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David und Tobias
Teil 3
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Informationen
- Story: David und Tobias
- Autor: Chelsea
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Coming Out, Lovestory
Inhaltsverzeichnis
11
Nur noch ein paar Tage bis zum Moment X. Sandra will mit mir schlafen, ich weiß es, obwohl sie es nicht ausgesprochen hat. Am Samstag soll ich bei ihr übernachten, weil ihre Eltern nicht da sind und da ist doch klar, dass etwas passieren soll. Mir geht das alles irgendwie zu schnell. Gerade hab ich erst das Küssen gelernt, wir haben ein bisschen gefummelt, ich hab ihren Busen angefasst und nun soll es bis zum Äußersten gehen. Hab schon ganz dolle Magenschmerzen und David konnte mich nicht gerade beruhigen mit seinem Gefasel über abgerutschte Kondome und Krämpfe, die Sandra bekommen könnte.
Ob Sandra mich geil macht, hat er gefragt. Hab mich nicht getraut, ihm zu sagen, dass ich das nicht so genau weiß. Klar, es ist immer schön, wenn wir zusammen sind, uns küssen und so weiter aber ob ich richtig geil bin? Wahrscheinlich bin ich nur zu aufgeregt, um das deutlich spüren zu können.
Ich wünschte, ich könnte ein bisschen mehr wie David sein, der kennt sich mit diesen ganzen Sachen aus. Oh je, der hat sich übrigens von Peggy getrennt. Er sagt zwar, dass es ihm gut geht, doch ich glaube ihm nicht. Er hat ja sogar in der Schule gefehlt deswegen. Ich war das erstemal bei ihm Zuhause, als ich ihm die Hausaufgaben brachte...da lag er noch im Bett, war ganz verschlafen und ich dachte noch, dass David aber niedlich aussieht so mit zerwühltem Haar und Decke bis zum Kinn. Ist das normal? Denkt man sowas über einen Kumpel? Puh und immer diese komischen Sachen, die so zwischen uns passieren. Wieso hab ich ihm beim Spazierengehen dieses Blatt aus den Haaren gefischt und warum hat er mich so lange angesehen und warum hab ich ihn so lange angesehen? Hauptsache, der denkt nicht, dass ich irgendwas von ihm will, oder sowas. Nicht, dass er mich für schwul hält. Als ich ihm Feuer gegeben hab, war es auch schon wieder so doof. Der hätte nicht unbedingt meine Hand festhalten müssen, noch dazu so lange. Ich traue mich gar nicht zuzugeben, dass mein Herz laut geklopft hat...fast wie bei Sandra...dass ich kurz davor war, ihm die schwarze Strähne aus den Augen zu streichen. Der hätte bestimmt gefragt, ob ich den Verstand verloren hab oder ihn anmachen will. Ich muss in letzter Zeit öfter mal an den Kuss denken.
Das war ganz anders als mit Sandra. Weicher oder so, ich weiß nicht...anders eben. Liegt vielleicht an seinem Zungenpiercing. Mir wird ganz flau. Das muss die Aufregung sein. Und wenn ich Sandra einfach sage, dass ich noch warten will? Mh, aber worauf? Die Gelegenheit ist günstig, ich bin ihr Freund, wir lieben uns und da macht man das eben. Eigentlich kann ich mich doch glücklich schätzen, daß sie mit einem langweiligen Streber wie mir schlafen will. Wenn ich nur nicht so'ne Panik hätte. Ich glaube, ich muss doch noch mal mit David reden. Da sind einige Fragen, auf die ich Antworten brauche.
»Hallo.«
Ich latsche in Davids Zimmer und setze mich aufs Bett. Mann, der wohnt echt cool.
Die Wände sind knallrot gestrichen, überall kleben Schwarzweißfotos und andere Sachen. Sein Bett steht direkt unterm Fenster, an der einen Wand steht ein schwarzer Schreibtisch, an der anderen eine lange, mit dunklem Samt überzogene Kommode, auf der Kerzenleuchter, Räucherstäbchen, eine Flasche mit grüner Flüssigkeit und zwei Gläser stehen. Über der Kommode hängt ein rechteckiger Spiegel mit Goldrahmen, drumherum ist eine Lichterkette drapiert, die er anknipst, bevor er sich zu mir aufs Bett wirft.
»Na, zählst wohl schon die Tage, was?« grinst er und zündet eine Zigarette an.
Sein Shirt ist ihm über die Schulter gerutscht. Ob ich ihn darauf aufmerksam machen soll?
»Ich wollte, es wäre schon vorbei.«
»Komisch, ich dachte, du wärst total verschossen in Sandra, dann solltest du dich doch auf das große Ereignis freuen. Oder...machst du dir etwa immer noch Gedanken über deine... Penisgröße?« fragt er und starrt auf meine Hose.
So ein Penner. Nervös rutsche ich auf dem Bett hin und her. Der soll nicht so starren.
»Was ist denn los?« fragt er weich.
»Soll ich den Anfang machen oder ihr das überlassen? Und was ist mit den Klamotten?«
»Was soll'n damit sein?«
»Naja, muss ich sie ausziehen oder wird sie das selber machen?«
»Du lieber Himmel, woher soll ich das denn wissen? Tobi, du machst dir immer noch viel zu viele Gedanken. Wenn du nicht damit aufhörst, wirst du total verspannt sein und es erst recht nicht bringen. Lass doch einfach alles auf dich zu kommen.«
»Aber ich bin so schrecklich nervös. Warst du das denn nicht?«
»Nee, nicht besonders. Bei Peggy und mir, das war mehr so'n ausprobieren. Mal kucken, wie das so funktioniert, verstehst du?«
»Und wie hat es funktioniert?«
»Fürs erste Mal war's ok. Allerdings musste sie mir erst einen blasen.«
»Verstehe«, nicke ich, worauf er sich halb tot lacht. Keine Ahnung, was so lustig ist.
»Weißt du, normalerweise machen Mädchen das ja nicht so gerne aber Peggy war zum Glück immer ganz wild darauf.«
»Ja, das ist ja...äh...nett für dich«, fasele ich hilflos.
»Vielleicht ist Sandra ja auch eines dieser seltenen Exemplare, oder sie macht es, um dir einen Gefallen zu tun, was ungefähr aufs selbe rauskommt.«
»Ach du Scheiße, ich hab gar keine Kondome. Ich kann da doch nicht ohne Kondome hingehen. Die denkt ja, dass ich total verantwortungslos bin. Was soll ich denn jetzt machen? Ich kann unmöglich in einen Supermarkt gehen und Kondome kaufen. Weißt du, wo hier ein Automat ist?«
»Reg dich ab, Tobi.«
Er hangelt sich auf dem Bauch halb aus dem Bett, wühlt darunter und wirft mir schließlich ein Päckchen in den Schoß. Klar, dass David sowas hat. Der ist immer auf alles vorbereitet.
»Du kannst die ganze Schachtel nehmen, ich hab momentan kaum Verwendung dafür. Obwohl...«, er grinst dreckig, »eins brauche ich...zum Wichsen. Das spart die Papiertücher und es gibt keine ekligen Flecken. Peggy hat sich immer darüber aufgeregt.«
Gott, ist mir das peinlich. Warum muss der denn immer so direkt sein und wieso bin ich so verklemmt? Mann, der scheint ja oft zu onanieren. Hä?? Wieso um alles in der Welt sehe ich ihn gerade vor mir, wie er sich eine Hand in die Hose schiebt? Ich bin offensichtlich schwer geistesgestört. Es wird anscheinend wirklich Zeit, dass Sandra und ich Sex haben.
David legt sich aufs Bett, sieht mich an und streicht sich mit der Hand über den Bauch, wobei sein Shirt hochrutscht. Die Augen sind geschlossen, die Lippen leicht geöffnet, während seine Hand unter den Bund seiner engen Hose wandert. Erschrocken entferne ich diese Bilder aus meinem Kopf. Das geht echt zu weit!!
»Woran denkst du?« David stößt mich an.
