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Auf der Tour
Teil 26
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Informationen
- Story: Auf der Tour
- Autor: cdwgrisu
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Lovestory
Inhaltsverzeichnis
- Chris: Endlich wieder zu Hause
- Dustin: Erstes Training nach der Reise
- Chris: Mal wieder selber spielen und Spaß haben
- Fynn: erster gemeinsamer Abend in der WG nach der Rückkehr
- Luc: Ein „daily driver“ soll her und die Planung zum Geburtstag von Fynn und Dustin
- Chris: Alltagsroutine stellt sich ein
- Fynn: Cooler Abend mit schönem Finale
- Chris: Schlechtes Wetter und die letzten Tage vor der erneuten Abreise
- Fynn: Chris und seine Überraschungen, immer wieder neu
- Chris: Überraschung gelungen und das Turnier beginnt
Chris: Endlich wieder zu Hause
Das Meeting mit Thorsten am Mittag war für mich selbstverständlich. Ich hatte auch darüber nachgedacht, den Jungs heute trainingsfrei zu geben, aber mich dann dagegen entschieden. Ein lockeres Training mit Tim und Carlo würde sicher Entspannung bringen. Marco war damit einverstanden und somit würde ich am Nachmittag mit den sechs Jungs trainieren. Sechs? Ja, Joel war ja auch noch da. Marco und ich würden das Training gemeinsam leiten.
Nach einem guten Frühstück und einem Blick auf meine Ducati brach ich zum Platz auf. Heute musste die Panigale noch warten, da ich doch einiges zu transportieren haben würde. Jan hatte mir geschrieben, dass für mich einige Sachen bereitliegen würden. Nach dem Tagesprogramm wollte ich diese mitnehmen.
Thorsten saß in seinem Büro als ich das Clubhaus betrat. Burghard lief mir über den Weg und gratulierte zum Erfolg. Genauso tat es Toto. Maxi weilte auf dem Trainerlehrgang und war in dieser Woche nicht auf der Anlage.
„Ah, da kommt der Sieger Coach, komm herein, Chris. Kann ich dir etwas anbieten? Eine Latte vielleicht zur Begrüßung?“
„Hallo Thorsten, hahaha, Siegercoach. Nein, das mag ich gar nicht hören. Wir waren ein gutes Team. Alle haben einen guten Job gemacht und was mir besonders wichtig ist, wir haben das Break-Point-Team gut in der Öffentlichkeit repräsentiert.“
Thorsten schaute mich an, schmunzelte und stand von seinem Tisch auf. Er umarmte mich zur Begrüßung.
„Schön, dass ihr wieder gesund zurück seid. Also? Latte?“
„Ja, sehr gern. Können wir uns nicht draußen auf die Terrasse setzen? Es ist so schönes Wetter.“
„Das können wir machen. Geh schon vor, ich bringe die Getränke mit und dann sprechen wir mal über das Ganze und wie es jetzt weitergehen wird.“
Ich hatte gerade Platz genommen als Struffi die Terrasse betrat. Er hatte seine Tasche auf dem Rücken.
„Hallo Chris, herzlichen Glückwunsch zu dem tollen Erfolg. Die Jungs waren richtig gut. Oder wie siehst du das?“
„Hi Struffi. Ja, das kannst du wohl sagen. Ich bin wirklich zufrieden mit den beiden Turnieren. Der Sieg von Justin ist natürlich das Sahnehäubchen. Aber für mich ist wichtiger, dass die Jungs gut arbeiten und bodenständig bleiben. Und genau das ist passiert. Selbst Justin hat nach seinem Sieg nicht großartig Party gemacht. Ich denke, sie werden weiter genauso hart arbeiten wie zuvor. Mittlerweile glaube ich sogar, dass sie begriffen haben wie wichtig diese kontinuierliche Arbeit ist. Es macht mir jedenfalls grade sehr viel Freude mit den drei Jungs.“
„Das ist toll zu hören. Freut mich sehr. Ich werde mich mal aufwärmen. Wir sehen uns ja später noch auf dem Platz.“
„Ach? Was ist denn geplant? Ich habe keine Ahnung was heute ansteht.“
In diesem Moment kam Thorsten mit einem Tablett hinzu.
„Das erkläre ich dir jetzt. Du kannst dich entspannen. Für heute ist euer Programm schon vorbereitet. Das hat Marco übernommen. Du sollst dich erst einmal wieder einleben. Ihr bleibt ja jetzt zwei Wochen hier, bevor es wieder losgeht.“
„Gott sei Dank. Mein eigenes Bett ist doch ein Argument hier zu bleiben.“
„Das glaube ich dir gerne. Deine Berichte waren wieder aufschlussreich und natürlich auch mit tollen Ergebnissen bestückt. Bevor ich das vergesse, hatte sich Marc bei dir gemeldet?“
„Ja, hatte er. Habt ihr bereits einen Termin dafür festgelegt?“
„Allerdings. Das wird in fünf Wochen sein. Da macht ihr hier die nächste Trainingsphase. Ihr seid jetzt zwei Wochen hier, dann ein Turnier im Nord-Osten der Republik und dann wieder zwei Wochen Trainingsphase. Danach geht es dann etwas weiter weg.“
Ich musste gestehen, ich hatte diese Details nicht im Kopf, aber im Groben wusste ich schon was kommen würde.
„Okay, hört sich gut an. Marc wollte mit seiner Familie an diesem Termin mit Heikki zu Besuch kommen. Könntest du bitte im Sportpark eine Reservierung machen?“
„Nein, das brauche ich nicht mehr. Ist schon passiert. Und übermorgen machen wir eine Teamsitzung. Da möchtest du bitte dann einen ausführlichen Bericht abgeben. Jetzt möchte ich mit dir die nächsten zwei Wochen kurz planen und besprechen. Heute und morgen ist Struffi noch hier zum Training. Daher sollen deine Jungs mit ihm trainieren. Oder besser, er mit euch. Du sollst das leiten und Marco übernimmt dann die andere Hälfte. Damit fangen wir heute auch schon an, aber keine Sorge, ich weiß bereits, dass du deinen Jungs heute ein Regenerationstraining angekündigt hast. Das wird auch so passieren. Du kannst Struffi aber mit einbauen.“
„Ja, das sollte zu machen sein. Struffi ist ja pflegeleicht.“
„Hahaha, das ist gut. Aber stimmt. Ihr werdet in den zwei Wochen den Schwerpunkt auf Ausdauer und mentale Stärke im Match legen, richtig?“
„Ja, genau. Fit sind sie schon ganz ordentlich, aber Charles soll sie in der zweiten Woche einmal testen und dann klären wir ein neues Trainingsprogramm.“
„Sehr gut, dein Bruder ist auch unterwegs und Maxi ist auf dem Lehrgang. Und jetzt möchte ich mit dir über die neue Situation in der WG reden. Du hast ja mitbekommen, dass wir mit dem Umbau begonnen haben. Das Kellergeschoss soll zum Wohnbereich werden. Dort können wir dann noch drei oder vier neue Spieler aufnehmen. Zuerst werden Simon und Mattes für drei Wochen bei uns zur Probe weilen. Das wird in der Zeit sein, in der Heikki und auch Marc hier sein werden. Danach sehen wir weiter. Es gibt dafür auch schon den einen oder anderen Bewerber. Einen davon kennst du auch bereits. Er kommt aus Bad Oeynhausen bzw. spielt bislang für den TC Herford.“
Nanu? Wer sollte das denn sein? Ich überlegte einen Augenblick und erschrak etwas.
„Aber bitte nicht Marlon Minzer. Das muss ich nicht haben.“
„Hahaha, nein, keine Sorge. Der ist es nicht. Das möchten wir dir auch nicht zumuten, das möchte ich eigentlich niemandem unserer Leute zumuten. Aber es ist jemand mit dem du schon gearbeitet hast, bevor du von Jan hierher gelotst worden bist. Carlos Schmeichel sagt dir sicherlich etwas.“
Allerdings, der Junge war mir gut bekannt. Nicht nur positiv, aber der Junge selber war eigentlich nett und vor allem talentiert. Der Vater war schwierig. Ich hatte schon etliche Gespräche mit dem Jungen und war da auch recht erfolgreich gewesen, was sein Verhalten betraf. Meines Wissens war er aber noch sehr jung. Ein 2009er Jahrgang. Ob das in der WG klappen würde, konnte ich nicht sagen. Allerdings hätte ich mir auch nicht vorstellen können, dass der Vater das zulassen würde.
„Ja, den Jungen kenne ich, sogar recht gut. Leider hat er einen ziemlich gestörten Vater. Der Junge hat Talent, Ehrgeiz und ist ganz sicher nicht dumm. Er hat ein Problem mit seinen Emotionen, insbesondere seinem Frust, wenn er mal wieder die Erwartungen seines Vaters nicht erfüllen konnte. Die Mutter ist nett, aber ziemlich hilflos in der Situation. Könnte für Carlos natürlich eine tolle Chance werden, sich hier, ohne Vater, freizuschwimmen.“
Thorsten schaute mich während meiner Ausführungen an und als ich geendet hatte, lag ein typisches Lächeln auf seinem Gesicht.
„Hihihi, sehr schön. Jan hat mir geraten, dich zu dem Jungen zu befragen. Da deutete er schon so etwas in der Art an. Aber so eine präzise Beschreibung hatte ich jetzt nicht erwartet. Kannst du vielleicht zur nächsten Teamsitzung eine kurze Beurteilung über den Jungen vorbereiten? Oder denkst du, wir sollten die Finger davon lassen?“
„Das macht doch nur Sinn, wenn die Eltern das unterstützen. Das kann ich mir heute aber bei dem Vater absolut nicht vorstellen. Doch wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann ich mir das gut vorstellen. Das wird keine einfache Aufgabe, aber für Carlos wäre das eine Chance.“
Thorsten nickte nur und machte sich ein paar Notizen dazu.
„Ab wann können die neuen Zimmer denn bezogen werden? Ich gehe mal davon aus, dass Marco dann Carlos betreuen soll? Ich bin ja viel zu oft unterwegs.“
„Ja, Marco soll das machen, aber es wäre schon gut, wenn du auch für Carlos ansprechbar wärest. Immerhin kennt er dich bereits und hat dir ja wohl auch schon einiges von sich erzählt. Jan hat uns schon berichtet, was du mit ihm bereits erlebt hast. Carlos scheint dich jedenfalls zu akzeptieren, im Gegensatz zu seinem Vater. Ich weiß, dass der Junge verdammt gut ist. Wenn er seinen gestörten Kopf in den Griff bekommt.“
Da hatte Thorsten vollkommen recht. Carlos konnte unfassbar gutes Tennis spielen. Leider viel zu selten, weil er an sich selbst scheiterte. Ich mochte den Jungen.
„Gut, dann klärt die Bedingungen mit den Eltern und ladet ihn ein. Vielleicht wäre es klug, wenn ich in der Zeit hier wäre. Er hätte dann einen einfacheren Einstieg.“
„Genau das ist unser Plan gewesen. Es ist schön, dass du das genauso siehst. Wenn ich Jan richtig verstanden habe, traut er Marco und dir zu, ihn zu beruhigen und zu unterstützen. Wir sollten das versuchen.“
„Sehr schön, gibt es sonst noch etwas Interessantes?“, fragte ich.
Thorsten grinste schon wieder. Was würde jetzt wohl kommen?
„Nun ja, Tim und Carlo sind sicher Thema. Da scheinen sich zwei gefunden zu haben. Ich habe von Marco zwar noch keine konkrete Rückmeldung bekommen, aber vielleicht weißt du ja auch schon mehr.“
„Ich weiß nur das, was mir Tim vor unserer Abreise gesagt hatte. Und mir gefällt der Gedanke eigentlich recht gut, wenn die beiden sich gefunden haben. Für Tim wäre das sicher ein großer Schritt in die richtige Richtung. Carlo ist eh ein Pfundskerl, egal ob schwul oder hetero. Hihihi.“
„Ah, es überrascht dich also nicht sonderlich?“
„Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil, ich finde es einfach nur die logische Konsequenz der letzten Wochen. Martina hat mir auch schon signalisiert, dass die Beiden gut arbeiten. Die Schule läuft auch, und Marco hat gesagt, dass sie sich toll auf dem Platz präsentieren. Was wollen wir mehr? Alles Weitere wird sich ergeben. Ich bin mir sicher, sie werden mir viel erzählen, wenn ich endlich mal wieder Zeit für die Beiden habe.“
„Sehr gut, das höre ich gerne. Fährst du bald in die WG?“
„Bestimmt, ich kann dir nur noch nicht sagen wann. Aber sicher in dieser Woche. Ich will mir vor Ort anschauen wie es dort aussieht.“
Thorsten war damit einverstanden. Mittlerweile war Leben auf die Terrasse gekommen. Einige Eltern hatten ihre Kinder zum Training gebracht, saßen dort und warteten. Ich schaute auf die Uhr und für mich wurde es Zeit, mich auf das Training vorzubereiten. Daher wollten wir das Gespräch beenden und bei der Teamsitzung fortsetzen. Wir kamen gar nicht mehr dazu uns zu verabschieden, denn plötzlich standen Tim und Carlo auf der Terrasse und hatten mich gesehen.
„Da isser ja“, riefen beide aus und kamen freudig auf mich zu.
Eine innige und sehr persönliche Umarmung folgte. Tim war richtig aufgeregt.
„Du machst ja Sachen. Da gewinnt ihr mal so nebenbei einen Titel und taucht hier klammheimlich auf, als ob nichts gewesen wäre.“
Carlo war das schon deutlich zu viel des Guten.
„Na ja, ich habe den Titel ja auch nicht gewonnen. Justin hat die Trophäe errungen.“
Das war für Carlo jetzt ein guter Einstieg. Er grinste schon, als er erwiderte:
„Ja ja, du hast dich kein Stück verändert. Immer schön dezent im Hintergrund, aber ohne dich würde weder Dustin, Fynn noch Justin einen Titel bereits gewonnen haben. Und wir auch noch nicht, wobei wir ja auch noch keinen so großen Titel haben. Aber wir haben auch mit dir Titel geholt.“
Dann folgte noch eine warme Umarmung und wir lachten befreit. Ich nutzte die Gelegenheit Tim einmal durchzukitzeln. Natürlich kreischte er laut. Seine Stimme überschlug sich und da wurde der Stimmbruch deutlich.
In diesem Augenblick kam Marco hinzu und unterstützte mich tatkräftig. Er schnappte sich Carlo und schon war eine kleine Toberei im Gange.
„Euch kann man aber auch keine zwei Minuten unbeobachtet lassen“, lachte Thorsten, der wieder nach draußen gekommen war.
„Okay, genug herumgetobt. Carlo und Tim gehen sich umziehen und wir treffen uns gleich an den Plätzen Center eins und zwei. Und ich möchte, dass ihr Joel mitnehmt, zum Aufwärmen.“
Carlo und Tim verschwanden in Richtung Umkleide. Marco nutzte die Gelegenheit, mich jetzt auch richtig zu begrüßen.
„Hallo, du Heimkehrer. Ihr macht ja richtig geile Sachen. Kommt ihr doch mit einem Titel von der Reise zurück. Krasse Sache.“
Er zwinkerte mir zu. Danach wurde er wieder ernst.
„Wie geht es deinen Jungs jetzt? Sind sie schon wieder gelandet? Oder schweben sie noch auf der Erfolgswolke?“
„Das ist das eigentlich kuriose. Keiner hat groß gefeiert. Erst recht nicht Justin. Allerdings sind wir auch direkt nach dem Finale zurückgeflogen. Ich könnte mir vorstellen, dass sie da aber noch etwas vorhaben. Nur ein Glas Champagner haben sich die Jungs im Flieger gegönnt.“
„Uiii, das ist aber diszipliniert. Mal sehen, wie sie heute so gelaunt sind, und wie schwer die Beine sind. Dass Struffi dabei ist weißt du schon?“
„Ja, ich habe ihn eben schon getroffen. Ich bin vor allem auch auf Tim und Carlo gespannt.“
Marco fing an zu lachen.
„Jaha, das kann ich mir vorstellen. Die Beiden machen sich gerade richtig gut und entwickeln sich positiv. Insbesondere Tim wirkt viel ausgeglichener.“
„Prima, haben sie eigentlich etwas zu ihrer Situation gesagt oder wie ist da der Stand?“
„Ja, sie haben mir gesagt, dass sie zusammen sind und auch Martina weiß Bescheid. Mehr weiß ich auch nicht. Ich glaube aber, sie werden mit dir noch das Gespräch suchen. Das hatte mir Carlo jedenfalls gestern noch gesagt. Aber warten wir mal ab. Jedenfalls arbeiten sie fleißig und momentan sind wir sehr zufrieden mit den Dreien. Joel macht nämlich auch Fortschritte und ist nicht mehr so weit weg.“
„Cool, das höre ich gerne. Dann lasse ich mich gleich überraschen was ich zu sehen bekomme. Was hast du heute geplant?“
Marco gab mir einen Überblick über den Trainingsverlauf und ich war beruhigt. Er hatte meine Bitte eines Regenerationstrainings nicht vergessen.
Ich ging mich auch noch umziehen und ein paar Minuten später standen Marco und ich oben zwischen den Plätzen. Die Jungs waren noch beim Aufwärmen.
„Was mir gerade noch einfällt. Malte und Marvin trainieren richtig gut im Moment. Beide zeigen vollen Einsatz. Insbesondere Toto ist mit ihnen zufrieden. Und das will etwas heißen.“
„Oh, das ist ja toll. Vor allem, dass Toto zufrieden ist freut mich. Marvin und er hatten ja so ihre Schwierigkeiten.“
„Stimmt, aber das läuft zurzeit gut.“
Dustin: Erstes Training nach der Reise
Chris hatte mir den Montag noch schulfrei 'verordnet'. Zur Erholung, wie er gemeint hat. Dennoch fühlten sich meine Beine am Montagmorgen an wie Blei. Chris hatte uns vorgewarnt, aber ganz bewusst ein Training angesetzt. Fynn und ich waren nach der Rückkehr in die WG nur noch ins Bett gefallen.
Ab morgen würde es für mich wieder in die Schule gehen. Fynn war mit dem Präsenzunterricht durch und musste nur noch die Abschlussprüfungen machen.
Als wir nachmittags zum Platz aufbrachen, waren wir allein in der WG, mit den Handwerkern, die im Keller werkelten. Justin, Fynn und ich fuhren mit unseren Rädern nebeneinander her und meine Beine fühlten sich nach einigen Metern gar nicht mehr so böse an. Das steigerte meine Hoffnung auf ein ordentliches Training.
Wir stellten die Räder im Fahrradständer ab und nahmen unsere Taschen vom Rücken. Erstaunt stellte ich fest, dass Tim und Carlo schon vor Ort waren. Hatten die heute keine Schule? Obwohl ich zugeben musste, wir waren recht spät und es konnte sogar sein, dass sie schon aus der Schule waren, bevor wir aufgewacht waren.
In der Umkleide wurden wir von den Beiden und Joel begrüßt.
„Ah, unsere Langschläfer sind auch da“, grinste Carlo.
Tim stand zwar neben ihm, aber er gab keinen dummen Spruch dazu sondern er kam auf uns zu und begrüßte uns mit einer Umarmung.
„Schön, dass ihr wieder zurück seid. Und Glückwunsch zu den tollen Ergebnissen“, dann ging er zu Justin und es folgte eine ebenso herzliche Umarmung von Tim.
„Glückwunsch, Justin. Ich freue mich tierisch über deinen Sieg. Jetzt seid ihr schon echte Turniersieger auf der Profitour. Respekt!“
Mein Schatz schaute mich fast ungläubig an. War das der gleiche Tim, den wir kannten? Erst recht perplex waren wir, als Tim im Anschluss zu Carlo ging und ihn von hinten zärtlich umarmte und einen Kuss bekam.
Hier schien ja einiges passiert zu sein. Aber mir gefiel das gut. Keine Angst mehr zu haben und einfach klar zu zeigen, was Sache ist.
Das führte dazu, dass Fynn mir im Gegenzug auch einen lieben Kuss gönnte. Irgendwie war das komisch, denn wir waren ja in der Umkleide, aber weder Tim und Carlo noch Fynn und ich hatten Lust das zu beenden. Nur Joel und Justin wurden ungeduldig. Justin übernahm das mit einem:
„Wenn ihr vielleicht eure Lustbezeugungen auf später verschieben könnt, Chris und Marco warten ungern.“
Tim und Carlo gingen auseinander, allerdings mit einer deutlichen Beule in ihren kurzen Tennishosen. Fynn und ich schauten uns an, reagierten aber nicht darauf. Ich konnte mich zu gut noch an Situationen erinnern wie unangenehm mir das war, wenn uns jemand beim Kuscheln oder Knutschen überrascht hatte.
Allerdings kamen wir durch Justins Kommentar doch pünktlich bei Chris und Marco am Platz an. Struffi stand neben Chris und sie führten eine angeregte Unterhaltung. Dass Struffi bei uns am Platz war ließ nichts Gutes vermuten. Das würde anstrengend, sollte er mit uns trainieren. Besser gesagt, sollten wir mit ihm trainieren.
„Da ist ja unsere Truppe“, begrüßte uns Marco.
Dann gratulierte er zuerst Justin zum Turniererfolg und im Anschluss auch uns für die gute Performance.
„Bevor mich deine Jungs steinigen, Chris, sage ich mal schnell, was heute geplant ist. Struffi geht übermorgen wieder auf Turnierreise und ich möchte, dass immer zwei von euch mit ihm auf dem Platz stehen. Ihr sollt eure müden Beine ausspielen und Struffi richtig über den Platz jagen. Wir rotieren durch und währenddessen arbeite ich mit dem Rest auf dem anderen Court. Zum Abschluss spielen wir noch etwas Doppel. Fragen?“
Marco schien heute das Training zu leiten. Chris machte sich bereits auf den Weg hinunter zum Center zwei. Struffi und Justin folgten mir, während Fynn zu Marco auf den Center eins ging. Genau wie Joel, Tim und Carlo.
Marco stellte Tim mit mir auf eine Seite und Joel und Carlo auf die andere Seite. Wir sollten uns einschlagen.
Nach nur wenigen Ballwechseln, die ich mit Carlo spielte, wurde mir klar wie sehr sich Carlo verbessert hatte. Er hatte überhaupt keine Probleme mir die Bälle präzise zurückzuspielen und das doch bei recht ordentlichem Tempo.
„Erhöht bitte das Tempo. Aber nur so, dass es für beide noch spielbar bleibt“, machte Marco die Ansage.
Sofort erhöhte Carlo das Tempo.
Es war für mich noch kein Problem, aber gewundert hatte ich mich dennoch. Vor allem konnte er das konstant, bis Marco das Stoppsignal gab, spielen.
„Treffen an der Bank“, rief Marco über den Platz.
Ich nahm mir meine Trinkflasche und Carlo stand neben mir.
„Du bist echt besser geworden. Ich kann fast Vollgas spielen und du bringst alles kontrolliert mit dem gleichen Tempo zurück. Geile Nummer.“
Carlo lächelte danach und sowohl Marco als auch Tim hatten es mitbekommen. Tim stellte sich neben seinen Freund, gab ihm einen Kuss auf den Hals und lachte. Marco schaute zu mir.
„Ja, das sah wirklich gut aus, bei euch Beiden. Tim, Carlo und Joel haben in eurer Abwesenheit gut gearbeitet. Heute sieht man kaum noch einen Unterschied. Damit aber die Bäume nicht in den Himmel wachsen, spielen wir jetzt „Superpunkt“ und, bitte, mit allem was geht. Keine Rücksicht auf Verluste. Nur bitte nicht verletzen.“
Schon ging es weiter und tatsächlich haute mir Carlo ein paar Punkte um die Ohren, dass ich überrascht war. Ich konnte mich zwar noch steigern, aber ich musste zugeben, dass ich dieses Niveau noch nicht erwartet hatte.
Marco wollte anscheinend auch zeigen, was Tim und Carlo gelernt hatten, denn beim Superpunkt ließ er die Zwei gegen Joel und mich spielen. Das war eine enge Nummer, aber wir konnten doch noch knapp gewinnen. Wenn ich das volle Tempo auspackte, dann kamen sie doch an ihre Grenzen, aber ich war beeindruckt.
Nach einer Stunde kam mein Schatz zu uns an den Platz. Marco gab mir ein Signal zum Wechsel.
An der Bank bekam ich einen Kuss und ich gab Fynn mit auf den Weg:
„Erschreck dich nicht, Tim und Carlo sind viel besser geworden. Du darfst keine Geschenke verteilen. Die hauen sie dir direkt um die Ohren.“ Fynn nickte nur lachend, ging auf den Platz und übernahm meine Position. Ich packte meine Tasche und wechselte zu Justin und Struffi auf den anderen Platz.
Die Umstellung auf das höhere Tempo fiel mir nicht schwer. Carlo hatte mich gut warm gemacht. Das Einzige was mir Probleme bereitete, waren Struffis Aufschläge. Er schlug konstant mit über 200 km/h auf. Das war heftig, aber wir mussten uns daran gewöhnen. Schließlich war das auf der ATP Herrentour durchaus üblich.
Nach einer weiteren Stunde Training das viel Spaß gemacht hatte, brach Chris die Übungen ab.
„Wir treffen uns alle an der Bank.“
Justin und ich nahmen uns die Trinkflaschen. Struffi war genauso verschwitzt wie wir. Also musste er auch etwas tun.
„Jungs, das war ein geiles Training mit euch. Ich hoffe, ihr habt nicht zu schwere Beine nach dem Turnier gestern.“
Struffi klatschte uns ab. Erstaunlicherweise packte er nicht seine Sachen. Sondern blieb bei uns. Chris meinte:
„Wir warten jetzt auf die anderen von drüben. Dann spielen wir zum Abschluss noch etwas Doppel. Nur so zum Spaß.“
Ich überlegte einen Moment, Joel, Tim, Carlo, Struffi, Justin, Fynn und ich waren sieben. Wie sollte das gehen? Aber ich sollte mir darüber eigentlich keine Gedanken machen. Marco und Chris werden sich schon etwas dabei gedacht haben.
Und Marco kam schon mit den anderen zu uns die Treppe herunter. Bei Tim und Carlo kam schon wieder der Übermut zum Vorschein. Sie alberten herum und neckten sich gegenseitig. Joel verdrehte schon ein wenig die Augen. Er trainierte ja ständig mit ihnen.
„Tim und Carlo, eure Liebkosungen müssen bis später warten. Noch sind wir im Training und da ihr ja nicht ausgelastet seid, bekommt ihr einen passenden Gegner.“
Schlagartig hörten sie auf herumzualbern. Chris lächelte aber noch. Seine ernste Ansage war noch nicht bedrohlich. Tim schaute einen Moment finster, aber er konnte tatsächlich Chris Mienenspiel auch deuten.
