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Dark Past
Teil 3
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Informationen
- Story: Dark Past
- Autor: Chris
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Drama, Coming Out, Lovestory
Der eisige Regen fällt vom Himmel, doch ich bewege mich nicht und sitze mit dem Kopf in den Händen versenkt auf der Parkbank.
Plötzlich merke ich wie neben mir eine Gestalt auftaucht und sich zu mir setzt.
»Hey Stef. Was machst du hier. Du wirst dich noch umbringen in dieser Kälte!«
Es ist Dirk. Er setzt sich zu mir auf die Bank und legt einen Arm um meine Schulter.
Er kommt dicht an mein Ohr und flüstert leise:
»Hey, alles wird wieder gut. Du kannst dir nichts vorwerfen. Das war echt hart was die fette Qualle von sich gegeben hat ... Hey komm. So schlimm ist es nun auch nicht. Na und nun weiß halt jeder, dass du schwul bist, aber du hattest doch bisher keine Probleme und wirst auch in Zukunft keine damit haben.«
Plötzlich fange ich wieder an zu weinen. Doch dieses Mal stärker als vorher. Über mein Gesicht fließen mehr Tränen als Regentropfen, leise schluchze ich.
Sanft nimmt er mich in den Arm und drückt mich an sich.
»Hey komm schon, auf die paar Idioten, die dich ab jetzt dumm anmachen werden, kannst du auch getrost verzichten. Das sind und waren schon vorher nur Arschlöcher ... Es wird schon wieder, die meisten haben positiv oder zumindest neutral auf dich reagiert, mehr kannst du nicht verlangen!«
Doch meine Tränen lassen nicht nach. Sie werden sogar noch stärker.
Mit tränenerstickter Stimme beginne ich leise zu schluchzen.
»Aber was ist mit Mark. Wie wird er reagieren. Er hatte bisher nicht die Gelegenheit mich kennen zu lernen, und ich weiß nicht wie ich mich ihm jetzt gegenüber verhalten soll. Du hast selber gemerkt, dass es mich vom ersten Moment an, als ich ihn gesehen habe, erwischt hat.
Was soll ich ihm jetzt sagen? Was soll ich machen, wenn er sich angeekelt, angewidert fühlt und mich abstößt?»
Nach einer kurzen Pause mache ich weiter.
»Was soll ich machen. Er ist in den USA aufgewachsen und die sind dort viel prüder und nicht so offen wie die Europäer. Ich weiß einfach nicht was ich machen soll! Es hat mich einfach total erwischt.«
Ich lehne mich an Dirk und vergrabe mein Gesicht in seiner Schulter.
In dem Moment wird mir klar, was für einen Freund ich in Dirk habe. Nicht jeder würde erstens die Homosexualität des besten Freundes akzeptieren und zweitens würde kaum einer mit diesem Wissen auch noch weiterhin so zärtlich mit ihm umgehen.
Dirk tröstet mich, wenn es mir dreckig geht und wenn es so schlimm ist, kann ich mich sogar an seiner Schulter ausweinen. Er schenkt mir in solchen Fällen einfach nur Geborgenheit, die ich sonst nirgends ein zweites Mal gefunden habe.
Natürlich geb ich dieses alles zurück, wenn es ihm dreckig geht. Ich nehm ihn in den Arm, wenn er weint, ich spende tröstende Worte und ich lasse ihn einfach weinen, wenn er will und halte ihn dabei nur fest und gebe Geborgenheit.
Mir wird mal wieder schlagartig klar, dass ich nichts oder zumindest viel weniger wäre ohne Dirk und dass ich es nie so weit gebracht hätte. Er ist der Freund, den ich nie im Leben missen möchte.
Ja, ich liebe Dirk, aber nicht wie jemanden, mit dem ich alles Teilen möchte, bis zum Bett.
Ich liebe ihn wie einen besten Freund, wie jemanden, ohne den man nicht leben kann, aber mit dem man auch nicht das Bett teil.
Langsam und sanft streichelt er mir über den Rücken.
»Hey, alles ist wieder gut. Dir wird keiner mehr etwas tun. Wenn ja, bekommt er es mit mir zu tun ... Du weißt ich bin immer für dich da.«
Ich habe immer noch mein Gesicht in seiner Schulter vergraben und so langsam versiegen die Tränen.
»Ich werd jetzt aber geh'n.«
Blitzartig schnellt mein Kopf hoch. Damit hab ich jetzt gar nicht gerechnet. Wieso will er jetzt geh'n? Erstaunt schau ich ihn an.
»Es gibt noch jemanden, der mit dir reden will. Aber das musst du allein hinter dich bringen. Dabei kann dir keiner helfen.«
Es wird doch nicht etwa ...? Nein bitte jetzt nicht!
Dirk bemerkt meine Gedanken und antwortet nur knapp.
»Da musst du alleine durch, er wird dich schon nicht umbringen. Es wird vielleicht schwer. Aber dann hast du wenigstens Gewissheit.«
Erst jetzt bemerke ich, dass nur ein paar Meter von der Bank entfernt eine Gestalt steht, die verlegen auf ihre Füße schaut.
»Ich werd' euch jetzt alleine hier lassen. Bleibt nicht mehr allzu lange hier, ihr holt euch noch den Tod!«
Kurz und knapp sagte er dies, stand auf und verschwand blitzartig.
Was würde jetzt geschehen?