»Gar nichts«, antworte ich schnell...zu schnell. Zum Glück kann er nicht Gedanken lesen. »Ich...ich muss gehen.«
»Jetzt schon?« fragt er enttäuscht. »Schockiert, weil ich wichse?«
»Überhaupt nicht. Ist doch...äh...ganz normal.«
»Und dir davon erzähle?«
»Nö.«
David seufzt. »Tobi, ich habe noch nie jemanden getroffen, der so verklemmt ist wie du. Das ist kein Vorwurf sondern eine Feststellung. Holst du dir nie mal einen runter?«
»Doch doch«, sage ich so schnell, dass meine Stimme sich fast überschlägt.
Er grinst. »Es ist dir peinlich darüber zu sprechen, mh?«
»Ist es nicht.«
»Ist es doch. Dein Gesicht ist rot wie eine Tomate.« Er schnappt sich einen Schokokuss und knabbert daran rum. »Naja, ich bin mir sicher, wenn du nicht weißt, was du mit deinem Schwanz anstellen sollst...Sandra weiß es ganz sicher.«
Völlig mit den Nerven am Ende stehe ich auf. »Ich muss jetzt trotzdem los.«
»Ok, vergiss aber bitte nicht, mir hinterher zu erzählen, wie es war. Und...vergiss die hier nicht.« Er wirft mir das Päckchen zu, ich lächle horrorartig.
Es ist so weit!!!
Samstag abend, halb zehn, ich sitze in Sandras Zimmer und wäre am liebsten irgendwo anders. Ehrlich, ich fühle mich wie im Wartezimmer vom Zahnarzt, nur dass es da Zeitschriften gibt, die einem die Zeit vertreiben.
Sandra hat sich echt Mühe gegeben. Der Raum ist warm und angenehm schummrig, es riecht nach Rosenräucherstäbchen und sie sieht einfach phantastisch aus. Enges schwarzes Samtkleid, Haare locker zusammengesteckt und dezentes Make-Up. Riechen tut sie ebenfalls gut. Ich hab lange überlegt, wie ich mich kleiden soll und für eine einfache schwarze Schnürhose entschieden, dazu ein schwarzes Shirt ohne Ärmel und einen Maschenpulli. Wie blödsinnig, sich aufzubrezeln, wenn man sich doch eh so schnell wie möglich ausziehen will.
»Möchtest du noch was trinken?« fragt sie lächelnd.
»Nein danke.«
Wie auf ein mir nicht bekanntes Stichwort rückt sie mir auf die Pelle, streicht mir über den Schenkel und küsst mich. Alles klar, jetzt wird's ernst. Was soll ich denn nun machen? Sie weiß es anscheinend, denn sie drückt mich sanft auf die Matratze und schiebt eine Hand unter mein Shirt. Ahh, das ist angenehm...glaube ich.
Eine Weile knutschen wir so rum und ehe ich mich versehe, sind wir ausgezogen und liegen unter der Decke. Ok, das Problem wäre schon mal gelöst. Nun legt sie meine Hand auf ihren Busen. Kacke, ich hab die Kondome in meiner Jackentasche vergessen. Was jetzt?
Aufstehen und sie holen? Ja, geht wohl nicht anders. Ich mache mich also los.
»Was ist denn? Willst du nicht?« fragt sie enttäuscht.
»Doch aber...ich hab was vergessen...«
Sie lächelt. »Ich nicht.« Ein Griff in ihre Nachttischschublade und auch diese Hürde ist genommen. Ab jetzt wird es ja wohl so schwierig nicht mehr sein. Um es mit Davids Worten auszudrücken...wenn der Schwanz erstmal drinsteckt, kann man nicht mehr viel falsch machen. Aber noch steckt er nicht. Überhaupt bin ich irgendwie mehr...keine Ahnung, wie unter Zeitdruck, ich will es endlich hinter mir haben. Dabei soll das doch sowas Schönes sein und ich bin nur total gestresst.
Vielleicht sollte ich Sandra fragen, ob sie mir einen bläst? Wenn sie genauso ist wie Peggy und ich ihr das nicht anbiete, ist sie enttäuscht. Andererseits könnte sie das eklig finden und wenn ich es verlange, hält sie mich für ein Arschloch. Auch darüber hätte ich mir keine Gedanken machen müssen, denn ihr Kopf verschwindet plötzlich in meinem Schoß. Ich spüre ihre saugenden Lippen und bin nun doch irgendwie scharf. Leider saugt sie so fest und engagiert, dass es fast ein bißchen weh tut...das sage ich ihr aber nicht, sondern beiße tapfer die Zähne zusammen.
Gott sei Dank hört sie bald auf, küsst mich und zieht mich an sich. Na gut, jetzt bin ich wohl dran, ich friemel mit ihrer Hilfe das Kondom über und frage mich noch, ob es nicht besser gewesen wäre, das vorher zu machen. Schließlich könnte ich ja wer weiß was für Geschlechtsrankheiten haben. Hab ich aber nicht und wahrscheinlich weiß sie das. Für den eigentlichen Akt ist ein Kondom allerdings absolutes Muss. Schließlich könnte sie Geschlechtskrankheiten haben und...das weiß ich zum Beispiel nicht. Ob das normal ist, sich während wir es schon fast miteinander treiben, Gedanken über Geschlechtskrankheiten zu machen? Jedenfalls macht mein eines Körperteil, was es soll, ich dringe vorsichtig in sie ein und bewege mich langsam. Das scheint ihr zu gefallen, sie stöhnt leise. Mir gefällt es wohl auch, denn ich komme relativ schnell. Sie...nicht.
Jetzt ist sie mit Sicherheit enttäuscht. Wenn es so ist, lässt sie es sich nicht anmerken. Sie greift nach meiner Hand und schiebt sie zwischen ihre Schenkel.
Meine Finger tasten umher, werden feucht, was ich etwas eklig finde. Komisch, dass wir vorher noch nie so weit gegangen sind und jetzt alles aufeinmal passiert. Nach einer halben Ewigkeit scheint sie endlich einen Orgasmus zu haben...ich habe einen Krampf in der Hand. Ganz ehrlich - Sex habe ich mir irgendwie anders vorgestellt. Mehr Entspannung und weniger Stress.
Sandra kuschelt sich in meinen Arm. »Ich hab dich lieb und...es war total schön.« Ich wünschte, ich könnte dasselbe sagen und es ernst meinen. Vielleicht beim nächstenmal, wenn ich mir nicht so viele Gedanken um jeden Kack machen muss.
Wenigstens bin ich ab heute keine Jungfrau mehr.
Die Tatsache, dass ich im entscheidenden Moment an jemand anders gedacht habe, verschweige ich ihr mal lieber.
12
However far away I will always love you ... Samstag abend. Tobi bumst gerade Sandra und ich sitze hier allein und höre Cure. Am liebsten würde ich diese Ätztussi killen. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie sie ihn angrapscht und küsst und...ekelhaft. Meinen schönen Tobias. Ich will derjenige sein, der ihm zeigt, wie es geht und nicht diese Schlampe, die sich von jedem ficken lässt. Hauptsache, die erstickt ihn nicht mit ihren Megatitten. Scheiße, das ist nicht nett von mir.
Tobi hat vorgestern sein Halstuch hier vergessen, wenigstens kann ich damit kuscheln. Das riecht noch total nach ihm. Verflucht, ich werde doch wohl jetzt nicht anfangen zu heulen...
Ich weiß nicht, manchmal meine ich, dass er mich auch gern hat, es aber noch nicht so richtig weiß, das kann allerdings auch nur Wunschdenken sein. Wenn es aber so ist, dass er mich mag und sich nicht traut, weil er ja nicht weiß, dass ich auf Jungs stehe...das wäre fatal.
Vielleicht möchte er was mit mir machen und hat Angst, dass ich genau das nicht will und deshalb verschwendet er seine Zeit mit Sandra. Oh je, ich muss es ihm sagen. Und wenn er sich dann vor mir ekelt? Das ist eben das Risiko. Allerdings würde ich das nicht überleben. Der wird mir schon nicht die Freundschaft kündigen, nur weil ich ihn toll finde. Oder?! Es geht nicht anders, die Vorstellung, dass wir beide wollen und bloß zu feige sind, macht mich wahnsinnig. Natürlich wird er nichts dergleichen wollen. Dafür redet er zu viel von seiner tollen Freundin. Blödsinn, sich was vorzumachen. Tobi ist nicht schwul!!
