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Muss das wirklich sein?
Teil 3
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Informationen
- Story: Muss das wirklich sein?
- Autor: Chris S.
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Coming Out, Lovestory
Vorwort
Was bisher geschah: Chris beichtet Sandra, dass er schwul ist. Großtante Klara reist an und quartiert sich für sechs Monate bei der Familie Hudelmayer ein. Chris entschuldigt sich bei Ben für sein kindisches Verhalten. Die beiden Jungs müssen sich von nun an ein Doppelbett teilen, da Tante Klara das Gästezimmer beansprucht. Ben küsst Chris ...
Bemerkung: Ein kleiner Teil der Story ist wieder in der dritten Person geschrieben. Zur besseren Übersicht ist es kursiv.
Ich schreckte auf und sah Ben mit starrem Blick an. Man sah ihm deutlich an, dass er sich nicht wohl fühlte.
»Sorry Chris! Ich ... ich weiß auch nicht was in mich gefahren ist. Bitte, entschuldige. Wie ich da so liegen sah, da, da ... da konnte ich einfach nicht mehr ... weißt du, ich ... ich habe mich in dich verliebt ... Ich bin ... schwul. So, jetzt weißt du es. Bitte, ...«
Er brach in Tränen aus. Dann, plötzlich, ich konnte es mir selbst nicht erklären, holte ich mit der linken Hand aus und knallte ihm eine, dass er fast aus dem Bett gefallen wäre. Er starrte mich an. So hasserfüllt hatte ich ihn nie zuvor gesehen. Er brach fast zusammen, rannte dann aber aus dem Zimmer und knallte die Türe hinter sich zu. Ich war wie in Trance. Wie konnte ich Ben schlagen? Meinen Ben, in den ich mich so fürchterlich verliebt hatte! In diesem Moment verabscheute ich mich. Wie konnte ich ihn nur schlagen! Gerade in dem Moment, in dem er sich bei mir , ja bei mir, geoutet hatte! Ich versuchte mir das zu erklären. Wie kam ich dazu, so herumzuschlagen? Ich hatte doch kein Recht dazu. Ben hatte mir etwas äußerst intimes anvertraut, was mir noch dazu runtergehen musste wie Öl! (oder heißt das Wachs?) Ich überlegte mir, ob ich ihm nachgehen und mich entschuldigen sollte. Nachdem ich darüber nachgedacht hatte, kam ich zu dem Entschluss, es nicht zu tun. Ben wollte mich vielleicht gar nicht sehen - durchaus verständlich. Ich zog mir also die Bettdecke über die Ohren, und versuchte zu ergründen, weshalb ich zum Schläger geworden bin.
Dann wachte ich auf. Ben lag friedlich schlummernd neben mir, die Bettdecke war ihm mal wieder bis zu den Oberschenkeln herab gerutscht (das scheint ihm öfters zu passieren ...). Wie niedlich, wie er dalag ... Ich sah ihn an. Wie wunderschön er doch aussah. Mein Blick wanderte von seinem göttlichen Oberkörper über den Bauchnabel bis zu den ... das durfte doch nicht wahr sein! Bens Shorts waren ihm zur Hälfte heruntergerutscht. Ich konnte sein bestes Stück sehen, direkt vor mir stand es kerzengerade in die Höhe, lächelte mich an und sagte, fass mich an! Ich war nahe daran, diesem imaginären Wunsch Folge zu leisten, da schoss es mir ins Gehirn wie ein Blitz. Hatte Ben mich nicht gestern Nacht geküsst, hatte ich ihn nicht fast zum Krüppel geschlagen und war er nicht aus dem Zimmer gerannt? Ich versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Was war gestern wirklich passiert? Konnte es nicht sein, höchst unwahrscheinlich, das war mir selbst klar, dass ich das alles nur geträumt hatte? Weiter kam ich nicht, denn plötzlich räkelte sich jemand neben mir und wachte mit einem unglaublichen langen Gähnen auf. Ich drehte mich zu unserem Gastschüler um.
»Aaaah, Guten Morgen Chris. In deinem Bett schläft man einfach wunderbar. Hast du gut geschlafen, oder habe ich vielleicht zu viel geschnarcht?«
Ich sah ihn an. Gott sei Dank, anscheinend war das alles doch nur ein böser Traum. Ben würde mir wohl nicht so freundlich begegnen, wenn ich ihn gestern tatsächlich zusammengeschlagen hätte. Auf einmal musste ich unwillkürlich grinsen - ich sah zwischen Bens Beine ...
Er musste meinen Blick bemerkt haben, denn blitzschnell zog er seine Decke über sich und lief blutrot an.
»Ich ich ich ... ähm du musst entschuldigen. Ich bin im Schlaf sehr hyperaktiv ... Ich ... ich strample mir öfters mal nachts die Decke weg.«
Ich lachte. »Du brauchst dich doch nicht zu entschuldigen. Das passiert mir auch ab und zu mal, kein Grund zur Aufregung. Ich glaube, ich muss mich entschuldigen: Ich habe dich jetzt fast ganz nackt gesehen. Das ist doch wohl aber er ein Privileg deiner Freundin, nicht wahr?«
Jetzt wurde er nachdenklich. »Ich habe keine Freundin. Ich hatte auch noch nie eine. Ach, das mit dem fast nackt, das ist doch kein Problem. Ich gehe davon aus, dass du weißt, wie ein nackter Mann aussieht ...«
Jetzt war es an mir, rot zu werden. Ben lächelte nur.
»Du Ben, ich muss dich etwas fragen. Ich hatte nämlich heute Nacht einen sonderbaren Traum, das heißt ich weiß nicht genau, ob es ein Traum war. Stell‘ dir vor, ich habe dir eine ´reingehauen, nur weil du etwas gesagt hast, was mir nicht gepasst hat. Das war doch hoffentlich nur geträumt, oder spürst du etwas?«
»Das hast du nur geträumt. Ich kann mich an nichts erinnern, und wenn du mich geschlagen hättest, würde ich sicher nicht so hier herumliegen. Um was ging es denn? Was hatte ich dir gesagt?«
Ich rang mit mir selbst. Sollte ich ihm wirklich erzählen, was ich geträumt hatte? Wie würde er reagieren? Würde er Verständnis haben? Ich beschloss vorerst, Ben nichts zu erzählen.
»Das tut mir Leid, Ben. Ich weiß es nicht mehr. Ich kann mich nur noch an das im wahrsten Sinne des Wortes durchschlagendste Erlebnis erinnern, das du ja kennst. Aber sonst... hhm, da ist nichts mehr. Falls es mir doch wieder einfallen sollte, sage ich es dir natürlich.«
In diesem Moment schwang die Tür dermaßen schwungvoll auf, das auch ein Blinder mit Krückstock sofort gemerkt hätte, wer diese Tat vollbracht hatte.
»Guuuhhuuuten Morgen meine Täubchen! Habt ihr denn schön geschlafen? Ich soll euch sagen, dass das Früühüüstück fertig ist! Kommt ihr?« Tante Klara flötete in den höchsten Tönen.
Entnervt antwortete ich: »Ja ja, wir kommen. Wir ziehen uns noch schnell an, dann sind wir da. In Ordnung Ben?«
»Von mir aus OK. Wir sind sofort da, Frau Liebersteiner.«, antwortete Ben.
»Schätzchen, sag doch bitte Klara zu mir. Weißt du, ich haaaasse diesen albernen Nachnamen. Außerdem sind wir doch jetzt eine Familie. Nicht wahr, Chrissilein?« Da ich mich inzwischen aus dem Bett bewegt hatte, nützte Tante Klara die Gelegenheit, mich ausgiebig zu drücken und zu herzen. Als sie mich endlich aus ihrer Umklammerung losließ und graziös wie immer aus dem Zimmer getrippelt war, grinste Ben mich an.
»Deine Tante ist echt cool drauf. So eine wünsche ich mir auch. Die ist echt einmalig.«
»Oh ja, Tante Klara ist echt einmalig. Ich will sie auf keinen Fall missen. Aber jetzt auf geht's, wir wollen doch gefälligst pünktlich beim Essen erscheinen!«
Also machten wir uns fertig, Ben schaute noch schnell im Bad vorbei, und dann gingen wir runter. Wir setzten uns an den gedeckten Esszimmertisch. Meine Eltern, Klara und Sandra saßen schon daran. Es herrschte eine merkwürdig gedrückte Stimmung.
»Was ist denn los? So hab ich euch ja noch nie erlebt! Mama, du hast doch sonst immer so viel zu erzählen am Frühstückstisch!«
Meine Mutter sah mich an. Ich glaubte, eine Träne aus ihrem Auge kullern zu sehen. Dann wandte ich mich an meinen Vater. »Papa, was ist denn mit Mama?« Mein Vater schaute kurz zu mir herüber und sah dann zu Ben.
»Ben, ich möchte dich gerne nachher einmal sprechen. Kommst du in mein Arbeitszimmer?« Ben sah meinen Vater verständnislos an: »Was ist denn?« »Darüber möchte ich hier nicht sprechen. Komm einfach.« Ben nickte, über das, was ihm wohl bevorstand, sinnierend.
»Walther, was tust du denn so geheimnisvoll? Solltest du Ben nicht vorher informieren? Aaaaaaaaaaaaaaaaaaa-aaah, ich weiß worum es sich handelt! Eine Weihnachtsüberraschung! Na DAS ist natürlich was anderes. Oh wie schön! Da wird Chris sich aber freuen!« Tante Klara war mal wieder von ihrem Einfallsreichtum begeistert. Plötzlich stand meine Mutter auf.
»Oh, mir ist ganz schlecht. Entschuldigt mich.« Sie lief in Richtung Toilette.
»Was ist denn los mit Mama? So red doch schon, Papi!« Ich sah meinen Vater dringlich an.
Gereizt antwortete er: »Frag sie doch selber. Woher soll ich das wissen.« Damit war das Thema gegessen, und mein Vater verschwand ebenfalls vom Esstisch. Jetzt saßen nur noch wir drei Jugendlichen und meine Tante Klara am Tisch. Sie versuchte die Situation zu retten.
»Ähä, ähm, sie haben sicher noch etwas Wichtiges zu bereden.« Sie räusperte sich. »Wie ihr wisst, geht es auf die Adventszeit zu ... S-sollen wir heute was unternehmen? Wir könnten - jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa! - das ist DIE Idee! Wir könnten zusammen die Sauna besuchen! Was haltet ihr davon?«
Ich sah sie gequält an: »Ich weiß nicht, Tante Klara. Ich glaube, heute ist nicht der richtige Zeitpunkt, um in die Sauna zu gehen. Was meinst du, Ben?« Er schüttelte nachdenklich den Kopf.
»Nun gut. Wie ihr meint. Was ist mit dir, Sandra?«
»Warum nicht? Wann soll's denn losgehen?«
»Komm Ben, lass uns aufstehen und die beiden Frauenzimmer das unter sich ausquatschen.« Auf diese Bemerkung folgten mir zwei strafende Blicke von den beiden Damen. Ich zog Ben hinter mir her aus dem Zimmer heraus.
»Und, was sollen wir machen?«
»Was glaubst du, will dein Vater mit mir bereden?«, sagte Ben statt einer Antwort.
Ich überlegt kurz. »Hhm, ich weiß es beim besten Willen nicht. Ich kann mir nichts vorstellen, worüber er gerade mit dir reden will. Ich würde sagen, du findest das am besten heraus, indem du jetzt zu ihm in sein Zimmer gehst. Ich bin dann bei mir im Zimmer.«
»Jawohl Sir! Wird ausgeführt!« Ben lächelte mich an. Dann machte er sich auf den Weg in das Zimmer meines Vaters.
