Stories
Stories, Gedichte und mehr
David und Tobias
Teil 2
Der Lesemodus blendet die rechte Navigationsleiste aus und vergrößert die Story auf die gesamte Breite.
Die Schriftgröße wird dabei vergrößert.
Informationen
- Story: David und Tobias
- Autor: Chelsea
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Coming Out, Lovestory
Inhaltsverzeichnis
5
Hilfe, ich verstehe die Welt nicht mehr. Gestern war alles noch in Ordnung und heute möchte ich nur noch sterben. Ich hab mich gerade mit Sandra getroffen, wir sind ins Cafè gegangen und haben eine Eisschokolade geschlürft, haben Händchen gehalten und es war wundervoll. Doch dann geschah etwas sehr Unheimliches.
Ein Mädchen kam auf uns zu, strahlte mich an und rief »Hey, Süßer, was machst du denn hier?«
Ich kannte das Mädchen nicht und meinte noch, sie würde mich bestimmt verwechseln. Sandra sah ziemlich verwirrt aus.
Das Mädchen setzte sich zu meinem Entsetzen auf meinen Schoß und küsste mich auf die Wange. »Ich hab gestern auf dich gewartet, Tobi, wo warst du denn?«
»Entschuldige aber ich kenne dich nicht«, antwortete ich und versuchte, sie runterzuschieben, doch sie schlang ihre Arme um mich.
»Ist er nicht süß?« fragte sie und lächelte Sandra an, die ihre Lippen zusammenkniff.
»Tobi, was soll das?«
»Ist sie das?« säuselte das Mädchen, das ich endlich von mir wegbekam. Sie setzte sich auf den Stuhl neben mir.
»Ich weiß auch nicht, was die will«, erklärte ich hilflos.
»Hi, ich bin Tina, Tobis Freundin.« Sie hielt Sandra ihre Hand hin.
»Was soll das? Ich kenne dich nicht. Hast du Drogen genommen, oder was?«
Ich war nun doch reichlich verärgert.
Das Mädchen, Tina, ignorierte mich. »Und du bist die Sandra?«
»Allerdings«, entgegnete sie giftig, »und soviel ich weiß, bin ICH Tobis Freundin.«
Tina schlug die Hand vor den Mund. »Oh, Scheiße, Tobi, tut mir leid. Du hättest mir sagen sollen, dass sie nichts von uns weiß. Du und deine blöden Geheimnisse. Das wird echt langsam peinlich. Nie weiß ich, ob ich nun deine Freundin sein darf, wenn jemand dabei ist, oder nicht.«
»Ehrlich. Sandra, ich kenne die nicht«, begann ich hilflos. Das war ja alles im Kopf nicht auszuhalten. Wo war diese Tussi bloß entsprungen?
»Naja, immerhin kennt sie deinen Namen, also scheidet das mit der Verwechslung schonmal aus. Hast du mir vielleicht etwas zu sagen?«
»Würdest du uns bitte in Ruhe lassen?« fragte ich Tina, die darauf ziemlich bedröppelt aus-sah.
»Ich verstehe dich nicht. Warum bist du so gemein zu mir? Ich dachte, du hast mich lieb, Tobi. Ich hab ja nichts dagegen, wenn du dich mit anderen Mädchen triffst aber so zu tun, als kennst du mich nicht ist echt das Letzte.«
»Ich gehe dann mal«, Sandra stand auf. »Vielleicht bringst du erstmal Ordnung in dein Privatleben.«
»Sandra, warte doch. Ich schwöre dir, ich kenne diese Tussi nicht.«
»Dann ist das wohl Versteckte Kamera hier, was? Mach's gut, Tobias. Und...ruf mich nicht an.«
Ich lief ihr nach, doch sie wollte sich nicht aufhalten lassen. Als ich an den Tisch zurückkehrte, um diese Verrückte zur Rede zu stellen, war sie ebenfalls verschwunden.
Ich wartete noch einige Minuten, vielleicht tauchte doch noch eine versteckte Kamera auf.
Mann, ich begreife einfach nicht, was passiert ist. Natürlich hab ich Sandra angerufen, ihr gesagt, dass ich mir diese ganze Sache nicht erklären kann und nur sie liebe, doch sie glaubt mir nicht. Heute in der Schule hat sie mich nicht beachtet, dafür David umso mehr. Ich bin echt am Ende. Ich rufe sie nochmal an.
»Sandra, ich weiß nicht, was ich noch sagen soll. Wieso glaubst du irgendeiner verrückten Schnepfe mehr als deinem Freund?«
»Warum sollte ein wildfremdes Mädchen deinen Namen kennen und behaupten, deine Freundin zu sein? Ist doch reichlich komisch, oder?«
»Naja, das sag ich doch. Vielleicht ist das alles nur ein blöder Scherz von irgendwem.«
»Wer sollte denn so etwas machen?«
»Keine Ahnung. Jemand, der uns auseinanderbringen will.«
»Mensch, du bist aufgeflogen, dann steh auch dazu und sag endlich die Wahrheit«, keift sie. »Ist ja peinlich, wie du dich hier versuchst aus der Affaire zu ziehen.«
»Ich kenne diese Tina nicht. Wie oft denn noch?«
»Mann, ich hab David gleich gesagt, dass ich meine Zeit mit dir verschwende.«
»Hä? Was hat der denn mit uns zutun?«
»Das kann ich dir sagen. Angefleht hat er mich, damit ich mich mal mit dir abgebe, weil du doch so in mich verschossen bist. Ich sollte dir eine Chance geben. Naja, du hast sie gehabt und jetzt...lass mich in Ruhe.«
Klick. Sie hat eingehängt.
Die ganze verdammte Woche versuche ich mit ihr zu sprechen, doch in der Schule geht sie mir aus dem Weg und wenn ich sie anrufe, ist sie angeblich nicht da.
Was soll ich denn bloß machen? Wenn ich diese Scheißkuh, die mir das eingebrockt hat, in die Finger kriege, die kann was erleben. Oh Gott, ich liebe Sandra und ich halte es nicht aus, dass sie nichts mehr von mir wissen will.
David hat schon ein paarmal gefragt, was los ist aber ich hatte keine Lust, mit ihm zu reden. Ich will sterben. Mir ist so elend.
Ich zermartere mir das Hirn über diese bescheuerte Sache, ich habe schon das Gefühl, schwachsinnig zu sein. Vielleicht hab ich das nur geträumt? Oder ich bin in einer Spaßshow gelandet. Und was zum Teufel hat es mit ihrem Davidgefasel auf sich?
So langsam beginne ich zu begreifen. Oh Mann, Sandra hat sich mit mir eingelassen, um ihm einen Gefallen zutun, weil sie ihn toll findet. Ich...Vollidiot. Wahrscheinlich haben sich die beiden krankgelacht über mich Trottel. Scheiße und ich dachte, ich könnte David vertrauen. Kann ich bitte auf der Stelle tot umfallen??
