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Dark Past

Teil 2

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Plötzlich werde ich durch ein nerviges, piependes Geräusch geweckt.

Scheiß Wecker, gerade schläft man noch so friedlich und im besten Traum reist einen dieses Scheißding aus den Phantasien.

Was soll ich groß machen ich springe auf, stell den Wecker ab. Immer mit dem Gedanken sich mal an diesem Ding zu rächen. Einfach mal gegen die Wand feuern, so dass es in alle Einzelteile zerspringt.

Brrr. Erst jetzt bemerke ich wie saukalt es im Zimmer geworden ist. Verflucht hab ich doch vergessen das Fenster zu schließen und jetzt sind es hier drinnen vermutlich nicht mal 10°C. Brrr. Mich schüttelt's und ich beginne am ganzen Körper zu zittern.

Doch das tritt erst mal in den Hintergrund. Erst mal nach Mark schauen.

Dieser liegt immer noch ein geigelt und ruhig atmend auf dem Bett.

Langsam und leise geh ich zu ihm. Setz mich auf die Bettkante und streiche sanft über seine Wange.

Langsam beginnt er sich zu regen. Aus kleinen verschlafenen Schlitzen schauen mich, wie schon am Abend davor, zwei kleine blaue Äuglein an.

»Na? Alles wieder in Ordnung kleiner?«, flüster ich ihm sanft in sein niedliches Ohr.

»Alles in Ordnung!«

Nun beginnt auch er sich zu regen und räkelt sich mit dem ganzen Körper.

Ein kleines Lächeln huscht über seine Lippen. Der erste Lichtstrahl des Tages.

In solchen Momenten könnte ich die ganze Welt vor Freude umarmen.

Mein absoluter Traumboy liegt in meinem Bett und räkelt sich. Besser kann es doch fast gar nicht gehen.

»Sorry, wenn ich jetzt frag. Aber was war eigentlich letzte Nacht mit dir? Was hat dich so, so verängstigt?«

Genau in dem Moment wo ich den Satz ausspreche, merke ich wie Marks Stimmung schlagartig auf null sinkt. Er verkrampft plötzlich. Seine Mundwinkel hängen nach unten. Er beginnt zu zittern und in seinen Augen bilden sich Tränen, die dann über seine blasse Haut rinnen.

Ich merk sofort, dass das im Moment das falscheste war, was ich hätte machen können.

Liebevoll nehm ich ihn in den Arm und drücke in ganz eng an mich.

»Hey keine Angst kleiner. Es ist ja vorbei! Dir kann hier nichts passieren.«

Doch er will sich nur langsam beruhigen, doch ich geb ihm die Zeit und halt ihn einfach wieder im Arm und drück ihn ganz fest an mich. Unter anderen Umständen wäre dies sicherlich der Traum gewesen, aber so machte ich mir bloß noch mehr Sorgen um ihn. Da trat das andere erst mal in den Hintergrund.

Immer wieder flüstere ich ihm ins Ohr.

»Alles in Ordnung, dir kann nichts passieren, es ist ja vorbei!«

Und streiche ihm dabei sanft über den Rücken. Es ist schon komisch in so einer Situation. Man fühlt sich in so einer Situation selber hilflos und soll trotzdem Hilfe geben.

Und immer wieder sage ich: »Alles in Ordnung. Es kann dir nichts mehr passieren, du bist sicher bei mir.«

Nach kurzem Zögern frag ich dann doch:

»Wenn ich irgendetwas getan haben sollte, was dich verletzt hat oder wenn ich irgendetwas gesagt haben sollte, dann sag mir das bitte! Ich weiß nicht mehr was ich machen soll.«

Schlagartig hört Mark auf zu weinen und starrt mir erschrocken in die Augen.

Wieder kullern Tränen über seine Wangen, doch diesmal mit einem kleinen Hauch eines Lächelns.

»Du? Mir? Du sollst mir irgendetwas getan haben? Wie kommst du darauf? Du warst bisher so liebevoll zu mir. Ich müsste mich eigentlich schämen dich mit meinen Problemen zu belasten...«

»Du belastest mich nie mit deinen Problemen«, unterbreche ich ihn. »Du kannst immer mit deinen Problemen zu mir kommen, gemeinsam finden wir zusammen immer eine Lösung, na ja fast immer. Aber du belastest mich nicht. Du bist einfach nur liebenswert.«

Ich glaube ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht zu erhaschen. Zumindest scheint es so.

»Glaub mir aber, du hast nichts getan. Du warst bisher einfach nur lieb. Hast mich gehalten, nur festgehalten, als es mir schlecht ging und eben schon wieder.

Du hast mich einfach im Arm gehalten und getröstet. Dafür werd ich noch lange in deiner Schuld steh'n»

»Quatsch! Du stehst nicht in meiner Schuld. Mir würde es bloß gefallen, wenn wir Freunde werden. Du bist auf jeden Fall einer von den Menschen, die ich am liebsten nie wieder loslassen würde!«

Eine leichte Röte steigt in sein Gesicht und er lächelt mich diesmal mit seinen strahlenden Augen an. Man sieht wie sich seine Stimmung sekündlich aufhält.

Seine Wangen nehmen ein zartes Rot an und seine Hände und Haut wird wieder warm.

»Aber noch eins! Wenn du ein Problem hast und du mit jemandem darüber reden möchtest. Meine Tür steht dir immer offen. Bei mir bist du immer gut aufgehoben. Also kein Zögern komm einfach vorbei!«

Ich lächele ihn einfach an und erwarte eine Reaktion von ihm. Er drückt sich einfach an mich und sagt.

»Danke, du bist der beste. Wenn ich mal soweit bin, wirst du es als erster erfahren.«

Also ist da doch noch etwas, was ihn beschäftigt. Aber erst mal will ich seine Stimmung nicht zerstören und halte meinen Mund.