Ich fragte mich, was heute los war mit meinen Eltern. So hatte ich sie noch nie zuvor erlebt. Ich beschloss, zu meiner Mutter zu gehen und sie ein wenig auszufragen.
Ich klopfte an die Tür ihres Zimmers. Niemand antwortete. Da hörte ich plötzlich jemand schluchzen. War es meine Mutter? Ich öffnete vorsichtig die Zimmertüre. Da saß meine Mutter am Boden, hielt sich die Hände vors Gesicht und weinte. Ich setzte mich vorsichtig neben sie und nahm sie in meinen Arm.
»Mama, was ist denn los? Warum weinst du?«
Meine Mutter sah kurz auf und schaute mir ins Gesicht. Dann begann sie langsam zu sprechen.
»Chris, gestern Abend bin ich noch mal kurz zu euch ins Zimmer gekommen, um nach euch zu schauen. Sag mir bitte ehrlich: Bist du schwul?«
Ich zuckte zusammen. Woher wusste sie ...?
»Ich-ich - wieso fragst du, Mama?« »Das ist doch jetzt völlig unwichtig. Sag es mir bitte.«
»Ja.«
Darauf nahm mich meine Mutter in den Arm und drückte mich fest. Nach ca. zehn Minuten, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen, löste sie sich aus dieser Umarmung und lächelte mir ins Gesicht.
»Das ist doch nicht schlimm. Ich liebe dich auch, wenn du schwul bist. Das ändert ja schließlich nichts daran, dass du mein Sohn bist. Ach, mein Kleiner. Warum hast du denn nicht schon früher was gesagt?«
Jetzt stiegen auch mir die Tränen in die Augen. Die ganze Zeit hatte ich Angst vor diesem Augenblick, da ich meinen Eltern offenbaren musste, dass ich nicht auf Mädchen, sondern auf Jungs stand, und jetzt ging das so schnell und war auch kein Problem für meine Mutter. Ich fühlte mich, als schwebte ich auf Wolke sieben.
»Vielen Dank Mama. Ich hatte immer gefürchtet, dass ihr mich nicht mehr akzeptieren würdet, wenn ich euch das erzählen würde. Aber jetzt sag mir, wieso musstest du deswegen weinen? Und warum muss Ben zu Papa kommen, zu dieser geheimnisvollen Unterredung?«
»Komm, wir setzen uns erst mal hier hin.« Wir setzten uns auf die Couch, die bei meiner Mutter im Zimmer stand. »Ich sollte vielleicht erst die Geschichte zu Ende erzählen. Also, ich kam, wie gesagt, in dein Zimmer, und da sah ich euch daliegen, im Bett. Ben hatte die Arme fest um dich geschlungen und ihr schlieft tief und fest. Da hab ich mir schon meinen Teil dabei gedacht.«
Ein kalter Schauer durchfuhr mich. Ben hatte mich also in seinen Armen gehalten. War das ein Zeichen? Deutlicher konnte es eigentlich gar nicht mehr sein. War er auch schwul?
»Ganz richtig hast du es dir nicht zusammengereimt, Mama. Du hast doch gedacht, wir beide seien zusammen, richtig?« Sie nickte. »Das stimmt aber nicht. Ich weiß ja nicht, ob man Bens Verhalten so werten kann, dass er auch schwul ist. Er hat mir nichts erzählt. Aber ein kleines bisschen stimmt es schon: Ich habe mich nämlich tatsächlich verliebt - und zwar in Ben ...«
Meine Mutter lächelte mich an. Ich war froh, dass sie alles so locker aufnahm. Meine Mutter ist echt klasse.
»Ich war noch nicht ganz fertig mit erzählen. Nachdem ich euch so friedlich daliegen sah, bin ich runter zu Papa gegangen und habe es ihm erzählt. Was ich lieber nicht hätte tun sollen. So habe ich deinen Vater noch nie erlebt, Chris. Er schrie laut herum, schimpfte auf die Schwulen und insbesondere auf Ben, er würde dich schwul machen und so weiter. Ich wusste gar nicht, dass Walther so intolerant ist. Mir gelang es nicht, ihn zu beruhigen. Ich bin dann ins Bett gegangen. Er muss auf dem Sofa geschlafen haben, denn ins Schlafzimmer ist er nicht mehr gekommen. Nun will er Ben ins Kreuzverhör nehmen und ihn gegebenenfalls zurechtweisen. Ben würde nur weiter hier bleiben dürfen, wenn Papa zu dem Entschluss kommen würde, dass er keine Gefahr für dich darstellt - glaub mir, was habe ich nicht alles getan, um ihn vor dieser hirnverbrannten Idee abzubringen, aber er ließ sich nicht beirren. Ich hoffe nur, er setzt Ben nicht allzu zu.«
Verständnislos sah ich meine Mutter an. Mein Vater sollte derart krass reagiert haben? Mein Vater, mit dem man sonst über alles Mögliche reden konnte, sollte so intolerant sein?
»Ihr müsst jetzt beide stark sein - sprich mit Ben darüber. Wenn er auch schwul sein sollte, dann müsst ihr versuchen, Papa davon zu überzeugen, dass auch Schwule ganz normale Menschen, zum Beispiel sein Sohn, sind. Ich werde euch natürlich unterstützen - und ich denke, dass auch Tante Klara mit von der Partie sein wird. Wir dürfen uns jetzt nicht entmutigen lassen!«
Ich sah meine Mutter an und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Danke Mama.«
»Weiß eigentlich Sandra schon Bescheid?«
»Ja, ich habe es ihr gestern gesagt. Ich wollte es eigentlich gar nicht, aber du weißt ja, wie sie ist. Unbeirrbar - unberechenbar.« Jetzt mussten wir beide lachen. Dann sagte ich: »Ich glaube, ich sollte jetzt mal nach Ben sehen.«
»Ja, das ist eine gute Idee. Und bau ihn ein wenig auf, mein Schatz!« Ich drückte meine Mutter nochmals kurz und verschwand dann aus ihrem Zimmer. Ich ging in den oberen Stock und suchte Ben. Aber ich konnte ihn nirgends finden. Ich filzte jedes einzelne Zimmer, aber von Ben keine Spur. Da sah ich auf einmal, dass die Falltür zum Speicher hinunter geklappt und auf diesem Licht an war. Ich atmete kurz durch, und machte mich auf den Weg nach oben auf den Dachboden.
Ich schaute mich um. Nirgendwo konnte ich jemanden erkennen, dann sah ich auf einmal Ben: Er saß zusammengekauert und schluchzend am hintersten Ende des Dachbodens. Langsam lief ich auf ihn zu, aber er bemerkte mich nicht. Als ich mich auf etwa zwei Meter zu ihm genähert hatte, blickte er plötzlich auf. Als er mich sah, stand er blitzschnell auf und rannte davon. Weit kam er allerdings nicht. Denn auf unserem unaufgeräumten Dachboden lag überall allerlei Gerümpel. Ben stürzte über einen querliegenden Holzbalken. Besorgt rannte ich auf ihn zu, atmete dann aber erleichtert auf: Augenscheinlich war meinem süßen Schnuckel nichts passiert. Zumindest physisch nicht.
»Ben, ist dir was passiert? Ist alles in Ordnung mit dir?«
Er schaute auf den Boden. Tränen liefen ihm aus den Augen, über die Backe herunter, und tropften auf sein T-Shirt. Dann sah er mich verächtlich an. »Ach, interessiert dich das wirklich? Ist das so eure Art bei euch in der Familie? Macht ihr zuerst Minderheiten fertig, die euch nicht in den Kram passen, und behandelt ihr sie dann wieder so, als sei alles in Ordnung? Aber sei unbesorgt. Ich verschwinde sobald wie möglich. Ich möchte euch nicht weiter euer Weltbild versauen.«
»Was ist denn passiert, Ben? Ich weiß wirklich nicht, was los sein soll!«
»Ach, tu doch nicht so.« schnaubte er. »Du weißt von nichts, stimmt's ? Na dann will ich dir mal auf die Sprünge helfen. Du erinnerst dich aber sicher noch daran, dass mich dein Vater unter vier Augen sprechen wollte. Ich bin nichtsahnend in sein Arbeitszimmer gegangen, und dann ging's richtig los. Was ich mir dabei gedacht habe, heute Nacht dich in meinen Armen zu halten, ich wolle dich wohl konvertieren und so weiter.«
Ich unterbrach ihn: »Moment mal. Zu was willst du mich angeblich konvertieren?«
Ben schüttelte den Kopf. »Bist du eigentlich schwer von Begriff? Ich bin SCHWUL und ich habe mich in dich verliebt. Gestern Abend, da konnte ich einfach nicht mehr. Ich sah dich daliegen, und da musste ich mich einfach an dich kuscheln. Ich konnte nichts dagegen unternehmen, es kam einfach so ...« Er machte eine kurze Pause. »So, jetzt weißt du es. Du willst bestimmt nichts mehr mit mir zu tun haben, richtig?«
Ich konnte es einfach nicht fassen - mein größter Traum war in Erfüllung gegangen: Ben war auch schwul und sogar in mich verliebt! Besser konnte es gar nicht kommen. Meine Gedanken schwirrten wirr umher. Wie würde es jetzt weitergehen?
»Du hasst mich jetzt bestimmt. Aber das ist mir egal - ich hau sowieso ab. Hier will ich nicht mehr bleiben.«
Schock überfiel mich. Nein, das konnte Ben mir nicht antun! Er meint es doch hoffentlich nicht ernst! Ich spürte, wie mir Tränen aus den Augen flossen ... Ben starrte mich an. Dann sagte ich langsam: »Ben, ich muss dir was gestehen: Ich - ich ... ich bin auch schwul. Und vom ersten Moment, an dem ich dich sah, habe ich mich in dich verliebt. Bitte! Geh nicht. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich tun sollte. Ich liebe dich doch.«
Dann brach ich vollends in Tränen aus. Ben starrte mich noch immer fassungslos an. Nach einer kleinen Ewigkeit rückte er plötzlich ganz nahe an mich heran und nahm mich in den Arm. Auch ich drückte mich ganz fest an ihn. So saßen wir dann etwa eine halbe Stunde. Dann sagte Ben: »Lass uns runtergehen. Hier ist es kalt.« Wir stiegen gemeinsam die Treppe herunter und verschlossen die Dachbodentür.
Von unten hörten wir lautes Geschrei. Mein Vater tobte. Wir hörten jemanden die Treppe herauf poltern, unmittelbar darauf wurde die Zimmertür aufgerissen, mein wutschnaubender Vater kam ins Zimmer gestürmt und rannte auf uns zu.
»Das gibt's doch gar nicht! Diese Schwuchtel streitet alles ab! Und deine Mutter will sie auch noch unterstützen, indem sie sie hier behalten will. Dieser Hinterlader soll doch nicht auf dich abfärben! Und ...« Da unterbrach ich ihn.
»Papa, weißt du eigentlich, was du da für einen Stuss erzählst? Wo lebst du eigentlich, im Mittelalter? Hast du schon mal was von Toleranz gehört? Schwule sind nämlich genauso ganz normale Menschen, wie ihr Heteros.« Mit einem Mal wurde er blass. »Ja, du hast richtig gehört, ich bin auch schwul. Und damit du's weißt: Ich habe mich in Ben verliebt und wir sind zusammen.«
Blitzartig lief mein Vater rot an. Dann begann er zu schreien: »Ich glaub's nicht! Der Arschficker hat unseren Sohn schon unter Kontrolle! Er hat ihn konvertiert! Ich werde dich jetzt augenblicklich aus dem Haus werfen. Diese Schwuchtel soll nicht länger unser schönes Haus beschmutzen.«
»Bist du wahnsinnig geworden? Ben bleibt hier oder ich gehe mit ihm weg. Entweder wir beide bleiben hier oder du hast keinen Sohn mehr, du Monster.« Eiskalt sah mir mein Vater in die Augen, aber ich hielt seinem Blick stand.
