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The race is over

Teil 6

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Inhaltsverzeichnis

Marc: Projektplanung

Die ersten Tage nach unserer Rückkehr waren für die Jungs sehr anstrengend. Sie mussten gleich wieder früh raus und zur Schule. Ich hingegen konnte das Ganze ein wenig ruhiger angehen. Allerdings standen einige Projekte an.

Zum einen musste ich die Geschichte mit Karl Geiger voranbringen, dann stand ganz oben auf meiner Liste die Fahrt nach Deutschland in die Heimat von Lukas. Das wollte ich eigentlich mit einem Besuch bei Marcels Familie und Bennys Vater verbinden. Wenn wir schon nach Deutschland fahren, würde sich das anbieten. Allerdings hatte ich das Problem, wie sollte das mit der Schule in Einklang gebracht werden? An einem Wochenende war das nicht zu machen. Ich entschied mich deshalb, an einem Wochenende in Lukas Heimat zu fahren. Mit allen gemeinsam, auch Sabine und Lucien sollten da mitkommen.

An einem weiteren Wochenende wollte ich Marcels und Bennys Familie besuchen. Das würde ich nur mit Mick und Lukas machen. Da konnte ich auch bereits den Freitag schon nutzen. Die großen Jungs waren so gut in der Schule, dass das keine Probleme geben würde. Gerade für Leif und Lucien war es jetzt ganz wichtig, so wenig Unterricht wie möglich zu verpassen.

Ein großes Projekt konnte ich an Sabine abgeben. Die Vorbereitungen für die große Geburtstagsfeier von Mick und Lukas. Sie hatte alle Fäden in der Hand und ich brauchte nur das eine oder andere für sie zu erledigen, aber sie hatte die Planung komplett in ihrer Hand. Da wusste ich, dass diese Feier ein besonderes Ereignis werden würde.

An dem Freitag der ersten Woche nach Sao Paulo saß ich morgens zeitungslesend in der Küche, als mein Handy klingelte.

„Steevens“, meldete ich mich.

„Karl Geiger, München. Schönen guten Morgen Herr Steevens. Ich hoffe, sie hatten eine gute Woche.“

„Hallo Herr Geiger, danke ja. Was gibt es Neues aus der Werkstatt?“

„Ihr Caddie ist hier wohlbehalten angekommen und wir sind gerade dabei, das Bowlergetriebe für den Einbau vorzubereiten. Es gibt aber ein kleines Problem.“

„Oha, was liegt denn an?“

„Wir haben uns das alles genau angesehen, dabei ist aufgefallen, dass auch der Wandler ausgetauscht werden muss. Er ist zwar noch in der Toleranz, aber durch die hohe Leistung würde es nicht lange dauern, dass dieser auch kaputt geht.“

„Ok, kann ich nachvollziehen. Da wäre es echt blöd wieder alles auseinandernehmen zu müssen.“

„Genau das ist das Problem. Deshalb meine Frage, sollen wir das jetzt gleich mit austauschen?“

„Ja, macht absolut Sinn. Tauscht das gleich mit. Dann ist Ruhe für längere Zeit.“

„Sehr gut. Sie verstehen was von Technik, Herr Steevens. Sie könnten dann Ende der nächsten Woche nach München kommen und den Caddie abholen. Dann können wir uns auch das Problem mit dem GT ansehen.“

„Ja, ist in Ordnung. Ich würde dann am Freitag nach München kommen und bis Sonntag bleiben. Würden sie mir einen Gefallen tun und mir für zwei Personen ein Hotelzimmer in der Nähe besorgen?“

„Selbstverständlich. Wir kümmern uns darum. Ich freue mich, sie persönlich kennenzulernen. Es ist schön, mal wieder etwas Benzin zu reden.“

Ich musste lachen, Karl Geiger war wie immer gut gelaunt und es machte Spaß, sich mit ihm zu unterhalten. Das würde bestimmt ein lustiges Wochenende werden.

„Vielen Dank, ich maile ihnen dann noch meine genaue Ankunft. Aber rechnen sie mit spätem Nachmittag. Wir brauchen etwa 4 Stunden und ich kann erst gegen Mittag hier losfahren, weil der Junge noch Schule hat.“

„Ist kein Problem. Ich werde meinem Spezialisten sagen, dass er sich an dem Wochenende etwas mehr Zeit nehmen soll.“

Wir plauderten noch einige Minuten über das Rennen in Sao Paulo und zum Schluss wünschten wir uns ein schönes Wochenende und legten auf.

Damit ich das nicht vergessen würde, suchte ich sofort schon einmal die Papiere für den GT heraus. Es klingelte an der Haustür. Ich stutzte, nahm die Papiere und ging zur Tür.

„Hallo Sabine, mit dir habe ich ja gar nicht gerechnet.“

Sie lachte und wir umarmten uns zur Begrüßung. Sie gab mir noch einen Kuss und dann gingen wir in die Küche.

„Was führt dich zu mir? Entschuldige, aber ich habe nichts vorbereitet.“

„Alles kein Problem. Ich habe ein Anliegen. Du weißt ja, dass ich wieder halbtags arbeite, seit es Lucien besser geht. Jetzt hat mir mein Chef ein Angebot gemacht, mehr arbeiten zu können. Ich weiß aber nicht, ob ich das machen soll. Ich will nicht, dass Luc das Gefühl bekommt, er ist mir nicht mehr so wichtig.“

„Für mich eine klare Antwort, mach das, wenn du das möchtest. Luc wird älter und selbstständiger. Er braucht dich nicht mehr rund um die Uhr. Außerdem bin ich auch noch da. Also wenn du Spaß an der Arbeit hast, mach das. Außerdem würde euch das mehr finanzielle Unabhängigkeit geben.“

Sie schaute mich sehr zweifelnd an.

„Glaubst du, Luc würde das verstehen? Ich will, dass es ihm gut geht. Ich habe so schlimme Zeiten mit ihm gehabt. Er hat schon so viel gelitten. Das Schlimme daran ist, er würde es mir nicht einmal sagen, wenn es ihm nicht passt. Er würde sich meinetwegen zurücknehmen. Das will ich auf keinen Fall.“

„Mach dir keine zu großen Sorgen. Ich glaube, es wird euch beiden gut tun. Du bekommst mehr Aufgaben und mehr finanzielle Freiheiten, er wird selbstständiger werden müssen. Auch für ihn wird das gut sein. Außerdem habt ihr doch Freunde, die auch etwas Verantwortung tragen können. Wenn du möchtest, spreche ich mal mit ihm darüber. Mir sagt er vielleicht eher, was er fühlt und möchte. Gerade wenn es etwas wäre, was du nicht gut finden würdest.“

Sie beobachtete mich genau, überlegte einen Moment und sagte dann einen tollen Satz.

„Weißt du Marc, wenn du Luc damals nicht getroffen hättest, wer weiß, was heute wäre. Du hast schon so viel für uns getan. Aber ich glaube, dass du wieder einmal Recht hast.“

Sie stand auf und wir umarmten und küssten uns und begannen zu lachen. Nach einem Moment fasste ich einen Entschluss. Ich wollte Sabine etwas zeigen.

„Kommst du bitte mal mit. Ich möchte dir etwas zeigen.“

Ich ging aus der Küche und sie folgte mir.

„Was hast du jetzt wieder vor? Hast du wieder etwas umgebaut?“

„Nein, noch nicht. Aber ich plane bereits einen Umbau. Dafür brauche ich deinen Rat und deine Verschwiegenheit.“

Sabine war wie versteinert. Sie verstand erst nach einem kleinen Moment, was ich gesagt hatte.

„Also gut. Ich bin wie immer deine Mitstreiterin. Was hast du vor.“

Wir standen im Gästezimmer und ich wollte ihr nun meine Idee erklären.

„Schau mal. Ich habe vor, dieses Zimmer neu zu gestalten. Ich möchte das Fenster durch eine Tür in den Garten ersetzen und ein größeres Fenster einbauen. Dann soll vor dem Fenster eine kleine Terrasse entstehen. Hier möchte ich die eine Wand versetzen und ein kleines Bad einbauen. Dann wird zwar das Wohnzimmer etwas kleiner, aber ich denke das ist zu verkraften.“

Sie stutzte, fragte sofort:

„Warum willst du das Gästezimmer so aufwendig umbauen? So oft hast du doch gar keine Gäste mehr.“

„Genau deswegen. Ich möchte dieses Zimmer zweckentfremden. Es soll kein Gästezimmer mehr sein, es soll ein weiteres Kinderzimmer werden.“

Jetzt hatte ich Sabine vollständig geschockt. Sie begriff gar nichts mehr. Ich musste mich zusammennehmen, um nicht laut zu lachen. Sie sah einfach zu komisch aus.

„Ich verstehe das jetzt nicht. Wofür brauchst du ein zusätzliches Kinderzimmer. Und dann dafür so einen Aufwand.“

„Vielleicht setzt du dich erst einmal. Ich erkläre es dir dann. Ich möchte nicht, dass du hier in Ohnmacht fällst.“

Wir grinsten uns beide an, sie wusste, ich hatte etwas geplant und sie hatte davon keinen Schimmer. Also setzte sie sich in den Sessel im Gästezimmer.

„Schieß los, du scheinst ja schon genau zu wissen, was hier laufen soll.“

„Ja, Sabine, ich möchte, dass das hier Lucs neues Zimmer wird. Ich möchte, dass ihr beide hier einzieht. Ich liebe dich und ich will mit euch gemeinsam unsere Zukunft verbringen.“

Das hatte gesessen. Sie war sprachlos. Das hatte es noch nicht oft gegeben, dass Sabine nicht mehr wusste, was sie sagen sollte.

„Meinst du das ernst? Weißt du, was du da tust? Du willst, dass wir hier einziehen?“

Sie hatte sich mittlerweile etwas gefangen und stand direkt vor mir. Ein Strahlen kam auf ihr Gesicht, sie fiel mir förmlich um den Hals und fing an zu weinen. Ich war verblüfft und hielt sie fest in meinen Armen.

„Soll ich das jetzt als Zustimmung werten? Ich würde mich sehr freuen.“

„Marc, du würdest damit für Luc einen Traum erfüllen. Er wünscht sich nichts sehnlicher, dich als Vater zu haben. Wenn du ihm das erzählst, wird er ausflippen. Ich möchte deshalb, sage es ihm noch nicht. Aber ich freue mich sehr. Ich liebe dich auch und werde gerne mit dir zusammen leben und in die Zukunft schauen.“

Es war toll. Ich hatte es endlich geschafft, Sabine meine Gefühle zu zeigen und ihr zu sagen, was ich mir wünschen würde. Das Tollste war dabei, sie war einverstanden und fühlte es genauso wie ich.

„Marc, wann willst du das denn mit dem Umbau machen? Ich meine, was sollen wir den Jungs denn erzählen?“

„Ich habe vor, damit bereits in der nächsten Woche zu beginnen. Wir sagen den Jungs genau das. Ich baue das Gästezimmer um. Dass ihr dann bald hier einzieht, müssen sie noch nicht wissen. Vor allem Luc sollte das noch nicht wissen. Es würde ihn nur noch unruhiger werden lassen. Ich werde vermutlich Mick und Lukas erklären, wie ich mir das vorstelle, damit sie wissen, was wie gebaut werden soll. Sabine, ich habe es schon so lange vor mir hergeschoben. Ich liebe dich einfach und will nicht mehr allein leben. Jetzt habe ich Zeit für eine Beziehung und du bist für mich wie ein Fels in der Brandung.“

Ich genoss ihre Nähe und wir hatten einen tollen Vormittag.

Sabine fuhr gegen ein Uhr nach Hause und sie hatte mir versprochen, zuerst mit Luc zu sprechen, wegen der Arbeitssituation. Ich wollte das kommende Wochenende in München nutzen, mit Lucien darüber zu sprechen. So lange wollte Sabine die Entscheidung noch abwarten. Sollte ihr Arbeitgeber eine schnellere Entscheidung brauchen, werde ich vorher mit ihm sprechen.

Meine großen Jungs sollten erst am Nachmittag nach Hause kommen. Nur Leif würde schon gegen zwei kommen. Er hatte eine harte Woche hinter sich. Die Zeitumstellung machte ihm anscheinend mehr zu schaffen. Er war die letzten Tage oft gereizt und schlecht gelaunt. Meine Idee für heute war, ihn mit seinem Lieblingsessen zu überraschen. Ich wollte mir für ihn Zeit nehmen, um in Ruhe reden zu können. Ich hatte jetzt also noch eine Stunde für die Essensvorbereitung.

Es dauerte nicht lange und es duftete schon nach Basilikum und Pesto. Leif war, wie ich, ein absoluter Pasta Freund. Heute hatte ich selbstgemachte Spätzle mit Chili Bolognese gemacht. Ich hatte gleich eine größere Menge gemacht, denn auch die großen Jungs mochten das. Warum also nicht für alle kochen?

Ich lag gut in der Zeit, nur den Salat musste ich noch durchmischen, als ich Leif ins Haus kommen hörte. Sein Rucksack flog, wie immer, recht schwungvoll in sein Zimmer, dann kam er zu mir in die Küche.

„Oh, hallo Papa. Das riecht aber gut hier. Toll, du hast mal wieder selbst gekocht.“

Dabei umarmte er mich sehr herzlich. Ich streichelte ihm durch die Haare und so machten wir noch gemeinsam die letzten Vorbereitungen.

Das Essen war anscheinend zu seiner Zufriedenheit, denn er nahm sich zweimal Nachschlag. Das war doch recht ungewöhnlich, gerade in den letzten Tagen, hatte er sehr wenig gegessen.

„Hey, Kleiner, ist heute etwas Besonderes? So viel hast du die ganze Woche nicht gegessen.“

Er schaute mich an und einerseits kam ein Lächeln in sein Gesicht, aber andererseits spürte ich, dass irgendetwas nicht stimmte. Wir saßen noch bei einer heißen Schokolade zum Nachtisch am Tisch, als er ein Gespräch begann.

„Papa, ich habe eine Frage. Aber das könnte länger dauern. Hast du jetzt Zeit für mich?“

Ich schaute ziemlich verwundert, eigentlich musste er wissen, dass ich immer Zeit haben würde, wenn er mich brauchte.

„Leif, was ist das für eine Frage? Natürlich habe ich für dich Zeit. Sollen wir hier bleiben oder ins Wohnzimmer gehen?“

„Nein, lass uns hierbleiben.“

Ich goss uns noch einmal Kakao nach und dann ließ ich ihn erzählen.

„Papa, ich weiß nicht mehr, was ich noch machen soll. Stefanie bedrängt mich immer mehr, mit ihr intim zu werden.“

Er wurde sehr unruhig und es war ihm sichtlich unangenehm, aber der Druck war doch schon so unerträglich geworden, dass er mich einweihen wollte.

„Ich will das aber noch nicht. Ich finde es viel schöner, nur mit ihr zusammen zu sein und mit ihr zu reden. Ich mag sie, aber sie ist mehr ein guter Freund für mich. Ich habe noch keinen Drang, mit ihr zu schlafen. Sie will mich aber in letzter Zeit immer wieder überreden. Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll. Sie versteht einfach nicht, dass mir das unangenehm ist, wenn sie mich da streichelt oder anfasst. Auch wenn ich sie da anfassen soll, ist mir das unangenehm. Papa, bin ich da nicht normal? Sie sagt, ich soll nicht so verklemmt sein. Ich finde aber, ich bin nicht verklemmt. Mit Tommy und Nico rede ich doch auch über Sex und Selbstbefriedigung. Ich will einfach noch nicht mit ihr zusammen so etwas machen. Ist das so schlimm?“

Ich konnte mich kaum beherrschen. Wut kam in mir hoch. Was bildete sich dieses Mädchen eigentlich ein? Leif war am Boden zerstört und wusste keinen anderen Rat mehr, als mit mir über alles zu reden. Das musste ihn eine große Überwindung gekostet haben, vor allem, als er mir von den gemeinsamen Erfahrungen mit Tommy und Nico berichtete.

Zuerst stellte ich meinen Kakao ab, dann schaute ich mir meinen Sohn ganz genau an. Ich fühlte mit ihm und war sehr wütend.

„Leif, ich bin froh und sehr stolz auf dich. Dass du mit diesem Problem zu mir kommst, ist etwas ganz besonderes.“

Er schaute mich fragend an. Ihm ein Zeichen gebend, mir ins Wohnzimmer zu folgen, stand ich auf. Wir setzten uns gemeinsam auf die große Couch und er lehnte sich an meine Brust. Das hatte er schon lange nicht mehr gemacht.

„Leif, eines ist mir ganz wichtig vorab. Du bist ganz sicher vollkommen normal und sollst dir keine Gedanken darüber machen, ob das richtig ist, was du möchtest, beziehungsweise was du nicht möchtest.“

Er nickte nur stumm, seine Augen wurden feucht. Ich streichelte ihm sanft durch seine Haare.

„Papa, ich muss dir noch etwas sagen. Ich glaube, ich habe einen Fehler gemacht.“

Als Leif das sagte, kam in mir ein ganz flaues Gefühl hoch, er hatte doch nicht etwa in seiner Verzweiflung Stefanie geschlagen? Ich ließ ihn reden.

„Ich habe am Dienstag nicht mehr gewusst, was ich tun sollte. Ich war so wütend, dass ich sie angeschrien habe, sie soll mich in Ruhe lassen. Danach bin ich abgehauen und habe auch seit dem nicht mehr mit ihr gesprochen.“

Jetzt brach alles aus ihm heraus, er weinte bitterlich und schämte sich für sein Verhalten.

„Es ist gut, Leif. Ich bin bei dir und ich verstehe deine Wut und auch deine Traurigkeit. Das tut weh, wenn derjenige, den man eigentlich sehr mag, so wenig Verständnis für deine Bedürfnisse hat. Ich glaube aber, du hast dich richtig verhalten. Du hast für dich entschieden, diese Situation willst du nicht länger ertragen und bist gegangen. Ich bin echt stolz auf dich.“

Er sah mich aus seinen tränengefüllten Augen an und seine Verwirrung war deutlich spürbar.

„Weißt du, manchmal ist es einfach besser, auch mal einen richtigen Streit auszufechten, bevor man etwas tut, was man absolut nicht möchte. Wenn es so ist, dass du für dich spürst, du willst noch keine sexuelle Beziehung, dann musst du das auch so tun. Entweder sie akzeptiert das und unterstützt dich dabei, oder es macht im Moment einfach keinen Sinn, dass du mit ihr zusammen bist. Also geht eine Zeit mal auf Abstand. Vielleicht hilft euch beiden das, über das Ganze noch einmal nachzudenken. Ich finde es toll, wie du dich verhalten hast. Du kannst stolz auf dich sein.“

„Heißt das, du denkst, es ist normal, wenn ich mit vierzehn noch keinen Sex mit einem Mädchen möchte? Alle Jungs aus meiner Klasse reden fast nur über Mädchen und was sie schon alles machen. Ich komme mir echt blöd dabei vor.“

Ich musste mich zurücknehmen. Eigentlich hätte ich am liebsten laut gelacht. Aber das wäre sicherlich jetzt fatal gewesen.

