Kann gerne so bleiben“, erwiderte ich.
Allerdings war das natürlich nicht ganz ernst gemeint, denn so einfach war ein Finale nun doch nicht zu gewinnen.
Aber der erste Satz entwickelte sich tatsächlich so. Justin machte keinerlei Kompromisse und zeigte mir, dass er sich weiterentwickelt hatte. Dort wo Geduld erforderlich war, spielte er zwar druckvoll, aber nicht stumpf draufgehauen und wenn er eine Chance sah, setzte er zum Schuss an. Sein Gegner hatte kaum Möglichkeiten, sein defensives Spiel aufzubauen. Ich konnte nur staunen und mich freuen. Unsere gemeinsame Arbeit zeigte Fortschritte und sollte das heute so bleiben, würde Justin seinen ersten Titel bei einem offiziellen ATP-Challenger holen. Der erste Satz ging mit 6:2 ungefährdet imd deitlich an Justin und mein Herz machte Freudensprünge.
Auch nach so einem klar gewonnenen Satz machte Justin weiter mit den gelernten Abläufen. Er verließ den Platz und forderte mich mit einem Handzeichen auf, sich mit ihm zu treffen.
Joggend machte ich mich auf den Weg. Justin erwartete mich bereits in der Umkleide.
„Worauf muss ich jetzt achten? Kann er mir noch gefährlich werden? Ich finde es gerade mega geil auf dem Platz.“
„Das glaube ich sofort. Geht mir auf der Tribüne auch so. Mega geil. Aber natürlich kann er dir noch gefährlich werden, aber nicht weil er besser spielen wird, sondern weil du vielleicht nachlässt und dich nicht mehr voll konzentrierst. Sei weiter bei jedem Punkt wachsam und spiele mit Kopf. Ich glaube, du kannst dir heute beweisen wie sehr du dich weiterentwickelt hast. Bis hierhin bin ich beeindruckt und sehe mich bestätigt, dass wir nicht viel falsch gemacht haben. Großes Kino! Mach weiter so und denk nicht über andere Sachen nach. Du bist nur auf dem Platz.“
Danach hielt ich ihm meine Hand hin zum Abschlagen. Aber er machte einen Schritt auf mich zu, umarmte mich verschwitzt und ein „Danke“ folgte. Das berührte mich emotional.
Auf dem Weg zurück zum Platz gingen mir Gedanken durch den Kopf, die aber auch überhaupt nichts mit diesem Match zu tun hatten. Ein emotionales Chaos im Kopf. Von tollen Erlebnissen mit den Jungs bis hin zu den Bildern von Kitzbühel. Und bei Letzteren bekam ich eine Gänsehaut und wieder Herzrasen. Das fühlte sich unangenehm an.
Als ich wieder auf meinem Platz saß, beruhigte ich mich auch wieder. Atmete zwei- oder dreimal tief durch und dann lag mein Fokus erneut nur auf dem zweiten Satz.
Justin begann etwas weniger aggressiv, aber er hatte das Match gut unter Kontrolle und führte mit 4:3. Ich war gespannt, ob das erste Anzeichen von Müdigkeit waren oder ob sich Justin für das Ende des Satzes dann alle Energien aufsparen wollte.
Die Kommunikation mit Justin lief perfekt. Immer wieder nach einem Ballwechsel schaute er zu mir. Er brauchte heute anscheinend mehr Zuspruch und Bestätigung. Plötzlich fragte mich Fynn:
„Geht es dir wieder besser? Justin macht ein grandioses Spiel. Ich glaube, das wird er heute gewinnen.“
Justin saß noch auf der Bank als ich Fynn anschaute. Hatte er vorhin wirklich bemerkt, dass ich außerhalb der Komfortzone gewesen war?
„Ja, es geht wieder besser. Nach dem ersten Satz hatte ich tatsächlich ein paar unangenehme Gedanken. Jetzt ist aber gar keine Zeit mehr für solche Gedanken. Justin muss noch zwei Spiele gewinnen, dann ist der Titel seiner.“
Dustin zuckte sofort nach meinen Worten und ich konnte sehen wie Fynn seinen Freund zurückhielt. Das half und Dustin blieb sitzen und sagte auch nichts.
Beim nächsten Seitenwechsel zeigte die Anzeigentafel 5:4. Das Spiel lief gut, aber Justin spielte kaum noch spektakuläre Bälle. Glaubte er wirklich, dass er so sicher gewinnen würde? Ich war da anderer Meinung. Justin sollte wieder mehr Druck aufbauen und sich nicht auf einen Tie-Break einlassen.
Also signalisierte ich ihm wieder, mehr nach vorn zu spielen und auch die eine oder andere Rakete zu zünden. Justin schaute zu mir, zögerte einen Moment und plötzlich schmunzelte er. Mit einem Lächeln im Gesicht ging er auf seine Seite, legte sein Handtuch auf die Bande und nahm die Position zum Return ein.