Die Situation eskalierte. Mein Vater holte weit aus, und scheuerte mir eine, dass ich auf den Boden geschleudert wurde und mit dem Hinterkopf gegen den Schrank stieß. Er sah mich verachtend an und rannte aus dem Raum. Einige Augenblicke später hörte ich die Haustüre zuschlagen. Ben, sichtlich geschockt, wandte sich zu mir und sah sich meine Wunde an. Zum Glück war es nur ein Kratzer. Aber Ben sah mir verzweifelt in die Augen.
»Chris! Chris, bist du in Ordnung? Hast du dich verletzt? Warte, ich rufe deine Mutter.« Panisch rannte er die Treppe nach unten und schrie nach meiner Mutter. Dann kam er wieder zu mir und setzte sich neben mich. Immer noch geschockt (ich glaube sogar mehr als ich ...), sah er mir ins Gesicht.
»Geht es wieder? Tut es noch weh?«
»Ein bisschen schmerzt es noch, aber die Wunde ist nicht tief. Es ist nur ein Kratzer, nicht weiter schlimm.«
»Nicht weiter schlimm? Ich habe schon gedacht, du stirbst mir gleich weg!«
Ich grinste. »Da gibst es gar nichts zu grinsen! Denk doch nur mal nach, was passiert wäre, wenn ...«
Weiter kam er nicht, denn ich zog seinen Kopf zum mir herunter und küsste ihn ... Direkt auf den Mund. Dieses Gefühl war einfach atemberaubend. Ich kann es gar nicht beschreiben, es war so geil. Unsere Lippen berührten sich immer wieder und wieder, unsere Zungen kämpften um die Vorherrschaft im jeweils anderen Mund. Es war einfach wunderschön ...
Plötzlich räusperte sich jemand. »Es tut mir ja leid, dass ich euch unterbrechen muss, aber irgendjemand hat mich gerufen! Was ist denn los?« Es war meine Mutter. Mit einem Grinsen, breiter als das eines Honigkuchenpferds, sah sie uns zu. Und ich wusste nicht, wie lange sie dort schon stand. Mit einem Satz war Ben von mir runter und sah meine Mutter ängstlich an. Diese lachte.
»Ben, sei unbesorgt. Ich habe kein Problem damit, dass ihr beiden schwul seid. Im Gegenteil ich freue mich für euch. Und so einen hübschen Schwiegersohn bekomme ich bestimmt auch nicht alle Tage!«
Ben wurde rot. »Und sie haben wirklich nichts dagegen?«
»Nein, wirklich nicht! Wieso sollte ich? Homosexuelle sind doch etwas ganz normales und ich weiß nicht, warum ich euch nicht unterstützen sollte! Chris hat sich heute Morgen, ich gebe zu, ein wenig unfreiwillig, bei mir geoutet, und du siehst, er ist noch am Leben ...«
Auf einmal wurde sie ernst. Anscheinend hatte sie meine kleine Wunde am Kopf bemerkt.
»Oh Gott Chris, was ist denn mit dir passiert? Wer hat dir denn das angetan?« Sie kam auf mich zugelaufen und untersuchte die Verletzung. »So red doch!«
»Mama, das ist nicht weiter schlimm. Ist doch nur ein Kratzer!« »Du hast recht, wirklich gravierend ist es nicht. Aber jetzt sag, wer war das?« Ich sah Ben an. Dieser nickte nur stumm. »Papa war es. Vor etwa zehn Minuten kam er hier rein, schimpfte auf Ben und als ich ihm dann die Meinung gesagt habe, ist ihm die Hand ausgerutscht. Ich bin dann gegen den Schrank geknallt.«
Meine Mutter schüttelte den Kopf. »Dein Vater ist absolut wahnsinnig geworden. Ich weiß nicht, wie das weitergehen soll, Chris. Vorhin ist er aus dem Haus, nicht wahr? Ich hoffe, er bleibt diese Nacht wenigstens weg. Aber lasst uns morgen darüber reden, wenn auch Tante Klara und Sandra da sind. Kommt ihr jetzt alleine klar? Ich würde gerne ´runtergehen und weiterarbeiten.«
Zuerst grinsten wir uns gegenseitig an, dann meine Mutter. Na klar kamen wir ohne sie klar! Und wie gut wir ohne sie klar kamen ...
»Also gut meine zwei Hübschen.« Sie strich uns beiden übers Gesicht. »Dann lass ich euch jetzt mal alleine.« Mit diesen Worten entschwand sie aus unserem Blickfeld.
Ich schaute zu meinem Ben rüber. Er sah mich treu wie ein Hund an. Ich streckte meine Hand aus. »Komm doch her, mein Süßer.« Ben brauchte nicht lange, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Mit einem Satz war er bei mir und schmiegte sich an mich.
»Ach Ben, wie froh bin ich doch, dass ich dich habe. Ich habe mir schon immer einen Boyfriend gewünscht, und jetzt endlich ist mein Wunsch in Erfüllung gegangen. Ich liebe dich.«
»Chris, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll ... Du bist einfach wunderbar. Deine Familie, deine Tante ... was Besseres hätte mir gar nicht passieren können. OK, deinen Vater mal ausgenommen. Ich liebe dich auch.«
Dann konnten wir uns nicht mehr zurückhalten. Wir küssten uns ununterbrochen und vergaßen die Zeit dabei. Es war schon dunkel geworden.
Plötzlich hallte es durch die Diele: »Na wenn das nicht unser Chris mit seiner neuen Freundin ist! Das ist ja geradezu HERZ-ER-WEICHEND!!!! So schnell haben die beiden zusammengefunden! Großartig. Ach wartet mal, Kinder, ich habe ja gar nicht meine Brille auf. Ich muss sie schnell suchen gehen. Einen Moment.« Mit diesen Worten rannte Tante Klara ebenso schnell wie sie gekommen war, wieder aus der Diele und entschwand ins Gästezimmer.
»Och Mensch, deine Tante kommt aber auch immer im unpassendsten Moment.« Ben war ein wenig niedergeschlagen. Ich versuchte, ihn aufzumuntern: »Ach Süßer, sie ist doch gleich wieder weg. Ich stelle ihr nur noch meine neue Freundin vor, dann sind wir sie wieder los.«
Ben starrte mich fassungslos an. »Deine FreundIN? Bist du bi und willst mich ausnutzen oder wie seh‘ ich das?« »Aber Ben. Ich habe doch nur einen Spaß gemacht. Tante Klara geht eben davon aus, dass ich auch hetero bin. Sie hat halt nicht genau hingesehen - das klärt sich jetzt bestimmt.« Ben sah noch ein wenig misstrauisch aus, kuschelte sich dann aber wieder an mich. Da kam auch schon Tante Klara hereingeschneit.
»Sooooo meine lieben kleinen Turteltäubchen, ich will euch ja gaaaar nicht stören, aber ich muss doch Chris‘ neue Flamme kennen lernen!!!« Abrupt blieb sie stehen.
»Ben? Du?« Es war köstlich. Einer der wenigen Momente, in dem ich Klara völlig sprachlos sah. Oder war es sogar der erste? Sie starrte uns an, fand dann aber (leider) nach einigen Sekunden die Sprache wieder.
»Das ist ja, also das ist ja ... Ja das ist ... Das ist ja FAN-TAS-TISCH!!! Chris, Ben! Herzlichen Glückwunsch euch beiden! Ihr seid jetzt also zusammen? Ihr seid beide schwul? Und habt euch so schnell gefunden?«
»Na du bist ja ein Blitzmerker, Tantchen. Ben und ich sind zusammen.« Ein wenig misstrauisch sah sie schon aus, fand ich. »Und du hast auch bestimmt nichts gegen Schwule?«
Klara kam auf uns zugerammt und schloss uns beide gleichzeitig (!!!) in die Arme. »Aber nein, meine Kindchen! Wieso sollte ich? Schwule sind genauso Menschen wie alle anderen auch, und man muss auch diese Form der Sexualität respektieren. Habt ihr denn schon allen die freudige Botschaft übermittelt? Weiß es Mama schon? Und wie ist es mit Papa? Sandra?«
»Mama weiß es und ist begeistert. Sandra weiß es noch nicht, und nun ja, Papa, er weiß es auch. Allerdings ... er ist vollkommen ausgerastet, hat Ben beschimpft und mich zusammengeschlagen ...«
Klara löste sich aus der Umarmung und schlug beide Hände vors Gesicht. »Oh mein Gott, ist dieser Mensch denn verrückt geworden? Na, ich hab es ja schon immer gesagt, seine Mutter, sie hat ihn vollkommen falsch erzogen. Viel zu intolerant. Ich sag's ja, ich sag's ja ... Und was ist dann passiert?«
Also begann ich erst mal, meinem Tantchen die ganze Geschichte zu erzählen. Nachdem sie jede Einzelheit genau erklärt haben wollte, zog sich das Ganze eine ziemlich lange Zeit hin ... Die Zeit zog sich sogar so lange hin, dass bereits irgendjemand zum Abendessen läutete, als ich noch nicht mal sechs siebtel zu Ende erzählt hatte.
»Schrecklich, schrecklich. Du erzählst mir dann später weiter, nicht wahr mein Kleiner? Aber lasst uns nun zum Abendessen gehen, ich hab schon so'n Hunger ...«
Tante Klara eilte voraus und trippelte die Treppe hinab. Auch wir beiden machten und auf den Weg zum Esstisch. Die ganze Familie (mit Ausnahme meines Vaters) hatte schon am Tisch platzgenommen. Wir setzten uns natürlich nebeneinander. Dann plötzlich sagte Sandra:
»Wo ist denn eigentlich Papa? Ich habe ihn den ganzen Tag nicht gesehen. Was wollte er denn von dir, Ben, heute Morgen?« Ben sah sie nicht gerade wohlwollend an. Meine Mutter sagte:
»Sandra, lass uns später darüber reden. Ich glaube, das ist nicht der rechte Zeitpunkt dafür. Aber wie wär's, wenn du Ben und Chris gratulieren würdest?«
Sandra sah uns überrascht an. »Was ist denn los? Hat einer von euch Geburtstag? Brüderchen, sag bloß, habe ich wieder einmal deinen Geburtstag vergessen? Oder hast du, Ben? Jetzt sagt doch schon, was ist los?«
Ich wollte gerade schon zur Erklärung ansetzen, da rief Tante Klara so laut, dass mindestens der Kleine von unseren Nachbarn aufgewacht sein musste: »WAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAS? Das weißt du noch gar nicht? Aber Schääääätzchen, dir entgeht wohl sehr vieles! Chris und Ben sind doch jetzt ein Paar, sie sind zusammen!«
Sandra strahlte uns an. »Echt? Wollt ihr mich nicht auf die Schippe nehmen? Ihr seid echt zusammen?« Wir nickten. »Na dann, herzlichen Glühstrumpf! Wie lange denn schon? Bestimmt habt ihr euch schon auf dem Flughafen ineinander verliebt, und habt bis jetzt nicht gesagt, hab‘ ich Recht?« Sie zwinkerte uns zu.