Stattdessen wische ich ihm die Tränen von den Wangen und drücke ihn noch mal ganz fest.

»So, jetzt aber genug! Wir haben sowieso nicht mehr viel Zeit. Willst du erst ins Bad oder soll ich erst? Wir müssen ja schließlich noch in die Schule und vorher noch bei dir vorbei.«

»Geh du erst mal ich brauch noch ein bisschen Zeit, um wieder zu klaren Gedanken zu kommen.!

»Ist wirklich alles in Ordnung, kann ich dich jetzt hier allein lassen?«

»Ja, alles in Ordnung, ich brauch bloß noch ein paar Momente. Geh ruhig.«

Sagte er und setzte dabei ein umwerfendes Lächeln auf. Selbst als ich merkte, dass es doch nur Fassade ist, heiterte es mich doch ein bisschen auf.

Ich suchte mir noch schnell neue Klamotten aus dem Schrank und verschwand im Bad. Während ich meine alltäglichen Dinge erledigte, ging Mark mir nicht aus dem Kopf. Ich überlegte hin und her. Was könnte der Grund sein für seinen Gefühlsausbruch.

Wenn man ihm glauben kann, und das tue ich, dann bin ich erst mal ausgeschlossen.

Was kann es denn sonst noch sein? Probleme in der Schule? Wurde er mit ausländerfeindlichen Sprüchen konfrontiert? Familiäre Probleme?

Ach du Gott. So viel Möglichkeiten und ich hab keinen Schimmer, ob eine davon nun die richtige ist. Ich mach mir einfach bloß riesig Sorgen um Mark.

Zum ersten Mal merke ich, wie es mich so richtig erwischt hat und was es heißt sich um jemanden, den man wirklich liebt, Sorgen zu machen.

Es nützt im Moment sowieso nichts groß weiter zu spekulieren. Wenn er nicht von selbst den Mund aufmacht, kann ich ihm auch nicht helfen. Ich kann ihn immer nur wieder aufmuntern, wenn es ihm schlecht geht und ihm sagen, dass er bei mir eine Schulter zum ausweinen findet und immer einen Zufluchtsort.

Auch wenn er nicht dieselben Gefühle wie ich hegt. Was doch ziemlich wahrscheinlich ist. Aber weg mit den Gedanken, jetzt muss es schnell gehen.

Als ich wieder in mein Zimmer zurück kehre, fallen mir fast die Augen aus. Da steht ein Tablett mit frisch gekochtem Kaffee und frisch aufgebackenen Brötchen und Konfitüre da. Das ist nun wahrlich eine schöne Überraschung, mit schüchternem Blick erwartet mich Mark und schaut verschüchtert auf den Boden.

»Die Überraschung ist dir echt gelungen!«

»Wirklich? Gefällt sie dir? Hab versucht dir einen kleinen Gefallen zu tun, für alles was du für mich bisher getan hast!«

Immer noch etwas verlegen und mit einer niedlichen Röte schaut er mir ins Gesicht. Als er mein breites Lächeln sieht, beginnt auch er zu lächeln.

»Hey, du musst dich nicht revanchieren, zum letzten Mal: Alles was ich für dich getan hab, war und ist freiwillig und verlangt keiner Gegenleistung außer deiner Freundschaft! Trotzdem danke, hab schon mächtig Kohldampf.«, sag ich und grinse ihn einfach nur an.

»Na dann mal los, lass es dir schmecken.«

Das lass ich mir natürlich nicht zweimal sagen. Aber natürlich esse ich nicht allein, sondern Mark ist mit. Einfach bloß traumhaft. Der warme Kaffeeduft in der Nase und im Gegensatz dazu die Süße der Konfitüre.

Göttlich.

So gut dieser Moment auch ist, irgendwann geht auch dieser vorbei und zudem mussten wir uns ja noch beeilen, damit wir noch rechtzeitig erst zu Mark und dann zur Schule, wobei mir die im Moment so ziemlich egal geworden ist, kamen.

Vielmehr interessierte mich Marks Familie. Wie sie leben. Wie sie sich benehmen. Ihren Lebensstil. Ihr Umgang untereinander. Einfach alles. Alles was es über Mark gab interessierte mich und wenn die Einzelheit noch so klein war, aber ich musste sie wissen.

Wie auch immer, kurz nachdem wir fertig gegessen hatten, verließen wir das Haus. Das Wetter draußen hatte sich zu gestern immer noch nicht verändert. Nur der Regen hatte aufgehört. Aber es nieselte immer noch, der Himmel war dunkel und wolkenbehangen und es war arschkalt. Zumindest für meinen Geschmack und es schien keine Verbesserung der Situation in Sicht.

Schon als ich das Haus verließ bekam ich einen Schock. Die Kälte schoss mir in die Glieder und ich blieb erst mal starr stehen. Mark sah das natürlich und konnte ein fettes, fieses Grinsen nicht verkneifen.

»Bist mir schon 'ne Frostbeule! Wie soll das erst werden wenn es richtig Minusgrade gibt.«

»Ach ob das nun 5°C oder –5°C sind ist mir egal, beides ist für mich einfach unerträglich. Zumindest außerhalb eines warmen Hauses.«, antwortete ich ihm mit klappernden Zähnen und er konnte sich durch dieses merkwürdige Klappern ein Lachen nicht verkneifen. Er lachte endlich wieder.

Wenigstens etwas Gutes hatte die Kälte doch endlich mal.