„Okay, Chris. Dann benehmen wir uns wieder. Sorry.“
Jetzt war ich vollends überrascht. So eine Reaktion von Tim wäre vor wenigen Wochen noch undenkbar gewesen. Chris nickte ihm freundlich zu.
Carlos legte seinen Arm um seinen Freund, aber blieb ruhig stehen. Dann war auch mein Schatz wieder bei mir und stellte sich neben mich. Marco schaute in die Runde und erklärte:
„So, alle da. Sehr schön. Das sah aus meiner Sicht gut aus. Ich hoffe, für Justin, Dustin und Fynn war es nicht zu heftig nach der anstrengenden Turnierphase. Chris, wie sieht es bei dir aus? Können wir noch ein Matchtraining im Doppel machen?“
„Klar“, lächelte Chris, „meine Jungs sind noch gut dabei. Ein kleines Turnierchen im Doppel geht bestimmt noch. Wir spielen zwei kurze Sätze bis vier und jeder gegen jeden. Das dauert auch nicht so lange.“
Cool, dachte ich, das wird gut werden. Aber ich hatte immer noch das Problem, dass wir zu siebt waren und da noch ein Spieler fehlte um vier Doppelpaarungen zu haben.
Chris schien meine Gedanken gelesen zu haben.
„Marco, bevor Dustin zu lange spekulieren muss wie das geht, teil du bitte die Paarungen ein.“
„Sehr gern, Chris“, lachte Marco, „damit es etwas ausgeglichen ist, spielen Justin, Fynn und Dustin jeweils mit Carlo, Tim und Joel. Wer mit wem spielt, könnt ihr euch selbst aussuchen. Struffi wird mit Chris spielen, damit ich euch immer beobachten kann. Sollte es bei Chris Probleme geben, werde ich mit ihm tauschen. Fragen?“
Wie geil war das denn bitte? Chris würde mit Struffi spielen. Darauf wäre ich ja nie gekommen. Jetzt meldete sich aber doch noch Tim.
„Das ist eine mega coole Idee, Chris mit Struffi, aber nur, wenn Chris auch wirklich ohne Gefahr spielen kann. Ich möchte kein schlechtes Gewissen haben, wenn etwas passiert. Nicht falsch verstehen, Chris, ich freue mich mega, gegen dich spielen zu dürfen, aber ich habe auch Sorge wegen deines Rückens.“
Jetzt war ich auf Chris Reaktion gespannt. Er mochte es ja überhaupt nicht, wenn sich jemand von uns darum Gedanken machte.
„Danke, Tim. Ich weiß deine Sorge zu schätzen. Aber ich fühle mich heute gut und verspreche sofort aufzuhören sollte es Probleme geben. Außerdem habe ich mit Struffi ja die schnellsten Beine an meiner Seite. Er wird halt etwas mehr laufen müssen.“
Dabei schaute er zu Struffi, der lachend nickte.
„Kein Problem, Chris. Für das junge Gemüse wird es noch reichen.“
Und im Gegensatz zu früher, regte sich Tim überhaupt nicht auf, sondern lachte mit uns gemeinsam über diesen lockeren Spruch. Das gefiel mir gut.
Chris: Mal wieder selber spielen und Spaß haben
Die erste Begegnung für mich sollte gegen Fynn und Joel gehen. Das hieß Tim spielte mit Justin gegen Carlo und Dustin.
Durch die kurzen Sätze brauchte ich nur wenig selbst aufzuschlagen. Das war für meinen Rücken besonders wichtig. Wir hatten die Wahl gewonnen und Struffi wollte mit dem Aufschlag beginnen. Wir schlugen uns noch einmal ab und dann begann eine lustige Doppelsession. Marco schien genau geplant zu haben, dass es für meine Jungs eher eine lockere Spaßaktion sein sollte, während es für Tim, Carlo und Joel eine Standortbestimmung, gerade für den Kopf, sein sollte. Wie würden sie mit dieser Situation zurechtkommen?
Ich bekam von den anderen noch einmal fünf Minuten Einschlagzeit, denn ich hatte heute ja noch keinen Ball gespielt. Nachdem das aber ordentlich gelaufen war, sollte es losgehen. Struffi nahm sich zwei Bälle zum Aufschlag und ich ging noch einmal zu ihm.
„Pass auf, ich schlage erst einmal mit Spin nach außen auf. Machst du außen die Seite zu, ich rücke dann etwas mehr in die Mitte nach.“
Ich kannte natürlich diese taktischen Varianten, aber selbst gespielt hatte ich das schon lange nicht mehr. Ich war gespannt, ob ich das überhaupt noch umsetzen konnte.
Als Struffi zweimal ein As serviert und ich zwei Volleypunkte gemacht hatte, fühlte ich mich viel besser.
Insbesondere beim Return konnte ich die Jungs noch richtig ärgern, denn mit meinem Chip weich vor die Füße des nachrückenden Aufschlägers, gab ich Struffi die Möglichkeit sofort dazwischen zu gehen und den Volley zu verwandeln.
Bevor die Jungs gemerkt hatten, was ich für eine Strategie verfolgte, hatten wir den ersten Satz 4:1 gewonnen. Das Spiel, das wir abgegeben hatten, war natürlich mein Aufschlagspiel. Das ärgerte mich schon etwas, aber eigentlich war mir das von vornherein klar. Dennoch war ich unzufrieden, als ich mit Struffi in der Satzpause auf der Bank saß.
„Warum schaust du so böse?“, fragte mich Struffi.
Ich schaute zu ihm herüber und musste lachen.
„Ich ärgere mich über mein Service. Als einziges Spiel habe ich meinen Aufschlag abgegeben. Das ist nicht gut.“
Fynn ging in diesem Moment an unserer Bank vorbei, um wieder auf den Platz zu gehen. Er hatte es genau mitbekommen, schaute zu mir, kniff die Augen zusammen aber sagte nichts. Er beriet sich mit Joel, der jetzt aufschlagen sollte.
Währenddessen waren wir auch wieder auf den Platz gekommen und ich stand am Netz während Struffi auf den Aufschlag wartete.
Den ersten Punkt verschlug Struffi leichtfertig und ich musste den Return jetzt spielen. Joel schlug gut auf und es stand 30:0. Dieses erste Spiel im zweiten Satz ging jedenfalls an Joel und Fynn. Jetzt musste ich erneut aufschlagen.
Ich hatte mir vorgenommen beim Aufschlag nicht mehr Risiko einzugehen. Ich wollte meinen Rücken nicht überlasten. Dennoch war ich nach dem ersten Punkt gefrustet. Fynn hatte mir meinen Aufschlag direkt um die Ohren gehauen. Der Aufschlag war einfach zu langsam, um ihn damit zu fordern. Das regte mich auf.
Beim zweiten Punkt versuchte ich etwas mehr Spin zu spielen und das reichte bei Joel zumindest aus, dass er den Ball nur zurückspielen konnte. Ich spielte ein Crossduell mit Joel bis er einen Ball etwas zu weit in die Mitte spielte und Struffi entschlossen dazwischen ging. 15:15.
Beim nächsten Aufschlag stellte sich Fynn provokant nur einen Meter hinter die T-Linie. Das machte mich zornig. Aber ich zwang mich, nicht riskanter aufzuschlagen. Entsprechend bekam ich den Ball um die Ohren gehauen.
„Lass dich nicht provozieren“, sagte Struffi sofort zu mir ,als ich mir zwei neue Bälle holte.
Wenn alles gut lief, brauchte ich nur dieses eine Aufschlagspiel zu machen. Ich entschied mich daher, etwas mehr Geschwindigkeit und Zug auf den Ball zu bringen. Und zwar aus dem Armzug und nicht aus dem Rücken. Fynn bemerkte das allerdings sofort. Joel konnte den Ball nur zurückspielen und ich rückte ans Netz, spielte einen guten Volley.
Der war natürlich für Fynn keine Gefahr, aber er spielte seinen Ball nur kontrolliert zurück so dass wir ins Spiel kamen und Struffi sogar den Punkt machen konnte. 30:30 und ich musste wieder auf Fynn aufschlagen. Dieses Mal stellte er sich normal an die Grundlinie. Ich brachte den Ball ins Spiel und Fynn spielte zurück. Erst nachdem es einige Ballwechsel gab, beschleunigte Fynn und irgendwann wurde es für mich zu schnell. Breakball. Aber Fynn hatte die Situation entschärft und ich musste mir eingestehen, ich hatte meine Emotionen nicht so unter Kontrolle wie es sein sollte.
Das war eine Warnung. Ich hatte es jetzt aber begriffen und störte mich nicht mehr daran, dass ich halt nicht mehr gut servieren konnte. Ich wollte einfach nur noch etwas Spaß am Spielen haben. Und genau das gelang danach auch sehr gut. Wir gewannen gegen Fynn und Joel und auch gegen Carlo und Dustin konnten wir dank Struffis Fähigkeiten gewinnen.
Beim letzten Doppel spürte ich schon deutlich meine Beine und auch meinen Rücken. Ich musste jetzt aufpassen es nicht zu übertreiben. Aber Tim freute sich tierisch auf dieses Match. Schon nach zwei Spielen traute ich mich nicht mehr zu jedem Ball zu laufen. Ich bekam Angst es könnte etwas passieren. Struffi bemerkte das und versuchte mich so oft wie möglich aus dem Spiel zu nehmen und mir die langen Wege zu ersparen. Es machte einfach keinen Sinn so weiterzuspielen. Beim Spielstand von 1:3 ging ich daher zu Struffi.
„Sorry, aber ich kann nicht weiterspielen. Es wird mir einfach zu gefährlich. Noch geht es ganz ordentlich, aber ich spüre schon den Rücken.“
„Dann hören wir sofort auf. Du kannst dich ja von Marco ablösen lassen. Das ist doch kein Problem.“
Dann ging ich mit ihm gemeinsam zum Netz und holte die Jungs nach vorn.
„Leute, es tut mir leid, aber ich sollte nicht weiterspielen. Mein Rücken gibt mir eindeutige Signale, dass es zu viel ist. Seid mir nicht böse, aber das Risiko ist mir zu groß.“
Tim schaute mich an und obwohl er enttäuscht war, kam von ihm sofort Zustimmung für meine Entscheidung.
„Das ist echt schade. Ich habe mich sehr auf dieses Spiel gefreut. Aber ich finde es beruhigend, dass du dieses Mal rechtzeitig aufhörst und nicht wieder über dein Limit gehst. Gehst du zu Marco und er spielt für dich weiter?“
„Danke Tim, ja, wenn euch das recht ist, dann spielt Marco für mich weiter.“
Wenige Minuten später war der Tausch gemacht und ich auf dem Weg in die Dusche. Dort ging mir einiges durch den Kopf. Warum war es für mich so schwierig, meine eingeschränkten Möglichkeiten zu akzeptieren? Schließlich wollte ich doch nur Spaß am Spielen haben. Und dennoch hatte ich begonnen mich zu ärgern und sogar mein Limit zu verschieben.
Die heiße Dusche erfüllte ihren Zweck und ich beruhigte mich wieder.
Mein Weg ging trotzdem noch einmal zum Platz. Vielleicht waren ja noch nicht alle fertig. Und tatsächlich spielte das Doppel mit Joel/Fynn und Dustin/Carlos noch. Sie waren im dritten Satz und es war sehr ausgeglichen. Marco stand bereits am Platz als ich eintraf.
„Wo sind denn Tim und Justin hin?“, fragte ich.
In der Dusche waren sie ja nicht.
„Ah, Chris. Was macht dein Rücken? Konntest du noch rechtzeitig aufhören?“
„Ja, danke. Dieses Mal habe ich zum richtigen Zeitpunkt das Spiel beendet. Danke, dass du für mich weitergespielt hast.“
„Sehr gern, das war ja so besprochen. Und Tim und Justin sind auslaufen und gehen dann unter die Dusche.“
„In Ordnung, danke. Wie siehst du das Training heute? Ich finde, deine Truppe hat sich enorm verbessert. Tim hat auch im Verhalten dazugelernt. Sind sie beim normalen Training auch so umgänglich?“
„Ja, momentan läuft es sehr gut. Tim macht große Fortschritte mit Hilfe seiner Therapie. Ich glaube, dass du gerade bei ihm viel bewegt hast. Seitdem er jetzt auch mit Carlo offiziell zusammen ist, ist vieles einfacher geworden. Warum auch immer, so kann es gerne bleiben.“
„Haben die Beiden euch eigentlich richtig gesagt, dass sie jetzt zusammen sind? Oder wie ist das gelaufen?“
„Hahaha, gute Frage. Ich finde, sie haben das toll gemacht. Am ersten Tag nach eurer Abreise kamen sie zum Training und bei einer Trinkpause hat Tim Carlo einen Kuss gegeben und als Joel erstaunt geschaut hatte, meinte Tim, dass das jetzt häufiger passieren könnte. Joel fragte direkt nach ob sie jetzt zusammen wären und Carlo antwortete mit einem kurzen 'JA'. Damit war das erledigt.“
„Cool. Ich finde das einfach klasse, wenn sie das für sich so möchten. Sie sollen sich ausprobieren. Martina haben sie übrigens auch eingeweiht. Das finde ich richtig stark. Was anderes, liegt heute noch etwas an?“
„Nein, du kannst heute Schluss machen und mal dein neues Werkzeug zu Hause ausprobieren.“
Ach, sogar Marco wusste schon von der Aktion, mir das Fitnessgerät von Heikki in die Wohnung zu stellen.
„Ah ja, warum bin ich eigentlich immer der letzte, der von diesen Dingen erfährt?“, fragte ich lachend.
„Vielleicht, weil du häufiger unterwegs bist als wir? Hahaha.“
Nun, es schien jetzt besser zu schweigen und ich packte meine Sachen zusammen. Eine Sache hatte ich noch zu erledigen. Jan hatte mich gebeten, mir die bereit gelegten Sachen mitzunehmen. Da ich keine Ahnung hatte worum es dabei ging, schaute ich bei Thorsten vorbei. Er wusste Bescheid und schickte mich ins Lager für die Teamkleidung. Dort würden zwei Kartons für mich stehen.
Als ich den Raum betrat, staunte ich nicht schlecht. Ein Karton war groß und auch recht schwer. Die andere Kiste sah nach neuen Schlägern aus. Beide trugen vor allem das Logo von Solinco.
Ich öffnete beide und es kam tatsächlich eine komplett neue Ausstattung an Teamkleidung zu tage. Inklusive Schläger. Also brachte ich die Sachen zum Auto und in dem Moment in dem ich die Kofferraumklappe schloss, hörte ich eine mir bekannte Stimme:
„Hi Chris, seid ihr wieder zurück?“
Malte stand mit Marvin und ihren Rädern bei mir. Ich begrüßte die Jungs und Malte fragte:
„Bist du schon mit deinem neuen Spielzeug gefahren? Oder hast du noch keine Zeit gehabt bei dem schönen Wetter?“
„Nein, leider noch keine Zeit gehabt. Aber ich habe jetzt Feierabend und werde mir vielleicht gleich noch eine Runde damit gönnen. Sie wird eh beleidigt sein, weil ich sie wieder zwei Wochen nicht bewegt habe.“
„Dann musst du sie lieb streicheln bevor du startest. Dann wird sie nicht so bockig sein.“
Malte grinste dabei und ich fand den Text cool. Marvin war das etwas peinlich. Er verdrehte seine Augen und wollte schon meckern.
„Lass gut sein, Marvin“, meinte ich, „ ich weiß schon wie er das meint. Passt schon. Sonst bei euch alles im Lot?“
Beide nickten und verabschiedeten sich zum Training. Ich stieg in mein Auto und fuhr nach Hause.
Nach einer Testeinheit mit dem neuen Sportgerät für meinen Rücken, hatte ich mir ein heißes Bad verdient. Allerdings hatte ich mir vorgenommen, Kolja zu bitten, mir an diesem Gerät noch eine Einweisung zu geben.
Anschließend wäre eigentlich das Zubereiten des Abendessens angestanden. Ich hatte heute aber überhaupt keine Lust, mir noch etwas zu machen. Nach einer kurzen Zeit des Überlegens hatte ich mich entschieden bei Carlos Eltern zu essen.
Fynn: erster gemeinsamer Abend in der WG nach der Rückkehr
Als wir nach dem Training zurück in die WG kamen, fiel uns erst richtig auf, dass der Eingangsbereich und die Kellertreppe sehr staubig waren. Ein Problem bekamen wir aber, da der Waschkeller abgesperrt war. Wir konnten also unsere Sachen nicht in die Waschmaschine und den Trockner stecken.
Also fragte ich Martina, die bereits in der Küche das Abendessen vorbereitete.
„Hi Martina, was machen wir mit unserer Wäsche? Der Waschkeller ist mit Flatterband abgesperrt.“
„Hallo Fynn, seid ihr alle zurück? Kommt bitte einmal alle hier zusammen. Ich erkläre euch die Situation.“
Wenige Minuten später standen wir drei in der Küche. Es roch schon wieder ganz hervorragend und ich bekam Hunger.
„Sehr schön, alle da“, lachte Martina, „Also folgendes, der Waschkeller ist zwar abgesperrt, aber er kann trotzdem benutzt werden. Ihr müsst nur aufpassen, weil dort einige Werkzeuge der Handwerker liegen. Ich habe mit der Firma besprochen, dass nur zwei Personen in den Raum gehen sollen. Die eine Person bin ich und ich möchte, dass ihr unter euch drei einen auswählt, der dort rein darf und für die Wäsche verantwortlich ist.“
„Ich mache das“, sagte ich spontan.
„Sehr schön, Fynn“, antwortete Martina und ergänzte, „dafür bist du für diese Zeit von den anderen Aufgaben befreit. Wenn es Fragen gibt, meldet euch bitte. Tim und Carlo wissen schon Bescheid. Als ihr noch nicht wieder zurück gewesen seid, habe ich die Wäsche allein gemacht. Aber jetzt soll Fynn das übernehmen, auch für Tim und Carlo bitte. Die sollen ihre dreckigen Sachen vor der Tür in die Tonnen legen und Fynn nimmt sie dann mit. Und pass bitte auf die ganzen Kabel dort auf. Nicht dass dir etwas passiert. Vor allem wenn die Handwerker noch im Haus sind.“
Damit war das auch geklärt und wir packten unsere Taschen aus, verteilten die Sachen in den einzelnen Behältern vor der Tür und dann stellte ich eine Maschine ein. Eine zweite wäre später noch fällig. Meine Freunde gingen nach oben und wollten Martina noch beim Zubereiten des Essens helfen.
Als ich die Tür vom Waschkeller wieder schloss, überkam mich die Neugier. Ich schaute mich im Keller um und stellte fest, es fehlten sogar bereits zwei Wände, die durch Stützen ersetzt waren. Auf dem Boden konnte ich bereits den neuen Verlauf der Wände erkennen. Das neue Bad war bereits als Raum erkennbar. Die Kellertür in den Garten war ausgebaut und durch eine größere Bautür ersetzt. Ich konnte mir schon gut vorstellen wie das werden würde. Es sollte also einen eigenen Zugang zum Garten geben.
Zurück in der Küche roch es immer besser.
„Das riecht schon wieder so gut. Was gibt es denn heute Leckeres?“, fragte ich.
„Lasagne“, grinste Tim, der mittlerweile auch in der Küche saß. Carlo fehlte noch.
„Lasagne und Carlo ist nicht da?“, fragte ich.
In diesem Moment ging die Tür auf und Carlo kam herein. Das löste bei allen Anwesenden einen Lachanfall aus. Carlo schaute irritiert in die Runde. Justin erklärte immer noch lachend:
„Fynn hatte gerade festgestellt, es gibt Lasagne und du bist nicht da.“
Carlo stutzte einen Moment und fing dann auch an zu lachen.
„Das glaubst du doch selber nicht. Martina macht ihre legendäre Lasagne und ich würde freiwillig darauf verzichten? Never ever! Hahaha.“
Dann setzte er sich neben Tim und bekam einen Kuss von ihm. Da fiel mir etwas ein was ich schon die ganze Zeit gefragt haben wollte.
„Wie war das eigentlich mit der Regenbogenflagge am Platz? Hast du wirklich Gerry gefragt ob ihr das machen dürft?“
„Ja“ meinte Tim, „es ging ja nicht anders. Er ist im Verein der Chef. Und ich war tierisch nervös, als ich von Thorsten gehört hatte, dass Gerry an dem Tag in den Club kommen würde.“
„Und wir waren total überrascht, als du uns dann das Bild geschickt hast. Darf ich euch mal eine Frage stellen?“, fragte Justin.
„Klar, schieß los“, erwiderte Tim freundlich.
„Hattet ihr da schon für euch geklärt gehabt, was ihr wollt? Oder war das zu dem Zeitpunkt noch nicht klar?“
Tim schaute nun zu Carlo. Ich empfand Justins Frage auch prekär. Sie sollten sich einfach ausprobieren. Aber hier wurde Tims Fortschritt deutlich.
„Im Prinzip ja, wir hatten es zwar noch keinem gesagt außer Chris, aber ich wollte damit auch eine Aussage machen.“
„Und wie hat Gerry dann reagiert, als du gefragt hast?“, wollte ich wissen.
Alle Augen schauten auf Tim, auch Martina schien das noch nicht zu wissen.
„Naja, eigentlich war er überrascht, dass ich danach gefragt habe und nicht Dustin oder Fynn. Er hat mich dann angeschaut, eine Zeit überlegt und meinte dann, dass es richtig ist unsere Einstellung dazu auch öffentlich zu machen.“
„Du solltest jetzt aber auch die ganze Geschichte erzählen“, warf Carlo ein.
Jetzt wurde ich noch neugieriger.
„Ja ja, Gerry hat dann plötzlich gelacht und gefragt, ob ich vielleicht auch einen persönlichen Grund hätte. Schließlich hätte ich mit Carlo ja einen netten Freund. Da hätte ich mir fast in die Hose gemacht. Dann lachte er aber und sagte, dass wir keine Sorgen haben sollten. Er würde uns genauso unterstützen wie Fynn und Dustin. Und wisst ihr was? Er hat mich danach einfach umarmt und gemeint, dass er sich um eine Regenbogenfahne kümmern würde.“
„Und er hat Wort gehalten, denn bereits am nächsten Tag flatterte sie im Wind und ich habe dann das Bild gemacht“, ergänzte Carlo.
Martina holte die Lasagne aus dem Ofen und stellte die Kasserolle auf den Tisch. Es duftete wieder phantastisch und entsprechend langten wir auch zu.
Den Abend hatten Dustin und ich für uns geplant. Endlich ohne Termine mal zusammen sein können und genießen. Dustin musste ja ab morgen wieder in die Schule und daher war unsere abendliche Zeit begrenzt. Chris hatte Justin und mir für die beiden Wochen ein Vormittagsprogramm erstellt. Also lange Schlafen und Faulenzen war natürlich für uns auch nicht vorgesehen.
Ganz ehrlich, ich hatte bereits, noch am Esstisch sitzend, schon Gedanken an schöne Dinge mit meinem Freund. Entsprechend regte sich auch schon meine Männlichkeit. Es war lange her, dass wir ungestört in unserem Appartement uns nur mit uns selbst vergnügen konnten bzw. Spaß miteinander hatten.
Wir räumten noch gemeinsam die Küche auf, aber dann verschwanden wir zügig in unseren Räumlichkeiten. Natürlich hatten wir schon ein paar Dinge vorbereitet mit Getränken und Chips. Wir wollten einfach die Zeit genießen und richtig Spaß zu zweit haben.
Es kam dann allerdings auch zu einer komischen Situation. Ich war gerade dabei, eine Tüte Chips zu öffnen, um den Inhalt in die bereitstehende Schale zu schütten, als Dustin bereits schon mit einer Hand von hinten in meine Hose griff, nach meinem besten Stück angelte und es mit festem Griff packte.
Fast wäre mir die Tüte aus der Hand gefallen.
Ich drehte mich um und schaute in die Augen meines Freundes. Sie blitzten und leuchteten. Es folgte ein intensiver Kuss, und bevor einer dazu kam sich ein paar Chips zu nehmen, waren wir mitten in einem gegenseitig uns geil machen. Eine mit Sicherheit nicht ganz jugendfreie Aktion, aber wunderschöne Gefühle und Verlangen nach intensiver Beschäftigung auslösend. Meine Boxer war ziemlich schnell feucht und für Dustin unübersehbar, wie geil ich mittlerweile war.
„Pause“, flüsterte ich, „sonst spritze ich gleich ab. Das wäre schade. Es ist so schön mit dir.“
Dustin hatte sich anscheinend besser unter Kontrolle. Er lachte und gab mir einen Kuss.
„Na schön, dann gebe ich dir mal eine kleine Verschnaufpause. Ich möchte nämlich noch mehr.“
Ich grinste, als ich erwiderte: „Ich auch.“
In diesem Moment klopfte es an unserer Tür. Ich konnte gerade ganz schlecht aufstehen. Meine Latte und meine Boxer waren extrem hinderlich in meinem Zustand. Also ging Dustin zur Tür und ich schaute komischerweise auf die Uhr und erschrak etwas. Wir hatten uns bereits eine halbe Stunde vergnüglich miteinander beschäftigt.
Ich hörte wie die Tür geschlossen wurde und Dustin rief:
„Wir haben Besuch“
Mist, warum ausgerechnet jetzt? Immerhin war meine Latte schnell wieder auf etwa Normalmaß geschrumpft und ich zog mir schnell eine Jogginghose über.
Als ich ins Wohnzimmer kam, redete Dustin mit Tim und Carlo. Mein Schatz drehte sich zu mir.
„Tim und Carlo wollten uns besuchen und ich glaube, da gibt es etwas Redebedarf.“
Ja, das hätte ich mir auch denken können, dass die Beiden mit uns sprechen wollten. Also verschoben wir unsere lustvollen Stunden noch etwas und ich holte uns ein paar kalte Getränke aus der Küche. Dustin hatte ja bereits die Schale mit Chips auf den Tisch gestellt. So konnten wir uns schnell an den Couchtisch setzen.
Tim schien bemerkt zu haben, dass sie uns in schöner Zweisamkeit gestört hatten. Er wirkte gehemmt und schüchtern. Irgendwie irritierte mich das.
„Zuerst einmal danke, dass ihr Zeit für uns habt“, begann Carlo.
Dabei schaute Tim aus dem Fenster. Es war ihm unangenehm und ich sah Handlungsbedarf.
