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The race is over
Teil 2
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Informationen
- Story: The race is over
- Autor: cdwgrisu
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Lovestory
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Marc: Ich muss Benny näher kennenlernen
- Mick: Papa überrascht uns immer wieder aufs Neue
- Marc: Gemeinsames Abendessen und die weitere Planung
- Mick: Nachmittags mit Benny und Marcel bei der Nachhilfe
- Marc: Ein schöner Abend
- Mick: Lukas kam abends vom Essen zurück
- Marc: Bennys Vater - die Grillparty und eine große Überraschung
- Mick: Große Überraschung für Papa
- Marc: Was für eine Grillparty
Vorwort
Alles, was sich in dieser Geschichte mit Benny abspielt, ist real passiert. Nur den Namen habe ich geändert. Ich habe die schlimmsten Details nicht beschrieben, weil ich nicht schocken möchte, sondern Wachrütteln. Jeder kann seinen Teil beitragen, in dem er hinschaut und diesen Kindern hilft. Es gibt Organisationen in Deutschland, die diesen Kindern unbürokratisch helfen können. Aber die Behörden müssen aufmerksam werden auf das Leiden dieser Kinder. Schaut also nicht weg, diese Kinder brauchen unsere Hilfe. Und lasst euch nicht täuschen, viele dieser Familien sind nach außen sehr „Bürgerlich“ und manchmal auch sehr wohlhabend. Reichtum schützt nicht vor Missbrauch und Misshandlung.
Marc: Ich muss Benny näher kennenlernen
„Hallo Jungs, wie ich sehe habt ihr noch jemanden mitgebracht. Darf ich fragen wer du bist?“
Mick sah mich etwas genervt an und meinte dann:
„Papa, du bist wie immer sehr direkt und diplomatisch. Das ist Marcel und er geht in die neunte Klasse. Er ist der Klassensprecher der Neun und war damals an der Aufklärung der Drogen- und Erpressungsgeschichte beteiligt.“
Der Junge gab mir die Hand und ich sah, dass Benny sich wohl gut mit den Jungs beschäftigt hatte.
„Was habt ihr jetzt noch vor?“ Wollte ich nun wissen.
„Wir haben noch eine Stunde Sport und fahren dann nach Hause zum Essen. Da ich ja noch keinen Sport machen darf, werde ich Marcel mit ein wenig Nachhilfe unterstützen.“
Das war eine klare Auskunft meines Micks.
„Sehr schön, Frau Ruthy erwartet euch zum Essen. Ich fahre heute Nachmittag mit Lucien, Leif und Benny mit dem Mountain Bike. Also werden wir dann nicht da sein, wenn ihr kommt. Würde mich freuen, wenn wir uns heute Abend zum Essen sehen.“
„Ja mal sehen, wir wollten noch etwas Billard spielen. Aber ich denke, wir können dann um halb sieben zusammen Essen, wenn dir das passt.“
„Also ich habe für heute Abend noch einen Termin, den ich gerne mit euch gemeinsam machen würde. Ich habe mich um halb acht dort angemeldet. Es wäre schön, wenn wir das hinbekommen, könnte das gehen?“
Mick überlegte einen Moment, er sah, dass ich etwas im Schilde hatte und wusste, es wäre jetzt nicht klug, mir zu widersprechen, deshalb erwiderte er grinsend:
„Ach Papa, du hast doch wieder irgendwas ausgeheckt. Ich sehe es dir an. Also gut, wir werden es so machen, dass wir um kurz nach Sieben da sind. Lass uns doch anschließend essen.“
„Guter Vorschlag, mein Sohn. Ich wusste doch, dass ich tolle Söhne habe.“
Dabei grinste ich beide an. Benny staunte einfach nur über die Art, wie meine Jungs mit mir umgingen. Ich verabschiedete mich von Lukas, Mick und Marcel und ging mit Benny zum Auto. Benny war immer noch sichtlich beeindruckt von der letzten Szene.
„Marc, wenn ich mit Papa so reden würde, hätte ich riesigen Stress und ein echtes Problem. Ich finde das total cool, wie du damit umgehst.“
Ich sah ihn erstaunt an und nahm ihn in den Arm:
„Ach du wirst schon noch merken, wie das bei uns hier so läuft. Ich bin auch nur ein Mensch und manchmal bin ich auch gar nicht so cool. Vor allem, wenn es einem meiner Jungs nicht gut geht, oder er vielleicht mal Probleme hat. Dann bin ich auch nur ein normaler Vater, der sich Sorgen macht. Früher war ich ja gar nicht da und habe es nicht mitbekommen, wie sehr Leif gelitten hatte, dass ich nie für ihn da war.“
Benny schwieg nun einfach und wir fuhren zu uns nach Hause.
„Sag mal Benny, ich habe mit deinem Direktor gesprochen, er hat mir ein wenig von dir berichtet und meinte, du würdest dich immer zurückziehen von den anderen. Warum tust du das? Mit Mick und Lukas bist du doch sehr viel zusammen und du verstehst dich mit ihnen sehr gut.“
Benny wurde wieder unruhig und unsicher. Er wollte sich nicht gerne dazu äußern. Ich baute ihm deshalb ein wenig eine Brücke.
„Kann es sein, dass es damit zu tun hat, dass du weißt, dass die beiden auch schwul sind wie du und du hier angst hast, es könnte jemand anderes bemerken?“
Er sah mich mit großen Augen an und nickte nur.
„Mensch Benny, wie du vielleicht schon bemerkt hast, die beiden sind hier vollkommen akzeptiert und es gibt kaum noch Idioten, die mit Homosexualität ein Problem haben. Geh auf deine Mitschüler zu und versuche so normal wie möglich zu sein. Du brauchst Freunde, mit denen du Zeit verbringen kannst und du hast doch viele gute Talente. Bring dich hier ein, die anderen werden dich dann viel eher akzeptieren. Das wird dir auch helfen, deine Situation zu Hause schnell zu vergessen und vielleicht kannst du ja hier bleiben und weiter zur Schule gehen. Was meinst du denn dazu?“
„Ich würde gerne bei euch sein und hier weiter zur Schule gehen, aber das wird nicht gehen. Meine Mutter würde das niemals erlauben. Sie hätte ja dann keinen mehr, der für sie alles regelt.“
Bei dieser sarkastischen Bemerkung wurde er sehr nachdenklich. Ich konnte ihn verstehen. Es klang fast nach Resignation.
„Benny, ich glaube da werden wir eine Lösung finden, wenn du uns sagen würdest, was du eigentlich willst. Unabhängig von irgendwelchen Abhängigkeiten. Mach dir mal Gedanken, was möchtest du erreichen und was willst du für dich. Dann werden wir uns hinsetzen und schauen, wie wir das hinbekommen. Versprichst du mir das bitte? Denk nicht über dein zu Hause nach. Denk nur darüber nach, was du machen möchtest.“
Jetzt schaute er mich mit seinen tollen Augen an und wurde ganz verlegen.
„Du meinst das nicht ernst, oder? Ich soll wirklich nur daran denken was ich möchte? Das macht doch keinen Sinn, weil das eh nicht klappt.“
„Unsinn, wenn du keine Ziele hast, wirst du sie auch nicht erreichen. Ich will, dass du mir morgen Abend sagst, welche Ziele du hast. Und keine Kompromisse, nur, was du unbedingt machen möchtest.“
„Also gut. Ich werde versuchen, mir Gedanken zu machen.“
„Falsch Benny, nicht versuchen - machen!“
Jetzt lächelte er sogar und wir hatten uns, glaubte ich, verstanden.
Zu Hause zeigte ich ihm zuerst das Bike, welches er fahren sollte. Ich zeigte ihm, wie er es sich passend einstellen konnte und er sollte dann ein paar Testrunden drehen, ob auch alles funktionierte. Ich ging in der Zeit mich umziehen. Lucien würde auch gleich kommen und dann wollten wir ja auf Tour. Hoffentlich würde Leif pünktlich hier sein. Schließlich traf er sich ja mit seiner Freundin. Ich stand nun ebenfalls mit meinem Bike vor unserem Haus und wartete auf Benny. Er kam freudestrahlend auf dem Bike um die Ecke und meinte:
„Tolles Bike, das macht echt Spaß, damit zu fahren. Ist Leif schon da? Und wann kommt Lucien?“
In diesem Moment kam Lucien in unsere Straße gefahren und winkte schon von weitem. Benny freute sich und winkte zurück. Als Lucien bei uns ankam, umarmte er Benny sehr freundlich. Das gefiel mir gut. Mich begrüßte er fast noch stürmischer und er war sichtlich aufgeregt.
„Wo ist denn Leif? Wir wollten doch zusammen trainieren oder nicht?“
„Ich hoffe, er kommt jeden Moment. Er traf sich noch mit seiner Freundin und hoffe, dass er sich rechtzeitig von ihr trennen konnte.“
Lucien grinste mich an und meinte: „Wenn nicht, dann bekommt er gleich Straftraining. Ich finde es doof, wenn man unpünktlich ist.“
„Ganz meine Meinung“, sagte ich und da kam Leif um die Ecke gefahren. Wir mussten natürlich auf ihn warten, weil er sich ja noch umziehen musste. Wenige Minuten später fuhren wir gemeinsam los. Leif musste sich allerdings von den Jungs einige flapsige Kommentare anhören.
Wir fuhren einige Kilometer Flachstrecke und Lucien wurde immer sicherer. Ich fuhr vorneweg und Leif am Schluss. Ich kannte ja den Weg. Wir bogen in einen Waldweg und waren sehr bald in einem etwas hügeligen Gelände. Für Leif und mich war das gar kein Thema, aber Benny hatte keinerlei Erfahrungen im Gelände und Lucien war noch nicht wieder völlig fit. Wir kamen daher recht langsam voran. Nach ungefähr einer halben Stunde im Gelände blieb Lucien an einer Bank stehen.
„Papa, warte mal. Wir sollten eine Pause machen. Lucien ist erschöpft“, hörte ich Leif rufen. Ich bremste, wendete und fuhr zur Bank zurück, wo die drei Jungs auf mich warteten. Lucien hatte einen roten Kopf und war total verschwitzt. Allerding sah Benny auch nicht viel frischer aus.
„Also gut, machen wir eine Pause. Lasst uns etwas trinken und dann langsam weiterfahren.“
„Marc, ich glaube, ich bin für euch nur eine Spaßbremse. Fahrt ihr allein weiter und ich fahre zurück.“ Dabei sah Lucien mich sehr niedergeschlagen an.
„Kommt nicht in Frage. Wir trainieren doch, damit du wieder mit uns mithalten kannst. Benny ist doch auch ganz schön am Kämpfen. Also ganz ruhig. Wir machen jetzt eine Pause und dann fahren wir ganz langsam weiter. Wenn du nicht mehr kannst, machen wir wieder eine Pause. Wir bleiben auf jeden Fall zusammen.“
Jetzt konnte er auch wieder lächeln. Leif stand neben ihm und strahlte ihn an. Leif meinte sogar:
„Hey, ich weiß gar nicht, was du hast? Du warst krank und das ist heute das erste Mal seit Monaten wieder auf dem Rad. Läuft doch gar nicht so schlecht. Das wird schon wieder.“
Dabei klopfte er ihm auf die Schulter und die Stimmung war gleich wieder lockerer. Jetzt erstaunte mich Benny aber, denn er gab folgenden Kommentar ab:
„Also ich bin ja eigentlich körperlich fit, dennoch pfeife ich wie eine alte Dampflok. Mann ist das anstrengend. Ich bin, glaube ich, völlig eingerostet.“
Da mussten wir alle lachen und Leif sagte zu ihm: „Du musst früher auf die kleinen Gänge runter schalten. Du fährst mit zu viel Kraft. Dafür sind die Untersetzungen doch da. Radfahren ist Ausdauersport und kein Kraftsport.“
Damit war alles gesagt und wir fuhren jetzt noch diese Steigung zu Ende, um dann in einen großen Bogen nach Hause zu fahren. Ohne weitere schwere Steigungen. Nach einer halben Stunde waren wir wieder bei uns zu Hause.
„Leif, begleitest du Lucien bitte nach Hause. Ich möchte, dass er nicht allein fährt. Er ist schon sehr müde.“
„Klar Papa, hätte ich eh gemacht. Wir sehen uns dann gleich.“
„Bestell deiner Mutter schöne Grüße von mir, Lucien. Ich rufe sie morgen mal an.“
Dann machten wir in drei Tagen das nächste Training aus und die beiden fuhren davon. Benny und ich gingen ins Haus, um erst einmal zu duschen. Ich war wie immer sehr schnell fertig, als mein Handy klingelte. Gerade hatte ich mir etwas zu trinken genommen.
„Hallo Mick, was gibt es denn?“
„Papa, was meinst du dazu, wenn Benny die Nachhilfe mit Marcel machen würde. Ich denke, das könnte doch für ihn auch ganz gut sein. Er würde mal mit anderen in Kontakt kommen, ich hätte mehr Zeit für meine Schulsachen und Benny könnte sich sein Taschengeld aufbessern. Meinst du, dass er das hinbekommen würde? Ich sitze nämlich grade mit Marcel hier und wir planen die nächsten Termine.“
„Ja, finde ich gut. Macht doch den nächsten Termin erst mal zusammen. Das macht es für Benny einfacher. Mach doch mit Marcel einen Termin und Benny fragen wir nachher beim Essen, ob er mitmachen will.“
„Gut, das hört sich vernünftig an. Ich fahre jetzt mit Lukas zum Billard und wir sehen uns dann nachher. Was hast du eigentlich vor mit uns?“
Netter Versuch, Großer. Ich verrate aber nichts.“
„Na gut, ein Versuch war's wert. Bis später.“
„Bis später und viel Spaß beim Billard.“
Benny war mittlerweile auch fertig mit duschen und kam nun zu mir in den Garten. Ich schaute mir unsere Rosenbüsche an und stellte fest, dass sie mal wieder geschnitten werden müssten. Ich bemerkte, wie Benny sich im Garten umsah. Dann fragte er mich:
„Sag mal Marc, hast du eigentlich einen Gärtner oder jemanden, der sich um die Pflege deines Gartens kümmert?“
„Warum fragst du? Gefällt dir etwa der Garten nicht?“
„Doch, der ist wirklich schön angelegt, aber er müsste mal wieder bearbeitet werden. Einige Sträucher wildern doch ganz schön und die Rosensträucher brauchen dringend einen Schnitt. Sonst verholzen die total.“
Ich musste wohl ziemlich blöd ausgeschaut haben, denn Benny konnte meine Verwunderung wohl sprichwörtlich sehen.
„Du musst vielleicht wissen, ich liebe Pflanzen und Gärten. Ich habe mir einiges dazu angeeignet. Wenn du es erlaubst, mache ich das auch gerne selbst. Dann kann ich wenigstens wieder etwas zurückgeben.“
„Du weißt ganz genau, dass du gar nichts machen musst. Ich möchte von dir nichts zurückbekommen, außer dass du dich hier wohlfühlst. Aber wenn du wirklich Spaß an der Gartenarbeit hast, darfst du das sehr gerne tun. Ich habe da leider nicht sehr viel Ahnung. Allerdings habe ich auch einen Gärtner an der Hand, der das für uns macht, wenn ich das für nötig halte. Du kannst dich aber hier austoben. Die Geräte dafür stehen alle im Gartenhaus.“
Benny strahlte mich an, ging zum Gartenhaus und schaute sich meine ganzen Geräte und Hilfsmittel an. Als er zurückkam, hatte ich mich in einen Rattansessel gesetzt und schaute ihn an. Er strahlte nur:
„Also, so ein Arsenal an Gartengeräten hätte ich auch gerne. Da macht das Ganze ja noch mehr Spaß. Darf ich mich wirklich in eurem Garten austoben. Ich habe nämlich einige Ideen, was ich anders machen würde.“
„Klar, wäre nur schön, wenn du mir vorher sagen würdest, was du machen möchtest. Ich mag nämlich einige Farben gar nicht und auch einige Pflanzen sind mir suspekt.“
„Ich möchte eigentlich gar keine neuen Pflanzen oder Sträucher, sondern nur das Vorhandene besser zur Geltung und ein wenig in Form bringen.“
„Genehmigt, du darfst dich austoben.“
„Toll, ich freu mich. Wann darf ich anfangen?“
„Ich denke, du kannst dir das so einteilen, wie du magst, heute aber nicht mehr.“
Dabei zwinkerte ich ihm zu. Er lächelte endlich mal wieder.
„Du Benny, Mick rief eben an und fragte, ob du nicht vielleicht mit Marcel ein wenig Nachhilfe machen könntest. Du bist ja in Mathe auch sehr gut. Er hat da wohl einige Schwierigkeiten und braucht Hilfe. Mick schafft das zeitlich nicht so gut. Hättest du Lust dazu?“
„Ich weiß nicht. Ich kenne den Jungen gar nicht und außerdem bin ich ja noch recht neu hier. Ich weiß außerdem gar nicht, was die schon alles so gemacht haben. Meint Mick denn, ich könnte das?“
„Sonst würde er bestimmt nicht fragen. Außerdem hatte ich die Idee, ihr macht den nächsten Termin zusammen. Dann lernst du Marcel besser kennen und Mick weist dich in die Materie ein. Außerdem könntest du dir damit ein wenig dein Taschengeld aufbessern.“
„Oh Mann, das wäre echt gut. Ein wenig mehr Geld täte mir schon gut.“
„Dann klärt das doch nachher mal. Ich glaube, das würde dir auch so gut tun. Marcel scheint ein netter Junge zu sein. Vielleicht freundet ihr euch ja ein wenig an.“
Jetzt schien er ein wenig rot zu werden. Ich wollte nun das Thema auf den Abend lenken.
„Kommst du eigentlich gleich mit? Ich wollte mit Mick und Lukas ja noch einen Termin machen.“
„Wenn die beiden nichts dagegen haben. Was hast du denn vor?“
„Ich habe für beide ein Auto ausfindig gemacht. Das sollen sie sich ansehen. Aber du weißt von nichts, ok?“
„Geht klar. Was macht Leif heute Abend?“
„So genau weiß ich das nicht, aber ich vermute, er wird sich noch mal mit Stefanie treffen.“
„Darf ich dich mal was fragen?“
„Natürlich, schieß los. Was möchtest du wissen?“
„Darf Leif eigentlich bei Stefanie im Internat übernachten oder ist das verboten?“
„Nein, das ist nicht erwünscht. Aber wenn es denn soweit ist, werde ich ihnen erlauben, hier zu schlafen. Das ist nämlich nicht verboten. Allerdings muss Stefanie dafür die Erlaubnis vom Internat haben. Also wenn ihre Leistungen zu schlecht sind, darf sie nicht außerhalb schlafen. Sie muss außerdem morgens dann pünktlich in der Schule erscheinen. Sollte sie wiederholt zu spät sein, wird das gestrichen.“
„Ah ja“, meinte er nun nur und schaute etwas verlegen. Ich ahnte, warum er fragte.
„Also ich habe keine Bedenken, falls du das meinst. Leif ist kein kleines Kind mehr und ich glaube nicht, dass er etwas mit ihr tut, was er noch nicht möchte. Und ich glaube, Leif hat noch kein Interesse mit ihr zu schlafen. Ich bin da echt sehr entspannt.“
Er wechselte schnell das Thema und wir unterhielten uns wieder über seine Hobbys. Er erzählte mir, dass er sich auch vorstellen könnte, mit den sechsten und siebten Klassen ein Skater Projekt machen zu wollen. Das fand ich sehr gut und wollte ihn da auch unterstützen. Ich schlug ihm vor, dass er das bei seinem Klassenlehrer erwähnen sollte.