Allerdings war mir sofort klar, das Abwarten würde jetzt zu Ende sein. Justin stellte sich direkt an die Grundlinie und damit einen Meter weiter nach vorn als bislang in diesem Satz.
„Ich glaube, jetzt wird Justin noch einmal ein Feuerwerk auspacken. Schau mal wo er sich hingestellt hat“, lachte Fynn und zeigte auf den Platz.
Ich war zu angespannt, um darauf antworten zu können. Der erste Return schlug jedenfalls extrem schnell auf der anderen Seite ein. Der Gegner erreichte den Ball zwar noch, aber Justin war ans Netz nachgerückt und machte einen Volleypunkt. Das Publikum war so überrascht, dass es einige Sekunden dauerte bis lauter Jubel aufbrandete.
Nach zwei hart umkämpften Punkten stand es 15:30 und der erste Aufschlag war im Netz gelandet. Jetzt noch einmal einen guten Return, Justin. Mein Herz pochte und meine Gedanken waren komplett auf dem Platz.
Unfassbar! Justin spielte auf den zweiten Aufschlag einen Stopp! Das war nicht zu glauben. Und er machte den Punkt damit. Matchball!
Die Zuschauer flippten komplett aus. Der Gegner allerdings auch. Das war schon fast eine Provokation von Justin, aber so cool gemacht.
Es brauchte einige Momente bis wieder Ruhe herrschte. Allerdings handelte sich der Gegner noch eine Verwarnung ein. Er hatte sein Racket aus Frust zertrümmert. Vielleicht würde dieser Moment die Entscheidung bringen. Justin blieb hochkonzentriert und erwartete den Aufschlag. Keine Mätzchen, keine weitere Provokation. Nur der nächste Punkt schien wichtig.
Der erste Aufschlag flog einen Meter ins Aus. Wieder Unruhe bei den Zuschauern. Justin blieb ruhig, im Gegensatz zu mir, ging einen Schritt nach vorn ins Feld und wartete. Der Gegner warf den Ball hoch und - schlug ins Netz. Doppelfehler. Vorbei! Das Match war zu Ende und Justin hatte gewonnen.
Bevor ich reagieren konnte, hatte mir Fynn von der Seite auf die Schulter geschlagen. Dustin umarmte seinen Freund ganz fest. Mein Blick ging zwar auf den Platz, aber mein Kopf konnte es noch nicht richtig erfassen.
Justin hatte seinem Gegner noch die Hand gereicht und erst dann brach es aus ihm heraus. Er ballte beide Fäuste und reckte sie dann in den Himmel. Der Applaus war verdient. Wir hatten ein hochklassiges Finale gesehen.
Mein Handy vibrierte mehrfach. Es gingen etliche Nachrichten ein. Dafür hatte ich noch keine Zeit. Ich wollte diese Siegerehrung in vollen Zügen genießen.
Ich stand in unserer Box und klatschte für Justins Erfolg. Plötzlich kam Dustin von hinten und drehte mich um. Er umarmte mich und Fynn direkt hinterher. Danach hielt mir Dustin sein Handy hin.
Eigentlich hatte ich noch gar keine Lust irgendwelche Nachrichten zu lesen, aber was ich dort las, ließ mich lachen. Justin hatte geschrieben und darum gebeten hinunter zu kommen. Das war aber nicht erlaubt. Bei der Siegerehrung von Challenger Turnieren der ATP gab es klare Regeln. Ich hatte Dustin gebeten es Justin zu schreiben, der unten auf der Bank saß und zu uns hochblickte.
Ich hob meine Arme um zu signalisieren, dass es für mich nicht erlaubt war hinunterzugehen. Justin nickte und um ihn herum wurde alles für die Siegerehrung vorbereitet.
Jetzt nahm ich doch mein Handy heraus und überblickte den Nachrichteneingang. Zehn neue Nachrichten waren eingegangen. Eine SMS von meinem Bruder erweckte meine Neugier.
„Gratulation lieber Bruder, ich habe das Match im live stream gesehen und bin begeistert. Gruß an die Jungs und kommt gut nach Hause. Wir sehen uns.“
Das war schon ein komisches Gefühl. Sonst hatte ich ihm immer solche SMS geschrieben wenn ich zu Hause eins seiner Matches geschaut hatte. Dass ich einmal von ihm so eine Nachricht erhalten würde, machte mich schon etwas stolz.
Lange nachdenken konnte ich allerdings nicht. Die Siegerehrung begann und die verlangte meine volle Aufmerksamkeit.
Das übliche Gerede zu Beginn und dann wurde der Zweitplatzierte geehrt. Er erhielt seine Trophäe und den obligatorischen Scheck. Das Publikum applaudierte und wir taten das natürlich ebenfalls. Auch Justin klatschte anerkennend Beifall.
Sein Gegner hatte auch die Gelegenheit ein paar Sätze zu sagen und was mir imponierte, er gratulierte Justin und hob deutlich hervor, dass Justin heute der klar bessere Spieler gewesen sei. Er bedankte sich bei den Zuschauern und wünschte Justin für die Zukunft weiterhin viel Erfolg. Eine sehr faire Ansprache.