„Leif, ganz bestimmt ist das normal. Und eines sei dir versichert, vieles, was deine Klassenkameraden da erzählen, stammt aus der Phantasie. Du bist mit Sicherheit einer der normalsten Jungs, die ich kenne. Lass dir nichts einreden. Halte dich an deine richtigen Freunde. Tommy, Nico und Luc sind schon die richtigen Freunde, und noch eines ist mir ganz wichtig. Solltest du mit ihnen, oder einem von ihnen auch mal etwas ausprobieren wollen, komm bloß nicht auf die Idee, du seist jetzt gleich schwul. Mach das, wozu du Lust hast und probiere es aus. Es ist in Ordnung.“

Der Bann war gebrochen und Leif fing an zu lächeln. Er lehnte sich zurück an meine Brust und ich legte ihm meine Arme auf seine Brust.

Nach einem Moment des Schweigens und Überlegens holte er tief Luft.

„Papa, ich glaube, ich habe es verstanden. Dann werde ich nicht mehr hinter ihr herlaufen. Wenn sie noch etwas von mir will, außer ihren Sexphantasien, dann soll sie doch herkommen.“

Ich musste lachen, dieser Satz kam so lustig rüber, dass ich mich nicht mehr beherrschen konnte.

„Ja, Leif, genau so ist das. Mach das so.“

„Papa, ich bin so froh, dass ich mit dir darüber reden kann. Ich hatte echt Schiss davor. Es war mir so peinlich.“

„Passt schon, Kleiner. Ich bin auch genauso froh, dass du mir immer noch so vertraust, um mit mir über das Thema zu reden. Vielen Dank, das ist auch für mich eine tolle Bestätigung. Das tut mir auch sehr gut. Ehrlich.“

Wir saßen noch eine Weile gemeinsam auf dem Sofa. Irgendwann merkte ich bei ihm eine aufkommende Unruhe.

„Na, willst du jetzt doch lieber wieder los?“

Er nickte etwas unsicher.

„Du bist nicht sauer, wenn ich jetzt lieber zu Nico und Tommy fahre? Sie meinten, ich sollte mal vorbeikommen. Dann würde es mir besser gehen und ich müsste nicht immer an Stefanie denken.“

„Das ist eine tolle Idee. Ich finde, sie könnten auch mal wieder hier vorbei kommen. Macht euch noch einen schönen Tag. Bist du heute Abend zum Essen wieder da?“

„Ich weiß nicht, Papa. Kann ich anrufen, wenn ich länger bleiben möchte?“

„Du musst nicht anrufen. Mach das, wie du möchtest. Bitte sei nur um zehn wieder hier. Wenn du da schlafen willst, dann rufe bitte an.“

Damit stand er auf und verschwand schnell in seinem Zimmer. Ich fühlte mich wirklich sehr erleichtert. Es war ein tolles Gefühl, zu wissen, dass mein jüngster Sohn noch immer mit mir auch über alle Themen reden konnte. Das war für mich nicht selbstverständlich, umso mehr erfüllte es mich mit Stolz.

Nachdem ich mich etwas erholt hatte von diesem sehr emotionalen Ereignis, musste ich mich doch beeilen. Stephan und Thomas warteten in der Werkstatt auf mich. Der Delta war vom Lackierer zurück und ich wollte mit ihnen den weiteren Ablauf klären. Also schnell in die Arbeitssachen geschlüpft und bei Lucien vorbei. Er wollte natürlich wieder dabei sein, wenn ich in der Werkstatt war. Das war seine Welt, Autos und Werkzeug.

Ich hupte, als ich bei Sabine in der Einfahrt stand. Seltsamerweise öffnete Sabine die Tür. Ich stutzte, als sie zu mir ans Auto kam.

„Hallo Marc, ich soll dir von Luc ausrichten, er ist von der Schule aus direkt zu Tobi gefahren. Sie müssen ein Referat vorbereiten und kommen dann beide von Tobi in die Werkstatt.“

„Na, da bin ich aber gespannt, ob das was wird, wenn die beiden zusammen für die Schule lernen wollen.“

Sabine konnte sich das Grinsen genauso wenig verkneifen, wie ich. Jedenfalls bedankte ich mich mit einem Kuss bei ihr für die Information und fuhr weiter zur Werkstatt. Die beiden Fahrräder der Jungs lehnten an der Wand. Ich hatte den Motor noch nicht abgestellt, da kamen die beiden auch schon aus der Halle, auf mich zu gelaufen.

„Hallo Marc, hatte Mama dir Bescheid gesagt? Sie sollte dich anrufen, damit du nicht umsonst zu uns kommen musst.“

Das hatte ich nicht gedacht. Luc hatte sogar mitgedacht. Ich wollte Sabine jetzt nicht in den Rücken fallen und bestätigte das. Danach betraten wir drei die Halle. Mir stockte der Atem, als ich meinen Lancia sah. Die Lackierung war grandios geworden. Das Auto sah jetzt genau so aus, wie die Werksautos in den neunziger Jahren. Der Lackierer hatte tolle Arbeit geleistet. Jetzt konnten wir beginnen, das Auto wieder zusammenzubauen.

Ich besprach mich mit Stephan und Thomas über die weiteren Lieferungen an Teilen. Falls ich nicht da sein sollte, wussten sie dann, dass es in Ordnung sei. Luc, Tobi und ich schauten uns das Werk an. Ich schrieb mir eine erste to do Liste. Nach etwa einer halben Stunde kam Stephan zu uns und bat mich, ihm kurz bei einer Sache zu helfen. Er brauchte jemanden, der ihm etwas festhielt, während er es anschraubte. Da es im Motorraum des Autos sehr eng war, ließ ich Luc das Teil halten. Er hatte viel schmalere Hände. Er machte das sehr gut und so war das schnell erledigt.

In der Zeit hatte ich schnell bei einem Lancia Händler einige Teile bestellt. Der Motor und das Getriebe waren aus Italien noch nicht eingetroffen.

„Du Marc“, kam Lucien zu mir, „ich habe da ein Problem. Also ich wollte mal fragen, ob du vielleicht helfen könntest?“

Ich schaute den Jungen an und wunderte mich über die Frage.

„Schieß los, aber warum machst du so ein Geheimnis daraus? Sonst legst du doch direkt los, wenn du etwas wissen willst.“

„Nun, es ist so, dass also …“

Er fing geradezu an zu stottern. Das kannte ich noch gar nicht von Lucien. Wir standen noch in der Werkstatt und Stephan und Thomas schienen sich ein wenig über Lucien zu amüsieren. Tobi war gerade nach draußen gegangen, um etwas Müll zu entsorgen.

Ich gab Luc mit einem Zeichen zu verstehen, dass wir uns gleich draußen darüber unterhalten sollten. Er verstand und wartete, bis Tobi wieder zurück war. Zuerst bat ich Lucien mir aus dem Auto mein Handy zu holen. Nachdem er hinausgegangen war, folgte ich ihm unter einem Vorwand.

„Was ist los, Luc? Sonst hast du doch auch keine Probleme, mich nach etwas zu fragen.“

Es war ihm unangenehm, das konnte ich deutlich spüren.

„Ach, weißt du, es geht ja nicht um mich. Es geht um Tobi. Er hat gerade große Probleme in der Schule. Mir hat er auch erst vorgestern erzählt, dass seine Mutter bereits seit zwei Wochen im Krankenhaus liegt und er zu Hause viel alleine regeln muss. Sein Vater ist ja immer unterwegs. Er kommt mit dem Stoff in der Schule nicht mehr mit, weil er zu Hause so viel zusätzlich machen muss. Ich würde ihm gerne helfen, aber ich weiß nicht wie.“

„Hmm, du machst dir Sorgen? Und du findest, du solltest ihm helfen, weil er damals für dich immer da war, als es dir so schlecht ging?“

Er nickte stumm und drehte sich von mir weg. Es war ihm peinlich, dass seine Gefühle ihm einen Streich spielten.

Ich wartete einen Moment, dann nahm ich ihn von hinten in die Arme. Er ließ sich an mich fallen und ich konnte sehen, dass aus seinen geschlossenen Augen, eine Träne lief.

„Alles gut, Luc, beruhige dich. Wir schauen mal, was wir tun können. Weißt du denn, weshalb seine Mutter im Krankenhaus liegt? Und wie lange sie noch dort bleiben muss?“

„Nein, ich wollte ihn nicht so direkt fragen. Ich hatte das Gefühl, er wollte nicht darüber reden. Marc, ich habe Angst um Tobi. Wenn er in der Schule wieder die Arbeiten nicht schafft, muss er die Klasse wiederholen. Das fände ich echt blöd. Ich will nicht, dass er aus unserer Klasse muss. Er hat damals so viel für mich getan. Ich will ihm auch helfen.“

„Was schlägst du vor, soll ich machen? Ich kann ja nicht einfach zu ihm gehen und sagen, dass du mir alles erzählt hast, oder?“

Er schüttelte den Kopf und wirkte sehr niedergeschlagen.

„Ich mache dir einen Vorschlag. Bring ihn doch einfach mal mit zu uns. Er kann auch mit dir bei uns die Hausaufgaben machen. Damit kannst du ihm Hilfe anbieten. Ich spreche mit Mick und Lukas. Die können euch bestimmt alles gut erklären.“

„Aber er hat nicht so viel Geld, dass er sich eine Nachhilfe auf Dauer leisten kann.“

„Nun ist aber gut. Wenn Mick und Lukas mal was erklären oder ich, dann werden wir das schon so hinbekommen. Tobi ist ja nicht dumm, er kann momentan nur nicht allein lernen, weil er mit den Gedanken bei seiner Mutter ist. Das bekommen wir schon hin. Schlag ihm vor, du willst bei uns lernen, weil ihr hier Ruhe habt und immer jemand zu Hause ist, den ihr bei Bedarf fragen könnt. Sabine ist ja auch arbeiten.“

Jetzt strahlte er wieder. Es schien ihm wirklich etwas zu bedeuten, Tobi jetzt nicht im Stich zu lassen. Er hatte mir von Tobi erzählt, wie der Junge ihn immer im Krankenhaus besucht hatte und ihm Mut gemacht hatte. Das hatte ich schon damals sehr bemerkenswert gefunden. Jetzt war es an der Zeit für Lucien, ihm etwas zurückzugeben und ihm seine Freundschaft zu beweisen. Das wollte ich auf jeden Fall unterstützen.

Wir gingen zurück in die Halle. Tobi stand mit Stephan unter einem Auto und half ihm. Ich machte mich mit Lucien an den Lancia.

Nach drei weiteren Stunden hatten wir es geschafft, einen großen Teil des neuen Kabelbaumes einzubauen. Die beiden Jungs waren mit Eifer und Konzentration dabei und eine echte Hilfe. Das wollte ich zum Schluss auch honorieren. Zumindest auch für Tobi. Lucien wollte ich die Stunden aufschreiben und zum Schluss einen großen Wunsch damit erfüllen.

„Jungs, Schluss für heute. Morgen ist auch noch ein Tag. Tobi, kannst du bitte mal herkommen.“

Der Junge kam zu mir und Lucien schaute auch ganz verwundert, was ich nun machen wollte.

„So, für heute erst einmal vielen Dank für deine Hilfe. Ich finde, wer hier arbeitet, soll auch dafür entlohnt werden.“

Ich gab ihm dreißig Franken und er wollte sich erst weigern, das Geld anzunehmen. Nachdem ich ihm klargemacht hatte, dass Widerstand zwecklos sei, nahm er es auch dankbar an. Lucien grinste über das ganze Gesicht. Meinen Spruch, dass Widerstand zwecklos sei, fand er jedes Mal lustig.

Die beiden Jungs fuhren gemeinsam mit ihren Rädern davon. Ich blieb noch einen Moment mit Thomas und Stephan, um den weiteren Ablauf des Aufbaus vom Lancia zu besprechen.

Da klingelte mein Handy. Sabine machte sich schon Sorgen, wo Lucien bleiben würde. Ich erklärte ihr, was wir gemacht hatten und die Jungs inzwischen unterwegs seien. Damit war sie beruhigt und ich fuhr auch nach Hause.

Der Abend verlief für mich vollkommen ruhig und ereignislos. Mick und Lukas waren in die Stadt gefahren, um mit Benny und Marcel ein wenig die Szene unsicher zu machen. Sie waren alt genug und ich fand das auch wichtig, gerade für Benny und Marcel, sich offen zu bewegen. Also sollte ich die beiden erst wieder am Samstag irgendwann um die Mittagszeit wieder sehen.

Leif war bei Nico und Tommy und hatte schon Bescheid gesagt, dass er dort über Nacht bleiben wollte. Ich fand das gut. So würde er vielleicht auf andere Gedanken kommen und mit den beiden auch mal ohne uns Erwachsenen über das Thema reden können.

Mit Benny und Marcel wollte ich am Wochenende über den Besuch bei ihren Familien sprechen. Mick und Lukas waren bereits über meinen Plan im Bilde. Sie waren begeistert und wollten auf jeden Fall mitkommen.

Mit Lukas stand noch an, einen Termin zu finden, um zu seinen Eltern zu fahren. Ich spürte immer häufiger, das sollte jetzt nicht mehr zu lange aufgeschoben werden. Also schaute ich in meinen Terminplan. Das Wochenende vor der großen Geburtstagsfeier sollte noch frei sein. Ich trug mir das in den Kalender ein. Es sollten ja alle aus der Familie mitkommen, auch Lucien und Sabine. Deshalb telefonierte ich umgehend noch mit Sabine und erklärte ihr meinen Plan. Sie war einverstanden und somit konnte ich diese Reise auch fertig organisieren.

Benny: Das erste Mal mit Marcel in einer Disko

Ich war richtig nervös. Mick und Lukas wollten uns in die Stadt mitnehmen, um eine Tour durch das Nachtleben zu unternehmen. Marcel fand das cool. Ich war mir nicht so sicher, ob das so eine tolle Idee sein würde. Allerdings hatte ich auch keine Lust mehr, immer nur allein mit Marcel am Wochenende etwas zu unternehmen. Wir trafen uns bei Mick und Lukas und wollten von dort gemeinsam losziehen. Marcel hatte sich echt Mühe gegeben, ein tolles Outfit zu finden. Er sah einfach geil aus. Ich hatte Mühe, für mich etwas Passendes zum Anziehen zu finden, denn ich hatte ja keinerlei Erfahrungen. Marcel spürte meine Unsicherheit und ohne es groß zu erwähnen, half er mir, mich passend zu kleiden. Mit einem Kuss verließen wir gemeinsam mein Zimmer. Ich hatte mit Mick besprochen, dass wir unsere Räder bei ihm abstellen und von dort zu Fuß gehen würden.

Nachdem wir bei Mick und Lukas noch den einen oder anderen Cocktail getrunken hatten, machten wir uns auf den Weg. Zuerst wollten wir bei Salvatore zusammen essen und dann in die Stadt weiterziehen. Gegen elf Uhr standen wir vor dem „Life“. Das war die mit Abstand beliebteste Disko zurzeit. Allerdings liefen dort auch einige Schüler aus dem Internat herum. Ich hatte immer noch Angst, mich mit Marcel in der Öffentlichkeit als Paar zu zeigen. Mick und Lukas waren da schon viel lockerer. Es war auch für die meisten ein normales Bild, wenn sie sich offen küssten oder zusammen eng tanzten.

Heute wollte Marcel mir diese Angst nehmen und auch endlich in das normale Leben tauchen. Wir standen zuerst einige Zeit an der Theke und tranken einen Cocktail. Dabei unterhielten wir uns über die Schule und den bald anstehenden Geburtstag von Mick und Lukas.

„Sag mal Mick, wann wollt ihr eigentlich die Einladungen rausschicken? Es ist ja nicht mehr so viel Zeit bis dahin.“

Marcel sah dabei Mick fragend an. Lukas antwortete daraufhin mit einem Lächeln.

„Wir haben da keinen Einfluss drauf. Die gesamten Vorbereitungen übernehmen doch Papa und Sabine. Hier ist das so üblich, dass die Eltern den achtzehnten Geburtstag vorbereiten und wenn Sabine sagt, wir sollen uns da raushalten, dann ist das besser, es auch zu tun.“

Dabei lagen sich Mick und Lukas lachend in den Armen und küssten sich. Marcel war sichtlich irritiert, aber nach einem Moment hatte er verstanden, was Lukas meinte. Er legte mir seinen Arm um die Taille und küsste mich.

„Ich glaube, dass wir bald eine coole Party haben werden. Wenn Marc das in die Hand nimmt, wird das kein Kindergeburtstag.“

Ich fühlte mich unwohl, als Marcel mich umarmte, aber der Kuss war toll. Er spürte meine Unsicherheit, lächelte mich an und zog mich dann einfach mit auf die Tanzfläche. Das war auch für die beiden anderen das Zeichen. Die nächste Stunde verließen wir die Tanzfläche nicht mehr. Der DJ spielte aber auch wirklich richtig coole Musik. Völlig verschwitzt zog mich Marcel in die Lounge, dort bestellte er etwas zu trinken und setzte sich auf meinen Schoß. Mick und Lukas saßen neben uns und schmusten auch miteinander. Es war so grandios, mit meinen Freunden fühlte ich die Angst verschwinden. Allerdings spürte ich auch etwas anderes. Seit Marcel sich auf meinen Schoß gesetzt hatte, wurde es in meiner Hose doch deutlich enger. Was sollte ich machen? Es war mir doch noch peinlich, aber Marcel blieb einfach genau dort sitzen. Im Gegenteil, er drehte sich sogar um, saß jetzt mit dem Gesicht zu mir und gespreizten Beinen auf meinem Schoß. Er küsste mich und ich musste meine Arme um ihn legen. Meine Erregung wurde aber leider auch immer stärker. Ich konnte es nicht verhindern, am liebsten wäre ich aufgestanden. Marcel spielte mit mir. Er hatte genau gespürt, was bei mir los war, dennoch machte er einfach weiter. Eigentlich war das für mich der Himmel auf Erden, aber ich hatte auch Angst. Plötzlich fühlte ich seine Hand auf meiner Hose, dann flüsterte er mir in Ohr:

„Lass es einfach geschehen. Meinst du, meiner ist nicht genauso hart?“

Dann nahm er meine Hand und führte sie auch über seine Hose. Es stimmte, seiner war genauso hart. Aber für mich war das absolut neu in der Öffentlichkeit. Ich bekam Panik und musste einfach raus aus der Situation. Ich drückte Marcel weg und lief zur Toilette.