Mittlerweile war es doch schon kurz nach Sieben. Leif war immer noch nicht von Lucien zurück. Ich fing langsam an, mir Gedanken zu machen. Zuerst kamen jetzt Mick und Lukas nach Hause, Leif war immer noch nicht wieder da. Deshalb fragte ich die beiden, ob sie Leif gesehen hätten. Sie verneinten. Ich entschied mich, jetzt doch mal bei Sabine anzurufen und nachzufragen, ob er denn noch bei Lucien sei.
Sabine erzählte mir nur, dass er Lucien nach Hause gebracht hatte und er sich dann recht schnell verabschiedet hätte. Er wollte sich noch bei Stefanie treffen. Na, das hätte er mir ja auch sagen können. Ich legte ihm einen Zettel hin und dann machten wir vier uns recht bald auf den Weg.
Mick und Lukas waren sichtlich gespannt, aber ich sagte ihnen nichts und auch Benny tat so, als ob er nichts wüsste. Das gefiel mir außerordentlich gut. Mick klärte mit Benny dafür das mit der Nachhilfe für Marcel. Sie hatten sich zusammen verabredet und das war sehr gut. Benny musste hier mehr mit den anderen machen. Im Auto saß Benny vorne, damit Lukas und Mick hinten mal wieder nicht auf ihre Knutscherei verzichten mussten. Benny war das sichtlich unangenehm.
„Wie reagieren eigentlich die anderen in der Schule, wenn ihr so rumknutscht? Gibt das keine Probleme?“
„Warum sollte es?“, fragte Lukas nun.
„Naja, ich könnte mir das in der Schule oder in der Öffentlichkeit nicht vorstellen. Ich hätte zu viel Angst, ich könnte zu Hause verraten werden.“
„Du bist aber hier nicht zu Hause. Also wenn du jemanden kennenlernst, dann brauchst du jedenfalls hier keine Angst zu haben. Außerdem sind wir ja auch da. Papa hat da bestimmt auch nichts gegen oder?“ Dabei sah mich Lukas fragend an.
„Warum sollte ich da etwas dagegen haben? Wäre ja wohl komisch, euch zu unterstützen und es Benny übel zu nehmen. So weit kommt es noch.“
Dabei lachten wir alle sehr herzlich. Sogar Benny wurde jetzt wieder etwas lockerer. Dann meinte er nur etwas nachdenklich:
„Ich würde es mir schon wünschen, auch mal einen netten Jungen kennenzulernen. Irgendwie beneide ich euch ein wenig. Also, ich freue mich für euch, aber ich würde auch gerne mal einen netten Jungen küssen und mit ihm kuscheln, ohne immer Angst haben zu müssen.“
„Hast du denn schon mal einen Freund gehabt?“, wollte Mick nun wissen.
„Nein, das wäre viel zu riskant. Wenn meine Mutter davon erfährt, bin ich erledigt.“
Er wurde jetzt wieder sehr melancholisch und ich spürte, dass es jetzt besser sein würde das Thema zu wechseln.
„Sagt mal Jungs, habt ihr eigentlich eine Idee, wo wir gerade hinfahren?“
„Nein!“, kam es von beiden gleichzeitig. Das ließ Benny und mich laut auflachen.
„Gut, ich will mal nicht so sein. Ihr hattet euch ja den Audi 80 angesehen und fandet den doch toll. Ich war ja nicht so begeistert davon, weil er mir nicht sicher genug ist. Ich habe mir nun mal gedacht, ich zeige euch mal das Auto, welches ich mir für euch vorstellen könnte. Was meint ihr? Sollen wir das mal machen?“
„Papa, ich habe es doch geahnt. Man darf dir aber auch gar keine Chance geben, so etwas auszunutzen.“
Dabei musste Mick aber richtig lachen. Ich fand es aber auch lustig, wie er das so rüber brachte. Wir fuhren zu einem Händler, der eigentlich VW Vertragshändler war. Dort hatte ich das Auto im Internet gesehen. Ich parkte unseren Wagen und wir gingen in die Verkaufshalle. Mick wurde schon unruhig. Er meinte dann:
„Papa, aber bitte kein Golf Cabrio. Das geht ja gar nicht.“
Ich lachte und erklärte dazu nur:
„Glaubst du im Ernst, ich würde euch eines der hässlichsten Cabrios nach dem EoS kaufen? Nein keine Sorge, es wird kein VW sein.“
Ich ging kurz zu der Verkäuferin hinter dem Tresen und erklärte ihr kurz, weshalb wir gekommen waren. Sie lächelte freundlich und bat uns einen kleinen Moment zu warten. Sie telefonierte kurz und wir warteten in der Sitzecke. Wir bekamen jeder einen Kaffee, bzw. das, was jeder trinken wollte. Nach einigen Minuten kam die Verkäuferin zu uns und meinte, das Fahrzeug stände nun bereit.
Mick: Papa überrascht uns immer wieder aufs Neue
Also ich musste schon sagen, Papa hatte immer wieder eine neue Überraschung im Ärmel: Er hatte sich einfach entschlossen für uns ein Auto zu suchen, dass für ihn sicher genug sein würde, damit wir es auch bewegen könnten. Benny schien sich auch bei uns wohl zu fühlen. Seine Bemerkungen über den Wunsch einen Freund zu haben, war mir nicht entgangen. Ich hatte da auch schon eine Idee. Ich hatte ja Marcel bereits zwei Mal zu Hause besucht und dort einige eindeutige Hinweise erhalten, dass er wohl auch zumindest bisexuell sein könnte. Das wäre doch eine Möglichkeit für Benny mal zu schauen, ob er Marcel nett finden würde. Ich hatte das mit der Nachhilfe genau dafür eingefädelt. Das sollte Benny natürlich nicht wissen. Ich hatte auch überlegt, ob ich Papa einweihen sollte, dies dann aber wieder verworfen. Ich durfte jetzt kein Risiko eingehen. Sollte das herauskommen, wäre das bestimmt problematisch. Ich war ja mit Lukas so glücklich und ich genoss jede Minute mit ihm. Auch, dass wir mittlerweile in der Schule keine Probleme mehr hatten, war ein tolles Gefühl. Wenn es überhaupt an einer Schule für Benny klappen könnte, dann hier.
Ich stand mit Lukas im Arm in diesem Autohaus und Benny grinste mich irgendwie komisch an. Ich hatte den Verdacht, er hatte mehr gewusst, als er uns glauben ließ. Papa stand nun auch auf und wir gingen der Verkäuferin hinterher auf den Hof. Was ich dort zu sehen bekam, raubte mir ein wenig den Atem. Das konnte doch wohl nicht sein. Papa musste wirklich ein wenig verrückt sein. Dort stand ein anthrazitfarbener Audi TT RS Roadster. Mit schönen 19 Zoll Felgen und richtig toll hergerichtet. Ich schaute meinen Lukas an und wir waren ein wenig ungläubig.
„Papa, was soll das jetzt werden? So ein Auto wird wohl kaum für die 9000 SFr zu bekommen sein. Allerdings ist dieser hier wirklich ein selten schönes Exemplar.“
Lukas ging schon staunend um das Fahrzeug und strahlte über das ganze Gesicht. Benny staunte über Papas Auswahl und war sichtlich beeindruckt.
„Ach Jungs, ich weiß es schon zu schätzen, dass ihr euch mit dem Audi 80 ein wirklich schönes Auto ausgesucht hattet. Auch, dass es euch nichts ausmacht, dass es etwas älter ist. Ich möchte aber, dass ihr ein sicheres Auto bekommt, und ein wenig Spaß dabei auch möglich ist. Ich sehe jedenfalls, dass meine Auswahl zumindest nicht auf Ablehnung stößt.“
Dabei grinste er uns richtig schelmisch an. Typisch Papa eben. Immer für eine Überraschung gut.
„Klar, aber wir hätten uns so etwas niemals ausgesucht. Es wäre einfach außerhalb des Rahmens.“
Ich sah nun auf das Schild in der Frontscheibe und musste schlucken. 12 000 Sfr standen dort zu lesen. Baujahr 2008. Erst 60 000 km gelaufen. Das war eigentlich ein sehr gutes Angebot. Zumal vom RS nicht so viele Exemplare gebaut werden. Ich nahm nun meinen Lukas in den Arm und flüsterte ihm in sein Ohr:
„Was meinst du? Könnten wir uns damit eventuell zufrieden geben?“
Ich gab ihm einen vorsichtigen Kuss auf seinen Nacken, denn ich wollte die Verkäuferin nicht so direkt vor den Kopf stoßen. Sie hatte es aber bemerkt und lächelte uns an. Sie drehte sich zu Papa und fragte dann:
„Sagen sie Herr Steevens, für wen sollte denn das Fahrzeug sein? Wie ich sehe sind ihre Söhne ja ungefähr gleich alt. Bräuchten sie da denn nicht für jeden einen?“
Ich konnte Papas Gesicht nicht so genau sehen, aber anhand der Reaktion von Benny, er kicherte leise, wusste ich nun, was Papa denken würde. Lukas hingegen war doch verunsichert. Er schaute mich nämlich fragend an. Ich musste einfach nur lachen.
„Wissen Sie, ich fände es ja schon toll, wenn wir jeder einen von dieser Sorte bekämen, aber ich denke, wir brauchen nicht jeder ein Auto. Wir leben ja zusammen in einer eigenen Wohnung und wir können uns sehr gut mit einem Fahrzeug arrangieren.“
Das Gesicht der Verkäuferin war nicht zu deuten. Sie schien sich aber nicht sicher zu sein, wie sie damit umgehen sollte. Also legte Papa noch einen drauf:
„Also damit Sie nicht so viel nachdenken müssen, Lukas ist mein Stiefsohn und gleichzeitig mein Schwiegersohn, deshalb reicht ein Auto.“
Das hatte gesessen. Die arme Frau war sichtlich geschockt. Es war ihr unangenehm und sie wäre am liebsten im Boden versunken. Jedenfalls rettete Papa die Situation mit der Frage nach ein paar Informationen zu dem Auto. Diese konnte sie auch sofort liefern. Ich stellte fest, sie war gut vorbereitet. Das Auto war wirklich voll ausgestattet und ich wurde richtig unruhig. Denn Papa schien ernsthaft interessiert zu sein. Er fragte irgendwann nach einer Probefahrt. Die Dame meinte nur, das sei kein Problem und sie holte nur noch zwei Zulassungskennzeichen und dann konnten wir auch schon starten. Zuerst sollte Lukas mit Papa fahren, dann durfte ich mit. Jedenfalls gab es keinerlei Auffälligkeiten und wir standen irgendwann nach einer knappen Stunde wieder im Verkaufsraum und redeten nun über den Preis. Nun ja, eigentlich redeten nur Papa und die Verkäuferin. Wir standen recht unbeteiligt und auch ein wenig staunend daneben. Papa hatte den Preis mittlerweile auf 11 000 Sfr gedrückt und dabei noch einen Satz neuer Winterreifen dazu bekommen. Die anstehende große Inspektion wollte das Autohaus noch machen. Jetzt stellte Papa uns doch ernsthaft die folgende Frage:
„Na Jungs, wie seht ihr das nun? Könntet ihr euch damit anfreunden oder ist das alles gar nicht euer Ding?“
Ich sah meinen Schatz an und ich musste mich zwingen, nicht in Gelächter auszubrechen. Lukas schien ähnliche Gedanken zu haben. Er hatte aber zuerst die Sprache wiedergefunden und erklärte:
„Also Papa, ich weiß nicht, warum du fragst, aber ich würde den sofort nehmen wollen. Ein wirklich sehr schönes Auto, was denkst du, Schatz?“
Ich schaute ihm in die Augen und konnte nur noch ergänzen: „Keinerlei Widerspruch meinerseits.“
Papa bekam nun ein Lächeln in sein Gesicht, das ich schon kannte, jetzt war die Entscheidung gefallen. Er sagte denn auch:
„Gut, damit ist alles geklärt. Das Auto ist gekauft. Bitte machen sie alles fertig. Wir werden dann in den nächsten Tagen kommen und das Fahrzeug abholen.“
Die Verkäuferin nickte und Papa und sie gaben sich die Hand. Damit war der Deal perfekt. Ich konnte es immer noch nicht so recht glauben. Wir waren soeben stolze Besitzer eines TT RS Roadster geworden. Benny freute sich mit uns und er umarmte uns fröhlich.
Wir fuhren nach Hause und auf dem Weg hielten wir bei Salvatore an. Papa hatte wohl einige Pizzen vorbestellt und so war unser Abendessen auch geklärt. Für Leif hatten wir eine doppelte Portion Pasta mitgenommen.
Zu Hause nahmen wir uns das Essen vor. Leif war überraschenderweise auch wieder aufgetaucht, es gab ja etwas zu essen.
Marc: Gemeinsames Abendessen und die weitere Planung
Leif war natürlich auch wieder zurück, es gab ja etwas zu essen. Ich hatte das Gefühl, er hatte einen Instinkt, was Essen betraf. Jedenfalls waren wir alle versammelt und die Nahrungsaufnahme war recht zügig beendet. Leif erzählte noch ein wenig von Stefanie und Mick bearbeitete Benny bezüglich der Nachhilfe mit Marcel. Benny war sich überhaupt nicht sicher, ob er der Richtige dafür wäre. Mick versuchte wirklich sehr überzeugend zu sein, dennoch wollte sich Benny nicht dazu durchringen. Ich wollte Mick jetzt aber nicht hängen lassen und mischte mich nun ausnahmsweise mal in diese Diskussion mit ein.
„Ich bin der Meinung, du solltest Mick vertrauen und dir das erst mal mit Mick gemeinsam anschauen. Wenn es gar nicht geht, kann Mick das immer noch übernehmen. Und nicht, dass du denkst, ich wäre enttäuscht, wenn der Garten nun warten müsste. Ich wäre enttäuscht, wenn du hier nicht das machst, was wichtig ist. Und ich finde, diese Nachhilfe wäre für dich wichtig.“
Benny sah mich verwundert an und er gab endlich seine Zweifel auf und Mick die Zusage, am nächsten Tag mit Mick gemeinsam im Internat mit Marcel die Nachhilfe zu machen. Benny hatte aber noch ein weiteres Anliegen, welches er mir mitteilte.
„Marc, wie lange darf ich eigentlich bei euch wohnen? Ich möchte im Internat keine Schwierigkeiten bekommen, aber ich fühle mich hier sehr wohl. Allerdings möchte ich euch auch nicht unnötig zur Last fallen.“
Ich hatte es erwartet, Benny hatte Schwierigkeiten damit, etwas einfach anzunehmen und es sich gut gehen zu lassen.
„Also noch einmal für dich zum Verständnis. Du fällst uns überhaupt nicht zur Last. Du solltest auf jeden Fall diese Woche noch bei uns bleiben. Danach schauen wir weiter. Morgen bleibt ihr im Internat bis zum späten Nachmittag. Ihr macht ja die Nachhilfe mit Marcel. Also es ist ja nicht so, dass du nicht mehr im Internat bist. Du musst versuchen, hier Freunde zu finden. Dabei werden dir sicher meine Jungs helfen. Du musst dir aber auch helfen lassen. Hast du das jetzt verstanden?“
Benny schaute mich nun etwas zweifelnd an, weil er nicht so genau wusste, wie ernst ich das jetzt gemeint hatte. Mick hatte mich natürlich verstanden. Er gab deshalb Benny einen Tipp:
„Wenn du klug bist, und ich weiß, dass du das bist, sagst du jetzt am besten: Ja, Papa du hast recht - dann wird alles gut werden.“
Lukas und Leif schmissen sich vor Lachen fast auf den Boden, ich schüttelte lachend den Kopf und dann sagte Benny:
„Ja Papa, du hast recht.“
Jetzt war alles zu spät und wir lagen alle grölend und prustend auf dem Boden. Benny eingeschlossen. Das tat richtig gut mal einfach albern sein können. Nach ein paar Momenten hatten wir uns beruhigt und Benny begriffen, wie es gemeint war.
Benny ging nun noch mit seinem Skateboard etwas auf die Piste. Lukas und Mick gingen nach oben. Sie wollten noch etwas lernen und Mick sollte sich von Lukas noch mit seiner Salbe einreiben lassen. Seine Rippe machte schon Fortschritte, aber hin und wieder merkte ich, dass er noch Schmerzen haben musste. Leif wollte sich auch direkt davonstehlen. Das wollte ich jetzt allerdings nicht.
„Wohin willst du?“, fragte ich ihn bewusst etwas barsch. Er schaute mich wirklich fragend an.
„Ich will in mein Zimmer und dann duschen. Warum?“
„Ich möchte mit dir etwas besprechen und möchte, dass wir mal einen Moment in den Garten gehen.“
Leif wusste jetzt, dass er besser keine weiteren Versuche unternehmen sollte, sich davor zu drücken. Wir gingen zusammen in den Garten, Leif war sichtlich angespannt. Wir setzten uns in die Gartensessel. Ich ließ Leif nun noch einen Moment zappeln, dann begann ich mein Thema:
„Ich war heute bei Dr. Steyrer. Er hatte mich um ein Gespräch gebeten. Deinetwegen!“
Jetzt sah Leif schon gar nicht mehr so zuversichtlich aus. Er wurde sogar etwas blass.
„Ich mache mir ein wenig Sorgen, er berichtete mir von deinen Nachlässigkeiten in der Schule und dass du die Regeln im Internat verletzt hast. Wie soll das weitergehen? Du glaubst doch nicht im Ernst, dass sich das Internat das lange mit ansehen wird. Auch für dich gelten die gleichen Regeln, wie für alle anderen.“
Leif wollte erst protestieren, ließ es aber und schwieg mich an. Ich konnte an seinen Augen erkennen, dass ich Recht hatte.
„Also, wenn du nicht riskieren willst, dass es unangenehm für dich und Stefanie wird, dann musst du sofort aufhören, die Regeln zu missachten. Mache deine Schulsachen regelmäßig und triff dich mit Stefanie innerhalb der Spielregeln. Wenn du mit Dingen Probleme hast, komm bitte zu mir und versuche nicht, dich heimlich davon zu stehlen. Das wird nicht lange gut gehen. Außerdem wird das Ganze für Stefanie weitaus unangenehmer werden. Sie wohnt schließlich im Internat, du kannst hier herkommen und hast deine Ruhe. Sie hingegen wird dort die Konsequenzen eures Verhaltens direkt spüren. Mach dir mal darüber Gedanken, ob das fair ist. Ich möchte, dass das sofort aufhört. Wenn ihr euch wieder an die Regeln haltet, kann sie gerne hierher kommen. Auch kann sie sicherlich irgendwann hier schlafen, aber erst ändert ihr euer Verhalten in der Schule. Du hast in letzter Zeit deine Aufgaben dort vernachlässigt. Ich habe mir das nun einige Zeit angeschaut ohne etwas zu sagen, aber ich glaube, ich habe dir zu viele Freiheiten gegeben. Ich mache dir keine Vorwürfe, ich bin genauso mitverantwortlich dafür. Ich möchte, dass wir nun gemeinsam aus dieser Situation etwas lernen und wieder mehr auf die richtige Linie kommen.“
Leif war sprachlos. Ich war auch nicht gerade begeistert. Es war mir wirklich schwer gefallen, so deutliche Worte zu finden. Mir war bewusst, ich hatte ihn überfordert. Also trug ich genauso Verantwortung an der Lage, wie er.