»Ich frag mich schon die ganze Zeit wie du das aushältst. Bei euch sind es doch Normalerweise das ganze Jahr durch nur warme Temperaturen und dann kommst du in so ein kleines, beschissenes Land gleich in den Winter. Wobei es noch nicht mal Winter ist sondern bisher nur ein kalter Herbstabklatsch?«

»Ach weißt du. Mich stört das herzlich wenig. Oftmals vermisst man so ein Wetter bei uns. Wenn es das ganze Jahr über schön ist, lernt man nicht zu schätzen was man hat. Für einen ist es das Normalste der Welt, dass man morgens schon von den ersten warmen Strahlen der Sonne geweckt wird. Zudem finde ich so ein Wetter manchmal richtig angenehm. Stell dir vor dir geht's mal nicht gut, ich mein jetzt nicht körperlich sondern einfach so ein seelisches Tief, und alles um dich herum ist fröhlich, eitel Sonnenschein. Das reist dich bloß noch tiefer in dein Loch.«

»Versteh ich, so gesehen schon ganz OK. Trotzdem hätte ich hier lieber ein paar mehr Sonnentage im Jahr. Wie zum Beispiel jetzt. Es muss ja nicht gleich Sommer sein. Aber wenigstens ein paar Lichtstrahlen, die das graue Gemisch durchstoßen.«

»Klar, aber im Moment hab ich doch lieber dieses kalte, graue Depri-Wetter.«

Es scheint mal wieder, als wenn das Wetter genau in die Stimmung von Mark hineinpasst. Also scheint ihn doch was zu bedrücken.

Ich mach mir schon wieder über ungelegte Eier Sorgen. Was soll denn das?

Schluss. Aus. Jetzt ist genug. Wenn er mir was sagen will, wird er schon was machen.

So gingen wir die ganze Zeit nebeneinander her. Immer wieder versuchend den Pfützen auszuweichen und den Autos, die den Moder hochspritzen, auszuweichen.

»Kennst du eigentlich schon andere Leute hier? Oder sind ich und Dirk die einzigen? Ich mein jetzt nicht allgemein Menschen, sonder Leute in unserem Alter.«

»Ganz ehrlich gesagt nur euch beide, zum Glück.«

»Wieso zum Glück?«

»Zum Glück ganz einfach aus dem Grund, dass ich euch oder besser gesagt dich so genau kennen gelernt habe, was sonst vielleicht nicht ganz so eng passiert wäre.«

Ich sehe in sein Gesicht. Auf seiner Stirn bilden sich kleine Fältchen. Es scheint als versucht er krampfhaft über etwas nachzudenken und eine Antwort zu finden.

»Hey, woran denkst du?«

»Ach gar nichts. Nicht so wichtig.«, versuchte er mich abzuwimmeln, aber ich lasse natürlich nicht locker.

»Nu komm schon ich seh' doch, dass du an irgendwas gedacht hast.«

Er zögert noch einige Momente doch dann beginnt er leise zu sagen:

»Ach, es ist nur so. Ich frag mich schon die ganze Zeit, wie du es mit mir nur aushältst. Ich bin doch nun wirklich nicht die Stimmungskanone, wie Dirk oder die andern aus der Klasse. Ich bin doch eher der ruhige, zurückgezogene, einfache Typ, der nichts besonderes macht, der eigentlich nur so vor sich hin lebt.«

Ich bleibe diesmal stehen und nehme seinen Kopf in beide Hände.

»Hey, sieh mir in die Augen und dann sag mir, ob du gelangweilte Augen siehst. Du bist kein Langweiler und kein uninteressanter Mensch. Du bist eine der besten Gaben, die Gott, falls es ihn geben sollte, erschaffen hat. Du hast vielleicht bloß noch Probleme, weil du neu bist, aber du bist absolut kein langweiliger Typ. Sicherlich, du bist nachdenklich, ruhig und eher zurückgezogen. Aber dafür kann man dir nichts vorwerfen. Wer sagt dir, dass ich nicht genauso bin? Das ich nicht genauso «langweilig» bin wie du? Vielleicht mag ich auch Langweiler.«

Nach kurzer Pause fahre ich fort.

»Ich hätte nie gedacht, dass es so etwas gibt, aber ich will dich nie mehr missen. Selbst nach so kurzer Zeit hab ich ein solches Vertrauen zu dir, dass ich sagen würde, dass du mein bester Freund bist. Sorry wenn das übereilt ist. Aber in den letzten Stunden bist du mir einfach ans Herz gewachsen.«

Ich lasse seinen Kopf wieder los, senke meinen Blick und gehe weiter.

Er braucht erst noch einen Moment um zu verstehen, was da eben abgelaufen ist.

Nur schwer begreift er, was da eben passiert ist. Aber irgendwie gelingt es ihm doch, sich aus seiner Starre zu befreien und weiterzugehen.

Ich bin selber über mich erstaunt. Hab ich das da eben wirklich gesagt? Und das zu ihm. Denjenigen, den ich so gerne wieder im Arm halten würde, doch diesmal nicht um ihn zu trösten, sondern um ihm all meine Liebe zu geben.

Hab ich das eben wirklich selber gesagt?

In dem Moment war ich geschockt von mir selber. Kaum anders erging es Mark, der stillschweigend neben mir her geht. Keiner spricht ein Wort. Es liegen Spannungen in der Luft, die kaum hätten größer sein können.

Keiner traut sich das Wort zu ergreifen.

Der erste der das Schweigen brach war diesmal nicht ich, sondern Mark, der diese Stille einfach nicht mehr auszuhalten schien.

»Danke, aber wofür hab ich das Kompliment eben verdient? Du kennst mich doch kaum und wenn, wie meinst du das? Wieso sagst du so was zu mir?«

Oh man, dachte ich nur, wieso muss mir das gerade jetzt passieren, da lern ich schon so einen netten Kerl kennen, der kann dann auch noch zu einem meiner besten Freunde werden, wenn ich ihn auch lieber zu meinem Freund hätte. Aber ich vermassle es. Eine Beziehung zu ihm war von Anfang an ohne Chance, aber ich muss natürlich auch noch eine Freundschaft aufs Spiel setzen.