»Und...wie war's?«
Tobi hat mich angerufen und nun sitze ich auf seinem Bett und mampfe einen Schokokuss. »Ganz ok, denke ich...so fürs erste Mal«, antwortet er ausweichend.
Eigentlich habe ich keine Lust auf Einzelheiten, andererseits will ich wissen, was die Kuh mit meinem Tobi getrieben hat. Wie auch immer, weh tut es auf alle Fälle.
»Ganz ok?«
»Na gut, es war unglaublich schön. Sandra sah umwerfend aus und ihr Körper ist so weich und als sie mich angefasst hat, da hab ich fast Sterne gesehen. Ich hab so etwas Schönes noch nie erlebt. Ich bin wahnsinnig verliebt, kann gar nicht genug bekommen von ihr.«
Er erzählt das mit so leuchtenden Augen, dass ich Angst habe, loszuflennen. Tobi ist definitiv hetero. Während er weiter von Sandras Körper schwärmt, von wahnsinnigen Orgasmen und was weiß ich, kämpfe ich mit meiner Übelkeit und den Tränen. Irgendwann halte ich es nicht mehr aus.
»Jetzt hör schon auf. Ich kann's echt nicht ertragen«, brülle ich.
Tobi schaut mich erschrocken an. »Aber...du hast doch gefragt.«
»Ich will nicht hören, wie gut sie riecht und sich anfühlt und wie scharf sie dich gemacht hat. Merkst du gar nicht, dass...dass mir das weh tut, verdammt?«
»Dir wehtut? Warum?«
»Na weil...weil ich mich verliebt habe.«
Tobi springt auf und starrt mich wild an. »Ich hab's gewusst. Die ganze Zeit hab ich gewusst, dass du sie für dich haben willst, du mieses...«
»Tobias«, unterbreche ich ihn, »es ist nicht Sandra, in die ich mich verliebt habe.«
»Hä?« Er sieht hochgradig verwirrt aus.
»Ich...oh mann, bin in dich verknallt, du Trottel.«
Er schreckt zurück, als ich auf ihn zu gehe. »Was? Bist du bescheuert? Wieso in mich? Ach du Scheiße, bist du etwa...eine Schwuchtel? Und was ist mit Peggy?«
»Wir haben Schluss gemacht, deinetwegen.«
Er beginnt hysterisch zu lachen. »Nein, das ist doch ein Scherz. Du...du willst mich doch nur verarschen, oder? Oh Gott, wir haben uns geküsst, ich meine, als du mir gezeigt hast... verdammt...«
»Da hab ich's gemerkt, so richtig gemerkt. Du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf, Tobi. Was soll ich machen?«
»Lass das. Ich will sowas nicht hören. Du spinnst wohl. Spinnst du, mir so eine Scheiße zu sagen?«
Au, das tut echt weh. »Entschuldige, ich...tut mir Leid aber, ich kann doch nichts für meine Gefühle.«
Er setzt sich aufs Bett und starrt mich an. »Seit wann bist du denn plötzlich schwul?«
»Keine Ahnung, ob ich's überhaupt bin.«
»Sowas weiß man doch wohl. Hast du schonmal, ich meine...?«
»Du meinst, ob ich was mit einem Jungen hatte? Ja, so ein, zwei mal.« Ich setze mich neben ihn.
»Und du hast richtig mit ihm...?«
»Gevögelt? Ja.«
»Wie...wie ist denn das so?«
»Geil«, flüstere ich in sein Ohr und merke, dass er zusammenzuckt.
Hastig schiebt er mich weg. »Ich stehe auf Mädchen und...und ich bin mit Sandra zusammen. Wir hatten gestern erst Sex.«
»Ja, ich weiß.«
»Und was machen wir jetzt?« Er sieht ehrlich ratlos aus.
»Keine Ahnung. Was schlägst du vor?«
»Woher soll ich das wissen? Mir sagt nicht so oft ein Typ, dass er in mich verknallt ist.«
»Hast...hast du mich denn noch gern?«
Er zieht die Schultern hoch und ich möchte in diesem Augenblick sterben.
»Ich will aber nicht, dass du mich anmachst.«
Der spinnt doch. »Ach komm schon Tobi, wann hab ich das denn schon mal getan?«
»Du wolltest das eine Mal unbedingt in meinem Bett schlafen.«
»Wir waren betrunken und du hast mich eingeladen. Das hätte ich durchaus auch als Aufforderung verstehen können. Und dann als du mir das Blatt aus den Haaren genommen und mich so komisch dabei angesehen hast, als wolltest du mich jeden Augenblick küssen.«
»Das ist überhaupt nicht wahr«, ereifert er sich. »Das hatte nicht den geringsten sexuellen oder romantischen oder erotischen Touch.«
»Ich hätte es aber so verstehen können. Alles was ich sagen will ist doch nur, dass ich dich niemals in irgendeiner Form angemacht habe.«
»Ha, und was war mit dem Ring?« fragt er triumphierend. »Den hast du mir an den Finger gesteckt oder nicht? Pure Anmache, würde ich sagen. Und dann die Weingummiteufel, die du mir in den Mund gesteckt hast.«
Ja, da hat er leider recht, das hab ich extra gemacht.
»Was dir nicht so besonders unangenehm war, wenn ich mich richtig erinnere.«
»Blödmann. Das hättest du wohl gerne«, zischt er.
Auch da ist er auf dem richtigen Weg.
»Tobi, ich will mich nicht über Anmache streiten, die nie stattgefunden hat.«
»Ich vielleicht? Du hast doch mit dem ganzen lächerlichen Schwachsinn angefangen.«
»Tut mir Leid, dass du meine Gefühle für dich als lächerlich bezeichnest. Weißt du, ich hab mir nicht ausgesucht, in dich verschossen zu sein. Ich wünschte mir auch, ich wäre es nicht. Denkst du, es ist mir leicht gefallen, dir das zu sagen?«
»Warum konntest du es dann nicht für dich behalten?«
»Du bist echt ein Arschloch, Tobias.«
»Ich bin ein Arschloch, weil ich dich nicht ranlasse?«
»Nein, du bist ein Arschloch, weil du hier diese erbärmliche Nummer abziehst. Hab ich mich jemals so scheiße verhalten? Hab ich mir nicht immer schön alles von dir und Sandra angehört, was mir nebenbei bemerkt nicht leicht gefallen ist, und noch dazu versucht, dir zu helfen?«
»Meinst du jetzt vielleicht diese absurde Knutscherei? Das hast du doch nur für dich gemacht. Dachtest du, wenn ich dich küsse werde ich auch sofort schwul?«
»Ich dachte, dass ich dir damit helfe, dich bei Sandra nicht als totalen Loser zu outen. So umwerfend war der Kuss nämlich nicht.«
War er zwar doch aber ich hab keine Lust, ihm das auf die Nase zu binden.
»Du willst mich nicht zufällig dazu bringen, dich nochmal zu küssen, um dir zu zeigen, dass ich doch umwerfend bin, nein?«
Ui, auf den Gedanken muß man erstmal kommen!
»Nicht dass ich wüsste.«
»Daraus wird auch nichts. Ich hab dich durchschaut und weiß, dass ich gut küssen kann.«
»Wenn du meinst.«
»Siehst du, keine Gelegenheit lässt du aus, um mich anzugraben, dabei weißt du, dass ich eine Freundin habe.«
»Du hast damit angefangen.«
»Hab ich nicht.«
»Hast du doch.«
»Leck mich«, zischt er. »Das war keine Aufforderung«, fügt er grinsend hinzu.
Ich lass mich neben ihn aufs Bett fallen. »Bist du echt so schockiert, weil ich auf Jungs stehe?«
Er schüttelt den Kopf. »Nein, nur dass du mich ausgesucht hast. Wieso eigentlich?«
»Weil du mich verrückt machst, Tobi. Alles, was du tust reizt mich und wenn du nicht da bist, reizt mich schon der Gedanke an das was du machst, wenn du kommst.«
»Ich wusste gar nicht, dass ich so eine Wirkung auf andere habe«, erklärt er leicht grinsend.