„Ich mache dir jetzt einen Vorschlag, du hängst dich ab sofort wieder in deine Schulaufgaben rein und hörst auf, dich heimlich mit Stefanie im Internat zu treffen. Ich werde mit dir gemeinsam klarere Abläufe festlegen. Du kannst dich mit Stefanie weiterhin so oft treffen, wie ihr wollt, wenn denn die Schule vorher erledigt ist. Ich möchte in nächster Zeit von dir regelmäßig einen Bericht, was ihr in der Schule macht und was ihr für Aufgaben habt. Wenn das dann wieder richtig gut läuft, kannst du wieder alles selbst entscheiden, aber so lange möchte ich von dir mehr Informationen haben, was du vorhast. Was meinst du?“
Er schwieg für einige Momente. Ich konnte sehen, dass er jetzt sehr verunsichert und auch traurig war. Er hatte sichtlich mit seiner Fassung zu kämpfen. Aber er riss sich zusammen.
„Ich wollte dich nicht enttäuschen. Ich habe einfach nicht gewusst, wie ich mich verhalten sollte. Stefanie wollte oft, dass ich sie besuche. Ich habe wohl zu wenig für die Schule getan, aber ich wollte mit ihr zusammen sein. Ich habe das nicht gewollt.“
„Kleiner, ich bin dir doch gar nicht böse. Ich habe dir eben doch auch gesagt, dass ich genauso dafür die Verantwortung mittrage wie du. Also lass uns das gemeinsam anpacken und dann wird das auch wieder alles richtig laufen. Du tust deinen Teil dazu und ich helfe dir dabei, das umzusetzen. Zeige Dr. Steyrer, dass du begriffen hast, um was es hier geht. Bring dich wieder mehr für die Allgemeinheit ein. Deine Liebe zu Stefanie wird nicht zu kurz kommen, das verspreche ich dir, wenn du jetzt wieder Gas gibst und mit mir redest, wenn du mit irgendwas nicht klarkommst. Versprichst du mir das?“
„Ja Papa, ich habe es glaube ich verstanden. Ich werde dich häufiger fragen. Ich habe gedacht, du erwartest von mir, dass ich das alles allein schaffe.“
„Dann hast du mich falsch verstanden und ich habe es nicht gemerkt. Also wir machen hier einen Punkt und wir werden das in Zukunft wieder anders machen. Du kannst mich immer fragen. Egal, um was es geht und egal, was ich gerade tue. Ich bin dein Vater und für dich da, wenn du mich brauchst. Ist das klar?“
Ich konnte nun sehen, dass er erleichtert war und ich ging auf ihn zu und wir umarmten uns. Damit war das für mich erledigt.
„Ach ja, ich möchte, dass du Stefanie zu uns zum Essen einlädst. Ich würde sie gerne näher kennenlernen und mit ihr diese Sache auch besprechen. Sie muss keine Angst haben, das Gespräch wird anders ablaufen, als unseres jetzt.“
„Meinst du das ernst? Du willst sie dennoch jetzt schon kennenlernen?“
„Klar, ich will doch, dass du glücklich bist. Mensch Leif, ich war auch mal jung und ich weiß, was gerade bei dir los ist. Ich habe den Fehler gemacht, zu lange nur zuzusehen und nicht einzugreifen. Es ist nicht allein deine Verantwortung. Also sieh zu, dass du sie baldmöglichst hierher einlädst. Dann regeln wir das hier gemeinsam. So und jetzt verschwinde, wenn du möchtest. Stefanie wird vermutlich schon auf deinen Anruf warten.“
Jetzt mussten wir beide lachen. Mir war nämlich nicht entgangen, dass Leif abends noch spät mit ihr telefonierte. Ich wollte, dass diese Heimlichkeiten aufhörten. Es gab keinen Grund dafür, das heimlich zu tun. Leif ging nun fröhlich in sein Zimmer und ich wieder ins Wohnzimmer.
Der Abend verlief dann sehr ruhig und ohne weitere erwähnenswerte Ereignisse. Am nächsten Morgen hatten wir ein recht ruhiges Frühstück. Ich hatte mit meinen Jungs den Tagesplan besprochen und das bedeutete, ich hatte einen freien Tag bis zum Abend. Meine Jungs würden alle erst abends wieder daheim sein. Ich konnte also endlich meine Cobra zum Lackierer bringen und ich wollte unbedingt Sabine anrufen. Ich musste endlich mein Versprechen einlösen, bei ihr zum Kaffee zu erscheinen.
Also zuerst den Lackierer angerufen und vereinbart, die Cobra gegen halb elf zu bringen. Ich hatte nämlich die Idee, im Anschluss bei Sabine auf einen Kaffee vorbei zu gehen. Denn die Lackiererei lag nur zehn Minuten zu Fuß von ihr entfernt. Ich nahm also erneut mein Telefon und wählte Sabines Nummer.
„Mäergener“, meldete sie sich.
„Guten Morgen, Marc hier.“
„Hallo Marc, das ich das noch erleben darf. Wie geht es euch?“
„Danke soweit gut. Ein bisschen Unruhe wegen Leif und auch Benny ist nicht so ganz ohne.“
„Oh, was ist mit Leif? Hat er was angestellt?“
„Nein, passt schon. Aber was anderes. Ich könnte dir das in Ruhe bei einer Tasse Kaffee erzählen. Ich muss um halb elf mit einem meiner Oldtimer zum Lackierer. Auf dem Rückweg könnte ich bei dir endlich mal vorbei kommen. Ist mir schon fast peinlich, dass ich das noch nicht gemacht habe.“
„Sag mal, ist heute irgendwas Besonderes? Habe ich etwas verpasst?“
Dabei musste sie laut lachen. Ich fühlte mich wirklich unwohl. Das passierte mir nicht oft, aber mir war das echt unangenehm. Sonst legte ich immer sehr viel Wert auf die Einhaltung von Absprachen.
„Nein, oder doch. Ich habe wirklich mal einen Tag bis zum Abend keine Termine oder andere Verpflichtungen für meine Jungs.“
„Das sollten wir dann aber mal ausnutzen. Komm doch einfach auf dem Rückweg rum.“
„So war mein Plan. Also passt es bei dir?“
„Gerne. Also bis nachher dann. Ich freue mich wirklich.“
Ich beendete das Gespräch und mich überkam ein komisches Gefühl. Ich hatte schon ganz lange kein solches Gefühl mehr. Ich hatte großen Respekt vor ihr. Wie sie die Krankheit Luciens allein bewältigt hatte, das war schon beeindruckend. Sie hatte sich nicht unterkriegen lassen. Außerdem hatte sie ein unglaublich positives Denken, sie hatte niemals an der Genesung von Lucien gezweifelt. Zumindest nach außen hin. Das war für ihren Sohn sicher ein außerordentlich großer Ansporn und Rückhalt.
Ich ging nun in die Garage hinunter und bereitete alles vor für die Fahrt zum Lackierer. Ich baute die Blinker und Bremslichter provisorisch wieder ein und dann startete ich den Motor. Das hieß, ich wollte den Motor starten, denn als ich den Starterknopf drückte, passierte nicht viel. Es machte nur 'Klack' und das wars. Ich dachte, das kann doch nicht wahr sein. Gestern war sie noch ohne Probleme angesprungen. Also Messgerät an die Batterie und siehe da, nur noch 10,5 Volt Spannung. Also neue Batterie rein und dann neuer Versuch. Sofort erwachte der Achtzylinder mit einem Grollen zum Leben. Erneut das Messgerät genommen und siehe da, 13,8 Volt zeigte es an. Die Lichtmaschine lud also auch. Warum nun die Batterie keinen Saft mehr hatte, keinen Plan. Vermutlich hatte ich irgendeinen Verbraucher angelassen. Egal, ich setzte mich nun hinter das Steuer und fuhr das Biest aus der Garage. Noch sah sie recht hässlich aus. Aber ich hatte mich für eine klassische Lackierung entschieden. Ein tiefes Dunkelblau mit den typischen zwei weißen Streifen für eine Shelby Cobra. Ich hatte auch vor, mit diesem Monster an Oldtimer Rennen oder ähnlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Deshalb hatte ich als einziges nicht original Teil zwei moderne Schalensitze und die dazugehörigen Sicherheitsgurte eingebaut. Die originalen Sitze hatte ich natürlich auch noch. Aber an dieser Stelle wollte ich keine Kompromisse machen. Nachdem ich mir meine Jacke und die Papiere aus dem Haus geholt hatte, fuhr ich gut gelaunt vom Hof.
Nach wenigen Minuten hatte ich den Lackierer erreicht und mit dem Chef dort alles Notwendige besprochen. Ich sollte am kommenden Montag das Auto abholen können. Ich ließ also alle notwendigen Unterlagen dort und verließ das Gelände zu Fuß.
Komischerweise spürte ich so etwas wie Anspannung. Ich war wirklich irritiert. Ich wollte doch nur mit Sabine einen Kaffee trinken und mich mit ihr ein wenig, ungestört von unseren Kids, unterhalten. Seltsam! Je näher ich dem Haus kam, desto unruhiger wurde ich. Was sollte das? Ich war komplett konsterniert. Ich hatte so ein Gefühl seit Ewigkeiten nicht mehr. Ich versuchte, mich zu beruhigen und auf andere Gedanken zu kommen. Als ich dann vor dem Haus stand, hatte ich mich auch wieder soweit beruhigt, dass ich sicher war, jetzt auch zu klingeln. Ich kam mir richtig albern vor. Was das wohl zu bedeuten hatte?
Ich klingelte, wenige Augenblicke später stand Sabine vor mir und wir begrüßten uns sehr herzlich wie immer. Wir gingen hinein und sie fragte mich, ob ich etwas dagegen hätte, wenn wir in den Garten gehen würden.
„Nein, wirklich eine gute Idee. Das Wetter ist doch schön.“
Sie bat mich, schon einmal in den Garten zu gehen. Sie wollte nur das Tablett holen mit den Sachen. Ich schaute mich ein wenig im Garten um, wirklich ein sehr schöner Garten. Deutlich kleiner als der von Tims Eltern und meiner, aber sehr schön gepflegt. Ich konnte deutlich erkennen, dass sie Spaß an der Gartenarbeit hatte. Ich stand also vor einem großen, toll blühenden Strauch. Der duftete wirklich großartig. Sabine kam zu mir und fragte:
„Weißt du, warum ich diesen Strauch so liebe? Für Lucien ist dieser Strauch sehr wichtig. Er liebt diesen Duft. Ich habe ihm damals jedes Mal eine Blüte davon ins Krankenhaus bringen müssen. Er sagt heute, das hätte ihm geholfen, wieder gesund zu werden.“
Ich spürte eine enorme Emotionalität in diesen Worten. Ich war mir sicher, jetzt wäre jedes Wort fehl am Platz gewesen. Wir standen einen Moment wortlos vor diesem Strauch. Dann sagte sie:
„Komm, lass uns an den Tisch setzen. Ich habe uns ein bisschen Kuchen zum Kaffee besorgt.“
Ich musste wohl einen Moment noch sehr gedankenversunken gewesen sein, denn sie fragte plötzlich:
„Marc, woran denkst du gerade? Ist alles in Ordnung bei dir?“
„Oh, ja natürlich. Ich habe nur gedacht, wie das damals wohl war, als Lucien im Krankenhaus lag. Ich möchte das niemandem wünschen. Ich weiß nicht, wie würde ich damit umgehen, wenn einer meiner Jungs so schwer krank würde. Ich glaube, das kann sich keiner vorstellen, der es nicht erlebt hat. Weißt du, ich bewundere Lucien für seine Lebensfreude. Er will immer nur wieder besser werden und nur ganz selten ist er traurig. Ein toller Junge. Ich mag ihn sehr.“
„Ja, das war schon eine schlimme Zeit. Aber wir haben es gemeinsam geschafft. Und eines musst du wissen. Du musst für ihn etwas Besonderes sein. Als sein Vater damals starb, hatte er sich nie wieder einem Mann angenähert. Er wollte das nicht, vielleicht konnte er auch nicht. Heute weiß ich, dass ich zu viel von ihm erwartet hatte. Ich habe irgendwann versucht, wieder jemanden kennenzulernen, aber Lucien lehnte jeden ab. Er wollte niemanden an sich heranlassen. Ich habe es irgendwann aufgegeben. Als er dich damals beim Fleischer traf, war das eine völlig neue Situation. Er hat tagelang nur von dir gesprochen. Ich war sehr verwundert, zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich damals gar nicht wusste, wer du eigentlich bist. Als Lucien mir dann von dir erzählt hatte, konnte ich verstehen, warum er von dir so begeistert war. Du warst sein Idol. Und dann stehst du einfach mal so neben ihm und kaufst ein.“
Wir mussten beide lachen.
„Du hast dich immer um Lucien gekümmert. Obwohl du genug eigene Baustellen hattest. Du kannst dir nicht vorstellen, wie Lucien aufgeblüht ist, als er merkte, dass du völlig normal bist und für deine Kinder so viel tust. Als dann in Le Mans dein Unfall passierte, war er tagelang nicht ansprechbar. Er hatte Angst, er würde wieder jemanden verlieren, den er sehr mochte. Ich glaube, Lucien sieht in dir seinen Vater. Du bist ihm in manchen Dingen sehr ähnlich. Auch jetzt, als Leif ihn nach dem letzten Training nach Hause brachte, war er total erschöpft, dennoch hat er gestrahlt und nur von dir erzählt. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie schön das für mich ist, ihn wieder häufiger lachen zu sehen.“
Ich war beeindruckt, aber ich konnte ungefähr erahnen, was Lucien erlebte:
„Doch Sabine, ich glaube, ich kann das. Weißt du, als ich Lukas kennenlernte und erfuhr, was er alles erlebt hatte, da wurde ich mir meiner glücklichen Lage erst so wirklich bewusst. Ich spürte sehr schnell, Lukas war für meinen Mick etwas Besonderes und ich spürte, wie sehr sich die beiden nahe standen. Als ich dann mehr von Lukas erfuhr und seine ganze Geschichte wusste, war mir sehr schnell klar, dass ich ihn adoptieren wollte. Er sollte wieder eine Familie haben. Das ist für Kinder das wichtigste überhaupt. Ich glaube dir sofort, dass du alles für Lucien tust. Ich habe es auch bemerkt, Lucien freut sich sehr, wenn er bei uns ist und ich Zeit für ihn habe. Und jetzt habe ich ja wieder Zeit und kann mich mehr um solche Dinge kümmern. Nicht, dass du das falsch verstehst, ich mag ihn wirklich. Und ich tue es gerne. Und jetzt möchte ich dir auch mal etwas sagen. Ich muss mich entschuldigen. Ich habe es einfach nicht geschafft, hierher zu kommen. Ich weiß auch nicht warum, aber ich habe mich nicht getraut. Auch, weil ich Lucien nicht in Verlegenheit bringen will. Ich habe einfach Schiss gehabt.“
Jetzt schaute mich Sabine lächelnd an und das, was jetzt kam, überraschte mich wirklich.
„Ich weiß Marc. Es war offensichtlich, wie du mit Lucien umgegangen bist. Er hatte sich zum ersten Mal auf einen Mann eingelassen und dich an sich herangelassen und ich war auch sehr überrascht. Ich hatte Sorge, er würde das nur tun, weil du berühmt bist. Erst als ich ihn erzählen hörte, wie du mit deinen Kindern umgehst, wurde mir bewusst, du bist etwas Besonderes für ihn. Einmal kam er aus der Schule und hat mir gesagt, du würdest ihn an seinen Papa erinnern. Da bin ich in Tränen ausgebrochen, weil ich nicht wusste, was ich jetzt machen sollte. Du würdest nie für ihn den Vater ersetzen können, aber ich will ihm diesen Traum auch nicht kaputtmachen. Wenn du sehen könntest, wie seine Augen leuchten, wenn er von dir und deinen Jungs erzählt. Ich bin zurzeit einfach nur glücklich, dass es ihm so gut geht.“
Ich war schwer beeindruckt und auch emotional berührt. Ich hatte schon gespürt, dass Lucien mich besonders mochte, aber das war jetzt doch eine andere Hausnummer. Ich musste erst mal Luft holen.
„Weißt du, ich mag Lucien auch sehr. Es hat mich sehr berührt, was er mir erzählt hat. Außerdem ist er ein toller Junge, der niemals aufgegeben hat. Das beeindruckt nicht nur mich, auch meine Söhne sind von ihm sehr beeindruckt. Insbesondere Leif mag ihn sehr. Auch Nico und Tommy mögen ihn gern. Sie freuen sich jedes Mal, wenn Lucien zu Besuch kommt. Auch, dass er wieder in die alte Klasse geht, ist toll. Ich finde, ihr habt das einfach verdient, endlich wieder positiv nach vorne schauen zu können.“
Ich sah nun im Gesicht von Sabine Erleichterung, aber auch viel Schmerz der Vergangenheit. Sie kämpfte mit ihren Gefühlen. Ich ging auf sie zu und wir umarmten uns. Es war mir einfach danach und es fühlte sich richtig an. Nach einigen Sekunden lösten wir uns und sie meinte, es wäre schade um den schönen Kuchen, wenn wir den jetzt nicht essen würden. Dabei mussten wir beide lachen. Wir unterhielten uns wirklich sehr angeregt und locker. Wir sprachen über meine Jungs und über Lucien und alles Mögliche. Plötzlich fragte sie mich:
„Was machst du jetzt eigentlich für dich, du hast doch jetzt viel mehr Zeit und irgendetwas musst du auch mal für dich machen. Nicht immer für deine Kinder oder die Kinder anderer Leute.“
Sie strahlte mich an, dennoch spürte ich den Ernst der Frage.
„Ich habe endlich wieder Zeit, an alten Autos zu schrauben, manchmal male ich sogar wieder etwas. Ich habe begonnen, wieder häufiger mit dem Mountainbike zu fahren und ich habe ein großes Ziel. Ich möchte einmal mit meinen Jungs gemeinsam ein Rennen fahren.“
Sie stöhnte auf, als sie das Letzte vernahm, aber sie musste auch lachen.
„Dieser Rennbazillus muss sehr hartnäckig sein. Hast du dann keine Angst um deine Kinder?“
„Nein, ich bin mir sehr sicher. Keiner der Jungs würde leichtsinnigerweise eine Aktion machen. Sie sind sehr vorsichtig. Ich glaube, ich habe eher Angst, dass ich es übertreibe. Sie haben mir schon häufiger gesagt, dass sie in Le Mans Todesängste hatten. Das tut mir heute noch weh.“
„War dieser Unfall wirklich der Auslöser für deinen Rücktritt? Du hattest doch auch schon früher Unfälle. In der Formel1 in Silverstone zum Beispiel oder in Spa. Warum dann jetzt der Rücktritt? Ich meine, ich freue mich sehr, dass du aufgehört hast, aber ich mache mir Gedanken.“
Ich war sehr verwirrt. Warum schnitt sie dieses Thema jetzt an. Ich wollte ihr gegenüber aber ehrlich sein.