Ben musste lachen. »Du hast Recht, Sandra. Ich hab mich schon auf dem Flughafen in deinen niedlichen kleinen Bruder verliebt.« Ich wurde rot. »Aber ich konnte doch nicht sofort zu ihm hingehen und sagen Hi da bin ich, ich bin schwul und hab mich in dich verliebt. Ihr hättet mich womöglich gleich zurück geschickt.«
Ich musste Ben einfach knuddeln. Ich nahm ihn in den Arm und drückte ihm ein Küsschen auf die Wange. »Als ich meinen kleinen Süßen zu ersten Mal auf dem Flughafen gesehen habe, da war ich auch sofort hin und weg von ihm. Ach Ben, alles hätte so einfach sein können. Aber das Schicksal wollte es nun mal so.«
Tante Klara liefen die Tränen aus den Augen. »Ach Kinder, das ist alles so wahnsinnig herzerweichend, entschuldigt mich ...« Sie holte eines ihrer riesenhaften Stofftaschentücher aus der Rocktasche und schnäuzte sich derart kräftig, dass sie locker mit dem Trompeten eines Elefanten mithalten konnte. Ein Wunder, dass die Fensterscheiben dieser unerwarteten Belastung standhielten. Nachdem sie ihre Fassung wieder erlangt hatte, strahlte sie uns an. »Na Kinder, wollt ihr nicht morgen mit in die Sauna gehen? Sandrakindchen und ich haben beschlossen, wieder hinzugehen. Es war so wunderschön. Wisst ihr, morgen ist gemischte Sauna, und was man da alles sehen kann ...« Sie grinste. »All die knackigen jungen Kerle, nicht wahr, Sandra?«
»Hhm, sehr lecker. Wenn du nicht Ben hättest, Brüderlein, dann hätte ich dich glatt verkuppelt.« »Untersteh dich, Sandrakindchen ...« Auf diese Bemerkung hin durfte ich Sandras Faust in meinem Bauch spüren. »Aua. Willst du mich umbringen?« »Tu doch nicht so. Bist wohl doch'n Warmduscher, was?« Sie musste lachen. »Also, was ist jetzt, geht ihr mit? Ben?«
Wir sahen uns an und nickten. Ben sagte: »Na klar gehen wir mit. Mal sehen, ob ich nicht was Besseres als dich finde, Chris ... Wenn ich's mir recht überlege, so toll und niedlich bist du eigentlich gar nicht.« Wieder einmal sah er mich mit diesem schelmischen Grinsen an.
»Waaaas? Ach so einer bist du! Und mit so jemandem soll ich mich einlassen? Das kannste gleich vergessen.« Nun brach der ganze Tisch in Gelächter aus, und wir waren schon dabei, aufzustehen, da knallte dir Haustüre und mein Vater begann zu brüllen: »Was ist denn hier schon wieder los? Was gibt‘s verdammt noch mal zu lachen! So lange diese Schwuchtel in meinem Haus wohnt, lacht hier niemand, haben das alle verstanden?« Nun stand er im Esszimmer und starrte Ben hasserfüllt an. »Bist du immer noch da, du mieses Stück Scheiße? Verschwinde auf der Stelle aus meinem Haus, aber ein bisschen plötzlich.« Ben klammerte sich ängstlich an mich. Keiner traute sich, etwas zu sagen. Außer Sandra: »Papa! Was redest du denn da? Bist du wahnsinnig geworden?« »Halt deine Schnauze, Tochter. Du hast hier gar nichts zu sagen.« Dann sah er zu Ben. »Ach nee! Und jetzt machst du dich auch noch an meinen Sohn ran! Verdammt noch mal, was hast du hier überhaupt zu suchen? Mein Sohn soll schließlich einmal die Tradition der Familie weiterführen, und sich nicht von so einem Schwanzlutscher beeinflussen lassen.«
Auf einmal trat Tante Klara hervor. »Jetzt hältst du erst mal deinen Mund, du bist ja betrunken. Mit wem sich dein Sohn einlässt, ist immer noch ihm selbst überlassen. Du kannst nicht darüber bestimmen, mit wem er zusammen sein darf und mit wem nicht. Und du hast erst Recht keine Erlaubnis, mit einem Gast in diesem Ton zu reden. Was soll Ben von uns denken? Soll er denken, dass wir noch immer alle Nazis sind?«
»Ach so ist das, du fällst mir jetzt auch noch in den Rücken. Weißt du, manchmal ist es wirklich schade, dass es niemanden mehr gibt, der das deutsche Volk mit starker Hand führt wie damals Hitler. Dann wären wir wenigstens diese lästigen Schwuchteln los. In die KZs mit ihnen, ja, das fehlt in unserer heutigen Politik. Klara, das hätte ich wirklich nicht von dir gedacht. Dass du dich gegen mich stellst.« Wütend sah er sie an. Anscheinend hatte er ein neues Opfer gefunden. »Du fette Wurst, was fällt dir eigentlich ein, ...«
Das war genug für Tante Klara. Sie holte weit aus und streckte meinen Vater gekonnt nieder. Er lag auf dem Boden und winselte. »Entschuldigt Kinder, aber das musste einfach sein. Ich konnte nicht mehr an mich halten.« »Wow, Tante Klara. Ich wusste gar nicht, dass du so gut Boxen kannst. Keine Angst, ich bin dir nicht böse. Papa brauchte unbedingt mal 'ne Abreibung.« »Danke Chris. Da fühl ich mich ja richtig geschmeichelt.«
»Klara, das war zwar nicht die feine englische Art, aber ich muss dir trotzdem danken, dass du diesem Schwachsinn ein Ende bereitet hast.« Meine Mutter sah richtig erleichtert aus, bückte sich dann aber doch zu meinem Vater hinab und fragte: »Ist dir was Schlimmeres passiert? Oder geht es, Walther?« »Du hältst besser dein Maul, Frau. Ich muss mir doch von solchen Ignoranten wie euch nicht den Mund verbieten lassen.« Er rappelte sich auf, lief in Richtung Haustüre. »Ich glaub, ich spinne. SO lasse ich mich nicht weiter behandeln.« Dann zeigte er auf Ben. »Und damit du es weißt, Schwuchtel: Ich werde dich schon irgendwie hier rausbekommen, verlass dich drauf. Du wirst nicht länger meine Wohnung beschmutzen.« Dann lief er geradewegs auf die Haustür zu, stolperte über einen Schuh und schlug darauf mit einem heftigen Knall die Türe hinter sich zu.
Fassungslos sahen wir uns an und schüttelten den Kopf. Ben hatte sich inzwischen auf einen Stuhl gesetzt. Als ich zu ihm herüber ging, stand er auf, begann zu schluchzen und warf sich in meine Arme. »Chris, ach Chris. Ich hätte nie kommen dürfen. Dann wäre das auch nie passiert. Es ist alles meine Schuld. Vielleicht sollte ich doch besser wieder nach Hause fahren, dann käme wieder alles in Ordnung mit eurer Familie.«
»Kommt gar nicht in Frage! Dich trifft absolut keine Schuld, mein Süßer. Mein verfluchter Vater hat alles kaputt gemacht mit seiner Intoleranz. Du musst hier bleiben, was würde ich denn ohne dich machen?« Ich nahm Ben noch fester in den Arm. Langsam beruhigte er sich.
»Kinderchen, lassen wir uns doch den Abend nicht versauen. Wie wär's wenn wir noch etwas spielten?« Tante Klara sah uns erwartungsvoll an. »Lass mal, Tante Klara. Ich gehe lieber mit Ben auf unser Zimmer.«
Meine Mutter kam zu mir und flüsterte mir ins Ohr: »Das halte ich auch für die bessere Idee. Kümmere dich ein wenig um Ben. Nicht, dass er noch irgendwelche psychischen Störungen davonträgt. Ich werde mit Tante Klara besprechen, was wir jetzt unternehmen. So kann das auf keinen Fall weitergehen. Dein Vater ist ja unbelehrbar.« Darauf sagte sie dann laut: »Also, gute Nacht, ihr Beiden.«
Ben nickte nur stumm. Wir gingen langsam nach oben, und ich setzte Ben auf mein Bett. Nachdem ich die Türe geschlossen hatte, setzte ich mich zu ihm.
»Chris, ich habe noch mal nachgedacht. Ich glaube, du hast Recht mit dem, was du vorhin gesagt hast. Ich sollte mir wirklich keine Vorwürfe machen. Die Anschuldigungen deines Vaters sind wirklich ungerecht und aus der Luft gegriffen. Ich finde, wir sollten uns nicht weiter darüber Sorgen machen. Hauptsache wir sind zusammen.«
Ich schaute meinen Schnuckel liebevoll an. »Mann, bin ich froh, dass du so cool darauf reagieren kannst. Lass uns die Sache einfach mal vergessen. Wir werden schon irgendwie eine Lösung finden. Und wenn ich meinen Vater eigenhändig aus dem Haus werfen muss.« Ich lächelte ihn an, legte darauf meine Hand auf Bens Oberschenkel und küsste ihn leidenschaftlich.
Ben war überglücklich. Seitdem ihm klargeworden war, dass er schwul ist, hatte er nach einem Boyfriend gesucht, der ihn versteht, mit dem er reden konnte. Und gerade jetzt, als er sich für den Deutschlandaufenthalt entschieden hatte, gerade da erfüllte sich dieser Wunsch. Ben war noch nicht einmal richtig in Deutschland angekommen, da küsste er auch schon seinen neuen Freund. Ja, Ben war überglücklich, und nichts anderes hätte er in diesem Moment gewollt, als seinen Chris fest in den Armen zu halten und ihn zu küssen.
Chris streichelte Ben über seine Brust. Er befühlte seine Muskeln, er streichelte seine Arme ... Ganz langsam zog er Ben das T-Shirt über die Schultern. Dieser lehnte sich zurück und genoss die sanften Küsse, die Chris über seinen Oberkörper fliegen ließ ...
Ben legte sich auf Chris‘ Bauch und küsste sein Gesicht. Er knabberte an den Ohren, leckte den Hals und streichelte seine Lippen. Dann hielten sich die Beiden einfach nur noch fest. Nach einer Weile mussten sie eingeschlafen sein ...
Ein Sonnenstrahl musste mich geweckt haben. Ich blinzelte mit den Augen und sah mich verschlafen in meinem Zimmer um. Was für ein schöner Tag! Wie wunderschön würde es wohl heute mit Ben in der Sauna werden ... Ben???? Wo war Ben? Neben mir lag niemand, und auch im Zimmer war nichts, das Ben im Entferntesten ähnlich sah. Ich versuchte, mich selbst zu beruhigen. Sicherlich war er nur auf die Toilette gegangen. Ich drehte mich auf die andere Seite. Aber was wäre, wenn...? Eine regelrechte Panik überkam mich. Ben würde doch wohl nicht seine Überlegungen wahr gemacht haben und klammheimlich zurück nach Hause geflogen sein? Oder zumindest auf dem Weg zum Flughafen sein? Obwohl wir noch Herbstferien hatten und ich eigentlich solange im Bett hätte bleiben können, wie ich wollte, hielt mich nichts mehr dort. Ich sprang aus dem Bett und wunderte mich schon, wieso es unter meinen Füßen so weich war (ich hatte doch keinen Bettvorleger, oder wusste ich bloß nichts davon? Hatte mir Tante Klara das Bärenfell untergelegt, dass ihr zweiter Mann von einem unschuldigen Bären in Kanada geschossen hatte?), da hörte ich ein schmerzvolles Stöhnen.
