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Mein geliebter Mülleimer

Teil 7

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Vorwort:

Ich weiß, es ist ganz schlimm gerade mit mir und meinen viel zu seltenen Updates ... Leider geht es im Moment nicht anders aber ich hoffe trotzdem, dass es euch nicht den Spaß am Lesen verdirbt ;-) Das hier ist Teil 7 und nein, es ist immer noch nicht vorbei. Bitte habt noch etwas Geduld mit mir ... *kopf einzieh*

 

Als ich abends vor Dennis‘ Haus stehe, wird die Tür aufgerissen, bevor ich auch nur den Schlüssel aus meiner Tasche kramen kann. Dennis steht mit verschränkten Armen vor mir und sieht irgendwie wütend aus. Aber warum? Was hab ich getan?

„Das ist nicht dein Ernst, oder?“, keift er mich an.

„Hä?“ Ich verstehe nur Bahnhof. Reicht es nicht für heute mit den Rätseln und undurchsichtigen Menschen?

„Drei Tage? Du verschwindest für drei Tage und denkst dann, dass du einfach wieder herkommen kannst? Das hier ist keine Jugendherberge!“

„Darf ich jetzt rein oder nicht?“, frage ich etwas genervt. Die Geschichte, die Andreas mir erzählt hat, steckt mir noch in den Knochen und ich will eigentlich einfach nur noch schlafen.

„Wo warst du?“

„Was geht dich das an?“

Er zieht nur die Augenbrauen hoch und scheint nicht die Absicht zu haben, mich reinzulassen, bevor ich eine Antwort gegeben habe.

Ich seufze. „Zuhause. Ich war krank. Und eben war ich bei Andreas.“ Hab ich gerade ‚zuhause‘ gesagt? Ist ja merkwürdig. Und warum erzähle ich ihm eigentlich, dass…

„Hey!“, protestiere ich, als Dennis mich an der Jacke packt und ins Haus zieht. In seinen Augen blitzt irgendetwas auf, als er mich gegen die Wand drückt und ziemlich aggressiv küsst. Irgendwo hab ich diesen Ausdruck auf seinem Gesicht schon mal gesehen. Ich stemme meine Hände gegen seine Schultern, aber es dauert, bis ich mich befreien kann. Etwas geschockt starre ich ihn an. Wir atmen beide ziemlich schwer.

„Was soll das? Und was ist mit deinen Eltern?“

„Die sind im Kino.“

Der komische Ausdruck in seinen Augen ist immer noch da und jetzt weiß ich auch, wo ich das schon mal gesehen habe. Bei Lukas. Und zwar in dem Augenblick, als ich ihm von dem Kuss mit Andreas erzählt habe. Es ist Eifersucht.

Dennis‘ Finger klammern sich jetzt etwas schmerzhaft an meine Schultern und zerren an meiner Jacke. Ich bin zu überrumpelt und die Kraft in meinen Armen lässt nach. Meine Jacke fällt zu Boden und Dennis drückt sich wieder an mich. Ich hab keine Ahnung, was ich gerade fühle und weiß auch nicht so recht, was ich von dieser Situation halten soll. Aber nachdem, was in den letzten Tagen passiert ist, kann ich diese Art der Ablenkung gut gebrauchen. Das kenne ich von früher. Das hier ist genauso wie beim ersten Mal, als ich mit Dennis geschlafen habe. Total unvorhergesehen, etwas ruppig, aber viel zu gut, um es einfach wieder zu vergessen. Die perfekte Medizin gegen Liebeskummer. Na ja, manchmal.

Was dieses Mal anders ist, ist das Danach. Da ist kein gehässiges Grinsen, er schläft auch nicht sofort ein, sondern… ich kann es nicht anders sagen… kuschelt sich an meine Seite. Ich bin zu müde, um mir weiter Gedanken dazu zu machen. Also nehme ich es einfach erst mal so hin und genieße es, nicht nur neben, sondern mit jemandem einzuschlafen.

„Warst du wirklich bei Andreas?“

Okay, das zum Thema Schlafen. Ich bin wieder wach. „Ja.“

„Weil Lukas weggegangen ist?“, fragt er in einem gespielt beiläufigen Ton.