„Also der einzige Grund war der Brief, den mir Lukas ins Krankenhaus geschickt hatte. Er hatte mir alle seine Ängste und seine Wut beschrieben. Wie ich nur so rücksichtslos sein könnte. Er hatte schließlich schon einmal seine Familie durch einen Unfall verloren. Er hat mir schonungslos beschrieben, was bei ihm jetzt vorging. Das hatte mich wachgerüttelt. Ich wusste ja, von meinen Jungs würde mir niemals jemand das Rennfahren verbieten. Aber Leif hatte auch immer wieder Angst. Also habe ich es als Wink des Schicksals genommen und sofort aufgehört. Dazu muss ich sagen, in der Zeit war mir erst bewusst geworden, wie sehr mir die Kinder gefehlt haben. Heute denke ich sogar, es war ein Fehler, damals nach meiner Pause ein Comeback zu machen. Es war extrem egoistisch, ich habe niemals an meine Kinder gedacht. Sie haben mir damals sogar gesagt, sie würden sich freuen, wenn ich wieder fahren würde und damit glücklich sei. Stell dir das bitte mal vor, ich habe das sogar geglaubt. Verrückt, oder?“
„Nein überhaupt nicht verrückt. Ich denke, es war für dich die einfachste Lösung. Du hast ja heute verstanden, was dir wirklich wichtig ist. Und damals war es das Fahren, heute sind es deine Kinder. Wir werden älter und du hast jahrelang Erfolge am Fließband gehabt. Du bist sicher nicht umsonst einer der erfolgreichsten Rennfahrer aller Zeiten, vor allem aber bist du noch lebendig und gesund. Das können nicht viele von den erfolgreichen Piloten behaupten.“
Wir wurden beide für einen Moment sehr nachdenklich. Dann stellte sie eine weitere überraschende Frage:
„Du sagtest, du möchtest einmal mit deinen Söhnen ein Rennen fahren, hast du eine bestimmte Vorstellung, welches Rennen das sein würde?“
„Ja, absolut. Mein Traum ist es, beim 24h-Rennen auf der Nordschleife mit meinen Jungs zu fahren. Nicht, um zu gewinnen, sondern um dabei gewesen zu sein. Davon habe ich als Kind schon geträumt. Le Mans habe ich mir erfüllt, Spa bin ich sowohl in der Formel 1 als auch das 24h-Rennen gefahren. Es fehlt noch dieses eine Rennen.“
„Du wirst es dir erfüllen. Ich weiß das. Du wirst das eines Tages machen. Und ich glaube, es wird richtig sein. Du brauchst das, um glücklich zu sein. Früher wärest du nur gefahren, um zu gewinnen, heute glaube ich dir, wenn du sagst, du fährst nicht mit, um zu gewinnen, sondern weil es dir etwas bedeutet, dort mit deinen Jungs zu fahren. Lucien hat mir ein paar Mal versucht, das zu erklären. Ich habe es nie wirklich begriffen. Aber eben, als du es mir geschildert hast, habe ich es fühlen können. Das ist es, was es für dich bedeutet.“
Ich musste zugeben, dieses Gespräch war eines der schönsten und wichtigsten Gespräche in meinem Leben in der letzten Zeit. Ich war schwer beeindruckt. Ich konnte dazu nur noch einen Satz sagen:
„Danke, ich glaube, du hast Recht. Ich habe nur noch nie jemanden kennengelernt, der das so auf den Punkt bringt. Ich werde es mir zu Herzen nehmen und bin sehr dankbar, dass du so offen zu mir bist.“
Damit war dieses Thema beendet. Sabine hatte ein tolles Gespür für die Situation, denn sie fragte mich dann:
„Was hältst du davon, Lucien abzuholen, er war bei der Physiotherapie. Dann ist er immer sehr erschöpft. Er will das zwar immer nicht, aber ich glaube, es ist noch zu früh für ihn, danach noch herzulaufen vom Bus.“
„Hat er heute keine Schule?“
„Doch, aber diese Physiotherapie ist sehr wichtig für ihn. Deshalb ist er heute früher beurlaubt vom Unterricht, weil ich dort nicht immer die passenden Termine bekomme.“
„Ich verstehe, aber ich habe kein Auto dabei. Da müsstest du bitte fahren.“
„Klar, kein Problem, ich kann dich auch nachher nach Hause bringen. Das ist doch überhaupt kein Problem.“
Wir räumten noch die Sachen in die Küche und in die Spülmaschine und verließen das Haus, um gemeinsam Lucien abzuholen.
„Sag mal, was hast du denn mit Leif für Stress zurzeit?“
„Naja, er vernachlässigt ein wenig die Schule, er ist auch im Internat aufgefallen, weil er dort einige Regeln nicht so ernst genommen hat.“
„Hat er mit irgendwas Probleme?“
„Ja, mit mir. Ich habe ihm wohl zu viel Verantwortung übertragen. Außerdem ist er verliebt in ein Mädchen aus seiner Klasse.“ Sabine musste daraufhin grinsen.
„Ach ne, ausnahmsweise mal ein Junge, der auf Mädels steht. Ist ja ganz was Neues.“
„Wenn du wüsstest, was das für ein Thema schon war. Leif hat sich ernsthaft Gedanken gemacht, ob wir damit klarkommen würden, wenn er eine Freundin hätte und keinen Freund. Deshalb hat er das auch so lange vor mir verheimlicht.“
„Oha, und konntest du das mittlerweile mit ihm klären?“
„Ich hoffe es, gestern Abend haben wir ein klärendes Gespräch gehabt. Ich hoffe, ich habe nicht zu lange damit gewartet. Ich habe ihm jetzt gesagt, dass ich sie näher kennenlernen möchte und er sie zu uns zum Essen einladen soll.“
„Das ist ja schön, ich freu mich für deinen Jüngsten. Ich bin mal gespannt, wie lange das wohl noch bei meinem dauern wird bis das ein Thema wird.“
Wir mussten nun beide lächeln. Ich hatte einfach das Gefühl, wir würden uns bereits seit langer Zeit kennen. Ich konnte so offen mit ihr reden. Das war einfach schön und entspannend.
„Ich glaube, er braucht noch etwas Zeit. Ich habe ihn ja beim Training gesehen, also körperlich ist er noch nicht soweit, er hat noch einen recht kindlichen Körper. Ich hoffe nur, er redet dann rechtzeitig mit dir, wenn er damit Probleme haben sollte.“
„Das glaube ich nicht. Ich denke, er würde alles versuchen, um nicht mit mir zuerst darüber reden zu müssen. Du wärst eher derjenige, zu dem er gehen würde. Glaub mir, er wird zu dir kommen. Ich finde das auch überhaupt nicht schlimm. Im Gegenteil, ich weiß ja, wie gut er bei dir aufgehoben wäre.“
Aber nun fühlte ich mich doch ein wenig unwohl über so einen Vertrauensbeweis.
Mittlerweile standen wir vor der Praxis der Physiotherapeutin. Sabine fragte mich dann:
„Willst du vielleicht reingehen und ihn abholen? Er wird sich bestimmt freuen, wenn er dich hier sieht. Ich bleibe hier im Auto sitzen und warte auf euch.“
„Meinst du wirklich? Denkt er dann nicht, du würdest ihn nicht abholen wollen?“
„Nein, er weiß, wie sehr ich ihn liebe. Aber ich weiß auch, wie sehr er dich verehrt. Also geh. Das passt schon.“
Ich stieg aus und ging in die Praxis. Lucien schien noch nicht fertig zu sein. Ich konnte ihn jedenfalls nicht sehen. Am Empfang wurde ich freundlich angesprochen, ob man mir helfen könnte. Ich fragte nach Lucien und erntete komische Blicke. Man wollte wissen, was ich mit der Familie Maergener zu tun hätte und ob seine Mutter Bescheid wüsste. Ich wollte gerade erklären, dass sie draußen im Auto warten würde, als die Tür aus der Praxis aufging und Lucien zu uns kam.
„Marc, was machst du denn hier?“, rief ein sichtlich erfreuter Junge in den Raum. Alle Augen waren nun auf uns gerichtet. Lucien kam auf mich zugelaufen und umarmte mich vor Freude.
„Hallo Lucien, deine Mutter meinte, du würdest dich freuen, wenn ich dich abholen komme. Ich glaube, sie hatte Recht, oder?“
„Au ja, das stimmt. Mann, wie geil ist das denn. Hast du noch etwas Zeit oder musst du gleich wieder nach Hause?“
Ich wusste gar nicht, wie mir geschah. So gelöst und aufgedreht hatte ich ihn schon lange nicht mehr erlebt.
„Komm, wir gehen erst mal zum Auto. Dann sehen wir, was wir noch so machen. Deine Mutter wartet da nämlich.“
Wir verabschiedeten uns und man wünschte uns noch einen schönen Tag. Dann verließ ich mit einem sichtlich bestens gelaunten Lucien die Praxis. Als er draußen seine Mutter im Auto sah, wollte er sofort zu ihr laufen. Im letzten Moment konnte ich ihn noch greifen und dadurch verhindern, dass er über die Straße lief. Dabei hatte ich leider recht heftig zugegriffen und auch laut „halt“ gerufen. Lucien hatte sich erschrocken und sah mich mit großen und angsterfüllten Augen an. Sabine saß regungslos im Auto und erst, als sie realisiert hatte, was eigentlich genau passiert war, stieg sie aus und kam aufgeregt und schimpfend auf ihren eh schon verängstigten Sohn zu.
„Mensch Junge, da ist eine Straße. Du kannst doch nicht einfach so loslaufen.“
Ich sagte das zu ihm in sehr ruhigem Ton, auch wenn es mir schwer fiel, denn ich war mindestens ebenso aufgeregt, wie er oder seine Mutter. Als Lucien realisierte, was hier beinahe passiert wäre, fing er an zu zittern und weinte. Jetzt brach seine Angst hervor und ich nahm ihn ruhig und vorsichtig in den Arm. Sabine wäre am liebsten auf ihn losgestürmt und hätte auf ihn eingeredet.
Ich gab ihr zu verstehen, sie möge sich einfach wieder ins Auto setzen und wir kamen wortlos hinterher. Ich setzte mich mit Lucien nach hinten. Er schwieg. Ich ließ ihn sich erst mal beruhigen. Dabei nahm ich seine Hand und zeigte ihm so, dass ich nicht sauer auf ihn war. Sabine hielt es allerdings nicht lange aus zu schweigen. Sie überhäufte ihren Sohn mit Vorwürfen und Horrorgeschichten, was alles hätte passieren können. Dann platzte mir der Kragen:
„Lass es jetzt gut sein. Dein Sohn sitzt doch völlig gesund neben mir und ich habe aufgepasst. Lucien hat sich mindestens genauso erschrocken wie wir. Also hör jetzt auf, ihn fertigzumachen.“
Sabine schaute mich entgeistert an und wollte noch etwas sagen, aber ich ließ das nicht weiter zu. Lucien beruhigte sich nun auch und nach wenigen Minuten waren wir wieder zu Hause angekommen. Sabine ging ein bisschen beleidigt voraus und wir kamen hinterher. Ich wollte mich jetzt nicht weiter einmischen und gehen. Allerdings hatte ich diese Rechnung ohne Lucien gemacht.
„Marc, bitte geh noch nicht. Ich … ich habe mich doch noch gar nicht bedankt.“
Dabei sah er mich aus seinen ängstlichen und traurigen Augen an.
„Wofür musst du dich denn bedanken? Es ist doch gar nichts passiert“, antwortete ich lächelnd. Sabine hatte diesen Spruch von mir gehört und wollte gerade loslegen, als ich noch hinterher schob:
„Außer, dass deine Mutter meint, die Welt wäre untergegangen.“
Das führte dazu, dass Sabine und ich laut loslachten und uns gar nicht mehr einkriegten. Lucien sah uns völlig konsterniert an und dann lachte er mit uns mit. Bald schien sich Sabine zu beruhigen und sagte:
„Ach Marc, du hast echt eine unfassbare Art, damit umzugehen. Erst rettest du meinem Sohn vermutlich das Leben und dann bleibst du so gelassen dabei. Was soll ich da jetzt noch machen?“
„Vielleicht einfach deinen Sohn in die Arme nehmen und dich freuen, dass er noch ganz ist.“
Damit war das Thema auch erledigt. Lucien kam zu mir, umarmte mich noch einmal und ich gab ihm zu verstehen, dass alles in Ordnung ist. Wir saßen dann noch einen Moment im Garten, und als wir uns alle wieder beruhigt hatten, fragte Lucien mich:
„Marc, ich habe da eine Frage zu Mathe. Kannst du mir das vielleicht erklären?“
„Ich kann es zumindest versuchen. Was für ein Problem hast du denn?“
„Ich verstehe diese blöden binomischen Formeln nicht. Ich komme immer mit den Vorzeichen durcheinander.“
Ich ging also mit ihm in sein Zimmer und dort erklärte ich ihm auf meine Art dieses Thema und siehe da, alles war plötzlich ganz einfach. Er freute sich wie ein Schneekönig und lief gleich zu seiner Mutter, um ihr von dem Ergebnis zu berichten. Ich folgte ihm etwas gemächlicher hinunter. Als ich in den Garten kam, sah ich eine staunende Sabine mit ihrem Sohn im Arm.
„Also, so gefällt mir das schon viel besser“, meinte ich dann noch und damit war die Stimmung wieder völlig entspannt. Lucien wollte noch den Rest Hausaufgaben machen und verabschiedete sich von mir. Allerdings nicht ohne mir mit auf den Weg zu geben:
„Danke Marc, kommst du bald wieder zu uns? Ich finde dich cool.“
Dabei umarmte er mich noch einmal freudestrahlend und ging dann hoch in sein Zimmer. Sabine und ich schauten uns an und sie lachte.
„Jetzt hast du aber was angerichtet. So schnell wirst du den nicht mehr los.“
„Ach, wenn alle Kids so wären, hätte ich damit auch gar kein Problem. Ich mag ihn ja auch so wie er ist.“
Wir setzten uns noch einen Moment in den Garten und redeten über alles Mögliche. Irgendwann sah ich auf die Uhr und staunte nicht schlecht. Es war bereits 16 Uhr. Irgendwie hatte ich nun doch ein wenig Hunger bekommen, auch wenn der Kuchen sehr lecker war.
„Sag mal, wie sieht das eigentlich bei dir mit Essen aus? Wir haben doch unser Mittagessen ausgelassen. Ich hätte wohl ein wenig Hunger.“
„Hmm, ich muss erst die Hausaufgaben vom Kleinen kontrollieren. Sonst geht das in die Hose. Ohne Kontrolle geht zurzeit nichts bei Lucien. Jedenfalls was Schulsachen betrifft.“
Ich musste schmunzeln. Irgendwie kam mir das gerade sehr bekannt vor.
„Ja, das Thema habe ich auch gerade bei Leif. Wie wäre es denn, wenn du mich schnell nach Hause bringst und du anschließend mit Lucien die Schule abarbeitest. Ich komme dann in einer Stunde bei euch vorbei und wir gehen gemeinsam essen. Ich schaue bei mir, wer von meinen Jungs schon da ist und mitkommen möchte und dann machen wir uns zusammen einen netten Abend.“
Sabine sah mich etwas überrascht an, aber fand diese Idee recht gut. Also fuhr sie mich nach Hause und ich wollte mich mal unter die Dusche werfen. Von meinen Jungs war noch niemand wieder zu Hause. Ich war gerade dabei mir die Haare zu föhnen, als sich mein Handy in der Hemdtasche meldete – Leif.
„Hallo Leif, was gibt’s denn?“
„Hi Papa, ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich mit Nico und seinen Eltern ins Krankenhaus fahre Tommy besuchen. Ich komme also erst später nach Hause.“
„Oh, das finde ich eine gute Idee. Bestell bitte schöne Grüße von mir an alle. Viel Spaß dann. Ich bin gleich mit Sabine und Lucien noch etwas unterwegs.“
„Alles klar, wann kommst du zurück? Ich werde spätestens um neun zu Hause sein.“
„Dann bin ich schon lange wieder zurück. Morgen ist ja Schule für Lucien.“
„Ok, dann bis nachher.“
Ich schaute auf die Uhr. Mick und Benny würden auf jeden Fall noch etwas unterwegs sein. Aber Lukas müsste eigentlich gleich nach Hause kommen. Ich wollte das auf jeden Fall abwarten, ob er mitkommen wollte.
Dann klingelte unser Telefon zu Hause. Ich meldete mich: „Steevens“
„Hallo Marc, hier ist Tim. Wie geht’s euch denn so?“
„Hallo Tim, schön das du mal anrufst. Bei dir alles in Ordnung? Hast du viel mit Lernen um die Ohren?“
„Ja im Moment ist Klausurphase. Da ist schon viel zu tun. Deshalb rufe ich auch an. Papa hat für dich eine Werkstatt gefunden und ich wollte fragen, was macht ihr am Samstagabend nächster Woche? Wir wollten euch einladen zum Grillen. Manuel ist am Wochenende auch da und das wäre doch eine schöne Gelegenheit.“
„Also bei mir liegt nichts Besonderes an. Ich frage meine Jungs, aber ich denke, die werden sich auch freuen, Manuel mal wieder zu treffen. Wann hast du denn so gedacht, dass wir kommen sollen?“
„Ja, wir meinten, so ab halb sechs am Samstag?“
„Das halten wir mal so fest. Wäre es ok, wenn wir Benny auch mitbringen?“
„Natürlich. Ich habe ihn ja schon kennengelernt. Ach ja, Nico möchte Lucien auch einladen, weißt du, wie es ihm geht?“
„Soweit alles im grünen Bereich. Sollte eigentlich kein Problem sein. Ich fänds nur gut, wenn ihr vielleicht Sabine auch einladen würdet. Sie gehört ja im Prinzip mit zu unserer Clique.“
„Also, wenn Lucien fit ist, hätten wir das eh gemacht. Da hätten Mama und Papa schon für gesorgt.“ Dabei musste er lachen.
„Super, soll ich irgendwas mitbringen?“
„Nein danke, diesmal sollt ihr nur gute Laune mitbringen.“
„Ok, das bekomme ich hin.“
Dabei lachten wir beide und dann verabschiedeten wir uns. Ich legte für Benny und Mick eine Nachricht hin wegen Samstag und dann machte ich mich fertig, um zurück zu Sabine zu fahren. Ich wollte vorher aber schauen, ob Lukas schon zurück war. Ich ging also nach oben und klingelte bei den Jungs. Lukas öffnete mir und war sichtlich überrascht.
„Hallo Papa, was gibt’s denn? Ich bin gerade nach Hause gekommen. Komm doch herein.“
Ich ging mit ihm hinein und ich konnte sehen, dass er sein Fotoalbum auf dem Tisch liegen hatte. Das löste bei mir ein komisches Gefühl aus. Ich wusste, er schaute sich ab und zu mal die Bilder seiner alten Familie an. Leider meistens, wenn es ihm nicht so gut ging. Er bemerkte, dass ich das Album entdeckt hatte.
„Papa, hast du einen Moment? Ich glaube, wir sollten mal reden. Ich habe gerade ein kleines Problem.“
„Klar, wollen wir uns irgendwo setzen? Vielleicht nach draußen in den Garten?“
„Ja, das ist vielleicht nicht schlecht.“
„Dann komm.“
Wir gingen über die Außentreppe in den Garten nach unten. Wir setzten uns auf die Terrasse und dann begann Lukas zu erzählen. Er berichtete mir von den Erlebnissen in den letzten Tagen mit Benny und Mick. Er hatte das Gefühl, dass Mick derzeit sich sehr um Benny kümmern würde und sie nur noch wenig Zeit gemeinsam für sich hätten. Es war ihm sichtlich unangenehm, aber es war offensichtlich, er war eifersüchtig auf Benny. Ich konnte mir aber überhaupt nicht vorstellen, dass Mick irgendwelche Ambitionen hatte mit Benny. Ich wusste ja auch von der Sache mit Marcel. Dass Mick versuchen wollte, dass sich Benny mit Marcel anfreunden würde. Ich konnte aber verstehen, dass Lukas im Moment ein wenig zu kurz kam.