»Nun werd mal nicht gleich größenwahnsinnig.«
»Trotzdem«, beginnt er ernst, »ich liebe Sandra.«
»Klar aber...wir bleiben doch befreundet, oder?«
»Ich werde es auf jeden Fall versuchen. Du bedeutest mir sehr viel.«
»Danke«, sage ich erleichtert, »das ist alles, was ich hören wollte.«
13
Au je, David hat mir seine Liebe gestanden. Zuerst dachte ich ja, dass er mich verarschen will aber er meint das ernst. Überhaupt steht er auf Jungs. Ich hätte das niemals von ihm gedacht. David der Frauenschwarm...eine Schwuchtel. Scheiße, das klingt abwertend, ich mein das ja nicht so und hab ihn auch immer noch gern. Ein bisschen mulmig ist mir allerdings.
Wenn ich daran denke, dass er mit mir in einem Bett geschlafen hat und wie er mich immer ansieht. So richtig übel wird mir, bei dem Gedanken, wie wohl ich mich in seiner Nähe fühle und dass mein Herz manchmal so laut klopft. Mann, der hat mich mit seinem Geständnis total verwirrt. Ich will ihm nicht aus dem Weg gehen aber im Augenblick ist es das Beste. Wir sehen uns in der Schule, da ist alles normal, und telefonieren manchmal. Ich muss erstmal mit seinen Gefühlen für mich zurande kommen.
Sandra und ich hatten gestern nochmal Sex...hat schon etwas besser geklappt aber so richtig wahnsinnig ist es nicht, was ich gar nicht verstehe. Ich bin verliebt, dann müsste es doch die Erfüllung sein. Ist es aber nicht. Also für sie anscheinend schon, sie wird immer total wild. Ich dagegen...mh, um es mit Davids Worten zu sagen, ich gehe nicht so ab, wie ich wohl sollte. Egal, Hauptsache, mein Körper funktioniert irgendwie und sie hat ihren Spaß. Sandra allerdings ist eine ziemliche Egoistin, weil sie nur an sich denkt. Selbst wenn sie mir einen bläst, meine ich, ist sie nicht darauf bedacht, es so zu machen, dass es mir gefällt, was ja eigentlich Sinn der Sache ist. Jedenfalls scheint sie nie mitzukriegen, dass mir das alles nicht so wirklich etwas bringt. Vielleicht muss man Sex aber auch erst richtig lernen. David hat recht, ich mache mir zu viele Gedanken. Womit ich wieder beim Thema wäre. Was mach ich denn nun mit ihm?
»Sag mal, gehst du mir bewußt aus dem Weg oder vereinnahmt dich Sandra so sehr, dass du keine Zeit mehr für mich hast?«
David ist unerwartet aufgetaucht und sieht mächtig traurig aus.
»So ähnlich«, entgegne ich ausweichend. Was soll ich denn sagen, dass mir sein Schwulsein, bzw, seine Liebe unheimlich ist? Dass ich ihm nicht mehr so recht über den Weg traue und ich nicht weiß, warum mein Herz schon wieder zu rasen beginnt, wenn ich ihn sehe? Warum hab ich dieses Herzklopfen eigentlich bei Sandra nicht mehr? Anfangs war es kaum auszuhalten und jetzt? Man könnte ja fast meinen...aber nein, das ist zu absurd und überhaupt nicht wahr.
Ich spüre, als ich meine Finger reibe, seinen Ring. Da hab ich mich gestern deswegen fast mit Sandra gestritten, weil sie wissen wollte, von welcher Schnepfe ich den bekommen habe, sie wollte nämlich erst nicht glauben, dass ich Davids Ring trage. Das hört sich ja auch ziemlich bescheuert an. Dann hat sie gemeint, es sei doch total tuntig, wenn ein Junge einem anderen einen Ring schenkt. Hab ihr gesagt, dass David mir öfter was schenkt, zum Beispiel seine Lederjacke und dass sie sich mit ihrer besten Freundin Lara auch manchmal kleine Geschenke macht. Sie fand es dennoch eigenartig, hat sich aber wieder mit mir vertragen und ich durfte mit meinen Fingern in ihr herumstochern.
»Hallo...hey, bist du noch da?« reißt David mich aus meinen Gedanken.
»Ja, äh...ja, natürlich.«
Während David es sich neben mir bequem macht, fällt mir auf, dass er heute extrem gut aussieht. Zwar total unspektakulär...Cordhose und Strickpulli...aber, meine Güte! Dass Peggy sich von ihm getrennt hat, verstehe wer will. Bevor er an seiner Zigarette zieht, leckt er sich leicht über die Lippen. Ich verbrenne fast. Oh Gott, was ist denn jetzt los? Ich...ich finde David auf einmal...SEXY...aber so richtig. Seine Stimme, die weich ist aber irgendwie auch immer etwas heiser klingt, so als hätte er eine leichte Halsentzündung...oh, oh wow...und er riecht so gut. Hilfe!! Was ist denn jetzt kaputt?
»Mann du bist heute in der Tat gesprächig.«
Erschrocken zucke ich zusammen. »Ich fühle mich nicht wohl.«
»Echt? Was'n los?«
»Weiß nicht...Kopfschmerzen.«
»Dann nimm 'ne Tablette.«
Mir wird heiß und schwindlig und schlecht. Mein Magen kribbelt, alles dreht sich. Was ist denn das bloß?
»Scheiße, du bist ja ganz blass.« David drückt augenblicklich die Zigarette aus, sieht mich besorgt an und legt seine Hand an meine schwitzige Stirn. »Mh, fühlt sich heiß an. Vielleicht hast du dir eine Grippe eingefangen.«
Ich kann kaum atmen und japse vor mich hin. Diese eine Berührung von ihm hat mich total geschafft.
»Fängst du an zu hyperventilieren? Soll ich eine Tüte holen?«
Ich schüttle den Kopf. »Ich...entschuldige«, murmle ich und renne ins Bad, wo ich mich übergebe. Danach wasche ich mein Gesicht und putze mir die Zähne.
David steht hilflos an der Tür, als ich zurückkomme. »Alles in Ordnung?«
»Ich bin krank. Du musst jetzt gehen.« Mühsam schleppe ich mich zum Bett und lasse mich wie ein Stein fallen.
»Soll ich dir einen Tee machen oder brauchst du sonst irgendwas?«
»Nein, nur Ruhe. Lass mich allein.«
»Bist du sicher?«
»Ja, verpiss dich endlich«, brülle ich ihn an, was mir leid tut. »Entschuldige, ich...mir geht es nicht gut.«
»Okay...wenn irgendwas ist, ruf mich an, ja.«
»Mach ich«, entgegne ich, drehe ihm den Rücken zu und ziehe mir die Decke über die Ohren. Nach einigen Sekunden höre ich die Tür. Gott sei Dank, er ist weg.
Bin immer noch krank und war nicht in der Schule. David wollte herkommen, doch ich sagte ihm, ich sei müde und würde den ganzen Tag schlafen. Dafür war Sandra da und hat mich sehr rührend gepflegt, mir Tee und Zwieback eingeflößt, ist zu mir unter die Decke gekrochen und hat mich gewärmt, weil ich Schüttelfrost hatte.
Mom hat irgendwas von einem Virus gefaselt - sie muß es ja wissen - und mir MCP und Paracetamol verabreicht. Das Kotzen hat aufgehört, Fieber hab ich auch nicht mehr, nur noch erhöhte Temperatur. Ich fühle mich total erschöpft und schlapp und wirr im Schädel. Aber es ist ja nur ein Virus, kein Grund zur Beunruhigung.
Nach dem dritten Tag geht mir Sandras Krankenschwesternummer auf den Geist. Das sage ich ihr allerdings nicht, weil sie sich wirklich Mühe gibt und ich nicht undankbar sein oder sie verletzen will. Ihr ewiges Willst du noch Tee und Liegst du auch bequem zerrt aber ganz schön an meinen Nerven. Grrrr...und andauernd küsst sie meine Stirn und streicht mir über den Kopf. Bin ich vielleicht ein Köter?
Jetzt sitzt sie schon wieder neben mir und erklärt mir freudestrahlend, dass sie ihre Verabredung mit Lara absagen will.