Verdammt, warum konnte ich das nicht einfach genießen. Wieder kamen diese Bilder und wieder musste ich meinen Freund enttäuschen. Ich stand vor dem Waschbecken und sah mich an. Plötzlich kam Mick herein und stellte sich hinter mich. Er legte mir seine Hände auf die Schultern. Das fühlte sich so gut an.

„Benny, geht es wieder? Es ist in Ordnung. Du musst lernen, nicht in Panik zu verfallen. Es ist alles gut.“

Was für tolle Freunde hatte ich doch. Ich war geflüchtet und Mick kam einfach zu mir und machte mir Mut. Er nahm mich jetzt an die Hand und führte mich wieder zu den anderen. Marcel sah sehr besorgt aus und ich schämte mich so dafür. Als mich Marcel sah, sprang er auf, lief auf mich zu und küsste mich leidenschaftlich.

„Benny, du musst nicht weglaufen. Es tut mir leid, ich wollte dir nicht wehtun, aber es fühlte sich so toll an, mit dir zu schmusen.“

Wie sollte ich ihm das erklären? Es fühlte sich doch auch für mich so toll an. Nur dass ich noch diese Angst hatte.

„Marcel, für mich war und ist es auch genauso schön, aber ich habe einfach Angst, es könnte wieder passieren. Obwohl es einfach geil war mit dir zu schmusen. Ich kann es hier noch nicht so wie du möchtest.“

Ich spürte Trauer und Wut in mir hochkommen. Warum konnte ich nicht, wie alle anderen auch, das mit meinem Freund genießen?

Mick legte seinen Arm um uns beide und sagte:

„Du musst dir Zeit geben und gewöhne dich an deinen Freund. Ihr werdet es lernen, wie toll das ist, sich seinem Freund hinzugeben.“

Er grinste uns an, nahm seinen Lukas und küsste ihn leidenschaftlich. Das ließ sich Marcel auch nicht zweimal sagen und tat gleiches mit mir. Was für ein Gefühl, von seinen Armen gehalten zu werden, blitzschnell war meine Hose wieder voll ausgefüllt und Marcels Hand dort beschäftigt. Ich traute mich noch nicht wieder. Er nahm meine Hand und ganz langsam bewegte er sie nach unten. Ich ließ es geschehen. Es war so toll, dieses Gefühl war unbeschreiblich. Leider machte es mich immer geiler und ich hatte schon Angst, ich würde in der Hose abspritzen. Marcel schien es bemerkt zu haben, denn er nahm sich etwas zurück und wir gingen wieder auf die Tanzfläche.

Wir hatten noch viele Stunden Spaß und je länger wir unterwegs waren, desto mehr konnte ich das genießen. Morgens um vier standen wir vor Micks Haus und ich war leicht angesäuselt, aber keiner war betrunken. Eigentlich wollten Marcel und ich jetzt ins Internat radeln. Mick verbot uns das ohne Widerrede. Also blieb uns nichts anderes übrig, als bei ihnen zu schlafen. Wir gingen zu ihnen in ins Haus und nach einer Viertelstunde lag ich mit Marcel im Gästezimmer im Bett. Mick und Lukas wünschten uns eine gute Nacht und gingen nach oben in ihre Wohnung.

Marcel fing sofort an, mich überall zu streicheln und es war so toll. Jetzt konnte ich mich auch nicht mehr zurückhalten. Ich erwiderte die Liebkosungen und nach wenigen Momenten waren wir beide äußerst erregt. Ich hatte Angst, dennoch ließ ich es geschehen. Mein Körper spannte sich an und ich spürte, dass es jeden Moment soweit sein würde. Ich wollte noch meine Boxer ausziehen, aber es war zu spät. Mein Schwanz zuckte und mein Sperma schoss auch schon heraus. Marcel war erstaunt, dass es so schnell gegangen war. Mir war es total peinlich, die Boxer war so richtig vollgesaut. Marcel war allerdings nicht weniger erregt und ich nahm meinen Mut zusammen und wichste ihn, bis auch er es nicht mehr halten konnte. Er stöhnte kurz auf und spritzte genauso heftig ab. Anschließend zogen wir unsere versauten Boxer aus und schliefen müde und glücklich in den Armen des anderen ein.

Was wir leider beide überhaupt nicht beachtet hatten, wir lagen ja im Gästezimmer von Marc. Das sollte sich am nächsten Morgen rächen.

Ich wachte auf, weil ich ein helles Licht in den Augen wahrgenommen hatte. Ich schreckte hoch und bekam Panik. Marc stand in der Tür mit einer Kamera in der Hand. Er lächelte mich an. Ich fand das irgendwie gar nicht so witzig, ich lag mit meinem Freund im Arm, nackt in dem Gästebett von Marc. Unsere Klamotten lagen wild verstreut im Zimmer. Am liebsten wäre ich aufgesprungen und davon gelaufen.

Marcel regte sich mittlerweile und nuschelte irgendetwas Unverständliches. Ich bemühte mich, nicht allzu rot zu werden. Das gelang natürlich überhaupt nicht. Marc stand immer noch grinsend in der Tür.

„Guten Morgen Benny, wie ich sehe, habt ihr euch hier recht wohlgefühlt und ich hoffe auch gut geschlafen. Die Bilder sehen richtig grandios aus. Ich glaube, ich sollte die an die „Bravo“ schicken für die Foto Love Story.“

Er lachte laut und Marcel war jetzt hellwach geworden. Er schnellte nach oben und wurde blass.

„Scheiße, Benny, wo sind wir hier? Verdammt, wie peinlich ist das denn jetzt?“

„Guten Morgen, Marcel“, begrüßte Marc nun auch Marcel.

Marcel schien erst jetzt wirklich zu begreifen, was passiert war. Er fiel mit dem Oberkörper nach hinten in das Kissen und stöhnte leise.

„So Jungs, ich geh mal besser. Ich möchte euch in einer Viertelstunde zum Frühstück sehen.“

Marc dreht sich um, nicht ohne vorher noch ein Foto von uns beiden im Bett liegenden Opfern zu machen. Wie peinlich war denn das bitte?

„Marcel, warum hast du mich gestern nicht gewarnt? Ich habe total vergessen, dass wir bei Marc im Gästezimmer geschlafen haben.“

„Mann, glaubst du vielleicht ich hätte da noch dran gedacht? Los komm, wir sollten aufstehen, sonst kommt Marc noch mal und macht von uns Bilder.“

Marcel schien das mit Humor zu nehmen, mir war gar nicht nach Scherzen zumute. Ich schämte mich total. Vor allem als ich sah, in welchem Zustand das Zimmer war. Plötzlich klopfte es.

Marcel hatte sich schon aus dem Bett bewegt und öffnete, nur mit einem Shirt bekleidet, die Tür. Ich blieb hingegen noch einen Moment im Bett liegen. Mick stand in der Tür und grinste. Er hatte zwei Boxer und Handtücher in der Hand.

„Hier, ich habe euch etwas mitgebracht, was ihr vielleicht gut gebrauchen könnt.“

Ich glaube, so rot bin ich noch nie geworden. Selbst Marcel war das sichtlich unangenehm. Er nahm die Sachen und legte sie auf den Sessel.

„Los Leute, rafft euch auf. Papa wartet mit dem Frühstück auf uns. Geht duschen und dann bis gleich.“

Mick drehte sich um, verließ das Zimmer und ich hätte mich am liebsten vergraben.

Pünktlich fünfzehn Minuten später standen Marcel und ich bei Marc in der Küche. Alle anderen, Marc, Lukas und Mick, saßen bereits am Esstisch und grinsten uns an.

„Guten Morgen die Herren“, lachte uns Lukas an.

„Morgen zusammen“, begrüßte Marcel die anderen, ich war noch zu keinem Wort fähig. Ich hatte so ein beschissenes Gefühl im Bauch. Hoffentlich hatten sie nichts von unseren nächtlichen Aktivitäten mitbekommen.

Das Frühstück war allerdings wieder sehr üppig. Marc hatte uns schon einmal erklärt, dass ihm das morgendliche Frühstück sehr wichtig war.

Nach einer guten Stunde gemeinsamen Schlemmen standen Mick und Lukas auf. Sie wollten noch etwas erledigen. Marc blieb noch etwas bei uns sitzen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, gleich würde noch etwas passieren.

Marc: Gelegenheit war günstig

Nach dem gemeinsamen Frühstück wollte ich mit Benny und Marcel über die Fahrt zu ihren Eltern bzw. Vater, sprechen.

„Na, ihr zwei, wie kommt es eigentlich, dass ich euch im Gästezimmer vorgefunden habe? Habe ich irgendetwas verpasst?“

Benny wurde noch schweigsamer und Marcels Gesichtsfarbe nahm Tomatenrot an.

„Ähm, ja, eigentlich war das auch nicht unser Plan, aber ...“,

Marcel begann mit einer Erklärung, aber es war ihm sichtlich peinlich, ich sollte ihm vielleicht etwas helfen.

„… aber einige Cocktails standen euch bei dem eigentlichen Plan im Weg, oder wie?“

Ich musste grinsen, Marcels Gesicht entspannte sich einen Moment. Benny hingegen saß fast schon panisch neben ihm. Ich hatte das Gefühl, Benny würde jeden Moment weglaufen.

„Benny, entspann dich bitte. Mir ist es tausendmal lieber, ihr bleibt dann hier, als das jemand noch einen Unfall hat.“

„Woher weißt du eigentlich, dass wir was getrunken hatten?“

„Na, für wie blöd hältst du mich eigentlich? Ihr seid bis um vier Uhr morgens unterwegs, da kann ich dann auch eins und eins zusammenzählen. Außerdem hatte mir Mick, nachdem ich euch im Gästezimmer gefunden hatte, schon die Lage erklärt. Es ist nicht eure Schuld, dass ich bei euch einfach so hineingeplatzt bin, hätte Mick mir einen Zettel hingelegt, hätte ich natürlich geklopft oder euch sogar noch etwas schlafen lassen.“

„Du bist nicht sauer auf uns? Ich meine, wir haben hier einfach ohne vorher zu fragen übernachtet. Meine Eltern würden da einen riesen Aufstand machen.“

„Quatsch, es war richtig von Mick, euch nicht mehr mit den Rädern fahren zu lassen. Dafür ist ein Gästezimmer doch da. Außerdem gehört ihr beide mittlerweile ja praktisch zur Familie. Hat euch Mick eigentlich frische Wäsche gegeben?“

Ich hatte schon gesehen, was die beiden vermutlich im Bett getrieben hatten, aber das musste ich hier besser nicht direkt erwähnen.

„Ähm, ja, hat er gemacht. Danke.“

Marcel war immer noch rot. Benny hingegen entspannte sich etwas.

„So, genug von dem Thema. Ich freue mich jedenfalls, dass ihr beide eure Beziehung immer mehr festigt. Ich würde mit euch gerne etwas anderes besprechen. Benny muss ja noch Sachen von zu Hause holen und auf diesem Wege möchte ich, dass du, Marcel, bei deinen Eltern vorbeifährst und dort einen Besuch machst mit deinem Freund. Ich glaube, deine Eltern werden sich sehr freuen, wenn du ihnen deinen Freund vorstellst. Außerdem wird das deinem Bruder sicher auch sehr gut tun.“

Beide sahen mich etwas verwundert an.

„Wie soll das denn gehen? Wenn wir mit dem Zug zu Benny fahren und dann weiter zu mir, sind wir schon einen ganzen Tag unterwegs. Die Bahnverbindung zu mir ist eine Katastrophe.“

„Ich weiß, wer sagt denn, dass ihr mit der Bahn fahren sollt. Ich habe einen anderen Plan. Am kommenden Wochenende fahre ich mit Lucien nach München. Dann seid ihr hier mal alleine, aber danach das Wochenende, fahren wir fünf, also ihr beide, Mick, Lukas und ich zu euren Familien. Ich habe das so geplant, dass ich mir einen Van leihen werde, damit wir alle zusammen fahren können und gleichzeitig auch viel von deinen Sachen mitnehmen können.“

Beide Jungs schauten mich mit großen Augen an.

„Heißt das, du würdest auch zu meiner Familie mitkommen? Es macht dir nichts aus, meinen kranken Bruder zu besuchen?“

„Wie kommst du darauf? Im Gegenteil, ich freue mich darauf, deine Familie kennenzulernen und auch Bennys Umfeld mal zu sehen. Also, was meint ihr?“

„Geil, ich freue mich jetzt schon drauf.“

Marcel nahm seinen Freund in die Arme und küsste ihn. Benny nickte nur stumm. Aber ich konnte seine ungläubige Freude in den Augen erkennen. Damit war das beschlossene Sache. Jetzt hatte ich noch die Sache mit Lukas zu klären.

Ich beendete unser Gespräch und die beiden Jungs machten sich auf, nach oben zu den beiden anderen Jungs zu kommen. Leif war mittlerweile auch wieder von Nico nach Hause gekommen.

Die vier großen wollten noch mit den Rädern was unternehmen. Leif schien sich erst mal ein wenig von der Nacht erholen zu wollen, als mein Handy klingelte.

„Steevens“, meldete ich mich.

„Hallo Marc, Sabine hier. Störe ich grade?“

„Hallo Sabine, nein, du störst nie.“

Wir mussten beide einen Moment laut lachen.

„Schmeichler, aber ich habe ein Problem. Es geht um die Party von Mick und Lukas. Mögen die beiden eigentlich immer noch die Musik von Santiano?“

„Puh, ich denke schon. Sie meinten neulich sogar, dass sie sich ein Konzert ansehen wollen. Warum fragst du?“

„Nun, an dem Termin der Feier, hat Santiano einen Tag vorher ein Konzert in der Nähe. Ich habe die verrückte Idee, die Truppe zu fragen, ob sie nicht ein kleines Konzert für die Jungs spielen würden. Allerdings dürfte das sicher nicht so ganz einfach werden, und wenn das klappt, dann sollte es für die Jungs schon etwas Tolles sein.“

Ich war total perplex. Die Idee fand ich grandios. Konnte mir aber nicht vorstellen, dass eine Band, die so erfolgreich war, während einer Tournee, dafür Zeit finden würde.

„Also wenn du das hinbekommst, dann wäre das ein absolutes Highlight. Frag das mal nach. Wenn das klar ist, melde dich noch mal, was das kosten würde.“

„Alles klar, danke, dass du das auch so positiv siehst. Das würde bestimmt eine coole Nummer werden.“

„Auf jeden Fall, ich mag die Truppe nämlich auch ganz gerne.“

„Ach ne, du Marc, ich habe da noch ein anderes Problem. Es geht um Luc.“

Jetzt wurde sie sehr ernst. Hoffentlich kam jetzt nicht die Nachricht, dass ein Rückfall eingetreten war.

„Schieß los, was ist passiert?“

„Tobi ist ja dieses Wochenende bei uns, und gestern waren die beiden wieder recht lange unterwegs. Heute Morgen habe ich sie geweckt und wollte Lucs Sachen in die Wäsche tun, weil die extrem nach Qualm stanken. Das war schon öfter der Fall, vor allem, wenn sie bei einem Freund von Tobi waren, da wird viel geraucht, aber als ich Lucs Taschen geleert habe, habe ich ein Feuerzeug und eine Schachtel Zigaretten gefunden. Ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll. Ich meine, er ist vierzehn geworden und er wird doch nicht so dumm sein, mit dem Rauchen anzufangen?“

„Hm, das ist blöd. Aber gerate jetzt nicht in Panik. Hast du ihn schon darauf angesprochen?“

„Nein, ich wollte erst mit dir reden.“

„Ok, ist Tobi noch bei euch?“

„Ja, aber im Moment sind sie mit den Rädern unterwegs. Luc wollte unbedingt bei dir in der Werkstatt vorbei, er wollte schauen, ob Stephan und Thomas dort sind. Ich habe das Gefühl, die beiden verheimlichen mir etwas. Weißt du, was die dort machen?“

„Nein, keine Ahnung. Ich kenne Stephan und Thomas aber mittlerweile so gut, dass sie die beiden wegschicken würden, wenn sie stören. Außerdem ist mir das viel lieber, sie sind dort, als vor dem Computer.“

„Ja, da hast du sicher Recht. Aber was mache ich jetzt mit den Zigaretten? Außerdem, wenn er jetzt schon damit anfängt, dann ist der Alkohol auch nicht mehr weit.“

„Sabine, irgendwann ist das halt so, dass die Kids das ausprobieren. Außerdem, wenn er gewollt hätte, dass du nichts davon erfährst, hätte er sie bestimmt nicht in der Tasche gelassen. So blöd ist er nämlich auch nicht. Ich glaube eher, er will dir damit etwas sagen. Ich habe auch schon eine Idee. Ich fahre gleich eh in die Werkstatt. Ich muss noch die Cobra für eine Oldtimer Ralley vorbereiten und ein paar Kleinigkeiten am Delta richten. Vorher komme ich grade vorbei und hole seine Schachtel Zigaretten ab.“

„Du meinst, ich soll gar nicht darauf reagieren?“

„Noch nicht, ich glaube, es ist besser, wenn wir diese Dinge gemeinsam regeln. Damit sieht er auch, dass wir beide zusammenhalten. Er soll uns nicht gegeneinander ausspielen können. Mach dir keine zu großen Sorgen. Das bekommen wir schon hin.“

„Marc, danke. Ich mache mir Sorgen.“

„Kann ich verstehen. Wie gesagt, wenn das so ist, wie ich vermute, klärt sich das auf.“

Nachdem ich das Handy wieder eingesteckt hatte, betrat ich Leifs Zimmer. Er lag auf seinem Bett, hatte seine Jeans ausgezogen und las auf seinem Tablet-PC eine Geschichte.

„Hast Du Lust mit mir in die Werkstatt zu fahren? Ich will ein paar Dinge an der Cobra machen.“

Leif schaute von seinem Tablett hoch.

„Cool, ja gerne. Wann willst du los?“

„Jetzt, sagen wir in zehn Minuten?“

„Ok, das schaffe ich.“

Ich verließ das Zimmer, ging in die Garage und suchte schon einmal alles zusammen, was ich mitnehmen musste.