„Lukas, hast du mit Mick darüber schon einmal gesprochen? Ich glaube nämlich, dass er nur die Absicht hat, Benny zu helfen. Er hat dich dabei vielleicht ein wenig aus den Augen verloren. Aber bestimmt nicht, weil er sich zu Benny hingezogen fühlt, sondern weil er spürt, dass Benny Hilfe benötigt. Du solltest mit ihm reden. Ich verstehe dich. Auch weil du ja selber unter Verlustängsten zu leiden hast. Aber sag ihm offen, was du gerade empfindest und dass du dich ein wenig unwohl dabei fühlst.“
„Du glaubst also, meine Angst ist falsch und ich mache mir unnötig Sorgen?“
„Nein, deine Angst ist nicht falsch, aber ich glaube, du machst dir unnötig Sorgen. Rede über deine Angst mit Mick. Er muss die Chance haben, sich mit deiner Angst zu beschäftigen. Ihr seid Partner, da muss so etwas offen besprochen werden. Ich bin mir ganz sicher, Mick liebt dich immer noch genauso wie am ersten Tag. Er hat nur viel um die Ohren zurzeit. Sage es ihm, dass du dir mehr Zeit mit ihm wünschst. Tu uns aber bitte den Gefallen und sprich mit ihm alleine, also nicht, wenn Benny dabei ist.“
„Danke Papa, ich bin so froh, dass du für mich Zeit hast und mich nicht ausgelacht hast.“
„Sag mal, spinnst du? Du solltest mittlerweile wissen, dass ich dich niemals auslachen würde bei so einem Thema. Ich freue mich, dass du immer noch meine Meinung hören möchtest. Also, mach dir nicht zu viele negative Gedanken und klärt das gemeinsam. Sag mal, hast du Lust mit mir, Lucien und seiner Mutter zum Essen zu fahren?“
„Wann denn? Jetzt?“
„Ja, ich wollte eigentlich schon weg sein, aber das hier geht vor.“
„Wann kommt denn Mick nach Hause, weißt du, wie lange die lernen wollten?“
„Nein so genau weiß ich das nicht, aber das wird sicher noch ein Weilchen dauern.“
„Gut, dann komme ich mit. Lucien ist immer lustig drauf.“
„Dann komm mit. Wir sollten direkt los. Sonst ist Sabine sauer.“
„Hehe, du und mal unpünktlich. Kommt ja selten vor. Ich muss aber oben noch abschließen und dann können wir los.“
„Gut, wir treffen uns in der Garage. Ich sage Sabine grade Bescheid, dass wir unterwegs sind.“
Wenige Minuten später saß ich im Cadillac und wartete auf Lukas. Sabine hatte sich schon so etwas gedacht und hatte glücklicherweise Verständnis dafür. Draußen öffneten wir das Verdeck und nach wenigen Minuten waren wir bei Sabine und Lucien angekommen. Lucien stand natürlich schon vor dem Haus und wartete auf uns.
„Hallo Lukas, schön, dass du mitkommst. Cooles Auto. Ist das dein Auto?“
Dabei grinste er übers ganze Gesicht.
„Spinnst du? Das Auto ist ein Vermögen wert. Ich werde seine Oldtimer bestimmt niemals selbst fahren dürfen. Da ist Papa total eigen mit.“
Jetzt musste ich aber protestieren, obwohl, er hatte eigentlich Recht. Meine Oldtimer waren meine Babys. Da sollten die Jungs nicht mit rumexperimentieren. Ich stieg also mit einem leichten Grinsen aus und wollte Sabine holen. Lucien war natürlich schon ganz schnell eingestiegen und freute sich wie ein Schneekönig. Sabine kam mir schon entgegen und so waren wir recht zügig wieder unterwegs.
Mick: Nachmittags mit Benny und Marcel bei der Nachhilfe
Der Schultag verlief ohne besondere Vorkommnisse. Ich hatte mich mit Lukas in den Pausen ein wenig zurückgezogen. Irgendwie hatte ich das Bedürfnis, auch mal wieder ein paar Minuten nur mit ihm allein sein zu wollen. Es passierte nicht viel, wir schmusten ein wenig und redeten mal wieder allein. Das war schön. Ich hatte auch das Gefühl, dass Lukas sich mehr davon wünschte. Manchmal hatte ich das Gefühl, er war etwas distanzierter als sonst. Ich hoffte, er brütete nicht an irgendwelchen Problemen. Nach der letzten Unterrichtsstunde blieb ich noch einen kleinen Moment sitzen. Benny stand schon draußen vor der Klasse und unterhielt sich mit einigen aus unserer Klasse. Das war ein seltener Moment. Ich wollte das jetzt auf keinen Fall unterbrechen. Allerdings wollten wir uns auch pünktlich mit Marcel treffen. Lukas war schon auf dem Weg zum Training und wollte dann nach Hause fahren. Er war sichtlich enttäuscht, dass ich wieder nicht mit ihm kam. Aber was sollte ich denn machen? Ich musste das hier mit Marcel und Benny einfädeln. Wenn das klappen würde, hätte ich wieder mehr Zeit für meinen Schatz.
Ich stand auf und ging aus der Klasse. Benny stand schon, auf mich wartend, bereit. Er sah aber auch ein wenig angespannt aus.
„Meinst du, ich bekomme das mit Marcel hin?“, fragte er mich erneut.
„Klar, warum denn nicht? Du bist doch gut in Mathe und Marcel ist ein netter Junge. Das wird schon werden. Keine Bange. Mach dich nicht so verrückt.“
Wir gingen die Treppe hinunter und unten im Foyer wartete Marcel bereits auf uns. Er winkte uns von unten zu und zur Begrüßung gab es für uns alle eine Umarmung von ihm. Benny war sichtlich überrascht, aber es sah auch nicht so aus, als ob es ihm unangenehm wäre.
„So Marcel, das hier ist Benny. Er ist erst mal für ein paar Wochen hier zur Probe, aber ich hoffe, er bleibt uns erhalten. Er wird heute mit uns die Nachhilfe gemeinsam machen. Ich hoffe, ihr kommt gut miteinander klar. Denn ich habe so viel anderes zu tun im Moment, da wäre es mir sehr recht, wenn du mit Benny das in Zukunft allein machen würdest.“
Marcel sah etwas enttäuscht aus, aber er äußerte auch Verständnis für mich. Wir gingen, ein wenig über Belangloses redend, in die Bibliothek. Dort hatten wir unsere Ruhe zum Lernen.
Als wir drei am Tisch saßen und unsere Sachen ausgebreitet hatten, bat ich Marcel, uns seine Probleme zu erklären. Benny hörte sehr aufmerksam zu, und als Marcel fertig war, hatte er bereits eine Idee, wie wir das Thema angehen könnten. Er erklärte Marcel, was er als Erstes tun würde und dann ließ ich die beiden einfach mal machen. Ich freute mich, dass Benny wohl doch kein Problem mit Marcel hatte. Sie waren derart in die Materie vertieft, dass ich nach einer halben Stunde bereits mit meinen Schulsachen beschäftigt war. Benny hatte alles im Griff und ich bemerkte eigentlich gar nicht, dass nach einer gewissen Zeit sich die beiden schon über persönliche Dinge unterhielten. Ich sah von meinem Heft auf und plötzlich sah ich in das Grinsen von Marcel.
„Na Mick, bist du auch fleißig?“
„Ja bin ich, wieso habt ihr eigentlich Zeit für Albernheiten?“, meinte ich nicht so ganz ernst gemeint, allerdings wunderte ich mich schon ein wenig.
„Weil wir schon 90 Minuten gearbeitet und jetzt für heute genug haben. Marcel hat mich gefragt, wann wir den nächsten Termin machen.“
„Warum fragst du mich das, Benny? Ihr könnt doch einfach einen Termin machen. Ich muss ja scheinbar gar nicht weiter dabei sein.“
„Ich wollte das aber nicht so einfach ohne deine Erlaubnis machen. Du hast das ja schließlich begonnen.“
Benny war unsicher. Ich sah ihn an und dann sah ich in Marcels Augen, dass es ihm sehr gut gefallen hatte, mit Benny zu lernen. Deshalb sagte ich dann nur noch:
„Ach Benny. Marcel sieht nicht so aus, als ob ich das besser machen würde. Ich glaube, du bist schon der Richtige dafür. Macht ihr das unter euch aus. Ich bin dann jetzt erst mal weg.“
Damit nahm ich meine Sachen und ließ die beiden alleine zurück. Ich bat Benny lediglich, nicht zu spät nach Hause zu kommen und wenn es Probleme gäbe, sollte er mich anrufen. Ich glaubte, so etwas wie ein Funkeln in den Augen von Marcel gesehen zu haben. Mal sehen, was dabei wohl herauskommen würde. Ich hatte ein gutes Gefühl. Für Benny wäre es sicher sehr gut, hier einen Freund zu finden. Dann hätte er einen weiteren Grund, hier bleiben zu wollen. Ich wollte allerdings jetzt nur noch nach Hause, um eine heiße Dusche nehmen zu können und machte mich auf den direktesten Weg. Ich kam an unser Haus und war etwas erstaunt. Es schien so, als ob niemand daheim war. Selbst das Rad von Lukas stand nicht an dem üblichen Platz. Papa hatte ja gesagt, er hätte einiges vor heute. Ich ging durch Papas Wohnung nach oben. Papa war tatsächlich nicht zu Hause. Ich ging nach oben und auch hier niemand da. Eigentlich hätte mein Schatz zu Hause sein müssen. Mir war jedenfalls nichts anderes bekannt. Ich legte meinen Rucksack ins Arbeitszimmer und holte mir zuerst einmal frische Sachen aus meinem Schrank, legte diese aufs Bett und ging dann in die Küche, mir etwas zu trinken aus dem Kühlschrank zu nehmen. Dort fand ich dann eine Nachricht von Lukas.
Hallo Schatz,
ich wusste nicht, wann du zurückkommst. Ich bin mit Papa, Lucien und seiner Mutter zum Essen gefahren. Freue mich auf einen schönen Abend mit dir. Sind gegen acht zurück.
Lukas.
Ah ja, sehr schön. Jetzt wusste ich immerhin, dass ich bis dahin für mich etwas tun konnte. Ich beschloss, nicht erst zu duschen, sondern ich wollte erst eine Runde schwimmen gehen. Laufen ging noch nicht so gut wegen meiner Rippe. Ich packte meine Schwimmsachen und los gings.
Es war nicht sehr viel los und so konnte ich in Ruhe ein paar Bahnen schwimmen. Nach einer halben Stunde schwimmen war ich doch recht müde geworden und meine Rippe begann auch unangenehm zu schmerzen. Ich beschloss deshalb, wieder nach Hause zu fahren.
Jetzt wollte ich aber nicht duschen, sondern ließ mir ein schönes heißes Entspannungsbad ein. Bis Lukas zurückkommen würde, dauerte es noch ein wenig, also genoss ich dieses Bad in vollen Zügen. Herrlich, so ein heißes Bad.
Plötzlich klingelte mein Handy. Ich hatte aber keine Lust jetzt aus der Wanne zu steigen. Also ließ ich es klingeln. Nach zwanzig Minuten stieg ich aus dem Wasser. Das hatte richtig gut getan. Ich zog mich an und nahm dann mein Handy. Ich sah auf das Display und erkannte Bennys Nummer. Nanu, er hatte mich noch nie angerufen. Hoffentlich war nichts passiert. Ich rief ihn zurück.
„Benny Dankers“, meldete er sich.
„Hi Benny, Mick hier. Du hast mich angerufen. Was gibt’s denn?“
„Hi Mick, ja ich wollte fragen, ob es ok ist, wenn ich noch mit zu Marcel gehe. Wir wollten etwas zocken. Nicht, dass du dir Sorgen machst.“
„Klar, mach das. Ich sage Papa nachher Bescheid. Wann bist du wieder hier?“
„Spätestens um neun. Ist das ok?“
„Na klar, kein Problem. Viel Spaß und schöne Grüße an Marcel. Bis nachher dann.“
Ich beendete das Gespräch und war etwas verwundert. Die beiden schienen sich ja gut zu verstehen. Ich freute mich für Benny. Er musste mehr andere Freunde finden außer uns.
Ich schrieb Papa eine SMS, um ihn zu informieren. Er schrieb mir zurück, dass er auch spätestens um neun zurück sein wollte. Lucien müsste ja auch zur Schule. Ich schaute auf die Uhr. Es war schon halb acht. Ich musste demnach doch länger in der Wanne gelegen haben. Jedenfalls machte ich mir jetzt auch was zu essen. Ein paar Rühreier mit Speck und Zwiebeln und dazu eine Scheibe Brot. Da hatte ich jetzt richtig Lust drauf.
Marc: Ein schöner Abend
„Sagt mal, wo wollen wir denn hin? Hat jemand eine Idee?“, fragte ich, während wir uns gemütlich durch den Stadtverkehr bewegten.
„Ich dachte, du hast schon eine Idee, sonst würde ich sagen, dass wir etwas nehmen, was Lucien auch mag. Aber auf keinen Fall etwas Asiatisches. Das mögen wir beide nicht so besonders.“
Ich musste lachen. Lucien fand das aber gar nicht witzig.
„Warum lachst du uns aus, Marc? Ich mag einfach nicht Hunde und Katzen zu essen.“
Lucien sah dabei richtig böse aus.
„Ich lache euch nicht aus, ich freu mich nur. Ich mag nämlich asiatisches Essen auch nicht. Da scheinen wir uns ja absolut einig zu sein. Ich hätte aber eine Idee. Ich war mal mit Manuel in einem kleinen, aber sehr schönen bulgarischen Restaurant. Das hat mir sehr gut gefallen. Was meint ihr?“
„Ich habe keine Ahnung von bulgarischem Essen. Aber wenn du dort schon mal gewesen bist, warum nicht. Was meint mein Sohn dazu?“
Lucien war recht still, sah mich an und ich zwinkerte ihm zu. Das half sofort.
„Wenn Marc sagt, dass er dort gut gegessen hat, dann probiere ich das mal aus. Ich weiß ja, wer dann Schuld hat, falls ich verhungern muss, wenn es für mich nichts gibt.“
Ich musste lachen. Sabine war das peinlich.
„Lucien, was soll das? Du sollst dich nicht über Marc lustig machen.“
„Ach, lass ihn doch. Ist schon in Ordnung. Ich weiß doch, wie er das meint. Ich glaube, dieser Spruch hätte auch von Leif sein können.“ Dabei schaute ich Lucien im Rückspiegel an und wir grinsten beide. Plötzlich spürte ich zwei Arme um meinen Hals. Lucien hatte sich von hinten an mich geschmiegt und war richtig verschmust. Sabine staunte nur, sagte aber nichts. Ich wusste eh, was ihr Blick zu bedeuten hatte. Lucien schien mich besonders zu mögen. Er war sonst immer sehr scheu und distanziert.
Wir fuhren auf den Parkplatz des kleinen Restaurants. Ich hatte ein paar Probleme mit dem Einparken. Es war halt etwas eng auf dem Parkplatz. Das Dach surrte zu und wenige Augenblicke später saßen wir an einem sehr schönen Tisch. Wir bekamen unsere Karten und ein sehr freundlicher Kellner fragte nach unseren Getränkewünschen. Ich staunte ein wenig, denn der Junge war höchstens achtzehn, eher jünger. Ich wählte ein Ginger Ale und Sabine ein Tonic. Lucien fragte dann:
„Marc, was ist denn ein Ginger Ale? Ist das ein Bier? Weil Ale ist doch ein englisches Bier.“
Ich musste schmunzeln: „Nein, das ist ein alkoholfreies Getränk. Von Schweppes. Die machen auch Bitter Lemon. Ginger Ale ist eine Ingwer Limonade. Es ist nicht so süß.“
„Mama, darf ich das auch mal probieren?“, fragte er. Sie nickte und so bestellte er ebenfalls ein Ginger Ale. Sabine war aber sichtlich überrascht. Es schien sonst so zu sein, dass Lucien selten neue Dinge ausprobierte.
Ich studierte nun wie die anderen drei die Karte. Ich hatte auch schon eine Idee. Es gab dort eine Balkanplatte. Das war eine sehr reichhaltige Platte für zwei Personen. Ich schlug Sabine das also vor und sie war auch einverstanden. Lucien konnte nicht viel mit den fremden Bezeichnungen anfangen. Er war sehr unsicher.
„Hast du ein Problem? Weißt du nicht, was du nehmen sollst?“, fragte ich ihn. Er sah mich sehr unsicher an, meinte dann sehr leise, als ob es ihm peinlich wäre:
„Ich kann mir unter den ganzen Begriffen hier nicht viel vorstellen. Kannst du mir das erklären?“
„Das muss dir überhaupt nicht unangenehm sein, mir ging das beim allerersten Mal auch so.“
Ich hätte es ihm natürlich erklären können, aber er sollte lernen, sich selber zurechtzufinden.
„Frag doch einfach mal den netten Kellner. Der kann dir das bestimmt erklären.“
Lucien sah mich ängstlich an und er traute sich nicht zu fragen. Also gab ich dem Kellner ein Zeichen. Er kam sofort an unseren Tisch und mit einer wirklich lustigen Mischung eines Akzentes aus Bulgarisch und Schwyzerdütsch fragte er: „Was kann ich für sie tun, Herr Steevens?“
„Unser junger Freund hier hat leichte Verständnisprobleme mit den Namen auf der Karte. Könnten sie ihm da vielleicht helfen?“
„Aber sicher doch. Was möchtest du denn wissen?“
Lucien wurde richtig rot. Das sah ehrlich süß aus. Er erklärte dem Kellner, was er mögen würde und was eigentlich nicht so. Dann gab der Kellner ihm einen Vorschlag mit verschiedenen Kleinigkeiten, so dass er alles Mögliche ausprobieren konnte. Leider mischte sich nun Sabine da ein und meinte, Lucien sollte doch lieber etwas wählen, was er schon kennen würde. Ich war sehr erstaunt, Lucien widersetzte sich seiner Mutter und bestellte ein mit einem Ziegenkäse gefülltes Filetsteak mit Bratkartoffeln und einem Salat. Sabine war sehr skeptisch.
„Aber du musst das auch aufessen, ich will gleich kein Gemecker hören.“ Die Ermahnung von Sabine ließ Lucien genervt die Augen verdrehen. Ich nickte ihm ermutigend zu und damit war das Thema erledigt. Lukas hatte auch für sich schnell etwas gefunden.
Wir saßen nun am Tisch und Lukas erzählte ein wenig aus der Schule und vom Training. Sabine fragte mich, ob ich denn mit meiner neuen Freizeit gut zurechtkommen würde. Ich berichtete von meinen Projekten und von Benny. Es war eine nette Unterhaltung. Ich spürte eine unheimliche Wärme von Sabine ausgehen. Sie war immer bemüht, für ihren Sohn alles zu tun. Allerdings wollte Lucien sich nicht mehr immer von ihr bemuttern lassen. Da gab es ein gewisses Konfliktpotenzial.
„Papa, weißt du eigentlich schon, wann wir unser Auto abholen können?“, fragte Lukas plötzlich unvermittelt.
„Nein, das Autohaus wollte sich melden, wenn das Fahrzeug fertig vorbereitet sei. Ihr müsst euch also noch etwas gedulden.“
„Bekommst du denn auch so ein geiles Teil wie den Caddie, oder was wird das?“, kam von Lucien.
„Wäre cool, aber ich glaube, da würde es jemanden geben, der das gar nicht cool finden würde.“
„Warum, Marc findet solche Karren doch auch geil. Also warum sollte er das nicht gut finden?“
Jetzt wurde es Zeit für mich einzuschreiten.