»Das musst du nicht.«
»Doch, du bist schließlich krank.«
»Ja aber du musst nicht den ganzen Abend händchenhaltend an meinem Bett sitzen. Du wolltest mit Lara ins Kino gehen also mach das auch.«
»Dann hab ich aber ein schlechtes Gewissen, weil ich dich allein lasse.«
»Ich bin doch sowieso müde und werde gleich schlafen. Du kannst ganz beruhigt gehen. Das ist wirklich in Ordnung.«
»Ganz ehrlich?« fragt sie skeptisch.
»Ganz ehrlich.«
»Na gut aber wenn was ist, meldest du dich, okay? Ich hab mein Handy die ganze Zeit eingeschaltet.«
»Ok, bis morgen.«
»Machs gut.«
Bevor sie geht haucht sie mir noch einen Kuss auf die Stirn.
Als sie endlich weg ist, rufe ich David an, obwohl ich weiß, dass ich es nicht tun sollte.
»Bist du noch krank? Ich will mich nicht anstecken, das geht nämlich immer total schnell bei mir und ich hab keinen Bock auf Kotzen.« Mit diesen Worten begrüßt mich David als er seinen Kopf durch die Tür steckt.
»Die Gefahr ist vorüber, ich bin nur noch ein bisschen schlapp.«
Eine halbe Sekunde später sitzt er neben mir und ich bekomme eine Art Rückfall. Mir wird nämlich flau im Magen und schwindlig im Kopf.
»Was ist, willst du noch'n Tee?«
»Wenn mich das nochmal jemand fragt, schreie ich.«
Da er mich verständnislos anschaut, erzähle ich ihm von meiner Krankenschwester. »Okay, vergiss den Tee. Hab auch nur so gefragt, ich bin nämlich als Krankenschwester eine komplette Niete.«
»Die würden Kittel und Häubchen auch nicht stehen.«
»Meinst du? Ich glaube, ich sehe in allen Klamotten geil aus.«
Das glaube ich auch denke ich und erschrecke sofort als ich merke, dass ich diesen Satz leider nicht nur gedacht habe. David grinst. Arschloch! Der soll damit aufhören, das verwirrt mich.
»Ich muss aufs Klo«, sage ich und stehe auf, weil ich es mit ihm nicht aushalte.
»Kotzen?«
»Nein«, antworte ich und gehe ins Bad, wo ich mich auf den Wannenrand setze.
Was stimmt denn nicht mit mir? Am liebsten würde ich heulen, so verdreht und chaotisch geht es in mir zu. Ich kann weder klar denken noch klar fühlen ich kann gar nichts mehr. Vielleicht bleibe ich für immer hier auf dem Klo. Schwachsinn. Das geht ja gar nicht. Also klatsche ich mir kaltes Wasser ins Gesicht und gehe brav zurück ins Zimmer zu David und der Verwirrtheit.
Hä? Wo ist David denn geblieben? Der saß doch gerade noch auf dem Bett. Fein, der ist bestimmt gegangen, was mir sehr gelegen kommt. Ich will gerade schon erleichtert aufatmen, da spüre ich eine weiche Hand in meinem Nacken, die höher wandert und sich in mein Haar vergräbt. Ich falle sicher gleich in Ohnmacht, meine Beine sind bereits wie Gummi, ich krieg auch wieder Atemnot.
»Küss mich, Tobi«, haucht David mir ins Ohr.
Der hat sie ja nicht alle. Hat er mir nicht versprochen, so etwas zu unterlassen? Gerne möchte ich ihm ins Gesicht schlagen, doch ich kann mich nicht bewegen, nicht einmal wegschieben kann ich ihn, ich bin wie gelähmt.
David schleicht um mich rum, bleibt vor mir stehen, nimmt mein Gesicht in seine Hände und drückt seine Lippen auf meinen Mund...ganz kurz nur. Langsam erwache ich aus meiner Starre und stoße ihn weg.
»Spinnst du?« kreische ich.
»Entschuldige, ich dachte, du wolltest das auch. Hab mich wohl geirrt.«
»Allerdings«, zische ich böse und wische mir mit dem Handrücken den Mund ab. »Ich gehe jetzt ins Bett. Gute Nacht.« Gesagt getan ziehe ich mir die Decke bis zum Kinn und sehe noch, wie er einen Moment unschlüssig mitten im Raum steht.
»Ja, dann...schlaf gut«, sagt er leise, zieht seinen Mantel an und geht.
Bitte, lieber Gott, lass mich aus diesem Albtraum aufwachen. Mach, dass alles wieder normal wird, dass ich wieder weiß, was ich will, dass ich scharf auf Sandra bin und nicht immer so schrecklich viel an David denken muss...
14
Wie kann man nur so blöd sein?
Küss mich, Tobi... hab ich das echt gerade gesagt? Und habe ich ihn danach wirklich geküsst, einfach so? Scheiße, scheiße. Der Ärmste hat mich angesehen, als sei ich der Leibhaftige.
Da fasel ich großartig davon, dass ich ihn noch nie angemacht habe, was ja sowieso schon mal eine fette Lüge war, und küsse ihn auf den Mund. Ich dachte, du wolltest das auch... ich hab ja komplett den Irrsinn. Mann, aber als er so da stand, in seinem schwarzen T-Shirt und der schlabbrigen schwarzen Jogginghose, total zerknautscht und müde, mit wirrem Haar...er sah einfach umwerfend aus, super süß uns so absolut sexy...da konnte ich nicht anders. Jetzt will er bestimmt nichts mehr von mir wissen. Und ich? Ich glaube, es war ein Fehler zu denken, es würde mir reichen mit ihm einfach nur befreundet zu sein.
Ich will mehr, viel mehr. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich die ganze Zeit über noch so die Hoffnung, er würde mich vielleicht auch irgendwann mögen, was selbstverständlich totaler Schwachsinn ist. Tobi ist mit Sandra zusammen, je eher ich das in meinen verdammten Schädel kriege, desto besser.
Als ich meine Zimmertür öffne und das Licht anknipse trifft mich der Schlag. Auf dem Bett sitzt...Peggy. Sicher hat sie wieder einmal das kackblöde Stiefmonster reingelassen.
»Warum sitzt du im Dunkeln und was machst du überhaupt hier?« frage ich reichlich überrascht.
»Ich komme nicht von dir los, du Arschloch«, entgegnet sie und starrt mich finster an.
»Ehrlich, du fehlst mir...irgendwie.«
Ich muss zugeben, sie mir auch...irgendwie. Trotzdem verstehe ich Peggy nicht so ganz. Nachdem ich meinen Mantel ausgezogen hab, setzte ich mich neben sie.
»Zwei Jahre kann man eben nicht so einfach wegwischen. Ich hab dir meine halbe Teenagerzeit geschenkt«, versucht sie zu scherzen.
»Was willst du denn jetzt von mir hören?«
»Bist du immer noch hinter deinem Tobias her?«
Ich nicke kaum merklich.
»Und...schon Erfolg gehabt?«
»Nein. Da ist wohl auch nichts zu machen.«
Ich weiß, dass Peggy die absolut falsche Adresse ist aber ich erzähle ihr dennoch alles. Es tut gut, sich mal aussprechen zu können.
»Du hast ihm echt gesagt, dass du in ihn verknallt bist? Wow... hätte ich dir gar nicht zugetraut.«
»Scheiße, ich sollte mit dir gar nicht darüber reden. Was denke ich mir eigentlich dabei?«
»Ach weißt du, ich bin ziemlich froh, dass wir so locker miteinander umgehen können, obwohl wir uns getrennt haben. Und sieh es doch mal so, jetzt wo wir nicht mehr zusammen sind, gibt es keinen Grund mehr für Eifersucht und Streitereien.«
Ich bin mir nicht sicher, ob sie tatsächlich so gut damit klarkommt.
»Peggy, wieso bist du wirklich hergekommen?«
»Hab ich doch gesagt, ich vermisse dich.«
»Aber du weißt doch, dass zwischen uns nichts mehr laufen wird, oder?«
Sie senkt den Kopf. Na bitte, ich hab's ja gewußt.