6
Mist, verdammter. Sandra hat mit Tobi Schluss gemacht. Das weiß ich nicht einmal von ihm, sondern von Sandra. Die hat mich völlig aufgelöst angerufen, wollte sich unbedingt mit mir treffen, also fahre ich hin und sie heult sich bei mir aus.
»David, weißt du irgendwas von Tina?«
»Nee, wer ist denn das?«
»Tobis Freundin.«
»Ich dachte, du bist seine Freundin.«
»Das dachte ich auch«, entgegnet sie finster, fängt an zu heulen und erzählt mir eine aben-teuerliche Geschichte. Von einem Mädchen, das Tobi geküsst hat und das behauptete, seine Freundin zu sein.
»Ach, das gibt's doch gar nicht. Meinst du echt, der hat dich verarscht? Das passt doch nicht zu ihm.«
»Das denke ich auch aber dieses Mädchen...warum sollte die denn sowas sagen?«
»Keine Ahnung. Und du hast echt mit ihm Schluss gemacht?«
»Was denn sonst? Dabei hab ich ihn doch so lieb und er hintergeht mich.« Ich tröste Sandra noch eine Weile und verpisse mich dann. Irgendwie ist mir total schlecht. Gerne würde ich mit Tobi sprechen, doch ich glaube, ich kann ihm jetzt nicht ins Gesicht sehen. Vielleicht rufe ich ihn später an oder ich warte, bis er sich meldet. Scheiße, ich weiß gar nicht, was ich tun soll. Also gehe ich erstmal nach Hause und versuche mich irgendwie abzulenken, doch das Pornoheft, das ich unter meiner Matratze verstecke kann mich nicht aufmuntern. Ich muß immer an Tobi denken. Wie aufs Stichwort ruft er mich an und fragt, ob ich Zeit hätte, er müsste ganz dringend mit jemandem reden.
Oh verdammt, Tobi sieht echt fertig aus, während er mir die Geschichte erzählt, die ich nur zu gut kenne. Ich hab ein tierisch schlechtes Gewissen, möchte ihm am liebsten alles sagen, doch er würde mich hassen.
»Lass erstmal Gras über die Sache wachsen«, schlage ich ihm vor, »Sandra kriegt sich be-stimmt wieder ein. Früher oder später wird sie dir glauben, dass du das Mädel nicht kennst.«
»Das kannst du vergessen, Sandra glaubt, dass ich sie verarschen wollte. Wenn ich nur wüsste, wer mir diese Tussi auf den Hals gehetzt hat. Vielleicht jemand, der mir Sandra ausspannen wollte? Eine andere Erklärung gibt's da nicht. Allerdings könnte das praktisch jeder sein, du weißt ja, wie sie ist.« Er sieht mich mit seinen großen braunen Augen, die jetzt feucht glänzen, an. »David, ich vermisse sie so. Ich hab schreckliche Angst, dass ich sie niemals zurückbekomme. Was mache ich denn dann?«
Ich könnte kotzen, so sehr ekle ich mich vor mir selber. Was bin ich eigentlich für ein Freund?
»Sandra ist nicht die einzige auf der Welt.«
»Toller Trost.«
Jaja, er will getröstet werden. Und was ist mit mir? Geht es mir vielleicht besser? Hab ich etwa keinen Liebeskummer?
»Tut mir Leid, Tobi aber man bekommt eben nicht immer das, was man haben will.«
»Möchtest du, dass es mir noch schlechter geht...dann mach ruhig so weiter.«
»Sorry ich weiß halt nicht immer auf alles eine Antwort. Versuch nochmal mit ihr zu reden, was anderes fällt mir momentan nicht ein.«
Das heißt, mir würde eine Menge einfallen, um ihn zu trösten aber das würde vermutlich eher mir Spaß machen.
»Ach tatsächlich? Dabei bist du doch sonst nicht auf den Mund gefallen. Ich meine, bei Sandra ist dir doch auch eine ganze Menge eingefallen.«
»Was meinst du damit?«
»Du musst mich ja ganz schön angepriesen haben. Hattest wohl Mitleid, dachtest, ich würde das alleine nicht hinbekommen, was? Hat es lange gedauert, sie zu überreden?«
»Ich verstehe kein Wort.«
»Sandra hat mir alles erzählt...dass sie nur dir zuliebe mit mir zusammen war. Was bist du eigentlich für ein Arschloch?«
»Ach, Tobi, du fällst aber auch auf alles rein. Sandra will sich schützen. Sie hat sich ihrer Meinung nach bis auf die Knochen blamiert und will ihre Niederlage nachträglich in einen Sieg verwandeln. Ist doch ein uralter Trick.«
»Also hast du ihr nicht gesagt, dass sie mit mir was anfangen soll?«
»Ich hab ihr lediglich gesagt, dass sie sich die Mühe machen soll, dich besser kennenzu- lernen. Kann nicht erkennen, was daran falsch gewesen sein soll.«
»Naja, bei ihr hat sich das anders angehört. So nach dem Motto: Hier, hast du fünf Euro, jetzt geh mal mit ihm aus.«
»Traust du mir sowas zu? Ich bin dein Freund, schon vergessen?« Wenn ich etwas hasse, dann Ränke und Betrügereien...oder so ähnlich. Komme mir langsam vor wie Valmont in Gefährliche Liebschaften.
»Nein, ach ich weiß auch nicht. Die ganze Sache macht mich völlig fertig. Ich weiß nicht mehr, wem ich was glauben soll oder nicht.«
Ich lächle krampfig. »Schon gut, mein kleiner Wirrkopf.«
»David, du bist anscheinend der Einzige, auf den ich mich verlassen kann.« Weil ich Tobis Nähe nicht mehr aushalte, verabschiede ich mich bald von ihm.
Zuhause packt mich das kalte Grausen. Ich hab Tobis Beziehung zerstört - was hab ich mir dabei gedacht? Rhetorische Frage, ich weiß genau, warum ich das getan habe. Weil ich ein kleiner verklemmter Homo bin, der Tobi bis zum Erbrechen hinterhersabbert. Alles, was ich kann ist Peggy verarschen und heimlich auf Schwuchtelpornos wichsen. Gott, wie jämmerlich!
Das sollte ich Tobi mal erzählen. Der ach so tolle, coole David versteckt Pornos unter seiner Matratze und hechelt sich einen ab, wenn er die nackten Typen sieht. Und wenn er mit seiner Alibifreundin poppt, denkt er an Schwänze. Das heißt, er denkt natürlich an einen ganz bestimmten. Wenn ich mir Tobis schlanken, weichen Körper vorstelle, wird mir ganz anders und dummerweise bekomme ich gerade jetzt dieses Bild nicht aus dem Kopf. Bevor ich jedoch meine Hand in die Hose schieben kann, platzt meine Alibifreundin ins Zimmer.
»Hi, was machst'n?«
»Wollte grad wichsen. Du störst.«
»Arschloch.« Sie setzt sich neben mich aufs Bett. »Du, ich wollte sowieso nochmal mit dir reden. Wegen dieser Sache...das sah mir nicht nach einem Scherz aus. Mir kam das echt total komisch vor. So etwas ist doch nicht lustig.«
»Hab schon alles aufgeklärt. Tobi und Sandra haben es locker genommen«, lüge ich.