»Holy shit, who's standing on my back?«
Ich sah langsam an mir herunter und als ich an meinen Füßen angelangt war, was sah ich dort? Der arme Ben, mit meinem gesamten Gewicht stand ich auf ihm und benutze ihn als Fußabstreifer. Ich stieg sofort von ihm herunter und dann schüttelte es mich vor Lachen. Mir stiegen die Tränen in die Augen, ich verlor das Gleichgewicht und fiel neben Ben auf den Boden. Er fand dies wohl nicht ganz so witzig wie ich, denn er sah mich vorwurfsvoll an.
»Was gibt's da zu lachen? Du hast mir fast das Kreuz gebrochen mit deinen 140 Kilos!!«
So langsam beruhigte ich mich wieder. »Ben, sorry. Das wollte ich echt nicht. Aber wie konnte ich ahnen, dass du es vorziehst, auf dem Boden zu nächtigen als in einem wunderschönen weichen Bett zu schlafen?«
»Natürlich schlafe ich auch lieber in einem Bett als auf dem Boden, aber wie du schon weißt, bin ich ziemlich hyperaktiv im Schlaf, und da kann es schon mal vorkommen, dass ich mich am nächsten Morgen auf dem Boden wiederfinde.«
»Und ich hatte schon gedacht, du hättest deine Überlegungen in die Tat umgesetzt und wärst angehauen, als du mir vorhin neben mir gefehlt hast.«
Ben lächelte mich an. »Keine Angst Lover. Ich hab dich doch viel zu gern, um dich jetzt Hals über Kopf zu verlassen.«
Ich musste wieder loslachen. Mein süßer Lover hatte also ein Schlaf- aber zum Glück kein sonstiges Problem. Aber wenn ich mich darum gekümmert haben werde, wird ihm das schleunigst vergangen sein.
Nachdem ich mich wieder einigermaßen eingekriegt hatte, gab ich Ben erst mal einen Guten-Morgenkuss. Eigentlich war ich gar nicht darauf gefasst, denn plötzlich warf mich Ben auf den Rücken und legte sich auf mich. Unsere nackten Oberkörper schmiegten sich aneinander und wir küssten uns leidenschaftlich. So wälzten wir uns vielleicht noch eine Viertelstunde auf dem Boden herum, als plötzlich eine Stimme sagte: »Guten Morgen, ihr beiden Wilden. Wenn ihr mit in die Sauna wollt, dann zieht euch lieber mal an. Aber euch ist wahrscheinlich auch ohne Sauna schon so heiß, dass ihr vielleicht gar nicht mitwollt?«
Wir ließen voneinander ab und drehten uns in Richtung Tür. Meine Schwester stand im Türrahmen und grinste uns fröhlich an.
»Na los! Oder wir gehen ohne euch!«
»Ja ja, wir kommen ja schon, du Sklaventreiberin.« Ben grinste meine Schwester an. Sie winkte uns kurz zu und war dann schon wieder verschwunden. Mein Süßer und ich zogen uns in Windeseile an, suchten die Sachen, die wir für die Sauna benötigen würden zusammen und rasten dann im Eiltempo die Treppe herunter. Tante Klara und Sandra saßen schon Wagen und warteten nur noch auf uns. Meine Mutter hatte keine Lust mitzukommen. Sie war kein außerordentlich großer Saunafreak und zudem hatte sie noch einiges zu erledigen. Also setzten wir uns in das Auto und kurz darauf ging es los.
»Aber bitte Tante Klara, fahr nicht wieder so wild wie gestern. Ich möchte gern noch ein paar Jährchen weiterleben. Und die anderen sicherlich auch.«
»Nananah Sandraschätzchenmäuschen. Du weißt doch, ich bin der vorsichtigste Fahrer in der westlichen Hemisphäre. Ich fahre schon lange nicht mehr so verantwortungslos wie in meiner Jugend. Ihr könnt mir vollstens vertrauen.«
»Na dann sind wir ja beruhigt.«
Schon nach kurzer Zeit überdachte ich noch mal, was Tante Klare gerade eben gesagt hatte. Sie wolle der vorsichtigste Fahrer diesseits des Orients sein??? Und das ist man immer noch, wenn man mit 90 über die rote Ampel brettert, haarscharf an einem dicken fetten LKW vorbeischrammt und mit gesalzener Geschwindigkeit in die nächstbeste Kurve einbiegt?
Ich war jedenfalls gottfroh, als wir endlich am »Gesundheitszentrum Walderuh« ankamen, wo wir die Sauna besuchen wollten. Und ich denke, die anderen würden mir vollkommen beipflichten.
Wir schnappten unsere Sachen aus dem Auto und machten uns auf den Weg in Richtung Eingang. Tante Klara bezahlte für uns alle, nachdem sie heftigst Bens Versuche, für sich selbst zu zahlen, abgewehrt hatte, und wir trennten uns erst mal, denn Männlein und Weiblein hatten (wie sich das gehört ...) getrennte Umkleidekabinen. Da das »Gesundheitszentrum Walderuh« dafür bekannt war, dass es Entspannung für Körper und Seele bietet, befanden sich dort natürlich auch noch andere Einrichtungen als die Sauna; beispielsweise ein riesiges Schwimmbecken. Und gerade aus diesem Grund war es nicht erlaubt, dort nackt bis zur Saunalandschaft durch zuschreiten. Also gingen wir, nur mit Badehose bekleidet, zu unserem eigentlichen Ziel. Tante Klara und mein Schwesterchen waren schon da.
»Na sieh mal einer an. Guck mal wer da kommt, Tante Klara. Wer sagt denn, dass Frauen immer so lange zum Umziehen brauchen? Ihr seid wohl das beste Beispiel dagegen - oder habt ihr euch noch sonst wie vergnügt ...?« Sie zwinkerte uns zu.
»Da muss ich dich leider enttäuschen, Sandra. Ich weiß ja nicht, wie es Chris geht, aber ich habe mich in Zurückhaltung geübt, damit ich später noch was von deinem Brüderchen habe ...« Ben grinste über beide Ohren und stieß mich in die Seite, was ich sofort mit einem gekonnten Sprung auf seinen Rücken erwiderte. Was ich lieber nicht hätte tun sollen, denn auf einmal rannte Ben mit mir auf den Schultern los, durchquerte die Hallen und warf mich ins eiskalte Kaltschwimmbecken, in dem man sich eigentlich erst nach der Sauna abkühlt.
Prustend und keuchend trieb ich auf der Wasseroberfläche. Dann begann ich, wie wild um mich zu schlagen und tat so, als könne ich nicht schwimmen. Dabei schaute ich zu Ben, der ziemlich besorgt am Beckenrand stand und beobachtete, was jetzt wohl geschehen werde. Als ich dann Anstalten machte zu versinken, wurde Ben bleich. Er dachte wohl immer noch, das alles sei blutiger Ernst. Auf einmal sprang er ins kalte Wasser tauchte nach mir. Bereitwillig ließ ich mich von ihm »retten« und mich an eine seichte Stelle bringen.
»Danke Ben. Das wäre doch aber nicht nötig gewesen. Es war gerade so schön im Wasser ... Da wollte ich nur noch ein wenig plantschen ...«
»Waaaaas?« Du wolltest nur plantschen? Du kannst also schwimmen? Und du hast mich die ganze Zeit an der Nase herumgeführt? Ich habe Todesängste ausgestanden, und du hast dich nur lustig über mich gemacht??? Na warte!!!»
Ben warf sich auf mich und tunkte mich. Einige Zeit später flehte ich in an, Einhalt zu gebieten. Ich schwor ihm, derartige Dinge nie mehr wieder zu tun. So langsam wurde es uns richtig kalt, und Ben schlotterte bereits am ganzen Körper.
»Woah ist das kalt hier. Komm Süßer, lass uns zur Sauna rüber gehen. Da wird uns bestimmt wieder warm.« Ich legte meinen Arm über seine Schultern und wir gingen zusammen zu den Saunen. Unsere beiden Begleiterinnen waren nirgends mehr zu sehen. Sicher waren sie schon in die Sauna reingegangen.
»Auf welche Sauna hättest du denn Lust, Ben?«
»Hhm, keine Ahnung. Ich weiß, es kursiert ja das Gerücht, wir Amerikaner seien prüde. Immer stimmt das natürlich nicht, aber was das angeht ... Ich habe von Sauna so viel Ahnung wie vom Eisfischen in Alaska. Entscheide du. Oder, wenn ich es mir recht überlege, eigentlich ist es mir egal. Hauptsache dahin, wo möglichst wenig Leute sind.«
»Das wird schwierig werden, aber mal sehen. Heute kommen gerne immer so viele Leute her.«
Wir suchten zusammen alle Saunen ab. Alle waren sie fast rappelvoll. Endlich kamen wir zu einer, wo nur zwei Leute drin saßen.
»Komm, wir gehen hier rein.«
»Alles klar, OK.«
Also entledigten wir uns unserer restlichen Sachen und öffneten die Tür zur Sauna. Drinnen saßen eine ältere Frau und ein Junge, vielleicht drei bis vier Jahre jünger als wir. Wir setzten uns in die hinterste Ecke, wo man einen guten Überblick über alles hatte.
Ben schaute noch ein wenig misstrauisch. »Mann, ist das heiß hier. Können wir nicht ein bisschen kälter schalten?«
Ich sah meinen Süßen halb verwundert, halb belustigt an. »Ben, wir sind hier in einer Sauna! Da muss es heiß sein, das ist ja der Sinn und Zweck! Du wirst dich schon daran gewöhnen, wart's ab.«
Ben war anscheinend noch nicht ganz überzeugt, aber so langsam kam er gut mit der für ihn neuen Situation recht.
Ich musste mich ganz schön zurück halten, dass ich keinen Steifen bekam, denn mit Ben neben mir war das keine einfache Sache. Ich versuchte mich voll und ganz auf was völlig ab törnendes zu konzentrieren, etwa die Titten von Tante Klara oder die Möse einer meiner Klassenkameradinnen. Ihr werdet euch sicher fragen, »Hää?«, ich dachte, der Typ sei schwul. Bin ich auch. Nur vor sechs Jahren wusste ich das noch nicht und da hatte ich ein Mädchen aus meiner Klasse bei mir eingeladen. Sie heißt Vivian. Sie steht (immer noch) ziemlich auf mich und würde wohl gerne was mit mir anfangen. Aber ich will das, aus bekannten Gründen, nicht. Als sie dann bei mir war, spielten wir »Doktor und Patient« ... Wie kleine Kinder das eben noch völlig unbefangen machen ... Ich musste also ihre Möse ziemlich genau untersuchen, und dieses Bild ist mir eben noch ziemlich genau in Erinnerung.
Aber irgendwie gelang mir das nicht. Nach einer Weile stand mein kleiner Chris wie eine Eins in die Höhe und als ich zu Ben blickte durfte ich mit Erleichterung feststellen, dass es ihm mindestens genauso, wenn nicht gar schlimmer als mir erging. Die alte Dame schaute missmutig zu uns herüber. Dann murmelte sie ein paar unverständliche Sätze, von denen ich nur ein paar Wortfetzen mitbekam.
» ... Frechheit. Mitten ... ihre Sexualität auszuleben. Und ... mit einem kleinen Jungen ... alles mitbekommen ... So was ... Sittenverfall ... heutiger Jugend.« Daraufhin verließ sie sichtlich erregt die Sauna.
»Na die hat vielleicht Probleme.« Ben schaute mich an. »Hey, so langsam gefällt es mir hier. Ich glaub, da könnt ich's länger aushalten.«
Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten. Langsam begann ich, Ben zu streicheln. Ich küsste ihn auf die Wange, auf den Hals, auf den Arm. Ich ließ meine Küsse auf seinem Oberkörper kreisen und ging langsam tiefer ... Ben erwiderte meine Zärtlichkeiten mit lustvollem Stöhnen ...