Ich schaute mir die Person, die noch immer da stand einmal genauer an. Ich konnte ihn zu Anfang nicht eindeutig identifizieren, da er seine Kapuze, bis über sein Gesicht gezogen hatte, aber eine innere Stimme sagte mir, wer es war.
Die Gestalt setzte sich in Bewegung und kam auf mich zu. Ohne mich anzusehen, setzte sie sich neben mich auf die Bank.
Immer noch mit seiner Kapuze über dem Gesicht, saß er da neben mir und starrte auf den Boden, keine Regung, kein gar nichts.
Auf einmal schlägt er die Kapuze nach hinten und zwei stahlblaue Augen starren mich an.
Es ist wie ich's erwartet habe Mark.
Was will er von mir? Will er mich nieder machen? Will er auch auf mir rumhacken?
Aber erst mal schauen wir uns bloß an. Keiner sagt ein Wort. Keiner bringt auch nur einen Ton hervor. Wir starren uns an und die Spannung wird immer unerträglicher.
Immer wieder versuche ich etwas zu sagen. Doch mein Mund will nicht wie ich will, er reagiert nicht. Ich schaffe es nicht irgendetwas zu sagen.
Letztendlich ist es Mark der die Stille durchbricht. Mit leiser, nahezu nicht hörbarer Stimme fängt er an.
»Stimmt es, was die anderen gesagt haben?«
Mit aller Kraft versuche ich ihm zu antworten und irgendwie gelingt es mir sogar. Mit belegter Stimme antworte ich.
»Was meinst du? ... Das ich schwul sei?«
Er nickt nur leicht mit dem Kopf und wendet im selben Moment den Blick von mir und starrt auf den Boden.
»Ja.«, antworte ich ihm zu meiner eigenen Verwunderung mit gefasster Stimme, »und willst du mich jetzt auch niedermachen, wie die anderen? ... Ich kann versteh'n, wenn du jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben willst, wenn du Angst vor mir hast, wenn du dich angeekelt fühlst. Ich hatte ja selber Probleme zu Anfang damit, aber dann sag es direkt. Ich möchte einfach die Wahrheit.«
Ich bin in diesem Moment selber überrascht über mich selbst. War ich das eben, der das gesagt hat?
Erst einmal herrscht wieder Schweigen. Ich warte auf seine Antwort, doch er sagt nichts. Man sieht es ihm an, dass ihm dieses Gespräch schwer fällt. Er starrt immer noch krampfhaft auf seine Schuhe.
Sein Gesicht ist blass und seine Augen leer. Sein Mund zuckt, aber es kommt kein Wort daraus. Seine Haut ist blass vor Kälte und steht in starkem Kontrast zu seinen tiefschwarzen Haaren. Seine Hände hat er ineinander verschränkt. Seine Fingerknochen stoßen hart und kantig hervor. Es scheint als wolle er sich krampfhaft an etwas festhalten, doch er hat nichts außer sich selbst.
Er sitzt allein neben mir und wirkt verlassen.
Nach einer langen Pause gelingt es ihm doch auf mich zu reagieren. Leise und gedämpft ist seine Stimme, als wäre sie kurz davor zu versagen. Sie ist kaum hörbar.
»Wieso sollte ich dich fertig machen? ... Bist du nicht derjenige, der so viel für mich getan hat? Der mich einfach gehalten hat, als es mir heut Nacht dreckig ging, der sich so viel Sorgen um mich gemacht hat. Der mir einfach geholfen hat, ohne mich zu kennen ... Wieso sollte ich so einen lieben Menschen fertig machen?«
Hatte er mich eben wirklich einen lieben Menschen genannt?
Wieder erfolgt ein langes Schweigen. Keiner sagt etwas. Es regnet noch immer und heftiger als vorher. Wir sind beide durchnässt. Ich sehe, wie der Regen über Marks Gesicht perlt und von seiner Nase tropft. Er klappert schon mit den Zähnen vor Kälte.
»Aber hast du keine Angst und keine Vorurteile gegenüber Homosexuellen?«
»Angst, wieso sollte ich Angst vor Homosexualität haben?« Seine Stimme wird immer leiser, bis sie fast gar nicht mehr vernehmbar ist.
»Wieso sollte ich Angst vor mir selbst haben?«
Wie bitte? ‚Wieso sollte ich Angst vor mir selbst haben?' Was wollte er mir damit sagen? Sollte es heißen, dass er etwa auch? Nein das kann doch gar nicht sein? Hab ich mich eben verhört?
»Was meinst du damit, du hast selber keine Angst vor dir?«
Mit kaum hörbarer Stimme, antwortet er nur:
»Ich bin selber schwul.«
Seine Haut wird noch bleicher, als sie schon vorher war, er schließt die Augen und leichte Tränen dringen ins Freie. Seine Hände verkrampfen sich. Es wirkt, als wäre das gesamte Blut aus seinen Händen gewichen. Seine Tränen werden immer mehr. Er hat noch immer die Augen geschlossen, als habe er Angst vor meiner Reaktion.
»Doch das ist noch nicht alles.«, redet er mit leiser Stimme weiter.
Eine lange Pause setzt ein. Wieder einmal traut sich keiner etwas zu sagen. Mark hat Angst davor zu sagen, was ihn bedrückt. Seine Augen sind auch weiterhin geschlossen. Doch irgendwann führt er fort.