»Puh, ich dachte schon, ich hätte ein Traumpaar auf dem Gewissen.«
»Nein nein, mach dir keine Gedanken. Alles in Ordnung.«
Sie schüttelt den Kopf. »Ich habe deinen Sinn für Humor noch nie verstanden.«
»Du verstehst nie irgendwas.«
»Willst du dich mit mir streiten?«
»Nee, ist mir zu anstrengend. Willst du mir einen blasen?«
»Nein, danke. Du bist mir heute zu romantisch.«
7
Sandra will immer noch nichts von mir wissen und ich will immer noch sterben.
Ich wusste nicht, dass Liebeskummer so schlimm sein kann. Die ganze Zeit, als ich Sandra aus der Ferne angehimmelt habe, das war schon nicht schön aber es war längst nicht so schmerzhaft wie es jetzt ist, wo ich weiß, was ich verloren habe.
David ist mir keine große Hilfe. Der wird immer so komisch, wenn ich mit ihm über Sandra reden will. Wahrscheinlich geht ihm mein Geflenne auf die Nerven. Aber ich hab doch sonst niemanden.
Sandra scheint längst über mich hinweg zu sein, ich sehe sie seit ein paar Tagen andauernd mit Chris. Würde mich nicht wundern, wenn der mir das eingebrockt hat - allerdings glaube ich nicht, dass die Arschgeige so hübsche Mädchen wie diese Tina kennt. Hübsch war sie ja, kann man nicht anders sagen. Schulterlange dunkelblonde glatte Haare, klein, zierlich mit großen Augen und sinnlichen Lippen. Wie heißt noch diese Schnepfe, die man momentan auf allen Musiksendern sieht? Soundso soundso. Das Lied heißt »Complicated«, glaub ich. Jedenfalls sieht Tina so ähnlich aus. Aber das ist auch völlig egal. Was interessieren mich irgendwelche Mädchen?
Ich will Sandra. Und ich will jetzt nicht allein sein. Rufe also David an.
»Ich glaube, Sandra ist mit Chris zusammen«, teile ich David meine Befürchtungen mit, während er sich schon wieder mit meinen Schokoküssen vollstopft. Was soll's, ich kaufe sie eh nur noch für ihn.
»Ach, die will dich eifersüchtig machen. Die steht doch nicht auf solche Schwachmaten.«
»Auf mich stand sie auch mal.«
»Hör schon auf, dich so nieder zu machen. Ich sag dir mal was, wenn du mich auch nur ansatzweise so anschmachten würdest...ich würde dir sofort mit Haut und Haaren verfallen, ich meine, wenn ich ein Mädchen wäre.«
»Ehrlich? Wieso?«
»Du bist intelligent, lustig, nett und siehst unverschämt gut aus.«
»Du meinst das wirklich ernst?«
»Klar, ich find dich süß.«
»Tja aber du bist kein Mädchen.«
»Leider«, seufzt er.
Ich frage mich, was das zu bedeuten hat? Sagt ein Typ einem anderen, dass er ihn süß findet? Naja, wahrscheinlich will er mich bloß aufmuntern. Trotzdem, ich will nicht, dass David mir solche Sachen sagt und schon gar nicht mit so einer samtigen Stimme. Wenn das jemand hört, könnte der schon auf ein, zwei beknackte Gedanken kommen.
»Wie läuft es denn inzwischen mit deiner Freundin?« frage ich.
»Lass uns über was anderes reden.«
»Willst du heute bei mir pennen?« Eigentlich möchte ich das nicht so gerne aber die bloße Vorstellung allein zu sein verursacht mir Übelkeit.
»Hatte ich eigentlich nicht vor aber, wenn du willst ...«
»Weißt du, ich kann im Moment nicht gut allein sein. Wenn ich allein bin, denke ich bloß an Sandra und muss die ganze Nacht heulen.«
»Meinetwegen. Das Stiefmonster nervt mich eh schon wieder extrem.«
»Woll'n wir vielleicht was trinken?«
»An was denkst du denn?«
»Keine Ahnung...meine Eltern haben eine gut gefüllte Hausbar.«
David grinst. »Ja aber die merken doch sofort, wenn da was fehlt, oder?«
»Ist doch scheißegal.«
»Ah, wir sind heute zur Abwechslung mal ein bisschen ungezogen, was?«
Er schnalzt mit der Zunge und legt mir einen Zeigefinger unters Kinn. » Tztz, sollte ich dich denn schon so verdorben haben, mh?«
Mir ist sein Gerede irgendwie unheimlich.
»Also, willst du jetzt oder nicht?«
»Klar. Fürs Saufen bin ich immer zu haben.« In der Hausbar finde ich neben Kacklikören eine Flasche Jack Daniels. Ziemlich hart aber ich will vor David nicht als Weichei dastehen, also nehme ich die Flasche plus Pepsi-Light mit in mein Zimmer.
David mixt. »Du willst es heute aber wissen. Ich hab dich gewarnt...wenn dir schlecht wird ist es nicht meine Schuld.«
»Gib schon her«, entgegne ich genervt und nippe. Mhh, schmeckt ganz in Ordnung. Und es wird mit jedem weiteren Schluck besser.
Irgendwann liegen wir betrunken nebeneinander auf dem Bett. Die Lampe an der Decke trudelt stark, mir ist wahnsinnig heiß und schwindlig.
»Jedesmal wenn Sandra und ich uns geküsst haben, hab ich mich ganz genauso gefühlt...nur hat die Lampe sich nicht bewegt«, lalle ich. »Hast du das bei Peggy auch?«
»Nee.«
»Wie denn dann?«
»Anders. Kann ich jetzt nicht erklären.«
»Und wenn du mit ihr...du weißt schon...«
»Was soll dann sein?«
»Weiß nicht. Ich dachte, Sex ist so absolut toll und großartig. Ich möchte wahnsinnig gerne mit Sandra schlafen. Ich wollte das die ganze Zeit, hatte dann aber Angst, weil ich doch keine Ahnung davon habe.« Ich fange an zu kichern. »Jetzt sag mir aber bitte nicht, dass du mir auch das zeigen willst, du weißt schon...so wie das Küssen.«
David zuckt die Schultern. »Für einen Freund würde ich so ziemlich alles machen, besonders für so einen guten Freund wie dich.«
Ich stützte meinen Ellenbogen auf die Matratze. »Ach ja? Wie soll das denn bitte gehen? Ich meine, wir müssten doch dann von hinten...wenn ich mir das vorstelle...hahaha.«
»Viele stehen da drauf.«
Mir wird schon wieder unheimlich. »Ich nicht.«
David lächelt. »Du hattest doch noch nie Sex. Wie kannst du dir dann so sicher sein?«
»Ich weiß nicht, vielleicht weil ich das so noch nie wollte. Willst du das etwa? Machst du das mit Peggy?«
»Nee.«
Ich bin beruhigt.