„Also zuerst einmal möchte ich klarstellen, der Caddie ist keine Karre. Das ist ein Kunstwerk. Zweitens ist mir das etwas zu wertvoll, dass meine Jungs damit jeden Tag unterwegs wären und drittens soll es ein sicheres Auto sein.“
„Aber du fährst doch auch damit, warum dürfen deine Kinder dann nicht?“, wollte mich Lucien in eine Diskussion verwickeln.
„Damit wir das hier nicht unnötig vertiefen, ich glaube, so ein Oldtimer ist nichts für Anfänger. Sie bekommen ein anderes Spielzeug.“
Damit war das für mich erledigt. Allerdings hatte ich nicht mit Sabine gerechnet. Denn sie meinte plötzlich:
„Ah ja, deine Jungs bekommen ein Spielzeug. Findest du nicht, dein Caddie ist auch ein Spielzeug?“
Ich wurde nun etwas verlegen, Lucien freute sich tierisch, weil seine Mutter ihn soeben unterstützt hatte. Lukas war das jetzt unangenehm geworden. Er mischte sich damit ein, dass sie total zufrieden mit dem Spielzeug seien, was ihr Papa ausgesucht hatte.
„Danke mein Sohn. Schön, dass du mich hier verteidigst.“
„Klar Papa, die Steevens müssen doch zusammenhalten.“
Damit brachen wir alle in lautes Gelächter aus. Allerdings war ja jetzt immer noch nicht für Sabine und Lucien geklärt, was es nun werden würde. Lukas erklärte es ihnen und Lucien fand auch diese Wahl nicht die Schlechteste.
Wir bekamen unser Essen und es sah wirklich vorzüglich aus. Unser junger Kellner brachte es uns und erklärte für Lucien auch alle Beilagen und so konnten wir loslegen. Wenn wir damit nicht satt würden, dann wäre uns wohl nicht zu helfen. Die Platten waren riesig.
Glücklicherweise war Lucien auch total zufrieden mit seinem Essen und er hatte wirklich seine Portion komplett vertilgt. Das wiederum löste bei seiner Mutter Erstaunen aus. Sie konnte gar nicht glauben, dass ihr Sohn etwas Unbekanntes genommen hatte und dann auch noch alles aufaß. Wir anderen drei hatten ebenfalls ein exzellentes Essen erhalten und hatten wirklich damit zu kämpfen, auch alles zu schaffen.
Nach einiger Zeit kam unser Kellner und fragte uns, ob wir vielleicht einen kleinen Schnaps hinterher möchten. Ich natürlich nicht, aber Sabine wollte gerne einen trinken. Lukas sah mich unsicher an und wollte wohl von mir eine Reaktion sehen. Ich reagierte aber überhaupt nicht. Also bestellte er sich auch einen und ich nahm es zur Kenntnis. Ich konnte aber an seinem Gesicht sehen, dass er unsicher war. Ich schwieg aber dazu. Er sollte das ganz alleine für sich entscheiden. Er war alt genug dafür.
„Marc“, fragte nun Lucien, „würdest du mir denn auch einen Schnaps erlauben?“
Ich konnte Sabine schon tief einatmen hören. Ich allerdings gab ihr deutlich zu verstehen, dass ich gefragt worden bin und nicht sie.
„Klares Nein. Auf gar keinen Fall. An dieser Stelle mache ich keine Ausnahmen. Außerdem bin ich dafür gar nicht zuständig, das hier entscheiden zu müssen. Deine Mutter ist dabei und das muss sie dann entscheiden. Aber wenn ich allein mit dir unterwegs wäre, definitiv nein. Da müsstest du mindestens noch zwei Jahre warten.“
Sabine beruhigte sich wieder und sah mich dankbar an. Was hatte sie denn wohl erwartet? Dass ich das zulassen würde? Ich glaube, sie musste mich da noch besser kennenlernen.
Nachdem die beiden ihren Schnaps getrunken hatten, fragte ich in die Runde:
„Möchte noch jemand etwas oder sollen wir bezahlen und dann nach Hause?“
Niemand meldete sich, also gab ich das Zeichen, dass wir bezahlen wollten. Der junge Kellner kam an den Tisch und legte uns die Rechnung auf den Tisch. Sabine wollte jetzt ihren Teil und das Essen von Lucien bezahlen. Ich gab dem Jungen meine Kreditkarte und bezahlte alles zusammen. Anschließend bekam er noch ein angemessenes Trinkgeld und wir verabschiedeten uns mit dem Hinweis, wiederkommen zu wollen. Es war wirklich ganz vorzüglich.
Es dauerte nicht lange und wir standen bei Sabine vor dem Haus. Lucien fand es schade, dass der Abend schon vorbei war und wir nun nach Hause fahren würden. Ich erinnerte ihn an unser Training und damit fuhren wir davon. Sabine hatte sich noch für die Einladung bedankt und ich fand, es war ein gelungener Tag.
Zu Hause verabschiedete sich Lukas von mir und ging schnell nach oben. Er wollte mit Mick sich endlich mal wieder einen schönen gemeinsamen Abend machen. Leif war bereits zu Hause und Benny würde sicher bald kommen. Leif kam mir schon im Flur entgegen und berichtete mir von seinem Tag im Krankenhaus. Tommy würde wohl zum Wochenende nach Hause entlassen werden. Nico hatte ihnen schon von dem geplanten Grillabend erzählt. Allerdings hatte Leif nun ein kleines Problem.
„Papa, was soll ich jetzt machen? Soll ich am Samstag alleine zu Tim und Nico oder soll ich Stefanie fragen, ob sie mitkommen möchte?“
„Also meinetwegen kann sie gerne mitkommen. Vielleicht fragst du bei Tim mal nach, ob das ok ist. Wissen sie eigentlich schon Bescheid?“
„Ähmm, nein. Ich habe es noch nicht gesagt, dass Steffi meine Freundin ist.“
Dabei wurde er sogar etwas rot. Ich lächelte ihn an.
„Das ist doch ok. Du musst es nicht gleich allen erzählen. Mach das so, wie du meinst. Also ich nehme sie gerne mit am Samstag. Wenn sie denn überhaupt möchte. Klär das und dann sehen wir weiter.“
Leif sah mich dankbar an und gab mir einen Kuss. Dann verschwand er schnell in seinem Zimmer. Ich vermutete, er würde wohl Steffi direkt anrufen.
Plötzlich klingelte es. Ich ging zur Tür und Benny stand nun sehr gut gelaunt vor mir.
„Hallo Benny, schön dass du wieder da bist. Hast du einen schönen Tag gehabt?“
„Ja Marc, es war wirklich lustig. Ich bin mit Marcel gut zurechtgekommen. Und wir haben noch viel Spaß beim Zocken gehabt.“
„Das freut mich. Hast du dich mit ihm wieder verabredet?“
„Ja, wir treffen uns am Sonntag wieder zur Nachhilfe bei ihm.“
„Klar, mach das mal. Aber ich gebe dir jetzt erst mal einen Hausschlüssel. Dann musst du nicht mehr ständig klingeln oder warten, bis jemand zu Hause ist.“
Er war völlig überrascht und wollte das erst gar nicht. Erst, als ich zu verstehen gab, dass ich ihm vertrauen würde und für mich das wirklich absolut ok sei, nahm er den Schlüssel. Er ging in das Gästezimmer und nahm das Telefon mit. Er wollte seinen Vater mal anrufen. Das fand ich eine gute Idee und er sollte bitte schöne Grüße bestellen. So ging dieser Tag für mich sehr entspannt zu Ende.
Mick: Lukas kam abends vom Essen zurück
Ich hatte endlich mal wieder einen frühen Abend ohne Termine und Programm. Ich freute mich richtig auf meinen Lukas und dass wir mal wieder nur alleine für uns sein würden. Ich hatte für uns einen Filmabend und Cocktails vorbereitet, verschiedene Knabbersachen und andere kleine Leckereien auf dem Tisch ausgebreitet. Ein bisschen gemütliche Beleuchtung und ein paar Duftkerzen. Ich wollte einfach mal wieder einen richtig schönen Abend nur mit meinem Schatz haben. Und ich wollte ihn überraschen. Hoffentlich war er auch in der Stimmung dafür, dachte ich. Ich hatte mir noch einen heißen Tee gemacht und saß gemütlich auf dem Sofa, hatte unsere Science Fiction Sammlung vor Augen und war heute für die Kultserie aus den 60er Jahren „Raumpatrouille Orion“. Dabei konnten wir uns immer so was von totlachen. Wir hatten sie schon oft gesehen, aber wir fanden immer wieder Kleinigkeiten, die absolut kultig waren. Ich erwähne nur das legendäre Bügeleisen als Hauptsteuereinheit. Einfach nur cool, was die Regisseure damals für Einfälle hatten.
Ich hörte, wie unsere Haustür auf und wieder zu ging. Lukas hängte seine Jacke auf und kam ins Wohnzimmer. Er schaute und dann lachte er.
„Hey, was ist denn hier passiert? Habe ich was verpasst?“
Ich stand auf, umarmte und küsste ihn. Er war total überrascht und der von ihm erwiderte Kuss dauerte dann etwas länger, was ich sehr genoss. Ich sagte dann nur noch:
„Ich habe endlich seit Tagen einen freien Abend und den wollte ich nur mit dir verbringen. Deshalb habe ich uns einen DVD-Abend vorbereitet. Ich habe sogar Cocktails für uns gemacht.“
Er strahlte mich an und er gab mir einen erneuten Kuss mit einer langen und intensiven Umarmung. Dann fragte er mich:
„Was hast du denn vor, mir für ein Programm zu zeigen?“
Er grinste dabei richtig schelmisch.
„Also als Vorprogramm hatte ich an die „Raumpatrouille Orion“ gedacht und als Hauptfilm hatte ich an 'Lukas und Mick auf dem Sofa' gedacht.“
Sein Gesicht hätte ich am liebsten gefilmt, als ich das gesagt hatte. Er war absolut sprachlos. Damit hatte er überhaupt nicht gerechnet.
„Oh Mann, ich bin so froh. Mick ich hatte schon Sorgen, dass du mich vielleicht gar nicht mehr so magst. Wir haben in letzter Zeit so wenig zusammen für uns gemacht.“
„Ich weiß. Ich habe auch schon ein ganz schlechtes Gewissen gehabt. Deshalb wollte ich endlich wieder nur mit dir Zeit verbringen“
Das Programm verlief dann fast planmäßig, der Film war wie immer einfach nur cool und wir haben sehr viel gelacht, nur der Hauptfilm fand nicht auf dem Sofa, sondern im Bett statt. Es war einfach nur wunderschön, als wir gegen Mitternacht gemeinsam in unserem Bett entspannt und befriedigt einschliefen.
Als ich am nächsten Morgen erwachte, war der Platz neben mir bereits leer. Ich wunderte mich. Normalerweise war ich immer derjenige, der zuerst wach wurde. Vor allem hatte ich nicht gehört, dass Lukas Wecker gegangen war. Ich stand nun verwundert auf und ging ins Bad und anschließend in die Küche. Dort bekam ich den Geruch von frisch aufgebrühtem Kaffee und frischen Brötchen in die Nase. Lukas stand mit dem Rücken zu mir an der Arbeitsplatte und bereitete gerade ein paar Spiegeleier zu.
„Guten Morgen mein Schatz“, sagte ich, „habe ich irgendwas verpasst?“
„Nein, aber ich war sowas von überrascht gestern, da habe ich gedacht, ich überrasche dich heute mal mit dem Frühstück.“
Dabei drehte er sich um und gab mir einen Kuss. Wir umarmten uns und ich hatte das Gefühl, die Zeit würde stehen bleiben.
„Mick, warum machen wir das nicht wieder häufiger. In letzter Zeit hatten wir viel zu wenig Zeit füreinander.“
„Nein Lukas, nicht wir hatten zu wenig Zeit. Ich hatte zu viel Anderes um die Ohren. Ich muss mich bei dir entschuldigen. Ich verspreche dir Besserung. Ich will es wirklich versuchen, dass wir wieder viel öfter solch schöne Abende haben wie gestern.“
Wir saßen dann schweigend am Tisch, allerdings sahen wir uns immer wieder in die Augen. Ich spürte eine Nähe und Wärme, die unglaublich war. Ich hatte ein ganz schlechtes Gewissen, denn ich merkte, wie sehr Lukas auf dieses Zeichen von mir gewartet hatte. Plötzlich klingelte es. Ich sah auf die Uhr. Es war zehn nach sieben! Wer konnte das sein? Ich stand also auf und ging zur Tür, sah vom Flur aus zur Tür und konnte Benny außen auf der Treppe stehen sehen. Ich wunderte mich etwas, aber öffnete ihm gerne.
„Guten Morgen Benny, was verschafft uns die Ehre am frühen Morgen?“
Er schaute mich grinsend an und erwiderte meinen Gruß:
„Morgen Mick, ich wollte fragen, ob wir gemeinsam zur Schule fahren wollen. Ich habe ja jetzt von Marc ein Bike zur Verfügung bekommen.“
„Komm noch einen Moment rein. Wir sind noch beim Frühstück. Aber können wir gerne machen.“
Wir gingen gemeinsam in die Küche, Lukas und Benny begrüßten sich und Benny setzte sich zu uns an den Tisch.
„Erzähl mal, wie war's denn gestern mit Marcel noch? Was habt ihr gemacht? Scheint ja so zu sein, dass ihr euch gut versteht.“
„Ach Mick, das war einfach nur toll. Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal so viel gelacht habe. Marcel ist wirklich nett und cool. Du hattest recht. Ich komme gut mit ihm klar. Er meinte übrigens, dass er froh ist, dass du ihm geholfen hast.“
„Ach, schon gut, ich freu mich für dich, dass ihr gut miteinander klarkommt. Dann hast du jetzt noch jemanden, mit dem du mal auf Tour gehen kannst.“
Dabei lachten wir alle drei. Lukas sah auf die Uhr. Wir mussten echt los, um nicht zu spät zu kommen. Die Schule duldete keinen Aufschub mehr, leider. Wir schwangen uns auf unsere Räder und radelten über die Radwege ins Internat. Also, das muss ich hier mal erwähnen, da hatte unsere Stadt wirklich eine tolle Idee gehabt, Radwege zu bauen, wo keine Auto fuhren. So waren wir nach einer Viertelstunde gut gelaunt an unserem alten Internat angekommen.
Marc: Bennys Vater - die Grillparty und eine große Überraschung
Die weiteren Tage verliefen im Wesentlichen sehr alltäglich. Ich hatte meine Cobra zurückbekommen und Herr Steyrer hatte sich mit Bennys Vater in Verbindung gesetzt und ihn für den kommenden Montag herbestellt. Benny war natürlich nicht so begeistert, allerdings hatte er sich hier mit Marcel angefreundet und auch durch die Nachhilfe hatte er sich eine sinnvolle Aufgabe gesucht. Meine Jungs waren alle gut gelaunt, Leif hatte seine Stefanie mittlerweile mir beim Essen vorgestellt und die beiden Großen hatten sich auch wieder so lieb wie zuvor. Ich hatte das Gefühl, die beiden hatten das Problem komplett aus der Welt geschafft. Ich habe mit Lucien, gemeinsam mit Leif, weiterhin trainiert. Den letzten Termin waren die beiden sogar allein unterwegs. Lucien war etwas traurig, aber ich fand, es war besser, er würde mal mit Leif alleine trainieren. Sabine und er würden ebenfalls zum Grillabend bei Tim kommen.
Ich hatte so das Gefühl, dass Tim mir irgendetwas verheimlichte. Ich hatte ein komisches Gefühl. Tims Vater hatte mir noch die Werkstatt vorgestellt und ich fand die beiden Studenten, die sich damit das Studium finanzierten, sehr nett und außerdem sehr kompetent. Ich war mir recht sicher, dass ich mich dort beteiligen wollte.
Heute sollte also die große Grillparty bei Tim stattfinden. Meine beiden großen Jungs waren schon heute Morgen zu Tim, um dort beim Aufbauen zu helfen. Leif war mit seiner Steffi unterwegs und Benny wohnte seit ein paar Tagen wieder im Internat. Er wollte heute Abend aber auch kommen. Ich hatte heute auch noch einiges vor. Zuerst wollte ich endlich die Cobra auf die Straße bringen. Dabei wollte ich Lucien überraschen und ihn mitnehmen. Sabine hatte ich darüber eingeweiht und sie wollte dafür sorgen, dass Lucien zu Hause sein würde. Ich hatte ebenfalls vor, in meiner neuen Werkstatt vorbeizufahren. Die beiden Schrauber wollten heute auf jeden Fall den Tag über dort sein. Ich wollte sie näher kennenlernen. Abends war dann die Party bei Tim angesagt. Aber irgendetwas lief anders als sonst. Meine großen Jungs waren manchmal sehr geheimnisvoll, auch, dass sie schon heute Morgen zum Aufbauen waren, irritierte mich. Was für eine Party würde das wohl werden, wenn man morgens schon mit dem Aufbau beginnen müsste?
Ich hatte nun meine Cobra aus der Garage geholt und wollte zur Zulassungsstelle. Ich hatte mir dort einen Termin geben lassen und sollte um halb elf dort sein. Ich war auf dem Weg zu Lucien, er sollte der erste Fahrgast in meinem Biest sein. Auf dem Rückweg sollte es bei den beiden Schraubern und der Werkstatt vorbei gehen. Ich wollte den Deal amtlich machen und mich mit ihnen mal etwas länger unterhalten.
Mit grollenden Sidepipes stand ich nun vor einer roten Ampel. Neben mit tauchte so ein aufgemotzter Golf auf. Es war wohl ein getunter Golf GTI mit ebenfalls Leistung. Allerdings hatte der Fahrer wohl keine Ahnung, dass ich in einer originalen Cobra mit einem aufgeladenen sieben Liter V8 saß. Jedenfalls wollte der junge Fahrer wohl ein kleines Ampelduell. Ich musste lächeln. Also gut. Drehzahl auf 3400 U/min, erster Gang und dann Kupplung schnalzen lassen und Attacke. Nur mal zum Verständnis, 0-100 in weniger als 3,4 Sekunden. Entsprechend niederschmetternd fiel das Ergebnis für den Golf aus. Pech gehabt. An der nächsten Ampel stand ich dann vor ihm. Er sichtlich beeindruckt. Ich grüßte kurz zum Abschied und bog in die Straße von Sabine und Lucien ein. Das Grollen des Achtzylinders brach sich an den Häusern. Ich hatte ihn schon nur mit Leerlaufdrehzahl rollen lassen, dennoch hatte Lucien mich schon von weitem gehört und lief an die Straße. Mit einem breiten Grinsen erwartete er mich.
„Hallo Marc, sieht echt geil aus mit der neuen Lackierung. Fährt sie sich auch so, wie sie sich anhört?“
Ich musste einfach nur lachen, nickte dabei und sprach: „Setz dich und probiere es aus. Ich glaube, sie fährt noch besser als sie sich anhört.“
Der Junge sprang förmlich ins Auto. Ich zeigte ihm, wie er sich mit dem Sechspunktgurt anschnallen musste und dann fuhren wie langsam aus der Straße. Die Nachbarn wollte ich nicht unnötig belästigen. Auf der Landstraße ließ ich die Pferdchen dann ein wenig von der Leine. Selbst im dritten Gang malte dieses Biest noch schwarze Radierungen auf den Asphalt. Und das Ganze ohne die elektronischen Helferlein, die man heute so meint zu brauchen. Das war ein Auto für Freaks und Könner. Ich musste feststellen, dieses Auto musste absolut tabu werden für Mick und Lukas. Damit würden sie vollkommen überfordert sein. Lucien hingegen bekam sein Grinsen gar nicht mehr aus seinem Gesicht und unsere Haare wehten im Fahrtwind. Ich bog auf den Hof der Zulassungsstelle und wurde bereits erwartet. Der Prüfer schaute wirklich beeindruckt. Wir begrüßten uns und ich wurde gleich gefragt, ob Lucien mein Sohn sei. Das klärte dann Lucien selbst auf in dem er sagte:
„Nein, leider nicht. Wäre aber schön, wenn es so wäre.“
Dieser Satz lies mich einen Moment schlucken.