»Naja, ich hatte so die klitzekleine Hoffnung, du überlegst dir das nochmal.«
»Tut mir leid. Es wäre auch nicht gut...für keinen von uns. Ich hab dich immer noch sehr gern aber ich stehe auf Jungs und ich bin in Tobi verliebt.«
»Hab's ja kapiert. Das heißt aber doch nicht, dass wir uns gar nicht mehr sehen können.«
»Ich weiß am Besten wie es ist, jemanden täglich zu sehen, den man haben will und nicht kriegen kann. Ich möchte nicht, dass es dir genauso geht. Ich will dir nicht so weh tun.«
»So wie er dir, mh? Ist eine ziemlich verfahrene Situation. Naja, ich schätze, ich musste nur noch mal hören, dass es aus ist. Trotzdem, so ganz verlieren wir uns nicht, David, oder?«
»Ach, Tintenfischchen...« Ich nehme sie zum Abschied in den Arm und halte sie ganz fest. Mehr kann ich ihr nicht geben.
Ich muss mit Tobi reden, ihm sagen, dass sowas wie dieser total beknackte Kuss nicht wieder vorkommt und kann nur hoffen, er verzeiht mir meinen vorübergehenden Wahnsinn.
Ich weiß nicht wieso aber ich glaube, meine Karten sind eher schlecht. Heute in der Schule (er ist nämlich wieder gesund) hat er mich mit dem Arsch nicht angeguckt. Das tut weh. Im Nachhinein kann ich sagen, dass der Kuss ja nun auch nicht so schlimm war. Ich meine, schließlich hab ich ihn nicht vergewaltigt oder sowas...hab nicht einmal meine Zunge reingesteckt. Verdammte kleine Mimose.
Ich wähle seine Nummer, in Erwartung, Beate geht ans Telefon, um mir zu sagen, dass er nicht da ist doch er ist selbst dran.
»Hallo...sprichst du noch mit mir.«
»Ich hab eine Weile überlegen müssen. Was hast du zu sagen?«
»Es tut mir Leid, Tobi.«
»Entschuldigung angenommen. Was sonst?«
»Mh, wollen wir mal wieder zusammen ausgehen, äh, ohne Sandra?«
»Du meinst, so'n richtiger Männerabend, was?«
»Ich kann Sandra nicht ausstehen. Die vögelt mit meiner großen Liebe.«
Ich höre ein schweres Schnaufen. »Treib es nicht auf die Spitze, David.«
»Schon gut, war nur ein Scherz. Also was ist mit ausgehen? Ich werde mich auch super brav und anständig verhalten.«
»Kannst du das überhaupt?«
»Wenn ich mich ganz doll anstrenge...ja.«
»Meinetwegen. Hol mich nachher ab, sagen wir gegen zehn.«
»Alles klar, bis dann.«
Gott, ich hoffe, er zieht sich nicht wieder so aufreizend an, sonst kann ich mein Versprechen kaum einhalten.
Ich dagegen ziehe mich so aufreizend an, wie es geht. Lackhose, enges schwarzes Shirt, das so gerade eben meinen Bauch bedeckt, schwerer Silbergürtel, Silberringe, Armreif um den Oberarm, Augen schwarz geschminkt, Lippgloss. Wenn ich Tobi nicht aufreißen kann, dann vielleicht einen anderen hübschen Jungen.
Um kurz nach zehn stehe ich vor Tobis Haustür.
War ja klar, dass er's nicht lassen kann. Cordhose, so'n kurzes schwarzes Flatterhemd ohne Ärmel, Gürtel, Samtjacke. Augen dunkel umrandet, schwarze Fingernägel und natürlich meinen Silberring. Arrrgh, ich möchte sofort ins Bett mit ihm.
»Lass uns bloß schnell abhauen. Meine Mutter hat mich gerade gefragt, ob ich einer Sekte in die Hände geraten bin«, zischt er und zieht mich von der Tür weg.
Der riecht schon wieder nach Vanille...ich halt's nicht aus.
Im SPIRIT knallen wir uns in eine Ecke und trinken Flaschenbier. Mir fällt auf, dass mich sämtliche Typen nicht interessieren, wenn Tobi bei mir ist...und die meisten sehen wirklich verdammt lecker aus, besonders der Kleine mit dem Rüschenhemd.
»Bist du scharf auf den?« fragt Tobi und verrenkt sich den Hals.
»Eifersüchtig?« grinse ich.
»Quatsch. Wieso auch?«
»Keine Ahnung, sag du's mir.«
»Also was jetzt, willst du den haben? Du stierst den schon die ganze Zeit an.«
»Oh, ist mir gar nicht aufgefallen. Stört's dich?«
Er wirkt gereizt. »Noch einmal...wieso sollte es?«
»Du siehst irgendwie sauer aus.«
»Bin ich aber nicht.« Er nippt kurz an seinem Bier. »Willst du nicht mal rübergehen? Der scheint sich für dich zu interessieren.«
»Der sieht uns doch gar nicht.«
»Na dann geh hin. Vielleicht entpuppt er sich ja als dein Märchenprinz.«
»Du gehst mir allmählich auf den Geist mit deinem Gefasel.«
»Entschuldige, ich versuche nur, dir behilflich zu sein.«
»Indem du dich aufführst wie eine eifersüchtige kleine Zicke? Du bist schlimmer als Peggy.«
Ich frage mich wirklich langsam, was er hat.
Tobi schweigt und schmollt. Toller Abend!!
»Ich hol was zu trinken, willst du auch?«
Er schüttelt den Kopf.
An der Theke treffe ich zufällig das Rüschenhemd, das auf sein Getränk wartet.
»Entschuldige, hast du Feuer?«
»Klar«, nicke ich und schnipse mein Feuerzeug an.
Er zieht an seiner Zigarette, bläst langsam den Rauch aus und sieht mich an. »Danke.«
»Kein Problem.«
Wahnsinn, hat der blaue Augen. Wahnsinn, hat der ein schönes Gesicht.
»Ich bin Kai.«
»David.«
»Hübscher Name, passt zu dir.«
Hä? Der flirtet ja mit mir, oder?
»Dass du nicht allein hier bist, hab ich schon gesehen...allerdings wüsste ich gerne, wie eng du mit dem Kleinen da hinten zutun hast.«
Scheiße, das ist mir noch nie passiert, das heißt, so gut wie nie. Normalerweise würde ich sowas wie Kai sofort mit zu mir nach Hause nehmen aber was ist mit Tobi?
Tobi ist hetero, hat eine Freundin und neben mir steht dieser hinreißende Typ und ist offensichtlich interessiert. Ich bin schwer versucht, Tobi Tobi sein zu lassen und mit Kai zu verschwinden.
»Naja, ist eine komplizierte Geschichte«, antworte ich ausweichend.
Kai lächelt. »Ist es das nicht immer?«
»Mh«, mache ich.
Wir bekommen unsere Getränke und ich weiß immer noch nicht, was ich machen soll.
»Pass auf, David. Du gefällst mir also, wenn dir die Sache mit ihm zu kompliziert wird und du...ein bisschen Spaß haben willst, ruf mich an. Hier. Bin in der Woche meist abends zu erreichen.« Er schiebt mir einen Zettel in die Hand, küsst mich auf die Wange, lächelt noch einmal und geht.
Ich stehe da wie vom Donner getroffen. Ich hab niemals einfach so von einem Typen die Telefonnummer bekommen. Schweren Herzens schnappe ich mir die Bierflasche und gehe zu meinem grummeligen Tobias zurück. Der sieht noch viel finsterer aus. Als ich mich gerade setzen will, steht er auf, sieht mich kurz an und stürmt hinaus.
Ach du Scheiße! Was ist denn jetzt kaputt?
Kai lächelt mir aus der Ferne zu, ich renne hinter Tobi her und erreiche ihn draußen.
»Was ist denn los?«
Er sagt nichts und geht weiter, doch ich halte ihn fest.
»Lass mich sofort los.«
»Wenn du mir sagst, warum du rausrennst ohne ein verfluchtes Wort.«
»Schrei mich nicht so an.«
»Bist du aufeinmal irre, oder was?«
»Arschloch. Geh doch und fick deinen Rüschenhemdträger«, brüllt er mir ins Gesicht.
So viel zum Thema schreien.
»Ey, was geht denn jetzt ab?« Da er schon wieder nichts sagt, rüttel ich ihn an den Schultern.