»Mit Peggy nicht.«
Mir wird wieder komisch. »Sondern?«
»Lass uns jetzt schlafen, ich bin müde.«
Ja, irgendwie bin ich auch dafür.
8
Scheiße, ich bin breit und liege neben Tobi, der aber schon längst eingeschlafen ist. Ich höre ihn gleichmäßig atmen und sehe...oh Gott, ich kann kaum hinsehen.
Er liegt halb auf dem Rücken, den Kopf zur Seite gedreht. Die Bettdecke hängt auf halb acht und sein Shirt ist hochgerutscht, so dass mir sein flacher, weicher sahniger Bauch förmlich ins Gesicht springt; der eine Arm liegt angewinkelt über seinem Kopf, seine Lippen sind ganz leicht geöffnet. Ich betrachte mit Herzklopfen seinen wundervollen Hals. Unter der Haut pulsiert seine Schlagader...wenn ich ein Vampir wäre...hihi...aber auch so muss ich mich zurückhalten, um nicht meine Lippen über seinen gestreckten Hals gleiten zu lassen oder mein Gesicht in die verlockende Wölbung zwischen Hals und Schulter zu kuscheln. Mhhh, da ist es bestimmt ganz warm...
Mensch, ist der schön. Ich will ihn sofort vergewaltigen. Nein, nicht wirklich, es sollte ihm schon auch gefallen. Was für eine beschissene Idee, bei ihm zu schlafen und dann auch noch in seinem Bett - mit ihm. Ob er wach wird, wenn ich mir ganz schnell ganz leise einen runterhole? Quatsch, natürlich mache ich das nicht, obwohl ich es dringend nötig hätte.
Mann, da stellt der mir Sexfragen und faselt, dass ich ihm aber nicht zeigen muß, wie das geht. Oh je und ich konnte an nichts anderes denken. Kann ich auch jetzt nicht. Hätte ihm am liebsten gesagt, dass ich eigentlich grundsätzlich nur mit Jungs schlafen will und mit ihm ganz besonders aber dann würde ich wahrscheinlich jetzt nicht hier liegen. Scheiße, ich hab ihm auch gesagt, dass ich ihn süß finde...grrrr, wie kann man nur so blöd sein?
Tobi wimmert leise im Schlaf, bestimmt träumt er von Sandra. Augenblicklich macht sich mein schlechtes Gewissen breit. Wenn Tobi erfährt, dass ich Peggy angeheuert habe...das verzeiht er mir nie.
»Was hast du gesagt?« Fassungslos blickt Tobi mich an, so als sucht er in meinen Augen die Versicherung, dass ich einen Scherz gemacht habe. Ich muss ihn leider enttäuschen.
»Du hast schon verstanden. Ich hab deine Verabredung mit Sandra sabotiert.«
Das ist mir jetzt einfach rausgerutscht, das heißt, ich hatte keine andere Wahl. Der war der festen Überzeugung, dass Chris hinter der Geschichte steckt und wollte, ach, keine Ahnung, ihn umbringen, was weiß ich.
»Aber wieso? Ich meine, was hast du davon? Was soll das?«
Ich muss es ihm endlich sagen...naja, vielleicht nicht gerade heute. »Tut mir leid, die Sache war als harmloser Scherz geplant, ist wohl etwas nach hinten losgegangen.«
Tobi sieht aus, als würde er gleich den Verstand verlieren. »Als...Scherz? Du machst einen Scherz und ich hab keine Freundin mehr...bist du bescheuert? Und wieso sagst du mir das erst jetzt?«
»Als ich geschnallt habe, dass mir die ganze Sache aus der Hand geglitten ist, hab ich mich einfach nicht mehr getraut. Ich hatte Angst, du würdest nichts mehr mit mir zutun haben wollen.«
Tobi schüttelt den Kopf. »Das ist krank, weißt du das?«
»Kannst du mir trotzdem verzeihen?«
»Ist wohl etwas viel verlangt, meinst du nicht?«
»Und wenn ich zu Sandra gehe und ihr die Wahrheit sage?«
»Das wirst du sowieso. Ist ja wohl das Mindeste. Alles weitere kann ich im Moment nicht entscheiden. Es ist besser, du gehst jetzt.«
»Es tut mir ehrlich Leid. Ich weiß nicht, was mich geritten hat«, murmle ich und mache, dass ich wegkomme.
9
Mit David hab ich seit Tagen nicht geredet, hab auch nicht das Verlangen danach. Wenigstens hat er Wort gehalten und Sandra aufgeklärt. Das weiß ich deshalb so genau, weil sie mich vor einer Stunde besucht hat. Ziemlich zerknirscht stand sie da in der Tür.
»Du kannst dich ruhig setzen, wenn du willst.«
»Tobi, es tut mir wahnsinnig Leid, dass ich dir nicht geglaubt und so blöde Sachen gesagt habe.«
Ich wollte sie auf der Stelle küssen, doch Strafe muss sein. Mal den Coolen zu spielen ist bestimmt nicht das Schlechteste.
»Und?«
»Davids Humor ist echt zu heftig.«
»Wie geht es Chris denn so?« fragte ich beiläufig.
»Ich...ich wollte dich eifersüchtig machen. Ich hatte nichts mit ihm.«
»Und das soll ich dir glauben?«
»Aber es stimmt.«
»Es stimmt auch, dass ich keine Ahnung hatte, wer das Mädchen war.«
»Bitte, Tobi, können wir das nicht vergessen? Ich...ich hab dich doch lieb.«
»Sagst du das, weil David dich darum gebeten hat oder ist es dir ernst?«
Sie stand auf und legte ihre Arme um mich. »Wie kannst du sowas fragen.«
Ja und nun bin ich wieder glücklich, wenn da nicht der Streit mit David wär. Ich bin immer noch sauer auf ihn, allerdings nicht mehr sehr. Ich weiß auch nicht, ich hab Sandra zurück und kann eh nicht lange auf jemanden böse sein. Nur weil er mal einen, zugegeben sehr schwachsinnigen, Fehler gemacht hat gleich die ganze Freundschaft aufzugeben ist doch übertrieben. Ich mag ihn wirklich gerne und seine guten Ratschläge in Bezug auf Mädchen würden mir fehlen.
Hab David in der Pause gebeten, mich am Nachmittag zu besuchen, Mensch, dafür musste ich mir von Sandra was anhören. Sie ist der festen Überzeugung, dass David ein krankes Arschloch ist und meine Freundschaft nicht verdient. Sie jedenfalls wolle mit dem Penner nichts mehr zu tun haben. Hab ihr gesagt, dass ich das etwas anders sehe und in Zukunft darauf achten werde, sie und ihn hübsch getrennt zu halten.
»Hallo.« David steht in der Tür.