»Es gibt da doch etwas, was mich bedrückt!«
Schlagartig ist mein Interesse geweckt. Was bedrückt ihn? Hat es was mit mir zu tun?
Ob ich ihm dabei helfen kann? All diese Fragen schießen mir in diesem Moment durch den Kopf.
»Und dieses Problem hat etwas mit dir zu tun!«
Also doch mit mir. Hab ich ihm irgendetwas getan? Bin ich ihm zu nahe getreten? Hat er doch Angst vor mir?
»Jetzt bin ich in der Situation, der Angst hat vor deiner Reaktion.«, führt er immer mit kleinen Pausen dazwischen fort.
Seine Stimme klingt belegt und es wirkt, als würde er gleich schlapp machen und neben mir zusammenbrechen. Er sitzt immer noch wie vorhin mit ineinander gefalteten Händen, geschlossenen Augen, mit Tränen, die ihm über die Wange rollen und mit Regentropfen, die ihn durchnässen, da.
»Ich weiß nicht wie ich es erklären soll. Es fing schon gestern bei dir zu Hause an. Als ich dich nur mit einem Handtuch bedeckt in der Tür stehen sah ... Da hast du meine Sinne total durcheinander gebracht. Ich war von dir und deinem Aussehen einfach nur beeindruckt.«
Bei diesen Worten stieg leichte Röte in mein Gesicht.
»Doch das war noch das geringste. Der ganze Abend gestern, so nah, so vertraut, so fürsorglich wie du warst.«
Wieder kam Mark ins Stocken.
»Und den Rest gab mir die Nacht. Mir ging es dreckig, sogar richtig dreckig. Ich hätte mich am liebsten vor das nächste Auto geworfen. Ich fühlte mich einsam, allein, verloren. Wusste weder ein noch aus ... Doch dann kamst du und hast mich einfach bedingungslos in den Arm genommen. Hast mich getröstet. Hast mir sanft über den Rücken gestreichelt. Du hast in diesem Moment etwas getan, was noch nie jemand für mich getan hat.«
Wieder wurde sein Reden durch eine Pause unterbrochen. Seine Körperhaltung zeigte keinerlei Bewegung, er saß immer noch so da wie vorhin. Der Regen goss wie in Strömen. Mir kam es sogar vor, dass er stärker wurde.
»Ich fühlte mich so nah zu dir hingezogen, so geborgen, so verbunden wie noch zu keinem anderen Menschen. Du gehst mir seit diesem Ereignis einfach nicht mehr aus dem Kopf. Und heute bei dem Streit in der Schule, da wurde mir klar ...«
Was will er mir damit jetzt sagen? Meint er dies jetzt wirklich ernst oder will er mich verarschen? Verarschen wird er mich auf keinen Fall, sonst würde er nicht hier neben mir sitzen und weinen. Kann es wirklich sein? Träume ich dies alles nur? Ist das wirklich die Realität?
»... da wurde mir klar, dass, dass ... ich mich in dich verliebt habe.«
Hat er eben wirklich gesagt, dass er in mich verliebt ist? Ist dies alles nur ein Traum?
Durch meinen Kopf spuken die wildesten Phantasien. Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ist dies eben wirklich passiert? Sollte mein Traum wirklich in Erfüllung gehen?
Ganz verschüchtert saß er neben mir immer noch die Augen geschlossen und immer mehr Tränen, traten aus diesen hervor und liefen die Wange hinunter.
»Und ich hatte und habe Angst vor deiner Reaktion, Angst davor, dass du mich ablehnst, Angst davor, dass du mich auslachst für meine Gefühle. Ich wusste nicht mehr ein noch aus. Der eine Teil von mir wollte dir dieses Geheimnis vorenthalten, weil er Angst vor der Reaktion hat. Aber der andere Teil konnte nicht mehr unter der Last leben. Das Geheimnis das Gefühl war einfach zu schwer.«
Sein Weinen wurde immer stärker und immer mehr Tränen kamen zu vorschein.
Ich konnte nichts sagen. Ich weiß nicht warum.
Was sollte ich nun machen? Sollte ich mich freuen? Sollte ich ihn einfach an mich drücken? Ich war wie gelähmt.
Plötzlich, ich weiß nicht warum, stand Mark auf und rannte davon.
Ich wollte ihm nacheilen, doch meine Glieder versagten. Ich war starr.
Mir schossen alle möglichen Gedanken durch den Kopf. War das eben wirklich passiert? Oder war dies nur ein schlechter Traum? Wenn ja dann bitte weckt mich so schnell wie möglich, ich will hier raus?
Ich brauchte noch einige Zeit um das eben Geschehene, vor allem seine Liebeserklärung zu verdauen.
Auf einmal durchfuhr mich der Blitz! Was ist mit Mark? Wo ist er jetzt? Wie geht es ihm? Ich hatte die ganze Zeit nur an mich gedacht, wie dreckig es mir ging, dabei hab ich komplett Marks Gefühle vergessen, dass für ihn die Situation noch schwerer war als für mich! Er hatte den Mut gehabt mir seine Gefühle mitzuteilen, welchen ich nicht hatte.
Und was mach ich Idiot? Ich bleibe einfach sitzen und lassen diesen Traummann einfach davonrennen.
Auf einmal schoss wieder Energie in meinen Körper und meine Beine begannen wie von selbst zu laufen. Ich folge der Richtung, die auch Mark eingeschlagen hat. Mit schnellen, großen Schritten mache ich mich auf die Suche.