»Was zum Teufel soll das heißen?«
»Du bist doch scharf auf ihn also lass dich nicht aufhalten. Fick in ruhig, ist mir doch egal.«
»Glaubst du, ich müsste dich um Erlaubnis fragen, wen ich vögeln darf und wen nicht? Was soll die ganze Scheiße hier?«
»Das frage ich dich. Erst kommst du an, heulst mir die Ohren voll, dass du in mich verknallt bist und drei Sekunden später reißt du dir irgendwelche Typen auf.«
Tobi ist eifersüchtig, so viel hab ich inzwischen begriffen, nur...warum?
»Und wenn schon. Soll ich dir ewig hinterher rennen, obwohl ich ganz genau weiß, dass du mit deiner Schnepfe pennst? Kai will sich von mir vögeln lassen. Du...nicht.«
»Das käme ja wohl auf einen Versuch an«, schreit er.
Dann herrscht Totenstille.
Was? Hab ich mich verhört? Ich glaube, mein Gehirn fliegt gleich weg.
»Meinst...soll das...soll das etwa heißen...Tobi...?«
Er sieht mich an. Seine Pupillen flackern gehetzt, seine Lippen zucken. Langsam lege ich meine Hände um seinen Hals und küsse ihn. Und diesesmal ist es kein Zeigen-wie-es-geht. Und danach werde ich mich nicht dafür entschuldigen.
Tobis Kuss ist weich und scheu und süß und...oooohhhhhh...schwindelerregend. Ich bin für einen kurzen Moment im Himmel. In meinem Kopf explodiert was, die Funken breiten sich in meinem Körper aus. Ich stehe total unter Strom, unfähig zu denken oder zu erfassen, was hier passiert, was dieser Kuss bedeuten könnte. Seine Zunge ist ganz warm und samtig und extrem zurückhaltend, was mich nur noch mehr anmacht.
»Wieso?« frage ich atemlos.
»Woher soll ich das wissen? Ich weiß gar nichts mehr«, erklärt er matt und lässt sich auf dem Rand eines Blumenkübels nieder. Ich mache dasselbe. »Ich weiß nur, wenn ich mit Sandra zusammen bin, denke ich an dich, wenn ich allein bin, denke ich an dich...ich denke eigentlich immer an dich. Wenn du nicht da bist bekomme ich Magenschmerzen und wenn du da bist, ist es noch schlimmer. Verstehst du das? Kannst du mir das erklären?«
Ich könnte es aber ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.
»Verdammt, ich bin krank geworden, weil ich deine Nähe nicht aushalte.« Er krümmt sich zusammen, vergräbt sein Gesicht in die Hände. »Ich will das nicht.«
»Tobi«, sage ich sanft und streiche über seinen Rücken, doch er schüttelt meine Hand ab.
»Fass mich nicht an.«
Die Tatsache, dass er weint bricht mir fast das Herz. »Tobi, komm schon, ich bringe dich nach Hause.«
Den ganzen Weg über sagt er kein Wort, er heult einfach nur vor sich hin.
Ich bin auch völlig am Ende, keine Ahnung, was ich ihm sagen oder was ich tun soll.
Vor seiner Haustür bleiben wir stehen, die Außenbeleuchtung flackert, seine Augen sind rot und geschwollen. Tobias dreht sich um, will die Tür aufschließen, tut es aber dann doch nicht. Ich umfasse seinen Nacken mit einer Hand, worauf er mich ansieht.
»Ich...versuch einfach zu schlafen«, sage ich relativ hilflos und nehme meine Hand aus seinem Haar. Er lässt sich schwer mit dem Rücken gegen die Tür fallen.
»Wenn ich schlafe, träume ich von dir«, entgegnet er bitter.
»Tobi«, seufze ich, »du...« Er unterbricht mich mit einem Kopfschütteln und schlingt seine Arme um meinen Hals. Ich kann spüren, wie sein zierlicher Körper zittert, er schluchzt leise. »Was ist das alles für ein Wahnsinn?« flüstert er. »Was hast du mit mir gemacht? Warum musst du alles auf den Kopf stellen?«
Bevor ich antworten kann küsst er mich. Ich hätte eh nicht gewusst, was ich sagen soll. Nach tausend Stunden schiebt er mich weg, schließt die Tür auf und verschwindet in der Dunkelheit des Hauses. Ich gehe einige Schritte zurück, sehe, wie in seinem Zimmer das Licht angeht, warte noch ein paar Minuten und mache mich auf den Heimweg.
15
Die ganze Welt ist verrückt geworden und ich bin mittendrin. Mir ist übel, kalt, heiß und schwindlig. Ich habe David geküsst, er hat mich geküsst und es war schön und schlimm und... keine Ahnung.
Was kommt der aber auch hierhin, faselt, dass er in mich verknallt ist und flirtet dann mit diesem Rüschenhemdtypen? Ich war tatsächlich eifersüchtig...rasend eifersüchtig. Hatte auf einmal totale Angst, David könne mit diesem Kerl verschwinden. Mann, ich wollte mir die ganze Zeit über nicht eingestehen, dass ich für ihn mehr als bloße Freundschaft empfinde. Toll, bin ich jetzt auch schwul? Was mach ich denn da?
Ich will bei ihm sein aber wenn ich bei ihm bin kriege ich Schwächeanfälle. Wann hat das denn bloß angefangen? Ich meine, schließlich hab ich mich in Sandra verliebt und David fand ich am Anfang nur cool. Ich weiß nicht, wann. Spielt wohl auch nicht die größte Rolle. Ob deshalb der Sex mit Sandra nie so richtig toll war? Wollte ich David, ohne es zu merken? Ich sollte mit ihm reden aber ich traue mich nicht.
Und Sandra, was ist mit der? Ich kann nicht auf große Liebe mit ihr machen und mich heimlich nach David sehnen.
Oh Gott, kann ich morgen bitte aufwachen und alles ist wieder normal und geordnet?
Nichts ist normal und geordnet schonmal gar nicht. Fühle mich noch immer kackig. Zu allem Unglück nervt Mom jetzt auch noch mit ihren scheiß Befürchtungen, ich mutiere zum Gruftie und Satanisten. Sie wollte mir sogar den Umgang mit David verbieten, weil der mir ja anscheinend diesen Floh ins Ohr gesetzt hat.
Wenn die den anderen Floh herausbekommt ist Holland in Not. Hach aber von Sandra sind Mama und Papa ja super begeistert. So ein liebes, nettes höfliches Mädchen. Genau das Richtige für einen angehenden Arzt oder Anwalt. Mann wird mir schlecht. Scheiße, das liebe nette Mädchen unterhält sich gerade unten mit Mom, dabei kann ich Sandra im Augenblick gar nicht gebrauchen.
»Hi, Schatz«, lächelt sie und küsst mich auf den Mund.
»Waren wir verabredet?«
»Was ist denn mit dir los? Hast du schlecht geschlafen, oder was?«
Sie sagt es. »Ziemlich. Werd mich auch gleich wieder hinlegen.«
»Ich dachte, wir könnten einen Spaziergang machen. Draußen ist es ganz warm«, sagt sie enttäuscht.
»Nee, lass uns das verschieben. Mir geht's noch nicht so gut.«
»Aber so gut, dass du mit David ausgehen konntest, ja?«
»War wohl ein Fehler. Das hab ich davon.«
»Ich soll also sofort wieder gehen.«
»Wenn es dir nichts ausmacht. Wir sehen uns morgen, in Ordnung?«
»Besonders nett finde ich das jetzt nicht von dir, Tobias.«
»Tut mir ja auch Leid aber ich fühle mich echt krank.«
»Ich könnte dich ein bißchen pflegen«, schlägt sie vor.
Um Gottes willen...bloß nicht!!
»Ach, das will ich dir nicht nochmal zumuten. Ich brauche einfach nur Ruhe.«
»Wie du willst«, erwidert sie säuerlich.
Ich küsse sie zum Abschied so leidenschaftlich wie ich kann.
Dann warte ich eine halbe Stunde, ziehe mich an und mache mich auf den Weg zu David, der auf seinem Bett liegt und aussieht, als hätte er auch nicht besonders viel Schlaf bekommen.
»Wir...wir sollten wohl reden.«
»Klar, setz dich.«
Ich lasse mich neben ihn fallen.
»Was willst du mir sagen, Tobi?« fragt er leise und legt seine Hand auf meinen Schenkel.
Ich kriege sofort Beklemmungen.