Ich schiebe ihn von mir weg und schnappe erst mal nach Luft. „Woher weißt du, dass er weg ist?“

„Ich bin zu seiner Wohnung gefahren und hab gesehen, dass sie leer ist.“

„Wann?“

„Gestern.“

Da ist wieder dieses ätzende Gefühl. Es ist eindeutig Säure, was da durch meine Adern gepumpt wird. Ausgerechnet Dennis ist es, der mir den Beweis bringt, dass Lukas tatsächlich verschwunden ist. Bis eben hat ein Teil von mir tatsächlich noch gedacht, dass das nur ein Missverständnis war. Aber das kann ich jetzt wohl abhaken.

„Und warum bist du dahin gefahren?“ Vielleicht hätte diese Frage zuerst kommen sollen…

„Weil ich dachte, dass du da bist.“

Okay, jetzt muss ich erst mal kurz Luft holen und meine Gedanken sortieren. Dennis ist eifersüchtig auf Andreas, kuschelt sich nach dem Sex an mich und fährt zu Lukas‘ Wohnung, weil… zu einem anderen Schluss komme ich gerade nicht… weil er mich vermisst hat?

„Du siehst verwirrt aus“, stellt er fest.

„Und du kannst dir nicht vorstellen, warum?“

Er schüttelt den Kopf. „Und wie war es bei Andreas?“

„Verwirrend“, sage ich seufzend und lege mich wieder hin. Vielleicht bekomme ich ja endlich mal die Gelegenheit zu schlafen, wenn ich einfach die Augen zu mache und ihn ignoriere. Eine Erklärung für sein merkwürdiges Verhalten bekomme ich sowieso nicht und ich hab jetzt auch keine Lust, über Andreas zu reden.

Nach ein paar Minuten legt sich ein Kopf an meine Schulter und ein Arm umfasst meinen Körper. „Ich… hab dich vermisst“, sagt Dennis.


Als ich am nächsten Tag aufwache, liege ich allein im Bett. Von Dennis ist weit und breit keine Spur zu sehen. Umso besser. Dann hab ich mal eine Weile Ruhe. Viel Schlaf hab ich nicht bekommen, weil mir so viel durch den Kopf gegangen ist. Schon unheimlich, was an einem Tag so alles passieren kann. Und irgendwie ist niemand mehr so wie er sein sollte. Wie soll man denn da noch durchsteigen? Ich wünschte, es wäre alles wieder so einfach wie es mal war. Ich will, dass Andreas wieder das undurchsichtige Arschloch ist, dem man besser aus dem Weg gehen sollte; dass Dennis sich über alles und jeden lustig macht und nur an das Eine denkt; und vor allem will ich, dass Lukas mir wieder vertraut und mir glaubt, dass ich ihn liebe.

Leider hat der Tag gestern bewiesen, dass ich mir da wohl keine Hoffnungen machen sollte. Der größte Schock war wahrscheinlich Dennis‘ Sinneswandel. Ich hab in der Nacht Stunden damit verbracht, mir einzureden, dass er sich nicht in mich verliebt hat. Allerdings musste ich das irgendwann aufgeben. Er empfindet eindeutig etwas für mich und wenn ich ehrlich bin, hab ich keine Ahnung, wie ich jetzt damit umgehen soll. Ihm scheint es da nicht anders zu gehen, sonst wäre er nicht so früh aufgestanden, um mir aus dem Weg zu gehen. So ein Scheiß! Alles wird einfach immer komplizierter.

„Weißt du noch, was mein Opa zu mir gesagt hat? Warum ich dich hier wohnen lasse?“, fragt eine Stimme, die von der Tür kommt.

„Ja“, antworte ich, ohne Dennis anzusehen. Jetzt geht es also los.

„Ich weiß nicht wie das passiert ist… aber er hat recht.“

„Das hab ich mir fast gedacht.“ Wow, eine romantischere Liebeserklärung ist kaum möglich. „Und was erwartest du jetzt von mir?“

„Vielleicht wäre es besser, wenn wir unsere Ein-Zimmer-WG auflösen“, schlägt er vor. „Ich will auf gar keinen Fall eine Beziehung führen oder so. Und du hast ja jetzt bestimmt auch… was Besseres zu tun.“

Ich bin platt. Wozu lag ich denn bitte die ganze Nacht wach? Dennis scheint sich da doch eine ganz passable Lösung ausgedacht zu haben. „Ja, okay“, stimme ich seinem Vorschlag zu. Dann ziehe ich wohl wieder bei meinen Eltern ein. Mit Andreas ist ja schließlich alles geklärt und eine andere Möglichkeit hab ich sowieso nicht. „Aber hast du nicht gestern noch gesagt, dass du mich vermisst hast? Muss ich mich darauf einstellen, dass du mich dann wieder ständig verfolgst?“

„Das hättest du wohl gerne“, sagt er mit seinem typischen Grinsen und setzt sich auf die Bettkante. „Ich suche mir einfach wieder jemanden, der so verzweifelt ist wie du es warst.“

„Also kein Haken?“, frage ich skeptisch.