Meine Augen sind bis zum Anschlag geöffnet und durchsuchen jeden einzelnen Zentimeter, an dem ich vorbeikomme. Zum Regen ist jetzt noch Hagel hinzugekommen, der von oben auf mich nieder peitscht. Doch mir ist dies im Moment so ziemlich scheißegal.
Ich nehme von alle dem nichts war. Mir schleicht nur die Sorge um Mark durch den Kopf. Wo kann er nur hin sein? Er kennt doch sonst noch niemanden in der Stadt? Hoffentlich tut er sich nichts an? Und ähnliches ging mir durch den Kopf!
Ich laufe durch den ganzen Ort. Doch nirgends ist etwas von ihm zu sehn. Nirgendwo auf der Straße ist eine Spur von ihm. Selbst vor unserm Haus ist er nicht.
Als ich vor der Schule vorbeikomme, merke ich eine zusammengekauerte Gestallt vor dem Eingang dieser. Sie ist durchnässt von oben bis unten. Die Beine angewinkelt und das Gesicht in den Händen versteckt.
Ganz verängstigt sitzt er da in seiner Ecke. Leise, nahezu lautlose Geräusche dringen von ihm. Es scheint als würde er weinen.
Mir war im ersten Moment klar, wer hier vor mir sitzt. Es war natürlich Mark.
Langsam und leise gehe ich auf ihn zu und hocke mich nieder zu ihm auf den Boden. Ihm genau gegen über.
Vorsichtig streichle ich ihm durchs nasse Haar.
Plötzlich schreckt er zusammen und hebt sein Gesicht.
Zwei stahlblaue, fragende, verquollene Augen starren mich an. Dicke tränen kullern über sein Gesicht. Sein Mund ist geöffnet doch es kommt kein Wort heraus.
Sanft streiche ich ihm die Tränen aus dem Gesicht. Ich lächle ihn an. Für einen Moment versickern seine Tränen. Mit der rechten Hand halte ich seinen Kopf und sanft streiche ich über seine Wange. Ich wünschte, die Zeit würde stehen bleiben.
Ich fühlte mich so nah wie noch nie gegenüber einem Menschen.
Mit einem Moment schreckt Mark hoch und stürzt sich in meine Arme.
Er klammert sich um meinen Körper und vergräbt sein Gesicht in meiner Schulter.
Leises Schluchzen ist zu vernehmen. Ich lege meine Arme um ihn und zieh in ganz nah an mich. Durch unsere nasse Kleidung kann ich seinen Herzschlag fühlen. Er ist schnell und impulsiv, so als wäre er kurz vorm Explodieren.
Sanft streiche ich ihm durchs Haar und mit der anderen streichle ich ihm über den Rücken.
Sein Weinen und Schluchzen wird immer lauter und heftiger, so dass ich ihn ganz nah an mich heranziehe. Er zittert am ganzen Leibe.
Seine Finger krallen sich in meinen Rücken.
Es scheint genauso wie heute Nacht, mit dem einzigen Unterschied, dass es diesmal keine freundschaftliche ist, sondern, dass wir hier steh'n und uns umarmen, weil wir herausgefunden haben, dass da mehr zwischen uns ist als reine Freundschaft.
»Hey ich bin doch jetzt da. Es ist alles in Ordnung!«
Immer wieder flüstere ich ihm Worte zur Beruhigung in die Ohren.
»Es ist doch gar nichts passiert, worüber du traurig sein müsstest. Du brauchst nicht weinen.«
Eine leise, klägliche Stimme beginnt etwas zu sagen.
»Aber, aber ich hab dir eben gesagt, dass ich mich in dich verliebt habe.«
»Ja und. Ist daran etwas Schlimmes. Es geht mir doch auch nicht anders.«, antworte ich ihm mit leiser sanfter Stimme.
Sein Kopf schnellt blitzartig nach oben und schaut mir direkt in die Augen.
Seine Tränen sind versiegt. Er scheint ungläubig. Er will wieder einmal etwas sagen, doch auch diesmal versagen ihm die Wort.
Langsam nähere ich mich seinem Gesicht. So dicht, dass ich seinen Atem spüren kann. Ganz sanft hauche ich ihm einen Kuss auf die Lippen.
Seine Lippen fühlen sich trotz der Kälte warm und zart an. Er schmeckt lecker.
Obwohl die Berührung nur kurz und flüchtig ist, scheint sie ihre Wirkung nicht zu verfehlen. Seine Beine scheinen weich zu werden und ich bekam Angst, dass er direkt vor mir zusammenbrechen würde. So hielt ich ihn noch etwas fester ihm Arm.
Seine Augenlider fielen zu und er war anscheinend für ein paar Momente nicht mehr bei Sinnen. Als er sie wieder öffnete, waren sie ungläubig und ängstlich, so als fürchte er, der Kuss eben hätte nicht stattgefunden und alles wäre nur ein Traum gewesen.
Langsam ziehe ich ihn wieder an mich, schließe meine Augen. Unsere Münder nähern sich.
Sanft berühren sie sich. Zärtlich. Es fühlt sich einfach bloß wunderschön an.
Unsere Münder bleiben aufeinander und langsam, fast wie abgesprochen, öffnen sie sich. Langsam und zaghaft gehen unsere Zungen auf Erkundungstour.
Erst langsam, dann heftiger und immer mehr fordernd, beginnen sie miteinander zu spielen. Es ist einer der schönsten Momente meines Lebens.