»Vergiss es einfach, was ich eben gesagt habe. Du bist mir einfach bloß wichtig, mehr wollte ich nicht damit sagen.«

Antwortete ich ihm leise und schaute dabei auf meine vom Schlamm verdreckten Schuhe. Ich konnte ihm in diesem Moment einfach nicht in die Augen schauen. Mir war die Situation einfach bloß peinlich. Am liebsten, wäre ich bloß noch schnell davon gelaufen. Ich wollte einfach nicht mehr.

Anscheinend ging es Mark genauso. Er sagte kein Wort mehr und starrte genauso auf seine Schuhe. Die Spannung zwischen uns war am brodeln. Doch es war keine angenehme Spannung. Vielmehr waren wir wie zwei Magnete, die gleich Gepolt waren, die sich in dem Moment also abstießen. Sie wollten nicht miteinander reden. Sie wollten einfach bloß weg. Aber irgendeine Kraft hielt sie zusammen.

Zum Glück wurden wir schnell aus unserer Situation befreit. Nur wenige Minuten später erreichten wir Marks Haus. In seiner ganzen Pracht erhob es sich vor mir. Es war ein altes Haus, komplett in Weiß gehalten. Es schien gar nicht typisch europäisch zu sein. Es hatte mehr die Form der US-amerikanischen Südstaaten Häuser. Also mit großem und breitem Vorbau, der größte Teil in Holz gehalten. Auf der Veranda stand ein großer, schwerer Schaukelstuhl und der Garten bestand aus einer riesigen Rasenfläche, die immer noch grünte, da bisher kein Frost eingesetzt hatte, verzweigten Wegen und einem kleinen Teich.

Wieso war mir das Haus vorher nie aufgefallen. Bin ich blind durch die Gegend gelaufen oder wollte ich es einfach nicht sehen. Ich denke eher ich war einfach blind.

Aber wie konnten sich die ein so prächtiges Haus leisten. Es war einfach bloß atemberaubend schön. Meine Eltern verdienen schon überdurchschnittlich gut, aber selbst so etwas hätten sie sich nicht leisten können.

Bei diesem Anblick war unser Gespräch von vorhin erst mal in den Hintergrund getreten. Auch Mark merkte wie fasziniert ich war. Er setzte ein Lächeln auf und meinte nur.

»Ist wohl nicht so gewöhnlich hier in Deutschland. Aber anscheinend scheint es dich zu beeindrucken.«

»Natürlich beeindruckt es mich. Das ist eines der wunderschönsten Häuser der ganzen Stadt, meiner Meinung nach. Es ist einfach bloß, bloß ... Ach da fehlen einfach die Worte. Fantastisch wäre noch untertrieben.«

Das Lächeln auf seinem Gesicht wurde immer breiter und größer. Er schien doch stolz auf dieses Haus zu sein. Auch wenn es bloß seinen Eltern gehörte.

»Nun komm erst mal rein. Drinnen kannst du noch mehr sehn.«

Dies ließ ich mir nicht zweimal sagen. Schnell schritten wir zur Tür und mit ein paar Handgriffen hatte Mark diese geöffnet und hielt sie mir wie ein Butler auf.

Mit großen Augen trat ich ins Haus hinein. Und wirklich er hatte nicht zu viel versprochen. Innen war es noch schöner als von draußen. Es gab nicht wie in Deutschland einen großen weiten Flur, von dem aus alle Zimmer abgingen. Nein man stand direkt im Wohnzimmer.

Falls man dieses noch als Zimmer bezeichnen konnte. Es umfasste nahezu die Hälfte des Grundrisses des Hauses. Das Wohnzimmer war direkt mit der Küche verbunden ohne irgendeine Tür dazwischen, irgendwie typisch amerikanisch.

An der Wand war ein mächtiger Kamin, auf dem Familienfotos standen. Natürlich eins von Mark, seiner jüngeren Schwester und seinen beiden Brüdern und, um sie nicht zu vergessen, natürlich seine Eltern.

Über dem Kamin hing ein andächtiges Ölgemälde einer alten Dame.

»Das ist mein Urgroßmutter. Sie hatte sich damals in Öl verewigen lassen. Sie war schon eine Schönheit, oder.«

Als wenn er meine Gedanken gelesen hat, erzählte er mir dieses. Er schwärmte richtig von ihr, als wenn er sie vergötterte und sie sein Vorbild war. Vielleicht ist sie das auch. Sie ist richtig schön, für eine Frau, und sie machte einen wirklich stolzen Eindruck. Ein imposantes Gemälde.

In der Mitte des Zimmers hing ein großer Kronleuchter.

Ihr kennt so welche sicherlich. Das sind solche, die komplett nur aus Glas oder Kristall bestehen und die mit mehreren Glühbieren betrieben werden.

In der Mitte stand eine riesige, typisch für amerikanische Verhältnisse, kitschige Couch, auf der gut 8 Leute Platz fanden. Davor stand ein kleiner untersetzter Couchtisch, mit einem Stapel Zeitungen drauf. An der Wand stand ein riesiger Flatscreen. Zudem gab es noch ein großes Bücherregal, man muss ja einen auf gebildet machen, auch wenn man selber nie eines der Bücher gelesen hat.

Ich stand einfach da, mitten in der Tür und war einfach von den Impressionen geflushed. Auch Mark merkte das. Er grinste mich an und schob mich einfach ein Stück weiter ins Haus, damit er selber hineintreten konnte und die Tür hinter mir schließen konnte.

»Mom? MOM? Bist du noch da?«

Erst einmal keine Reaktion, aber plötzlich hörten wir Schritte aus dem ersten Stockwerk kommen.