Kurze Zeit später standen wir bei Sabine vor der Tür, sie gab mir die Schachtel und das Feuerzeug und wir fuhren weiter zu meiner Werkstatt. Stephan und Thomas waren auch da. Die Autos standen vor der Tür. Ich wunderte mich nur, dass zwei so gute Schrauber in einem alten Golf 3 und einem Polo unterwegs waren. Warum richteten sie sich nicht selbst auch mal einen schönen Wagen her?

Lucs Rad lehnte an der Wand, aber wo war Tobis Rad? Ich stellte die Cobra vor das große Tor und bat Leif das Tor zu öffnen. Jedoch hatte uns Stephan wohl schon gehört und ließ uns hinein. Luc stand mit Thomas unter einer schönen alten Pagode. Ein Mercedes SL aus den sechziger Jahren. Er half Thomas anscheinend bei einer Arbeit.

Ich fuhr mit der Cobra hinein und gleich auf die Bühne. Dann brauchte ich nicht mehr rangieren, sollte ich doch das Auto hochheben müssen.

Wir begrüßten uns und Luc kam dabei auch wie immer an und umarmte mich.

„Na Luc, wieder richtig wach? Wo hast du denn Tobi gelassen?“

„Ach Marc, er fühlte sich müde und wollte nach Hause. Also, wenn du Mama nichts verrätst, wir waren doch etwas länger wach bei Marco.“

Er sah mich aus seinen leuchtenden Augen an, ich konnte nur schmunzeln.

„Warum soll deine Mama das nicht wissen dürfen? Ich finde das doch nicht so schlimm, wenn ihr am Wochenende auch mal länger wach seid.“

„Du vielleicht nicht, aber Mama macht immer gleich einen Aufstand. Sie behandelt mich wie einen kleinen Jungen. Das nervt so dermaßen.“

„Das ist aber kein Grund mit dem Rauchen anzufangen, Stress baut man anders ab.“

Das war jetzt eine spontane Entscheidung, ihn direkt mit den Fakten zu konfrontieren. Entsprechend geschockt reagierte er auch. Nämlich völlig versteinert sah er mich an.

„Wie ... kommst du … denn darauf?“

Ich nahm die Schachtel aus meiner Tasche und hielt sie ihm vor die Nase.

„Fuck, woher hast du die?“

„Woher wohl? Von deiner Mutter natürlich. Sag mal, wie blöd bist du eigentlich? Rauchen ist das Dümmste, was du tun kannst. Also warum?“

Er drehte sich um, lief direkt aus der Halle. Leif stand gerade passend und machte blitzschnell zwei Schritte und hielt ihn fest. Luc wehrte sich auch nicht, sondern begann bitterlich zu weinen. Hier schien einiges an Klärungsbedarf. Ich war sofort bei den beiden und nahm Luc ihn die Arme und verließ mit ihm die Halle.

Nachdem er sich beruhigt hatte, versuchte ich mit ihm zu reden. Er erklärte mir, dass Sabine ihm immer wieder Vorhaltungen machte, was er alles nicht tun sollte und das er dies und das machen sollte. Er hatte das Gefühl, es seiner Mutter nie Recht machen zu können. Egal, was er tat. Das Thema hatten wir schon einige Male, ich wurde jetzt echt sauer. Sabine hatte einfach Probleme damit, dass ihr Sohn mittlerweile ein Jugendlicher war.

Er erklärte mir, er würde nicht rauchen, er wollte seine Mutter nur damit schocken. Sie würde ihm ja nie zuhören, außerdem würde sie ihm in letzter Zeit den Umgang mit Tobi einschränken.

„Also Luc, du versprichst mir, nicht zu rauchen? Habe ich das richtig verstanden?“

„Ja, Marc, ich habe es mit Tobi und Marcel probiert, aber es ist schrecklich, glaube mir, ich werde nicht weiter rauchen.“

„Gut, sehr vernünftig. Ich kann die Schachtel also entsorgen?“

„Ja, und das Feuerzeug auch. Ich brauche es nicht mehr.“

„Ok, und was ist das mit Tobi? Warum sollte Sabine dir den Umgang mit Tobi einschränken?“

Jetzt wurde er sehr unruhig und schämte sich doch etwas mehr.

„Versprichst du mir, Mama nichts zu verraten?“

Ich nickte und war gespannt, was jetzt kommen würde.

„Ich glaube, sie hat bei mir ein Pornoheft gefunden, welches Tobi mitgebracht hatte. Seitdem will sie auch nicht mehr, dass ich bei Tobi schlafe.“

Ich musste lachen, richtig laut lachen.

„Mann, na und? Meinst du, wir haben uns sowas früher nicht auch heimlich angesehen? Und holst du dir mit Tobi einen runter oder was macht ihr damit?“

Er wurde jetzt knallrot und nickte. Ich nahm ihn ganz fest in den Arm.

„Luc, ich finde das vollkommen normal. Nur solltest du wissen, dass das, was ihr da sehen könnt, hat nichts mit realer Sexualität zu tun. Auch wenn ihr euch solche Filme im Internet anseht, so läuft das nicht ab, in einer Beziehung. Und ich glaube, du interpretierst das Verhalten deiner Mutter falsch. Sie möchte nur, dass du mit ihr über alles redest. Sie hat, glaube ich, nur Angst, dass du ihr nicht mehr vertraust. Ich weiß, dass sie Tobi immer noch sehr mag. Wir haben auch schon darüber gesprochen, dass du wohl irgendwann in die Pubertät kommst und Sexualität Thema für dich wird. Mach dir also keinen Stress. Luc, wenn du etwas wissen willst zu diesem Thema, kannst du immer kommen. Und wenn ihr auch weiter zusammen wichsen wollt, macht das einfach, so oft ihr wollt. Es ist nichts Verbotenes. Es hat auch nichts mit schwul oder hetero zu tun. Es ist alles erlaubt, wozu ihr beide Lust habt. Allerdings, wenn du nicht möchtest, dass deine Mutter das bemerkt, dann seid vorsichtig und schließt das Zimmer ab, wenn ihr euch damit beschäftigt.“

Wir standen noch immer vor der Halle und er schmiegte sich wieder ganz eng an mich heran. Ich hatte also recht behalten. Er wollte seine Mutter mit den Zigaretten nur provozieren. Das andere Thema war eigentlich schon lange fällig. Es war für mich ein gutes Gefühl, dass er damit zu mir kam. Für Sabine war das sicher nicht so einfach, weil sie sich sicher gewünscht hätte, dass ihr Sohn auch zu ihr damit kommt. Ich hatte es als Mann da einfacher. Da fehlte einfach der Vater. Sabine hatte es ja auch schon öfter angemerkt. Ich versprach ihm, keine Details mit seiner Mutter zu besprechen, ohne dies vorher mit ihm geklärt zu haben, oder ohne, dass er dabei wäre. Damit beruhigte er sich wieder und ich versprach ihm auch, dass ich dafür sorgen würde, dass er mit Tobi auch weiterhin viel Zeit verbringen dürfte.

Innerhalb kürzester Zeit war die Stimmung wieder locker und wir hatten noch sehr viel Spaß in der Werkstatt. Außerdem schafften wir auch alles, was ich mir vorgenommen hatte. Gegen fünf Uhr nachmittags fuhr ich mit Leif und der Cobra nach Hause. Luc war schon um drei gefahren und ich hatte mit Sabine telefoniert, sie informiert und gebeten ihren Sohn, einfach in Ruhe zu lassen. Er würde schon bei passender Gelegenheit mit ihr reden. Sie war beruhigt und sagte mir zu, ihn nicht auszufragen.

„Sag mal, Leif, wie geht es dir eigentlich?“

„Soweit ganz gut. Ich finde es nur schade, dass Stefanie nicht nur einfach meine Freundin im Sinne von Freund sein will. Aber das muss ich wohl hinnehmen.“

Dabei seufzte er tief. Ich legte ihm meinen Arm um die Schulter und der Wind wehte ihm durch die Haare.

„Ja, das ist wohl leider so. Ich finde es auch schade, aber wer weiß, vielleicht begreift sie das ja noch. Und wenn nicht, du wirst bestimmt noch jemand anderes finden. Du hast ja auch noch andere gute Freunde.“

Er schaute zu mir rüber, seine Augen waren traurig, aber er nickte tapfer.

„Papa, du hast Recht. Ich habe wirklich noch gute andere Freunde, die mir helfen. Was war eigentlich mit Luc vorhin los? Ist etwas passiert, oder weshalb hatte er geweint?“

„Es ist alles in Ordnung. Er hatte etwas Stress mit seiner Mutter und ich konnte das mit ihm klären. Jetzt ist wieder alles in Ordnung, denke ich mal.“

Zusammenfassung der folgenden Tage:

Das Restwochenende verlief sehr ruhig. Die großen Jungs waren mit Tim und Manuel, Marcel und Benny zum Sport gewesen.

Mick und Lukas hatten in der Woche dann zwei Klausuren geschrieben und mussten entsprechend viel dafür lernen. Sie waren aber sehr zufrieden mit dem Verlauf und insofern war da alles im Lot.

Leif traf sich viel mit Nico und Tommy und auch mit Luc unternahm er einiges. Ich fand das sehr schön, wie seine Freunde ihm halfen, über die Trennung mit Stefanie hinwegzuhelfen.

Luc hatte sich mit seiner Mutter ausgesprochen und Sabine hatte ihm erlaubt, mit mir nach München zu fahren. Darauf freute sich der Junge jeden Tag.

Ich hatte eine Baufirma beauftragt, den Umbau zu beginnen, Mick und Lukas hatte ich bereits eingeweiht. Sie fanden diese Entwicklung sehr schön und freuten sich für mich. Mick hatte mir gesagt, dass es sicher die richtige Entscheidung sei, Sabine und Luc in die Familie aufzunehmen. Das war ein unwahrscheinlich tolles Gefühl für mich. Meine Planung war, in München mit Luc darüber zu sprechen. Spätestens, wenn wir zurück waren.

Ich war mir nur nicht ganz so sicher, ob es gerade jetzt gut war, Leif auch schon darüber aufzuklären, dass sich unsere Familie vergrößern würde. Allerdings sollte er auch nicht das Gefühl bekommen, ich würde ihm nicht vertrauen. Also weihte ich ihn auch ein, seine Reaktion war für mich doch ein wenig verwunderlich. Er war total begeistert und sogar der Meinung, das wäre schon längst fällig gewesen. Ich war total erleichtert, dass meine Jungs, sich sehr auf die beiden freuten. Damit war mir doch ein großer Stein vom Herzen gefallen.

Sabine hatte nun auch die Party für Mick und Lukas soweit vorbereitet, dass das grobe Programm stand. Sie hatte es tatsächlich geschafft „Santiano“ für diesen Termin zu überreden. Es lag aber vermutlich eher daran, dass Pete Sage, der Frontmann der Truppe, sie sagen „The fiddler on the deck“ zu ihm, ein begeisterter Motorsportfreak ist und sich freut, mit mir über Benzin reden zu können. Egal, ich fand es total cool, dass diese Truppe, zwischen zwei Konzerten, extra für uns ein kleines privates Konzert gab. Mick und Lukas würden sich bestimmt tierisch freuen.

Ich hatte auch entschieden, die Fahrt zum Grab von Lukas Familie erst nach der Feier zu machen. Ich wollte die Gelegenheit nutzen, beiden die Möglichkeit zu geben einmal eine längere Strecke selbst fahren zu können. Das hatte ich auch mit den beiden schon geklärt. Jetzt kam für mich langsam Struktur in die ganzen Dinge. Ich hatte alle wichtigen Ereignisse vorbereitet und konnte mich mit Luc auf den Weg nach München machen.

Marc: Karl Geiger, ein Autoverrückter im positivsten Sinn.

Der Motor des GT erstarb und ich löste den Gurt. Sabine stand schon in der Haustür, um mich entsprechend zu begrüßen. Wir gaben uns einen Begrüßungskuss und gingen zusammen in die Küche.

Luc war noch nicht aus der Schule zurück, so konnten wir noch in Ruhe ein paar Dinge besprechen. Außerdem wollte ich bei der Zubereitung des Mittagessens helfen.

„Sag mal Marc, hast du schon mit den Umbaumaßnahmen begonnen? Ich habe nämlich noch eine Idee für Lucs Zimmer.“

„Ja, die Firma hat schon begonnen. Die Fenster und die neue Tür sind bereits eingebaut. Was hast du denn noch für eine Idee?“

„Nun, Luc hat sich schon immer ein Hochbett gewünscht. Dann hätte er unten mehr Platz und müsste nicht immer sein Bett machen, wenn er Besuch hat.“

Dabei mussten wir beide doch lachen. Das mit dem Hochbett wäre sicherlich keine große Sache. Das sollte ohne Probleme zu machen sein. Ich gab ihr den Auftrag, das passende Bett zu besorgen. Luc würde davon erst erfahren, wenn das Zimmer fertig war. Die Sanitärfirma hatte das neue Bad schon in der vergangenen Woche fertiggestellt. Es galt, nun noch die neue Terrasse anzulegen.

„Was hältst du davon, Benny mit der Terrasse zu beauftragen. Er hat ja auch deinen Garten neu gemacht. Ich fänd es schade, wenn das nicht zusammenpassen würde. Außerdem habe ich da noch eine gute Malerfirma, die das Zimmer neu machen könnte. Also Tapeten und Bodenbelag.“

Ich staunte nicht schlecht, Sabine machte wieder keine Kompromisse. Wenn schon, denn schon.

„Finde ich gut, kümmerst du dich darum, Benny zu fragen. Er müsste das ja schon in der kommenden Woche fertig machen. Wenn er das nicht schafft, dann soll er zumindest einen Vorschlag machen, wie es aussehen könnte. Den Maler kannst du auch übernehmen. Ich kann mich dann um die Vorbereitung der Fahrt nach Deutschland kümmern.“

Wir waren uns schnell einig geworden, jetzt musste Luc auch jeden Moment aus der Schule kommen. Seine Tasche stand schon gepackt im Flur. Sehr viel Platz war ja auch nicht im GT für großes Gepäck, jeder hatte eine kleine Tasche mit den nötigsten Sachen mitnehmen können. Für ein Wochenende sollte es reichen.

Die Tür flog auf und der Rucksack in die Ecke. Luc strahlte über das ganze Gesicht, er begrüßte seine Mutter mit einer herzlichen Umarmung. Seine erste Frage galt dem Essen, er hatte noch gar nicht bemerkt, dass ich ebenfalls anwesend war. Erst nachdem er sich umgedreht hatte, realisierte er meine Anwesenheit. Allerdings war seine anschließende Begrüßung nicht minder stürmisch und herzlich.

„Hallo Marc, ich habe dich gar nicht bemerkt. Weißt du, was mir heute in der Schule passiert ist?“

„Hallo Luc, nein, woher soll ich wissen, was dir in der Schule passiert.“

Wir mussten beide lachen. Sein Lachen war so unglaublich, es steckte einfach an.

„Mein Deutschlehrer hat meinen Aufsatz mit einer Fünf bewertet. Er glaubt nicht, dass mein Erlebnisbericht aus deiner Werkstatt tatsächlich passiert ist. Er glaubt mir nicht, dass ich dich kenne. Das finde ich total ungerecht.“

Er legte daraufhin seine Klassenarbeit auf den Tisch. Während Sabine sich die Arbeit und den Kommentar des Lehrers durchlas, schaute ich Luc fassungslos an.

„Und? Was meinst du zu dem Aufsatz?“

Sabine lächelte und meinte dann:

„Also ich finde ihn toll geschrieben, außerdem glaube ich meinem Sohn, wenn er das so beschreibt. Aber du müsstest es ja besser wissen, du warst doch dabei.“

Sie gab mir lächelnd das Heft zum Lesen. Dabei streichelte sie ihrem enttäuschten und verärgerten Sohn durch die Haare.

Als ich den Aufsatz gelesen hatte, musste ich grinsen. Luc hatte keine noch so kleine Kleinigkeit ausgelassen, weder unsere dummen Sprüche, wie auch kleinere Pannen beim Arbeiten an den Autos.

„Also ich finde es toll geschrieben. Du hast Talent. Was die Beurteilung deines Lehrers betrifft, mache ich dir einen Vorschlag. Ich werde persönlich beweisen, dass du einen guten Bericht geschrieben hast. Ich denke, wenn ich persönlich bestätige, dass es so passiert ist, sollte er wohl keine Argumente mehr haben.“

Sabine wusste sofort, ich würde das tatsächlich machen. Sie grinste und musste laut lachen.

„Das Gesicht möchte ich auch sehen. Ich komme mit in die Schule. Ich glaube, der wird nie wieder an deinen Geschichten zweifeln.“

Luc schaute mich und seine Mutter fragend an.

„Was meinst du damit, Marc? Du willst doch nicht mit dem Lehrer telefonieren? Und kann dann die Note noch geändert werden?“

„Nein Luc, ich werde nicht mit ihm telefonieren, sondern ich werde ihn in der Schule mit deiner Mutter gemeinsam aufsuchen und ihm erklären, dass du einen tollen Aufsatz geschrieben hast. Mal sehen, was er dann noch zu meckern hat.“

Luc war begeistert und fiel mir freudestrahlend um den Hals.

Nach diesem kleinen Intermezzo fiel Luc über sein Essen her und eine halbe Stunde später waren wir bereits auf der Autobahn Richtung München unterwegs. Leider waren in der Schweiz alle Autobahnen mit einem Tempolimit versehen und die Strafen waren radikal. Also ließ ich es dabei bewenden, mich im Wesentlichen an die Limits zu halten. An der Landesgrenze nach Deutschland wurden wir kontrolliert und ich nutzte die Pause, um nach dem Betriebszustand des Triebwerks zu schauen. So eine lange Strecke war ich mit dem GT bislang noch nicht unterwegs. Es war aber alles bestens, nur Stop and Go mochte er gar nicht. Dann stieg die Wassertemperatur doch ein wenig an. Für einen Rennwagen für die Straße allerdings im normalen Rahmen. Luc hatte erstaunlicherweise bis zur Grenze überwiegend geschlafen.

„Na, Luc, wieder unter den Lebenden? Gut geschlafen?“

„Oh ja, Marc, das Brummen des Motors ist toll zum Schlafen. Außerdem ist es langweilig, immer nur mit der gleichen Geschwindigkeit unterwegs zu sein. Es wird Zeit, das wir in Deutschland etwas zügiger vorankommen können.“

„Hehe, ein V8 wiegt dich in den Schlaf. Auch nicht schlecht. Aber bevor wir weiter fahren, was hältst du von einem schönen Kakao und einem Stück Kuchen?“

„Bin ich immer dabei, aber Marc, was sagt die gelbe Lampe da im Drehzahlmesser? Ist etwas nicht in Ordnung?“

„Gut beobachtet, aber es ist nur die Reserveleuchte. Wir müssen tanken.“

Wir erhielten unsere Papiere zurück und so konnten wir wieder einsteigen und ich beschleunigte den Wagen zügig. An der nächsten Ausfahrt wollte ich abfahren und ein nettes Cafe oder einen Bäcker suchen. Außerdem wäre das Tanken dort sicherlich auch günstiger, als auf der Autobahn. Nicht, dass ich auf das Geld achten musste, aber ich sah nicht ein, dass der gleiche Sprit an der Autobahn um mehrere Cent teurer war, als im nächsten Ort. Da wollte ich lieber eine kleine Dorftankstelle beglücken. Schließlich hatte der GT einen recht großen Tank mit 100 Litern.