»Komm rein.«
»Darf ich mich setzen?«
»Nein, du musst zur Strafe den ganzen Tag in der Ecke stehen und den Idiotenhut tragen. Frag doch nicht so blöd.«
Ein bisschen erleichtert lässt er sich auf mein Bett fallen. »Ich hab mit Sandra gesprochen.«
»Weiß ich.«
»Ihr seid wieder zusammen?«
»Sieht so aus. Sie hat mir übrigens Stein und Bein geschworen, dass sie nichts mit Chris hatte.«
»Hab dir doch gesagt, dass sie dich nur eifersüchtig machen will.«
»Sie hält dich für ein Arschloch.«
Er sieht mich unsicher an. »Und du?«
»Ich bin nicht nachtragend. Aber wenn du nochmal so was abziehen solltest, schlage ich dir die Fresse blutig, alles klar.«
»Sowas kommt sicher nicht nochmal vor, versprochen. Ich hatte wohl eine vorübergehende Geisteskrankheit.«
»Scheint mir auch so. Sag mal, wer ist denn nun diese Tina?«
»Tina ist Peggy.«
»Deine Peggy?«
Er nickt.
»Hübsche Freundin hast du. Ich frage mich, wie weit sie eigentlich gegangen wäre, ich meine, wenn ich aus irgendwelchen absurden Gründen mitgespielt hätte.«
»Darüber möchte ich lieber nicht nachdenken.«
»Für mich ist die Sache jedenfalls gegessen. Willst du einen Schokokuss?«
Er nimmt gleich die ganze Packung. »Danke, ich hab echt Hunger.«
»Sehe ich doch.«
Bin ich froh, dass alles wieder in Ordnung ist. In letzter Zeit hatte ich echt genug Aufregung. David sieht sich grinsend um. »Schön, dass du endlich mal aufgeräumt hast. Reicht ja wohl, wenn einer von uns eine Schlampe ist.« Dann greift er in seine Manteltasche und holt ein längliches Päckchen heraus. »Hier, hab ich dir mitgebracht.«
»Räucherstäbchen?« frage ich, worauf er nickt.
»Hab dir mal meine ultimative Lieblingsduftkollektion zusammengestellt. Jasmin, Opium, Patchouli, Vanille, Zimt und Cappuccino.«
»Cappuccino?«
»Klar, das riecht super lecker. Mach mal eins an.«
»Wenn meine Mutter das mitkriegt denkt die bestimmt, wir kiffen.«
»Möchtest du?«
»Nee, ich nehme keine Drogen.«
»Ich steh auch nicht so drauf.« Er zündet ein Räucherstäbchen an und steckt es in eine dafür vorgesehene Halterung, die er mir ebenfalls schenkt. Augenblicklich ist mein Zimmer erfüllt von dem süßen Duft. »So, lass mal sehen...« David zieht die Vorhänge zu und zündet einige Teelichter an. »Fehlt nur noch Tee. Habt ihr sowas im Haus?«
»Bist du auf'm Romantiktrip oder was?«
»Hab ich immer im Herbst, wenn es langsam kälter wird. Dann krieg ich auch meinen Nestbautrieb«, giggelt er. »Ich würde am liebsten dein ganzes Zimmer neu gestalten.«
»Tatsächlich? Wie denn?«
»Auf alle Fälle gemütlicher.«
»Was gefällt dir denn nicht?« frage ich und blicke mich um. Eigentlich hatte ich an meinem Zimmer bis jetzt nichts auszusetzen. Viel steht eh nicht drin. Schreibtisch mit Computer vorm Fenster, Bett an der einen Wand, Couch an der anderen, dazu Fernseher, Videorekorder und Stereoanlage. Nicht zu vergessen der Kleiderschrank.
»Die Wände sind zu weiß«, erklärte David, »die solltest du lila streichen und alles müsste irgendwie...wärmer sein.«
»Ich seh mal nach, ob Tee da ist.«
»Nee, lass mal, wir gehen zu mir, was hältst du davon?«
»Mh, eigentlich hatte ich Sandra versprochen anzurufen.«
»Die wird schon nicht sterben, wenn das später geschieht. Mein Vater und das Stiefmonster sind nicht da, das muss ausgenutzt werden.«
»Nee, heute nicht, tut mir Leid.«
Er sieht enttäuscht aus. »Meinetwegen, dann viel Vergnügen mit der Prinzessin.«
Vor der ersten Unterrichtsstunde tauschen Sandra und ich heiße Küsse im Fahrradkeller... das ist wahnsinnig aufregend. Bin so weggetreten, dass ich von Mathe nichts mitbekomme. In der großen Pause zieht David mich am Ärmel, bevor ich mit Sandra verschwinden kann.
»Was ist denn?«
Er setzt seine runde schwarze Sonnenbrille auf und grinst. »Schon gehört, die letzten fünf Stunden fallen aus.«
»Hä? Wieso denn das?«
»Weil Herbst ist, die Sonne scheint und wir keinen Bock auf Schule haben.«
»Du willst den ganzen Tag blau machen?« frage ich ungläubig.
»Wir«, verbessert er, doch ich schüttle den Kopf.
»Ach komm schon, du kleiner Streber. Zum ersten mal Schule schwänzen ist was ganz Besonderes. Viel besser als Knutschen im Fahrradkeller.«
»Aber die Lorenz hat uns doch schon gesehen und außerdem, Sandra wartet.«
David zuckt die Achseln, greift blitzschnell nach meiner Hand und läuft los, bevor ich weiß, was geschieht.
»Ich...ich kann nicht mehr«, rufe ich irgendwann, worauf er meine Hand loslässt und wir stehenbleiben.
»Toll, jetzt hast du mich entführt und was nun?«
»Wie wär's mit Kakaotrinken und dabei beratschlagen?«
Eh schon alles egal also gehe ich mit ihm in ein Café mit rotgepolsterten Plüschsitzen und rot-goldener Innenausstattung. Die Kellnerin stellt zwei riesige Tassen Kakao mit Sahne auf den Tisch. David grapscht sofort nach seinem Karamellkeks, isst dann auch noch meinen und schlürft genüsslich. »Böse?« fragt er und stellt seine Tasse auf den Tisch zurück.
»Nein, aber...mann, wenn das rauskommt, das gibt Ärger.«
»Meinst du Mama und Papa geben dir Stubenarrest...die erfahren das doch überhaupt nicht. Ist es denn nicht geil, mal aus deinem braven Schultrott auszubrechen?«
Ich horche in mich hinein und muss feststellen, dass ich wirklich lieber hier sitze als in der Schule. So langsam schmeckt mir auch der Kakao. »So, aber was hast du denn noch vor?«
»Mh, wir könnten nach M. fahren, ich hab Lust über'n Flohmarkt zu gehen.«
»Wie fahren? Mit dem Zug?«
»Klar, dachtest du mit dem Rad?«
»Dann muss ich aber erst noch Geld von Zuhause holen, hab jetzt nicht so viel dabei.«
»Egal, wir fahren eh schwarz.«
»Was? Und wenn wir erwischt werden? Nein, sowas mache ich nicht.«
»Mit mir wirst du nicht erwischt«, erklärt er.