»Mark, bist du es?«

Eine Frau Ende dreißig kam die Treppe hinunter. Sie war schlank, hatte lange blonde Haare und einen dicken Schmollmund. Sie war nur mit einem Bademantel bekleidet so wie es schien. Dies muss wohl seine Mutter sein.

»Hi Mom. Darf ich dir vorstellen, das ist Steffen. Bei ihm hab ich heute übernachtet. Er wollte mich einfach nicht in den Regen raus lassen!«

Nach einer kleinen Pause.

»Und Stef, wie du bereits gedacht hast: das ist meine Mom. Die Frau, die mich zur Welt gebracht hat und zu dem erzogen hat, was ich heute bin.«

Ach ne, hätte ich jetzt gar nicht gedacht.

»Hi Steffen.«

»Hallo, nennen Sie mich lieber Stef. Steffen klingt einfach bloß ... na ja egal, lieber Stef!«

»Ok, dann nennst du mich aber auch Andy. Einverstanden. Bitte nenn mich nicht Frau Kerr, da fühl ich mich einfach so alt. Abgemacht.«

»Einverstanden.«

Jetzt griff Mark wieder ein.

»Mom, ich geh mal schnell nach oben und mach mich für die Schule bereit. Wir haben nur noch wenig Zeit. Wäre mir lieb, wenn du dich um Stef so lange ein bisschen kümmern würdest.«

Gesagt und schon war er die Treppe hoch verschwunden und wir standen alleine da.

»Ach und du bist also ein neuer Freund von Mark?«

»Ob neuer Freund richtig ist, weiß ich selber nicht, da müssen Sie ihn schon selbst fragen, mir wäre es zumindest sehr recht.«

»'Da müssen Sie ihn schon selber fragen'? Ich dachte wir wären beim Du?«

»Ok, Ok! Dann musst du ihn selber fragen!« Bei diesem Satz konnte ich mir einfach ein Grinsen verkneifen. Selbst Andy, klingt komisch die Mutter eines Freundes beim Vornamen zu nennen, konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.

»Freut mich aber richtig, dass er schon so schnell Anschluss bei jemandem gefunden hast. Du musst verstehen in San Diego war er eher ein Außenseiter, bis auf seine beste Freundin hatte er kaum Kontakt zu gleichaltrigen und schloss sich die meiste Zeit in sein Zimmer ein.«

Nach einer kurzen Pause setzt sie weiter ein. »Wir sind nicht nur wegen dem Job meines Mannes umgezogen. Der zweite Grund lag vor allem darin, dass wir Mark aus seinem Umfeld herausziehen wollten. Er zog sich von Tag zu Tag immer mehr zurück. Es war einfach nicht mehr mit ansehbar wie er sich selber herunter richtete und da sahen wir nur noch eine Lösung: Wir sind aus San Diego weggegangen und bauen uns hier in Deutschland ein neues Leben auf. Ich hoffe du verstehst jetzt unsere Hintergründe und bitte behalte dieses für dich. Mark selber weiß nichts davon und so soll es auch bleiben, es würde ihn vielleicht bloß verletzten. Keine Ahnung wie er darauf reagieren würde und ich will es gar nicht wissen.«

Das sind ja ganz neue Einsichten in Mark. Also scheint doch mehr dahinter zu sein. Ob das von gestern Nacht irgendetwas hiermit zu tun hat? Was ist das Geheimnis?

»Es geht kein Wort über meine Lippen, versprochen!«

»Danke, ich hoffe ich hab dich jetzt nicht allzu sehr verwirrt? Aber ich wollte dir bloß sagen, dass Mark ab und zu etwas komisch reagieren kann.«

In diesem Moment kommt Mark die Treppe hinuntergestürzt. Mit frischen Klamotten und einem erfrischenden, umwerfenden Lächeln.

»Los Stef, komm. Nur noch wenig Zeit. Komm beeil dich.«

Auf einmal machte er einen auf Hektik. Na ja, mir war's nur recht.

»Ok, dann dampft mal ab und viel Spaß in der Schule.«

»Wenn es da Spaß geben sollte, was ich aber bisher noch nicht mitbekommen habe, werden wir ihn schon haben. Nett mir Ihnen .... Ähm sorry, mit dir geredet zu haben.«

Beim letzten Satz musste ich wieder grinsen.

Schnell verabschiedeten wir uns und waren dann schon wieder verschwunden.

»Na, was für Schandtaten und Lügen hat dir meine Mutter über mich erzählt?«, fing Mark an mich auf dem Weg auszuquetschen. Da hatten wir es mal wieder, was sollte ich jetzt sagen? Die Wahrheit ging ja schlecht.

»Ach nichts wichtiges, einfach nur Smalltalk. Du weißt ja, was machst du so? Wie geht's in der Schule? Sie wollte noch wissen, wie du dich in der Schule eingelebt hast etc. Ganz einfach, ein kleiner oberflächlicher Smalltalk. Kennst du sicherlich.«

Eigentlich lüge ich nur ungern, aber ab und zu muss man doch zu einer kleinen Notlüge greifen.

»Dann weiß sie ja mehr wie ich über dich.«, grinste er mich an.

»Wieso denn das?«

»Naja, wir haben bisher immer bloß über mich gesprochen, falls du dich entsinnen kannst. Richtig viel hab ich noch nicht von dir erfahren.«

»Das werden wir schon noch nachholen, wenn du willst natürlich.«

»Wieso sollte ich nicht wollen? Natürlich will ich. Aber jetzt erst mal nicht, wir haben nur noch ein paar Minuten, dann beginnt schon Reli.«

Womit er natürlich recht hatte. So liefen wir so schnell wie möglich zur Schule. Doch es kam wie es kommen musste. Wir kamen natürlich zu spät. Zum Glück nur ein paar Minuten zu spät. Das wäre auch Ok gewesen, bei jeder anderen Stunde aber nicht in Reli. Wir haben eine richtige fiese Qualle als Lehrerin. Wobei Qualle auch bildlich zu verstehen ist. Auf jeden Fall ist es die typische Reli-Lehrerin. Sie behandelt einen egal wie alt man ist, wie ein kleines Kind und versucht einen immer noch zu erziehen.