Ich bog also von der Autobahn ab und wir landeten in einem typischen süddeutschen Ort. Luc hatte schon eine kleine Dorfbäckerei entdeckt, ich wollte aber erst tanken fahren. Einige Kilometer weiter stellte ich den GT an einer kleinen Tankstelle ab. Wir stiegen beide aus der Flunder aus und Luc wollte sich die Zapfpistole nehmen, als er innehielt.

„Du Marc, was muss ich denn nehmen? Super oder Super plus?`“

„Eigentlich egal, der kann beides fahren. Aber ich nehme lieber Super Plus, dann kann er auch die volle Leistung bringen.“

Luc steckte die Pistole in den Tank und nach ein paar Minuten war alles erledigt. Ich hatte in der Zeit die Scheibe gereinigt und ging bezahlen.

Luc setzte sich schon wieder in die flache Flunder, ließ aber die Tür noch offen, weil es doch sehr schnell sehr warm wurde, ohne dass die Klimaanlage arbeitete. Was er nicht bemerkte, innerhalb weniger Minuten standen einige Jugendliche mit ihren Rädern und schauten sich die Flunder aus der Entfernung an, sie trauten sich nicht näher heran. Als ich aus dem Shop zurück zum Auto ging, hatte mich einer der Jungs erkannt. Er kam mutig auf mich zu und bat mich um ein Autogramm. Das war für seine Freunde das Signal, die Zurückhaltung aufzugeben. Sehr schnell waren wir mit den Jungs in einem Gespräch, es war keineswegs unangenehm. Eher im Gegenteil, sie waren sehr gut informiert und wir hatten ein interessantes Gespräch, auch Luc wurde befragt. Nach einer Viertelstunde verabschiedeten wir uns, mit einer Empfehlung für ein Café in der Tasche, von den Jungs und fuhren vom Hof der Tankstelle.

„Marc, ist das immer so, wenn du unterwegs bist?“

Ich musste grinsen.

„Ja, aber früher war das echt extrem, heute war das doch echt nett mit den Jungs.“

„Hoffentlich ist es gleich im Café nicht so schlimm und wir können in Ruhe einen Kakao trinken.“

Ich hatte den Wagen bereits geparkt und wir standen wenige Minuten später vor einer sehr gut gefüllten Kuchentheke. Wir suchten uns jeder ein schönes Stück aus und genossen die bayrische Gemütlichkeit.

Ich nutzte die Gelegenheit bei Geiger in München anzurufen, dass wir gut in der Zeit lagen und wohl pünktlich eintreffen würden. Karl Geiger freute sich sichtlich, mich persönlich kennenzulernen. Wir hatten vereinbart, uns erst einmal in seinem Autohaus zu treffen, dann würde er uns in das Hotel begleiten. Anschließend hatte er seinen Spezialisten für den GT und den Caddie zum Gespräch geladen. Der Mann war also bestens vorbereitet und ich hatte das Gefühl, hier wirklich einen Experten zu haben.

Wieder auf der Autobahn wollte ich jetzt die volle Leistung des GT auch mal ausreizen, die Autobahn war recht frei und ich konnte Gas geben. Luc schien das zu gefallen, denn er hatte ein Lächeln im Gesicht. Die Kilometer flogen nur so vorbei und ohne einen weiteren Stau erreichten wir die Stadtgrenze von München.

Das Navi gab mir den besten Weg vor und so erreichten wir tatsächlich sogar eine halbe Stunde vor der geplanten Zeit unser Ziel. Ich stellte den GT direkt vor dem Eingangsbereich ab und Luc kletterte aus dem Auto. Auf dem Weg in das Gebäude schmiegte er sich an mich, ich legte meinen Arm auf seine Schulter und so betraten wir die Eingangshalle. Es war ein sehr beeindruckendes Gebäude, was Karl Geiger da gebaut hatte. In der Halle standen einige Neufahrzeuge aller amerikanischen Hersteller. Von Corvette über Challenger bis hin zum riesigen Chevy Pick up.

Als wir vor dem Empfang standen, begrüßte uns eine junge Dame und fragte nach dem Anlass unseres Besuches.

„Grüß Gott“, sagte ich. „Wir werden vom Karl Geiger erwartet. Marc Steevens ist mein Name.“

Die Dame lächelte und nahm umgehend das Telefon zur Hand. Sie sprach einige Worte in tiefstem bayrischem Slang und bat uns dann einen Moment in der Lounge zu warten. Sie bot uns einen Kaffee an und so nahm ich auf dem Sofa Platz. Luc hingegen wollte sich lieber die vielen tollen Autos ansehen. Ich ermahnte ihn, nicht ohne zu fragen, irgendwelche Türen zu öffnen und ließ ihn dann laufen.

Meine Gedanken schweiften ein wenig ab. Mir kam es so vor, als ob Luc bereits zu meiner Familie gehörte. Auch der Junge schien jede Minute mit mir zu genießen. Kein Vergleich mit dem ängstlichen und völlig verunsicherten Jungen, den ich damals beim Metzger getroffen hatte. Auch von seinen furchtbaren Erlebnissen mit seiner Leukämie war fast nichts mehr zu spüren. Ich bewunderte diesen Jungen und ich freute mich, ihm an diesem Wochenende seinen sehnlichsten Wunsch erfüllen zu können, wieder Mitglied einer richtigen Familie zu werden.

Aus meinen Gedanken gerissen wurde ich von einem bayrischen „Grüß Gott“. Vor mir stand Karl Geiger und lachte mich an. Er strahlte eine Herzlichkeit aus, die für einen Chef eines so großen Unternehmens nicht selbstverständlich war. Er gab mir die Hand und wir waren sofort beim „Du“ angelangt. In Bayern war das sowieso alles etwas anders.

Luc kam auch sofort zurück und Karl begrüßte den Jungen sehr freundlich.

„Na, du scheinst dich ja auch für Autos zu interessieren. Wie heißt du eigentlich?“

„Lucien, aber Luc ist auch ok.“

Karl Geiger gab ihm die Hand und die beiden schienen sich direkt sympathisch zu sein, denn Karl nahm ihn einfach mit und wir gingen in Richtung Werkstatt. Auf dem Weg dorthin redeten wir über die Fahrt und es war wirklich alles sehr entspannt. In der Werkstatt fiel Karl dann ein, dass wir eigentlich erst ins Hotel wollten, aber wir waren eh schon in der Werkstatt und in das Hotel konnten wir dann auch später noch.

Wir gingen bei einigen Mechanikern vorbei, die an anderen Fahrzeugen arbeiteten und Karl hatte für jeden immer ein nettes Wort. Das fiel mir direkt auf. Die Stimmung war hier einfach gut.

Ich konnte es dann sehen, mein Caddie Cabrio stand mit geschlossenem Verdeck in der großen Halle. Daneben stand ein Mann in Firmenkleidung. Was mich wunderte, war das Alter des Mannes. Er war höchstens Anfang zwanzig. Wir wurden einander vorgestellt und er erklärte uns ganz genau die Dinge, die gemacht wurden und warum. Er war wirklich ein Experte auf seinem Gebiet. Er bat um eine Probefahrt, um etwaige Beanstandungen zu besprechen. Ich stimmte zu und fragte dann Luc:

„Willst du mitkommen oder lieber hier noch etwas schauen?“

Luc zögerte, aber ich konnte an seinen Augen erkennen, die Werkstatt interessierte ihn doch mehr. Karl erkannte das auch und kam mir zuvor.

„Ich glaube, wir beide gehen mal ein wenig bei den Jungs hier schauen. Ich zeige dir die Werkstatt, wenn du magst. Dann kann sich dein Papa ganz seinem Caddie widmen.“

Luc schaute ihn an und war sichtlich irritiert über diese Bemerkung.

„Leider ist Marc nicht mein Papa. Er ist nur mein Freund, aber ich würde gerne hierbleiben.“

Karl lachte und nahm den Jungen mit. Ich stieg mit dem Mechaniker in den Caddie und so fuhren wir in den Stadtverkehr von München. Das Auto lief ganz hervorragend und die Automatik schaltete wieder butterweich. Die Jungs hatten wirklich sehr gute Arbeit geleistet.

„Ich glaube, ich habe ein neues Auto! Es fährt sich wirklich ganz hervorragend.“

„Danke für ihr Kompliment, Herr Steevens. Es ist schon etwas Besonderes, wenn so ein berühmter Rennfahrer sich an uns wendet, für die Restauration eines alten Amis.“

Der Mechaniker hatte ein wenig Schwierigkeiten, mich als ganz normalen Kunden zu sehen. Wir sprachen noch über seine Arbeit und dass ich erstaunt war über sein Alter. Schließlich war das Auto deutlich älter, als er selbst. Wir machten uns auf den Weg zurück und ich bestätigte ihm erneut die exzellente Arbeit.

Wir betraten gemeinsam den Verkaufsraum, Frau Geiger saß nun persönlich hinter dem Empfang und so lernte ich sie auch kennen. Sie kümmerte sich um die Finanzen und den Limousinen Service. Sie war, genau wie Karl, sehr herzlich, und obwohl das ein riesiges Autohaus war, herrschte hier familiäre Atmosphäre. Das beeindruckte mich stark.

Nach einem kurzen Smalltalk schickte sie mich wieder nach hinten in die Werkstatt. Als ich durch das große Tor ging, hörte ich Luc bereits lachen. Ich brauchte nur seiner Stimme zu folgen. Er saß in einer alten Corvette C2 Stingray in etwa zwei Metern Höhe hinter dem Steuer und unten gab ihm einer der Mechaniker Kommandos, das Bremspedal zu treten. Luc hatte mich noch nicht bemerkt, so vertieft war er in die Sache.

Einen Moment später hatte er mich bemerkt und wollte sofort zu mir laufen. Was er nicht mehr bedacht hatte, er saß in zwei Meter Höhe in einem Auto. Der Mechaniker hatte aber sofort reagiert und ihm ein lautes „Stopp“ zugerufen. Luc zuckte zusammen und blieb sitzen.

„Danke, das wäre beinahe schief gegangen“, meinte ich anschließend zu dem Mechaniker.

„Macht nichts, das kennen wir hier schon. Passiert übrigens auch unseren neuen Azubis hin und wieder.“

Dabei musste er doch ein wenig lachen. Luc hatte sich ebenfalls bei ihm bedankt und ich hob den Jungen aus dem Auto. Er war immer noch ein Leichtgewicht.

Gemeinsam gingen wir zum Chef ins Büro. Dort wollten wir uns über meine Probleme mit dem GT unterhalten. Ich hatte auch noch eine weitere Idee, die ich ihn fragen wollte. Ich brauchte für die Zukunft ein Fahrzeug für mindestens sechs Personen. Falls wir mal gemeinsam irgendwohin fahren wollten. Vor allem für die Reise in Lukas alte Heimat. Sollte ich jetzt auch für Luc die Katze aus dem Sack lassen? Nein, das sollte ich doch besser in Ruhe im Hotel mit ihm besprechen.

„So, die Herrschaften“, dabei lachte Karl Geiger wieder mit einer Herzlichkeit, dass es schwer fiel, sich vorzustellen, dass er der Chef einer so großen Firma war, „was möchtet ihr trinken? Kaffee oder lieber was kühles?“

Wir entschieden uns für eine kalte Cola und dann kamen wir zum eigentlichen Thema.

„Karl, bevor ich dir von meinem Problem berichte, wir müssen noch die finanziellen Dinge für den Caddie regeln.“

„Nix da, erst die Probleme, dann die Finanzen. Wir machen eine gesamte Rechnung für beide Autos. Das wird günstiger für dich.“

Wieder dieses Grinsen. Luc schien das gut zu gefallen, denn Karl bezog ihn immer wieder mit ein. Das imponierte mir wirklich. Hier fühlte ich mich ernst genommen und es ging um die Lösung für mich als Kunden.

„Also folgendes, immer wenn ich mit dem GT nach längerer Standzeit auf die Strecke will, springt er schlecht an und hat in meinen Augen auch ein Leistungsproblem. Grundsätzlich finde ich das Auto untermotorisiert. Bei dem Fahrwerk und den Rennwagengenen muss da mehr gehen. Das Fahrwerk ist mir für die Straße zu hart. Gibt es da nicht eine Möglichkeit, für die Straße etwas weicher und für die Rennstrecke hart und direkt?“

Karl fing an zu lachen.

„Immer wieder typisch Rennfahrer. Euch hat es nie genug Leistung und es geht immer noch besser. Aber ich kann dich beruhigen. Wir haben da eine Entwicklung erstellt, die gefällt dir bestimmt. Einen Kompressor, der mehr Drehmoment und 170 PS mehr Leistung bringt, ohne den Komfort zu verschlechtern. Allerdings bieten wir auch ein Komplettpaket an. Motor-Getriebe-Kupplung-Fahrwerk. Also ein Rund um sorglos Paket. Danach wirst du deinen GT nicht mehr wiedererkennen. Allerdings ist das sehr aufwendig, der Wagen müsste dafür zwei Wochen hier bleiben. Allerdings hast du darauf zwei Jahre Garantie.“

Ich musste nicht lange überlegen.

„Kannst du mir auch bei der Lackierung helfen? Ich möchte das Auto im klassischen GT 40 Design haben. Mit den Gulf Streifen aus den sechzigern.“

„Natürlich, kein Problem.“

„Gut, dann macht das bitte. Ich möchte es im dunklen Anthrazit mit blauen Streifen. Und das große Paket bitte. Ich will mich nicht jedes Mal ärgern müssen. Also ihr macht in zwei Wochen aus dem Auto einen richtigen Rennwagen für die Straße.“

„Machen wir. Du weißt aber, das wird nicht ganz so günstig wie für den Caddie.“

„Mach dir darüber keine Gedanken. Brauchst du eine Anzahlung für den Auftrag?“

„Spinnst du? Erst die Leistung, dann das Geld. Es gibt nur sehr wenige Leute, bei denen ich eine Sicherheit verlange. Allerdings lehne ich dann eher einen Auftrag ab.“

Wir waren uns sehr schnell einig geworden. Jetzt wollte ich das Thema Van noch mal ansprechen.

„Du Karl, ich habe da noch ein Anliegen. Meine Familie hat sich in letzter Zeit ein wenig vergrößert. Ich möchte mit allen bald hier in Deutschland einige Angelegenheiten erledigen. Dafür reicht eigentlich meine S8 Limousine. Aber bei einem Trip und in Zukunft werden wir häufiger zu sechst unterwegs sein, plus Gepäck. Hast du da was Passendes für mich da?“

Luc schaute skeptisch, er schien zu überlegen, wieso zu sechst? Er traute sich aber nicht, jetzt zu fragen. Sein Gesicht sprach allerdings für sich.

„Klar, wir bieten auch Vans und Wohnmobile an. Aber brauchst du so einen Van denn häufiger, oder eher nur für einen Urlaub oder eine einzelne Reise? Deine großen Jungs sind doch bald allein unterwegs.“

Da hatte er nicht unrecht. Aber ich brauchte bald einen passenden Van.

„Eigentlich eher für einzelne Dinge. Warum fragst du?“

„Dann würde ich dir empfehlen, sich dafür von uns einen Van zu mieten. Du kannst ihn nach dem Trip einfach zurückbringen und musst dich um nichts kümmern. Er nimmt keinen Platz weg und du bekommst immer das Beste, was es gibt.“

„Hmm, hört sich interessant an. Können wir uns das morgen mal zeigen lassen, was ihr da so anzubieten habt? Heute ist es schon recht spät geworden und ich wollte mit Luc langsam ins Hotel. Die Fahrt war anstrengend.“

„Natürlich, ich sage meiner Frau Bescheid, die wird euch ins Hotel bringen. Ihr könnt die Autos hier lassen. Die braucht ihr nicht.“

Ich stutzte, wie sollten wir denn die Stadt besichtigen ohne Auto. Der Caddie wäre doch genau richtig dafür.

Karl sah mein fragendes Gesicht. Er grinste, wie immer.

„Wenn ihr was unternehmen wollt, sagt meiner Frau Bescheid, wann und wo ihr hinfahren möchtet. Sie wird sich darum kümmern. Das gehört zum Service dazu.“

Gesagt getan, eine halbe Stunde später waren wir in einem wirklich tollen Hotel und mein GT stand schon in der Werkstatt. Was ich noch nicht wusste, der Abend würde sehr lustig werden.

Nachdem wir ein wirklich fürstliches Abendessen genossen hatten, fragte mich Luc:

„Sag mal Marc, was machen wir eigentlich heute Abend noch? Ich würde gerne zu den Bavaria Studios fahren. Da gibt es so viel zu sehen.“

„Das machen wir lieber morgen. Heute ist es schon zu spät. Ich würde gerne mit dir etwas anderes machen. Was hältst du von einer Runde Kart fahren?“

„Echt? Wie geil, aber was ist denn, wenn du dort erkannt wirst?“

„Luc, ich werde es überleben, aber ich bin rein privat hier. Also lass uns ein wenig Spaß haben.“

Ich bat den Concierge, uns eine gute Kart Bahn zu empfehlen und sich bei Frau Geiger zu melden, dass wir einen Fahrdienst dorthin brauchten.

Luc war schon ganz aufgeregt. Wir duschten noch schnell und dann rief der Concierge uns auch schon für die Abfahrt. Luc und ich betraten die Lobby und wurden von einem Herrn in meinem Alter im dunklen Anzug abgeholt. Ich stutzte schon ein wenig, dann verließen wir das Hotel und ich hatte es geahnt. Karl war wirklich ein Verrückter. Dort stand eine Stretch-Limousine auf Basis eines Hummer. Für Luc war das natürlich ein Erlebnis, er machte auch gleich einige Bilder und schickte die nach Hause. Die Fahrt war schon lustig. Erst recht, als wir dann an dem Kart Center ankamen. Unauffällig ist anders. Aber wir waren in München, da kam das wohl häufiger vor. Denn so komisch wurden wir gar nicht angeschaut. Also nichts wie rein, bevor wir erkannt wurden. Ich vereinbarte mit dem Chauffeur, dass wir anrufen würden, wenn er uns abholen sollte.