„Bevor Tim gleich im Boden versinkt. Es ist vollkommen in Ordnung, dass ihr zu uns kommt wenn ihr ein Anliegen habt. Auch wenn vielleicht der Zeitpunkt, …….hahaha, gerade nicht optimal war...“
Als ich das gesagt hatte konnte ich nicht mehr anders, als einfach zu lachen. Dustin schaute mich mit einem bösen Blick an und fing dann genauso an zu lachen. Tim und Carlo schauten sich fragend an, dann machte es bei Tim „Klick“.
„Oh nee, wir haben euch beim kuscheln gestört? Scheiße, das tut uns jetzt echt leid.“
„Passt schon, ich nehme mal an, dass es euch auch um dieses Thema geht, oder?“
Ich fand es lustig. Zumal Tim und Carlo jetzt vielleicht leichter über das Thema Sex sprechen könnten. Blitzschnell erinnerte ich mich an die ersten Gespräche mit Chris damals. Seine Offenheit hatte mir geholfen, Ängste zu überwinden.
„Vielleicht auch das, ja“, grinste Carlo jetzt, „aber wir möchten mal wissen, wie hat Chris damals reagiert als ihr ihm gesagt habt, dass ihr zusammen seid? Wir sind unsicher, wie wir uns Chris gegenüber verhalten sollen. Tim hat zwar schon vor eurer Abreise etwas angedeutet, aber was mir durch den Kopf geht, Chris hat uns immer geholfen und jetzt haben wir ihn eigentlich gar nicht mit einbezogen. Marco hat uns gesagt, dass Chris damit keine Probleme hätte, aber irgendwie lässt mir das keine Ruhe. Ich möchte Chris als Freund nicht verlieren.“
„Falsch, wir möchten Chris als Freund behalten“, korrigierte Tim energisch.
Carlo nickte und Tim nahm seine Hand. Ein niedliches Bild, das bei mir Erinnerungen weckte.
„Hey, bleibt mal locker. Ich glaube, dass ihr Chris genug Hinweise gegeben habt. Er lässt euch nur genug Freiräume euch auszuprobieren. Aber seid gewiss, solltet ihr seinen Rat brauchen und zu ihm gehen, er wird immer für euch Zeit haben. Er möchte euch aber auch nicht bedrängen oder vielleicht sogar ausfragen. Er vertraut euch. So hat er das bei uns auch gemacht. Nur dass, zumindest ich, ziemlich verpeilt war. Bevor ich mir sicher war, was ich wollte, hatte Chris schon längst mitbekommen, was zwischen Dustin und mir lief.“
„Du meinst also“, fragte Tim nach, „wir können weiterhin Chris fragen, auch wenn er nicht mehr unser Coach ist?“
„Natürlich“, antwortete Dustin sofort, „er wird immer für euch Ratgeber bleiben. So lange ihr seinen Rat möchtet. Ganz bestimmt. Und seid euch sicher, er wird immer für euch einstehen, wenn ihr ehrlich seid. Auch wenn etwas danebengegangen ist. Steht dazu und fragt ihn um Hilfe oder Rat. Er wird immer für euch da sein. Hundertprozentig!“
Tim schaute Carlo an. Irgendetwas lag noch in der Luft.
Jetzt konnte ich ein wenig nachvollziehen wie Chris solche Situationen gelöst hatte. Er spürte förmlich, wie sich jemand fühlte. Deshalb konnte Chris immer die richtigen Worte finden, um uns zu einem Gespräch zu bringen und ich überlegte jetzt, wie ich unsere Freunde dazu bringen könnte, auch mit uns noch offene Punkte zu erörtern.
„Und wie ist das jetzt so, wenn man jemanden gefunden hat, der genauso empfindet wie man selbst?“, fragte ich deshalb vorsichtig.
„Geil“, kam spontan von Tim und Carlo. Sie wurden knallrot dabei. Dustin und ich mussten lachen.
„Nein, Spaß. Es ist aber schon sehr schön. Klar, manchmal ist es auch einfach geil, aber ich kann mit Carlo über alle Dinge reden. Auch über meinen schwierigen Vater. Das ist auch noch ein kleines Problem. Meine Eltern wissen noch nichts von der neuen Situation. Bei Carlo ist das glücklicherweise schon ganz toll gelaufen.“
„Na, das ist doch klasse. Und ich kann dir nur den Rat geben, bei diesen Dingen mit Chris zu sprechen. Er kann euch immer unterstützen. Oder fragt Martina um Rat. Sie hilft auch immer wo es geht. Habt keine Angst vor unangenehmen Fragen.“
Beide nickten, aber ich spürte bei Tim diese Anspannung. Genau wie bei mir, als mir bewusst wurde, dass ich mich in Dustin verliebt hatte.
Vielleicht sollten wir dieses Thema besser in ihrem Zimmer besprechen. Da fiel mir ein, wir bekamen ja im Keller neue Räume.
„Wollt ihr denn schon zusammenziehen oder behaltet ihr eure eigenen Zimmer?“, fragte Dustin mit einem Schmunzeln.
„Nein, das noch nicht. Ich möchte mein Zimmer auf jeden Fall behalten. Vielleicht streiten wir uns bald nur noch und dann sind unsere Räume vergeben. Ich finde es gut, auch mal allein zu sein.“
Carlo sah das genauso, denn er gab seinem Freund einen zärtlichen Kuss als Zustimmung. Tim erwiderte diese Zuneigung mit einem weniger zurückhaltenden Kuss. Da beide bereits eine Jogginghose trugen war die entsprechende Reaktion nicht zu übersehen.
Einige Minuten später hatten wir es uns gemütlich gemacht und sprachen auch noch über die letzte Turnierreise. Allerdings stieg meine Lust auf Dustin immer weiter und wir verwöhnten uns knutschender weise genauso wie Tim und Carlo.
Irgendwann konnte ich bei Tim einen größeren feuchten Fleck auf seiner Hose erkennen. Seine Erregung schien zuzunehmen. Kein Wunder, denn Carlo wurde immer mutiger. Kurz streifte mich sogar einmal der Gedanke, wir könnten hier auch gemeinsam weitermachen, aber das war mir dann doch nicht ganz geheuer. Es war mir einfach noch zu früh und ich wollte sie nicht überfordern. Aber ich hatte immer mehr Lust, mit Dustin da weiter zu machen wo wir vorhin gestört wurden.
Tim und Carlo ging es wohl ähnlich, denn Tim bat um Aufbruch. Der feuchte Fleck war ihm sichtlich unangenehm. Also verabschiedeten wir uns mit einer herzlichen Umarmung. Doch Dustin setzte dem ganzen noch die Krönung auf:
„Mach dir keinen Kopf, Tim. Es ist doch schön, wenn Carlo dich so geil machen kann. Geht nach oben und habt Spaß miteinander. Ich werde mich jetzt mit Fynn bestimmt auch noch vergnügen.“
Beide Freunde schauten Dustin mit großen Augen und tiefrot gefärbten Köpfen verlegen an. Dustin zwinkerte ihnen zu und schnell verließen sie uns dann.
„So, jetzt können wir uns wieder mehr unserer eigenen Lust zuwenden. Ich denke, Carlo und Tim werden ihre Hosen auch nicht mehr lange anhaben, hihihi.“
Luc: Ein „daily driver“ soll her und die Planung zum Geburtstag von Fynn und Dustin
Ich saß gerade an meinem Schreibtisch bei Karl in der Entwicklungsabteilung, als Karl unser Büro betrat. Allerdings hatte ich vermutet, er würde zu Michael gehen und nicht zu mir kommen. Aber das war wohl falsch gedacht.
„Na Luc, wie ist die Lage bei unseren Tennisfreunden? Hast du aktuell Kontakt zu den Jungs?“
„Oh, hi Karl. Ja, sicher doch. Sie sind gerade aus Split zurück und machen jetzt zwei Wochen Trainingsarbeit in Halle, bevor es dann wieder für eine Woche losgehen soll. Und danach steht ja der Geburtstag von Fynn und Dustin an. Heikki und Papa wollen da auch etwas machen. Heikki hat vor, parallel dort ein Seminar für die Physios zu machen.“
„Das hört sich gut an. Aber ich muss mit dir schimpfen. Du hast mir eine wichtige Information vorenthalten.“
Erstaunt legte ich die Maus aus der Hand und schaute in Karls Gesicht.
„Was meinst du? Ich bin mir keiner Schuld bewusst.“
„Na, dass es einen Turniersieg gegeben hat. Justin hat doch das Turnier in Split gewonnen. Das hättest du mir auch mal erzählen können.“
„Hm ja, ich dachte, das würde dich nicht ganz so stark interessieren. Aber es stimmt, Justin hat gewonnen und einen fetten Scheck bekommen. Aber Dustin und Fynn waren auch gut. Fynn war im Halbfinale.“
„Hört sich ebenfalls gut an. Die Jungs entwickeln sich. Dein Papa hat mir eine Mail geschrieben. Daher wusste ich das. Andere Frage, wann willst du wieder zu den Jungs fahren?“
„Ähm, wünschen würde ich mir, dass ich mit Stef zu Fynns und Dustins Geburtstag fahren kann. Das wäre in drei Wochen. Aber nur, wenn das arbeitstechnisch möglich ist.“
„Hahaha“, lachte Karl laut.
„Was ist? Ich kann ja schlecht sagen, Karl, ich brauche in drei Wochen eine Woche frei.“
„Warum das denn nicht? Mein lieber Luc, du bist hier mittlerweile ein regulärer Mitarbeiter. Du solltest doch wissen, dass ich bei guten Argumenten immer für meine Mitarbeiter ein offenes Ohr habe.“
Das war jetzt etwas peinlich. Karl hatte mich an meiner Schwachstelle getroffen. Ich konnte nach wie vor schlecht um einen Gefallen bitten.
„Ja, da hast du recht. Aber…“
„Stopp, Luc. Kein 'aber'. Natürlich fährst du mit Stef zusammen für diese Woche nach Halle. Und zwar die ganze Woche. Von Freitag übers Wochenende bis zum folgenden Sonntag. Und soll ich dir mal was sagen? Marc hat mir eine Idee in den Kopf gesetzt, die werde ich in dieser Woche dann umsetzen und mit Thorsten und Jan mal ein Gespräch führen. Also, wir fahren zusammen nach Halle. Außerdem kann ich dann endlich mal einen unserer guten Kunden in Herford besuchen.“
Na, was das wohl werden würde. Aber ich fand es cool, mit Karl zusammen nach Halle zu fahren.
„Du bist noch nicht dort gewesen, oder? Also, in der Breakpoint Base.“
„Nein, aber ich finde es wird Zeit. Und wenn der Plan von deinem Papa funktioniert, könnte es sein, dass wir in Zukunft häufiger dort sein werden. Oder zumindest du wirst dann regelmäßig dort sein.“
Jetzt wusste ich ganz genau, er würde mir nicht mehr verraten. Das war ein Teil seines Spieles. Also zuckte ich mit den Schultern und widmete mich wieder meiner Arbeit, einem neuen Kundendesign für eine C7 Corvette. Karl schaute mir über die Schultern und meinte dann:
„Sag mal, dein Camaro steht ja nach wie vor in der Schweiz. Hast du nicht mal daran gedacht, dir ein Alltagsauto zuzulegen?“
Ich drehte mich auf meinem Bürostuhl erneut um und schaute in sein grinsendes Gesicht. Da wusste ich sofort, er hatte entweder mit Papa auch darüber gesprochen oder, was noch heftiger sein würde, er hatte eine eigene, noch verrücktere, Idee.
„Nein, eigentlich nicht, da ich dafür die Hilfe von Papa bräuchte. Und wenn ich zu Hause bin, kann ich jederzeit ein Auto von Papa nehmen, wenn der Camaro besser in der Garage bleiben soll. Hier würde es natürlich schon praktisch sein, ein eigenes Auto zu haben. Gerade auch für Stef wäre es praktisch, da er ja nicht einfach einen Firmenwagen nehmen könnte.“
„Genau darum geht es mir. Stef braucht einen kleinen Stadtflitzer und du ein standesgemäßes Firmenauto, welches nur du bewegen sollst. Ich möchte mit dir gleich einmal an den Empfang vorne gehen. Dort schauen wir mal was bei uns so steht und was für Stef und dich in Frage kommen könnte. Und bevor du dich aufregst, es ist meine Idee und meine Entscheidung. Du würdest mich niemals nach so etwas fragen, das weiß ich. Aber du arbeitest für mich und du repräsentierst die Firma auch bei Kundengesprächen und Beratungen. Also möchte ich das so.“
„Karl, wenn ich mich richtig erinnere, bin ich ein Student, der bereits die Möglichkeit bekommen hat, bei dir Erfahrungen zu sammeln. Ich bin kein leitender Angestellter oder, wie Diether, die Oldtimerkoryphäe. Ich bin Student und nebenbei Auszubildender.“
„Jajaja, das kannst du deiner Großmutter erzählen. So viel wie du bereits von meiner Firma begriffen hast, haben andere auch nach Jahren nicht gelernt. Du hast eine Auffassungsgabe, die mich immer wieder fasziniert. Ich erinnere mich an die Geschichte mit David Alaba oder wie du meine Corvette damals entworfen hast. Und ja, es ist richtig, dass du offiziell Student bist, aber nicht mehr lange. Ich habe nämlich vor deinen Status in der Firma zu verändern. Du wirst nebenberuflich Student und hauptberuflich ein Geiger Repräsentant. Damit das steuerlich für dich nicht zum Desaster wird, habe ich meinen Finanzexperten dazu befragt.“
„Äh ja?“, staunte ich.
„Also, wir treffen uns gleich erst einmal unten am Empfang. So in zwanzig Minuten, okay? Bis dahin dürfte Stef auch angekommen sein. Den habe ich nämlich gleich hierher bestellt. Er hat heute ja Berufsschule.“
Was das wohl werden sollte? Karl hatte wieder einmal den Schalk im Nacken. Damit musste ich mich abfinden.
Michael schaute auch schon grinsend über seinen Schreibtisch zu mir.
„Der Chef hat sich wieder etwas in den Kopf gesetzt. Am besten ist, du spielst einfach mit und wartest ab, was er sich ausgedacht hat. Manchmal hat er richtig gute Ideen.“
„Was anderes bleibt mir wohl auch nicht übrig. Also ich geh mal langsam nach unten. Zu spät sollte ich jetzt besser nicht kommen.“
Der letzte Satz war nicht ganz ernst gemeint und auch Michael hatte das so verstanden. Er lachte mit mir.
Unten am Empfang wartete schon Mario auf mich.
„Ah, hallo Luc. Hat dich Karl also schon informiert?“
„Hi Mario, naja, er hat mir gesagt ich soll hier auf ihn warten und dass Stef auch kommt. Ansonsten habe ich keine Ahnung.“
Dass Mario jetzt anfing zu grinsen, ließ mir klar werden, dass er auch schon mehr als ich wusste. In diesem Moment betrat Stef das Autohaus. Er schaute kurz und dann kam er lächelnd auf mich zu.
„Hallo Schatz“, begrüßte er mich mit einem Kuss.
„Hi Stef, hast du vielleicht eine Ahnung was Karl vorhat?“
„Ja, habe ich. Aber Karl weiß das viel besser und ich finde, wir sollten so lange warten bis Karl es auch dir erklärt.“
Na toll. Selbst Stef wusste schon mehr als ich. Das gefiel mir immer weniger. Ich mochte solche Sachen überhaupt nicht.
„Eine kluge Entscheidung“, hörte ich Karls Stimme und sah wie er die Treppe herunter kam.
„So, schön dass alle schon da sind. Wir gehen mal in die Werkstatt, da möchte ich euch etwas zeigen.“
Dort angekommen, schauten wir auf unseren neu eingerichteten Bereich. Den für Hybrid- und Elektroautos.
Um diese Fahrzeuge warten und reparieren zu können, brauchen die Mechatroniker eine spezielle Schulung. Karl war bislang sehr skeptisch was Elektromobilität betraf. Allerdings hatte er mittlerweile eingesehen, dass es ohne diesen Bereich nicht gehen würde.
„Bevor mich Luc gleich auf den Mond schießt, weil ich ihm noch nicht gesagt habe, weshalb ich dieses Treffen einberufen habe, werde ich es jetzt erklären. Stef hat jetzt seinen Führerschein und ist aber nicht wirklich mobil. Luc genauso, er arbeitet hier und macht nebenbei sein Studium. Und genauso meine ich es auch, Luc. Du bist hier immer mit vollem Einsatz dabei und machst dein Studium auch noch nebenbei. Damit das jetzt auch seine finanzielle Richtigkeit hat, mache ich dich zu einem Werksstudenten. Du bekommst einen regulären Arbeitsvertrag und kannst aber ohne Nachteile dein Studium fortsetzen.“
Ahja, daher wehte der Wind. Aber ich wusste noch nicht ,wie er das hinbekommen würde, denn auch als Werksstudent hatte ich eine Stundenbegrenzung, die momentan einfach nicht realistisch war. Mit neunzehn Wochenstunden kam ich jedenfalls nicht hin. Es war mir auch gar nicht wichtig, denn ich hatte viel Freude an meiner Arbeit bei Karl.
„Stef braucht ein kleines Stadtauto, damit er einkaufen kann oder auch, um einmal allein unterwegs sein zu können. Ohne ständig auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen sein zu müssen. Genau wie Luc. Dein Camaro steht weiterhin in der Schweiz und da ist er auch gut aufgehoben. Denn das ist kein Auto, was man hier irgendwo mal abstellen sollte. Damit dein Engagement angemessen entlohnt wird, soll Stef heute seinen eigenen Stadtflitzer bekommen. Einen Corsa E. Der kann hier auch gewartet und, falls nötig, repariert werden.“
In diesem Moment öffnete sich ein Werkstatttor und ein orangeroter Opel Corsa rollte geräuschlos in die Werkstatt. Sven stieg aus dem kleinen Flitzer aus und reichte Stef eine Mappe in Wagenfarbe und die Schlüssel.
„Das ist der erste Teil des finanziellen Ausgleichs für deine viele Arbeit hier im Betrieb. Allerdings hat auch dein Papa da ein Wort mitgesprochen und sich an diesem Fahrzeug beteiligt. Und damit du auch ein eigenes Fahrzeug nutzen kannst, haben wir in der Firma beraten und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass du den Auftrag erhältst, die Vorführ C8 designtechnisch auf den neuesten Stand zu bringen und diese dann auch jederzeit für dich nutzen zu können. Alle Kosten für Wartung, Reparatur und Unterhalt gehen auf Kosten der Firma.“
Jetzt erschrak ich etwas. Das war ein fast 500 PS Geschoss und sehr begehrt bei den Kunden. Sie hatte mehrere Monate Lieferzeit. Karl hatte heute wohl beste Laune, aber dieses Angebot musste ich natürlich annehmen. Meine Bezahlung für die Arbeit war damit sicher gut ausgeglichen.
Entsprechend laut wurde es nun, denn Michi, unser Tuning Chef fuhr die Flunder ebenfalls zu uns heran. Michi stieg mit einem breiten Grinsen aus und warf mir die Schlüssel zu.
„Aber nicht, dass sie morgen Pink ist. Dann gibt es Ärger.“
Alle lachten und die Stimmung war bestens. Karl gab Sven ein Zeichen. Der nahm Stef mit zum Auto und machte mit ihm eine Probefahrt, um ihm auch alles richtig zu erklären. Karl wartete noch bis das Tor wieder geschlossen war und legte dann seinen Arm auf meine Schulter.
„Du musst dich nicht aufregen, Luc. Ich habe sehr wohl bemerkt wie viel Arbeit du hier momentan investierst. Ich habe mich in keinster Weise in dir getäuscht. Du bist eine tolle Bereicherung. Ich möchte, dass es dir gut geht und wir die schlimmen Zeiten in München hinter uns lassen. Und dass wir, auch bei der vielen Arbeit, den Spaß nicht zu kurz kommen lassen. Aber pass bitte auf. Wenn ich deiner Mutter erklären muss, dass du mit der C8 Schaden genommen hast, dann muss ich einen Helm aufsetzen.“
„Hahaha, da könntest du allerdings recht haben. Aber ich finde das mega. Ein geiles Auto und vielen Dank für deine Anerkennung. Kann ich das Design wirklich frei wählen? Ich habe da nämlich schon etwas im Kopf. Eine Idee, die ich eigentlich schon für ein Auto von Papa hatte.“
„Ja, du kannst das Auto frei gestalten. Und wenn du damit mal in die Schweiz rüberfahren möchtest oder nach Halle, dann mach das. Du musst keine Rücksicht auf die Kilometer nehmen. Es ist unser Firmenauto und Prototyp. Vermutlich werden wir bald noch ein Tuning Kit dafür bauen. Sie wird eh nicht verkauft. Jedenfalls nicht als Vorführer.“
Das war eine gelungene Überraschung. Meine Vorfreude auf den Feierabend stieg von Stunde zu Stunde. Stef war schon einige Zeit wieder zu Hause. Er wollte noch einkaufen fahren und dann würden wir zusammen zu Abend essen.
Nachdem ich gegen halb sieben am Abend die Firma verließ, steuerte ich das erste Mal auf die schwarze C8 zu. Ich war sogar etwas aufgeregt, denn so oft war ich sie noch nicht gefahren und es machte mich schon stolz, dass mir Karl dieses Vertrauen gab.
Eine kurze Orientierung im Cockpit und dann drückte ich den Startknopf. Was für ein Sound, hatte dieser Achtzylinder. Einfach nur geil. Die Heimfahrt war ein Genuss und als ich den Wagen vor unserer Wohnung parkte, stand Stefs orangener Corsa schon dort. Ich stellte die C8 direkt dahinter. So benötigten wir keinen extra Stellplatz. Parkplatzflächen waren in München rar und teuer.
In unserer Wohnung duftete es bereits herrlich nach dem Essen. Stef hatte mittlerweile alles vorbereitet.
„Hallo Schatz“, begrüßte ich ihn als ich die Küche betrat, „du hast ja schon alles fertig.“
Erst bekam ich einen Kuss, danach erwiderte Stef:
„Ja, wir können gleich essen. Du hast ja wieder lange gearbeitet. Da wollte ich dich etwas verwöhnen.“
Essen war echt untertrieben. Es war ein Festmahl. Nach dem Dessert waren wir Beide mehr als satt. Aber irgendetwas beschäftigte meinen Freund.
„Ich finde es mega, dass Marc mir dieses Auto gibt. Womit habe ich das verdient?“
Da war er wieder, der alte Stef. Jetzt musste ich behutsam sein und ihm das gut erklären, warum Papa das gemacht hatte. Er hatte es bei allen Kindern so gemacht, und Stef war genauso ein Kind von ihm, wie Lukas und ich es auch waren. Karl hat es ermöglicht, sicher auch besorgt und sich um die Formalitäten gekümmert, aber den Corsa hatte mit Sicherheit Papa bezahlt. Das hätte Stef aber nicht akzeptiert. So hat Karl gesagt, dass er das entschieden hat und Stef würde es akzeptieren. Clever gemacht. Ziel erreicht.
„Durch deine Persönlichkeit. Du bist mein Freund und gibst mir die Freiheiten bei Karl arbeiten zu können. Karl hat begriffen, wie wichtig du für mich bist.“
Danach ging ich auf meinen Freund zu, umarmte ihn und wir kuschelten noch eine ganze Zeit.
„Sag mal, Schatz“, fragte er mich irgendwann, „hast du schon eine Idee wie du die Corvette gestalten möchtest? Ich habe da eine Idee.“
„Echt? Schieß los. Du machst mich neugierig.“
„Naja, Karl hat uns Beiden das ermöglicht. Ich finde, Karls Logo sollte zumindest auf der C8 zu erkennen sein. Damit könntest du noch etwas Werbung für ihn machen.“
„Hihihi, das ist cool. Ich hatte genau diese Idee und ich habe auch schon konkrete Vorstellungen wie das gehen könnte. Möchtest du dir das anschauen?“
„Au ja. Sag nicht, du hast schon einen Entwurf dafür? Hast du denn schon gewusst, was Karl da vorhatte?“
„Entwurf und Idee hatte ich schon, aber gewusst habe ich nichts. Der Entwurf sollte eigentlich für Papas GT sein. Aber bislang hat sich dafür noch keine Gelegenheit ergeben. Jetzt werde ich das am PC auf der C8 ausprobieren. Wenn das so geil aussieht wie ich mir das vorstelle, dann mache ich das.“
„Lackierst du echt die neue C8 um? Oder ist Folieren vielleicht möglich?“
„Es wird foliert. Lackieren ist zu teuer und nicht mehr rückgängig zu machen. Ich schick dir morgen den Entwurf dann aufs Handy. Das muss ich in der Firma machen, weil ich nur da das Programm dafür habe.“
Ich staunte über meinen Schatz. Er hatte bereits einiges über Autos gelernt. Das freute mich.
Einige Zeit später, wir lagen bei uns gemütlich auf der Couch, fragte mich Stef:
„Hast du schon eine Idee, was wir Fynn und Dustin zum Geburtstag schenken wollen? Wir haben nicht mehr so viel Zeit etwas zu besorgen.“
„Ja, ich habe mich mit Papa beraten und ich habe die Idee, sie erneut zu uns in die Schweiz einzuladen. Papa hat auch ein ganz spezielles Geschenk vorbereitet, dass wird er ihnen in Halle persönlich geben und wir Beide werden dann sozusagen den zweiten Teil davon übernehmen, der zu Hause passieren wird.“
„Cool, das wird dann wieder sehr lustig werden. Eine tolle Idee, aber ich möchte ihnen auch etwas in Halle überreichen. Eine Kleinigkeit, die unsere Freundschaft zeigt.“
„Da machst du mich jetzt aber neugierig. An was hast du dabei gedacht?“
Stef stand von der Couch auf und holte aus dem Schlafzimmer eine Plastiktüte. Er griff hinein und holte etwas hervor, das mich laut lachen ließ. Eine geniale Idee.
„Das ist ja cool. Wann und wo hast du das denn machen lassen?“
Stef freute sich über meine Begeisterung und erzählte mir die Geschichte dazu. Ich fand seine Idee und Gedanken dazu sehr treffend und freute mich über seine Initiative.
Er packte die Sachen wieder zurück ins Schlafzimmer und als er zurückkam, fragte er mich:
„Wie kommen wir eigentlich in drei Wochen nach Halle? Karl will sich die Base auch anschauen. Aber gemeinsam fahren macht wenig Sinn. Sie werden ja nur das Wochenende dort bleiben.“
„Guter Gedanke, ich habe mir etwas überlegt und das mit Karl bereits abgesprochen. Wir fahren gemeinsam mit dem neuesten Projekt von Karl hin und Karl fliegt allein zurück. Wir fahren dann am Sonntag zurück mit Karls neuestem Projekt.“
Stef verdrehte seine Augen. Ich wusste genau, dass er diese Heimlichkeiten nicht mochte.