Kaum standen wir im Raum, kam auch schon ihre aufdringliche, nerv tötende Stimme.

»Na, wo bleiben die drei Sachen?«

»Entschuldigen Sie Frau Lorenz, dass wir zu spät kommen. Wir haben leider verschlafen.«

»Gut danke, natürlich nicht gut, dass ihr verschlafen habt, aber gut, dass mein Einfluss doch noch was erreicht hat.«

Zur Erklärung, die drei Dinge die sie verlangt, wenn man zu spät kommt, und handelt es sich dabei nur um ein paar Sekunden, sind: 1. Die Begrüßung. Entweder »Guten Tag.«, »Guten Morgen.« oder ähnliches. 2. Eine Entschuldigung und 3. der Grund für das Zuspätkommen. Ich konnte ihr jetzt schlecht erklären, dass gestern und heute der Tag einfach nur ungewöhnlich, im Vergleich zu anderen Tagen, abgelaufen ist. Das hätte für nur noch mehr nervigen Kram gesorgt. Und da war die übliche Ausrede, man hätte verschlafen, doch die beste.

Wobei in dem Moment war ich mir nicht mehr ganz so sicher als ich in Dirks Gesicht sah. Das sprach Bände.

»Nun gut, setzt euch!«, sprach Frau Lorenz und wir folgten der Anweisung.

Wir saßen genau wie gestern. Erst ich, dann Dirk und neben ihm Mark.

Kaum saß ich, fing Dirk auch schon an zu sticheln.

»Na warum habt ihr denn verschlafen? War die Nacht so anstrengend, dass ihr euch erholen musstet und warum seid ihr beide eigentlich gleichzeitig hier aufgetaucht?« Dirk setzte ein fieses Grinsen zu dem noch auf.

»Es ist gar nichts passiert. Was du schon wieder denkst. Gestern war es einfach zu spät und das Wetter, falls du dich dran erinnern kannst, war nicht grad das Angenehmste, was es gibt. Da konnte ich Mark schlecht durch den Regen nach Hause schicken. So hab ich ihn gezwungen bei mir zu übernachten.«

»So, so. Du hast ihn gezwungen bei dir zu übernachten?« Sein Grinsen wurde immer breiter und immer fieser.

»Falls du es genau wissen willst. Er ist in meinem Bett eingeschlafen und ich hab die Couch genommen.«, versuchte ich Dirk zu beschwichtigen. Was natürlich nichts half. Und den Rest der Wahrheit behalte ich natürlich für mich. Das hätte für ihn nur neues Futter zum Sticheln gegeben. Also beließ ich's dabei und nahm sein Grinsen hin.

Und schon fuhr Frau Lorenz fort im Stoff.

»Heute machen wir mal wieder eine Diskussion.« Und noch während sie das sprach öffnete sie die Tafel, auf der ein Satz stand, bei dem mir fast die Augen ausgefallen wären.

--- SCHWUL EINE SÜNDE, EIN VERBRECHEN ODER EINFACH BLOSS EINE DER GRAUSAMSTEN KRANKHEITEN ---

Dies stand in großen Lettern, mitten über die Tafel geschrieben.

Schon als ich den Satz las, wurde mir klar, dass ich diese Stunde nicht einfach so überleben werde.

»Und wie denkt ihr dazu?«, stellte sie jetzt die Diskussion in die Klasse gerichtet. Und auch schon gingen die ersten Finger nach oben. Natürlich wie nicht anders zu erwarten von den konservativsten Christenanhängern in unserer Klasse. Zum Glück gab es davon bloß 2 oder 3 Mann. Eigentlich ein normaler Durchschnitt, aber als ich hörte, was die von sich gaben wurde mir schlagartig schlecht und ich wusste genau, dass es nur noch Momente dauern würde, bis ich explodiere.

»Ganz klar ist es ein bisschen von allem. Nicht umsonst hat Gott uns Untertanen eine Art Schlüsselsystem gegeben, was ineinander passt. Aber dann gibt es ja leider Homosexualität.«

»Absolut Richtig Thomas, wozu hätten wir sonst diese beiden Teile die perfekt ineinander passen? Und was glaubst du Sebastian?«

»Einerseits würde ich behaupten ist es eine Sünde, ganz klar. Warum sollte man Sex haben, wenn nicht zum Zeugen von Kindern und welchen Zweck hat Analverkehr? Andererseits muss es eine Krankheit sein, denn wie kommt man denn sonst auf die Idee mit dem eigenen Geschlecht Sex zu haben? So etwas kann nur in einer Art Wahnzustand entstehen. Also so etwas wie einer Krankheit. Doch leider ist diese Krankheit nicht heilbar.«

Mir kommt bei solchen Aussprüchen bald das blanke Kotzen.

Genau dies schien auch Dirk zu merken, er wusste ja, dass ich selber schwul bin, und legte mir seine Hand auf die Schulter.

»Bleib ruhig, es bringt nichts, sich darüber aufzuregen. Es hilft gar nichts, du reitest dich in bloß noch größere Probleme rein.«, flüsterte er mir ins Ohr.

Vorerst hat Dirks Bemühung noch etwas Wirkung, doch dann spricht Frau Lorenz genau mich an.

»So und was meint unser Herr Neumann dazu?«, fragt sie und setzt ein hinterhältiges Lächeln auf.