Wir hatten natürlich keine eigenen Helme dabei. Also auf zum Verleih für Helme und Schutzhauben. Es war schon abends und da war nicht mehr so viel los, aber eine kleine Schlange hatte sich dennoch gebildet. Nach ein paar Minuten waren wir an der Reihe. Ich wusste natürlich sofort, welche Größe ich brauchte, bei Luc war das etwas schwieriger. Ich schlug eine Größe vor und es passte auch auf Anhieb. Wir bekamen noch eine kurze Einweisung, dann ging es schon los. Bis hierhin war ich nicht erkannt worden. Also sollte das jetzt auch nicht mehr zu einem Problem werden, solange wir auf der Piste waren. Luc sollte einfach hinter mir herfahren, um die Strecke besser kennen zu lernen. Ich legte ein ruhiges Tempo vor, Luc hatte keine Probleme zu folgen, allerdings wurden wir von einigen Fahrern überholt. Einige benahmen sich dabei wie die sprichwörtliche Axt im Wald. Nach zehn Runden war unser erster Lauf beendet und Luc hatte sich gut angestellt. Wir konnten immer schneller fahren.

„Marc“, Luc nahm seinen Helm ab und schaute mich dabei freudig an, „gleich fährst du aber allein. Ich kann nicht so schnell fahren wie du. Sonst hast du doch gar keinen Spaß.“

Ich musste ihn dafür knuddeln. Typisch Luc.

„Luc, ich finde, du bist toll gefahren. Und ich muss nicht allein fahren, aber wenn du darauf bestehst, machen wir das gleich so.“

Er nickte sehr bestimmt. Also gut, sollte er seinen Willen bekommen. Der nächste Run stand an und wir nahmen Aufstellung. Es waren immer maximal fünfzehn Karts auf der Strecke. Ich stand im Mittelfeld und die Ampel ging auf grün. Ich fuhr erst einmal hinter den anderen her, um zu sehen, wie gut sie fahren konnten. Dann, in der zweiten Runde überholte ich bereits alle bis auf zwei Piloten. Es fing an, richtig Spaß zu machen und ich wollte den Piloten vor mir ausbremsen, da machte er mir einfach die Tür zu. Ich bremste hart ab und wich aus, damit wir nicht kollidierten. Ich verlor etwas Schwung, deshalb brauchte ich zwei Kurven, um wieder heranzukommen. Jetzt wollte ich es wissen, der Fahrer wollte aber um jeden Preis verhindern, dass ich vorbei kam. Diesmal berührte er aber seinen Vordermann und der drehte sich direkt vor mir. Verdammt, wenn ich nicht voll in ihn hineinfahren wollte, musste ich ausweichen. Da war aber die Begrenzung, ich wählte die Begrenzung, sonst wäre ich seitlich in ihn hineingefahren. Es gab einen Knall und dann stand mein Kart in der Begrenzung. Ich spürte sofort einen stechenden Schmerz im Rücken. Mir blieb sogar für einen Moment die Luft weg. Ich blieb im Kart sitzen und wartete einen Moment, bis ich wieder Luft bekam. Die Strecke wurde sofort gesperrt. Luc war hinter mir und stand jetzt im Stau. Er hatte entgegen der Streckenregel sein Kart verlassen und war zu mir gelaufen. Er hatte seinen Helm abgenommen und stand jetzt bei mir. Ein Streckenposten erkundigte sich bei mir. Ich signalisierte ihm, dass alles ok sei. Ich schickte Luc wieder zu seinem Kart. Ich allerdings fuhr direkt von der Strecke und wollte mir den anderen Piloten vornehmen. So ein Rüpel hat hier eigentlich nichts auf der Strecke zu suchen.

Auf dem Weg zur Streckenaufsicht spürte ich immer noch meinen Rücken, aber die Wut war größer als der Schmerz. Ich hatte meinen Helm mittlerweile in der Hand und betrat den Raum der Aufsicht. Dort saß bereits der verursachende Pilot, ein vielleicht sechzehn- oder siebzehnjähriger Junge, und holte sich eine Ansage vom Betreiber ab. Allerdings schien ihn das nicht sonderlich zu beeindrucken. Da platzte mir der Kragen.

„Was glaubst du eigentlich, wo du hier bist? Wenn du Rambo spielen willst, geh ins Kino oder sonst wohin. Wenn ich nicht ausgewichen wäre, hätten wir jetzt einen Krankenwagen gebraucht. Du scheinst dich einen Scheißdreck zu kümmern, was für Regeln hier herrschen.“

Ich war so wütend, der Betreiber sah mich mit großen Augen an, so eine Reaktion hatte er wohl noch nicht oft hier erlebt. Der andere Pilot wollte gerade noch anfangen mich blöd anzumachen, da platzte dem Betreiber der Kragen. Er sperrte den Piloten für drei Wochen von seiner Bahn und ließ ihn sofort hinauswerfen. Mittlerweile war der dritte beteiligte Pilot auch eingetroffen. Das war derjenige, dem ich ausgewichen war. Er war sichtlich gezeichnet von dem Schrecken.

„Vielen Dank, wenn sie nicht so schnell reagiert hätten, würde ich vermutlich nicht mehr hier sein. Es tut mir leid, aber ich konnte nichts machen, der andere hatte mich einfach weggeschoben.“

Ich hatte mich etwas beruhigt und sah mir den Jungen etwas genauer an, er war in etwa so alt wie Luc.

„Ist schon gut. Du kannst nichts dafür, ich habe dem Knaben eben schon die Leviten gelesen. Eine Frechheit, der Knabe gehört nicht auf eine Rennstrecke. Sag mal, wie heißt du eigentlich?“

„Oh, Entschuldigung, Stefan Nitsche.“

Er gab mir die Hand und dabei schaute er mich wohl zum ersten Mal richtig an, denn er wurde jetzt plötzlich blass.

„Scheiße, wie peinlich ist das denn wohl. Ausgerechnet Ihnen komme ich in die Quere. Würden Sie mir vielleicht ein Autogramm auf meinen Helm geben?“

Ich gab ihm das Autogramm gerne, schlug vor, dass wir mit Luc gemeinsam etwas trinken könnten. Luc hatte sich auch etwas beruhigt und so hatten wir noch eine nette halbe Stunde im Bistro der Kartbahn. Stefan bat noch um ein paar Fotos für seine Familie und Freunde, dann ließ ich Luc unseren Fahrservice rufen. Um halb elf waren wir wieder in unserem Hotel.

Wir gingen direkt duschen und ich hatte uns noch ein Eis bestellt. Ich saß bereits auf dem Sofa in unserem Zimmer, als Luc nur in Boxershorts aus der Dusche kam. Er setzte sich zu mir auf das Sofa. Als er die beiden Eisbecher sah, leuchteten seine Augen.

„Cool Marc, das macht echt Laune mit dir unterwegs zu sein. Es wird nicht langweilig.“

Ich gab ihm seinen Becher und meinte:

„Ich finde, wir haben uns das heute verdient. Luc, ich hoffe, du hast dich nicht zu sehr erschrocken vorhin.“

Er sagte nichts, aber seine Reaktion war eindeutig. Er kuschelte sich eng an mich. Ich legte meinen Arm um ihn und wir aßen schweigend unseren sehr leckeren Eisbecher.

Es war eine ruhige Nacht und so saßen wir beide ausgeruht am Frühstückstisch. Mein Rücken tat immer noch etwas weh, aber das sollte Luc nicht merken.

„Marc, wofür brauchst du eigentlich diesen Van? Ihr seid doch zu viert, da reicht doch dein S8.“

Mist, jetzt war guter Rat teuer. Ich entschied mich für die Wahrheit.

„Nein, wir werden bald zu sechst sein. Weißt du Luc, deine Mutter und ich haben uns etwas überlegt. Ich möchte dich dazu jetzt etwas fragen. Deine Mutter könnte bald wieder den ganzen Tag arbeiten, sie will das aber nicht so gerne, weil du dann mehr allein zu Hause wärst. Da habe ich mir etwas überlegt. Könntest du dir vorstellen, umzuziehen?“

„Was hat das denn mit Mamas Arbeit zu tun?“

Er war verwundert.

„Nun, ich finde, es macht mehr Sinn, nur noch eine Wohnung zu haben und ich möchte, dass du mit deiner Mutter zu mir ziehst. Ich muss dir nämlich sagen, dass ich deine Mutter sehr mag. Und dich auch, ich würde gerne mit euch gemeinsam in die Zukunft gehen.“

„Waas? Heißt das, du wirst dann doch mein Papa?“

Jetzt war er nicht mehr zu halten und er hüpfte vor Freude um den Tisch und umarmte mich von hinten. Die anderen Gäste schauten etwas genervt.

„Luc, bitte, wir sind nicht alleine hier. Allerdings sehe ich deine Reaktion als Zustimmung?“

„Ja, ich freue mich sehr. Wann soll das denn losgehen? Und stimmt das echt, dass Mama mehr arbeiten kann?“

„Ja Luc, ich denke so in einer oder zwei Wochen könnt ihr umziehen. Wenn ihr denn noch wollt.“

„Auf jeden Fall, jetzt verstehe ich auch deine Frage nach dem Van. Oh man, ich finde das so cool.“

Der weitere Tagesverlauf verlief dann eigentlich sehr ruhig. Ich klärte mit Karl Geiger noch das Thema Van. Wir vereinbarten, ich würde für meine längeren Touren nach Deutschland von ihm einen luxuriösen Ami-Van bekommen. Ich würde den erst einmal nur mieten. Das war sicher die bessere Lösung für uns.

Karl hatte in der Schweiz einen Händler, der in seinem Auftrage diese Vans vermietete. So musste ich nicht extra nach München kommen.

Alles in allem war München ein tolles Erlebnis, insbesondere für Luc, ich hatte ihm seinen größten Wunsch erfüllt, wieder eine richtige Familie zu bekommen.

Die Rückfahrt im Caddie war sehr entspannt. Wir hatten den GT in München gelassen und am Sonntag hatte ich alle zum Mittagessen eingeladen. Ich wollte mit ihnen über die neueste Entwicklung sprechen. Die erste Reaktion von meinen Jungs war sehr positiv, Leif war ja der Einzige, der noch gar nichts davon wusste. Er freute sich aber genauso wie die anderen. Alles schien sich wirklich toll zu entwickeln. Ich war gerade sehr glücklich. Wir saßen alle in meinem bzw. unserem Wohnzimmer und Luc fand sein neues Zimmer auch schon ganz toll. Er konnte es gar nicht abwarten, dort einzuziehen.

Mick: Papa hatte wieder einmal eine Überraschung für uns

Wir saßen alle am großen Esstisch und hatten gerade ein sehr üppiges Essen vernichtet. Papa hatte von München erzählt und ich hatte das Gefühl, irgendetwas hatte er uns noch nicht berichtet. Luc wurde auch immer unruhiger und Sabine musste mehrfach ihren Sohn zur Ordnung rufen.

Ich wollte doch mal genauer wissen, was hier lief.

„Papa, deine Erzählung ist ja echt ganz nett. Auch dass du deine Auto Probleme lösen konntest, ist echt toll, aber ich werde das Gefühl nicht los, du hast etwas Wichtiges vergessen.“

Er schaute in unsere Runde und Luc schien fast zu platzen. Es schien so, dass er der Einzige war, der bereits wusste, was noch kommen würde.

„Also gut, Leugnen ist zwecklos. Ich habe Luc in München gesagt, dass wir in den nächsten Wochen hier Zuwachs bekommen werden. Leute, ich hoffe, ich überfahre euch jetzt nicht, aber Sabine und Luc werden hier einziehen. Ich möchte, dass wir eine Familie werden.“

Leif strahlte, ich freute mich auch und Lukas klatschte spontan Beifall. Allerdings war es Leif, der auch ein wenig rummaulte.

„Warum weiß ich immer als Letzter davon? Du hättest es mir auch mal sagen können. Aber ich freue mich auf die neue Familie. Deshalb also auch der Umbau, oder?“

„Ja, Leif, ich habe es bewusst noch nicht allen gesagt. Erst wollte ich Sabine und Luc fragen. Ich hoffe, du bist jetzt nicht sauer.“

Leif stand wortlos auf und wir waren jetzt gespannt, was passieren würde. Er ging um den Tisch, stand neben Sabines Stuhl und er umarmte sie mit den Worten:

„Es ist komisch, aber ich freue mich, dass wir wieder eine Mama im Haus haben werden.“

Das überraschte selbst Papa, ich war auch überhaupt nicht darauf vorbereitet gewesen, dass Leif so emotional sein würde. Sabine nahm ihn ganz fest in die Arme und ich konnte erkennen, dass Papa feuchte Augen bekam.

Papa erklärte uns dann noch den weiteren Ablauf, wenn alles gut verlief, sollten die beiden in drei Wochen hier eingezogen sein. Irgendwie freute ich mich darauf. Allerdings kam dann noch eine weitere große Überraschung. Allerdings kam die jetzt von Sabine.

„So, Mick und Lukas, ich habe euch auch noch etwas mitzuteilen. Ich brauche bis in drei Tagen eine Liste von Leuten, die ihr zu eurer Geburtstagsparty einladen wollt. Der Termin steht mittlerweile und auch der Ort, aber ich verrate euch nichts, außer dem Termin. Er wird einen Tag nach Lukas Geburtstag sein, also in drei Wochen.“

„Wir können ihnen doch jetzt gar nicht sagen, wo wir feiern werden. Wie soll das gehen?“

„Ich werde es ihnen in der Einladung sagen. Ihr erfahrt das schon noch rechtzeitig.“

Dabei hatte sie wieder ein ganz fieses Grinsen im Gesicht. Ich ahnte bereits, dass hier eine ganz besondere Feier auf uns zukommen würde.

Der Sonntag endete dann für mich und Lukas mit einem gemütlichen DVD Abend mit Benny und Marcel bei uns in der Wohnung. Wir erzählten ihnen von der neuesten Entwicklung und insbesondere Benny, freute sich sehr.

Außerdem redeten wir über das kommende Wochenende. Benny und Marcel würden mit uns nach Deutschland fahren, zu ihren Familien. Benny schien sehr gespannt zu sein. Er freute sich auch, seinen Vater wiederzusehen, aber er hatte auch Sorgen vor den Erinnerungen.

Leif: Ein neuer Lehrer macht Stress

Also das Wochenende war schon spannend zu Ende gegangen. Papa hatte allen mitgeteilt, dass Sabine mit Lucien bei uns einziehen wird. Ich fand das wirklich ganz großartig. Wir würden wieder eine richtige Familie werden.

Leider gab es am Montag in der Schule eine Überraschung, die weniger schön war. Ich bekam einen neuen Lehrer in den Sozialwissenschaften. Unsere bisherige Lehrerin ging in den Schwangerschaftsurlaub. Der neue Lehrer hatte sich vorgestellt und ich hatte den Eindruck, das Internat hatte ihn aus dem Ruhestand geholt. Ein wenig altmodisch der Mann. Richtig komisch wurde es, als er am Mittwoch im Unterricht seltsame Bemerkungen mir gegenüber über Mick und Lukas machte. Ich hatte das erst nicht wirklich ernst genommen. Allerdings als ich am Donnerstag förmlich von ihm immer wieder angemacht wurde, auch mit obszönen Bemerkungen über Schwule, wurde es mir zu bunt. Er machte sich lustig über die Tatsache, dass hier anscheinend ein Schwuler Schülersprecher war.

„Sagen sie mal, haben sie ein Problem damit, dass mein Bruder schwul ist und hier als Schülersprecher aktiv ist? Sollte das der Fall sein, haben sie sich hier die falsche Schule ausgesucht. Falls sie es vergessen haben sollten, der Schülersprecher wird von allen Schülern gewählt, also steht die Mehrheit hinter meinem Bruder.“

Diese Bemerkung fasste er wohl als persönlichen Angriff auf. Jedenfalls fing er an zu toben und wurde richtig fies. Er drohte mir mit allem Möglichen und ich sollte mich darauf einstellen, dass ich bei ihm keine Chance hätte, eine gute Note zu bekommen. Ich war im ersten Moment geschockt. Auch in meiner Klasse hatte das eine Wirkung. Die meisten trauten sich nicht, dagegen etwas zu sagen. Ich hingegen nahm die erste Gelegenheit wahr, mit Mick darüber zu sprechen.

In der zweiten großen Pause stand ich mit Mick und Lukas zusammen und berichtete von den Ereignissen. Mick war sehr betroffen und wütend. Ich hatte ein wenig Angst vor den Folgen, wenn er jetzt aktiv würde. Lukas hingegen beruhigte mich und versprach, sich darum zu kümmern. Er ging ein paar Schritte an die Seite und telefonierte. Ich konnte nicht hören, mit wem er da sprach. Es war mir auch eigentlich egal, denn meine Laune war am Boden. Mick versprach mir, umgehend noch mit Herrn Steyrer zu sprechen.

Mein Schultag ging jedenfalls sehr unschön zu Ende und entsprechend verunsichert kam ich nach Hause. Komischerweise wartete Papa bereits auf mich.

Marc: Ein überraschender Anruf mit Folgen

Es schien auch zu schön gewesen zu sein. Bislang hatten meine Kinder viel Glück gehabt mit den Lehrern und dem Umgang mit ihrer Homosexualität. Das schien heute wohl anders zu werden. Gegen halb zwölf erhielt ich von Lukas einen Anruf. Er war sehr aufgebracht und berichtete von einem neuen Lehrer, mit dem Leif aneinandergeraten war. Ich war mit den Malern gerade dabei, die Farben für die Wände zu besprechen. Luc hatte ein paar Wünsche geäußert, die ich unbedingt umsetzen wollte. Es sollte sein persönliches Jugendzimmer werden.

„Lukas, wenn das stimmt, was du berichtest, wird dieser Mann morgen sein blaues Wunder erleben. Ich werde mich darum kümmern. Richte Leif und Mick bitte aus, sie sollen sich beruhigen und heute nichts weiter unternehmen. Mick soll nur Herrn Steyrer informieren, dass ich ihn heute Nachmittag noch anrufen werde. Ich will erst mit Leif sprechen.“

„Papa, ich glaube, Leif geht es gar nicht gut. Er ist ziemlich aufgelöst. Vor allem, dass seine Klasse sich nicht getraut hat, etwas dagegen zu sagen.“

„Lukas, was erwartet er da? Sollen sie sich gegen den neuen Lehrer wehren, der sie gleich so einschüchtert? Denk daran, die meisten sind erst vierzehn oder fünfzehn. Er soll nicht an seiner Klasse zweifeln. Wenn es ihm schlecht geht, schick ihn nach Hause. Ich bin mit den Handwerkern zu Hause.“

Damit beendete ich das Gespräch und zwei Stunden später saß ich in der Küche und hörte, wie Leif nach Hause kam.