Dabei hatten wir ganz vergessen, dass wir keineswegs alleine in der Sauna waren: Der Junge saß immer noch an seinem Platz. Plötzlich sagte er:
»Iiih, ihr seid ja schwul.« Wir schreckten zurück und starrten ihn an. Ben sagte: »Ja, und?« »Meine Mutter sagt, dass Schwule verschwinden müssen. In der Bibel steht nichts davon, dass es auch Schwule gibt.«
»Aber das stimmt doch gar nicht. Schwule sind auch bloß Menschen, die halt nicht Frauen, sondern lieber ...« Weiter kam Ben mit seiner Erklärung nicht. Der Kleine raffte sein Zeug auf und stürzte aus der Sauna. Dabei schrie er: »Iih, iih, hier sitzen zwei Schwule, iih. Mama!!«
Wir sahen uns an. Ich musste den Kopf schütteln. »Ich kann es nicht glauben, dass es noch solche Leute gibt, die ihren Kindern beibringen, dass Schwule schlechte Menschen sind und eigentlich gar keine Daseinsberechtigung haben.«
»Mach dir keinen Kopf, Lover. Leider gibt es noch solche Menschen. Aber die Mehrzahl ist aufgeklärt und auch tolerant Schwulen gegenüber.«
»Ich wünschte, du hättest Recht.« Ich seufzte. »Aber die Realität sieht häufig ziemlich anders aus. Wir können nur hoffen, dass die Menschen dazulernen.«
Gerade lehnte ich mich an meinen Süßen, da wurde die Tür zur Sauna aufgerissen und eine junge Frau stürzte herein. Hinter ihr stand der kleine Junge von vorhin. Mit starkem bayerischen Akzent begann sie, uns anzumotzen:
»Sagt mal, was fällt euch eigentlich ein? Dass ihr schwul seid ist ja schon schlimm genug, aber müsst ihr das auch noch in der Öffentlichkeit ausleben? Was soll mein kleiner Martin da denken? Schließlich steht nichts davon in der Bibel, dass es auch Schwule gibt. Da habt ihr aber Glück gehabt, dass ihr ihn nicht angefasst habt, ihr Perversen! Oder Martin? Sag, haben sie dir was gemacht?«
Kleine Kinder können Monster sein. Und so was von gehässig.
»Doch. Der da, der Blonde hat mich angefasst. Hier unten.« Dabei begann er zu heulen und fasste sich an seinen Schwanz, besser gesagt an sein Schwänzchen.
»Waaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaas?« Du Perverser, meinen Kleinen anzufassen! Oh wartet nur, das gibt aber was. Ich werde, ich werde ...»
»Jetzt halten sie aber mal die Luft an. Was soll das eigentlich, Sie kommen hier rein und beschimpfen uns! Was haben wir denn angestellt? Wir sind zwar schwul, aber keine Verbrecher, geschweige denn Kindervergewaltiger. Können Sie mir bitte mal erklären, was daran schlimm sein sollte, schwul zu sein?«
Die Frau holte Luft. Anscheinend waren ihr die Argumente ausgegangen. »Also, also das ist ja eine Frechheit. Erst meinen Sohn anfassen und dann so was. Was glaubt ihr eigentlich, wer ihr seid? Wegen euch wird Martin jetzt womöglich auch noch schwul!«
»Hey, kommen Sie mir nicht damit! Wissen Sie eigentlich, wie unsachlich und destruktiv ihre Argumente sind? Also ob Homosexualität ansteckend wäre. Entweder man ist schwul - oder nicht. Dagegen kann man überhaupt nichts tun, man kann es verstecken, ja, aber das ist keine Lösung. Sie können aber nicht behaupten, ihr Sohn würde jetzt schwul, nur weil er zusammen mit uns in der Sauna gesessen ist. Und wenn Sie ihm jetzt wirklich glauben, mein Freund hätte ihn angefasst, dann muss ich wirklich sagen, das ist ganz schön arm. Homosexualität ist etwas ganz normales, und Schwule sind auch ganz normale Menschen. Ich glaube, sie sollten ihre Vorurteile über Bord werfen und die ganze Sache nochmals überdenken.«
Die junge Frau starrte uns wütend an, schnappte ihren Sohn und verschwand wutschnaubend.
Ben lachte. »He, die haste aber in Grund und Boden geredet. Mein Lover ist also ein niedlicher kleiner Intellektueller, wie süß.« Er gab mir einen Kuss auf die Wange.
Ich sah meinen Ben liebevoll an und sagte: »Du, ich glaube wir sind jetzt schon viel zu lange in der Sauna, wir sollten schleunigst raus und uns abkühlen.«
»Och, bitte noch ein paar Minuten. Ich find's gerade so schön gemütlich.«
»Nein, wir sollten wirklich gehen. Wenn du zu lange drin bleibst, kann das deinen Kreislauf und dein Herz schädigen - also, auf jetzt.«
Ich zog ihn von der Bank und wir gingen raus. Wir machten uns sofort auf den Weg zum Kaltschwimmbecken. Ben stand davor und dippte seinen Fuß herein. »Baaaa, ist das kalt. Da geh ich nicht rein.«
»Du musst auch gar nicht gehen. Fliegen ist doch sowieso viel schöner.« Und schon lag Ben im Wasser. Ich hatte ihn hinterrücks rein geschuppt ...
Da ich jedoch nicht fies sein wollte, sprang ich ihm hinterher.
Nachdem wir uns erfrischt hatte suchten wir zuerst unsere Sachen zusammen uns machten es uns dann auf den Liegestühlen bequem. Inzwischen hatten wir auch Sandra und Tante Klara wiedergefunden. Die beiden wollten allerdings noch mal einen Saunagang einlegen, wozu wir zu dem Zeitpunkt keine Lust hatten. Schließlich neigte sich auch dieser Tag dem Ende zu, und wir fuhren zurück nach Hause. Dieses Mal fuhr aber Sandra, was uns glaube ich allen sehr recht war ...
Im eigentlichen Sinne hatten wir keine Ferien, bei uns an der Schule gab es aber einen Wasserrohrbruch, und somit war den Schülern »befohlen« worden, für die nächsten Tage nicht zur Schule zu gehen. Natürlich war Ben auch davon betroffen. Aber leider war der Rohrbruch viel zu schnell geflickt worden, denn als wir zu Hause ankamen, überraschte uns meine Mutter mit der »freudigen« Nachricht, dass ab morgen die Schule wieder beginne. Wir waren natürlich nicht sehr darüber begeistert. Aber was half großes Jammern? Richtig, gar nichts. Uns blieb also gar nichts anderes übrig, als uns darauf einzustellen ab morgen wieder in die Leeranstalt zu gehen.
Wir saßen bereits in meinem Zimmer auf dem Bett. Ben sah ein wenig resigniert aus. »Was ist denn los mit dir, Süßer?«
»Ach, nichts eigentlich. Ich finde es nur schade, dass die Schule morgen schon anfängt. Ich wäre gerne noch ein paar Tage ganz allein mit dir gewesen.«
»Aber das bist du doch auch so. Und sogar bei uns in der Schule ist es manchmal ganz witzig. Wir haben ein paar coole Lehrer.«
Ich lehnte mich an Ben und kuschelte mich fest an ihn. Daraufhin legte er seinen Arm um mich und fing an, mir sanfte Küsse auf den Kopf zu geben. Er streichelte mich im Gesicht und an den Armen und begann langsam, mir das T-Shirt aus der Hose zu ziehen.
Ben war einfach wunderbar. Er war so zärtlich und einfühlsam, was Besseres hätte mir nicht passieren können.
Das ganze hatte mich schon so geil gemacht, dass mein steifer Schwanz so stark gegen meine enge Hose drückte, dass es schmerzte. Ich wollte dieses Gefängnis schnellstmöglich loswerden und entledigte mich also meiner Jeans. Dann machte ich mich an Ben zu schaffen. Als ich ihn die Hose runter streifte, sah ich, dass auch er eine ziemliche Beule in der Unterhose hatte. Wir grinsten uns an. Ben übernahm die Führung. Er zog mir so flink die Unterhose runter, dass ich gar keine Zeit darüber nachzudenken. Als ich gerade schon Beschwerde einlegen wollte, da warf auch er sein letztes Kleidungsstück in die Ecke. Da lagen wir also nun - beide total nackt - und schauten uns verliebt in die Augen. Ich schaute an Ben herunter - der perfekte Body (Warum war mir das in der Sauna nicht aufgefallen??? Naja, eigentlich wusste ich es ja schon). Aber da fiel mir etwas Merkwürdiges auf. Eigentlich war es ja ganz normal (zumindest für uns Europäer), aber Ben war unbeschnitten.
»Ben, darf ich dich mal was fragen? Wieso bist ...« Weiter kam ich nicht, denn Ben legte mir den Finger auf den Mund und küsste mich. Wie hielten uns fest umschlungen und ließen unseren Gefühlen freien Lauf. Dann auf einmal hörte Ben auf und machte sich an etwas weiter unten gelegenen Regionen meines Körpers zu schaffen. Er ließ seine Zunge um meinen Bauchnabel kreisen und unterbrach diese Aktion immer kurz, indem er mich sanft küsste. Das ganze machte mich so geil, dass ich schon einen ersten Lusttropfen an meiner Eichel spürte. Ich fürchtete, schon zu bald zu kommen.
Plötzlich hielt Ben inne. Was war mit ihm? »Du Chris, jetzt muss ich dich erst mal was fragen. Ich habe so was noch nie gemacht. Willst du das überhaupt? Und was ist, wenn es wehtut?«
»Natürlich will ich, Süßer. Und ich hab das auch noch nie gemacht beziehungsweise erlebt. Lass es uns einfach langsam angehen.«
Ben lächelte mich erleichtert an und setze dann seine »Arbeit« fort. Ich hatte mir schon zigmal vorgestellt wie es wohl sein würde, wenn ein Junge meinen Schwanz in den Mund nimmt. Aber so richtig gelang mir die Vorstellung nie. Doch heute sollte sie Wirklichkeit werden.
Ich verspürte eine riesige Wallung der Lust. Ben hatte mit seiner Zungenspitze meine Eichel berührt und leckte an ihr. Ich fühlte schon die Säfte in mir hochsteigen, mein Blut kochte bereits. Aber das sollte noch gar nichts sein gegenüber dem, was danach geschehen sollte. Ben nahm auf einmal meinen Schwanz ganz in den Mund. Er saugte daran wie ein kleines Baby, das von der Mutter gesäugt wird. Und dann hatte er plötzlich meine gesamte Länge in seinem Mund. Ein klein wenig spürte ich seine Zähne, aber das kitzelte mehr als das es wehtat. Und dann kam der Zeitpunkt, an dem ich mich nicht mehr zurückhalten konnte. Ich rief gerade noch »Ich komme!«, da spritzte der heiße Saft schon in Bens Mund. Dieser schluckte ihn bereitwillig. Ich wunderte mich etwas, denn ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass dieses Zeug so gut schmecken sollte, aber Ben schmeckte es wohl.