Ich musste nun aber dem Prüfer meine volle Aufmerksamkeit widmen. Er wollte alle möglichen Papiere und Prüfbescheinigungen sehen und dann machte er die üblichen Tests. Nach einer viertel Stunde stand noch eine Probefahrt an. Da es sich um eine Einzelabnahme handelte, musste er eine Probefahrt machen. Ich war etwas nervös. Denn es gab weder eine Servobremse noch eine Servolenkung. Ich machte den Prüfer darauf aufmerksam und bat ihn, sehr vorsichtig zu sein. Lucien und ich standen nun auf dem Gelände, als der Prüfer zur Probefahrt aufbrach. Lucien war sichtlich angespannt, ich allerdings auch.
„Marc, hast du keine Angst der Mann macht sie kaputt?“
„Also Angst nicht, aber ich fühle mich grade nicht sonderlich wohl. Hoffentlich kann er damit umgehen.“
Lucien kuschelte sich sehr eng an mich und meinte dann ganz niedlich:
„Ich bin ja dabei. Dann wird das schon klappen. Ich passe auf dich auf.“
Dabei musste ich wirklich laut lachen und wir standen sehr eng nebeneinander. Ich legte meinen Arm auf seine Schulter und wartete auf die Rückkehr des Prüfers. Bald konnte ich das Bollern des Motors hören. Allerdings war auch nicht zu überhören, dass der Prüfer Probleme hatte mit dem Getriebe. Es gab doch hässliche Geräusche.
Kurze Zeit später kam er zurück und stellte das Fahrzeug vor uns ab. Er schaute uns recht beeindruckt an und hatte keinerlei Beanstandungen. Ich bekam meine Zulassung und damit war das Biest offiziell wieder im Straßenverkehr unterwegs. Also einsteigen und auf den Weg zur Werkstatt. Lucien war wieder der lustige Junge, der einfach glücklich war. Ich konnte es ihm ansehen, wie sehr er sich freute. Wir parkten vor einem großen Rolltor auf einem großen alten Scheunenhof. Der Motor erstarb und wir stiegen aus. Unsere Ankunft schien nicht unbemerkt geblieben zu sein, denn das Rolltor öffnete sich und die beiden jungen Studenten standen im offenen Tor. Wir begrüßten uns und sie beäugten sehr interessiert meine Cobra. Sie baten uns dann herein und zeigten mir den Bereich, der für mich vorgesehen war. Es war ausreichend Platz vorhanden und ich fand sie beide wirklich sehr sympathisch. Es war für sie auch kein Problem, wenn ich mal etwas Werkzeug brauchen würde, mir das zu borgen. Allerdings wollte ich mein Werkzeug von zu Hause herholen und auch sicherlich noch einiges dazu besorgen. Das würde ich aber mit den beiden gemeinsam dann besprechen. Vielleicht hatten sie ja auch noch eine Idee, was ihnen noch fehlen würde. Ich machte jedenfalls die Zusammenarbeit mit einem Handschlag perfekt und hatte wirklich ein gutes Gefühl mit den beiden. Wir vereinbarten, dass ich in der nächsten Woche den Vertrag unterzeichnen würde und wir dann auch die letzten Dinge klären wollten. Lucien und ich verabschiedeten uns und fuhren mit einem leichten burn out vom Hof. Das musste einfach mal sein.
Als wir bei Sabine wieder auf der Einfahrt standen, war es mittlerweile mittags geworden.
„Kommst du mit zu uns zum Essen? Mama hat Lasagne gemacht“, wollte der Junge wissen. Das war eigentlich nicht so geplant, aber ich hatte auch nichts Wichtiges mehr vor, also stiegen wir beide aus und Lucien strahlte seine Mutter an, als wir die Haustür öffneten. Sabine begrüßte mich und wir gingen gemeinsam in die Küche.
Es roch schon sehr gut und Lucien war total aufgedreht. Er redete ohne Pause von der Cobra und wie toll das doch alles war. Sabine und ich schauten uns erstaunt an, denn normalerweise war Lucien nun wirklich nicht ein Redewasserfall.
„Hast du irgendwelche bunten Pillen geschluckt?“, fragte Sabine ihren Sohn. Der wiederum schaute jetzt sehr verwundert.
„Wieso fragst du? Habe ich was falsch gemacht?“
Ich nahm ihn in den Arm und sagte lachend: „Nein, passt schon so. Mir gefällt das viel besser als der schweigende und unsichere Lucien.“
Sabine musste mir allerdings in diesem Punkt zustimmen. So saßen wir beim Essen und Sabine und ich schwiegen, während Lucien pausenlos von der Fahrt und der Prüfung und allem anderen, was er heute schon erlebt hatte, erzählte.
„Wie kommt ihr denn heute Abend zu Tim? Soll ich euch mitnehmen?“
„Danke, aber wir wollten mit dem Rad kommen. Das bekommt Lucien mal ganz gut, wenn er auch wieder im Straßenverkehr unterwegs ist.“
„Oh ja, das ist bestimmt eine gute Idee. Übrigens, deine Lasagne ist vorzüglich. Vielen Dank für die Einladung.“
„Gerne, möchtest du noch einen Kaffee oder einen Espresso?“
„Ja gerne, aber ich muss dann auch langsam wieder los. Ich will doch mal bei Tim vorbei. Irgendwas läuft da nämlich komisch. Die Grillparty soll heute erst um halb sechs beginnen. Meine großen Jungs sind aber heute Morgen schon zu Tim zum Aufbauen. Ich habe den Verdacht, dass sie da etwas aushecken. Und das mag ich nämlich überhaupt nicht.“
Sabine lächelte und meinte: „Ach Marc, sieh das doch nicht so eng. Sie wollen dir bestimmt nur eine Freude machen. Also lass sie doch machen.“
„Also, du weißt auch schon Bescheid, dass dort etwas Besonderes passieren wird.“
Ich war sichtlich angefressen. Alle wussten Bescheid, nur ich nicht. Klasse, so etwas fehlte mir noch zu meinem Glück. Lucien spürte meine Begeisterung und auf seine einzigartige Art machte er mir wieder gute Laune.
„Warum vertraust du deinen Söhnen nicht? Sie werden bestimmt nichts machen, was dir nicht gefällt. Also sei doch nicht so griesgrämig, sondern freu dich auf einen schönen Abend.“
„Also du weißt auch schon mehr als ich, oder wie muss ich das verstehen?“
„Japp, aber ich werde nix verraten.“ Dabei grinste er wirklich fies. Ich hielt ihn dafür jetzt fest und begann ihn zu kitzeln. Er jappste und kicherte und nach kurzer Zeit lag er auf dem Boden und gab auf.
„Also sagst du mir jetzt, was da heute Abend geplant ist?“
„Nein, niemals. Dann bekomme ich mit Mick Ärger.“
„Also gut, nur weil ich nicht will, dass Mick dich bestraft, werde ich jetzt nicht weiter fragen.“
Ich ging mit Sabine in den Garten und wir setzten uns noch einen Moment in die Sonne. Lucien kam auch kurze Zeit später zu mir und setzte sich auf meinen Schoß. Er lehnte sich an meine Brust und ich spürte seine Entspannung. Er genoss es jedes Mal, mit mir zu kuscheln und mir in Ruhe etwas zu erzählen. Allerdings spürte ich jetzt auch seine Unruhe.
„Bist du mir böse, dass ich nichts verraten habe? Ich musste es aber Mick versprechen. Aber ich will auch nicht, dass du sauer auf mich bist.“
Ich legte meine Arme um seine Brust und sagte ganz ruhig: „Blödsinn, damit ich wirklich sauer auf dich werde, musst du schon noch ganz andere Sachen machen. Ich werde es wohl abwarten müssen.“
Dann musste ich mich aber auch verabschieden, ich wollte unbedingt noch eine ausgiebige Probefahrt machen. Allerdings wollte ich auch einen Abstecher auf die kleine Rennstrecke machen. Das wollte ich allein machen. Falls etwas kaputtgehen sollte, wollte ich nicht jemanden dabei haben. Das war mir zu gefährlich. Wir vereinbarten aber, dass wir morgen eine Tour mit dem Rad gemeinsam machen würden. Lucien war natürlich begeistert und ich freute mich auch, mit den beiden eine größere Tour zu machen.
Ich war einfach nur begeistert, wie sich die Cobra auf der Rennpiste dirigieren ließ. Immer berechenbar aber giftig. Also ich musste immer hellwach sein, wenn ich am Limit fahren wollte. Aber dann ging es richtig vorwärts. Dieses Auto wäre sicher das richtige für eine Oldtimer-Rennveranstaltung. Also wo ich auf Zeiten fahren konnte. Für eine Gleichmäßigkeitsfahrt war das definitiv das falsche Auto. Ich hatte über zwei Stunden meine Cobra auf Herz und Nieren getestet und für gut befunden. Leider leuchtete jetzt eine gelbe Lampe und das hieß, ich musste tanken fahren. Der ganz große Nachteil meines Biestes war der enorme Durst. Bei schneller Gangart auf der Rennstrecke waren 35 Liter durchaus machbar. Also runter von der Strecke und auf zur Tankstelle. Auf der Anfahrt stellte ich allerdings fest, dass sich der Zusatzlüfter eingeschaltet hatte. Meine Temperaturanzeige stand an der Grenze zum Überhitzen. Also erst mal ein paar ruhige Kilometer noch fahren und den Motor langsam herunter kühlen. Wenn ich jetzt an der Tankstelle den Motor abgestellt hätte, wäre ein Hitzeschaden möglich. Das war bei den alten Motoren nichts Ungewöhnliches. Nach fünfzehn ruhigen Fahrminuten konnte ich die Tankstelle anfahren. Die 120 Liter dauerten einen Moment bis sie im Tank waren. Ich würde unserer Tankstelle in Zukunft sicher ein guter Kunde sein. Allerdings war die Cobra auch nur für besondere Anlässe und gutes Wetter gedacht. Ich fuhr nach Hause und konnte mir aber nicht verkneifen, bei Tim vorbei zu fahren. Ich wollte zumindest heimlich mal schauen, ob schon etwas zu erkennen war. Das, was ich zu sehen bekam, war allerdings verwunderlich. Ich konnte einen großen LKW meines alten Teams erkennen, der direkt vor Tims Haus parkte. Einige weitere Autos standen in der Straße, die sehr nach Dienstfahrzeugen aussahen. Also was ging denn hier ab? Ich musste mich zwingen nicht anzuhalten und mir das aus der Nähe anzusehen. Ich fuhr sehr nachdenklich nach Hause.
Ich wollte mich mit Sabine und Lucien unterwegs treffen. Es gab eine Stelle, an der wir beide vorbei mussten und so wollten wir uns dort treffen. Ich fuhr also mit meinem Rad pünktlich zu Hause los und hatte mir für später ein Sweatshirt und eine Regenjacke für alle Fälle in den Rucksack getan. Nach fünf Minuten kam ich am Treffpunkt an. Die beiden waren noch nicht da, so setzte ich mich einen Moment auf den Rasen. Kurze Zeit später konnte ich bereits Lucien hören. Er rief seiner Mutter irgendetwas zu. Ich konnte es nicht verstehen, aber es war unzweifelhaft Lucien. Wie immer in letzter Zeit aufgedreht und fast hyperaktiv fuhr er auf mich zu. Er war natürlich wieder schnell unterwegs. Bremste mit stehendem Hinterrad vor mir und grinste mich an.
„Hey Marc, wartest du schon lange?“ Ich sah auf die Uhr und schüttelte den Kopf.
„Vielleicht fünf Minuten. Wo hast du deine Mutter gelassen? War sie dir etwa zu langsam unterwegs?“
Dabei musste ich lachen. Der Kleine wurde immer mehr zu einem Energiebündel. Was für eine Verwandlung, mir gefiel das sehr gut. Sabine war jetzt auch bei uns angekommen und wir begrüßten uns mit einer lockeren Umarmung.
„Na, ist dein Sohn mittlerweile zu schnell für dich?“, frotzelte ich ein wenig. Sie verdrehte die Augen und meinte dann gespielt genervt:
„Boah Marc, deinetwegen wird der Junge wieder zum Derwisch. Ständig muss er jetzt irgendwas machen oder redet wie ein Wasserfall. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich das noch regeln soll. Vielleicht stelle ich ihn mal für ein paar Tage bei dir ab.“
Das war für ihren Sprössling natürlich eine Steilvorlage.
„Mama, meinst du das ernst. Ich darf mal ein paar Tage bei Marc sein? Das wäre echt cool. Was muss ich dafür tun, damit du mich da ablieferst?“
Lucien und ich mussten uns fast festhalten beim Lachen. Meine Güte, was hatte der Junge für ein tolles Gemüt. Wie brutal muss das für alle gewesen sein, als er todkrank war und nur noch traurig war. Wir drei fuhren jetzt bestens gelaunt zu Tim. Was mich da wohl erwartete? Ich war etwas beunruhigt. Ich hatte nämlich das Gefühl, auch Sabine wusste mehr als ich. Wir bogen nun in die Straße ein. Wie ich sehen konnte, war der große Truck wieder verschwunden. Ich war jetzt wirklich verunsichert. Was wurde hier gespielt. Jedenfalls fuhren wir die Einfahrt hoch und direkt hinter das Haus in den Garten. Wir stellten die Räder ab und gingen durch die Hecke Richtung Gartenhaus. Da verschlug es mir direkt den Atem. Ich sah ein großes Zelt, das schon gut gefüllt mit Leuten war. Als wir entdeckt wurden, kam Tim auf uns zu. Wir begrüßten uns und danach passierte ein Knaller nach dem anderen. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Mick: Große Überraschung für Papa
Was hatten wir uns nur ausgedacht. Wenn ich gewusst hätte, wie stressig das hier sein würde, hätte ich das vermutlich nicht gemacht. Vor ungefähr drei Wochen erhielt ich eine E-Mail von Tom. Das war einer der ehemaligen Teamkollegen von Papa. Wir hatten uns angefreundet und auch Mika, sein Sohn war uns zum Freund geworden. Tom war der Meinung, dass Papa ein Abschiedsrennen bekommen sollte. Denn durch den schweren Unfall in Le Mans hatte Papa ja sofort seine Karriere unseretwegen beendet. Nun wollte sein ehemaliger Arbeitgeber, dass er am letzten Saisonrennen der WM mit seinem alten Team ein Abschiedsrennen fährt. Wolfgang, als Teamchef, und Tom hatten Lukas und mich gefragt, ob wir damit einverstanden wären und heute sollte diese Geschichte hier bekannt gemacht werden. Dafür hatte das Team wirklich das ganz große Kino ausgepackt. Sie waren tatsächlich mit dem Einsatzfahrzeug im Transporter hergekommen. Tom war mit Mika bereits gestern hier angekommen und sollte dann das Auto auf den Hof fahren, während wir beim Grillen waren. Wolfgang würde als Beifahrer aussteigen und dann Papa überraschen. Das Rennen sollte in drei Wochen sein. Außerdem gab es auch für Lukas und mich einen Grund zum Feiern. Auf den Tag genau vor einem Jahr kam Lukas zu uns ins Internat und wurde mein Zimmerkollege. Das war für mich ein wichtiger Grund, ihm heute Abend eine Überraschung der besonderen Art zu machen.
Manuel und Tim hatten auch etwas ganz Besonderes vor. Tim wollte Manuel einen Heiratsantrag machen. Davon wussten nur Lukas und ich. Nicht mal die Eltern sollten davon wissen. Mal sehen, wie da die Gesichter sein würden. Im Garten hatte Tims Vater ein großes Zelt aufbauen lassen und auch ein DJ sollte für Musik sorgen. Das übernahm ein Schüler aus unserer Jahrgangsstufe, der machte das häufiger und war auch richtig gut.
Meine größte Sorge war, dass Papa etwas mitbekommen würde. Wir hatten Sabine und Lucien eingeweiht, damit sie dafür sorgten, dass Papa heute beschäftigt war. Hoffentlich würde das klappen. Ich stand gerade mit Tom zusammen und wir machten uns Gedanken, wie das Rennauto die Einfahrt hinauffahren konnte ohne aufzusetzen, als Mika ganz aufgeregt zu uns gelaufen kam.
„Mick, ich glaube Marc ist gerade mit dem Auto hier vorbeigefahren.“ Wir erschraken natürlich und ich dachte, das kann doch nicht wahr ein. Der Renntruck stand ja noch in der Straße.
„Bist du dir sicher, dass es Papa war?“
„Naja, es war eine dunkelblaue Cobra und ich glaube, so viele gibt es hier nicht davon.“
Tom lachte, blieb aber ganz ruhig.
„Ach Mick, kein Problem. Ich kenne deinen Papa sehr gut. Er hat vermutlich eh schon etwas geahnt. Er wird euch aber gewiss nicht den Spaß kaputtmachen und jetzt spionieren. Also wir machen das ganz normal weiter und dann wird das schon klappen. Was anderes, beim letzten Rennen in Sao Paolo geht es ja noch um den Titel für Loic und mich. Wir würden es sehr gut finden, wenn ihr auch dabei seid. Schließlich seid ihr ja der Grund, warum Marc aufgehört hat. Also Tim und Manuel sind auch dabei. Wäre schön, wenn Lukas, Leif und du auch mitkommen würdet.“
Jetzt war ich aber wirklich überrascht. Ich musste einen Moment schlucken, aber dann erwiderte ich:
„Wenn wir dafür von der Schule frei bekommen und sie alle mitwollen, warum nicht. Dann kommt Papa nicht auf die Idee, wieder als Rennfahrer einzusteigen.“
Dabei mussten wir beide laut lachen. Ich wusste, das würde Papa nicht machen. Aber es war ein netter Spruch.
Die Zeit lief voran und irgendwann lief mir Lukas über den Weg. Er sah richtig fertig aus. Wir hatten hier wirklich viel zu tun und Lukas hatte sich mit Tim ums Essen gekümmert. Wir wollten grillen und hatten aber alle Beilagen von einem Caterer bringen lassen. Auch das Fleisch war von unserer Hausfleischerei geliefert worden. Dort hatten sich ja Papa und Lucien kennengelernt.
„Hi Schatz, du siehst aber richtig gestresst aus. Komm lass uns mal was trinken gehen.“
Ich nahm Lukas nun an die Hand und wir gingen kurz ins Haus. Dort trafen wir Manuel. Wir nahmen uns eine Cola und setzten uns einen Moment hin.
„Kann das eigentlich sein, dass Papa und Sabine sich gut verstehen? Lucien jedenfalls scheint Papa sehr zu mögen. So, wie der sich verändert hat. Er ist viel selbstbewusster und fröhlicher geworden seit er mit Papa trainiert. Und Papa hat sich in letzter Zeit immer häufiger mit Sabine getroffen.“
Ich wusste, was Lukas damit sagen wollte. Ich hatte es auch bereits bemerkt. Ich spürte aber auch bei mir ein gewisses Unbehagen. Wie würde ich das finden, wenn Papa nach so vielen Jahren jetzt doch wieder eine neue Partnerin finden würde. Aber freuen würde ich mich für Papa sicherlich.