„Reg dich nicht auf, Schatz. Ich erkläre es dir. Karl ist ja seit kurzem in die Wohnmobilbranche eingestiegen. Das Breakpoint-Team hat ja nicht nur Chris mit unseren Freunden. Auch die anderen jungen Spieler benötigen immer ein Quartier oder müssen ständig hin- und herfahren. Karl hat die Idee, Thorsten ein Wohnmobil zu präsentieren, das genau diese Anforderungen abdecken kann. Außerdem würde das Karl eine überregionale Werbeplattform bieten.“
„Stimmt“, erwiderte Stef, „ich erinnere mich, dass sich damals Dustin und Fynn wiedergetroffen hatten. Aber ist so ein Wohnmobil denn groß genug um mehrere Personen unterzubringen. Die sind ja nicht nur immer zu dritt oder zu zweit unterwegs.“
„Sei beruhigt, Karl und ich haben das besprochen und ich glaube, Karl hat da genau das richtige für unsere Freunde.“
Damit gab sich Stef zufrieden und wir kuschelten uns auf der Couch wieder aneinander.
Am nächsten Tag hatte ich reichlich zu tun. Michael und ich arbeiteten an einigen Teilen für die neue C8. Karl wollte für die Kunden ein komplettes Tuningpaket entwickeln. Vom Fahrwerk über Leistung und Aerodynamik. Leistung war der Bereich von Michi, unserem Tuning Chef, Fahrwerk hatten wir an die Firma K&W ausgelagert, aber Aerodynamik war jetzt unser Thema. Michael und ich hatten bereits einiges entworfen. Nur konnte ich die Berechnungen, was den Abtrieb betraf, noch nicht führen. Das war Michaels Job, aber er erklärte es mir jedes Mal genau. Einen Windkanalbesuch würde es auch noch geben.
In der Mittagspause fiel mir ein, dass ich Stef noch ein Bild von meiner Designidee für meine C8 schicken wollte.
Als ich vom Essen zurück war, setzte ich mich direkt an das Designprogramm und rief meinen gespeicherten Entwurf auf. Diesen Entwurf hatte ich bislang niemandem gezeigt. Auch Michael kannte den noch nicht. Entsprechend erstaunt schaute er mir über die Schultern, als er wieder ins Büro kam.
„Wow, wann hast du denn das gemacht? Das sieht richtig gut aus. Hat Karl das schon gesehen?“
Ich zuckte etwas zusammen, denn ich hatte nicht bemerkt, dass er direkt hinter mir stand.
„Erschreck mich doch nicht so! Nein, das hat bislang noch niemand gesehen. Es war eigentlich für eins von Papas Autos gedacht. Aber das will ich jetzt auf „meine“ C8 machen. Damit ist überall klar, dass das mein Auto ist. Ähnlich wie mein alter Camaro.“
„Ah so, wow. Das wird auf der C8 mega gut aussehen. Allerdings könnte das bei Karl etwas Neid auslösen. Da wird er versuchen mit dir einen Deal zu machen, um das Design für die Kunden freizugeben.“
„Da wird er auf Granit beißen. Dieses Design wird einzigartig bleiben. Über Veränderungen kann man sicher sprechen.“
„Hahaha, sehr gut, Luc. Lass dir da nichts einreden. Ich würde so einen Entwurf auch nicht auf anderen Autos sehen wollen. Du willst das lackieren oder mit Folie machen?“
„Folie! Das kann jederzeit wieder rückgängig gemacht werden.“
Der Termin bei unserem Hausfolierer war schnell gemacht und ich war gespannt, wie das dann in Wirklichkeit aussehen würde.
Chris: Alltagsroutine stellt sich ein
Die ersten Trainingstage waren ohne besondere Ereignisse verlaufen und meine Jungs arbeiteten fleißig. Ich selbst hatte inzwischen auch schon zwei Touren mit dem Motorrad machen können und in meinen täglichen Arbeitsablauf mein neues Gerät für meinen Rücken integriert. Jeden Tag zwanzig Minuten.
Heute war Freitag, das Vormittagstraining war bereits gelaufen. Thorsten hatte mich gebeten, mit ihm zu Mittag zu essen.
Am Abend war ich in der WG zum Essen eingeladen worden. Justin wollte seinen Turniersieg mit den Freunden ein wenig feiern und hatte darauf bestanden, dass ich dabei sein sollte. Dem kam ich natürlich gerne nach und konnte auch die Zeit nutzen, mit Martina noch länger zu sprechen, um insbesondere die Umbaumaßnahmen zu begutachten.
Eine Neuerung gab es außerdem noch. Dustin und Fynn hatten darum gebeten, ihre praktische Führerscheinausbildung in der turnierfreien Zeit beenden zu können. Dazu würde es notwendig sein, das ein oder andere Training ausfallen zu lassen. Ich empfand das nicht als Problem. Aber sonst würde es immer schwieriger werden, das zu beenden. Die Theorie hatten sie über online Unterricht gemacht und die entsprechende Prüfung auch bereits bestanden.
„Hallo Chris“, begrüßte mich Thorsten, als ich sein Büro betrat, „ich brauche noch ein paar Minuten. Wenn du magst, setz dich so lange auf die Terrasse und gönne dir einen Othello oder was immer du möchtest. Lass es auf die Teamrechnung schreiben.“
„Ja gut, aber mach nicht mehr so lange. Du hast auch eine Mittagspause.“
Thorsten schaute von seinem Computer hoch, zeigte mir den Daumen hoch und ging an das klingelnde Telefon. Für mich das Zeichen, mich nach draußen in die Sonne zu setzen. Es dauerte in der Tat den ganzen Othello, bis Thorsten zu mir an den Tisch kam.
„Wollen wir hier essen oder sollen wir in den Sportpark wechseln?“, fragte er mich.
„Wie du möchtest. Im Sportpark haben wir vermutlich mehr Ruhe, aber du entscheidest.“
„Ein guter Gedanke. Lass uns zu Fuß gehen. Ist das für dich in Ordnung?“
Natürlich war das für mich in Ordnung. Entsprechend machten wir uns direkt auf den Weg.
„Wie läuft es bei deinen Jungs? Haben sie sich von der letzten Turnierreise erholt?“
„Ja, es läuft richtig gut. Keiner ist verletzt, die Stimmung ist bestens und auch in der Schule ist Dustin gut dabei. Der Erfolg in Split ist verarbeitet. Ich bin gespannt was Justin heute Abend geplant hat. Bislang haben sie nicht gefeiert oder sind gar auf einem Höhenflug. Ich bin voll zufrieden.“
„Das höre ich gern. Hier hat sich ja auch bereits einiges weiterentwickelt. Ich möchte aber zwei Dinge mit dir besprechen, bevor es in der Presse auftauchen wird. Es gibt ein Problem bei Gerry. Er hat seit einigen Tagen gesundheitliche Probleme und sich ins Franziskus Hospital in ärztliche Behandlung begeben.“
„Oha, das hört sich aber nicht gut an. Wie ernst ist das? Liegt er im Franziskus in Bielefeld?“
„Ich möchte darüber nicht spekulieren, aber wir beide kennen Gerry lange genug, dass er nicht wegen einer Bagatelle in eine Klinik gehen würde.“
Das war schon eine ernste Mitteilung. Gerry hatte auch mittlerweile ein Alter, in dem jede schwere Infektion ein Risiko darstellte.
„Wir müssen also abwarten und die Daumen drücken, dass er bald wieder bei uns ist. Was hast du noch anstehen?“
Mittlerweile hatten wir den Sportpark betreten und Thorsten betrat das Restaurant zuerst. Ich folgte ihm.
Wir wurden freundlich begrüßt und zu unserem Tisch geleitet. Es war ein Tisch am Rande des Raumes. Da wusste ich, Thorsten hatte schon im Vorwege reserviert, wollte also nicht gestört werden und nicht zu viele Ohren in der Nähe haben.
Wir erhielten die Speisekarte und nach der Auswahl fragte mich Thorsten:
„Wann hast du das letzte Mal mit deinem Bruder gesprochen?“
„Puh, das ist schon ein paar Tage her. Er hat mir nach dem Finalerfolg von Justin gratuliert. Aber sonst haben wir schon einige Tage nicht mehr miteinander gesprochen. Er ist in England, soweit ich weiß.“
„Ja, das ist korrekt. Er ist zur Zeit in Roehampton.“
Dort lag das Landesleistungszentrum für Tennis von Großbritannien. Ich war etwas erstaunt. Jan hatte bislang nicht viel mit den Briten zu tun.
„Also pass auf, Jan und Niko haben ihre enge Zusammenarbeit in beiderseitigem Einverständnis beendet. Jan ist der Meinung, dass es sowohl für ihn, als auch für Niko, der richtige Zeitpunkt sei, ihre gute Arbeit zu beenden und neue Impulse zu suchen.“
Gut, diese Information war mir nicht ganz neu, aber dass es so schnell gehen würde, hatte ich nicht erwartet. Aber Jan hatte bereits mehrfach auch bei unseren Eltern so etwas angedeutet.
„Jetzt war es also so, dass sich schnell herumgesprochen hatte, dass Jan wieder auf dem Trainer Markt zu haben wäre. Durch seine hohe Anerkennung in der Szene, waren die Anfragen mehr als reichlich. Ein Anruf war allerdings etwas herausragender als die große Masse. Andy Murray hatte sich in der Woche gemeldet, in der ihr in Split gespielt habt. Und zwar persönlich, und nicht durch sein Management.“
„Ja, das ist schon etwas Besonderes. Was hat Andy Murray mit ihm vor?“, fragte ich.
„Er möchte Jan als neuen Coach haben. Murray hat ja, wie du sicherlich weißt, zwei neue Hüftgelenke bekommen. Er möchte jetzt noch einmal durchstarten und versuchen, wieder in die Top Ten zu kommen. Dafür hat er sich entschieden, seinen bisherigen Trainerstab komplett umzubauen. Jan hat sich mit ihm getroffen und sie haben eine Testphase vereinbart. Daher ist Jan jetzt auf der Insel und sie bereiten sich auf die nächsten Turniere vor. In der übernächsten Woche werden sie hier trainieren. Jan wird sich baldmöglichst bei dir melden und diese zwei Wochen seiner Trainingsplanung mit dir abgleichen. Ihr sollt ,so viel wie möglich, mit ihm gemeinsam trainieren. Dass wir in den Wochen Marc und seine Familie zu Besuch haben, ist mir bewusst. Aber das bleibt alles, wie besprochen. Auch Dustins und Fynns Geburtstag soll genau so stattfinden wie es geplant war.“
Das war schon eine kleine Überraschung. Andy Murray war eine große Persönlichkeit im Tennis. Er hatte Wimbledon gewonnen und war lange Zeit die Nummer eins in der Weltrangliste. Bis vor zwei Jahren. Da zwang ihn seine defekte Hüfte zum Rücktritt. Er hatte sich operieren lassen und spielte nun seit einigen Monaten wieder. Er war extrem ehrgeizig und zielstrebig. Ähnlich wie Jan. Das könnte eine interessante Geschichte werden.
„Und ich soll jetzt das Training anpassen? Oder wie soll das werden?“, fragte ich nach.
„Ganz ruhig. Für dich wird sich nicht viel verändern. Jan hat mir gesagt, dass in Ruhe mit dir zu besprechen. Aber Jan ist halt auch davon überzeugt, dass die Jungs mittlerweile gut genug sind, um ihn bei seiner Arbeit mit Andy zu unterstützen. Außerdem können sie davon ja auch profitieren. Du bleibst weiterhin voll verantwortlich für Dustin, Fynn und Justin. Die Details wird Jan mit dir aber persönlich besprechen.“
Ich konnte mir nicht helfen, aber spontan waren Erlebnisse aus der Vergangenheit in meinen Kopf. Ich empfand es als höchst unglücklich, solche Information zuerst von Thorsten und nicht von Jan - zumindest einen Hinweis - bekommen zu haben. Thorsten spürte meinen Unmut.
„Was ist jetzt dein Problem?“, fragte er direkt nach.
„Es ist ein altes Thema. Warum erfahre ich von Jans Plänen zuerst von dir und bekomme von ihm nicht einmal einen Hinweis vorab? Ich fühle mich wieder wie früher. Den kleinen Bruder muss er nicht informieren, das macht Thorsten und dann läuft das schon. Vielleicht ist dem nicht so, aber ich fühle mich gerade so.“
„Hmm, das kann ich nachvollziehen, aber ich muss hier ganz klar sagen, dass ist bislang immer so gewesen, dass solche Informationen von mir kommuniziert wurden. Ich glaube, dass Jan überhaupt nicht im Kopf hatte, dass damit bei dir alte Wunden aufgerissen werden. Vielleicht solltest du das ansprechen. Es wäre sicherlich kein großes Ding, wenn Jan dir in Zukunft direkt einen Hinweis geben würde, damit du schon etwas vorbereitet bist, wenn solche Veränderungen anstehen.“
Ich nickte stumm. Es arbeitete in mir. Ich konnte schon verstehen, dass solch eine Entwicklung auch für die Medien immer ein gefundenes Fressen war und so lange eine Verabredung in dieser Dimension nicht finalisiert war, sollte sie intern bleiben. Aber Thorstens Hinweis, das mit Jan einmal direkt zu besprechen wollte ich auf jeden Fall umsetzen.
„Ist das für dich jetzt so in Ordnung oder sollen wir noch weiter darauf eingehen?“
Ich schüttelte meinen Kopf und erwiderte:
„Nein, schon gut. Ich werde es mit Jan besprechen.“
„Sehr schön. Der nächste Punkt ist der Umbau in der WG. Du hast dich bereits umgesehen?“
„Nur kurz. Bislang hatte ich noch keine wirkliche Gelegenheit, aber heute Abend werde ich dort zum Essen sein. Justin hat eingeladen.“
„Ja, richtig. Er hat mich auch eingeladen. Also dann werden wir uns ja dort heute Abend treffen. Ich möchte mit dir etwas zu den möglichen Neuverpflichtungen besprechen.“
Just in diesem Moment wurden wir unterbrochen. Wir bekamen unser Essen. Es war einfach grandios dort zu speisen. Erstklassige Qualität und tolles Ambiente. Ich blieb meinem Prinzip treu, während des Essens keine dienstlichen Gespräche. Erst als wir uns einen Latte Macchiato gönnten, meinte Thorsten:
„In der nächsten Woche sind die ersten beiden neuen Zimmer im Keller bezugsfertig. Wir gehen davon aus, dass die Baumaßnahmen in der Woche eures Turnieres in Stralsund beendet werden können.“
„Das hört sich gut an. Seid ihr schon mit der Sichtung für weitere Spieler vorangekommen?“
„Also zuerst treffen wir gemeinsam da eine Entscheidung. Und ja, Jan hat die Meinung geäußert, du solltest Simon, Mattes und Carlos zuerst mit Marco begleiten. Erst danach werden wir weitere Spielertalente einladen, wenn es mit den drei Jungs nicht klappt. Da hatten wir ja bereits den Fahrplan festgelegt. Das soll auch genau so passieren. Du kennst den aktuellsten Stand bei Carlos noch nicht. Seine Eltern haben dem Probeaufenthalt zugestimmt. Ich habe mit der Mutter lange telefoniert und sie hat immer wieder erwähnt, dass du schon viel Gutes bei Carlos bewegt hast. Und was ganz wichtig ist, Carlos hat wohl richtig Bock auf dieses Projekt. Vor allem, als er mitbekommen hatte, dass du jetzt hier arbeitest. Hihihi, warum wohl?“
„Ja, das hört sich gar nicht so verkehrt an. Aber es muss euch klar sein, Carlos wird nicht einfach werden. Da haben wir ein richtiges Brett zu bohren. Allerdings, wenn wir zu ihm durchdringen und er spürt, dass es ihm besser geht, dann werden wir viel Freude mit dem Jungen haben.“
„Komisch, warum habe ich das nicht anders erwartet. Aber du hast auch Tim hier auf Linie gebracht und ich glaube, so viel schwieriger kann Carlos nicht sein. Also, wenn das jemand hinbekommt, dann sind wir das. Davon bin ich einfach überzeugt, übrigens genau wie dein Bruder.“
Das freute mich natürlich, aber es erhöhte auch den Druck auf mich. Aber für Carlos war ich bereit mich einzusetzen, wenn er das denn wirklich jetzt wollte.
„Und damit das klar geregelt ist, du kümmerst dich verantwortlich weiterhin um Fynn, Dustin und Justin. Carlos und die anderen Jungs sind bei Marco und dafür trägt er in erster Linie die Verantwortung. Du hast sozusagen beratende Funktion. Es macht überhaupt keinen Sinn, das anders zu machen. Dafür bist du zu oft unterwegs und nicht in der Base.“
Ich war mit dieser Planung einverstanden, aber jetzt hatte ich noch den Geburtstag von Dustin und Fynn auf meiner Liste.
„Wir müssten jetzt noch über den Geburtstag von Dustin und Fynn sprechen. Marc kommt in der Woche mit seiner Familie und wenn ich Marc richtig verstanden habe, bringt Luc auch Karl Geiger mit. Da bahnt sich auch irgendetwas an. Marc hat wie immer noch nicht viel dazu gesagt, aber ich bin mir sicher, dass uns da wieder eine Überraschung à la Marc bevorsteht.“
„Hahaha, sehr schön. Aber das schreckt uns ja nicht ab. Bislang waren Marcs Überraschungen ja nicht die Schlechtesten. Hat er schon etwas gesagt wegen der Übernachtungen? Müssen wir für Karl Geiger dann noch ein zusätzliches Zimmer buchen?“
„Ja, aber nur für das Wochenende mit der Feier. Karl wird am Sonntag zurück nach München fliegen. Luc wird mit Stef und seiner Familie aber die ganze Woche bleiben. Da soll dann ja auch noch das Seminar von Heikki stattfinden.“
„Alles klar, das habe ich auf dem Schirm. Ich werde gleich direkt das Zimmer für Karl buchen. Was wirst du heute noch machen?“
„Ich mache mit den Jungs gleich noch ein Nachmittagstraining und heute Abend bin ich in der WG. Aber wo soll denn die Party stattfinden? Ich glaube nicht, dass der Garten oder die WG dafür als Location reichen wird. Ich weiß zwar, dass die Jungs kein Event planen, aber da Simon und Mattes dann ja auch hier sind, werden es wohl doch einige Gäste werden.“
„Kein Problem. Da werden wir schon das Passende finden. Ich überlege mir da etwas. Fynn hatte mich bereits angesprochen und gefragt, ob ich da eine Idee hätte.“
Oh, das war für mich jetzt aber eine schöne Überraschung. Die Jungs hatten sich bereits auch selbst Gedanken gemacht.
„Ich gehe davon aus, dass Fynns Familie anwesend sein wird und mit Sicherheit werden einige Freunde aus der Schule kommen. Also da werden leicht an die dreißig Personen zusammenkommen. Ohne unsere Leute. Denn Martina, Marco und dich haben sie ja auch eingeladen. Und ich finde, diese Einladung sollten wir auch annehmen.“
„Ja, absolut. Da gebe ich dir recht. Ich finde, diese Feier haben sich gerade die Beiden verdient. Maxi ist mit seinem Lehrgang dann auch fertig und ich freue mich sehr, dass sie Maxi ebenfalls eingeladen haben“, ergänzte Thorsten.
„Ich hoffe nur, dass Marc uns mit seinen verrückten Geschenkideen dieses Mal etwas verschont. Sonst dürfte es wieder sehr spannend werden.“
Thorsten fing an zu lachen und meinte:
„Es wird sicherlich spannend werden. Oder glaubst du wirklich, dass Marc nicht wieder in seine Überraschungskiste greift?“
„Hm, nein, eigentlich nicht. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Immerhin ist er hier aber von zu Hause weit genug weg. Da dürften seine Möglichkeiten begrenzt sein.“
Thorsten lachte und auch ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Diese Aktion sollte auf jeden Fall spannend bleiben.
Das Nachmittagstraining verlief normal und ich war zufrieden als ich die Truppe zum Auslaufen schickte. Mein Weg führte direkt unter die Dusche. Auf dem Weg dorthin kam ich an den anderen Trainingsplätzen vorbei. Marco war auch schon fertig mit seinen Jungs. Aber Toto hatte noch Malte und Marvin am Wickel. Das war eine Vierergruppe und die Jungs hatten gerade gut was zu tun. Aber es gab keinerlei negative Äußerungen und alle vier hingen sich voll rein. Ich konnte nach einem kurzen Gruß an die Gruppe und Toto weiter in Richtung Umkleide gehen.
Damit die Jungs nicht auf komische Ideen kommen würden, hatte ich für das Wochenende jeweils zwei Trainingseinheiten pro Tag angesetzt. Das hatte ich in meinem Kopf auch bereits vorbereitet. Vormittags eine Technikeinheit und am Nachmittag Matchpraxis.
Unter der Dusche hing ich etwas meinen Gedanken nach und erst, als es in der Umkleide lebendig wurde, drehte ich das Wasser ab und nahm mir mein Handtuch. Von der Stimmlage her, waren die Jungs in der Umkleide noch recht jung.
Umso erstaunter war ich, als zwei der Jungs in die Dusche kamen. Sie begrüßten mich freundlich. Während ich hinaus ging, drehten sie sich das Wasser auf. Die anderen beiden hatten sich nur umgezogen und waren schon wieder auf dem Weg nach draußen.
Ich schaute auf die Uhr und stellte fest, dass ich noch zwei Stunden Zeit hatte, bis es bei Justin beginnen sollte.
Zuhause packte ich meine Tasche aus und widmete mich danach etwas meiner Ducati. Sie sah staubig aus. Daher beschloss ich mit ihr zu einem Waschpark zu fahren und dort gründlich zu säubern. Gerade als ich mein Equipment geholt hatte, kam Malte vom Training nach Hause.
„Hi Chris, machst du eine Abendrunde mit dem schönen Gerät?“
„Hi Malte. Naja, sie muss mal gereinigt werden. Also nur eine sehr kleine Runde drehen und ordentlich sauber machen. Und du? Training beendet?“
„Jap. War richtig gut heute. Ich bin jetzt aber auch ganz schön platt.“
Er hatte noch ganz nasse Haare unter seinem Fahrradhelm. Das gefiel mir nicht so gut.
„Ja, nach dem Training kann man mal richtig platt sein. Aber ich freue mich über zwei Dinge. Zum Einen bist du schon im Club duschen gewesen und zum Zweiten trägst du deinen Helm korrekt, sehr schön.“
Dieses Lob führte zu einem Lächeln in seinem Gesicht.
„Danke, es ist schön, dass du es bemerkt hast. Ich weiß, eigentlich sollte es selbstverständlich sein, aber es ist nicht immer lustig wenn andere lachen, weil ich den Helm trage.“
„Da gebe ich dir recht. Aber es ist ganz allein dein Kopf, der geschützt wird. Und auch das Duschen direkt nach dem Training hat ja Vorteile für deine Haut. Dennoch finde ich es lobenswert, dass du dich von mir hast überzeugen lassen. Mach bitte weiter so. Auch Toto ist sehr zufrieden mit dir. Macht es dir jetzt auch wieder mehr Spaß?“
„Auf jeden Fall. Zurzeit ist es gerade richtig cool. Und ans Duschen habe ich mich schon gewöhnt. Okay. Manchmal ist es auch etwas peinlich, aber du hast gesagt, dass das alles normal sei. Daher versuche ich dann entweder einen Moment zu warten oder wenn ich allein mit Malte bin, dann gehen wir trotzdem duschen.“
Für einen Augenblick war ich verwirrt, wusste nicht, was er damit gemeint hatte, aber dann machte es bei mir „Klick“. Fast hätte ich gelacht, aber ich zeigte ihm nur den Daumen hoch und erwiderte:
„Sehr gute Einstellung. Und sei dir sicher, das ist auch schon vielen anderen Jungs passiert. Und je mehr man sich davor fürchtet, desto schlimmer wird das. Marvin hat es ja auch schon oft genug bei dir gesehen. Genau wie du. Also alles easy.“
„Hahaha, ja. Du bist echt cool. Und damit du nicht doch noch wegen meiner nassen Haare meckerst, aber der Föhn im Club war defekt. Und meinen eigenen hatte ich nicht in meiner Tasche.“
„Hey, super mitgedacht. Ich finde es toll wie du dich entwickelst. Mit Marvin auch alles im Lot?“
„Ja, alles bestens. Wir sind am Wochenende fast immer zusammen unterwegs. Aber eine Frage habe ich doch noch. Darf ich mal auf der Ducati bei dir eine Runde mitfahren?“
„Ja, das hatte ich dir ja versprochen. Sobald dafür Zeit ist, machen wir das. Vielleicht sogar an diesem Wochenende wenn das Wetter mitspielt. Sprich mich morgen einfach noch einmal an.“
Das war für ihn in Ordnung und ich konnte mich meiner Aufgabe widmen, die Ducati auf Vordermann zu bringen.
Die Zeit rannte beim Säubern nur so dahin. Mein Handy gab mir mit einem Alarm das Signal zur WG aufzubrechen.
Fynn: Cooler Abend mit schönem Finale
„Wo ist der Karton mit den Knabbersachen? Ich kann den grad nicht mehr finden.“
Justin war richtig im Stress. Er wollte alles perfekt vorbereitet haben und auch noch alles allein managen.
Dustin und ich hatten uns darauf geeinigt, einfach ein paar Dinge zu machen und Justin gar nicht groß damit zu belasten. Jetzt hatte er aber doch bemerkt, dass sein großer Karton mit den Sachen zum Knabbern nicht mehr im Flur stand. Sofort wurde er hektisch. Einfach krass, wie extrem perfekt Justin diesen Abend vorbereiten wollte.
„Der steht bereits schon auf der Terrasse und entspann dich mal. Wir sind nicht dabei, einen Staatsempfang vorzubereiten.“
Oha. Ob das jetzt gutgehen würde? Martina bremste Justin direkt aus.
Justin schaute böse zu ihr hinüber, aber dann blickte er zu mir und ich musste lachen. Ich konnte es nicht mehr verhindern. Justin atmete tief aus und seine Schultern sackten nach unten.
Martina machte einen Schritt auf ihn zu und nahm ihn in den Arm.
„Justin, mach dir nicht so einen Druck. Es kommen doch Freunde und Teammitglieder. Niemand erwartet heute etwas Außergewöhnliches. Außer du selbst vielleicht. Entspann dich etwas. Alle in der WG werden dir helfen und wir haben einen schönen Abend. Du bekommst sonst noch einen Herzinfarkt. Und wie soll ich das dann bitte Chris erklären? Das geht gar nicht.“
Sie hatte das, ohne mit der Wimper zu zucken, todernst gesagt. Justin schaute sie entgeistert an, und selbst Carlo hatte Schwierigkeiten nicht zu lachen.