Ich hätte ewig in dieser Stellung verharren können.
Doch irgendwann mussten wir uns lösen. Widerwillig und langsam lösen sie sich voneinander.
Langsam öffne ich meine Augen und erblicke, zwei strahlende vor Glück zerspringen wollende Augen.
Auf Marks Gesicht ist ein breites, zufriedenes Lächeln.
Wäre ich nicht mit Mark so eng umschlungen gewesen, hätte es mir jetzt die Erde unter den Füßen weggezogen. Es war einfach atemberaubend.
»Glaubst du jetzt, dass es real ist? Oder soll ich dich noch einmal Küssen?«, fragte ich ihn.
»Kannst du Gedanken lesen? Richtig begreifen kann ich es ja noch nicht ganz, aber es ist einfach bloß traumhaft.«
Ich schmolz unter seinen wunderschönen, verliebten Augen einfach nur dahin. Selbst ich konnte nicht begreifen, dass es real war. Mein Gott, wie sehr hab ich mir gewünscht, dass dies eintritt, jetzt ist es da und noch viel schöner, als ich es je in Worte fassen könnte.
»Wobei es nicht heißen soll, dass du mich nicht mehr Küssen sollst!«, forderte mich Mark geradezu mit einem verführerischen Lächeln auf den Lippen heraus.
So wanderte mein Kopf, diesmal gespielt gelangweilt, auf ihn zu und unsere Lippen verschmolzen zu einem weiteren innigen Kuss.
Wir hatten unsere Umwelt komplett vergessen, wie schon die ganze Zeit.
Genauso wie vorhin goss es aus Kübeln und der Hagel prasselte bloß so nieder. Doch uns störte es nicht. Wir hatten ja uns und uns war alles andere egal.
Die Nähe des anderen zu spüren. Seinen Körper, seine Streicheleinheiten einfach alles am anderen, genügte um uns in diesem Moment zu den glücklichsten Menschen dieser Erde zu machen.
Keine Ahnung wie lange wir in dieser Stellung verharrten, aber keiner wolle sich vom anderen lösen. Es war einfach zu schön. Bloß nach und nach nahmen wir immer mehr unsere Umgebung war.
So kam es wie es kommen musste und wir bemerkten endlich auch, dass es Regnete wie in Strömen und dass es Arschkalt war.
»Ey! Du zitterst ja wie Espenlaub.«
»Dir geht's da ja auch nicht anders.«
Marks Zähne klapperten und mir wurde bewusst, wie bleich er eigentlich vor Kälte war. Mir selber kamen auch die Sinne wieder zurück und ich merkte an mir selber, dass ich komplett von oben bis unten durchnässt war und fror.
»Komm, lass uns schnell weg hier und ins Warme. Wir holen uns hier noch den Tod und bei dir wäre das besonders bedauerlich.«
»Bei dir genauso.«, antwortete Mark kurz und knapp mit klappernden Zähnen, was unüberhörbar war. Es tat mir schon selber weh ihn so leiden zu sehn, aber er hatte immer noch sein Lächeln auf den Lippen.
Schweigend gingen wir in unseren nassen Sachen neben einander her und beeilten uns so schnell wie möglich nach Hause zu kommen.
Natürlich nicht jeder zu sich, sondern wir gingen zu mir, da wir dort sowieso niemanden erwarten würden.
Frierend, aber glücklich, liefen wir also so schnell wie möglich durch den Regen.
Der Regen wurde immer heftiger und der Hagel schmerzte schon auf der Haut, aber das Lächeln auf unseren Gesichtern verschwand nicht. Es wurde aber immer unerträglicher und wir waren richtig glücklich, als wir endlich unser Haus erreicht.
Kaum im Haus befahl ich ihm, nach oben ins Bad zu gehen und sich dort der nassen Kleidung zu entledigen.
Ich holte nur schnell einige Decken und baute uns auf meinem Bett ein richtiges Nest. Eine Decke brachte ich ihm ins Bad und »befahl« ihm sich in sie hineinzulullen.
Ohne Widersprüche tat er dies. Ich ging währenddessen in die Küche und machte uns einen heißen Tee. Stellte zweit Tassen und eine frisch aufgebrühte Kanne Tee auf ein Tablett und brachte dies nach oben in mein Zimmer.
Als ich das Tablett abgestellt hatte merkte ich, dass ich noch immer in meinen nassen Klamotten steckte und zitterte.
Im selben Moment kam Mark in seine Decke eingerollt ins Zimmer.
Ich schenkte ihm noch schnell einen heißen Tee ein und deutete aufs Bett, was er dankend annahm.
Ich verschwand meinerseits so schnell wie möglich im Bad und entledigte mich auch meiner nassen Klamotten, trocknete mich schnell ab und lullte mich auch in meine Decke.
Als ich wieder zurück ins Zimmer trat, kauerte Mark in unserm selbstgebauten Nest. Er saß da in Decken gehüllt. Doch man sah wie er litt.
Seine Zähne klapperten so laut aufeinander, dass man Angst bekam, dass sie noch abbrechen würden. Seine Lippen waren violett verfärbt und seine Haut blass. Bald so weiß wie Kalk. Seine Pupillen waren klein und kaum sichtbar.
Er saß da und man sah wie er litt. Daran musste ich was ändern.
Ich rollte ihn aus seiner Decke und sah ihn zum ersten Mal nackt.