Man muss dazu wissen, dass das Verhältnis zwischen mir und Frau Lorenz schon lange nicht das Beste ist, wie ihr schon bemerkt haben müsstet. Das liegt vor allem darin, dass ich nicht der potentielle Ja - Sager bin. Bei mir wird oftmals heftigst gestritten und das nicht gerade auf die sanfte Tour.

So hab ich schon einmal versucht im Reli - Unterricht den Vergleich zwischen Hitler und der Abendländischen Kirche herzuleiten. Doch sowas wird ja sofort abgeblockt. Kirche und Nationalsozialismus. Zwei Welten die nicht zueinander passen und überhaupt nichts miteinander zu tun haben. So wurde ich damals abgewürgt. Doch meiner Meinung nach gibt es genug Parallelen zwischen beiden. Doch dies ist nicht das Thema im Moment sonder Homosexualität.

»Haben Sie schon mal daran gedacht, dass es weder das einen noch das andere ist, was sie da vorne an die Tafel geschrieben haben? Kann es nicht ganz einfach sein, dass es auch normale Menschen sind, die halt ihren Trieb anders befriedigen, als ein Großteil der Menschheit?«

Ich versuche erst mal auf der sachlichen Ebene und vor allem höflich mit ihr umzugehen. Doch sie versucht erst gar nicht, irgendetwas davon aufzunehmen.

»Das ist doch nicht dein Ernst? Homosexualität und normal? Wo gibt's denn so was? Welchen Zweck soll denn eine solche «Lebensgemeinschaft» haben?«

»Schon mal daran gedacht, dass sie im Moment einen Großteil, nämlich so etwa 10% der Erdbevölkerung diskriminieren und beleidigen?

Sie unterstellen ihnen grade, dass sie abnormal und krank sind?

Sie reduzieren sie allein auf ihre sexuelle Orientierung und nicht auf das wahre im Menschen.»

»Erstens bezweifle ich, dass wirklich 10 % der Erdbevölkerung homosexuell ist, da meiner Meinung nach gut 90 % dieser Personen einfach einen auf homosexuell machen, weil es gerade in Mode ist. Und der Rest ist dann so wenig, dass man diesen Anteil schon als eine Krankheit bezeichnen könnte.«

So langsam reist mir aber wirklich der Faden. Homosexualität und ein Modetrend.

»Das ist doch der größte Schwachsinn, den ich je gehört habe. Wieso soll Homosexualität ein Modetrend sein?«

»Wieso gab es denn vorher nicht diese große Anzahl an Schwuchteln und Lesben? Wieso tritt dieses Phänomen erst in den letzten Jahren immer verstärkter auf?«

»Als Lehrerin müssten sie eigentlich wissen, dass Homosexualität schon zu Zeiten Christi und vorher als völlig normal und legitim galt. Und außerdem fällt es ihnen bloß auf, weil auf einmal Schwule, keine Schwuchteln, und Lesben einfach offener leben können, weil sie endlich mit vom Staat geschützt werden.

Noch zu Hitlers Zeiten wurden sie verfolgt, in KZs gesperrt, dort zu Grunde gerichtet und schließlich ließ man sie elendig krepieren.

Nicht besser ging es zu DDR-Zeiten zu. Dort wurden sie genauso verfolgt, eingesperrt und oftmals hingerichtet oder verkauft. ‚In einem sauberen Staat gibt es ja so was nicht, das ist eine Krankheit der Kapitalisten!‘, wurde behaupet.»

»Und wieso hat Gott uns dann diese Art von Schlüsselsystem gegeben?«

»Sie können es ruhig beim Namen nennen, man nennt das männliche Geschlechtsteil Penis oder im Volksmund Schwanz, Luststab, Schwengel etc. oder das weibliche Geschlechtsteil Scheide oder im Volksmund Lustdelta, Liebesdreieck oder ähnliches.«

Unsere Lehrerin bekommt bei diesen Worten schon fast einen Herzinfarkt.

»Und desweiteren ist Sex nicht ausschließlich da, um sich fortzupflanzen, sondern auch der Triebbefriedigung. Wenn bei jedem Sex ein oder mehrere Kinder entstehen würden, wäre unsere Erde schon vollkommen von Menschen übervölkert. Sex hat bei den Menschen viel mehr, es ist nicht wie bei Tieren reiner Vorpflanzungstrieb, es ist vielmehr eine Art seine Liebe dem Partner mitzuteilen. Ihm oder ihr zu zeigen, wie lieb man sie hat, dass man nicht ohne sie leben kann. Und dieses Gefühl kann es auch zwischen Jungs oder Mädchen geben.«

Unsere Lehrerin kommt so langsam ins stocken, aber eines legt sie noch nach, aber diesmal verfällt sie auf ein ziemlich beleidigendes, flaches Niveau.

»Und warum hat Gott dann diese Perverslinge mit HIV bestraft?«

»Zum ersten sind es keine Perverslinge. Laut Definition ist etwas pervers, wenn jemand oder etwas zu etwas gezwungen wird, was er selber nicht will und was ihm Schmerzen bereitet und menschenunwürdig ist. Und zum zweiten eine andere Frage: Wieso werden auch heterosexuelle Paare mit Syphilis und Hepatitis B ‚bestraft', wenn man von einem Gott überhaupt sprechen kann.«

Jetzt beginnt Frau Lorenz aber völlig vom Thema abzuschweifen und wird nur noch beleidigend.

»Manchmal wünsch ich mir die Zeiten zurück, als diese Arschficker für ihre Perversion bestraft wurden. So leiden nicht nur sie, wie es eigentlich beabsichtig war, sondern auch normale Menschen an AIDS. Ich versteh nicht wie eine so weit entwickelte Gesellschaft, so etwas perverses tolerieren und vor allem akzeptieren kann.«

Arschficker? Hatte die Frau wirklich Arschficker gesagt? Jetzt war wirklich genug. In diesem Moment bin ich einfach bloß explodiert, selbst Dirk konnte mich nicht mehr zurückhalten.