„Hihihi“, kam leise von Tim und dann war es geschehen. Einer nach dem anderen fing an laut zu lachen. Irgendwann lachten wir alle zusammen, auch Justin. Damit war der Bann gebrochen und Justin entspannte sich zusehends.
Und damit wurde es dann auch richtig locker und schön. Sogar Maxi war bereits gekommen und half Martina in der Küche, die letzten Vorbereitungen zu treffen. Maxi freiwillig in der Küche? Ein besonderes Ereignis und im Kalender rot zu vermerken.
Tim und Carlo hatten den Tisch auf der Terrasse vorbereitet und eigentlich fehlte nur noch das Trainerteam und natürlich Chris.
Allerdings kündigte sich letzterer mit einem Gewittersturm an. So hörte es sich zumindest an. Ein näher kommendes Grollen, das mit zwei lauten Gasstößen erstarb.
„Oha, Chris ist heute mal wieder mit seinem Spielzeug unterwegs. Ob das ein gutes Zeichen ist, wenn er so dynamisch ankommt?“, fragte Martina lachend.
„Klar“, erwiderte Carlo, „dann hat er den Stress bereits weggefahren und wir müssen nichts befürchten“.
Tim schaute seinen Freund mit großen Augen an.
„Als ob wir jemals vor Chris etwas zu befürchten hatten. Ich kenne da nur einen, der mal um seinen Kopf bangen musste“, konterte Tim.
Damit hatte er alle Lacher auf seiner Seite und Carlo musste einsehen, dass er verloren hatte.
Schön empfand ich allerdings, dass Tim direkt zu seinem Freund ging, ihn umarmte und einen Kuss auf den Hals setzte.
In diesem Moment betrat Chris die Terrasse.
„Ey, kaum dreht man den Bengels den Rücken zu, fangen sie gleich an zu knutschen. Einen guten Abend allerseits. Wow, das sieht aber schon toll aus. Erwartet ihr noch besondere Gäste?“
Danach umarmte er insbesondere Carlo und Tim und flüsterte Tim etwas ins Ohr. Der nickte nur leicht. Anschließend klatschte er uns ab und als er Maxi entdeckt hatte, gab es eine ganz besondere Begrüßung.
„Ah, der neue Trainerkollege ist auch da. Sehr schön, ich darf gratulieren. Tolles Ergebnis beim Lehrgang erreicht, eine glatte EINS als Abschlussnote. Respekt!“
„Danke, aber es ist ja nur ein Teil des Lehrganges. Ich muss noch einige Prüfungen machen.“
„Eins nach dem anderen. Läuft doch gut. Ich finde es mega cool, dass du heute gekommen bist. Wie geht es dir und deiner Mutter?“, fragte ihn Chris.
„Besser, gerade Mama hat sich etwas gefangen. Ich habe momentan gar keine Zeit zum Nachdenken über Papas Tod. Vielleicht auch gar nicht so schlecht.“
„Bestimmt“, kam von Chris, „und ein guter Grund heute nur schöne Dinge zu machen.“
„Dann lasst uns doch einfach damit beginnen. Torsten und Marco kommen etwas später.“
Justin zeigte dabei auf eine kleine Theke am Rande der Terrasse.
„Ich habe gedacht, es kann sich jeder das nehmen was er möchte. Sozusagen Selbstbedienung. Wenn etwas zur Neige geht, sagt bitte Bescheid, damit wir nachfüllen können. Ansonsten, lasst uns beginnen.“
„Sehr schön“, grinste Chris, „wo ist die Fassbrause?“
Diese Äußerung verursachte natürlich sofort lautes Gelächter. Aber Justin war gut vorbereitet. Er hatte extra eine große Kühlbox an die Seite gestellt. Nur mit verschiedenen Sorten der geliebten Fassbrause bestückt. Justin machte zwei Schritte dorthin, öffnete den Deckel und winkte sich Chris heran.
„Hier, das sollte für den Anfang reichen. Was darf ich dir reichen?“
Chris lachte und griff beherzt hinein. Er holte sich eine Waldmeisterbrause heraus und fragte:
„Wer möchte noch etwas von diesem herrlichen Getränk?“
Außer Martina hoben alle ihren Arm. So musste Chris nun immer wieder in die Kühlbox greifen und eine Flasche nach der anderen weiterreichen. Schließlich sagte er:
„Ich glaube, Justin, du solltest direkt Nachschub holen. Wenn jetzt alle nur noch Fassbrause trinken, kommen wir nicht allzu weit.“
Ich wusste aber, Justin hatte mehr als ausreichend von diesem Getränk besorgt. Deshalb blieb er auch völlig locker und entgegnete Chris:
„Ich glaube nicht, dass es dir gelingen wird, den Vorrat an Fassbrause heute aufzubrauchen. Das Risiko wollte ich nämlich auf gar keinen Fall eingehen,ein Straftraining aufgebrummt zu bekommen, nur weil du hier Durst leiden musst. Das muss ich nicht haben.“
Chris schaute Justin für einen kurzen Augenblick sprachlos an, dann aber fing er laut an zu lachen. Es war so stark, dass er sich an der Brause verschluckte und heftigst zu husten begann. Als er sich wieder beruhigt hatte, meinte er nur:
„Wow, Justin. Du machst dich langsam. Guter Konter. Und Danke für die Einladung, Prost.“
Eine Stunde später waren auch Torsten und Marco endlich gekommen. So lange hatte Justin mit dem Grill gewartet. Aber mittlerweile war die Kohle durchgeglüht und die ersten Steaks lagen auf dem Rost.
Justin stand am Grill, Dustin und ich hatten uns hinter dem Salatbuffet in Stellung gebracht. Dort hatte Justin auch verschiedenste Saucen aufgebaut. Unsere Aufgabe war es, die anderen zu beraten bzw. die Dressings zu erklären.
Tim und Carlo standen bei uns und sie fragten:
„Hat Justin das jetzt alles selbst bezahlt? Das kostet doch richtig Geld.“
Ehrlicherweise wusste ich darauf keine richtige Antwort und zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung Tim, aber wir sind nicht gefragt worden, ob wir uns beteiligen sollen. So verrückt wie Justin manchmal sein kann, könnte er das wirklich vom Preisgeld bezahlt haben. Aber vielleicht kann Chris dazu etwas beitragen.“
Chris hatte meinen letzten Satz noch mitbekommen.
„Wozu soll ich etwas sagen?“, fragte er neugierig.
„Ob Justin das alles allein bezahlt hat? Wollte Tim wissen“, wiederholte Dustin.
„Ahso, er wollte das eigentlich machen, ja. Aber da hat Thorsten dann eingegriffen. Wir waren der Meinung, dass es von euch allen eine tolle Leistung gewesen ist und dass diese Einladung von allen für alle sein sollte. Daher haben wir das aus dem Preisgeldpool genommen. So gesehen haben wir alle unseren Beitrag dazu geleistet. Ich hoffe, ihr seid damit einverstanden.“
„Aber sowas von. Wir hatten echt Sorge, dass Justin wieder seinen Dickkopf durchgesetzt hat. Danke, dass ihr das so entschieden habt.“
Chris hatte seinen Teller in der Hand und bediente sich am Buffet, bevor er sich am Grill ein Stück Fleisch holte.
Interessant war, als Chris mit Thorsten und Martina etwas später ins Haus gingen, um sich die Umbauten im Keller anzusehen. Tim und Carlo folgten ihnen sofort. Sie waren dermaßen neugierig und Ich empfand das schon ein wenig unpassend, aber vielleicht brauchten sie da auch mal eine direkte Ansprache von Thorsten oder Chris. Auf jeden Fall tauchten Tim und Carlo bereits nach wenigen Augenblicken still wieder bei uns im Garten auf.
Damit wurde mir klar, dass das Team wohl noch nichts entschieden hatte, sich zumindest nicht in die Karten blicken lassen wollte. Tim und Carlo schienen etwas enttäuscht zu sein nichts Neues erfahren zu haben, als sie wieder bei uns erschienen.
Es wurde noch ein lustiger Abend, denn auch Torsten und Marco erzählten ein paar Geschichten aus ihrer aktiven Zeit als Spieler. Chris hielt sich auffallend zurück, aber als Carlo ihn direkt ansprach, erzählte auch er noch ein paar Sachen aus seiner Jugend. Vor allem einige Geschichten mit seinem Bruder. Einige Dinge kannten wir bislang auch noch nicht.
Chris hatte sich eine neue Fassbrause geholt und plötzlich fragte ihn Thorsten:
„Wissen die Jungs eigentlich, dass sie einen verhinderten Deutschen Meister als Trainer haben?“
Chris stutzte einen Augenblick, dann schüttelte er seinen Kopf.
„Nein, wenn Jan ihnen davon nichts erzählt hat, dann eher nicht. Wobei das ja auch rein spekulativ ist. Dass wir NRW Meister der Schulen im Tennis waren, das ist ja Fakt gewesen.“
Dies hatte jetzt natürlich Tims Aufmerksamkeit geweckt und auch Dustin fragte nach:
„Wie das? Also NRW-Meister ist ja klar, aber wieso „verhinderter deutscher Meister“?“
„Boah, Thorsten, musstest du das jetzt ansprechen? Wie komme ich denn jetzt aus der Nummer wieder raus?“
Carlo grinste bereits und auch Justin blickte neugierig zu Chris. Aber Carlo brachte es auf den Punkt.
„Am besten ist, wenn du uns diese Geschichte erzählst. Scheint ja interessant zu sein. Und deutscher Meister ist ja auch etwas Besonderes.“
Das passte Chris offensichtlich überhaupt nicht. Dennoch fragte er:
„Wollt ihr diese Geschichte wirklich hören?“
„Oh ja“, kam es von uns zusammen.
„Also gut. Das war also zu meiner Schulzeit. Ich war 16 und Jan bereits 18 und schon im letzten Schuljahr vor dem Abitur. Damals war Tennis noch kein Breitensport und einen Boris Becker kannte in der Öffentlichkeit noch niemand. Aber wir hatten auf unserem Gymnasium vier sehr gute Tennisspieler. Ich war als Oberligaspieler nur die Nummer vier. Allerdings auch der Jüngste. Jan war die Nummer eins und auch Christian und Stefan spielten zweite Bundesliga. Kurioserweise gingen wir alle auf dieselbe Schule.“
Chris nahm einen großen Schluck Fassbrause und fuhr dann fort:
„Wir waren Westfalenmeister der Schulen geworden und durften damit nach Düsseldorf zum Rochusclub reisen. Dort sollten die NRW-Meisterschaften stattfinden. Dieses Turnier wurde von Donnerstag bis Sonntag gespielt. Der Sieger war NRW Meister und hätte nach Berlin zur Endrunde um die deutsche Meisterschaft fahren dürfen. Und wir waren richtig gut. Vor allem weil wir auch gut zusammen Doppel spielen konnten. Es gab nur ein großes Problem bei dieser ganzen Geschichte. Jan war als Schülersprecher bei der Schulleitung nicht sonderlich beliebt. Er hat immer wieder gegen die alten und nicht mehr zeitgemäßen Regeln opponiert.“
Ich ahnte was kommen würde.
„Jetzt sag nicht, euer Direx hat euch diese Teilnahme dann nicht genehmigt?“
Chris schaute zu mir als erwiderte:
„Nicht generell, aber er hat gesagt, Jan darf nicht mitfahren, da er vor dem Abitur keine Woche im Unterricht fehlen dürfe. Und wir waren uns dann alle einig, dann fährt niemand von unserer Schule dorthin. Und so ist das auch gekommen. Die Endrunde hat ohne uns stattgefunden und ich bin mir ziemlich sicher, dass wir eine gute Chance gehabt hätten. Aber es sollte eben nicht sein. Dass sich die Schulleitung damit selbst geschnitten hatte, war zumindest etwas Genugtuung bei uns. Dass wir ohne Jan nicht fahren wollten, damit hatte die Schulleitung nicht gerechnet. Tja, das ist die Geschichte dazu.“
Chris trank seine Flasche leer und wir waren alle fassungslos über diese Dummheit der Schulleitung.
„Boah, wie blöd war das denn bitte? Da hat die Schule eine Chance sich einen deutschen Meistertitel zu holen und schenkt den weg, weil ein Schüler etwas unbequem war. So dumm muss man erst mal sein“, echauffierte sich Tim.
Carlo dachte noch über irgendetwas anderes nach. Ich konnte es ihm ansehen.
„Aber dann musst du ja schon richtig gut gewesen sein, Chris. So von wegen nur ein besserer Hobbyspieler. Oberliga Herren war damals welche Liga? Dritte Liga?“
Jetzt blickten wir auf Carlo und Chris war das überhaupt nicht recht, dass das jetzt zur Sprache kam. Thorsten griff ein.
„Ja, damals war die Oberliga die dritte Liga in Deutschland. Aber es gab auch noch nicht so viele Tennisspieler in Deutschland. Also kann man das nicht mit der heutigen Regionalliga vergleichen. Nicht dass hier falsche Vorstellungen entstehen.“
„Jaja“, konterte Carlo, „ich weiß auch, dass Chris sich immer gern im Schatten aufhält, aber Oberliga war trotzdem damals schon gut. Und mal ehrlich. Ich kann es heute noch erkennen, dass du es mal richtig gelernt hast. Umso bedauerlicher, dass es heute für dich nicht mehr so geht wie du möchtest. Denn dass es dir immer noch Freude bereitet zu spielen, ist nicht zu übersehen. Und deine Erfahrungen kann dir auch niemand nehmen. Ich bin froh, dass wir dich kennenlernen durften und dich zum Freund haben.“
Dann stand er auf und ging auf Chris zu. Chris reagierte toll, indem er ihn umarmte und an sich drückte. Carlo wirkte richtig angefasst. Auch Tim ging das nahe. Ich hatte auch ein starkes Gefühl der Dankbarkeit gegenüber Chris.
Chris ließ Carlo gewähren und spürte auch, wie sehr Carlo das aufwühlte. Chris hielt ihn einfach etwas länger im Arm und machte keine Bemerkung dazu. Thorsten gelang eine gute Überleitung, indem er sagte:
„Ich habe da auch noch eine Überraschung für euch. Ich habe die Meldeliste für euer nächstes Turnier bekommen. Sergio wird dort auch spielen. Also seht ihr euch in Stralsund das nächste Mal wieder.“
Das löste bei Dustin, mir und Justin natürlich große Freude aus.
Und das Thema Chris wurde auch schnell beendet. Es war für mich immer wieder erstaunlich wie ungern sich Chris zum Thema machen ließ. Dabei war doch auch die NRW-Meisterschaft schon ein besonderer Erfolg.
Einige Zeit später saßen wir alle in einer großen Runde im Garten. In der Mitte brannte ein Feuer in unserem Feuerkorb.
„Ist heute etwas Besonderes?“, fragte Chris in die Runde.
„Warum? Stimmt etwas nicht?“, fragte Tim sofort.
„Nun ja, ich habe noch keinen Tropfen Alkohol bei euch gesehen. Das gefällt mir sehr gut, aber ihr wisst schon, dass ich kein Problem mit einem Bier oder Cocktail gehabt hätte.“
„Ich wollte das aber nicht. Wir sind in der Turniervorbereitung und wir haben gelernt, wie unpassend Alkohol da ist.“
Interessant war nun der Blickkontakt zwischen Chris und Thorsten. Chris nickte ihm zu und Thorsten verließ unsere Runde und ging mit Martina ins Haus.
„Das stimmt sicher Justin, ihr habt diese Erfahrung bereits gemacht. Aber ein Bier oder Cocktail macht da sicher nichts aus. Aber wenn es eine richtige Party mit reichlich Alkohol wäre, dann hätte das starke Auswirkungen. Umso erfreuter bin ich natürlich, dass ihr das selbst so entschieden habt.“
Chris fing plötzlich an zu grinsen. Ich hatte keine Ahnung was passiert war.
Erst als ich mich in die andere Richtung drehte, sah ich Tim und Carlo. Carlo hatte sich auf Tims Schoß gesetzt und Tim umfasste ihn von hinten.
So mutig war Tim bislang noch nicht im Beisein von anderen Personen gewesen. Aber Chris schien das zu gefallen. Er zwinkerte beiden zu und das nahm ich zum Anlass Dustin zu mir zu ziehen und ihm einen Kuss zu geben.
Martina und Thorsten kamen mit zwei großen Tabletts wieder nach draußen. Auf den Tabletts standen zwei große Flaschen Champagner und einige Gläser. Sie stellten die Sachen auf dem Tisch ab und öffneten die Flaschen mit einem satten Geräusch.
Thorsten gab Marco und Chris ein Zeichen und winkte sie damit zu sich.
„Wir vom Trainer Team möchten den offiziellen Teil des Abends mit einer kleinen Sache beenden. Martina wird gleich die Gläser verteilen und dann möchten wir mit euch gemeinsam auf den tollen Verlauf unseres Projektes anstoßen. Chris hat auch noch eine Sache, die er gern bekannt geben möchte.“
Oha, was sollte jetzt noch kommen?
Martina reichte die Gläser herum und als jeder sein Glas in der Hand hielt, begann Thorsten:
„Ich möchte gar nicht groß Spannung aufbauen. Aber ich möchte einfach mal loswerden, dass ihr als Gruppe hier in Halle eine tolle Entwicklung gemacht habt und hoffentlich auch noch weiter machen werdet. Ihr macht es uns recht einfach mit euch zu arbeiten. Die ersten richtig großen Erfolge haben sich eingestellt und das ist sicher eurer kontinuierlichen Arbeit zu verdanken. Darauf stoßen wir heute mit euch gemeinsam an. Bleibt so wie ihr seid und macht genau so weiter. Dann werden wir gemeinsam das nächste Ziel erreichen. Prost!“
Alle stießen miteinander an und so dauerte es doch einige Augenblicke bis jeder einen Schluck genommen hatte. Chris hatte eine Fassbrause zum Anstoßen. Dann hob er eine Hand und sofort wurde es wieder ganz still. Selbst Tim und Carlo schauten gespannt zu ihm.
„Danke Thorsten, du hast es auf den Punkt gebracht. Und bevor mich Carlo und Tim noch steinigen, möchte ich etwas zu den Umbaumaßnahmen sagen. Oder besser zu den neu hinzukommenden Spielern. Simon und Mattes werden zur Probe hier herkommen. Und zwar schon sehr bald. Sie haben dadurch sozusagen die erste Chance hier angenommen zu werden. Dazu kommt noch ein ganz junger Spieler aus meiner Heimatgegend. Carlos Schmeichel wird auch hier einziehen. Wir schauen uns das an und erst, wenn das nicht klappen sollte, werden wir uns nach anderen Spielern umschauen. Carlos wird genau wie Simon und Mattes bereits in drei Wochen hier ankommen. Ich möchte daher darum bitten, dass ihr euch um die drei richtig kümmert. Für Carlos wird es sicher richtig schwierig sein. Er wird erst dreizehn.“
Ich wusste sofort, dieser Junge musste auch etwas Besonderes haben. Sonst würde das Team keinen so jungen Spieler hier aufnehmen. Genau wie bei Tim, Dustin und mir. Carlo hatte es auch begriffen.
„Was ist mit diesem Carlos? Simon und Mattes haben wir ja hier schon kennengelernt. Da wissen wir, dass sie hier gut reinpassen werden. Aber ihr habt euch doch ganz sicher etwas dabei gedacht Carlos jetzt hier aufzunehmen. Immerhin wird er mit Abstand der Jüngste sein.“
„Passt auf“, erwiderte Chris, „Carlos ist ein riesiges Talent mit schwierigem Umfeld. Mehr möchte ich nicht sagen. Was ich aber von euch, insbesondere von Tim und Carlo, erwarte, ist ein offener Empfang und Unterstützung. So wie ihr die Unterstützung bekommen habt und ja auch noch weiter bekommt. Marco wird sich verantwortlich um alle drei kümmern, da ich zu oft unterwegs sein werde. Aber natürlich werde ich ihn auch unterstützen sobald ich mit euch in der Base bin. Gibt es dazu Fragen von euch?“
Tim meldete sich. Chris schmunzelte als er ihm zunickte.
„Ich verspreche euch, dass ich allen drei helfen werde, hier gut anzukommen. Wenn sie hier bleiben wollen, werden wir das gut hinbekommen. Versprochen.“
Carlo gab seinem Freund als Zustimmung einen Kuss und Chris fing an zu lachen. Das lockerte die Stimmung schlagartig wieder auf und so endete der offizielle Teil noch sehr lustig.
Nachdem alle Justin beim Aufräumen noch geholfen hatten, lagen Dustin und ich mittlerweile zusammen im Bett. Ich war noch etwas aufgedreht und wir unterhielten uns über den Abend. Plötzlich fragte Dustin:
„Weißt du, was ich mich manchmal frage? Ob Tim und Carlo auch schon so schön miteinander kuscheln wie wir. Ich meine, ich hätte mich das mit fünfzehn noch nicht getraut. Aber eigentlich gehört das doch auch dazu.“
„Hahaha, ja, das ist eine lustige Frage. Aber ich denke schon, dass sie bereits auch ihre Erfahrungen miteinander machen und nicht nur Däumchen drehen, wie Chris das immer so nett sagt. Sie haben es sicher etwas einfacher als wir damals, aber das ist doch schön, dass wir es ihnen etwas leichter machen können.“
„Ja. Ein gutes Stichwort finde ich“, schmunzelte Dustin, griff mir beherzt in meine Boxershorts und brauchte nicht lange, meinem Schwanz zu pulsierendem Leben zu verhelfen.
Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen, langte gierig an seine ,sich schon versteift habende, Männlichkeit und massierte diese mal sanft und mal stärker. Auf diese Weise kamen wir noch richtig in Wallung und hatten vor dem Einschlafen noch ausreichend Spaß zusammen, um schließlich glücklich, erschöpft und total zufrieden ins Traumland zu gleiten.
Chris: Schlechtes Wetter und die letzten Tage vor der erneuten Abreise
Bereits vier Tage lang regnete es mehr oder weniger stark. Normales Training konnte draußen nicht stattfinden. Von daher arbeitete ich mit den Jungs in der Halle.
Das führte natürlich dazu, dass die Bälle viel schneller waren als auf dem Platz draußen. Damit war das Timing anders als es draußen sein würde. Keine ideale Vorbereitung auf das kommende Turnier in Stralsund. Die Jungs waren zwar voll dabei und auch ihr Timing passte sich an den schnellen Teppichboden in der Halle an, aber es würde wieder eine Umstellung sein, in Stralsund draußen auf einem Sandplatz zu spielen.
Heute war Mittwoch und das Wetter immer noch unbeständig. Das waren keine idealen Bedingungen, um sich auf das Turnier vorzubereiten. Geplant war, das Wochenende auf Rügen zu trainieren und dann ab Montag würde das Turnier in Stralsund beginnen. Aber durch den Regen konnten wir uns überhaupt nicht gut auf das Challenger vorbereiten.
Der Blick auf das Wetter an der Ostseeküste zeigte mir, dass es dort auf jeden Fall trocken sein würde. Ich überlegte daher, mit den Jungs bereits am Donnerstag Richtung Norden aufzubrechen.
Geplant hatte ich allerdings nicht in einem Hotel in Stralsund unterzukommen, sondern auf Rügen in einer Ferienwohnung. Mein Freund Jörg aus Leipzig hatte mir das ermöglicht. Jörg hatte einen Freund, der dort eine Ferienwohnung hatte. Das hatte ich aber auch als Überraschung für die Jungs geplant.
Simon und Mattes kamen ja aus Bergen auf Rügen. Und ich wollte am Wochenende dort trainieren. Dustin und Fynn kannten ja bereits den kleinen Verein aus ihrem Urlaub. Wir hätten dort unsere Ruhe und könnten zeitlich viel flexibler trainieren.
In einer kurzen Pause an der Bank fragte mich Justin:
„Wird das Training in der Halle für uns nicht von Nachteil sein? Wir müssen uns dort doch erneut wieder umgewöhnen. Können wir nicht schon etwas früher aufbrechen? Im Norden scheint das Wetter deutlich besser zu sein.“
Fynn meldete sofort Protest an.
„Auf gar keinen Fall früher aufbrechen. Dustin und ich haben am Freitag jeweils noch eine Fahrstunde. Wenn wir aus Stralsund zurück sind, wollen wir endlich die Führerscheinprüfung ablegen.“
Ich musste Justin eigentlich zustimmen. Im Norden war tatsächlich besseres Wetter vorhergesagt.
„Habt ihr nur am Freitag noch eine Fahrstunde oder vorher noch mehr Termine vereinbart?“
„Morgen früh vor dem Training haben wir jeweils noch eine Stunde“, erklärte Fynn.
„Gut, ich werde das mit Thorsten gleich noch besprechen. Eigentlich sehe ich das auch so wie Justin. Wir sollten früher aufbrechen und auf den richtigen Plätzen trainieren. Wenn wir auch früher in unser Quartier können, werden wir bereits morgen Mittag aufbrechen. Dann könntet ihr morgen früh noch einmal fahren und müsstet nur die Freitagsstunde verschieben. Lasst uns jetzt aber weiter trainieren.“
Ich scheuchte die Jungs noch eine gute Stunde über den Platz, um sie dann in die Mittagspause zu schicken. Am Nachmittag ging es dann weiter. Bis dahin wollte ich die Situation mit Thorsten geklärt haben.
Als ich zum Essen nach Hause fuhr, schüttete es wie aus Eimern. Sogar einzelne Blitze zuckten aus dem Himmel. Als ich an einer Bushaltestelle vorbeifuhr, erkannte ich Malte der wohl auf seinen Bus wartete. Ich hielt direkt vor ihm in der Haltebucht an und ließ das Fenster herunter.
„Hey, Malte. Möchtest du nach Hause? Dann steig ein, ich nehme dich mit.“
Er stutzte einen Moment bevor er seinen Rucksack von der Bank nahm und schnell die Beifahrertür öffnete. Mit einem Satz sprang er hinein.
„Hi Chris. Das ist ja klasse. Bei diesem Scheißwetter macht Busfahren überhaupt keinen Bock.“
Seine Haare waren klitschnass und auch seine Hose war bereits durchnässt.
„Bist du etwa durch diesen Wolkenbruch gelaufen?“, fragte ich.
„Ja, sonst würde ich den Bus nicht bekommen und dann wiederum zu spät zum Training kommen. Das würde richtig Stress geben.“
„Auch wenn du Toto das mit dem Wetter erklären würdest? Das kann ich mir nicht vorstellen.“
„Ich habe manchmal Schwierigkeiten damit, dass er mir nicht glaubt. Obwohl ich in letzter Zeit immer zuverlässig war. Er reibt mir die alten Sachen dann sofort wieder unter die Nase. Das nervt dann.“
Das konnte ich mir gut vorstellen, dass das nerven würde. Malte hatte in den letzten Wochen auf mich einen guten Eindruck gemacht. Ich sollte darüber noch einmal mit dem Team sprechen.