Sein Körper war nahezu unbehaart, bis auf seine Scham war nahezu alles unbehaart, nicht ein Haar störte auf seiner Brust.
Doch sein Aussehen war mir im Moment egal. Ich warf nur einen kurzen flüchtigen Blick auf ihn, statt dessen öffnete ich meine Decke, setzte mich hinter ihn, umarmte ihn, drückte seinen Rücken gegen meine Brust und wickelte uns beide in eine Decke.
Seine Haut war kalt, sehr kalt um nicht zu sagen eisig. Er zitterte noch immer. Ich bekam immer größere Sorgen. Hauptsache er hatte sich nicht wegen mir verkühlt.
Ich drückte mich an ihn und versuchte ihn zu wärmen. Seine Haut auf meiner war einfach ein wunderschönes Gefühl. Er fühlte sich so zart und zerbrechlich an. Aber meine Sorgen wurden immer größer, als er nach einer Viertelstunde immer noch kein bisschen wärmer geworden war.
Er zitterte und zitterte und wollte einfach nicht aufhören.
»Alles in Ordnung, mein Kleiner? Wird dir schon wärmer?«, fragte ich sorgenvoll.
»Mir ist kalt! Sehr Kalt!«, antwortete er mit klappernden Zähnen.
Ich konnte es nicht mehr mit ansehen. Da kam mir eine Idee. Ich löste mich, zwar ungern, aber ich löste mich von ihm und ging ins Badezimmer. Ließ dort warmes Wasser in die Wanne und gab noch Badeschaum hinzu.
Als das Badewasser fertig war, ging ich zurück zu Mark, nahm ihn auf die Arme und trug ihn samt Decke ins Bad. Dort angekommen rollte ich ihn aus der Decke und setzte ihn ins warme Wasser.
Er war so kalt, dass er sich nicht mehr bewegen konnte. So war ich also gezwungen gewesen ihn zu tragen. Ich zog mir einen Hocker zu ihm an die Badewanne, hüllte mich wieder in meine Decke und setzte mich neben Mark.
Der saß mit angewinkelten Knien fröstelnd im heißen Wasser.
Ich strich ihm sachte durchs Haar und über seine kalten Wangen. Immer und immer wieder und versuchte ich ihn zu beruhigen.
Er zitterte, es dauerte eine ganze Weile, aber letztendlich zeigte die Wärme ihre Wirkung. Seine Haut nahm wieder Farbe an. Seine Muskeln entspannten sich und er fiel aus seiner Starre und lehnte sich zurück.
Seine Zähne hörten auf zu klappern und er hörte auf zu Zittern. Als er endlich wieder normal reagierte fiel mir ein Stein vom Herzen. Ich hatte schon Angst, es könnte schwerere Folgen haben, so dass wir noch einen Arzt hätten rufen müssen.
Ich streichelte immer noch durch Marks Haare und über seine Wangen.
Er lehnte sich zur Seite und ließ seinen Kopf direkt auf meine Schulter fallen.
Er wirkte ziemlich relaxed, schloss die Augen und genoss einfach die Wärme des Wassers und ich hoffe auch meine Nähe und Fürsorge.
Er sieht zufrieden und glücklich aus und das ist in diesem Moment das wichtigste.
Ich weiß nicht wie lange wir dort so saßen, aber es war einfach wunderschön.
Mit geschlossenen Augen, Kopf an Kopf, genossen wir eigentlich unsere Nähe.
Immer wieder strich ich ihm sanft durchs nasse Haar und streichelte über seine Wange, was er mit wohligen Seufzern quittierte.
Einfach nur dazusitzen, zu wissen, der andere ist auch da und der Austausch von Zärtlichkeiten, und wenn es auch bloß winzig kleine waren, war einfach himmlisch.
Sanft hauchte ich ihm immer wieder kleine Küsse auf die Stirn.
Man merkte, wie gut es ihm ging.
Er war so erschöpft vom Geschehenen und von der Kälte, dass er an meiner Schulter einschlief.
Ich ließ ihn einige Zeit in seinen Träumen gewähren. Er atmete regelmäßig und sachte. Sein warmer Atem strich über mein Gesicht.
Es war einfach bloß schön.
Doch ewig konnte ich ihn nicht so schlafen lassen, auch wenn ich gewollt hätte.
Um ihn zu wecken, ab ich ihm einen sanften Kuss erst auf die Stirn, dann die Nase und dann direkt auf den Mund.
Meine Küsse wurden durch ein wohliges Schnurren erwidert.
Ganz langsam begann er sich ganz leicht zu bewegen. Ganz vorsichtig öffnete Mark ganz leicht seine Augen, um sie gleich wieder zu schließen und sich nochmals an mich zu kuscheln.
»Hey, nicht wieder einschlafen!«, forderte ich ihn mit einem Lächeln auf den Lippen auf.
»Nur noch einen Moment.«
»Nein, sonst bekommst du mir noch Schwimmhäute zwischen den Zehn. Ich will doch keinen Fisch zum Freund.«
Meine Aufforderung wurde durch ein widerwilliges Knurren beantwortet. Doch so leicht gab ich mich nicht geschlagen.
»Ich geh jetzt schnell raus und ruf deine Eltern an und sage Bescheid, dass du heut hier schläfst. Und wenn ich wiederkomme bist du raus aus dem Wasser! Ok?«
Ein leichter Seufzer kam von Mark. Ich fasste dies als Zustimmung auf.