»Ich weiß nicht. Nee, lieber nicht. Lass uns doch ein anderesmal fahren.«
»Heute. Und der Zug fährt gleich, also los.«
David steht bereits im Mantel am Tisch, greift wieder nach meiner Hand und zieht mich mit sich.
Im Zugabteil fühle ich mich sehr beklommen. Alle paar Sekunden drehe ich meinen Kopf in Gangrichtung, um Ausschau nach dem Kontrolleur zu halten.
»Entspann dich endlich, Tobi. Auf dieser Strecke wird nie kontrolliert.«
Ich erblicke entsetzt eine Schaffnergestalt. Ach du Scheiße. David sieht den Schaffner ebenfalls.
»Toll und jetzt?«
»Los komm mit.« Er reißt an meiner Jacke, wir rasen durch den halben Zug und verschanzen uns auf dem Klo, in dem es für zwei Personen reichlich eng ist. Riechen tut es auch nicht unbedingt angenehm.
»Und wenn der vor der Tür auf uns lauert?« flüstere ich.
»Schscht«, zischt David.
»Wir sind gleich da und kommen nie mehr hier raus«, fange ich an zu jammern.
David lacht leise. »Scheiße, Tobi, du bist echt ein kleiner Waschlappen. Reg dich um Himmelswillen ab, ja?«
»Der Sohn eines Rechtsanwalts wird beim Schwarzfahren erwischt...mein Vater erschlägt mich.«
»Halt mal für eine Minute die Klappe.« Er öffnet vorsichtig die Tür und späht hinaus.
»Was ist...siehst du ihn noch?« frage ich leise.
»Ja.«
»Wo?«
»HINTER DIR!« brüllt er plötzlich und schlägt leicht mit seinen Händen gegen meine Brust. Ich kriege eine Herzattacke, jedenfalls fühlt es sich so an. David lacht sich halb tot, als ich schwer nach Luft japse. »Bist...du...be...scheuert?«
»Komm, er ist weg und wir sind da.«
Langsam schlendern wir, Weingummi essend, durch den Bahnhof, Richtung Innenstadt. Irgendwie gefällt mir der Tag heute doch ganz gut. Es ist zwar kalt aber sonnig, die Luft ist klar und riecht schon ein bisschen nach Winter. Das Laub unter unseren Füßen raschelt geräuschvoll und David steckt mir Weingummiteufel in den Mund. Mir fällt die Party ein, auf der Sandra und ich uns mit Ernussflips gefüttert hatten und die Tatsache, dass David dasselbe tut, kommt mir merkwürdig vor aber es macht Spaß. Ich fühle mich auf einmal sehr frei und übermütig und fange an, ihn beim gehen zu kitzeln.
Er steigt sofort darauf ein, wir laufen, kitzeln, halten uns gegenseitig fest, raufen und lachen, bis wir kaum noch Luft kriegen. Nach einer Weile schiebt er mich jedoch weg.
»Schluss jetzt. Was sollen denn die Leute denken.«
Oh, daran hatte ich gar nicht gedacht. Mensch, wir müssen ja ein komisches Bild abgeben. Man könnte ja meinen, David und ich wären gerade frisch verliebt. Welch absurde Vorstellung.
Auf dem Flohmarkt feilscht David mit den Händlern und hat am Ende einen ganzen Haufen Silberschmuck - Ketten, Ringe, Ohrringe, Armreifen, einen Gürtel - billig erstanden. Er nimmt einen zierlichen Silberring mit grünem Stein und steckt ihn mir an den Finger. Ich kucke peinlich berührt, worauf er lacht.
»Keine Angst, Schatz, das wird kein Heiratsantrag...ich will dir den Ring nur schenken. Schau mich nicht so an.«
Davids Finger sind total weich...weicher als Sandras Hände...mein Magen kribbelt leicht, meine Füße auch.
»Danke«, sage ich und ziehe schnell meine Hand aus seiner.
»Wollen wir Pizza essen?«
Ich nicke. David sieht mich grinsend von der Seite an. »Na, ist das nicht besser als in einem miefigen Klassenzimmer zu hocken und während der monotonen Kackstimme von der Lorenz einzupennen?«
»Doch«, nicke ich. »Müssen wir nicht mal langsam zurückfahren?«
»Hast du noch was vor? Ich dachte, du hättest geschnallt, dass der Tag heute für mich reserviert ist.«
»Ja aber Sandra...«
»Oh, Tobi, vergiss deine Angebetete doch mal für ein paar Stunden. Stell dir vor, ich würde ununterbrochen von Peggy reden.«
»Ist ja schon gut.«
10
Habe gerade Tobi schön zu hause abgeliefert. Eigentlich wollte ich ja, dass er noch mit zu mir kommt aber natürlich war seine Sandrasehnsucht übermenschlich. Ich fühle mich immer noch total berauscht, so schön war der Tag mit ihm. Zugegeben, es war nicht unbedingt immer nötig, seine Hand zu nehmen aber ich konnte nicht anders. Es war zu verlockend. Und erst die Weingummiteufel, die ich ihm in den Mund gesteckt habe...das hat ihm auch gefallen, das hab ich deutlich gespürt. Verdammt, ich sollte nicht solche Sachen mit ihm machen, ich verfalle ihm nur noch mehr. Zum Glück scheint er aber vollkommen ahnungslos zu sein. Obwohl, als ich ihm den Ring angesteckt habe, da hat er schon sehr eigenartig gekuckt.
Jedenfalls fühle ich mich wie eine besoffene Biene und reiße fröhlich meine Zimmertür auf, als mir die Fröhlichkeit auch schon im Halse stecken bleibt. Peggy sitzt auf meinem Bett und blättert angestrengt in einer Zeitschrift.
»Wer hat dich denn hier reingelassen?« begrüße ich sie nicht sehr freundlich.
»Deine Mutter«, antwortet sie, ohne von ihrem Magazin aufzublicken. Muss ja was super Interessantes sein.
»Die Frau ist nicht meine Mutter«, erkläre ich, ziehe meinen Mantel aus und setze mich neben sie. Aufeinmal wird mir heiß, dann kalt, dann wieder heiß, dann übel, dann kotzschlecht. Meine Augen erhaschen einen nackten jungen Männerkörper und noch einen und noch einen. Oh Gott!!! Ich fange an zu schwitzen und atme schwer.
»Hast du was?« fragt sie beiläufig und blättert weiter. Auf dieser Seite sind zwei ziemlich hübsche Typen gerade dabei, einen dritten auf sehr eindeutige Art und Weise anzufassen. Mir steigt übler Geschmack vom Magen in den Rachen und sammelt sich als ekliger Speichel in meinem Mund. Ich schlucke krampfhaft. »Peggy...ich...«
»Hübsch, findest du nicht auch?« sagt sie und schaut mich endlich an.
»Was...woher hast du das?«
Blöde Frage, das lag unter meiner Matratze.