Nach meinem Orgasmus war ich ein wenig atemlos und lehnte mich zurück aufs Bett. Ben legte sich sofort auf mich und flüsterte mir ins Ohr: »Du willst doch wohl nicht schon schlappmachen?« »Keine Angst Süßer, ich bin noch topfit!« Daraufhin warf ich ihn von mir herunter und hielt ihn mit beiden Armen am Bett fest. Ich küsste ihn zärtlich auf die Lippen. Langsam ging ich ein wenig höher, so dass sich meine Lippen immer weiter von seinen entfernten. Ihm war das augenscheinlich nicht recht, denn er sträubte sich ziemlich dagegen. Er sah traurig aus als ich ihn danach ansah. Aber das verflog, sobald ich mich zu seinem besten Stück runter beugte und es genauestens begutachtete. Bens Schwanz war wirklich eine Meisterleistung, genauso wie der Rest von ihm. Da hatten seine Eltern wirklich ganze Arbeit geleistet ...
Ich wollte Ben auf die Folter spannen, also ging ich noch nicht gleich aufs Ganze, sondern spielte erst mal mit meinen Lippen auf seinem perfekten Körper. Überallhin hauchte ich ihm sanfte Küsse und ihm schien das ziemlich zu gefallen, was ich seinem leichten Stöhnen entnahm ... Aber dann wollte ich es endlich wissen. Mehr als dass ich mich gefragt hatte, wie es sich anfühlt, wenn mir einer geblasen wird wollte ich wissen wie es ist, selbst jemandem einen zu blasen.
Ich berührte sanft Bens Eichel. Er zuckte kurz zurück, signalisierte mir aber, dass alles OK war. Meine Lippen umschlossen seine rote, nasse Eichel und ich leckte mit der Zunge auf ihr herum. Das war ein unbeschreibliches Gefühl ... Ich fühlte mich, als ob ich gleich abheben und herumfliegen würde. Ben schien das auch so zu gehen, denn sein Stöhnen wurde immer lauter und lustvoller. Schließlich nahm ich seine gesamte Länge in den Mund, was eigentlich nicht weiter schwierig war, denn Bens Schwanz war kein Riesenbrocken, sondern eben genau richtig ... Ich spürte, wie mir selbst schon das Zeug hochstieg, doch noch ehe ich kam, kam Ben. Und wie er kam. Er gab mir seine gesamte Ladung in den Mund, und ich schluckte sie bereitwillig. Hhhm war das lecker ...
Wir legten uns erschöpft nebeneinander und hielten uns einfach nur fest. Irgendwann mussten wir eingeschlafen sein ...
Am nächsten Morgen klebte es überall an meinem Körper fürchterlich. Ich ordnete meine Gedanken herauszubekommen, wieso hier alles mit Klebstoff beschmiert war. Dann kam es mir ... Richtig! Ben und ich hatten ja gestern Abend eine ... naja wie soll ich's nennen? Session? Ich sah zu meinem Lover herüber - er war auch schon wach und strahlte mich an.
»Na … wie war ich?«
»Oooch, du warst einfach wunderbar, Schätzchen ...«
Wir konnten uns das Lachen nicht verkneifen. Aber als ich mir dann die Tränen aus den Augen gewischt hatte, sagte ich zu Ben: »Jetzt mal ernsthaft Süßer, ich fand das gestern Abend wunderschön.«
»Na ich doch auch, Lover!«
Ich beugte mich zu ihm herüber und küsste ihn.
Dann sah ich auf den Wecker. »Oh Scheiße, schon viertel nach Sieben, um 07:45 Uhr fängt die Schule an, schnell raus aus dem Bett, unter die Dusche und dann aus dem Haus!«
Bereitwillig leistete Ben meiner Aufforderung Folge und als wir dann gestiefelt und gespornt vor der Haustüre zum Abmarsch bereit waren sagte er: »Ich liebe dich.«, und küsste mich auf den Mund. »Ich liebe dich auch.«
»Wir müssen noch was besprechen, Chris. Weiß jemand an deiner Schule, dass du schwul bist? Ich will in kein Fettnäpfchen treten.«
»Nein, es weiß keiner davon. Und ich möchte auch noch nicht, dass irgendjemand das ausplaudert. Ich hoffe, du kannst das verstehen?«
»Klar kann ich das.« Er kniff mir liebevoll in den Po. »An meiner Schule zu Hause weiß es auch keiner.«
Unsere erste Tat war es zum Direktor zur gehen, denn jeder Austauschschüler musste bei diesem passieren. Also gingen wir aufs Sekretariat und ich sagte zu der jungen Sekretärin: »Morgen. Ich bin Christian Hudelmayer, und das ist Ben ... äähm Ben wie war noch mal dein Nachname ...?«
»Guten Morgen. Ich bin Ben Terrano. Ich soll zum Direktor kommen, ich bin der Austauschschüler aus den USA, der bei Familie Hudelmayer untergebracht ist.«
»Ja richtig. Der Direx erwartet dich schon. Wart schnell, ich sag ihm Bescheid.« Sie lief zu einer Tür, klopfte kurz an und verschwand dann in dem Zimmer. Nach kurzer Zeit ging die Tür wieder auf und der Direx, ein kleiner Mann, kam heraus. »Danke Stefanie. Aah, Guten Morgen ihr Beiden. Du musst Ben sein. Kommt doch in mein Büro.«
Wir gingen hinter Direktor Schweizer her. In seinem Büro angelangt, gaben er und Ben sich erst mal die Hände. Auch ich schüttelte bereitwillig die Pranken von Schweizer.
»Wisst ihr, Stefanie ist eine ehemalige Schülerin von mir. Sie arbeitet jetzt als Aushilfe hier als Sekretärin, um sich ihr Studium zu finanzieren. Ich kann mich wohl nie daran gewöhnen, sie mit ihrem Nachnamen anzusprechen.« Der Direx musste laut und keuchend lachen. Das war sein Markenzeichen - immer wenn er lachte, hörte sich das so an, als hätte eine Dampfwalze Husten. Aber ich komme vom Thema ab ...
»So Ben. Du kommst selbstverständlich in Christians Klasse. Hast du dich denn schon gut eingelebt in ‚Good Ol‘ Germany‘?«
»Ja, schon. Chris‘ Familie hat mir sehr dabei geholfen. Ich fühle mich bei ihnen sehr wohl.«
»Na das freut mich ja zu hören.«
Nachdem endlich alle verwaltungstechnischen Angelegenheiten besprochen waren, führte Schweizer uns in meine Klasse. Ich hatte mehrfach vergeblich versucht ihm klarzumachen, dass wir auch alleine in mein Klassenzimmer finden würden, aber er wollte Ben ja unbedingt der Klasse vorstellen.
Wir hatten Deutsch in der ersten Stunde. Unsere Lehrerin, Fräulein Reble, war eigentlich ganz nett. Sie hatte schon viel durchmachen müssen in ihrem Leben, zum Beispiel hatte sie den Krebs besiegt.
»Entschuldigen Sie bitte Frau Reble, dass ich ihren Unterricht störe, aber Sie haben bestimmt auch schon mitbekommen, dass die Familie Hudelmayer einen Gastschüler aus den USA aufgenommen hat, und hier ist er nun. Liebe Frau Reble, liebe Klasse, das hier ist Ben. Ben, stellst du dich vielleicht selbst einmal vor?«
Er schob den armen Ben mitten vor die Klasse und sah ihn erwartungsvoll an. An der Seite, wo die meisten Mädchen saßen, wurde bereits heftigst getuschelt ... Ich konnte mir schon denken, um was es bei ihnen ging. Ben musste sie schwer beeindruckt haben. Aber da haben sie nun mal leider, leider Pech gehabt. Oooooh, eine Runde Mitleid ...
»Hi! Ich bin Ben Terrano, ich komme aus den USA, genauer gesagt aus Los Angeles. Ich bin hier in Deutschland um erstens meine Deutschkenntnisse aufzubessern und außerdem mal ein fremdes Land kennenzulernen. Ich hoffe, wir werden uns das nächste Schuljahr gut verstehen.«
Nun sagte Frau Reble auch endlich mal was. »Guten Tag Ben, ich freue mich, dass du bei uns bist. Wir werden sicherlich gut miteinander auskommen. So, jetzt such dir mal einen Platz. Oder, macht ihr das unter euch aus, vielleicht wollt ihr ja nebeneinander sitzen?« Sie gab Ben die Hand.
»In der Pause frage ich mal Niko.«, ich zeigte auf einen Jungen, der alleine an einer Schulbank in der hintersten Reihe saß, »ob ich mit ihm den Platz tauschen kann. Solange musst du dich neben Vivian setzen. Es ist leider der einzige freie Platz.« Dann flüsterte ich ihm noch ins Ohr: »Mach das Beste daraus. Die Zicke ist hinter jedem halbwegs gutaussehenden Kerl her. Bis nachher, Süßer.«
Er zwinkerte mir zu und wir machten uns auf, unsere Sitzplätze einzunehmen. Die weitere Stunde verlief ohne etwas, das großartig zu erwähnen wäre. In der Pause kam Ben zu mir herüber, im Schlepptau die ekelhafte Vivian.
»Hey Chris, da haste aber 'nen supersüßen Typen mitgebracht. Wie wär's denn Ben, wenn ...«
»Vivian - halt dein Maul und hau ab. Du hast bei Ben sowieso keine Chance. Such dir 'nen anderen Dummen, mit dem du deine Spielchen spielen kannst.«
»Hey bleib cool, Mann. Was geht'n ab? Lass Ben doch selbst entscheiden, was er machen will.« Beleidigt zog sie ab.
Die anderen Mädchen hatten sich inzwischen alle in einer Ecke versammelt und tuschelten geheimnisvoll. Ab und zu bekamen wir ein paar Wortfetzen mit wie »oh man, ist der süß!« oder »ich sterbe, gerade hat er zu mir rüber geschaut ...«. Wir grinsten uns an.
»Na wenn die wüssten ...« Ich musste lachen.
Mittlerweile hatte sich auch Niko in unsere Diskussion eingeschaltet. »Was meint ihr damit? Du hast in den Staaten 'ne Freundin, oder?« Er sah zu Ben.
»Äähm ja, nein. Nicht ganz. Fast.«
»Was meinste damit?«
»Das ist doch jetzt net wichtig, Niko. Ich wollte dich sowieso fragen, ob du dich neben Vivian setzen könntest, damit Ben und ich zusammen hocken können. Ach bitte bitte bitte.« Ich sah in mit flehendem Blick an ...
»Muss das sein? Gerade neben die Oberschlampe der Klasse? Widerwillig mache ich das. Was bekomme ich dafür von dir?« Niko wusste genau, dass er mich jetzt in der Hand hatte. Triumphierend grinste er mich an.
»OK, lass mich nachdenken. Wie wär's, wenn ich dir ein Päckchen Kondome aus der Drogerie besorge, damit du endlich mit deiner Freundin vögeln kannst? Du traust dich ja nicht, weil's dir peinlich ist ...« Damit hatte ich ihn. Er wurde knallrot wie eine Tomate und verschwand so schnell es ihm möglich war von seinem ursprünglichen Sitzplatz.
Ich grinste Ben über beide Ohren an. »Mit solchen unmoralischen Angeboten kriegste ihn immer. Aber jetzt würde ich mich lieber hinsetzen, da vorne steht schon die Abbestanzer.« So hieß sie wirklich. Und so wie sie hieß war sie auch. Unsere geliebte Erdkundelehrerin Abbestanzer. Sie triezte die Schüler bis aufs äußerste, das, was sie Unterricht nannte, gestaltete sich so, dass jeder ein Blatt, vollgestopft mit Informationen bekam und diese auszufüllen hatte, und sie hielt sich vornehm zurück und las Zeitung oder tat sonst irgendeinen Schrott.
»Na wen haben wir denn da? Wer bist du und was machst du hier?« Sie kam in die letzte Reihe gelaufen und schaute Ben mit strengem Blick an.