Als er in die Küche kam, konnte ich sofort erkennen, dass es ihm nicht gut ging. Er war blass und schien auch sehr traurig zu sein.

„Hey, Kleiner, du machst ein Gesicht wie tausend Tage Regenwetter. Was ist denn los?“

„Ach Papa, ich habe doch einen neuen SoWi Lehrer bekommen, weil Frau Schieder in den Mutterschutz gegangen ist. Der scheint noch im Mittelalter zu leben. Er hat sich über Mick aufgeregt und alle Schwulen angegriffen. Und als ich mich gewehrt habe, hat er mir gedroht, ich würde bei ihm keine guten Noten bekommen. So ein verdammtes Arschloch. Das Schlimmste aber war, das keiner aus meiner Klasse sich getraut hatte, mich zu unterstützen. Ich hatte immer geglaubt, dass sie hinter Mick und Lukas stehen.“

Er war sehr niedergeschlagen und ich bat ihn, sich erst einmal zu setzen. Ich hatte bereits eine Kanne heißen Kakao gemacht und den goss ich uns in zwei große Becher. Wir setzten uns dann an den Tisch und ich hatte bereits für mich eine Entscheidung getroffen. Wehret den Anfängen. Dieser Lehrer würde merken, dass er sich da die falsche Familie ausgesucht hatte.

„Leif, ich finde diese Geschichte furchtbar. Aber eines verspreche ich dir. Er wird dir keine weiteren Probleme mehr machen. Dafür kenne ich euren Direktor mittlerweile zu gut. Ich werde ohne Anmeldung morgen bei euch in der Klasse auftauchen, und diesem Herrn mal seine Grenzen aufzeigen.“

„Papa, ich habe Angst, dass ich ihn im Unterricht behalten muss. Was ist dann?“

„Leif, warte es ab. Ich möchte heute noch mit Herrn Steyrer sprechen. Ich werde ihm erklären, was ich tun werde. Also vertraue uns.“

„Sag mal, wieso wusstest du eigentlich schon davon?“

Ich musste lächeln.

„Lukas hatte mich sofort angerufen, als du in der Pause bei ihnen warst. Wie ich finde, hat er alles richtig gemacht. Mit diesen Dingen sollst du dich nicht herumschlagen. Das ist ganz klar meine Aufgabe.“

Leif bekam langsam wieder ein Lächeln in Gesicht.

„Komm, lass uns was essen und dann machst du deine Hausaufgaben. Danach ist für dich heute mit dem Thema Schule Schluss. Mach dir einen schönen Nachmittag.“

Ich sprach später noch mit Mick und Lukas und wir waren uns einig, dass wir sofort und ohne Kompromisse gegen diesen Lehrer vorgehen würden. Das Gespräch mit Herrn Steyrer war auch sehr positiv. Er entschuldigte sich sofort für diese Entgleisung seines Lehrers und fand es in Ordnung, dass ich morgen früh in der Schule erscheine.

Für mich bedeutete das zusätzlichen Stress, denn ich wollte ja schon morgens mit Benny, Marcel, Mick und Lukas nach Deutschland aufbrechen. Das ging allerdings vor. Ich hatte Mick gebeten, Benny zu informieren, dass wir erst etwas später kommen würden.

Leif: Der Morgen danach

Nach einer ziemlich unruhigen Nacht stand ich nun vor dem Schultrakt des Internats. Was mich wunderte, eine Gruppe von Klassenkameraden kam auf mich zu und es schien so zu sein, dass sie auf mich gewartet hatten.

Unser Klassensprecher war auch dabei. Sie wollten sich bei mir entschuldigen, dass sie sich gestern nicht geäußert hatten. Sie erklärten mir, dass sie so überrascht waren und sich nicht getraut hätten, mich zu unterstützen. Das gab mir gleich ein viel besseres Gefühl am Morgen.

So gingen wir gemeinsam in unsere Klasse. Ich hatte nichts von den Plänen meines Papas erzählt. In der ersten Stunde sollten wir gleich wieder diesem Lehrer gegenüberstehen.

Die Stunde begann wie erwartet. Ich bekam eigentlich keine Chance, mich am Unterricht zu beteiligen. Er ignorierte mich total. Die Spannung in der Klasse war spürbar. Meine Sitznachbarin schaute immer wieder bedauernd zu mir.

Es klopfte an der Tür und der Lehrer unterbrach den Unterricht mit einem „Herein“. Die Tür öffnete sich und alle sahen zur Tür. Dort standen Herr Steyrer und Papa. Und Papa sah richtig wütend aus.

„Herr Horstmann, würden sie bitte einmal mit rauskommen.“

Herr Steyrer blieb aber sehr höflich. Unser Lehrer schaute verwundert und verließ mit Herrn Steyrer und Papa die Klasse. Sofort entstand ein großes Gemurmel. Natürlich hatten alle gesehen, dass mein Vater gekommen war. Ich war sehr angespannt, als ich dann auch noch laute Stimmen auf dem Flur hören konnte, wurde es mir doch etwas mulmig. Ich konnte die Stimme meines Vaters sehr deutlich hören. Meine Güte, so habe ich Papa noch nie erlebt. Er tobte förmlich auf dem Flur. Nach einigen Minuten kehrte wieder Ruhe ein. Wir sahen uns alle ziemlich sprachlos und gespannt an. Einige hatten sogar ein Grinsen im Gesicht. Plötzlich sagte unser Klassensprecher ziemlich belustigt.

„Hey Leif, ich glaube, dein Vater hat dem Arschloch grade mal gezeigt, wo der Hammer hängt. Ich wäre gerne da auf dem Flur dabei gewesen.“

Plötzlich kam Jubel auf, alle anderen freuten sich für mich und meine Angst wich langsam der Zuversicht, dass Papa doch etwas erreicht hatte. Denn in diesem Moment öffnete sich die Tür und Papa kam herein. Es wurde sofort still.

„Leif packst du bitte deine Sachen zusammen. Für dich ist der Unterricht heute beendet.“

Ich bekam jetzt doch ein wenig Angst. Markus, unser Klassensprecher meldet sich.

„Herr Steevens, warum muss Leif denn jetzt den Unterricht verlassen? Er hat sich doch richtig verhalten. Ich finde es übrigens richtig, dass sie diesem Blödmann die Meinung gesagt haben.“

Alle anderen begannen jetzt zu klatschen. Ich glaube, ich wurde sogar etwas rot. Papa fing an zu lachen. Es schien ihm zu gefallen, was Markus gesagt hatte. Als die Klasse sich etwas beruhigt hatte, gab Papa noch eine Erklärung ab.

„Also, ihr habt sicher Recht, und keine Sorge, Leif hat sicher nichts falsch gemacht und auch nichts mehr zu befürchten. Ich möchte nur vermeiden, dass er heute noch einmal diesem Lehrkörper begegnen muss. Ihr werdet einen anderen Lehrer bekommen. In der kommenden Woche vermutlich noch nicht, aber das klärt sich noch. Ich wollte euch noch mal danken, dass ihr Leif heute so unterstützt habt.“

Ich hatte jetzt meine Tasche gepackt und ging durch die Klasse. Einige klopften mir auf die Schulter und Markus sagte im Scherz:

„Hey Leif, hat ja auch was Gutes dieser Stress. Du hast schon Wochenende. Wir dürfen noch ein paar Stunden hier bleiben.“

Papa musste richtig lachen, mir war es ein wenig peinlich, aber er hatte wohl Recht damit. Papa und ich gingen nach unten aus dem Schulgebäude und ich war einfach erleichtert, dass ich so einen Vater hatte, der bedingungslos hinter uns stand. Das war ein geiles Gefühl.

Benny: Die Fahrt nach Hause mit Marcel

Unsere Abfahrt hatte sich etwas verzögert. Marc hatte uns nur gesagt, dass es einige Schwierigkeiten mit einem Lehrer geben würde. Mick hatte uns dann erklärt, was vorgefallen war. Ich war sehr beeindruckt, wie schnell Marc darauf reagiert hatte. Auch dass er so kompromisslos sein konnte, hatte ich noch nicht erlebt. Das hätte mein Vater vermutlich nie so gemacht. Ein gutes Gefühl, Marc als Freund zu haben.

Jetzt saßen wir jedenfalls in einem richtig geilen amerikanischen Van, mit allem erdenklichen Luxus und viel Platz. Marc saß am Steuer und wir hatten gerade die Grenze nach Deutschland passiert. Eigentlich fühlte ich mich gut. Mein Vater hatte mir mehrfach gesagt, dass er sich sehr freuen würde, dass ich mit Marcel kommen würde. Mein Freund saß in dem Sitz neben mir, eigentlich wäre der Begriff Sessel besser gewesen. Wir hatten jeder einen Monitor vor uns und konnten auf einer Play Station spielen. Mick und Lukas hatten es sich auch so richtig gemütlich gemacht. Lukas saß hinter Mick, der seinen Sitz nach hinten gedreht hatte. Das Einzige, was uns erinnerte, dass wir in einem Auto saßen, waren die Sicherheitsgurte. Einfach umwerfend, dieser Luxus auf Rädern.

„Jungs, wie sieht eure Meinung für eine kurze Pause aus? Ich würde gerne einen Kaffee trinken gehen.“

Ich fand die Idee eigentlich gut, aber wusste auch, Marc würde uns wieder einladen und ich wollte das nicht immer. Ich meinte, immerhin war er meinetwegen unterwegs und mein Vater hatte mir dafür extra ein wenig Geld geschickt, damit ich für die Spesen sorgen könnte, inklusive der Benzinkosten. Wie ich das Marc erklären sollte, wusste ich allerdings auch noch nicht. Er würde das niemals zulassen.

„Ich bin dabei“, sagte ich, „aber nur, wenn ich ab sofort alle Spesen, die anfallen, auch bezahlen darf.“

Marc schaute mich durch den Rückspiegel fragend an. Marcel lachte sich halb tot und Mick und Lukas grinsten.

Mick meinte dazu nur:

„Gut gebrüllt Löwe, nur so hast du die Chance, dass du bei Papa da nicht auf taube Ohren stößt.“

„Ok, ich gebe mich geschlagen, aber warum bestehst du darauf, Benny?“

„Weil ich es so will, sieh doch mal Marc, ich fahre mit meinem Freund zu meinem Vater und du bringst uns dorthin. Sogar Mick und Lukas begleiten uns. Ich finde das einfach wundervoll, wie ihr mir das erleichtert. Da meinte mein Vater, ich sollte für alle die Spesen übernehmen und hat mir auch das Geld dafür gegeben. Das wäre wohl das Mindeste, was ich für euch tun sollte.“

Marc holte schon tief Luft und wollte sich dagegen wehren, aber Mick war schneller.

„Papa, lass es einfach. Ich verstehe ihn und ich finde, du solltest es einfach so stehen lassen. Es ist der Wunsch von Benny, und seit wann lehnst du die Wünsche deiner Freunde ab?“

Das war ein Volltreffer. Marc musste lachen. Er gab keine weiteren Widerworte und so hielt er sich, bis zum Eintreffen bei mir zu Hause, zurück. Ich durfte wirklich die Kosten auch an der Tankstelle übernehmen. Der große Vorteil war, dass der Van auch mit Gas gefahren werden konnte. Das war viel günstiger als Benzin.

Innerhalb von zwei weiteren Stunden hatten wir das Ortsschild meiner Heimat erreicht. Ich spürte eine aufsteigende Nervosität. Ich erkannte einige Häuser wieder und die Erinnerungen kamen hoch. Plötzlich hielt Marc den Wagen auf dem Parkplatz eines Supermarktes an. Was hatte er vor?

„So, Leute, ich gehe jetzt mit Benny mal noch etwas einkaufen. Es dauert nicht lange.“

Dann öffnete er seine Fahrertür und ich stieg durch die seitliche Schiebetür aus, die sich leise surrend elektrisch öffnete. Ich war immer noch von dem Luxus beeindruckt.

Wir gingen gemeinsam über den Parkplatz in Richtung Eingang. Die Türen öffneten sich automatisch und Marc ging mit mir in Richtung Feinkostabteilung.

„So Benny, wir sind ja gleich Gäste bei deinem Vater und als gute Gäste, bringt man ein Gastgeschenk mit. Du kennst deinen Vater besser, was mag er denn besonders gern?“

„Ach Marc, er trinkt gern abends mal einen Schluck französischen Rotwein. Frag mich aber nicht, was da gut ist und was nicht. Davon habe ich gar keine Ahnung.“

Marc lachte mich an und ging zielstrebig in Richtung Weinregal. Er schaute nur einen Moment und griff sehr zielstrebig nach einer Flasche. Dann schaute er noch in Richtung der Kartons, die am Boden standen. Er nahm einen Karton und wir gingen direkt zur Kasse. Ich wollte erst protestieren, aber ich wusste auch, dass wäre jetzt sinnlos gewesen.

Mit dem Karton im Arm gingen wir wieder zurück zum Auto. Glücklicherweise wurde Marc nicht von anderen Personen erkannt. Er hatte mir noch kurz erklärt, was für einen Wein er gekauft hatte und was so besonders an ihm sei.

Als wir wieder im Wagen saßen, überkam mich eine Welle von Gefühlen. Ich wusste, jetzt würde ich gleich das Haus wieder betreten, in welchem ich Furchtbares erlebt hatte. Ich spürte Angst aufkommen. Marcel gab mir zwar ein Gefühl von Sicherheit, aber dennoch war die Angst größer. Wir fuhren vom Parkplatz und in wenigen Minuten würden wir an unserem Haus ankommen. Eine Straße vor unserer hielt Marc den Van noch einmal an. Er drehte sich zu uns um.

„Benny, wie geht es dir jetzt?“

„Es geht so, ich habe etwas Angst vor dem, was mich jetzt erwartet.“

„Warum? Dein Vater hat doch gesagt, er freut sich auf deinen Besuch.“

Marcel schaute mich mit großen Augen an. Mick hingegen hatte verstanden, worum es mir ging.

„Marcel, Benny hat in diesem Haus Dinge erlebt, die sich niemand von uns auch nur vorstellen kann. Ich kann ihn verstehen. Wir sollten gut auf Benny aufpassen.“

Dabei musste Lukas lachen und meinte spontan:

„Worauf du dich verlassen kannst. Wir werden ihn nicht allein lassen.“

Er umarmte mich. Das war sehr überraschend für mich. Es tat aber sehr gut. Marc schaute uns beide an und ergänzte nur kurz:

„Benny, versprichst du mir, sobald die Erinnerungen zu stark werden, mir etwas zu sagen. Vor allem heute Abend. Ich möchte nicht, dass du dich zu etwas zwingst.“

Ich war sehr dankbar für diese Unterstützung und nickte wortlos. Dann startete er den Motor und wir glitten in die Straße meiner Heimat. Als ich das Haus sah, überkamen mich meine Gefühle. Marcel nahm meine Hand und Mick und Lukas hielten sich schweigend ihre Hände. Das tat mir richtig gut, zu spüren Gleichgesinnte bei mir zu haben. Marc fuhr in die Einfahrt zu unserem Haus und stellte den Motor ab. Er blieb sitzen. Er wollte mir Zeit geben, den Moment zu bestimmen, wann ich mich bereit fühlte. Ich gab mir einen Ruck und drückte den Knopf zum Öffnen der Tür. Frische Luft strömte um mein Gesicht. Ich betrat, seit meiner Flucht, zum ersten Mal wieder heimatlichen Boden. In diesem Moment öffnete mein Vater die Haustür. Er kam zügig auf uns zu. Marc, Mick und Lukas hielten sich im Hintergrund. Marcel hielt meine Hand, als mein Vater zu mir kam und mich begrüßte. Marcel ließ mich los und mein Vater fiel mir um den Hals. Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Mir liefen die Tränen, ich konnte es einfach nicht mehr vermeiden. Die Gefühle waren zu stark. Mein Vater streichelte mir den Rücken. Es war ein neues Gefühl für mich. Das hatte er früher nie gemacht. Er sagte auch nicht viel. Alle anderen schauten uns wortlos zu. Nach einigen Augenblicken löste sich mein Vater von mir und ging auf Marcel zu. Er umarmte ihn genauso herzlich. Das tat so gut. Auch Marcel freute sich sichtlich über diese Geste. Danach gab Papa den anderen die Hand und wir gingen ins Haus. Marcel hielt mich ganz fest beim Eintritt in das Haus. Ich sah mich im Flur um und musste feststellen, mein Vater hatte vieles verändert. Er hatte das gesamte Haus renovieren lassen. Wenige Möbel erinnerten an die alte Zeit.

„Herr Steevens, ich schlage vor, ich zeige ihnen mein Haus. Benny soll sich mit seinem Freund einen Moment allein umsehen. Ich glaube, es ist besser, wenn wir da nicht dabei sind.“

Ich war sehr dankbar für diesen Vorschlag. Mein Vater hatte sein Wort gehalten. Er wollte viel in seinem Verhalten überprüfen und verändern. Er hatte hier einen guten Anfang gemacht. Ich blieb mit Marcel in der Küche und er gab mir einen Kuss, als die anderen sich durch das Haus bewegten. Ich hörte, wie sie nach oben in mein altes Zimmer gingen. Dabei bekam ich eine Panikattacke. Marcel streichelte mir das Gesicht und hielt mich ganz fest.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen alle wieder in die Küche. Ich saß immer noch mit Marcel dort und konnte mich nicht rühren. Marc kam auf mich zu, er nahm meine Hand und ich stand auf. Mit Marcel im Arm gingen wir drei nach oben. Vor meinem Zimmer blieb er stehen.

„Benny, ich habe dein Zimmer eben betreten und dein Vater hat mir erklärt, dass nichts mehr an dein altes Zimmer erinnert. Es ist sehr schön geworden, ich glaube, es wird dir gefallen. Er hat mir aber auch gesagt, dass alles, was hier an Sachen von dir war, noch vorhanden ist. Du kannst also alles in Ruhe durchsehen und alles mitnehmen, was du möchtest. Also, sollen wir hineingehen?“

Ich war beeindruckt von der Art, wie Marc mit uns hier stand. Ich fühlte mich sicher und nickte. Er öffnete die Tür und ich konnte in mein altes Kinderzimmer hineingehen. Was für ein Moment. Komischerweise kamen keinerlei Erinnerungen hoch. Es war wirklich alles neu.