„Kein Haken“, verspricht er.

Ich schnaufe verächtlich, aber tatsächlich bin ich ziemlich erleichtert. Mit jedem anderen wäre dieses Gespräch wahrscheinlich absolut unerträglich gewesen. Eigentlich hätte ich wissen müssen, dass Dennis nicht darauf aus sein würde, sich total an mich zu klammern. Wahrscheinlich hat er in einer Woche wirklich schon wieder einen anderen am Haken hängen, der auf seine Tricks reinfällt.

„Aber eins muss ich noch wissen“, fordert er. „Was genau ist da mit Andreas gelaufen?“

„Jedenfalls nicht das, was du denkst.“

„Was? Warum nicht? Hab ich dir gar nichts beigebracht?“

Ich erzähle ihm also, dass ich Lukas angerufen habe und dadurch irgendwie vor Andreas‘ Haus gelandet bin. Dazu darf ich mir dann erst mal eine endlose Standpauke anhören. Was fällt mir ein, Lukas anzurufen, obwohl er doch derjenige ist, der bei mir angekrochen kommen müsste und so weiter.

„Und dann warst du mit Andreas allein im Haus und es ist nichts passiert?“, fragt er ungläubig.

„Fast nichts. Wir haben uns geküsst.“

„Oh wow“, sagt er sarkastisch. „Ein Wunder, dass du nicht schwanger bist. Ich hätte…“

„Ja, ich weiß“, unterbreche ich ihn. „Aber wir haben beide gleichzeitig die Bremse gezogen. Ich, weil ich an Lukas denken musste und…“

„Aber mit mir hast du gestern Abend geschlafen.“

„Das war ja wohl eher ein Überfall. Außerdem spielt bei dir einmal mehr oder weniger auch keine große Rolle mehr.“ Shit! Den Satz hat er garantiert falsch verstanden.

„Gut zu wissen“, sagt er grinsend.

Was hab ich gesagt?

„Willst du jetzt wissen wie es weitergegangen ist oder nicht?“, frage ich etwas genervt.

„Unbedingt“, sagt er halbherzig. Scheinbar hat er das Interesse an der Geschichte verloren, als ihm klar wurde, dass kein Sex darin vorkommt. Egal, darauf nehme ich keine Rücksicht. Ich muss das jetzt mal loswerden. Spätestens nach dem nächsten Satz wird er mir sowieso wieder zuhören.

„Andreas hat abgebrochen, weil er Angst hatte. Er hatte noch nie was mit einem Jungen.“

„Was?“ Dennis ist so berechenbar. „Aber ich dachte, dass sonst immer alles von ihm ausgegangen ist.“

„Ja, weil er immer wusste, dass ich ihn abblocken würde. Er hat mir erzählt, dass irgendwas in ihm klick gemacht hat, als ich meiner Familie von Lukas und mir erzählt habe. Zuerst war er dann sauer auf mich, dann kam Neugierde dazu und irgendwann ist ihm klar geworden, dass er nicht nur sexuell Interesse an mir hat.“

„Wow, da bildet sich ja ’ne ganze Schlange hinter dir“, sagt Dennis mit einem sarkastischen Unterton. „Was ist eigentlich so toll an dir?“

„Sag du’s mir.“

„Kann ich nicht“, antwortet er knapp und starrt auf den Boden. Ich kann nicht anders als ein bisschen Mitleid mit ihm zu haben. Immerhin hat er jetzt endlich mal relativ ehrenhafte Absichten. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das noch mal erleben würde.

„Ich muss dich was fragen, Dennis. Und es wäre schön, wenn du mich nicht auslachst, okay?“

„Wenn’s sein muss.“

Ich komme mir ein bisschen doof vor, aber ich frage trotzdem. „Kommst du klar? Ich meine, ich weiß wie das ist, wenn…“

Er lacht. Und das nicht zu knapp. Nach einer Weile glaube ich sogar, dass er nie wieder damit aufhören wird. Aber ob ich das als Antwort akzeptieren kann, weiß ich nicht. Würde er nicht in jedem Fall so reagieren? Einfach, um mir zu zeigen, dass es ihm gut geht? Und auch als er sich die Augen mit einem Zipfel der Bettdecke abtupft, kann ich mir nicht sicher sein, woher diese Tränen kommen. Dennis würde nie zugeben, dass er sich nach einer anderen Person sehnt. Zu sagen, dass er mich vermisst hat, war schon mehr, als ich ihm jemals zugetraut hätte. Ich muss also wohl oder übel mit meinem schlechten Gewissen leben und kann nur hoffen, dass er irgendwann jemand anderes finden wird.