Also löste ich mich vorsichtig von Mark, stand auf und verschwand aus dem Bad.
Schnell rief ich seine Eltern an, bloß am anderen Ende der Leitung meldete sich ein Anrufbeantworter.
»Hallo, hier ist Steffen Neumann, ein Freund von Mark. Mark und ich lernen heute noch für die Schule und da es später werden kann, wird Mark heute bei mir übernachten und sich dann morgen wieder bei Ihnen melden. Das war es schon. Danke Bye und einen schönen Tag.«
Ich musste mal wieder lügen, ich konnte ja nicht die Wahrheit sagen. Ich wusste ja nicht mal ob Marks Eltern von seiner Homosexualität wussten. Damit hätte ich ihn bloß in große Probleme hineinreiten können. Also entschloss ich mich zu einer kleinen Notlüge.
Vielleicht war das gar keine Lüge, vielleicht würden wir ja doch noch heute Abend üben, dann aber wahrscheinlich nur für den Biounterricht ;-).
Und jetzt ging ich wieder zurück ins Bad. Ganz leise schlich ich an die Tür und spähte durch den schmalen Türschlitz. Doch was musste ich dort entdecken?
Mark lag noch immer in der Wanne mit dem Kopf im Nacken und schlief, tief und fest.
Ganz langsam und leise schlich ich zu ihm rüber. Strich ihm die Haare aus dem Gesicht und beugte mich zu seinem Ohr.
»Aufwachen. Hey komm schon so haben wir nicht gewettet!«
Ganz langsam öffneten sich zwei kleine Schlitze, aus denen zwei müde blaue Augen strahlten.
»Nur noch ein paar Minuten, bitte.«
»Wenn du nicht willst, muss ich halt zu anderen Maßnahmen greifen.«, forderte ich ihn mit einem Lächeln heraus. Doch als keine Reaktion kam, machte ich meine Drohung war.
Ich hob ihn aus der Wanne und trocknete seinen Körper ab und wickelte ihn in ein großes Badetuch ein.
Er war so müde, dass er den Kopf an meine Schulter legte, die Augen schloss und fast wieder einschlief. Er sah richtig süß aus, wie er so in meinen Armen fast einschlief.
Schnell trug ich ihn zurück in mein Zimmer, rollte ihn wieder aus dem Badetuch und legte ihn aufs Bett.
Als ich ihn losließ hörte ich von ihm noch sagen:
»Nein nicht geh'n, bleib hier. Nicht geh'n.«
Dieser Aufforderung musste ich nun freiwillig Folge leisten.
So rollte ich mich aus meiner Decke, deckte damit erst Mark zu und schlüpfte, dann selber zu ihm unter die Decke.
Ich legte mich hinter ihn und zog seinen Rücken ganz dicht an meine Brust und hielt ihn einfach fest.
Ganz eng kuschelte sich Mark an mich und seufzte leise.
»Ich lass dich nie wieder los.«, flüsterte ich ihm ins Ohr.
Das Gefühl seiner Haut auf meiner war einfach bloß intergalaktisch. Sie fühlte sich so warm und sanft an.
Ganz vorsichtig streichelte ich ihm über den Arm und über seine unbehaarte Brust. Er fühlte sich einfach bloß göttlich an.
Meine Berührungen wurden durch ein immer wieder kommendes Seufzen erwidert. Doch Mark und ich waren zu sehr erschöpft und zu glücklich, als dass noch mehr hätte passieren können.
Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich so dicht und so eng mit einer Person verbunden war.
Seine Augen waren geschlossen. Ganz langsam und rhythmisch hob und senkte sich seine Brust. Sein Atem war warm und feucht. Er war wieder tief und fest eingeschlafen.
Durch seine Nähe, und da auch ich ziemlich erschöpft war, ging es mir nicht anders und so war auch ich Mark kurze Zeit später ins Traumland gefolgt.
So gut geschlafen und so geborgen hatte ich mich noch nie wie in dieser Nacht gefühlt.
Es war einfach traumhaft (ich weiß ich überschlag mich hier mit Superlativen ;-).
Doch leider sollte es nicht ewig so bleiben.
Mitten in der Nacht so gegen 4:00 Uhr wurde ich urplötzlich durch einen Schlag mitten ins Gesicht geweckt.
Schlagartig war ich wach. Ich brauchte erst einige Momente, um meine Gedanken zu ordnen. Es war noch dunkel im ganzen Zimmer. Nur die Straßenlaternen spendeten Licht. Der Regen prasselte noch immer gegen die Fenster.
Plötzlich bekam ich noch einen zweiten Schlag mitten ins Gesicht.
Ich hielt noch wie gestern Abend Mark fest in meinen Armen, doch dieser war wie von der Tarantel gestochen.
Mit beiden Fäusten schlug er um sich und versuchte sich aus meiner Umarmung zu befreien. Tränen traten aus seinen Augen und mit kläglicher Stimme schrie er schon wie die Nacht zuvor.
»Nein hör auf! Hör auf! Du tust mir weh! Nein! Bitte, bitte...«
Was hatte ich getan? Hab ich ihm irgendwie weh getan? Hab ich im Schlaf irgendetwas zu ihm gesagt, was ihn verletzt hat?
»Bitte, bitte hör auf!«
Dicke Tränen kullerten über seine Wangen. Seine Augen waren noch immer geschlossen und er schien noch immer etwas zu träumen. Etwas Schlechtes, etwas ganz schlechtes.