»Es reicht, so etwas geht doch auf keine Kuhhaut. Arschficker ist einfach bloß noch eine Beleidigung und dass sie normale Menschen bloß wegen ihrer sexuellen Orientierung einsperren und liquidieren wollen ist einfach bloß 'ne Frechheit und sogar verfassungswidrig.«

Plötzlich kommt aus einer anderen Ecke der Klasse, von einem typischen Großmaul und Christen – Fan:

»Ist ja klar, dass so was nur von einer Schwuchtel selbst kommen kann. Mark nimm dich lieber in acht, bevor der Arschficker dich noch begrapscht.«

Auf Frau Lorenz Gesicht und auf des Schülers Gesicht entstehen boshafte Lächeln. Mir klappt bloß noch die Kinnlade herunter und es entstehen Tränen in meinen Augen. Mit lauter Stimme schreie ich bloß noch.

»Entweder Sie entschuldigen sich jetzt bei allen und nehmen Ihre Aussagen zurück oder Sie haben einen Arschficker weniger in der Klasse!«

»Wieso sollte ich mich entschuldigen. Dir ist doch klar, dass Arschficker bei mir sowieso nur schlechte Karten haben und kaum Chancen haben besser als mit 5 das Jahr zu beenden.«

Sie grinst mich nur noch an. Doch bei mir ist endgültig der Faden gerissen. Ich werfe ihr nur noch an den Kopf:

»Sie fette Sau sollten erst mal in den Spiegel schauen, vielleicht ist Hässlichkeit auch 'ne Krankheit, dann wären sie der erste Anwärter auf den besten Therapieplatz!«

»Raus du dumme Schwuchtel, sonst setz ich dich eigenhändig vor die Tür und du brauchst deinen Schwuchtelarsch hier nie wieder her bewegen. Du bist hier nicht mehr erwünscht.«

Kein anderer im Raum sagt ein Wort. Ich bin so ziemlich enttäuscht. Ich dachte wenigstens junge Menschen wären so weit, mit Homosexualität umgehen zu können.

Dicke Tränen laufen mir über die Wangen.

Nach einigen Sekunden antworte ich nur noch mit tränenerstickter Stimme:

»Keine Angst, mein Schwuchtelarsch kann sich von selbst hier raus bewegen und wird sich hier auch nie wieder blicken lassen, solange es solche Kranken wie sie hier noch gibt!«

Ich krall mir meine Tasche unter den Arm und verlasse so schnell es geht das Zimmer. Als ich hinter mir die Tür ins Schloss knallen lasse, brauche ich erst einen Moment. Mein Kopf scheint leer und die Zeit schein stehen zu bleiben.

Wie in Trance laufe ich durch die Gänge des Schulgebäudes.

Die Welt um mich herum nehme ich nur noch verschwommen war.

Als ich das Gebäude verlasse bemerke ich, dass es in Strömen regnet, doch im Moment ist mir so ziemlich alles egal.

Ich gehe einfach gerade aus, direkt der Nase nach. Der Regen läuft mir über den Kopf und durchnässt meine komplette Kleidung. Doch mir ist alles egal.

Irgendwie gelange ich in den Park. Dort setze ich mich auf eine Bank und stütze den Kopf in die Hände. Meine Tränen beginnen nur so zu fließen. Meine Welt steht Kopf.

Ist dies eben wirklich geschehen? Hab ich das wirklich eben erlebt?

Oder ist es bloß ein schlechter Traum?

Das kann es nur sein. Es ist ein Alptraum und gleich wache ich auf. Ich muss aufwachen. Warum wache ich nicht auf? Ist dies wirklich geschehen?

Das kann doch nicht sein. Ich muss träumen. Warum wache ich nicht endlich auf, wieso erlöst mich keiner hieraus.

Immer mehr wird mir klar, dass ich nicht träume. Es ist wahr. Es ist passiert.

Bloß wieso hat mir keiner geholfen. Ist Homosexualität doch eine Krankheit, eine Abart die von den anderen nicht akzeptiert wird. Wieso hat mir keiner geholfen? Ist diese Welt doch nur von Intoleranz bevölkert?

Der Regen wird immer stärker. Ich bin schon nass bis auf die Haut. Meine Lippen verfärben sich violett vor Kälte, doch im Moment kann ich nichts davon fühlen. Ich kann mich selber nicht fühlen.

Wirre Gedanken durchdringen meinen Kopf. Es will kein einziger klarer Gedanke entstehen und die Tränen rollen mir über die Wangen.

Plötzlich durchzuckt mich ein Blitz und schlagartig hören die Tränen auf.

Mir kommt nur ein Gedanke. Was ist mit Mark?

Was denkt er jetzt von mir? Glaubt er, ich hab ihm nur geholfen, um mich an ihn ranzumachen? Findet er mich jetzt auch abartig und pervers?

Will er überhaupt noch etwas mit mir zu tun haben?

Wie soll ich ihm jetzt gegenübertreten?

Ich hab keine Ahnung und plötzlich verkrampft sich mein Herz. Mich durchfährt ein fürchterlicher Stich und meine Tränen setzten wieder ein, viel stärker als zu vor.

Mein Gesicht ist blass vor Kälte. Meine Zähne beginnen zu klappern.

Meine Augen sind leer und traurig. Mein Geist ist wirr.

Meine Fingernägel sind blau vor Kälte und die Knochen der Finger malen sich ab. Ich zittere am ganzen Körper.

Das Wasser läuft mir von der Nase. Meine Haare, meine Kleidung, alles ist nass, doch ich bleibe auf der Bank sitzen.

Meine Glieder verweigern ihren Dienst. Ich kann an nichts anderes mehr denken als an Mark und wie er reagieren könnte.

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