Die Rückkehr in mein altes neues Zuhause läuft genauso wie ich es mir vorgestellt hatte. Mit einer Ausnahme: Maries Augen sind rot und sehen ziemlich verquollen aus. Sie lächelt mich zwar tapfer an, als ich erkläre, dass ich gerne wieder einziehen möchte, kann mir aber nicht länger als zwei Sekunden in die Augen sehen. Die einzige Erklärung, die mir dazu einfällt, ist, dass Andreas schon mit ihr gesprochen hat. Bleibt nur die Frage, was er ihr erzählt hat.

„Können wir später darüber reden?“, fragt sie mich, als ich sie auf dieses Thema anspreche. „Ich brauche noch ein bisschen Zeit.“

Ich sehe sie entsetzt an. Sie weiß also alles.

„Ich bin nicht sauer auf dich“, erklärt sie daraufhin. „Aber ich kann jetzt nicht mit dir darüber reden.“

„Ja, das verstehe ich.“

In den nächsten Wochen fühle ich mich, als hätte jemand die Zeit um ein halbes Jahr zurückgedreht. Es ist irgendwie, als hätte es Lukas, Dennis und Andreas nie gegeben, weil niemand darüber spricht, was passiert ist. Aber das ist mir auch ganz recht. Ich bin nur froh, dass Marie mir nicht die Schuld an der Trennung von Andreas gibt. Alles andere muss ich mit mir selber ausmachen.

Eins hab ich übrigens aus der Sache mit Dennis gelernt: Ich werde mich nie wieder auf eine länger andauernde Bettgeschichte einlassen, denn offensichtlich kann ich so etwas nicht kontrollieren. Und gebracht hat es mir letztendlich auch nichts. Wenn überhaupt, lasse ich mich nur noch auf One-Night-Stands ein. Genauso wie früher. Einmal oder gar nicht. Oder für immer natürlich. Allerdings werde ich auf Letzteres auch erst mal verzichten. Zumindest so lange, bis ich kapiert habe, dass das letzte ‚Für-immer‘ endgültig vorbei ist.

So langsam wird es draußen immer kälter und es regnet nur noch. Ich frage mich, wie meine Laune da besser werden soll. Es ist Oktober. Sollte es da nicht schön herbstlich romantisch sein? Ist es aber nicht. Es ist grau und matschig. Wenn alles so funktioniert hätte, wie es eigentlich geplant war, dann würde ich jetzt in einer neuen Stadt wohnen und dort studieren. So wie Lukas. Ich verstehe immer noch nicht, wie er sich so spontan an einer Uni einschreiben konnte. Oder hatte er es schon länger geplant und seine Entscheidung vor mir geheim gehalten? Das wär ja was. Eigentlich wollte er sich mit seiner Wahl ja nach mir richten, weil er fast überall studieren könnte.

Aber das sollte mir jetzt egal sein. Ich werde nächstes Jahr zur Uni gehen und bis dahin etwas Geld sparen. Ich hab extra noch zusätzliche Schichten in der Videothek übernommen. Fast jeden Tag stehe ich in diesem kleinen, muffigen Laden und lasse mich regelmäßig von meinem Chef anpampen. Aber es ist auch eine gute Abwechslung. Zuhause ist nämlich der Alltagstrott wieder eingekehrt und Marie benimmt sich mir gegenüber immer noch sehr distanziert. Sie redet zwar normal mit mir und geht mir auch nicht aus dem Weg, aber es ist nicht wie früher. Ich sehe sie auch nie weinen. Sie scheint eigentlich immer ganz gut gelaunt zu sein. Aber gerade das finde ich merkwürdig.

Und da ist noch etwas in diesem Oktober, das ich gerne streichen würde. Es passt mir gerade einfach nicht in den Kram. Aber leider kann man so was nicht einfach umgehen oder ausfallen lassen. Ich hab meine Eltern zwar darum gebeten, aber sie weigern sich. Einen Tag vorher gehe ich also mit dem Wissen ins Bett, dass der nächste Tag wahrscheinlich ziemlich anstrengend werden wird. Ist das der Sinn der Sache? Nein. Und trotzdem werde ich nicht gefragt.