Und immer und immer wieder, schlug er mit Fäusten auf mich ein. Auf meine Brust, auf meinen Bauch, in mein Gesicht. Und immer wieder schrie er um Hilfe.
»Nein bitte, bitte! Du tust mir weh! Bitte hör auf! Wieso tust du das? Bitte hilf mir einer! Das tut so weh!«
Meine Sorgen wurden immer größer. Ich war starr vor Schock. Doch so langsam hatte ich mich wieder im Griff und versuchte ihn zu wecken.
»Mark, komm! Wach auf! Es ist nur ein Traum!«
Mit der Hand versuchte ich ihm durchs Haar zu streichen, doch diese wurde von seinem Arm weggeschleudert.
»Nein. Hör auf! Lass mich in Ruhe! Es tut so weh!«
Ich wurde immer unruhiger und meine Sorgen wurden immer größer.
»Mark, wach auf! Es ist nur ein Traum! Ein Albtraum. Dir kann nichts passieren, ich bin es nur.« Versuchte ich Mark zu beruhigen. Doch es gelang nicht.
Immer und immer wieder schlug er mit Fäusten auf mich ein und schrie wie am Spieß.
»Nein, hör auf! Bitte! Ich werd auch immer brav sein! Bitte! Nein...«
Immer und immer wieder schrie er dasselbe. Meine Sorgen wuchsen von Minute zu Minute. Und als mein Reden ihn weder aufweckte noch beruhigte, sah ich nur noch einen Ausweg.
Mit flacher Hand gab ich ihm eine Ohrfeige. Ich weiß nicht wie ich das geschafft habe, aber mir tat in diesem Moment diese Ohrfeige wahrscheinlich mehr weh als Mark. Doch es ging nicht anders, ich musste ihn irgendwie aufwecken.
Diesmal hatte die Ohrfeige ihre Wirkung nicht verfehlt. Urplötzlich war Mark schweißgebadet wach und starrte mir in die Augen.
Zwei ängstliche Augen schauen mich an. Und Mark ist genau wie ich starr vor Schock.
Mit einem Mal, drückt sich Mark gegen meine Brust und beginnt hemmungslos zu weinen. Diesmal ist seine Reaktion noch heftiger als letzte Nacht.
Immer stärker drückt sich Mark an mich. Es scheint als hätte er Angst und versuche sich an mir zu verstecken.
Nach einer kurzen Zeit gelange auch ich aus meiner Starre und drücke auch Mark an mich. Ich streiche ihm sanft über den Rücken und versuche ihn zu beruhigen.
»Alles in Ordnung. Es ist nichts passiert. Es war nur ein schlimmer Traum.«
Flüstere ich Mark immer wieder leise ins Ohr.
Doch seine Tränen verstummen nicht. Er weint immer heftiger. Immer lauter und seine Hände bohren sich schon schmerzhaft in meinen Rücken.
Doch das ist mir ziemlich egal. Die Sorge um Mark lässt jeden Schmerz verstummen.
»Ganz ruhig. Du bist hier sicher. Dir kann keiner etwas antun!«
Immer und immer wieder flüstere ich ihm solche Worte in die Ohren.
Mark krallt sich auch weiterhin man meine Brust.
»Halt mich ganz einfach fest. So fest wie du kannst und lass mich nie wieder los. Bitte«
»Keine Angst. Ich liebe dich und werde dich nie wieder loslassen. Dir wird nie wieder jemand weh tun.«
Ich halte Mark einfach fest in meinen Armen und drücke ihn an mich.
Immer wieder streichele ich ihm durchs Haar und über den Rücken.
So langsam versickern seine Tränen. Mark beruhigt sich wieder und weint sich in den Schlaf.
Kurze Zeit später liegt er schon wieder ruhig atmend in meinen Armen und schläft tief und fest. Ich halte ihn dabei immer noch die ganze Zeit fest.
Es ist genauso wie die Situation von gestern Nacht. Mark hatte einen Albtraum und ich hab ihn getröstet.
Doch ich weiß immer noch nicht was los war.
Wovon hat Mark geträumt? Vor Wem hatte er Angst? Wer hat ihm wehgetan?
Warum hat dieser ihm wehgetan? Wie hat dieser ihm wehgetan?
All diese Fragen schwirren durch meinen Kopf und verwirren mich komplett.
Aus meinem Kopf steigt schon Rauch auf. Ich hab im Moment überhaupt keine Ahnung wie ich Mark helfen kann, außer ihn festzuhalten.
Wie soll ich auch wissen, wie ich ihm helfen soll. Ich weiß ja nicht einmal den Grund für seine Angst.
Aber ich nehme mir fest vor ihn demnächst, so schnell wie möglich, nach dem Grund zu fragen. Ich habe selber Angst noch einmal diese Situation mitzuerleben. Es tut mir selber weh, zu sehen, wie es Mark schlecht geht, wie er weint.
Mark ruht wieder ganz friedlich auf meiner Brust und schläft ganz fest.
Es ist stockdunkel im Zimmer, nur wie auch vorhin ist die Straßenlaterne die einzige Lichtquelle und der Regen platscht wie vorhin gegen die Fensterscheiben.
Meine Gedanken schwirren und schwirren, doch zu einer eindeutigen Lösung gelange ich nicht und so passiert es, dass ich plötzlich selber eingeschlafen bin.
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