»Guten Tag Frau Abberanzer, ich bin ...«
»AbbeSTanzer wenn ich bitten darf. So, wie heißt du?«
»Das wollte ich Ihnen gerade erklären. Ich heiße Ben Terrano, ich komme aus den USA und bin als Austauschschüler bei Familie Hudelmayer untergebracht.«
»Ach, aus den United States kommst du ... Das ist ja wahnsinnig interessant. Wie außerordentlich praktisch, dass wir gerade das Thema Tornados behandeln. In den USA ist man doch sicher sehr gut darüber informiert, nicht wahr?« Ben nickte. »Sehr gut, sehr gut. Und du hast bestimmt auch schon mal so einen Wirbelsturm mitbekommen, nicht doch?« Ben verneinte. »Na das ist auch nicht weiter schlimm. Allein die Tatsache, dass du schon eine Menge über Wirbelstürme weißt, ist ja schon wunderbar. Wie wäre es denn nun, wenn du vorkämest und ein wenig über dieses hochinteressante Thema referieren würdest?«
Ben schaute sie mit großen Augen an. »Jetzt, einfach so? Ohne Vorbereitung?«
»Ben, du bist gut! Was meinst du, was uns die Professoren damals an der Uni gesagt hätten, wenn wir gesagt hätten, Entschuldigung, aber ich bin nicht vorbereitet! Das packst du schon.« Sie zog Ben von seinem Sitz. »Und wenn du nicht weiter weißt, dann helfe ich dir schon.«
Ben sah mich leidend an. Ich blies ihm fast unmerklich einen Kuss zu und flüstert: »Das schaffst du, Süßer!«.
»So, und ihr holt Schreibzeug und Papier heraus und notiert euch die wichtigsten Stichpunkte dieses Vortrags. Und wehe, irgendjemand hat nachher nichts. Ich werde jedes einzelne Heft einsammeln und Noten machen. Aber jetzt, Ben. Auf geht's. Wir warten.«
Der arme Ben musste nun tatsächlich eine ganze Stunde referieren. Die Abbestanzer war schon eine Schinderin ersten Ranges. Ich beobachtete meinen Lover. Wie süß war er doch, wenn ihn eines der Mädchen nach etwas fragte, das sie »angeblich« nicht richtig verstanden habe und er dann rot wurde. Ben war echt ein absoluter Glücksgriff. Bitte versteht das jetzt nicht so, als ob man sich die Jungs irgendwo im Lotto gewinnen könne. Das meine ich keineswegs.
Nach schier endlosen 45 Minuten erlöste die Klingel Ben endlich von seiner Schmach. Die Abbestanzer war hochzufrieden. Und wenn ich hochzufrieden sage, dann heißt das bei ihr, dass ein »normaler« Lehrer höchstens mäßig zufrieden war.
»Das war sehr gut, Ben. Allerdings solltest du deine Aussprache ein wenig verbessern. Dafür gebe ich dir jetzt mal, na sagen wir eine 2-3.«
Meine Klassenkameraden verließen schon die Klasse in die große Pause, während die Abbestanzer immer noch mit Ben palaverte. Vereinzelt waren noch ein paar Mädchen dageblieben und warteten darauf, dass Ben endlich von ihnen in Beschlag genommen werden konnte. Ich ging zu Ben und der Abbestanzer.
»Frau Abbestanzer, ich finde, dass Ben mindestens eine 1-2 verdient hätte. Sehen Sie, dass mit der Aussprache könnten Sie doch vernachlässigen. Er ist doch erst seit Samstag in Deutschland und muss sich erst daran gewöhnen, dass plötzlich alle nur noch Deutsch reden.«
»Gewöhnlicherweise halte ich ja nichts von der Meinung der Schüler, aber in diesem Fall hast du wohl Recht. Ich sollte dir eine bessere Note geben, Ben. Ich gebe dir eine, warte mal, na sagen wir 2-. OK, ich muss dann jetzt los, Lehrerkonferenz. Bis morgen. Und jetzt raus, geht in die Pause.«
Wir gingen alle zusammen aus dem Klassenzimmer und die überkorrekte Abbestanzer schloss die Türe zu. Ich raufte mir hinter ihrem Rücken die Haare.
»Christian, das habe ich nicht gesehen.« Damit zog sie ab.
»Mann, die ist echt schlimm die Tussi. Aber dein Referat hast du gut gemacht, Süßer. Und ohne Vorbereitung. Ich bin beeindruckt! Komm, lass uns wohin gehen, wo wir ...«
»Guckt mal, da ist er!« »Hallo Ben, wie geht's dir?« »Hey, das war echt super vorhin, dein Referat!« Oh Gott, die Mädchen ...
»Na Tina« sagte ich zu einem der Mädchen. »Warum ist es denn so, dass es gerade in den USA so viele Tornados gibt?« Ich sah sie mit schiefem Blick an.
»Ja, also. Ääh ... Wart mal! Wieso fragst du mich das eigentlich? Blödmann.«
»Hab ich's doch gewusst! Du hast die ganze Zeit nur Ben angeschmachtet anstatt dem Unterricht zu folgen!«
»Hab ich gar nicht.« Die gute Tina wurde rot wie eine Tomate und verschwand blitzschnell. Aber da waren ja noch die anderen Mädchen ...
»Duhu, Behen? Ist es wirklich so an den amerikanischen Schulen, wie hier überall erzählt wird?«
»Ich weiß ja gar nicht, was hier so alles erzählt wird. Leider kann ich dir nichts darüber sagen.«
»Na weißt du, dass so viele Schüler ...« Ihre Freundin unterbrach sie. »Behen, hast du 'ne Freundin in den Staaten? Was macht die denn jetzt, während du nicht da bist?«
»Die macht gar nichts, ich habe nämlich keine.«
Ich musste mir beinahe die Ohren zuhalten, so laut war der innere Jubel der umstehenden Mädchen. Wenn die wüssten, dass sie keine Chance bei Ben hatten. Ich könnte mich heute noch totlachen.
»So meine Damen, die Autogrammstunde von Ben Terrano ist hiermit beendet. Wir dürfen den Guten nicht zu sehr überanstrengen. Außerdem will ich ihm noch die Schule zeigen.« Ich wühlte mich zu Ben durch und versuchte, ihn aus der Menge zu ziehen.
»Aber das kann ich doch machen!«, tönte eines der Mädchen. »Nein, wenn schon, dann machen wir das alle zusammen. Du hast doch gar keine Zeit, du musst doch sowieso noch Mathe abschreiben, stimmt's, Chris?«
Und schon waren sie weg. Der arme Ben ... So viele Erlebnisse gleich am ersten Schultag. Erst das Referat für die Abbestanzer, jetzt die gesamte Mädchengarde. Ob das nicht zu viel für ihn werden würde? Aber Sabrina, die Wortführerin, hatte Recht. Ich musste tatsächlich noch Mathe abschreiben. Mathe war mein Hassfach. Erstens kapierte ich bei unseren besch... Lehrer kein Bisschen und zweitens war mir Mathe von vornherein schon suspekt. Nein, da bleib ich lieber bei meinen Fremdsprachen. Da war ich wenigstens gut drin.
Als ich in die Klasse hereinkam, saß nur noch Jessica an ihrem Platz. Sie war ein wenig unbeliebt in der Klasse, da sie ziemlich gut in der Schule war und in fast jedem Fach eine Eins hatte. Sie hatte nur wenige Freundinnen, aber sie war allseits beliebt, um die Hausaufgaben zu schnorren. Ich muss zugeben, dass ich auch nicht besser war wie die anderen. Ich hatte zwar nichts gegen Jessica und verstand mich auch einigermaßen gut mit ihr, die Hausaufgaben holte ich aber trotzdem meistens bei ihr.
»Hi Jessie. Du, kann ich vielleicht mal die Mathehausis haben? Du weißt doch, wie es um mich in Mathe steht.«
»Klar, hier sind sie. Sag mal, wenn du willst kann ich dir Mathenachhilfe geben. Ich bin doch ziemlich gut in Mathe. Und ich hab auch oft Zeit. Natürlich nur, wenn du willst.«
»Das ist 'ne gute Idee. Ich muss es allerdings mit meiner Mutter besprechen. Ich sag dir dann morgen Bescheid, OK? Und danke für die Hausis!«
Ich war gerade auf dem Weg zu meinem Platz, da sagte sie plötzlich: »Stimmt's Chris, du bist schwul. Und du und Ben, ihr seid zusammen?«
Als ich das hörte fror ich fast auf der Stelle ein auf der ich stand. Langsam, wie in Zeitlupe, drehte ich mich um zu ihr und starrte sie an.
»Wo-wo- wie kommst du darauf?«
»Komm, ich habe euch beide doch gesehen. Du hast Ben heimlich einen Kuss zugeworfen und wie du ihn dann angestarrt hast, während er sein Referat gemacht hat. Das war eindeutig!«
Ich musste mich erst mal setzen. Jessica war eine scharfe Beobachterin, das hatte schon so mancher ziemlich zu spüren bekommen. Jetzt war wohl leugnen zwecklos. Jessica würde mir sowieso nicht glauben. Also beschloss ich, ihr es zu sagen.
»Du hast Recht. Ja, ich bin schwul. Und ich liebe Ben. Wir sind zusammen. Versprichst du mir eins? Erzählst du es bitte nicht weiter?«
»Also bitte, für wen hältst du mich? Für Vivian? Nein, ich kann euer kleines Geheimnis gut für mich behalten. Aber, herzlichen Glückwunsch! Ihr seid echt ein süßes Paar ...«
»Wirklich? Und sieht man uns das echt so deutlich an, dass wir zusammen sind?«
Jessica grinste nur und machte sich wieder an ihre Arbeit. Ich ging zu meinem Tisch rüber und setzte mich gedankenverloren hin. Wenn man uns beiden das so deutlich ansieht, dass wir ein Paar sind, wie lange würde es dann wohl noch dauern, bis die ganze Schule von uns weiß?
Gerade wollte ich beginnen, Mathe abzuschreiben, da wurde auch schon die Zimmertür aufgerissen und unser superoberpünktlicher Mathelehrer kam hereingestürzt. Man konnte sich auf ihn verlassen, ja die Uhr nach ihm stellen.... Er kam immer dreieinhalb Minuten vor Ende der Pause ins Klassenzimmer. Ich machte keinen Hehl daraus, dass ich ihn nicht leiden konnte. Ich ging an ihm vorbei und übergab Jessica ihr Matheheft.
»Christian, setzen Sie ääh setz dich bitte an deinen Platz. Du hast deine Hausaufgaben mal wieder nicht gemacht, stimmt's? Das gibt jetzt einen Strich.« Er kotzte mich echt an. Der zog seinen Unterricht mit so einer Geschwindigkeit durch, das selbst die Besten fast nicht mehr mitkamen. Und dann hatte er kein Erbarmen, wenn mal jemand keine Hausaufgaben hatte.
»So, das ist bereits der siebte Strich. Du kommst jetzt für zwei Stunden in Arrest. Sagen wir, am Donnerstagnachmittag? Sechzehn Uhr?« Ich nickte missmutig. »Haben wir uns verstanden?« »Ja, Herr Kohler. Ich hab's ja kapiert. Donnerstag, vier Uhr.« »Du, werde ja nicht frech. Sonst muss ich mal mit deiner Mutter sprechen.«
Inzwischen füllte sich das Klassenzimmer. Fast alle hatten sich schon an ihre Plätze gesetzt, nur Ben und das schulbekannte Arschloch und Macho Marco fehlten. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und Marco stolzierte herein.
»Hey Männer, habt ihr schon gehört? Der Hudelmayer und der Ami sind Schwuchteln!«
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