„Ja, du hast schon Recht. Ich weiß es nicht, ob sich da was anbahnt. Lasst uns abwarten. Ich bin mir ganz sicher, Papa würde sowas nicht angehen, ohne mit uns zu sprechen. Also schauen wir mal. Ich glaube, wir sollten jetzt mal die letzten Vorbereitungen für heute treffen.“
Lukas gab mir Recht indem er mir einen Kuss gab und mich umarmte. Das war die schönste Zustimmung, die ich mir wünschen konnte.
„Also ich finde sowohl Lucien super nett als auch seine Mutter. Ich glaube, wir würden gut zusammen klarkommen.“
Ich schaute ihn an und wir drei lachten dann darüber. Aber er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.
Heute waren wirklich alle Freunde gekommen, die wir im letzten Jahr kennengelernt hatten. Ich hatte dementsprechend heute so viel zu tun, dass ich noch keine Gelegenheit hatte, alle zu begrüßen. Besonders freute mich, dass Manuel mit seiner Mutter hier sein konnte. Wir sahen uns leider nicht mehr so häufig, aber er war sehr glücklich über den Job als Rennmechaniker. Er hatte uns auch schon mal eingeladen, ihn zu einem Rennen zu begleiten, aber wir wollten das noch nicht. Ich hatte einfach das Gefühl, dass es Papa sehr schwer fallen würde, uns alleine zu einem Rennen fahren zu lassen. Er wollte jedenfalls noch nicht wieder dorthin. Tommy hatte immer noch eine kleine Schiene. Das Handgelenk war noch nicht wieder voll belastbar. Ich hatte schon ein paar Mal beobachtet, wie er mit Nico zusammen in einer Ecke stand und sie sich küssten. Leif war noch nicht hier. Wir wollten dadurch verhindern, dass Papa zu viel Verdacht schöpfen würde. Benny kam gerade mit Marcel gemeinsam an. Was mich allerdings wunderte, beide hatten sichtlich exzellente Laune. Sie begrüßten uns mit einer herzlichen Umarmung. Benny wollte sich heute mit Marcel und Leif um die Theke kümmern. Sie begannen auch sofort damit, die Kühlung mit Getränken aufzufüllen. Das Bier hatten Tims Eltern schon gestern kalt gestellt. Irgendwann kam Tom zu mir. Mika war auch bei ihm und Tom sprach mich an:
„Hi Mick, sieht ja schon gut aus. Du hast alles im Griff?“
„Ach Tom, momentan ist es alles etwas hektisch, aber ja, alles im Griff.“
„Schön, dann habe ich jetzt aber auch noch eine Bitte. Ich möchte Marc nachher mit einer weiteren persönlichen Sache überraschen. Wenn ich das Auto in die Einfahrt gefahren habe, möchte Mika Marc etwas sagen. Er will euch alle zu einem schönen Urlaub zu uns nach Dänemark einladen. Damals hatten wir das ja in Spa besprochen, leider kam dann der Unfall dazwischen, aber Mika möchte euch alle zu seinem Geburtstag einladen. Also dich, Lukas, Tommy, Nico und Leif. Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr zu uns kommt.“
„Cool, ich freue mich wirklich über diese Einladung. Papa wird sicher damit einverstanden sein. Er hatte schon mal davon gesprochen, euch zu besuchen. Das wird bestimmt lustig.“
Ich sah allerdings auch, dass die Zeit schon recht weit fortgeschritten war. Wir hatten nur noch wenig Zeit. Ich bekam aber von Tom die Info, dass das Auto fertig vorbereitet war und der Truck bereits woanders geparkt wurde. Tom würde mit Wolfgang um sechs Uhr die Katze aus dem Sack lassen. Tom verabschiedete sich schon mal und ging mit Wolfgang zum Treffpunkt. Ich wollte mich schnell noch duschen und umziehen. Ich hatte das mit Tim bereits geklärt und so gingen Lukas und ich ins Haus und wir hatten jetzt noch einmal Gelegenheit, alles durchzusprechen. Ich spürte, Lukas war sehr aufgeregt. Ich hatte so ein Glück mit diesem Jungen. Ich wollte ihn niemals hergeben. Was er für eine Entwicklung gemacht hatte, war einfach klasse.
„Du Mick, ich möchte dich um etwas bitten. Ich würde gerne nachher auch etwas für alle sagen. Ich finde, Papa hat es verdient, auch von mir eine kleine Überraschung zu bekommen.“
„Hey, was hast du dir denn ausgedacht?“
„Sorry, ist noch ein Geheimnis. Du wirst sicher auch überrascht sein.“
Jetzt war ich aber gespannt. Die Zeit lief und wir beeilten uns mit dem Duschen. Um kurz vor halb sechs waren wir im Garten und warteten auf die weiteren Gäste.
Marc: Was für eine Grillparty
Tim führte uns direkt an die Theke und wir bekamen einen Begrüßungscocktail. Ich war sichtlich überrascht, sie hatten auch daran gedacht, einige alkoholfreie Cocktails anzubieten. Benny stand mit Marcel hinter der Theke und wir stießen mit sehr leckeren Cocktails an. Ich hatte mittlerweile einen Rundblick gemacht und hatte eigentlich alle bekannten Gesichter gesehen. Nur fiel mir auf, dass Leif noch nicht da war, Stefanie fehlte auch noch und ich hatte einen kleinen blonden Jungen entdeckt. Der wiederum ließ mich stutzen. Ich hätte schwören können, dass das Mika war. Der Sohn von meinem ehemaligen Teamkollegen und Freund Tom. Das konnte aber eigentlich nicht sein. Oder doch? Bevor ich darüber weiter nachdenken konnte, wurde ich von hinten umarmt und stürmisch begrüßt.
„Hallo Papa, herzlich willkommen auf deiner Grillparty.“
Er gab mir einen Kuss und dann sah ich Stefanie hinter ihm stehen. Ich ging auf sie zu und umarmte sie ebenfalls zur Begrüßung. Damit hatte sie wohl nicht gerechnet, denn sie war sichtlich überrascht.
„Schön, dass du mitgekommen bist. Leif wird sich bestimmt freuen.“
Ich sah jetzt, wie Leif schon hinter die Theke gegangen war und dort einige Getränke zubereitete. Er gab seiner Freundin und sich selber ein Glas. Dann prosteten wir uns zu. Tims Eltern kamen zu uns, sie hatten Manuels Mutter auch dabei. Die nächsten Minuten bestanden jedenfalls daraus, ganz viele Leute zu begrüßen. Dann sah ich wieder den kleinen blonden Jungen. Ich schaute wohl etwas zu auffällig, denn plötzlich ging Mick auf ihn zu und sie kamen zu mir. Es war tatsächlich Mika. Ich wusste jetzt, hier würde heute etwas ganz Besonderes stattfinden. Mika lief auf mich zu und sprang mir um den Hals.
„Hallo Mika, das ist ja eine Überraschung. Hast du Tom auch mitgebracht oder bist du etwa allein hier?“
Er grinste nur und dann hörte ich, wie plötzlich ein Grollen immer näher kam. Dieses Geräusch kam mir irgendwie bekannt vor. Ich konnte es aber nicht glauben. Bevor ich nur eine Sekunde länger nachdenken konnte, bewegten sich alle Richtung Einfahrt. Ich wurde von Mika einfach am Arm mitgezogen. Dann wurde es richtig laut und ich traute meinen Augen nicht. Da kam tatsächlich unser R18 Rennwagen die Straße hinauf und bog auf die Einfahrt. Ich war total perplex, konnte aber erkennen, dass zwei Personen im Auto saßen. Die Beifahrertür ging zuerst auf. Wer stieg denn da aus? Das darf doch nicht wahr sein, ich glaubte zu träumen. Mein alter Chef Wolfgang persönlich stieg aus dem Rennwagen und kam grinsend auf mich zu.
„Hallo Marc, schön dich gesund wieder zu sehen. Ich habe dir noch jemanden mitgebracht.“
Er drehte sich um, und gab ein Zeichen. Jetzt öffnete sich auch die Fahrertür und Tom stieg aus. Er kam mit dem breitesten Grinsen im Gesicht, dass man sich vorstellen konnte auf mich zu. Wir umarmten uns sehr herzlich.
„Hallo Marc, wie schön, dich hier gesund zu treffen. Hoffentlich ist uns diese Überraschung gelungen.“
Fast sprachlos antwortete ich:
„Allerdings, es wäre fast noch schlimmer gewesen, wenn ich nicht vorher schon Mika entdeckt hätte. Aber dass Wolfgang auch hier ist, unglaublich.“
Was ich in der Aufregung allerdings nicht bemerkt hatte, war, dass fast alle Gäste jetzt vor dem Haus standen. Dann hob Tom einen Arm und es wurde ganz still. Er gab Wolfgang ein Zeichen und dann begann Wolfgang zu reden.
„Lieber Marc, leider hatte dein letztes Rennen in Le Mans ein unschönes Ende gefunden. Es wurde zu einem Desaster, sogar deine Söhne mussten kommen und sich vergewissern, dass du wieder gesund wirst. Gott sei Dank bist du wieder völlig gesund und wie ich gehört habe, hatte dein Sohn Lukas dir gehörig in den Hintern getreten. Jedenfalls hast du dich entschieden, den aktiven Rennsport sofort aufzugeben. Ich fand das sehr schade, aber ich respektiere das, deine Kinder haben es verdient, dass du nur für sie da sein willst. Allerdings waren alle im Team der Meinung, so kann es nicht vorbei sein. Tom hatte dann vor einem Monat diese Idee.“
Jetzt gab er an Tom das Wort weiter. Ich wusste im Moment noch nicht so wirklich, was jetzt kommen würde. Es war einfach so unfassbar.
„Also Marc, wir beide haben damals viel über deine Kinder gesprochen und dass du ein paar Sorgen hattest. Immer waren sie alleine und du konntest nicht für sie da sein. Jetzt, nachdem du viel Zeit für deine Kinder hattest, waren deine Kinder mal der Meinung, sie wollten für dich etwas tun. Deshalb heute diese Party nur für dich. Wie es sich für gute Gäste gehört, haben wir natürlich auch ein Gastgeschenk mitgebracht.“
Wolfgang ging wieder zu dem Rennfahrzeug und holte etwas aus ihm heraus. Es war mein Helm, den ich bei dem Unfall in Le Mans getragen hatte. Er kam auf mich zu und übergab ihn mir. Ich war echt gerührt. Allerdings war das noch nicht alles.
„Wir finden, eine derart einzigartige Karriere als Rennfahrer darf nicht mit einem Unfall enden. Wir wollen, dass du mit diesem Auto und deinem Team das letzte Rennen der Saison in Sao Paolo fahren sollst. Es soll ein würdiges Abschiedsrennen werden. Und damit du erst gar nicht auf komische Ideen kommst, haben wir natürlich bereits die Erlaubnis deiner Kinder eingeholt. Sie werden dich selbstverständlich begleiten und dabei sein.“
Es brach jetzt richtig Jubel aus. Alle applaudierten und jubelten. Ich einfach nur sprachlos. Mick, Lukas und Leif kamen nun auf mich zu, umarmten mich und ich war wirklich den Tränen nahe. Damit hatte ich absolut nicht gerechnet. Wolfgang bat nun um Ruhe. Ich war also jetzt gefragt.
„Leute, ihr seid total verrückt. Ich bin sprachlos. Aber gut, wenn meine Kinder ihr ok gegeben haben, muss ich wohl ja sagen. Vielen, vielen Dank jedenfalls für diese gelungene Überraschung.“
Plötzlich meinte Wolfgang: „Also damit wir auch sicher sind, dass du nicht eingerostet bist, möchte ich jetzt eine Runde mit dem Gerät sehen.“ Alle jubelten und ich musste wohl wirklich in das Auto steigen. Ich fuhr vorsichtig rückwärts aus der Einfahrt und fuhr mit qualmenden Reifen ein paar Donuts auf der Straße. Als ich das Auto zurück in der Einfahrt hatte, zeigten Wolfgang und Tom mit dem Daumen nach oben. Ich stieg aus und sagte dann:
„Also seid ihr der Meinung ich kanns noch?“
Diese Frage wurde mit einem von allen gerufenen „Ja“ beantwortet. Damit war die Party dann richtig eröffnet. Wir ließen es uns jedenfalls richtig gut gehen. Ich stand immer wieder mit Tom bei meinen Jungs und wir redeten viel über dieses eine Rennen in Le Mans. Tom war mit unserem Team immer noch im Rennen um den WM-Titel. Wir aßen sehr reichhaltig und nach einer weiteren Stunde begann der DJ wirklich gute Musik aufzulegen. Jedenfalls kam Sabine dann auf die verrückte Idee, mich zum Tanzen zu entführen. Das war noch nie so mein Ding, allerdings mit ihr machte es doch riesigen Spaß. Das Zelt war gut gefüllt, die Leute tanzten, die Stimmung war toll. Plötzlich verstummte die Musik und ich sah, dass Tim nun das Mikrofon in der Hand hielt. Er wollte wohl etwas sagen.
„So Leute, nachdem die erste Überraschung nun vorbei ist und wir alle schon ein wenig Nahrung aufgenommen haben, möchte ich eine weitere Überraschung des Abends kundtun. Marc, diesmal bist du nicht direkt betroffen.“
Das fand ich sehr beruhigend. Noch mehr derartiger Überraschungen wären schlecht für meinen Blutdruck.
„Ich möchte nämlich meinen Manuel mal hier nach vorne bitten.“
Es herrschte nun eine gespannte Stille. Alle Augen waren auf Manuel gerichtet, der sichtlich verunsichert zu Tim ging.
„Wie ihr ja alle wisst, ist Manuel dank Marcs Engagement ein toller Rennmechaniker geworden und macht wirklich, wie ich hörte, einen guten Job. Dadurch habe ich zwar das Problem, ihn nicht mehr so oft an meiner Seite zu haben ...“ (es gab allgemein leises Gelächter dabei) „... aber mir ist klar geworden, ich will dich niemals wieder hergeben und freu mich, dass du dort glücklich bist. Ich bin jetzt absolut sicher geworden und deshalb möchte ich dich vor allen Anwesenden hier fragen, ob du mich heiraten willst?“
Was jetzt folgte, war eine gespenstige Stille. Damit hatte niemand gerechnet. Ich konnte es auch an den Gesichtern von beiden Eltern der Jungs sehen. Sie wussten von nichts. Manuel liefen die Tränen, aber nach einigen Sekunden nahm er das Mikro und wir hörten alle, folgende Worte:
„Ich bin gar nicht in der Lage, dafür Worte zu finden, aber ich sage ganz klar: Ja, ich will dich, Tim!“
Dann fielen sie sich in die Arme und alle riefen: „Kuss, Kuss, Kuss!“
Das taten sie dann auch sehr ausgiebig. Jubel brach von allen Seiten aus und jetzt hatten sich auch die Eltern so weit gefangen, dass sie den beiden gratulierten und sich freuten. Wie ich später erfuhr, sollten Mick und Lukas die Trauzeugen sein. Das war für mich ein tolles Gefühl.
Nun wurde für die beiden eine spezielle Musik gespielt und die beiden legten eine richtig flotte Sohle aufs Parkett. Alle schauten ihnen zu. Es war wirklich eine tolle Show. Ich stand mit Sabine, Lucien und meinen Jungs am Rand. Als der Tanz zu Ende war, nahm sich Tom das Mikro und bat um einen weiteren Moment Aufmerksamkeit. Irgendwie nahm das mit den Überraschungen kein Ende. Was sollte denn noch alles kommen.
„Nachdem wir Marc wieder zur Arbeit verpflichtet haben“, begann Tom seine Ansprache, „müssen wir ja auch für den passenden Erholungsausgleich sorgen. Mein Sohn Mika und auch Lukas haben dazu etwas mitzuteilen.“
Mika stand schon neben Tom und Lukas stellte sich jetzt neben ihn. Ich schaute ziemlich blöd aus der Wäsche. Mick grinste mich an, was jetzt wohl kommen würde?
„Lieber Marc, in Spa hast du dich während des Rennens auch immer um uns Kiddies gekümmert. Das fanden wir wirklich toll. Papa und ich möchten euch deshalb alle nach Dänemark einladen. Ihr sollt bei uns zwei Wochen Urlaub machen. Im Sommer war uns ja dein Unfall dazwischen gekommen. Du bist mit allen Kindern und deren Anhang bei uns eingeladen, aber Lukas hat hier auch noch eine Kleinigkeit für dich.“
Damit übergab er das Mikro an meinen Lukas. Ich konnte das alles fast schon nicht mehr behalten, so viele Überraschungen hatte ich schon bekommen.
„Damit du nicht völlig einrostest, habe ich nun auch noch eine Kleinigkeit für dich. Du hast ja mal gesagt, dass du einen Traum hast, den du unbedingt noch machen willst.“
Ich bekam es jetzt mit der Angst zu tun, er würde doch jetzt nicht etwa ankündigen, sich überwinden zu wollen, mit mir ein Rennen zu fahren?
„Ich habe in der Vorbereitung dieser Party mit Wolfgang gesprochen und er hat mir zugesagt, dass wir im nächsten Jahr mit einem GT3 R8 Ultra gemeinsam das 24-Stunden-Rennen auf der Nordschleife fahren dürfen. Damit du nicht unter ferner liefen mitfahren musst, hat sich Tom bereit erklärt, uns auf diesem Auto zu unterstützen. Mick und ich werden bis dahin genug Zeit haben, mit dir zu trainieren. Ich möchte auf diesem Wege einmal Danke sagen für alles, was du bislang für mich getan hast. Du bist derjenige, der mir meinen Lebensmut zurückgegeben hat. Du hast mich in deine Familie aufgenommen, einfach so, ohne Vorbedingungen. Ich möchte hier sagen, du hast mich wieder zu einem glücklichen Menschen gemacht. Vielen Dank dafür!“
Mir standen die Tränen in den Augen. Ich wusste wirklich nicht, was mir geschah. Neben mir stand Mick und er nahm mich in den Arm und meinte dann:
„Papa, ich glaube, du solltest jetzt auch ein paar Worte sagen.“
Ich nickte und ging mit einem großen Kloß im Hals auf Lukas zu, umarmte ihn und musste mich einen Moment sammeln.
„Also, liebe Leute, ich weiß einfach gar nicht, was hier gerade passiert. Vielen Dank für diese gelungene „Surprise Party“. Ich bin einfach platt. Ich werde wohl dann mit euch trainieren müssen, wenn ihr das schon so organisiert habt, kann ich ja nicht mehr kneifen. Ich freue mich wirklich Lukas, dass gerade du mit mir das wirklich machen willst. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie stolz ich gerade auf euch bin. Bevor ihr alle verdurstet, lasst uns nun einfach wieder zum Feiern übergehen.“
Ich bat nun noch alle meine Kinder zu mir und ich musste einfach alle umarmen. Irgendwann war es dann auch so weit und wir standen wieder im Zelt. Es wurde noch eine lange Nacht. Sabine hatte es sogar geschafft, mich einige Male auf die Tanzfläche zu befördern. Wir hatten noch sehr viel Spaß bis zum Morgengrauen. Ich war seit ganz langer Zeit unglaublich glücklich, so tolle Kinder und Freunde zu haben. Und Mick hatte dann um Mitternacht noch eine Überraschung für seinen Lukas. Zum Einjährigen hatte er Verlobungsringe besorgt und das bedeutete, ich hatte Recht behalten. Wenn beide volljährig sein würden, stand eine weitere Heirat an.
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