»Du weißt es doch längst oder nicht? Aber...mir ist das zu viel. Ich...ich kann das nicht.«
David nimmt meine zitternde Hand in seine. »Ich hab doch gar nichts von dir verlangt. Mir reicht es zu wissen, dass du mich auch gern hast. Alles andere wird sich schon irgendwie... finden.«
»Ich weiß überhaupt nicht mehr wo mir der Kopf steht. Gestern war noch alles in Ordnung, ich war ein langweiliger Bücherwurm und heute hab ich eine Freundin und bin verknallt in meinen besten Freund.«
»Sag das nochmal.«
»Was?«
»Na, das mit dem Freund«, grinst er.
»Hör schon auf. Mir ist nicht nach Spaß.«
»Tut mir leid. Darf ich dich küssen?«
»Nein.«
»Nein?«
»Nein...ja.«
Er kommt näher. »Sicher?« fragt er leise.
Ich nicke und einen Moment später liegen wir ineinander verschlungen auf seinem Bett und küssen uns zärtlich. Mir ist wahnsinnig schwindlig, was eindeutig an seinen weichen Lippen liegt und an seinen Händen, die meinen Rücken rauf und runter streichen.
»Alles ok?« flüstert er. »Du zitterst.«
»Das...das ist so...neu.«
»Schon gut, beruhige dich.«
David hält mich ganz fest in seinen Armen. Langsam entspanne ich mich und döse vor mich hin.
»Hast du eigentlich vor, es Sandra zu sagen?«
»Was? Nein...keine Ahnung. Hab ich noch nicht drüber nachgedacht.«
»Liebst du sie denn noch?«
»Ich mag sie aber es ist eben nicht...nicht schön mit ihr, verstehst du?«
»Jedes Wort.«
»Hattest du das bei Peggy etwa auch?«
»In der letzten Zeit manchmal, öfter. Als mir klar wurde, dass ich lieber mit dir...naja, wir haben uns ja dann schnell getrennt.«
Ich winde mich aus seinen Armen und stehe auf. »Sei mir nicht böse aber ich möchte gehen. Ich brauche ein bißchen Ruhe.«
»Alles klar.«
Die ganze letzte Woche bin ich David und Sandra konsequent aus dem Weg gegangen. David hat mich nicht weiter bedrängt, Sandra schon. Hab ihr gesagt, ich müsste mich auf die vielen Klausuren vorbereiten und dass sie das auch machen soll, da war sie ziemlich sauer.
Ob ich sie für blöd halte und sie würde schon lernen usw. Im Fahrradkeller haben wir uns schnell wieder vertragen, was ihr wichtiger war als mir und jetzt respektiert sie meinen Wunsch, in Ruhe gelassen zu werden, bis der Lernstress vorbei ist. David versucht in den Pausen normal zu sein, was ihm sicherlich schwer fällt...ich kann es ihm ansehen. Was soll's. Mir geht es auch nicht besser. Ich kann einfach nicht mehr. Meine Gefühle sind so durcheinander, haben sich so schnell geändert, ich muss erstmal selber zusehen, dass ich klar komme. Mein Kopf ist voller Fragen. Bin ich schwul oder bi? Fühle ich mich nur zu einem Jungen hingezogen, weil es mit Sandra nicht so richtig klappt. Könnte es mit einem anderen Mädchen besser funktionieren? Und wenn nicht, ist das dann die Gewissheit, dass es mit David klappt? Vielleicht würde mir Sex mit ihm genauso wenig Spaß machen. Will ich denn
Sex mit ihm? Kann ich das überhaupt? Wenn ich jetzt was mit David anfange, geschieht das vielleicht nur aus Frust, weil ich eben die falsche Freundin habe. Wenn ich mit jemandem darüber sprechen könnte, der davon Ahnung hat aber wer sollte das sein? Ich könnte die Telefonseelsorge anrufen oder in eine dieser Schwulengruppen gehen, die es überall gibt.
Nee, das ist mir peinlich. Vielleicht gibt's ja Bücher? Bestimmt sogar. Mich würde schon interessieren, wie andere so schwul geworden sind. Wie es bei denen angefangen hat, ob die auch erst eine Freundin hatten oder immer schon auf Jungs standen.
Tja und HIV ist da auch noch so ein Thema, doch das steht sehr am Ende meiner Liste. Oh je und was ist nun mit Sex? Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass David mir seinen... Schwanz in den Hintern steckt, das tut doch weh, oder? Wenn wir irgendwann richtig zusammen sind, wird er doch bestimmt Sex wollen, vielleicht soll ich dann auch bei ihm...oh du meine Güte! David hat zwar gesagt, dass er nichts verlangt aber, genau wie Sandra, wird der auch nicht ewig warten wollen. Ich fühle mich ja jetzt schon total überfordert. Werd mich mal im Internet schlau machen, vielleicht gibt's da was zum Thema.
Das mit dem Internet hätte ich lieber lassen sollen. Bin noch beunruhigter. Und eines ist jetzt schon klar...ich gehe nicht in irgendeinen Laden und kaufe ein Gleitmittel. So richtig hab ich noch nicht durchgeblickt, wie das geht. Also kann man auch ohne, wenn das Kondom superfeucht ist? Ich meine...so ganz ohne irgendwas wird's doch wohl nicht funktionieren... das tut sicher weh!?!
Mann, ich werde wohl kaum David nach diesen ganzen Sachen fragen. Wenn ich jemals Lust hatte, mit ihm zu schlafen, ist mir diese jedenfalls gründlich vergangen. Und seine Faust möchte ich auch nicht unbedingt im Hintern stecken haben. Was Leute alles treiben... Naja, ich glaube kaum, dass David etwas Derartiges von mir verlangen wird aber man kann es ja nun nicht wissen.
Mit Mädchen ist es irgendwie einfacher.
Ein Klopfen an der Tür lässt mich zusammen zucken.
»Ja?«
Langsam wird die Tür geöffnet und David schaut herein.
»Hallo.«
»Hi. Du musst nicht da stehen bleiben. Du darfst mein Zimmer betreten.«
»Ich wollte dich vorher anrufen, ich meine...ich weiß ja nicht, ob du mich sehen willst.«
»Und warum hast du nicht angerufen?«
»Das Stiefmonster hat das Telefon eingeschlossen.«
»Eingeschlossen? Wieso das denn?«
»Weil die total bekloppt ist«, sagt er grimmig und setzt sich schnaufend sich aufs Bett. »Die hohe Telefonrechnung ist angeblich meine Schuld, so wie alles meine Schuld ist. Eigentlich bin ich geflüchtet und wollte dich um Asyl bitten. Ich halte es zuhause echt nicht aus.«
Das kommt mir zwar alles andere als gelegen aber ich kann ihn schlecht wegschicken.
»Du willst hier schlafen?«
Er nickt schüchtern.
»Meinetwegen. Auf der Couch?«
Ich sehe an seinem Blick, dass er mein Bett vorziehen würde, ich weiß allerdings nicht, ob ich das will.
»Ist mir egal, Hauptsache, ich kann bleiben«, antwortet er. »Sag mal, hast du denn jetzt schon etwas Ordnung in deinen Kopf gebracht?«
»Kann ich nicht behaupten. Mir hängt das Thema schwul oder nicht, Typ oder Tussi, Sandra küssen oder dich zum Hals raus. Ich will momentan einfach nur meine Ruhe haben.«
Er sieht etwas erschrocken aus. »Aber...«
»Ja«, unterbreche ich ihn, »ich hab dich noch gern und ich glaube, ich bin auch immer noch verknallt in dich. Und jetzt will ich nicht mehr darüber reden, klar.«
»Okay.«
»Ich hol dir eine Decke.«
Während ich im Schrank auf dem Flur nach der Decke krame, überlege ich, dass die Couch ziemlich klein ist...zum schlafen jedenfalls. David wird es verdammt unbequem haben. Ich mache den Schrank zu und gehe ins Zimmer zurück.
»Du kannst in meinem Bett schlafen, die Couch will ich dir nicht antun.«
»Ehrlich?«
»Du versprichst aber, dass du mich nicht anfasst oder sowas. Ich will keine Anmache.«
»Versprochen.«
»Dann lass uns jetzt schlafen.«
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