Es dauerte einen Moment bis sich die Zuschauer wieder beruhigt hatten und der Turnierdirektor erneut an das Mikrofon ging. Jetzt folgte Justins Ehrung.
Natürlich fand die Siegerehrung in Englisch statt, aber ich gebe die Worte in Deutsch wieder:
„Liebe Zuschauer und Tennis Fans, heute haben wir ein hervorragendes Finale gesehen und einen jungen Spieler als Sieger. Ich bin mir sehr sicher, dass wir in naher Zukunft noch einiges mehr von ihm zu sehen bekommen. Ein Kanadier, der in Deutschland lebt und trainiert, ist schon etwas Besonderes. Daher möchte ich jetzt unseren Sieger nach vorn bitten, Justin Boulais.“
Bei diesen Worten bekam ich wieder richtiges Herzklopfen. Es berührte mich, dass alle Zuschauer begeistert applaudierten und Justin für seinen Erfolg feierten.
Lustig war die Pokalübergabe. Justin wirkte plötzlich überhaupt nicht mehr so selbstbewusst und erst recht spannend wurde es, als der Turnierdirektor das Mikrofon an ihn übergab. Justin musste natürlich eine Siegeransprache halten.
Dass er das in perfektem Englisch machen würde, hatte mich nicht überrascht. Aber es war ihm ein besonderes Bedürfnis, sich bei allen in Halle zu bedanken und seine letzten beiden Sätze möchte ich in Deutsch zitieren. Sie berührten mich.
„… Zum Ende möchte ich einer Person besonderen Dank aussprechen. Es betrifft meinen Freund und Trainer Chris. Danke für die besten Monate meines Lebens. Du hast es geschafft, mir die Freude am Tennis zurückzugeben und immer an mich geglaubt. Es macht viel Spaß mit dir zu arbeiten und dich als Freund zu haben. Danke!“
Mein Herz pochte und die Zuschauer applaudierten heftig. Ich winkte Justin zu und war froh, dass wir dieses Turnier gemeinsam so gut bewältigt hatten.
Der Stress fiel von mir ab und Dustin und Fynn hatte ich zu Justin gehen lassen. Mir war dieser Trubel immer zu stressig. Ich mochte keine großen Ansammlungen von Menschen.
Aber als ich einige Minuten zur Ruhe gekommen war, machte ich mich doch auf, um Justin jetzt endlich persönlich zu gratulieren.
Meine drei Jungs standen zusammen und schauten sich die Trophäe an. Mittlerweile hatten sie sich vor das Clubhaus gestellt. Dort war unser Treffpunkt. Als mich Justin bemerkt hatte, kam er auf mich zugelaufen und umarmte mich freudestrahlend.
„Endlich, das war so geil hier zu spielen. Danke für alles und jetzt will ich noch weitere schöne Turniere spielen. Vielleicht gewinnen wir ja auch noch das ein oder andere davon.“
„Hahaha, ja Justin. Ein guter Gedanke. Da bin ich sofort dabei. Herzliche Gratulation auch von Jan und Marc. Außerdem haben mir Luc und Stef geschrieben. Ich nehme an euch auch. Aber ich habe auch etliche Whatsapp Nachrichten aus Halle bekommen. Insbesondere von Carlo und Tim. Und das freut mich besonders.“
„Cool, ich freue mich auch, wieder nach Halle zu kommen und mal ein paar Tage runterzukommen“, meinte Fynn.
„Ja, das ist ein gutes Stichwort. Wann fliegen wir nach Hause? Heute noch oder erst morgen?“, fragte mich Justin.
„Wir fliegen heute Abend noch nach Hause. Ich möchte einfach wieder nach Hause und in meinem Bett schlafen. So viel Aufregung ist für einen alten Drachen wie mich sehr anstrengend.“
Die Jungs schauten mich an und plötzlich mussten wir alle lachen.
Im Hotel hatte sich Justin wieder beruhigt und ich war etwas erstaunt über die Disziplin nach seinem Sieg. Keiner der drei hatte zum Alkohol gegriffen oder noch übermäßig gejubelt. Das machte mich aber auch etwas misstrauisch. Irgendetwas würde da mit Sicherheit noch kommen.
Nur im Flugzeug hatte Justin mich gefragt ob sie mit etwas Champagner anstoßen dürften. Ich hatte mir eine Saftschorle geben lassen und hatte ihnen das natürlich erlaubt.
Als wir mitten in der Nacht in Halle ankamen, hatten die Jungs auf der Fahrt vom Flughafen nach Hause schon etwas im Zug geschlafen. Ich war froh als ich meine Wohnung betrat und alle drei Jungs gesund wieder nach Halle gebracht hatte. Die erste Nacht wieder im eigenen Bett würde für mich Erholung sein. Mal schauen was mich morgen in der Base erwarten würde.
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