„Das kann ich verstehen, aber jetzt kommst du zumindest schneller nach Hause und vor allem trocken. Wobei, trocken bist du ja nicht mehr wirklich. Hihihi.“
Auch hier zeigten sich seine Fortschritte. Er war nicht gleich beleidigt, sondern fing an zu lachen.
„Ja, stimmt. Aber immerhin bin ich mutig zum Bus gegangen. Und ich werde mir gleich trockene Sachen zum Training anziehen. Duschen kann ich dann nach dem Training.“
In diesem Moment stellte ich mein Auto in den Carport. Als ich die Tür öffnete schien die Sonne für einen Augenblick und das Wasser dampfte vom Boden. Malte fluchte etwas. Er empfand es als ungerecht, dass es jetzt aufgehört hatte, als er zu Hause war.
Ich klatschte ihn kurz ab und dann verabschiedeten wir uns. Ich ging hinein und begann mir etwas zu essen zu machen.
Draußen wurde es aber schon wieder duster am Himmel und je länger ich über diese Bedingungen nachdachte, desto klarer wurde der Gedanke, bereits am nächsten Tag gegen Mittag aufbrechen zu wollen. Dieses Wetter ging mir gehörig auf den Wecker. Ich konnte schon wieder seit Tagen kein Motorrad fahren. Das nervte mich einfach. Da hatte ich mir dieses tolle Gerät gegönnt und konnte es noch nicht wirklich zufriedenstellend nutzen.
Nach dem Essen nahm ich mein Handy und rief bei Jörg in Leipzig an.
„Hallo Chris“, hörte ich seine freundliche Stimme, „ wie ist die Lage bei euch? Alles im Lot für das Wochenende?“
„Hi Jörg, im Prinzip ist alles im Lot, nur das Wetter ist hier eine totale Katastrophe. Wir können seit Tagen nur in der Halle trainieren. Ich würde gerne bereits morgen Richtung Rügen aufbrechen. Vorausgesetzt, wir könnten schon in die Ferienwohnung. Sonst überlege ich sogar zwei Tage noch in ein Hotel zu gehen. So können wir uns nicht passend auf das Turnier vorbereiten. Hier regnet es seit Tagen Cats and Dogs.“
„Uii, das hört sich nicht gut an. Ich werde mich darum kümmern. Kann ich dich gleich zurückrufen? Ich werde erst am Freitagmittag hier aufbrechen können. Aber wenn das Haus frei ist, könnt ihr den Schlüssel beim Nachbarn bekommen. Wie gesagt, ich melde mich gleich und sage dir Bescheid.“
„Das wäre sehr schön. Und dass wir die zwei zusätzlichen Tage natürlich auch bezahlen, ist selbstverständlich. Dann vielen Dank für deine Mühe und bis gleich.“
Typisch für Jörg dauerte es nur wenige Minuten bis ich seinen Rückruf erhalten hatte. Unsere Wohnung war bereits frei und damit konnten wir schon am Donnerstagmittag anreisen. Ich freute mich natürlich auch auf das Wiedersehen mit Jörg. Die erste Trainingseinheit würden wir bereits am Donnerstagabend machen.
Das Gespräch mit Thorsten verlief auch sehr kurz und eindeutig. Er war vollkommen meiner Ansicht und damit war das geklärt. Allein meine Jungs musste ich noch informieren, damit sie bereits heute Abend ihre Taschen packen würden.
Erstaunlich war allerdings die Stimmung beim Nachmittagstraining. Alle drei großen Jungs waren sehr angespannt und teilweise unkonzentriert. Ich hatte den Eindruck, dass irgendetwas passiert war, was ich nicht mitbekommen hatte. Insbesondere Dustin wirkte leicht reizbar und unausgeglichen. Als nach etwa einer Stunde der Ball nach hinten in den Vorhang flog, schluckte ich meine Unzufriedenheit noch herunter. Aber als nach wenigen Minuten zum zweiten Mal ein Ball wegflog und jetzt auch noch von einem lauten Fluch begleitet, war es genug.
„Stopp, es reicht. Treffen an der Bank!“, kam von mir laut und kurz.
Dustin konnte sich nicht beruhigen. So aufgebracht hatte ich ihn schon ganz lange nicht mehr erlebt. Selbst Fynn hielt zwei Meter Abstand zu seinem Freund. Hier war ich jetzt gefordert.
Ich ließ die drei erst einmal einen Schluck trinken. Dann warf ich einen Blick in die Runde. Heute trainierten wir allein und ohne Marcos Gruppe. Plötzlich hörte ich Dustin wieder deutlich ruhiger sagen:
„Es ist echt zum Kotzen. Seit Tagen müssen wir in der Halle für ein Sandplatzturnier trainieren. Ich bekomme den Kopf einfach nicht frei. Und weißt du was, ich kann mich nicht auf eine Sache konzentrieren. Ich möchte einerseits jetzt endlich den Führerschein fertig machen, aber mir fehlt noch eine Stunde mehr als Fynn, da ich einmal lernen musste, als er gefahren ist. Wenn ich jetzt die Stunde am Freitag nicht machen kann, dann werde ich nicht mit Fynn zur Prüfung zugelassen und da unser Fahrlehrer uns bereits zur Prüfung angemeldet hat, würde das für mich teuer werden. Und bevor Chris mich einen Kopf kürzer macht, ich freue mich auch sehr über die Idee, zwei Tage früher anzureisen, um endlich wieder draußen zu spielen. Aber ich bekomme das einfach nicht auf die Kette.“
Stille auf dem Platz.
Alle Augen waren auf Dustin gerichtet.
„Warum redest du dann nicht mit Chris über deine Gedanken? Bislang hat er uns immer wieder auf den richtigen Weg geführt. Ich bin gerade auch überrascht, dass dich das beschäftigt. Davon habe ich nichts mitbekommen“, meinte Justin ruhig.
Dustin nickte stumm. Es arbeitete in ihm. Da steckte noch mehr in ihm. Das war mir jetzt ganz klar geworden. Selbst Fynn traute sich nicht, seinem Freund beizustehen. Ich suchte den Blickkontakt zu Fynn und in seinen Augen war Sorge zu sehen.
Ich wusste jetzt was zu tun ist.
„In Ordnung, ich habe das verstanden. Fynn und Justin spielen auf diesem Platz jetzt einen richtigen Satz unter Turnierbedingungen. Dustin geht auslaufen und duschen.“
Dustin wollte schon protestieren, bevor er tief ausatmete und seine Sachen in die Tasche packte.
Ich ging zu ihm und legte ihm meine Hand auf die Schulter.
„Du brauchst zuerst einmal etwas Ruhe. Wenn du geduscht hast, möchte ich, dass du mich anschreibst und wir uns ungestört in Ruhe unterhalten können. Mach dir Gedanken, wie und wo du das machen möchtest. Ich richte mich da nach dir. Wenn du Fynn dabei haben möchtest, bring ihn mit. Aber mach dir keinen zusätzlichen Druck. Ich habe begriffen was gerade bei dir Phase ist. Du entscheidest jetzt, was wir daraus machen und wie schwierig das für dich wird.“
Er schaute mich an und was dann folgte, berührte mich. Er legte seine Tasche noch einmal auf dem Boden ab und umarmte mich einfach mit einem leisen „Danke, und Entschuldigung. Ich habe es einfach nicht hinbekommen.“
Da wusste ich, der Bann war gebrochen und ein konstruktives Gespräch würde folgen.
Als Dustin gegangen war, wurde es für mich noch einmal spannend. Justin führte 3:0, der nächste Seitenwechsel folgte und Fynn hatte jetzt Redebedarf.
„Auch wenn wir gerade unter Turnierbedingungen spielen und es eigentlich nicht angesagt wäre, aber ich ….“
Da konnte ich nicht mehr als laut zu lachen.
Fynn schaute mich entgeistert an. Nach einer kurzen „Gedenksekunde“ fing er auch an zu grinsen und begann genau wie Justin an zu lachen.
Es dauerte einen Moment bis wir uns wieder beruhigt hatten.
„So, jetzt kann ich auch wieder zuhören. Sorry, Fynn. Aber es war einfach zu schön wie du begonnen hast. Du bist halt keine Maschine, Gott sei Dank, und diese Situation mit deinem Freund geht dir auch nahe. Und ich denke, das schwelt schon länger bei euch beiden. Nicht erst seit heute.“
„Ja, stimmt. Aber ich habe es nicht hinbekommen ihn da runter zu holen. Er steigert sich da immer mehr rein und dann kam da noch der Brief vom Gericht. Seine Eltern versuchen mal wieder ihn zu belästigen.“
Oh nein. Das war natürlich Gift für Dustin.
„Wann kam der Brief? Warum weiß ich davon nichts?“, fragte ich.
„Der Brief lag gestern Abend bei uns im Fach. Also konnte er noch gar nicht richtig Bescheid sagen. Dennoch hat ihn das zusätzlich beunruhigt.“
„Das kann ich mir vorstellen. Sei unbesorgt, das bekommen wir alles wieder auf die Reihe. Jetzt wo er begriffen hat, dass er weiter auf mich zählen kann, wird er mir davon berichten. Warte ab, heute Abend wird Dustin wieder dein lieber Freund sein und ihr könnt den Abend gemeinsam genießen.“
Fynn schaute mich an und wurde knallrot. Justin bemerkte das auch sofort und grinste:
„Ich glaube, Chris, Fynn hat gerade ganz böse Gedanken im Kopf. Hahaha.“
„Böse?“, wunderte ich mich lachend, „nö, eher lustvolle. Hahaha.“
Dieses kurze Herumalbern war für uns alle wichtig. Die Spannung war raus und die Jungs spielten danach noch einen richtig guten Satz. Justin gewann zwar 6:3, aber Fynn hatte sich wieder beruhigt und das Training fand ein positives Ende.
Und bevor ich nach dem Zusammenräumen in die Dusche verschwinden konnte, hatte ich von Dustin eine Nachricht erhalten. Dort bat er mich in das gemütliche Café im Ort zu kommen. Er würde da auf mich warten. Das war für mich in Ordnung. Ich war gespannt, ob Fynn auch dort sein würde oder nicht.
Ich hatte mich noch schnell bei Thorsten für heute abgemeldet und war dann direkt in den Ort aufgebrochen. Als ich das Café betrat, saß Dustin allein an einem Ecktisch. Ich ging auf ihn zu und wurde mit einem Lächeln empfangen.
„Hallo Chris, danke dass du dir Zeit für mich nimmst. Was möchtest du trinken? Einen Othello oder lieber eine Latte?“
„Othello hört sich gut an.“
Jetzt hätte ich auch bestellen gehen können, denn ich stand ja noch vor dem Tisch, aber Dustin wollte das anders haben. Daher ließ ich ihn das so machen, wie er das wollte.
Er ging vorn an die Theke, bestellte und bezahlte auch direkt beide Getränke. Er nahm das Tablett, kam zurück an den Tisch.
Als er die Getränke verteilt hatte, nahm er mir gegenüber wieder Platz.
„Danke, Chris, dass du gekommen bist. Du hast ja jetzt eigentlich Feierabend.“
„Sehr gerne, Dustin. Du weißt doch ganz genau, bei wichtigen Dingen bin ich immer an eurer Seite wenn ihr das wünscht. Also schieß mal los, was ist grad los bei dir.“
Er berichtete mir von der Schule und den Klausuren, die er mittlerweile zurück bekommen hatte. An zwei Stellen spürte ich die Enttäuschung. Er hatte sich ein besseres Ergebnis erhofft als das „befriedigend“ in Mathe und Physik.
„Wo ist bei dir jetzt das Problem? Eine drei ist doch eine ordentliche Note. Gerade für jemanden, der einen Teil des Unterrichtes auf den Tennisplätzen dieser Welt verbringt. Sag jetzt nicht, du hast immer noch diese „Zwei“ als Basis für die optimale Förderung im Kopf?“
Dustin schaute mich mit seinen wachen Augen ganz genau an. Ganz leicht konnte ich ein Nicken bemerken.
„Ihr habt es doch zu Beginn ganz deutlich gesagt. Das Team erwartet einen „Zweier“-Schnitt, damit man bleiben kann.“
„Oh man. Dustin, du bist doch schon lange aus dem normalen Förderprogramm raus. Das zählt für die jungen Spieler, die zu Beginn in die WG kommen. Sie sollen verinnerlichen, dass die Schule immer Priorität hat vor dem Tennis. Du bist mit Justin und deinem Freund auf dem besten Wege in die absolute Weltspitze vorzudringen. Da sind ganz andere Abläufe zwingend erforderlich. Ich möchte heute das erste Mal überhaupt sagen, dass ich davon ausgehe, dass ihr sehr bald regelmäßig auf der großen ATP-Tour spielen werdet. Also beende deine Schule mit einem ordentlichen Abschluss und danach wird das nächste Ziel werden, sich unter die Top 100 in der Welt zu etablieren. Mit eurem Talent, eurem Fleiß und mittlerweile eurem Können, steht euch eine richtige Karriere bevor. Also, entspann dich, bring das letzte Schuljahr noch gut über die Bühne und dann geht es erst richtig los.“
Ich musste jetzt einen großen Schluck vom leckeren Othello nehmen. Dustin schaute mich immer noch mit großen Augen an. Sagte aber noch nichts. Erst als ich meine Tasse wieder auf dem Tisch abgestellt hatte, erwiderte Dustin:
„Danke, Chris. Es tut mir noch gut, wenn du mir manchmal noch das ein oder andere in Ruhe erklären kannst. Vielleicht erwarte ich wirklich manchmal zu viel von mir. Fynn hat mir das auch schon häufiger an den Kopf geworfen.“
„Es scheint aber noch zu oft vom Kopf abzuprallen“, grinste ich.
Nach einer Gedenksekunde verschluckte er sich und musste lachen.
„Du bist echt fies. Aber ich habe es verstanden. Ich arbeite weiter daran, mich nicht immer nur zuerst schlecht zu sehen.“
„Guter Plan, genehmigt. Bitte weitermachen. So, und was ist das für ein Brief vom Gericht? Kann ich den bitte einmal sehen?“
Er nickte und griff in seine Jackentasche. Dann holte er einen DIN A 5 Umschlag hervor und legte mir den auf den Tisch.
Nachdem ich den Inhalt aufmerksam gelesen hatte, stellte ich fest:
„Gut, das habe ich begriffen. Das ist natürlich wieder ein zusätzlicher Unruhefaktor. Aber das ist überhaupt nicht deine Baustelle. Und meine wird das auch nicht mehr sein. Das gebe ich direkt an Christian und seine Abteilung weiter. Dafür haben wir doch unsere Rechtsexperten. Du sollst dich auf deine Dinge konzentrieren. Das sind Schule und Tennis. Na ja, und ein wenig sollte Fynn noch eine Rolle bei dir spielen, aber keine gerichtlichen Probleme.“
„Ja, aber ich kann doch nicht einfach sagen, macht ihr das bitte für mich. Ich muss Tennis spielen. Zumindest muss ich doch für die Kosten aufkommen.“
„Nein, musst du nicht. Und ja, du kannst diese Sachen direkt an mich geben und ich werde darüber mit dir sprechen und es dann an Christian geben. Erst, wenn noch eine Aussage von dir oder die Frage auftaucht, was du wie am liebsten geregelt hättest, dann wird dich Christian kontaktieren bzw. mit mir Kontakt aufnehmen. Je nachdem, wo du gerade bist. Also, hake das ab und entspann dich. Wir fahren morgen Mittag nach Stralsund und werden dort das Turnier gewinnen. Zumindest einer von euch.“
Jetzt lächelte Dustin wieder und schüttelte seinen Kopf.
„Seit wann siehst du schon so weit in die Zukunft? Sonst sprichst du maximal von dem nächsten Gegner. Und wie lösen wir das Fahrstundenproblem? Ich möchte, genau wie Fynn, meine Prüfung machen und nicht noch einmal Wochen warten bis das in die nächste Turnierpause passt.“
„Das ist alles schon geregelt. Du wirst diese fehlende Stunde direkt vor der Prüfung machen und damit die Voraussetzung ganz regulär erfüllen. Das habe ich mit der Fahrschule bereits von Thorsten klären lassen. Dafür haben wir doch unseren Thorsten. Der darf das auch mal für dich machen.“
„Oh man, Chris. Was würden wir nur ohne dich machen? Du bist uns wie immer mindestens einen Schritt voraus. Aber weißt du was, es ist auch ein geiles Gefühl, jemanden wie dich nicht nur als Coach, sondern vor allem als Freund zu haben. Danke. Ich glaube, jetzt kann ich mich auch wieder richtig auf Stralsund freuen und hoffentlich hat es da besseres Wetter.“
Ich hatte den Jungs noch nicht mitgeteilt, dass unser Quartier auf Rügen sein würde. Es sollte eine Überraschung werden. Ich hatte lediglich in dem kleinen Verein Plätze reservieren lassen, damit wir bestmöglich trainieren konnten. Ich wollte meine Ruhe haben und hatte deshalb auch Simon und Mattes bislang nicht informiert.
Mittlerweile waren wir unterwegs nach Nord-Osten und auf den Autobahnschildern stand Stralsund Abfahrt Nr. 24. Ich hatte den Blinker gesetzt und verließ die A20, wechselte auf die B 96. Jetzt lag die Tennisanlage in Stralsund noch etwa 30 km entfernt. Die Fahrt verlief angenehm, denn meine Jungs waren gut gelaunt und wir haben uns viel unterhalten. Fynn und Dustin hatten uns noch von der Fahrstunde berichtet und ich musste immer wieder mal schmunzeln, da es doch noch ein paar Kleinigkeiten gab, die nicht optimal waren. Aber alles in allem war ich mir sicher, dass beide ihre Prüfung direkt nach der Rückkehr bestehen würden.
Auf der Landstraße fragte Fynn dann plötzlich:
„Du kennst doch bestimmt schon die Pläne von Marc und Luc, oder nicht? Sie werden sich doch bestimmt wieder etwas ausgedacht haben.“
„Sie haben sich etwas ausgedacht, das stimmt. Aber ich habe wirklich keine Ahnung was genau sie im Schilde führen. Aber Thorsten hat eurer Bitte entsprochen und den Ort auf das Convention Center am großen Stadion festgelegt. Dort ist genug Platz und es ist alles vorhanden was man für eine tolle Party benötigt.“
„Was? Das hat uns Thorsten noch gar nicht mitgeteilt. Wie sollen wir das denn bezahlen? So ein Zelt und alles was dazugehört ist richtig teuer.“ stöhnte Dustin auf.
„Ganz ruhig, Dustin. Das ist nicht euer Problem. Wenn Thorsten euch darüber nicht informiert, ist das auch nicht eure Baustelle. Macht euch darüber keine Gedanken. Das wird aus dem Team-Pool bezahlt. Ihr habt schon so viel Preisgeld eingespielt, da muss so eine Feier mal bei über sein.“
Das war natürlich nur die halbe Wahrheit. Aber sie sollten sich überhaupt nicht damit beschäftigen müssen. Jan, Thorsten, Marc und ich hatten das gemeinsam entschieden, dass alle zusätzlichen Kosten vom Team übernommen werden. Die Jungs hatten ein Budget vorgegeben und wir haben den Rest gemacht. Diese Feier sollte auch eine Anerkennung für ihren außergewöhnlichen Entwicklungsverlauf sein. Und es würden einige Gäste mehr kommen als sie geplant hatten. Aus Platzgründen hatten sie nur wenige Freunde aus ihren Schulklassen eingeladen. Das hatte ich mit Thorsten anders besprochen und Martina in dieser Hinsicht das Zepter überlassen.
Und Justin, der auf dem Beifahrersitz saß, schaute zu mir. Er überlegte, aber dann ließ er es so stehen wie ich es gesagt hatte.
Mittlerweile zeigte mir das Navi die Ankunft an der Tennisanlage in fünf Minuten an. Ich wollte heute noch einen kurzen Blick auf die Plätze werfen bevor wir weiter nach Rügen fahren würden.
Ein weiterer positiver Effekt zeigte sich am Himmel. Seit ungefähr einer Stunde schien die Sonne von einem teils bewölkten Himmel. Das ließ auf gute Trainingsbedingungen schließen und nach den vielen Regentagen zuhause ohne Möglichkeiten auch einer Ausfahrt mit dem neuen Motorrad meine gute Laune immer weiter ansteigen.
Wenige Minuten später standen wir auf dem Parkplatz des ausrichtenden Tennisclubs. Dort waren nur einige Flaggen mit Sponsoraufdrucken zu sehen. Alles andere sah noch nicht nach einem ab Montag beginnenden Turnier aus. Wobei das nicht ganz korrekt war, denn ab Samstag wurde ja die Qualifikation gespielt. Doch das betraf uns nicht mehr.
„Lasst eure Sachen im Auto. Wir machen nur mal einen Rundgang über die Anlage. Damit ihr einen Eindruck bekommt.“
„Trainieren wir heute nicht mehr?“, fragte Dustin.
Ich schaute zur Uhr und damit war klar, das würde heute spät werden. Ich musste noch den Schlüssel für unser Quartier abholen und ein paar Einkäufe waren auch noch zu tätigen. Also heute war noch Teambuilding mit dem gemeinsamen Zubereiten des Abendessens angesagt.
„Doch, heute findet zwar kein reguläres Training mehr statt, aber eine Bewegungseinheit. Wir müssen noch unseren Schlüssel abholen und vor allem müssen wir noch einkaufen. Ihr wollt ja sicher auch etwas essen, oder?“
„Aber hallo! Ohne ausreichend Nahrung gehe ich nicht auf den Platz“, lachte Justin.
„Gibt es eigentlich schon eine Auslosung oder findet die erst am Wochenende statt?“, fragte Fynn noch hinterher.
„Gute Frage, Fynn. Die findet am Sonntagmittag vor der Finalrunde der Qualifikation statt. Da wir zu dem Zeitpunkt aber nicht hier sein werden, sondern trainieren, gebe ich euch die dann am Sonntagabend mit der Gegneranalyse.“
Jetzt hatte ich sie natürlich vollkommen verwirrt. Sie hatten gedacht wir würden auf dieser Anlage trainieren. Aber Justin hatte es als erster begriffen.
„Leute, hört auf darüber nachzudenken. Chris hat einen Plan und wenn er uns in seinen Plan einweihen wollen würde, dann hätte er es uns jetzt schon gesagt. Also fragt gar nicht nach. Er wird uns das eh erst später erklären.“
Jetzt musste ich aber richtig lachen.
„Hahahaha, sehr gut, Justin. Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Der alte, grüne Drache hat natürlich noch eine kleine Überraschung. Und da fahren wir jetzt hin. Also bitte alle Mann zurück zum Auto und weiter geht es.“
Fynn: Chris und seine Überraschungen, immer wieder neu
Chris hatte gute Laune als wir wieder ins Auto stiegen und den Parkplatz verließen. Er hatte sichtlich seinen Spaß, uns nicht schon zu verraten wie sein Plan aussah. Aber nach etwa zehn Minuten überquerten wir die große Rügenbrücke. Da ahnte ich, dass Chris wirklich noch eine Überraschung im Köcher hatte. Stralsund lag direkt vor Rügen und ich wusste von seinen Erzählungen, dass er sich dort bereits mit Jörg aus Leipzig getroffen hatte.
„Bevor ihr mich nun endgültig steinigen werdet, weihe ich euch mal in meinen Plan ein. Ich mag es einfach nicht, ständig im Trubel sein zu müssen. Ich möchte mich auch einmal abends ausruhen und meinen Akku wieder aufladen können. Daher habe ich unseren Trainingsort nach Rügen verlegt. Auch unser Quartier wird in Bergen sein. Dustin und Fynn kennen den kleinen Club ja bereits von ihrem letzten Urlaub.“
Damit hatte Chris die Katze aus dem Sack gelassen. Und Dustin wurde sofort unruhig. Er wollte direkt fragen ob wir auch Simon und Mattes kontaktieren dürften. Chris mochte diese Überfälle nicht sonderlich. Aber eigentlich war mir klar, dass Chris das bereits in seinem Plan berücksichtigt hatte. Das musste Dustin nicht mehr extra erwähnen oder gar erfragen. Ich gab meinem Schatz ein Zeichen, dass er sich beruhigen sollte. Und glücklicherweise fragte er auch nicht. Allerdings war seine Vorfreude genauso groß wie bei mir. Und Chris hatte es bemerkt, denn er grinste schon.
„Du hast aber auch immer eine Überraschung im Köcher. Aber weißt du was?“, fragte ich, „Ich finde es klasse, dass du dir die Freiheit nimmst, zumindest abends aus dem Trubel aussteigen zu wollen. Und das wir im Club in Bergen trainieren, ist natürlich mega cool. Vielleicht lernst du da ja auch diesen Vollpfosten von Vereinsmeister kennen. Hahaha.“
Chris zwinkerte kurz, schüttelte dann aber seinen Kopf als er antwortete:
„Danke, aber auf dieses Kennenlernen kann ich gerne verzichten. Ich hoffe, er wird eure Lektion noch nicht vergessen haben. Jedenfalls war der Vorstand vom Tennisclub sehr kooperativ als Thorsten für uns angefragt hatte. Wir können während des Turnieres einen Platz jederzeit nutzen. Und ich gehe mal davon aus, dass ihr Simon und Mattes mit Sicherheit informieren werdet, wenn wir dort sind. Wir schauen mal wie der Zeitplan so aussieht, aber das bekommen wir bestimmt hin, dass ihr auch mal mit den beiden etwas unternehmen könnt. Vielleicht fahrt ihr auch mal zu ihnen nach Hause. Das besprechen wir dann.“
Chris hatte schon alles im Kopf. Das faszinierte mich immer wieder aufs Neue, wie gut Chris organisiert war.
„Danke, dass du auch an diese Dinge noch denkst. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns mit ihnen treffen können. Vielleicht können wir ja auch mal mit ihnen spielen. Ich weiß, wir sind hier, um ein Turnier zu gewinnen, aber vielleicht klappt es ja dennoch mal.“
Chris nickte nur als er von der großen Straße abbog. Ich erkannte den Ortskern wieder. Hier hatten wir im Urlaub häufiger abends beim Italiener gegessen. Chris fuhr den Berg hinauf und es dauerte nicht mehr lange und wir standen auf dem Hof eines alten Fachwerkhauses. Als wir ausgestiegen waren, konnte ich neben dem Eingang ein Schild an der Wand erkennen. Dort stand „Gebäudedenkmal“ drauf.
Chris besorgte uns vom Nachbarn den Hausschlüssel und anschließend ging es ans Einrichten. Wir hatten das große Elternschlafzimmer bekommen und da hatten wir Platz im Überfluss.