»Oh, das lag unter deiner Matratze. Möchtest du vielleicht mit mir reden?«
Was soll ich dazu noch sagen? »Wieso wühlst du in meinen Sachen, wenn ich nicht da bin?«
»Ich wollte lediglich dein Bett frisch beziehen. Hatte keinen Bock in deinen Wichsflecken zu schlafen. Und da fällt mir doch plötzlich dies Heftchen hier in die Hände. Ist das nicht ulkig?«
Ihr merkwürdiger Tonfall macht mir Angst.
»Wie lange schon, mh?«
»Was meinst du?«
»Wie lange weißt du schon, dass dir Schwänze mehr bedeuten als Titten?«
»Das ist ja nicht so...«
»Also, ich hab hier drin keine Titten gesehen aber einen Haufen Schwänze und da mache ich mir natürlich Gedanken. Raus mit der Sprache. Träumst du schon die ganze Zeit, in der wir zusammen sind von hübschen Boys mit knackigen Ärschen?«
»Naja...ja, irgendwie schon. Aber das bedeutet nichts.«
»Und wann wolltest du mir diese unbedeutende Vorliebe gestehen?«
»Ich bin mir doch gar nicht sicher, ob ich ...«
»Kein Wunder, dass du so aufs Blasen stehst und nie meine Titten anfassen wolltest. Warum bin ich nicht schon früher darauf gekommen? Scheiße, und ich war eifersüchtig, weil dich ständig Mädchen angemacht haben. Vielleicht hätte ich mir lieber mal über deine Freundschaft zu Tobi Gedanken machen sollen.«
»Der weiß davon nichts und er hat auch nichts mit dieser Sache hier zu tun«, rufe ich schrill, reiße ihr das Magazin aus den Händen und schmeiße es in die Ecke.
Sie sieht mich einen Moment an und schlägt sich mit der flachen Hand vor die Stirn. »Jetzt weiß ich auch, was dieser beknackte Scherz sollte.«
Oh nein, das weiß sie nicht. Bitte, lieber Gott, lass sie nicht draufkommen. Ich glaube, ich muss gleich kotzen.
»Ja, natürlich...ich Idiotin. Du bist scharf auf deinen Tobi und hast mich dazu benutzt, um ihn mit seiner Freundin auseinander zu bringen. Ist ja heftig.«
»Das...das war alles ganz anders«, stammele ich. »Es sollte nur ein Scherz sein.«
Sie lächelt mitleidig. »Sicher. Glaub ruhig daran, wenn es dir hilft. Aber mich kannst du nicht verarschen...nicht mehr.«
»Was heißt das?«
»Das liegt doch wohl auf der Hand, oder? Ich meine, du wirst nicht von mir erwarten, dass ich mit dir zusammenbleibe, während du hinter irgendwelchen Typen herläufst, mit denen du lieber schläfst als mit mir.«
»Es...es tut mir Leid, Peggy...ehrlich.«
»Ich möchte noch eins wissen...hattest du was mit 'nem Kerl? Ich meine in unseren zwei Jahren?«
Ich muss sofort an den Ausreißer denken, der ein paar Tage bei mir im Abrisshaus genächtigt hatte, an seinen zarten Körper, die weichen Hände und seinen Schmollmund und senke schuldbewußt den Kopf. »Einmal...zweimal.«
»Hoffentlich habt ihr wenigstens Kondome benutzt.«
»Haben wir.«
»Ist das nicht komisch? Ich bin irgendwie nicht sonderlich überrascht. Ich bin auch nicht traurig, böse oder hasse dich oder sowas.«
»Ich...ich wollte es dir schon so oft sagen aber dann hab ich mich nicht getraut.«
»Jetzt weiß ich es ja.«
»Du wirst es doch niemandem sagen, oder?«
»Dass ich mich von meinem Freund getrennt habe, weil der sich in seinen besten Freund verknallt hat?! Ich bin doch nicht verrückt. Ich will mich ja nicht zum Arsch machen.«
»Und wie geht es nun weiter?«
»Gehen, David, das ist ein gutes Stichwort, ich werde jetzt gehen. Ob und wann ich dich wiedersehen will, kann ich noch nicht sagen. Lass mich also erstmal in Ruhe, verstanden.«
Ich nicke. »Ich hab das alles nicht gewollt.«
»Das glaube ich dir sogar, das macht es nur leider überhaupt nicht besser. Also...bye.«
Das war's. Weg ist sie. Ich fühle mich erleichtert und wahnsinnig einsam. Zwei Jahre sind eine lange Zeit und ich hab Peggy ja auch gern aber vermutlich ist es am Besten so. Sie hat jemanden verdient, der sie will. Nicht irgendeinen Typen, der sich heimlich nach hübschen Jungs umdreht...zu feige einen anzusprechen. Ich glaube, sie wird mir dennoch sehr fehlen. Mein Tintenfischchen ist nicht mehr da. Keine heftigen Streitereien mehr, kein Kakao, den sie mir ins Gesicht spuckt, weil sie der Meinung ist, dass ich zu sehr mit anderen Mädchen flirte, keine Versöhnungen mit Kissenschlacht, Sex und Karamelleisessen, keine nächtelangen Telefonate, kein Kuscheln bei Kerzenschein und Räucherstäbchen.
Scheiße, ich muß heulen, weil mir bewußt wird, dass ich sie doch ziemlich lieb habe.
»Hey, was ist denn mit dir los?«
Verschlafen blicke ich mich um und sehe Tobi, der neben meinem Bett steht.
»Was willst du denn hier?« frage ich und reibe mir die Augen.
»Du warst nicht in der Schule, ich bringe dir die Hausaufgaben.«
»Danke.«
»Also bist du krank?«
»Nein. Ich bin nicht mehr mit Peggy zusammen.«
Er lässt sich aufs Bett fallen, das heißt, er lässt sich halb auf mich fallen, was mir sehr angenehm ist. Das Gewicht seines Körpers, das auf mir lastet, macht mich halb verrückt.
»Was ist denn passiert?«
»Sag ich doch, wir haben uns getrennt.«
»Ja aber warum?«
»Was weiß ich. Es hat eben nicht mehr funktioniert. Wir haben uns nur noch gestritten und das hat uns beiden keinen Spaß mehr gemacht.«
»Und...ist es endgültig?«
»Ja.«
»Mann, das tut mir wirklich total leid, David.«
»Ich werd's überleben.«
»Hey, ich hab dir Schokoküsse mitgebracht...magst du?«
»Nee, im Augenblick möchte ich lieber kotzen.«
»Soll ich gehen?« fragt er unsicher. Nein, du sollst dich zu mir ins Bett legen, Idiot. »Muss nicht sein.«
»Eigentlich wollte ich mich ja für gestern bedanken...hat echt Spaß gemacht.«
»Mir auch, besonders, als ich nach Hause kam und Peggy da war.«
»Kann ich dich irgendwie aufmuntern?«
Sicher, du kannst mir einen runterholen, Baby. »Keine Ahnung.«
»Du könntest mit zu mir kommen, ich hab extra für dich Tee gekauft. Sahnekaramell. Wir könnten uns einen Film anschauen und du kannst bei mir schlafen, wenn du willst.«
Das fehlt mir gerade noch. Eine weitere schlaflose Nacht neben Tobi. Weiß der Geier, warum ich Ja sage.