Ich entspannte mich mit jeder Minute mehr und mehr. Marc war wirklich sehr aufmerksam und auch mein Vater gab sich sehr große Mühe, keine Erinnerungen zu wecken. Wir sprachen eigentlich nur über die Zukunft. Marcel wurde von ihm so behandelt, als ob er praktisch zur Familie gehören würde. Das tat mir so gut. Nach ungefähr zwei Stunden schlug mein Vater mir vor, mit Marcel gemeinsam meine Sachen zusammenzusuchen, die ich mitnehmen wollte. Ich bat Mick und Lukas uns zu helfen. Ohne einen Moment zu zögern, folgten sie uns nach oben. Marc gab mir seinen Autoschlüssel, damit ich die Sachen gleich in den Van packen konnte. Nach einer weiteren Stunde hatte ich alles Wichtige eingepackt und wir stießen wieder zu Marc und meinem Vater, die mittlerweile im Wohnzimmer saßen und sich sehr angeregt unterhielten. Marc sah zu mir auf.

„Na ihr vier, habt ihr das Auto ordentlich vollgepackt? Das sah ja so aus, als ob du das halbe Haus mitnehmen willst.“

Wir mussten alle lachen, und das tat wirklich gut das Lachen. Ich war immer noch sehr angespannt, aber bislang war es ein tolles Erlebnis, mit meinem Vater wieder gemeinsam, zusammen zu sein.

Es wurde bereits dunkel und ich bekam ehrlich Hunger.

„Also, ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber durch die ganze Schlepperei habe ich jetzt doch Hunger bekommen. Wann gibt es etwas zu essen, Papa?“

„Sobald ihr wollt. Ich habe mir gedacht, dass du vielleicht bei Toni essen möchtest.“

Toni war früher mein Lieblingsitaliener. Sein Sohn ging mit mir in eine Klasse und wir waren gute Freunde. Gianluca war der Einzige, dem ich mal etwas von meinem Problem erzählt hatte. Er war der Einzige, der hier vermutlich ahnte, dass ich schwul war.

„Papa, das wäre toll. Ich habe mit Gianluca mal vor ein paar Wochen gemailt, dass ich irgendwann mal herkommen würde.“

„Da ich auch Hunger habe, lasst uns aufbrechen.“

Das war wieder so typisch Marc, einfach machen. Also brachen wir alle in Marcs Van in Richtung Toni auf. Die Fahrt dauerte nur wenige Minuten.

Papa ging voraus und Marcel und ich gingen Hand in Hand hinter ihm. Marc hatte seine Söhne im Arm und so war die Stimmung deutlich entspannter. Ich fühlte mich viel besser als zu Beginn meines Besuches. Als wir an der Theke vorbeigingen, wurde uns ein großer Tisch zugewiesen. Toni schien gerade in der Küche zu sein, jedenfalls ließen wir uns auf den Stühlen nieder und bekamen die Karten. Die Getränke wurden bestellt und plötzlich sah ich Gianluca auf den Tisch zukommen. Sein Vater blieb noch an der Theke, aber beobachtete uns sehr genau. Gianluca blieb neben mir und Marcel stehen. Ich stand auf und dann umarmte er mich wortlos. Es war ein tolles Gefühl, so begrüßt zu werden.

„Hallo Benny, ich freue mich so, dass es dir wieder besser geht. Wie lebt es sich in der Schweiz? Und wen hast du denn alles mitgebracht?“

Dabei sah er sich die Personen genauer an, die am Tisch saßen und uns beobachteten. Als sein Blick bei Marc ankam, wurde er unsicher. Er schaute mich an und wollte mich etwas fragen, aber er traute sich nicht. Mittlerweile war auch Toni zu uns gekommen und ich begrüßte ihn auch sehr herzlich. Ich stellte beiden meine Freunde vor, Marc stellte ich bewusst als letzten vor. Gianluca schien es erst nicht zu glauben.

„Sag mal Benny, ist das der Marc Steevens? Der Rennfahrer, und das ist seine Familie? Du bist mit Marc Steevens befreundet? Das glaube ich ja jetzt nicht.“

Alle anderen am Tisch brachen in lautes Gelächter aus. Das war mir doch etwas peinlich. Marc rettete die Situation, in dem er Gianluca bat, sich zu uns zu setzen. Toni hatte nichts dagegen und so konnte ich mit Gianluca über alles reden, was in den letzten Wochen alles passiert war. Gut, die Details mit meiner Mutter musste ich weglassen. Ich war nicht bereit, ihm das zu erzählen. Marc schien das zu spüren, denn an dieser Stelle, stieg er in das Gespräch ein und lenkte es sehr schnell auf die Situation heute. Ich stellte Gianluca, Marcel als meinen Freund vor und da war es dann, sein befreites Lachen.

„Mensch, Benny, ich habe es also doch geahnt. Du stehst auf Jungs. Es ist toll, dass du das für dich annehmen kannst. Ich freu mich für dich. Und wie es aussieht, hast du ja tolle Unterstützer.“

Dabei zeigte er auf Mick und Lukas, die sich in diesem Moment ganz demonstrativ küssten.

Der Abend wurde sehr schön und ich bemerkte eigentlich überhaupt nicht, dass es bereits nach elf Uhr war, als Marc darum bat, aufzubrechen. Wir wollten ja am nächsten Tag früh weiter zu Marcels Familie fahren. Papa bezahlte die Rechnung und wir fuhren nach Hause.

Erst auf der Fahrt fiel mir dann ein, dass wir irgendwo schlafen mussten. Ich hatte Angst mit Marcel in meinem Zimmer schlafen zu müssen. Ich verkrampfte mich immer mehr. Ich wollte aber meinen Vater auch nicht enttäuschen, er hatte sich so große Mühe gemacht, alles für mich vorzubereiten.

Wir erreichten unser Haus und Marc sollte mit Mick und Lukas in einem Hotel schlafen.

„Papa, können nicht Mick und Lukas auch bei mir im Zimmer schlafen?“

Mein Vater sah mich verwundert an und schüttelte bereits den Kopf.

„Wie soll das gehen? Sie müssten auf der Erde auf einer Matratze schlafen, das willst du deinen Gästen doch nicht zumuten.“

Ich wollte meine Angst nicht zugeben, aber ich wollte auch nicht allein bleiben. Was wäre denn, wenn ich wieder diese Ausraster bekäme? Marcel kannte das ja noch nicht wirklich. Glücklicherweise hatte Mick meinen Hilferuf verstanden.

„Herr Dankers, ich kann Benny verstehen. Lukas und ich würden gern bei ihm bleiben. Es ist kein Problem für uns.“

Also nahmen sie ihre Taschen aus dem Auto und Marc fuhr ohne einen weiteren Kommentar mit meinem Vater ins Hotel. Wir hatten so ein paar Minuten allein im Haus.

„Benny, warum hast du nicht die Wahrheit gesagt, dass du Angst hast?“

Typisch Mick, immer direkt und keine Angst vor dem Feind.

„Weil es mir meinem Vater gegenüber noch zu peinlich ist. Außerdem sollte sich Marcel nicht so ängstigen. Er kennt das doch noch gar nicht richtig.“

Dann kam Marcel auf mich zu und gab mir eine kleine Ohrfeige. Sie war natürlich nicht ernsthaft gemeint.

„Du Depp, ich liebe dich und ich nehme dich so, wie du bist. Wenn du Angst vor der Vergangenheit hast, dann werden wir das gemeinsam überstehen.“

Dann küsste er mich liebevoll. Ich musste wohl ziemlich rot geworden sein, denn Lukas fing an zu kichern und auch Mick konnte sich nicht länger zurückhalten.

Es wurde noch ein interessanter Abend. Wir redeten noch einige Zeit über viele Dinge, die in der letzten Zeit passiert waren. Ich wurde immer müder, irgendwann musste ich einfach eingeschlafen sein. Jedenfalls wurde ich am nächsten Morgen von meinem Freund zärtlich wach geküsst. Es war leider nur noch viel zu früh am Morgen. Mick und Lukas waren schon duschen. Die Nacht war ohne Albtraum verlaufen und ich fühlte mich großartig.

Mick und Lukas kamen gemeinsam zurück in mein Zimmer. Meine Phantasie spielte mir gerade einen Streich. Was die beiden wohl unter der Dusche gemacht hatten. Egal, plötzlich nahm mich Marcel an die Hand und zog mich mit zur Dusche. Mick grinste und ich konnte und wollte mich auch nicht dagegen wehren.

Sehr entspannt und befriedigt kamen wir vier dann nach unten zu meinem Vater in die Küche. Marc war noch nicht da und wir bereiteten das Frühstück gemeinsam vor.

„Habt ihr alle gut geschlafen?“, wollte mein Vater wissen.

Auch er hatte ein verschmitztes Lächeln im Gesicht. Ob er wohl etwas gemerkt hatte? Mick schien es jedenfalls vollkommen egal zu sein.

„Ja, Herr Dankers. Es war eine sehr ruhige und erholsame Nacht. Wir sind bereit für neue Taten heute.“

Lukas lachte und auch Marcel schien verstanden zu haben, wie Mick das gemeint hatte. Mir war es noch nicht so ganz geheuer, im Beisein meines Vaters, die Beziehung zu meinem Freund ganz offen zu zeigen, mit allem was dazugehörte.

Kurze Zeit später stieß Marc auch wieder zu uns und wir genossen das gemeinsame Frühstück. Leider kam der Zeitpunkt des Abschieds und auch mein Vater schien ein wenig traurig zu sein.

„Benny, ich muss leider zum Abschluss noch ein sehr trauriges Kapitel ansprechen. Es geht um deine Mutter. Sie sitzt ja weiterhin in der geschlossenen Psychiatrie. Ich habe hier einen Brief der Staatsanwaltschaft, sie fordern von dir eine schriftliche Stellungnahme zu dem Geschehen, als sie verhaftet wurde. Deine Mutter hat vermutlich gegen dich Strafanzeige gestellt.“

Mir wurde schlecht. Gott sei Dank übernahm Marc sofort das Gespräch.

„Herr Dankers, wenn sie einverstanden sind, werde ich mich mit Benny darum kümmern. Dir, Benny, sei schon jetzt gesagt, keine Angst, es wird nichts passieren. Das ist ein formaler Akt und du hast nichts zu befürchten. Das klärt sich alles.“

Ich nickte wortlos und Marc nahm seine Jungs und verließ mit dem Brief den Raum, um mir die Möglichkeit zu geben, mich mit Marcel von meinem Vater zu verabschieden. Er umarmte uns beide und versprach mir, mich in der Schweiz zu besuchen. Damit war dieser Besuch beendet, wir stiegen recht zügig ein und Marc machte es mir sehr leicht, er fuhr einfach los. Das tat mir gut. Innerhalb weniger Minuten beruhigte ich mich wieder und schaute nun gespannt nach vorne. Heute sollte ich ja Marcels Familie kennenlernen. Auch seinen kleinen Bruder.

Marc: Lukas stellt uns seine Familie vor

Wir hatten bereits zwei Stunden auf der Autobahn zurückgelegt und meine Passagiere hatten wohl noch Schlaf nachzuholen. Jedenfalls konnte ich so ungestört, bei guter Musik, über deutsche Autobahnen gleiten. Schnell reisen war mit diesem Van natürlich nur sehr bedingt möglich. Mehr als 200 km/h war nicht möglich, aber das war auch nicht der Zweck solcher Schiffe auf Rädern. Die Autobahnabfahrt kam immer näher und ich setzte bereits den Blinker. Ich weckte meine Mitfahrer auf und so kamen wir dank Marcels guter Ortskenntnis, ohne Navi, sehr zügig zum Haus seiner Eltern. Er freute sich sehr auf das Wiedersehen. Interessant war der Rollentausch, den die beiden, Benny und Marcel, gemacht hatten. Diesmal war es Benny, der seinem Freund beistand. Ich parkte den Van auf der Straße vor dem Haus. Wir ließen alle Taschen erst einmal noch im Auto. Marcel ging mit seinem Freund voraus und schloss die Haustür auf. Nach einem lauten „Hallo“ rührte sich etwas in dem Haus. Aus dem Keller kam eine sportliche Frau, sie staunte einen Moment, denn sie hatte wohl nicht so früh mit ihrem Sohn gerechnet. Umso herzlicher fiel die Begrüßung aus. Auch Benny wurde sehr herzlich in die Arme genommen.

Wir wurden freundlich, aber doch etwas distanzierter begrüßt. Marcel wollte sofort seinen Bruder sehen. Die Mutter bat uns, doch einen Moment zu warten. Die Aufregung wäre zu groß, wenn so viele unbekannte Personen sein Zimmer gleichzeitig betreten würden. Deshalb ging Marcel mit Benny allein in das Zimmer des kranken Jungen.

Uns wurde Kaffee und Kuchen angeboten und gesagt, dass Marcels Vater gleich zurückkommen würde. Deshalb baten wir, doch so lange zu warten mit dem Kaffee, bis er zurück sei. Mittlerweile war Benny wieder zu uns gestoßen. Er berichtete von seinen Eindrücken mit dem kranken Bruder.

„Warum bist du jetzt gegangen? Marcel wollte dich doch ihm vorstellen.“

„Ja, Marc, das hat er auch gemacht. Aber er meinte, sein Bruder würde etwas unruhig sein und bat mich hinauszugehen.“

Marcels Mutter ging daraufhin sofort zu Marcel. Sie öffnete die Tür und schaute hinein. Sie lächelte beruhigt und schloss die Tür wieder. Es schien also alles in Ordnung zu sein.

„Er freut sich halt sehr, dass sein Bruder zurück ist. Sie haben sich seit Monaten nicht mehr gesehen. Und Benny, verstehe das bitte nicht falsch, aber Marcel ist hier immer sehr nah am Wasser gebaut und mag das nicht, wenn andere ihn weinen sehen. Sein Bruder bedeutet ihm unheimlich viel. Es war sehr schwer für ihn, in das Internat zu gehen. Es ging aber nicht anders, er hätte hier niemals seine Schule gut beenden können.“

„Er hat uns noch nicht sehr viel erzählt, nur was mich sehr berührt hatte, war die Art, wie er von Ihnen und seinem Bruder erzählte. Auch dass es für ihn schwierig ist, Sie häufiger zu besuchen. Erst als ich nachfragte, warum Sie ihn denn nicht in der Schweiz besuchen würden, berichtete er mir von der Erkrankung seines Bruders. Das hatte ihn sehr bewegt.“

„Wissen Sie, Herr Steevens, als Marcel uns erzählte, dass er Sie kennengelernt habe, waren wir im ersten Moment etwas in Sorge. Vor allem, als er uns von Benny erzählte und das, was Benny schon erlebt hatte.“

An dieser Stelle sah ich zu Benny, er blieb äußerlich ruhig, aber ich war mir nicht sicher, ob er dieser Situation gewachsen war.

„Das war für mich der Hauptgrund, weshalb ich darauf bestanden habe, mit den beiden herzukommen. Die beiden sind ein gutes Team geworden. Benny, gehst du wieder zu Marcel, er braucht dich dort, glaube ich.“

Benny schien darauf gewartet zu haben, denn er flog förmlich zu seinem Freund. Marcels Mutter musste auch etwas lächeln. Plötzlich stand Marcel in der Tür, er sah mich an.

„Marc, kannst du bitte auch mal kommen, Timo möchte dich kennenlernen.“

Ich war verwundert, wie sollte sich der Junge so verständlich machen, dass Marcel wusste, was er möchte. Nun gut, es war anscheinend so, dass es funktionierte. Ich ging mit Marcel zu Timo ins Zimmer, dort lag ein etwa zwölfjähriger Junge in einem Spezialbett. Seine Augen waren geöffnet, aber er zeigte kaum Regung. Ein komisches Gefühl für mich. Wie sollte ich mich mit dem Jungen verständlich machen? Marcel bat mich näher zu kommen, er nahm meine Hand und führte sie zu der Hand seines Bruders. Er legte sie aufeinander und erklärte ihm alles. Wer ich bin und sein Freund sei. Timo schien sich tatsächlich zu entspannen. Marcel freute sich, er lachte seinen Bruder an und meinte:

„Siehst du Timo, ich habe Wort gehalten. Marc ist tatsächlich hier.“

Dann nahm er seinen Freund in die Arme und küsste ihn liebevoll vor seinem Bruder. Ich blieb noch einen Moment bei Timo, stand auf und verließ die beiden Jungs, die sich noch ein wenig um Timo kümmern wollten.

Ich betrat erneut die Küche, wo mittlerweile auch Marcels Vater eingetroffen war. Wir begrüßten uns. Meine beiden Jungs waren bereits mit Marcels Eltern in einer regen Unterhaltung gewesen, die sie dann auch fortführten. Ich wurde auch einbezogen, und das Thema war hauptsächlich, wie ich denn gemerkt hatte, dass mein Sohn sich in einen Jungen verliebt hatte. Es wurde ein sehr offenes Gespräch. Ich hatte das Gefühl, dass meine beiden Jungs, sehr viel zur Beruhigung von Marcels Eltern beitrugen.

Als nach einiger Zeit die beiden anderen auch wieder zu uns kamen, bat uns Marcels Mutter ins Wohnzimmer zum Kaffee. Timo lag in seinem Bett, aber konnte uns hören. Ich erfuhr, dass es sehr wichtig war, dass Wachkoma Patienten immer ihre Bezugspersonen um sich haben. So könnte es auch sein, dass Timo auch wieder wach werden würde.

Dieses Erlebnis mit Marcels Bruder war für mich sehr beeindruckend. Die Eltern beklagten sich nicht einmal über die Situation. Sie hatten sie so angenommen, wie sie war. Auch dass dadurch Marcels Mutter nicht mehr arbeiten konnte und es so weniger Geld im Haushalt gab, wurde einfach als gegeben angesehen.

Der Tag wurde für Marcel und Benny sehr schön, sie genossen die gemeinsame Zeit, vor allem, weil sie ihren Eltern, die Sorge hatten nehmen können. Die vier Jungs gingen sogar mit Timo in einem Spezialstuhl in den Garten und es war einfach toll, sie dabei zu beobachten. Ich war sehr stolz auf meine Söhne.

Am Sonntagmorgen saßen wir beim Frühstück zusammen. Marcel und Benny schienen gut gelaunt und auch die Eltern machten einen glücklichen Eindruck.

„Marc“, begann Marcel, „ich möchte mich einmal für dieses tolle Wochenende bedanken. Ich bin sehr froh, dass du mit uns hierher gefahren bist. Mama und Papa haben mir gesagt, dass du ihnen viel von ihrer Angst genommen hast und sie können jetzt viel besser damit umgehen, dass ich schwul und verliebt bin.“

Dabei küssten sich die beiden demonstrativ. Es war ein schönes Bild.

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