Jörg würde am morgigen Freitagnachmittag eintreffen. So lange waren wir allein im Haus.
„Das ist echt ein cooles Haus. Alt, aber sehr gemütlich eingerichtet“, meinte Dustin als er den großen Kleiderschrank wieder schloss.
Es klopfte und Justin kam zu uns.
„Na, bist du mit deiner Unterkunft zufrieden?“, fragte ich.
„Auf jeden Fall. Das ist richtig gemütlich hier. Ein tolles altes Haus und mit schönen Möbeln bestückt. Hier kann man es gut aushalten.“
„Hahaha, das war gut. Dustin hatte genau das gleiche auch gerade gesagt“, lachte Fynin.
„Braucht ihr noch länger? Ich bin schon fertig und gehe mal runter zu Chris. Vielleicht müssen wir noch einkaufen.“
Chris war bereits in der Küche.
„Wow. Du hast ja sogar schon Kakao angesetzt.“
Justin schaute sich in der Küche um und fragte Chris:
„Du scheinst dich gut zurechtzufinden in der Küche. Bist du schon einmal in dem Haus gewesen?“
„Ja, ich war schon einmal hier und wir hatten damals ganz viel Spaß mit den Freunden. Jörg kennt den Besitzer und von daher können wir da recht einfach buchen.- Kannst du mir bitte einen Gefallen tun und einmal zum Bäcker gehen und etwas Kuchen, frisches Brot und für morgen früh zehn Brötchen und ab Samstag dann morgens zwanzig bestellen?“
„Klar, aber ich habe überhaupt keinen Plan wo hier ein Bäcker ist. Und wirklich dann zwanzig Brötchen? Kommt Jörg nicht allein?“
„Das ist ganz einfach erklärt. Du gehst auf die Straße und dann links bis zur Kreuzung. Auf der anderen Straßenseite ist der Bäcker. Und ich denke, von den Brötchen werden nicht viele übrig bleiben. Alles andere erkläre ich dir, wenn du zurück bist. Ich gehe davon aus, dass Dustin und Fynn dann auch fertig sind.“
Chris gab Justin noch etwas Geld mit und widmete sich dann wieder dem Kaffeekochen. Für Dustin und mich hatte er heißen Kakao auf dem Herd stehen.
Dustin und ich waren inzwischen auch soweit mit Einräumen fertig und folgten Justin nach wenigen Minuten über die schöne Holztreppe nach unten. Wir fanden Chris in der Küche mit Kaffeezubereiten beschäftigt und gleichzeitig am Herd in einem Topf herum rührend.
„Hallo ihr Zwei. Könnt ihr bitte mal auf die Milch achten? Nicht dass sie anbrennt. Ich müsste schnell einmal telefonieren.“
Dustin und ich übernahmen das natürlich gern. Die Küche war mit tollen Geräten perfekt ausgestattet. Es fehlte nichts. Neugierig schauten wir auch einmal in die Schränke und waren erstaunt, dass dort sogar noch Nudeln und ein paar Konserven standen.
Wir konnten Chris sprechen hören, verstanden aber nicht, um was es genau ging. Aber es dauerte auch nicht lange, da stand Chris wieder bei uns in der Küche.
Der Kaffee war schon fertig und Chris nahm einen großen Pott und goss sich ein.
„Ihr seid hier in Bergen ja schon im Tennisclub gewesen. Wir werden heute Abend doch noch ein kleines Training machen. Vielleicht treffen wir ja auch auf Simon und Mattes. Ich werde euch nachher dann ein paar Zeiten geben, inBbeiden auch einmal treffen wollt. Auf der Anlage werden wir das Training im Vordergrund haben. Und ab Montag, während des Turnieres, wird der Ablauf natürlich dem Zeitplan folgen. Dieses Mal seid ihr nicht im Urlaub sondern zu einem Turnier hier.“
Den letzten Satz hatte er auch nicht ganz ernst gemeint, denn er grinste schon, bevor er den Satz zu Ende gesprochen hatte. Uns war das natürlich vollkommen klar, dass wir nur sehr begrenzt Zeit haben würden, uns um unsere Freunde zu kümmern. Aber Dustin hatte den gleichen Gedanken als er fragte:
„Stralsund ist ja nicht weit von hier. Können wir vielleicht die Biden mal mit zum Turnier nehmen? Oder ihnen zumindest Karten besorgen?“
Chris grinste schon wieder als er erwiderte:
„Das liegt an euch. Wenn ihr gut spielt und nicht gleich aus dem Turnier fliegt, werden wir sicher da eine Möglichkeit finden. Aber der Fokus liegt auf dem Turnier. Also ladet sie nicht gleich am ersten Tag ein. Ich möchte erst einmal im Turnier ankommen.“
In diesem Moment betrat Justin wieder die Küche. Er hatte eine große Tasche dabei und packte den Inhalt auf dem großen Küchentisch aus.
Er hatte ein großes Stück Butterkuchen mitgebracht. Ich mochte diesen Kuchen für mein Leben gern. Insbesondere mit Rosinen drin. Chris bat Dustin noch schnell den Tisch zu decken und dann holte uns Chris zusammen an den Tisch.
„Bedient euch“, forderte er uns auf.
Ich schenkte meinem Schatz und mir den Kakao ein und Chris verteilte an Justin und sich den Kaffee. Danach schnitt er den Kuchen auf.
„Hmmm, der ist aber richtig lecker. Fast so gut wie bei meiner Mama. Danke, Chris.“
Ich musste das mal erwähnen. Chris sorgte wieder für eine familiäre Stimmung und mir tat das besonders gut. Dass sich mein Schatz darüber genauso freute wusste ich. Aber er hatte halt immer wieder Scheu, das auch zu äußern.
Chris stellte seinen Kaffeebecher zurück auf den Tisch als er meinte:
„So, jetzt geht es mir nach der Fahrt wieder besser. Und damit ihr anschließend noch etwas Bewegung bekommt, fahren wir gleich für ein kleines Training in den Tennisclub. Heute müssen wir am Abend dort sein, weil uns der Vorsitzende einen Schlüssel übergeben und mit uns ein Foto machen möchte. Danach können wir jederzeit auf die Plätze, wenn wir Zeit haben. Ein sehr schöner Zug von diesem Verein.“
„Oh“, erwiderte Justin, „damit sich die Bewegung auch lohnt, nehme ich gerne noch ein Stück von diesem geilen Kuchen.“
Chris schaute einen Moment überrascht, fing dann aber an laut zu lachen. Ich fand das auch sehr lustig und entsprechend alberten wir einen Augenblick herum.
Eine knappe Stunde später standen wir bereits auf dem Platz des Bergener Tennisclubs. Chris scheuchte uns heftig über den Platz und forderte immer wieder bessere Beinarbeit. Heute wollte er es aber noch einmal wissen. Keine Ahnung, warum das heute so heftig sein musste. Er machte auch keine Anstalten Tempo raus zunehmen. Erst nach guten neunzig Minuten und nur einigen kurzen Trinkpausen rief er plötzlich über den Platz:
„Stopp! Bälle anhalten und treffen an der Bank.“
Völlig außer Atem schnaufte ich an der Bank und nahm einen großen Schluck aus meiner Trinkflasche.
„So, Jungs. Das war doch schon mal sehr ordentlich. Zum Abschluss spielen wir noch ein wenig um Punkte.“
Ich war so auf Chris fokussiert, dass ich gar nicht bemerkt hatte, dass wir nicht mehr allein waren. An unserer Bank standen ein bekannter Mann und zwei mir noch bekanntere Gesichter.
„Simon und Mattes!“, rief ich erfreut aus, „das ist ja toll. Wie geht es euch?“
Es folgte eine schöne Begrüßung und Chris sprach währenddessen leise mit dem anderen Mann.
Ich bekam von Dustin einen lieben Kuss, als in diesem Moment der andere Mann sich zu uns gesellte.
„Ich möchte mich kurz vorstellen. Ich heiße Harald Engelbrecht und bin hier der erste Vorsitzende. Ich begrüße euch hier auf Rügen und freue mich über so besonderen Besuch. Wie mir Simon und Mattes schon erzählt haben, sind Dustin und Fynn ja bereits hier zu Besuch gewesen. Euch verdanken Simon und Mattes die Chance bei euch in Halle trainieren zu dürfen. Dort haben sie sicherlich viel bessere Möglichkeiten als hier. Wir freuen uns, dass ihr euch bei uns auf das Turnier in Stralsund vorbereiten wollt. Fühlt euch bitte hier wie zu Hause. Wenn euch etwas fehlt, meldet euch bitte. Jetzt möchte ich euer Training aber nicht länger unterbrechen. Chris hat für euch noch eine Aufgabe zum Abschluss.“
Na, was jetzt wohl noch kommen würde. Meine Beine waren schon ganz schön müde. Und dafür, dass eigentlich kein richtiges Training stattfinden sollte, war das bislang schon heftig.
„Danke für die nette Begrüßung und hallo an Simon und Mattes. Zum Ende des ersten Trainings hier spielen wir noch ein wenig um Punkte mit Aufschlag, aber Zählweise wie beim Tischtennis. Es beginnen auf diesem Platz Dustin und Simon, nebenan Fynn und Mattes. Wer zuerst 15 Punkte hat, gewinnt. Der Sieger darf pausieren und der Verlierer spielt weiter.“
Oh, eine neue Spielform, und Simon und Mattes durften gleich mitspielen. Das empfand ich als eine super starke Geste von Chris. Entsprechend gut war die Stimmung auf dem Platz. Und trotzdem wurde ernsthaft gearbeitet. Chris wirkte zufrieden als er nach einer weiteren Stunde wegen Dunkelheit die Einheit abbrach.
Chris schickte uns auslaufen und bat uns nach dem Duschen ins Clubhaus zu einer Runde Getränke.
Was uns komplett entgangen war, unser Spiel auf der Anlage hatte zu neugierigen Beobachtungen geführt. Erst beim Auslaufen meinte Simon dann zu uns:
„Oh man, ihr habt hier gleich wieder richtig für Aufsehen gesorgt. Ich bin schon vor einigen Tagen angesprochen worden, als bekannt wurde, dass ihr euch hier vorbereiten wollt.“
„Positiv oder negativ?“, fragte Dustin.
„Absolut positiv. Die Leute sind schon ganz gespannt wie gut ihr wirklich seid. Und wisst ihr was? Einige aus unserem Verein haben sich schon Karten besorgt für das Turnier in Stralsund. Das ist schon etwas Besonderes in unserer Gegend. So ein großes Turnier ist hier schon lange nicht mehr gewesen.“
Interessant wurde es dann noch einmal im Clubhaus. Chris hatte sich einen Tisch in einer Ecke des Raumes ausgesucht und saß dort allein mit dem Laptop auf dem Tisch. Von dort konnte er immer alles im Raum beobachten. Das kannten wir schon von anderen Situationen. Der Raum war nur noch mit wenigen Personen gefüllt. Eine ältere Frau stand hinter der Theke und Simon und Mattes begrüßten sie sehr herzlich. Wir gingen in der Zeit schon zu Chris an den Tisch. Er schaute kurz auf und meinte:
„Oh, ihr seid schon da. Nehmt euch doch bitte den Nebentisch hinzu und setzt euch. Sonst wird es hier etwas eng.“
Justin und Dustin stellten den Tisch an den anderen heran und ich nahm die Stühle hinzu. Dann stand Simon bei uns und fragte:
„Was möchtet ihr denn trinken? Chris, was möchtest du?“
„Ich möchte eine Apfelschorle, bitte. Und lasst bitte alles auf einen Deckel schreiben. Ich bezahle es, wenn wir gehen.“
Chris schaute direkt wieder in seinen Laptop. Es schien etwas Wichtiges zu geben. Aber als Simon und Mattes von der Theke zurückkamen, klappte er sofort das Gerät zu und widmete sich uns.
„Zuerst ein Kompliment an Simon und Mattes. Ihr habt vorhin eine gute Performance gezeigt. Umso überzeugter bin ich von der Entscheidung, euch bei uns in Halle aufnehmen zu wollen. Zeigt einfach vollen Einsatz und dann wird das schon gut werden. Ihr werdet in dieser Woche eher weniger mit meinen drei Jungs trainieren, da hier das Turnier im Vordergrund stehen muss. Aber vielleicht bitte ich euch einmal zu einem Matchtraining am Abend. Je nach Spielplan.“
In diesem Moment kamen unsere Getränke an den Tisch. Ein Junge, der vielleicht dreizehn oder vierzehn war, brachte sie auf einem Tablett. Simon sprach ihn an:
„Danke, Sascha. Hilfst du heute wieder deiner Oma im Clubhaus?“
„Ja, Simon. Aber heute macht es natürlich besonders Spaß. Bei so einem Besuch.“
Dabei zeigt er auf uns und lächelte.
Ohne weitere Fragen zu stellen, zog er sich wieder zurück. Chris hatte das aber natürlich genauestens verfolgt.
„Wer ist der Junge, Simon? Ist das ein Mannschaftskollege von euch?“
„Ja“, antwortete Mattes stattdessen, „wir spielen zusammen in der U16 und seit diesem Jahr auch in der Herrenmannschaft. Wir verstehen uns richtig gut.“
„Alles klar, ich hoffe, eure Freunde haben Verständnis für eure Entscheidung zu uns kommen zu wollen.“
„Ja, absolut. Sie freuen sich für uns. Aber noch haben wir ja nichts erreicht. Wir sollten zuerst einmal eine gute Performance in der Probezeit zeigen. Wie geht es für euch hier weiter? Seid ihr morgen schon in Stralsund im Turnier?“
Chris übernahm jetzt das Gespräch, er kannte auch die Zeitabläufe besser als wir.
„Nein, für die Jungs beginnt das Turnier erst am Montag. Sie brauchen keine Qualifikation mehr zu spielen. Daher wollte ich ja auch gerne hier trainieren. Wir haben hier deutlich mehr Ruhe und vor allem mehr zeitliche Freiräume. Wir trainieren morgen und Samstag zweimal, am Sonntag dann nur noch einmal. Ich hoffe, wir bekommen am Samstag dann die Auslosung und den Zeitplan so rechtzeitig, dass wir das im Tagesablauf für Sonntag noch gut einbauen können.“
Chris machte einen müden Eindruck. Eigentlich auch kein Wunder. Er war ja auch schon die ganze Strecke mit dem Auto gefahren. Justin schien den gleichen Gedanken zu haben, denn er fragte Chris:
„Ähm, ich habe langsam Hunger und fühle mich müde. Wie sieht deine Planung für das Essen aus, Chris? Du wolltest ja mit uns noch etwas kochen.“
Chris fing direkt an zu lachen.
„Hahaha, Justin. Natürlich hast du Hunger. Wann hast du eigentlich mal keinen Hunger? Aber nein, Spaß beiseite. Ich bin auch müde und habe heute keine Lust mehr zu kochen. Wir gehen noch etwas essen und dann ist Feierabend für heute. Wisst ihr vielleicht ein gutes Restaurant hier in Bergen? Vielleicht einen Italiener? Etwas Pasta wäre jetzt gut.“
Natürlich hatten Simon und Mattes einen Vorschlag für uns. Chris bedankte sich bei ihnen und wir brachen danach zum Essen auf. Zuvor hatte ich mich mit Simon und Mattes nach dem zweiten Training verabredet. Sie wollten Dustin und mich zu sich nach Hause einladen. Was mich besonders freute, sie hatten Justin wie selbstverständlich mit eingeladen. Chris hatte auch nichts dagegen wenn es am Abend nicht zu spät würde.
Beim Essen wurde es immer deutlicher wie müde und erschöpft Chris war. Aber auch wir selbst waren nicht mehr die frischesten und als wir endlich gegen halb elf in die Wohnung zurückkamen, wünschte uns Chris nur noch eine gute Nacht und ging direkt in sein Zimmer.
Dustin, Justin und ich wünschten uns gleichermaßen gegenseitig eine gute Nacht und verschwanden in unseren Zimmern. Dennoch waren Dustin und ich uns nach einem Blick auf unser großes Bett wortlos darin einig, dieses doch noch ein wenig als Spielwiese zu nutzen. Glücklich und vollkommen befriedigt wanderten wir danach, uns im Arm haltend, schnell ins Land der Träume.
Als uns am nächsten Morgen der Wecker aus dem Schlaf holte, musste ich sofort an Chris denken. Hoffentlich hatte er sich in der Nacht erholt. Dustin und ich gingen gemeinsam unter die Dusche und hatten uns schnell angezogen. Unser Plan war, für alle das Frühstück vorzubereiten und Chris damit zu überraschen.
Brötchen hatte Justin bereits gestern gekauft und so wurde schnell den großen Esstisch gedeckt, frischer Kaffee aufgebrüht und für uns Kakao zubereitet. Chris war noch nicht aufgetaucht, aber es war auch noch recht früh.
Doch kurz darauf hörten wir, wie Chris die Treppe hinunter kam, aber auf dem letzten Treppenplateau stehen blieb. Justin war so geistesgegenwärtig, sein Gesicht zu fotografieren. Ein grandioses Foto. Unsere Überraschung war voll gelungen.
„Guten Morgen“, begrüßte uns Chris, „geht meine Uhr falsch, seid ihr krank oder ist sonst etwas passiert?“
„Nein, alles bestens“, kam von uns gleichzeitig.
Chris lachte und seine Freude war ehrlich. Damit hatte er absolut nicht gerechnet. Bingo.
„Also schön. Wenn ich schon so nett überrascht werde, will ich das auch nutzen und setze mich einfach an den Tisch.“
Ich nahm die Kanne und goss Chris den frischen Kaffee ein. Dustin reichte ihm den Korb mit den Brötchen und Justin fragte:
„Möchte der Herr den Wurstteller oder lieber etwas Süßes?“
Chris musste immer mehr lachen und meinte:
„Hey Leute, jetzt setzt euch bitte auch an den Tisch. Vielen Dank für diese gelungene Überraschung. Da fängt der Tag doch gleich mal richtig gut an.“
Wir ließen uns Zeit beim Essen und natürlich war Tennis während des Frühstücks tabu. Erst als Chris seinen Teller in die Spülmaschine gestellt hatte und sich noch Kaffee nachgeschenkt hatte, fragte Justin:
„Wie sieht eigentlich unser Zeitplan für heute aus?“
Chris überlegte kurz, schaute auf die Uhr und erwiderte:
„Ich räume die Küche auf, ihr packt eure Taschen und dann geht es direkt auf die Anlage zum morgendlichen Training. Ihr werdet euch warmlaufen und ich bereite den Platz vor. Dann machen wir zwei Stunden Training, Auslaufen und gemeinsames Mittagessen. Eine gute Stunde Pause und dann geht es ins zweite Training. Ihr habt nach dem Auslaufen frei bis heute Abend. Ihr wolltet euch ja mit Simon und Mattes treffen und ich warte auf Jörg. Jörg und ich werden uns hier einen schönen Abend machen.“
Und das Besondere registrierten wir gemeinsam: das Wetter zeigte sich den ganzen Tag lang von seiner besten Seite. Blauer Himmel und angenehme Temperaturen. Überhaupt kein Vergleich zum Schmuddelwetter der letzten Wochen bei uns zu Hause.
Das Training war dadurch auch etwas ganz anderes als die letzten Einheiten in Halle. Es machte so viel mehr Freude an der frischen Luft und mit ein paar Sonnenstrahlen hart zu arbeiten. Am Ende konnte ich die Erschöpfung gut wegstecken, weil es wieder Spaß machte sich zu verausgaben. Chris wünschte uns einen schönen Abend mit Simon und Mattes und dann ließ er uns ziehen. Das war richtig cool, wie er uns vertraute. Obwohl jedem von uns absolut bewusst war, sollten wir zu spät oder gar alkoholisiert zurück kommen, würde das ein böses Erwachen für jeden von uns geben.
Besonders interessant war das gemeinsame Abendessen mit Simons Eltern. Sie fragten uns nach den Regeln in Halle und wie das in der WG so ablaufen würde. Sie machten sich schon etwas Sorgen, dass ihr Sohn möglicherweise damit überfordert sein könnte. Aber wir berichteten von uns und unseren Erfahrungen und irgendwann meinte Justin dann:
„Sie könnten doch am Wochenende mal zum Tennisplatz kommen. Chris, unser Coach wird dann mit uns arbeiten und kann ihnen sicher auch noch weitere Fragen beantworten.“
Daraufhin meinte der Vater dann:
„Danke für die Einladung, aber wir wollen euch in der Vorbereitung für das Turnier nicht stören.“
„Das tun Sie bestimmt nicht. Chris wird darauf achten, dass er passend Zeit für Sie haben wird. Wir können ihn ja nachher mal fragen und Simon bekommt von uns dann ein paar Zeiten, in denen Sie kommen können.“
„Das wäre natürlich sehr nett von euch. Wir machen uns schon Gedanken über die Zeit von Simon in Halle. Ob er da nicht überfordert ist, so allein und ohne uns.“
Das war für mich das Stichwort.
„Wir sind ja auch nie allein. Auch wenn wir bald volljährig werden, es wird immer Martina oder Chris für uns ansprechbar bleiben. Und wenn wir auf der Anlage sind, können wir jederzeit einen der anderen Trainer um Rat fragen. Thorsten, der Teammanager ist auch fast immer anwesend. Also wirklich, allein ist bei uns niemand. Auch mit der Schule nicht. Ich habe mich jedenfalls in der ganz schwierigen Zeit mit meiner Familie dort sehr wohl und sicher gefühlt. Chris hat uns immer einen Weg gezeigt und das auch verdammt erfolgreich. Ohne seine Hilfe wäre ganz Vieles völlig anders gelaufen. Jedenfalls wäre ich heute nicht da wo ich stehe.“
Es bewegte mich mehr als ich erwartet hatte. Ein starkes Gefühl machte sich in meiner Brust breit. Mein Schatz spürte das ebenfalls. Er nahm meine Hand und ergänzte:
„Ich kann dem nur zustimmen. Ohne Chris würde ich vielleicht gar nicht mehr leben. Er war es, der mir damals einen Rettungsweg gezeigt hatte. Ich bin ihm und dem Breakpoint-Team sehr dankbar.“
Simons Eltern spürten unsere Emotionen und führten das Gespräch nicht weiter. Sie entließen uns in Simons Zimmer. Wir brauchten nicht einmal beim Aufräumen zu helfen. Das empfand ich als sehr freundlich und rücksichtsvoll. Als wir eine Zeit bei Simon im Zimmer gesessen und an der Playstation gezockt hatten, hatte ich das Bedürfnis etwas zu sagen.
„Leute, lasst uns mal eine Pause machen. Ich möchte euch etwas sagen.“
Simon und Mattes schauten mich verwundert an. Dustin ahnte was kommen würde. Er legte seinen Arm um mich und stand mir bei.
„Deine Eltern sind echt korrekt, Simon. Meine Eltern waren damals nicht so hilfreich für mich. Ich würde euch gern mehr von mir erzählen, aber seid mir nicht böse, heute kann ich das einfach noch nicht. Aber eines kann ich euch versichern. In Halle wird niemand allein gelassen, wenn er Hilfe benötigt. Da steht euch die ganze WG immer zur Seite. Ich bin einfach mega froh dort gelandet zu sein.“
„Naja“, grinste Mattes nun, „du hast ja auch dort deinen Freund kennengelernt und darfst sogar mit ihm zusammen wohnen. Da verstehe ich schon, dass dir das gefällt.“
Für einen Moment stutzten Dustin und ich über diese Aussage. Vor allem Dustin schien das etwas anders verstanden zu haben und wollte schon direkt in den Angriffsmodus wechseln.
„Ja, das stimmt“, meinte ich deshalb schnell, „mit Dustin ist das einfach geil zusammen zu sein. Aber eines ist auch klar, ohne harte Arbeit wären wir nicht so weit gekommen. Also, geschenkt haben wir dort auch nichts bekommen. Aber es ist trotzdem mega cool dort. Ich möchte nicht tauschen.“
Dann gab ich Dustin einen Kuss und er hatte sich schnell wieder entspannt.
Die restliche Zeit des Abends ging leider viel zu schnell vorbei. Aber um halb zehn wurde es für uns Zeit, wieder aufzubrechen. Eigentlich hatten wir mit Chris vereinbart, dass wir ihn anrufen sollten, damit er uns abholt, aber Simons Mama war so nett und brachte uns zu unserer Ferienwohnung.
Auf dem Parkplatz stand Chris Auto nicht mehr allein. Am Kennzeichen war klar, das musste Jörg aus Leipzig sein. Ich war gespannt auf das Wiedersehen mit ihm. In Leipzig hatten wir eine tolle Zeit.
Wir hatten Chris aber Bescheid gesagt, dass er uns nicht abzuholen bräuchte. Umso überraschter waren wir, dass Chris und Jörg nicht da waren als wir das Haus betraten. Es lag ein Zettel auf dem Küchentisch.
„Hallo Jungs, wir sind spazieren und noch etwas essen gegangen. Wir sehen uns morgen früh zum Frühstück. Gruß Chris“
„In Ordnung, dann ist alles klar“, meinte Justin, „ich bin platt und gehe direkt ins Bett. Ich wünsche euch eine gute Nacht.“
Dustin und ich nutzten diese Gelegenheit natürlich noch für gegenseitiges Verwöhnen, bevor wir entspannt einschliefen.
Obwohl wir am nächsten Morgen mehr als zeitig aufgestanden waren, hatten Jörg und Chris bereits alles zum Frühstück vorbereitet und hatten sogar beste Laune. Sie begrüßten uns fröhlich. Insbesondere Jörg war wieder sehr freundlich und freute sich ehrlich uns wiederzusehen.
„Hallo ihr beiden. Es freut mich sehr, euch gesund und munter wiederzusehen. Und dann auch noch hier auf Rügen. Geht es euch gut?“
Dann folgte eine herzliche Umarmung zur Begrüßung. Es war einfach ein gutes Gefühl so begrüßt zu werden.
Chris blickte zur Tür und als Justin herein kam:
„Ah, wie erwartet. Kaum ist das Frühstück vorbereitet, tauchen die Raubtiere zur Fütterung auf. Lasst uns beginnen. Die Sonne lacht vom Himmel und es gibt noch viel zu tun.“
Justin wurde natürlich von Jörg genauso mit einer Umarmung begrüßt. Erst danach wurde reichhaltig gefrühstückt.
Jörg berichtete einige interessante Dinge aus seinem Beruf als Finanzberater und natürlich wurden wir auch gefragt, ob wir unsere Gelder gut angelegt hätten. Vor allem in Hinblick auf eine Altersvorsorge. Das empfand ich zwar reichlich übertrieben, aber nachdem Jörg uns einige Dinge aufgezeigt hatte, musste ich doch anders darüber denken.