Mühsam quäle ich aus dem Bett, dusche und zieh mich an. Oh, verflucht, muss er meinen dämlichen Ring tragen? Und seine Fingernägel hat er schwarz lackiert und überhaupt sieht er heute verdammt geil aus. Cordhose mit Silberkettengürtel, schwarzes Shirt, schwarzes Halstuch und Samtjacke. Ich will über ihn herfallen. Geht natürlich nicht. Schade.
Wir schlendern durch die Straßen, der Asphalt glänzt in der Herbstsonne, weil es den ganzen Tag geregnet hat, das Laub auf dem Boden riecht süß-modrig. Scheiß romantische Stimmung. Während ich Tobi in Gedanken langsam ausziehe, hält er mich plötzlich am Arm fest und bleibt dicht vor mir stehen.
»Warte mal, du...du hast da ein Blatt in den Haaren.« Er fährt mit seinen schlanken Fingern durch meine wirren Zotteln...mir fahren Blitze durch den Körper. Einige Sekunden sehen wir uns nur an. Mein Herz klopft bis zum Hals, meine Beine sind wie Wackelpudding. Ich will ihn küssen...so sehr, dass es weh tut.
Tobi öffnet den Mund, schließt ihn aber gleich wieder und geht weiter. Ich folge ihm total gefrustet.
Eine halbe Stunde später trinken wir Sahnekaramelltee bei Kerzenschein und Räucherstäbchen.
»Du, ich muss mal kurz telefonieren.«
Er wählt, wartet, säuselt und sagt plötzlich, dass er keine Zeit hat, weil er sich um mich kümmern muss. Dann wartet er wieder und erklärt, dass ich ihn jetzt brauche und er einen Freund nicht hängen lassen kann. Ich bin begeistert. Er versetzt seine Prinzessin...meinetwegen. Sandra muß echt angepisst sein. HAHA!!
Wenig später legt er auf.
»Du hättest Sandra nicht versetzen müssen, meinetwegen«, lüge ich.
»Schon ok. Sie hat Verständnis dafür.«
Ich wäre mir da nicht so sicher an seiner Stelle.
Meine Hand angelt nach einer Zigarette, ich stecke sie zwischen die Lippen, suche nach Feuer, als Tobi mir ein Streichholz anzündet. Ich berühre leicht seine Hand, die er nach einigen Sekunden verschämt wegzieht.
»Danke.«
»Hör mal«, beginnt er, »ich weiß gar nicht, ob ich dir damit jetzt kommen sollte, wo du dich gerade von deiner Freundin getrennt hast...« Er nippt an seinem Tee.
»Lass mich raten, es geht um Sandra.«
Tobi nickt. »Aber wenn du lieber über Peggy reden willst...«
»Da gibt's nichts zu reden. Sie ist weg und fertig.«
»Willst du sie nicht zurück haben?«
Oh nein, ich will dich haben, Süßer. »Nee, das ist gelaufen. Also was ist nun mit Sandra?«
»Naja...es ist so...also, mh...«
»Du meine Güte, Tobi, sag's einfach.«
»Ich glaube, sie will bald mehr.«
»Mehr was?«
»Mehr als Küssen und Händchenhalten.«
»Und?«
»Ich weiß nicht, ob ich das will...äh kann. Ich weiß nicht, wie ich das anfangen soll.«
»Du willst mit ihr poppen und hast keine Ahnung«, fasse ich zusammen. So eine ähnliche Unterhaltung hatten wir doch schon. Ehrlich gesagt möchte ich gar nichts von seinen Bumsplänen mit Sandra wissen. Andererseits...Tobi ist mein Freund.
»Wo wollt ihr es denn machen?«
»Weiß nicht.«
»Hier?« frage ich und hebe eine Braue. »Wenn deine Eltern da sind?«
»Auf keinen Fall«, entgegnet er energisch. »Schließlich lungert ja auch Beate ständig hier herum. Sandra hat gesagt, dass ihre Eltern am Wochenende nicht da sind.«
»Ist doch großartig.« Ich wundere mich ein bisschen, wie schnell die beiden dann doch zur Sache kommen wollen. Ich habe erst nach über einem halben Jahr mit Peggy geschlafen und da wusste ich noch gar nicht mal so genau, dass ich eigentlich eher Jungs toll finde. Naja, was soll's.
»Mir wird übel, wenn ich nur daran denke.«
»Sag mal, Tobi, wovor hast du eigentlich Angst?« »Weiß ich auch nicht. Vielleicht fasse ich sie falsch an oder sie findet meinen...äh, du weißt schon...zu klein oder meine Unterhose blöd oder sowas.«
Ich würde seinen duweißtschon gerne mal in Augenschein nehmen, doch das kann ich ihm schlecht sagen. Ein Grinsen kann ich mir allerdings nicht verkneifen. Höchste Zeit, ihn mal wieder ein wenig in Verlegenheit zu bringen.
»Du trägst Unterwäsche?«
»Du nicht?« Erwartungsgemäß verfärben sich seine Wangen...süß. SÜSS!!
»Ziemlich indiskrete Frage, oder?«
»Hast mich doch auch gefragt.«
»Ja aber du hast mit dem Thema angefangen. Naja, kommen wir zurück zu duweißtschon... ist doch scheißegal, wie groß er ist, Hauptsache, er macht, was er soll.«
»Und wenn er gerade DAS nicht tut?«
»Du bist doch scharf auf sie, oder?«
Er nickt.
»Und sie macht dich geil, ja?«
Tobi zögert. »Ich...ich glaube schon.«
»Ja oder nein? Glauben reicht da nicht.«
»Ich hab sie sehr gern und finde sie atemberaubend schön.«
»Das war nicht meine Frage. Geht dir einer ab, wenn sie bei dir ist?«
Die Frage war anscheinend zu direkt, er wird knallrot. Scheiße, ist der niedlich.
»Pass mal auf, wenn dein Schwanz erstmal drinsteckt kannst du nicht mehr viel falsch machen.« Oh Mann, netter hätte ich es wohl nicht formulieren können. »Es sei denn, das Gummi rutscht ab oder platzt oder sie kriegt einen Krampf oder so«, höre ich mich sagen und frage mich, warum ich ihm so einen Mist erzähle. »Aber das passiert schon nicht. Mach dir keinen Kopf. Du bist doch in allem, was du tust perfekt also wird auch diese Sache gutgehen.«
»Danke, du hast mir sehr geholfen«, lächelt er gequält.
»Du schaffst das schon, da bin ich mir sicher«, versuche ich ihn aufzumuntern.
Der Lesemodus blendet die rechte Navigationsleiste aus und vergrößert die Story auf die gesamte Breite.
Die Schriftgröße wird dabei vergrößert.