„Also so hätte ich diese Dinge jetzt überhaupt noch gar nicht bedacht. Das macht mich sogar etwas nervös bzw. nachdenklich. Wir sollten uns vielleicht doch mehr damit beschäftigen.“
„Das könnt ihr auch jederzeit machen. Aber nicht hier und nicht heute. Jörg wird euch jederzeit als Berater zur Verfügung stehen. Aber jetzt steht ein Turnier an und ich möchte heute und morgen mit euch noch einmal alle Optionen trainieren. Und bevor wir über den Trainingsablauf sprechen, möchte ich euch eine Information zum generellen Verlauf geben. Ich werde mit Jörg nach dem Vormittagstraining nach Stralsund in die Stadt fahren. Ihr könnt eine normale Mittagspause machen und wir werden rechtzeitig zum Nachtmittagstraining zurück sein. Essen könnt ihr im Clubhaus. Die Wirtin weiß Bescheid und wird euch entsprechend versorgen.“
In diesem Augenblick war ich sicher, Chris hatte noch eine Überraschung für uns im Köcher. Sonst würde er niemals während einer Trainingsphase wegfahren. So etwas hatte er zumindest bislang noch nie getan. Dustin schaute auch bereits skeptisch. Er konnte von uns dreien am schlechtesten mit unklaren Dingen umgehen.
Ich legte deshalb meinen Arm um meinen Freund, gab ihm einen Kuss und flüsterte ihm ins Ohr: „Beruhige dich. Chris wird genau wissen was er tut und er wird sicher rechtzeitig zurück sein.“
Mit einem fast unmerklichen Kopfnicken bestätigte mein Schatz meine Worte. Chris hatte es natürlich auch mitbekommen und gab mir mit einem Augenkontakt die Bestätigung.
Das erste Training war hart, sehr hart. Chris hatte uns bis ans Limit gescheucht und dabei auch immer wieder Situationen erschaffen, die Kopfarbeit erforderte. Entsprechend erschöpft war ich gerade, als wir unter der Dusche standen. Chris hatte sich bereits mit Jörg von uns verabschiedet und war Richtung Stralsund aufgebrochen.
„Boah“, stöhnte Justin, „wie sollen wir da noch das Nachmittagstraining schaffen? Ich bin jetzt schon platt. Chris will es heute aber noch einmal richtig wissen.“
„Ja, ich bin auch fertig, aber überleg doch mal, Chris weiß ganz sicher was er tut. Und vermutlich werden wir schnell wieder Gas geben können“, erwiderte mein Schatz.
Ich hatte die Dusche bereits verlassen und trocknete mich ab. Mir ging gerade etwas ganz anderes durch den Kopf. Was führte Chris gerade im Schilde? Er hatte uns noch nie während einer Turniervorbereitung allein gelassen.
„Ich geh schon ins Clubhaus, soll ich euch schon etwas zu trinken bestellen?“, rief ich meinen Freunden zu.
„Apfelschorle“, hörte ich von beiden.
Entsprechend bestellte ich drei große Apfelschorlen und fragte bei der Wirtin wegen des Essens. Sie lächelte bei ihrer Antwort:
„Euer Coach hat für euch um ein Pasta Gericht gebeten. Wir haben für euch bereits etwas vorbereitet. Und ich soll dir von Simon und Mattes ausrichten, dass sie erst zum zweiten Training kommen können, da sie heute lange Schule haben.“
Nanu, warum schreiben sie uns nicht direkt an? Machten sie doch sonst auch. Ich holte mein Handy heraus und musste lachen. Es war einfach ausgegangen. Als ich es wieder aktivierte, ploppten gleich vier Nachrichten von Simon auf. Nun gut, das war natürlich blöd. Ich schrieb ihm schnell eine Erklärung und dass wir die Info jetzt bekommen hatten.
Es dauerte auch nicht mehr lange und Dustin saß neben mir. Justin brauchte immer ein paar Minuten länger, da er seine Haare immer komplett trocken föhnte. Wir warteten natürlich mit dem Essen auf ihn. Dustin hatte aber auch noch etwas anderes auf dem Herzen.
„Hast du eine Ahnung warum Chris heute noch nach Stralsund fahren muss? Was kann da so wichtig sein? Und Luc und Stef können auch nicht der Grund sein. Sie müssen noch in München arbeiten. Ich hatte ja schon gedacht, dass sie vielleicht als Überraschung früher kommen würden.“
„Ich habe auch keine Ahnung, aber wir sollten uns wirklich nicht damit beschäftigen. Chris wird es wissen und vielleicht ist es ja auch etwas Privates. Er ist mit Jörg unterwegs.“
Dustin beschäftigte sich deutlich mehr mit dieser Geschichte. Ich hielt das für nicht gut. Justin kam aber in dem Moment zu uns und fragte dann:
„Habt ihr schon eure Schläger zum Besaiten gegeben? Wir sollten zum ersten Spiel alle Saiten neu haben. Andernfalls dürfte uns Chris sicher einen Kopf kürzer machen.“
Oha, Mist. Da hatte uns Justin komplett auf dem falschen Fuß erwischt. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Vor allem, wo sollten wir das hier auf Rügen noch machen lassen können. Mir fiel da Simon oder Mattes ein. Die könnten wir dazu befragen. Unsere Rolle Saiten hatten wir ja in der Tasche. Und Chris hatte für alle Fälle auch immer noch eine Reserverolle dabei.
„Ich habe keine Ahnung wo wir hier unsere Schläger machen lassen können“, meinte auch Dustin.
„Fragt doch mal Simon und Mattes, die kennen sich hier doch aus. Sie müssen schließlich ihre Schläger auch irgendwo besaiten lassen. Und ich brauche auch noch vier neue Saiten“, erwiderte Justin.
„Warum nur vier neue?“, fragte ich sofort.
„Weil ich zwei direkt vor der Abfahrt in Halle noch machen lassen habe. Die habe ich noch gar nicht probiert.“
„Ob das klug ist? Du weiß doch gar nicht ob es hier nicht andere Bedingungen gibt als in Halle. Ich würde heute Nachmittag diese beiden Schläger probieren. Wenn sie gut sind, weiß du ja direkt wie die anderen zu machen sind.“
Ich hatte mich jetzt entschieden, alle sechs Rackets neu machen zu lassen. Dann wären sie zumindest alle gleich und auch auf die deutlich höheren Temperaturen abgestimmt.
Dustin tippte bereits in seinem Handy und ich ging davon aus, dass er mit Simon oder Mattes schrieb.
Wenige Augenblicke später bekamen wir unser Essen. Das sah richtig toll aus. Es gab keinen Unterschied zum Restaurant von Carlos Eltern. Und so schmeckte es auch. Einfach toll. Leider aß ich dadurch mehr als vielleicht vernünftig war. Entsprechend träge fühlte ich mich als wir fertig mit Essen waren.
Ich fragte meinen Schatz ob er mit mir einen kleinen Spaziergang machen würde, aber Dustin wollte nur seine Beine ausruhen und bis zum erneuten Aufwärmen nichts machen. Nur einfach mal in der Sonne sitzen. Also gut, dann leistete ich Justin und Dustin in der Sonne Gesellschaft. Und es zeigte sich als richtige Entscheidung, denn an dieser Stelle war es windgeschützt und bereits richtig warm. Das führte dazu, dass ich recht schnell müde wurde und wohl auch eingeschlafen war. Dustin hatte es natürlich genossen, mich wieder zu wecken. Etwas fies war, dass Chris mittlerweile wieder zurück war und einige Fotos von mir auf dem Rasen liegend gemacht hatte.
„Hey Fynn, du musst mal aufwachen“, schimpfte Dustin und schüttelte mich immer wieder. Aber als ich endlich meine Augen geöffnet hatte, fing er an zu grinsen und gab mir einen liebevollen Kuss.
„Ah, jetzt verstehe ich auch warum Fynn so lange gebraucht hat um wach zu werden. So belohnt zu werden, gefällt mir auch.“
Diese Stimme konnte ich gerade gar nicht zuordnen. Chris war es jedenfalls nicht. Ich war irritiert. Und natürlich fingen alle anderen dann an zu lachen. Sie hatten meine Verwirrung sofort bemerkt.
„Los, komm mal hoch. Dann kannst du unseren Besuch auch endlich mal begrüßen.“
Diese Stimme erkannte ich sofort. Das war Chris. Er war also schon zurück. Ich hatte richtig tief gepennt.
Chris: Überraschung gelungen und das Turnier beginnt
Kaum zu glauben, da lasse ich meine Jungs allein auf der Anlage zurück und was ist, als ich aus Stralsund mit unseren Gästen zurückkomme? Fynn liegt auf dem Rasen und schläft.
Aber als Fynn wach wurde und realisiert hatte, dass ich Sergio und Marcelo dabei hatte, schaute er ziemlich sprachlos aus der Wäsche.
„Willst du die beiden nicht mal ordentlich begrüßen? Sergio wird dich sonst in Stralsund vom Platz fegen. Hahaha.“
Dieses Gesicht von Fynn war es allein schon wert gewesen, die beiden Spanier mit nach Rügen zu nehmen.
„Sergio und Marcelo? Das ist ja mal ne Hammer Überraschung. Wie geil ist das denn?“
Die Lebensgeister von Fynn kehrten zurück und eine intensive Umarmung zur Begrüßung folgte. Justin stand mittlerweile neben mir und Jörg. Er fragte mich:
„Seit wann hast du gewusst, dass Sergio in Stralsund mitspielt? Das ist ja mega cool.“
„Gewusst habe ich das seit klar war, dass sie in der nächsten Woche auch zu Fynn und Dustins Geburtstag kommen. Da bot sich dieses Turnier förmlich an und Albert Costa hatte sofort zugestimmt. Sie bleiben also auch die kompletten zwei Trainingswochen.“
Damit hatte ich natürlich die sofortige Zustimmung von den Jungs und das Training am Nachmittag wurde sehr lebendig. Ohne dabei weniger gut gewesen zu sein. Alle haben ernsthaft zwei Stunden gearbeitet.
Was mir während der Einheit überhaupt nicht aufgefallen war, an unserem Platz standen zum Ende des Trainings zehn Jugendliche und beobachteten unser Tun. Simon und Mattes standen bei ihnen und ich konnte erkennen, wie sie ihren Freunden immer wieder etwas erklärten.
Da die Zeit jetzt abgelaufen war gab ich das Kommando:
„Ball anhalten, Platz abziehen und Feierabend für heute. Auslaufen, duschen und anschließend ab nach Hause.“
Die Jungs erledigten die Platzarbeit. Währenddessen kam Simon zu mir.
„Chris, meine Freunde möchten wohl gern ein Autogramm von euch und wenn möglich auch ein gemeinsames Foto auf dem Platz. Ginge das?“
„Hi, Simon. Grundsätzlich geht das natürlich. Aber sie sind sehr verschwitzt. Ich möchte daher darum bitten, jetzt ein schnelles Foto mit allen auf dem Platz zu machen und die Autogramme bitte erst nach dem Duschen. Eine Verletzung oder Erkältung möchte ich unbedingt vermeiden.“
Simon freute sich über mein Entgegenkommen. Sofort hatte er alle Freunde auf den Platz geholt und die Bilder dauerten keine fünf Minuten. Dann verschwanden meine Jungs zum Auslaufen und danach im Clubhaus unter die Dusche.
Jörg stand bereits auf der Terrasse des Clubhauses und erwartete mich.
„Bist du für heute mit Tennis durch?“, fragte er mich.
„Hahaha, nicht wirklich. Es steht noch die Gegneranalyse an, aber nach deiner Frage habe ich mir gerade überlegt, ich werde das erst morgen nach dem Vormittagstraining machen. Also, ja. Für heute ist Feierabend.“
Jörg schmunzelte auf meine Antwort.
„Sehr schön, dann können wir heute Abend nach dem Essen in Ruhe auf der Terrasse sitzen oder vielleicht sogar noch ans Wasser fahren.“
Plötzlich standen Simon und Mattes bei uns. Sie verabschiedeten sich von uns. Da die Jungs mittlerweile vom Auslaufen zurück waren, schickte ich die beiden in die Umkleide. Sie sollten sich auch richtig von den Jungs verabschieden können. Ihre Freunde waren doch schon gefahren und ich hatte ihnen versprochen, sie würden morgen ihre Autogramme bekommen, wenn sie dazu Lust hätten.
Jörg und ich standen in der lauen Abendluft als uns der Vorstandsvorsitzende begrüßte:
„Einen guten Abend. Ist alles zu eurer Zufriedenheit und konntet ihr gut trainieren?“
„Guten Abend Herr Engelbrecht. Danke der Nachfrage, bislang ist alles bestens. Wir haben noch einmal Zuwachs bekommen. Das hier ist ein guter Freund von mir aus Leipzig und gleich werden sich noch Sergio und Marcelo aus der Nadal Akademie vorstellen. Sie werden die Vorbereitung und die Turnierbegleitung bei uns machen.“
Herr Engelbrecht gab Jörg die Hand und kurze Zeit später kamen auch meine Jungs aus der Umkleide. Sie hatten eine lebendige Unterhaltung begonnen. Erst jetzt bemerkte ich, dass sie Deutsch sprachen. Auch Marcelo schien dem Gespräch bestens folgen zu können.
„Unterbrecht bitte einmal euer Gespräch“, bat ich die Jungs um Aufmerksamkeit, „Sergio und Marcelo möchte ich einmal zu mir bitten.“
Die anderen Jungs beendeten ihr Gespräch sofort und waren sehr aufmerksam.
„Darf ich einmal kurz vorstellen“, und zeigte auf Herrn Engelbrecht, „das ist unser Gastgeber hier. Herr Engelbrecht ist der Vorsitzende des Vereins und ich möchte doch sicherstellen, dass er mitbekommt wer hier alles bei uns trainiert.“
Herr Engelbrecht gab beiden Spaniern die Hand und lustig war, Herr Engelbrecht sprach sie in fließendem Spanisch an. Sergio musste lachen und so entstand noch eine lustige Situation, denn jetzt standen meine Jungs etwas auf dem Schlauch. Zumal Sergio ihre Namen mehrfach erwähnte.
„Ihr könnt beruhigt sein“, erklärte unser Gastgeber schnell wieder auf Deutsch, „sie haben euch gelobt und gesagt, dass sie es von Chris ganz toll finden, dass er sie auch betreuen würde. Und dass sie sich auf den kommenden Geburtstag von Fynn und Dustin freuen. Ich möchte euch auch nicht länger aufhalten. Erholt euch in eurem Quartier und sollte es ein Problem geben oder noch ein Wunsch, dann lasst es mich wissen.“
Das war richtig freundlich und nett von Herrn Engelbrecht wie er sich um uns kümmerte.
„Wenn meine Jungs am Dienstag noch im Turnier sein sollten, laden wir eine Abordnung von ihrem Verein nach Stralsund ein. Dort könnt ihr gutes Tennis schauen und uns unterstützen. Ich werde das über Dustin und Fynn dann kommunizieren und ich denke, es dürfte für einen Tag kein Problem sein sechs oder sieben Karten zu bekommen. Simon und Mattes können sich ja schon einmal mit Ihnen Gedanken machen, wen Sie mitnehmen möchten.“
Herr Engelbrecht bedankte sich für diese Einladung und damit endete der Samstag auf dem Rügener Tennisplatz.
Es folgte ein ruhiger gemeinsamer Abend in unserem Domizil. Jörg hatte uns mit seiner legendären Soljanka beglückt. Die hatte er von zu Hause mitgebracht. So brauchten wir nicht mehr lange in der Küche zu stehen.
„Wow, das war richtig lecker. Ich kannte das überhaupt noch nicht“, meinte Dustin nach dem Essen. Justin konnte es natürlich ebenfalls nicht kennen und unsere spanischen Freunde auch nicht. Nur Fynn hatte es bei Freunden bereits einmal gegessen. Jörg erklärte ihnen die Zubereitung und gab den Hinweis, dass es von großem Vorteil wäre, die Soljanka auch mal in größerer Menge zuzubereiten, umd dann einen Teil auf Vorrat einfrieren zu können.
„Was hältst du von einem Othello?“, fragte ich Jörg.
„Gern. Dürfen die Jungs auch einen?“
„Hahaha, natürlich. Wenn sie möchten. Was ist? Möchtet ihr?“
Nur Fynn und Dustin wollten lieber einen Kakao pur trinken. Also schnell fertig gestellt und gemütlich auf die Terrasse gesetzt. Es war mittlerweile dunkel draußen und sternklarer Himmel.
Sergio erzählte uns Neuigkeiten aus der Akademie und gegen halb elf spürte ich bei den Jungs die Müdigkeit. Einer nach dem anderen verabschiedete sich von Jörg und mir. Den Sonntag wollte ich nur für ein leichtes Matchtraining noch nutzen mit abschließender Besprechung der Auslosung.
Ich war noch zu aufgedreht um zu Bett zu gehen. Daher nutzten Jörg und ich den lauen Abend mit dem schönen Sternenhimmel, um nach Satelliten und Sternschnuppen Ausschau zu halten. Natürlich sprachen wir dabei auch über meinen Fortschritt in der aktuellsten Story für Nickstories.
„Wie geht es dir mit deinem Bruder als Chef? Du hattest zu Beginn große Bedenken. Gerade weil euer Verhältnis in der Vergangenheit nicht immer angenehm war.“
Ich stellte meinen Othello auf den Tisch ab und musste tief ausatmen.
„Das ist eine schwierige Frage. Im normalen Alltag geht es mir gut mit der Situation. Ich habe auch nur noch selten Zweifel ob ich das richtig mache oder gemacht habe. Aber wenn eine überraschende Situation kommt, die nicht geplant wurde und die Jan dann entschieden hat, dann wird es für mich noch schwierig. Da kommen die Zweifel wieder hoch.“
„Hmm, kannst du ein Beispiel geben? Und was machst du dann?“
„Ein Beispiel? Bevor wir nach Rügen aufgebrochen sind, hat mir Thorsten mitgeteilt, dass Jan mit uns in den kommenden zwei Wochen trainieren möchte. Mit Andy Murray. Und ich soll das Training mit den Jungs ganz normal leiten. Er hat das nicht mit mir abgesprochen, sondern einfach so entschieden. Da kommt einfach wieder dieses schlechte Gefühl hoch. Er kann einfach so über mich hinweg entscheiden.“
Jörg schaute mir ins Gesicht, zeigte aber keine Reaktion. Er zögerte, gab dann aber folgenden Kommentar:
„Das kann ich verstehen, aber du bist doch verantwortlich für die Jungs. Das bedeutet für mich, du machst die Trainingspläne, die Turnierpläne und niemand kann dir vorschreiben, wie du mit den Jungs arbeitest. Das ist doch so, oder nicht?“
Ich nickte nur.
„Gut, dann mach das genau so weiter. Euer Erfolg spricht für sich. Und wenn dich diese Art von Jan stört, sage ihm deutlich, dass du dich nicht gut dabei fühlst. Du hast doch mittlerweile überhaupt nichts zu befürchten. Sollte er wirklich den Fehler machen, dir vorzuschreiben, wie du mit den Jungs arbeiten sollst, dann nimmst du deine Sachen und gehst. Und über eines sei dir ganz sicher, sollte das wirklich so kommen, dann werden alle drei Jungs sofort mit dir gehen. Sie wissen ganz genau wie wichtig du für sie bist und sie nur mit dir Erfolg haben werden. Ich glaube aber, das wird gar nicht nötig werden. Jan hat einfach eine Entscheidung aus der Sache heraus getroffen und ich wette, er hat nicht eine Sekunde daran gedacht, dass ein Satz von ihm so eine Empfindung auslösen könnte. Hat Thorsten deine Reaktion mitbekommen?“
„Ja, Ich habe es angedeutet, dass ich mich jedenfalls überfahren fühlte. Auch wenn es sicher sinnvoll ist, zusammen zu trainieren. Für die Jungs ist es bestimmt ein Gewinn mit jemandem wie Andy Murray arbeiten zu dürfen. Trotzdem habe ich aber dieses Gefühl.“
„Genau darum geht es. Dein Gefühl! Aber nur du kannst dieses Gefühl auch wahrnehmen. Vermittel es deinem Bruder und lass es ihn wissen, wie du dich dabei gefühlt hast. Nur so wird er eine Chance bekommen, beim nächsten Mal behutsamer zu sein. Ich glaube, Jan hat großen Respekt vor deiner Arbeit und dir als Bruder. Er hat viel gelernt, ist aber noch nicht am Ziel. Eure Kindheit schwebt auch weiterhin über eurem Miteinander. Aber du musst doch zugeben, dass er sich große Mühe gibt, dich in sein Team zu integrieren und von dir zu profitieren. Findest du nicht?“
Da hatte Jörg mit Sicherheit vollkommen Recht.
„Es ist schon so, dass viele Dinge für mich vor einem Jahr fast ausgeschlossen schienen. Heute sind viele Dinge besser als jemals zuvor. Und ich möchte Jan da auch keinen Vorwurf machen. Es ist einfach so. Ich kann meine Gefühle nicht ignorieren. Aber ich werde das Gespräch suchen wenn wir zurück sind. Es wird nur gemeinsam zu lösen sein. Wie so vieles.“
In diesem Moment blitzte am Himmel eine Sternschnuppe richtig hell auf.
„Ha, wenn das kein gutes Omen für euch ist. Ich hoffe, du hast dir etwas gewünscht. Das wird ganz sicher in Erfüllung gehen.“
Diese Gespräche mit Jörg waren immer wieder aufs Neue eine Bereicherung für mich. Obwohl wir uns schon etliche Jahre kannten, bezog ich immer noch viel neue Energie und neue Ideen aus dieser Freundschaft.
Für heute war das ein guter Moment ins Bett zu gehen und erstaunlicherweise konnte ich schnell und gut einschlafen.
Am nächsten Morgen fühlte ich mich sogar erholt. Das kam außerhalb meines eigenen Bettes selten vor.
Der Sonntag verlief ruhig und ohne besondere Ereignisse. Das Matchtraining gefiel mir gut und auch die Laune meiner Jungs war positiv angespannt.
Interessant waren noch die Auslosung und Vorbesprechungen auf die jeweiligen Gegner. Fynn war an Position zwei gesetzt, direkt gefolgt von Justin und Dustin. Das bedeutete sie konnten frühestens im Halbfinale aufeinander treffen.
Mit Sergio war die Nummer eins der Setzliste auch in unserem Team. Sergio spielte schon ein Jahr länger auf dieser Ebene und hatte daher bereits mehr Punkte gesammelt. Allerdings war die Position in der Weltrangliste nahezu gleich.
Für mich bedeutete es allerdings, vier Spieler zu betreuen und damit wieder viel Stress und Unruhe. An eine Sache konnte ich mich auch noch überhaupt nicht gewöhnen. Auf der Anlage auf Rügen mussten wir noch die Autogrammwünsche erfüllen. Das war mir nach wie vor fremd. Allerdings waren die Jugendlichen dort überhaupt nicht aufdringlich. Daher war das auch kein großes Problem und am Ende zügig abgehakt.
Wir saßen mittlerweile mitten in der Gegneranalyse als mein Handy klingelte. Thorsten stand auf dem Display. Nanu?
„Hallo Thorsten. Was ist passiert? Sonst rufst du nicht vor einem Turnier noch einmal an.“
Ich war schon etwas beunruhigt und fühlte sofort einen leicht erhöhten Puls.
„Hallo Chris, alles gut. Keine Panik. Es ist nichts passiert. Allerdings hat dein Bruder eine Idee geäußert, die ich auch für sehr interessant halte. Du bist ja nun wieder mit vier Spielern beschäftigt, da Sergio ja auch von dir betreut wird. Jan hat ja mal den Gedanken geäußert, dass das auf Dauer für dich nicht machbar sein würde, immer gleichzeitig für drei oder mehr Spieler verantwortlich zu sein.“
„Äh, ja. Du machst es ja wieder spannend. Also was hat sich Jan ausgedacht?“
„Nun ja, Maxi ist ja gerade vom Trainerlehrgang zurück und kennt ja alle drei Jungs auch bestens. Auch wenn er noch keine Erfahrung als Coach hat, könnte er aber mit dir gemeinsam Erfahrungen bekommen und dich gleichzeitig entlasten. Deshalb würde ihn Jan morgen auf die Reise nach Stralsund schicken wollen. Dann wäre er zum ersten Spiel am frühen Nachmittag bereits vor Ort und kann dich unterstützen. Was meinst du dazu?“
Mittlerweile waren insbesondere Dustin und Fynn aufmerksam geworden und verfolgten jedes Wort von mir.
„Das ist eine überraschende Idee, die mir aber gut gefällt. Er muss Erfahrungen bekommen, auch außerhalb der Base. Wenn er Lust dazu hat, macht das.“
Thorsten gab mir noch die Ankunftszeit von Maxi am Bahnhof und dann verabschiedete er sich auch schon wieder von mir. Allerdings nicht ohne allen viel Erfolg zu wünschen.
Als ich das Handy wieder auf den Tisch legte, schauten mich zehn Augen an. Insbesondere Justin hatte schon wieder ein Grinsen im Gesicht.
„Na, was hat sich Thorsten für uns ausgedacht? Es ging doch um uns und das noch jemand herkommen soll.“
„Hahaha, ja, das stimmt. Und ja, es wird noch jemand kommen. Aber nicht für euch, sondern für mich. Jan war der Meinung, ich könnte etwas Unterstützung gebrauchen, um euch vier verrückte Hühner zu bändigen.“
Marcelo spielte ja nicht mit, er war nur die Begleitung für Sergio.
Die Jungs schauten sich jetzt etwas ratlos und vor allem schweigend an.
„Du willst uns noch nicht mehr sagen, ich weiß“, lachte Fynn, „aber wir sollen ja morgen schon spielen, dann wäre es nett wenn du uns jetzt sagst, wer das sein soll.“
„Also gut, Maxi wird mich hier unterstützen. Er kennt euch gut und er kann hier Erfahrungen sammeln. Da das Turnier nur eine Woche dauert, kann er das zeitlich auch bewältigen.“
Das hatte wie eine Bombe eingeschlagen. Positiv!
„Geil“, reagierte Justin zuerst, „das wird gut werden. Wir müssen ihm nicht erst erklären wie wir ticken. Das weiß er ganz genau.“
Die Jungs gingen heute zeitig ins Bett, ohne dass ich etwas ansagen musste. Sie hatten ihren Ehrgeiz gefunden und wollten eine gute Performance zeigen.
Jörg und ich hatten noch einen Rundgang durch den Ort gemacht und dabei konnte ich einerseits runterfahren, aber auch die steigende Anspannung bemerken. Es ging wieder los und das spürte ich sehr deutlich.
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