Es fängt an mit einer morgendlichen Familienversammlung in meinem Zimmer. Alle stehen sie lachend um mein Bett herum und nerven mich so lange, bis ich unter der schön warmen Bettdecke hervorkomme und mich nach unten ins Wohnzimmer schieben lasse. Da geht der ganze Zirkus dann weiter, bis es an der Haustür klingelt und ich verdonnert werde, sie zu öffnen. Ich kann nur hoffen, dass da jetzt kein singender Clown steht oder so.

„Alles Gute zum Geburtstag“, sagt die Person, die mir jetzt gegenüber steht.

Ich hab mich geirrt. Der Clown wäre eindeutig besser gewesen. Alles andere wäre wahrscheinlich besser gewesen.

„Hallo“, sagt Lukas als eine Antwort von mir ausbleibt und zupft sichtlich nervös an einem Ärmel seiner Jacke. „Ich hab lange überlegt, ob ich kommen soll und ich hoffe, du verstehst das nicht falsch…“

Ich packe ihn am Arm und ziehe ihn ins Haus, bevor er protestieren kann. „Nicht hier“, sage ich und ziehe ihn hinter mir die Treppe rauf. Drei Augenpaare sehen uns geschockt und gleichzeitig neugierig hinter her. Was auch immer gleich passiert, ich will nicht, dass sie was davon mitbekommen. Ich weiß ja selber noch nicht mal, was jetzt gleich passieren wird. Ein Teil von mir möchte Lukas festhalten und küssen und so tun, als ob sich nichts geändert hätte. Der andere Teil wäre eher für die Variante, ihn anzuschreien und so viel Abstand wie möglich zu halten.

Ich schließe die Tür zu meinem Zimmer hinter mir und lehne mich mit dem Rücken dagegen. Abstand ist vermutlich erst mal das Richtige. Lukas steht mitten im Raum und sieht mich aufmerksam an.

„Warum bist du hier?“, frage ich.

„Ich dachte, dein Geburtstag wäre eine gute Gelegenheit, damit wir noch mal miteinander reden können.“

„Noch mal ist gut“, schnaufe ich.

„Ich will mich nicht mit dir streiten.“

„Vielleicht will ich das aber.“

Ihn anzuschreien und einfach alles mal rauszulassen ist tatsächlich gerade verlockender als alles andere. Vielleicht will er gerne auf heile Welt machen, aber da spiele ich nicht mit.

„Okay. Dann sag mir, was du sagen willst“, schlägt er ruhig vor.

„Du bist einfach abgehauen!“, platzt es aus mir raus. „Einfach so. Ohne was zu sagen und meldest dich fast zwei Monate nicht. Mit mir reden wolltest du ja offensichtlich auch nicht und jetzt verlangst du von mir, dass wir uns ganz ruhig hier hinsetzen und uns unterhalten? Das kannst du dir sonst wo hinstecken!“

Er bewegt nicht einen Muskel. Als würde er auf etwas warten.

„Ich weiß noch nicht mal, was eigentlich wirklich passiert ist. Wir haben uns gestritten, du hast mich rausgeworfen und dann warst du einfach weg. Das ist echt mies, weißt du das?“

„Ja“, sagt er und starrt bitter auf den Boden zwischen uns. „Deshalb bin ich hier. Es tut mir leid.“

Hm. Ich hab zwar noch lange nicht alles rausgelassen, was ich ihm an den Kopf werfen könnte, aber irgendwie hab ich plötzlich das Gefühl, dass ich das nicht mehr muss. Ich kenne diesen Blick. Er weiß, was er falsch gemacht hat und ich weiß, dass ich auch nicht unschuldig war. Vielleicht war das alles von Anfang an keine gute Idee. Andreas war zwar der Auslöser, aber vielleicht lag die Ursache für unsere Trennung ganz woanders. Möglicherweise hatten Lukas und ich beide recht mit dem, was wir uns gegenseitig vorgeworfen haben.

Ich gehe auf ihn zu und schließe ihn in eine feste Umarmung. Er legt seine Hände an meinen Rücken, wo sie schon lange nicht mehr gelegen haben und lehnt seinen Kopf an meine Schulter. Und in meinem Körper spielt alles verrückt. Das ist kein Vergleich zu Dennis‘ oder Andreas‘ Umarmung, aber ich kann trotzdem nicht sagen, ob ich Lukas wirklich noch liebe. Komisch oder? Die ganze Zeit hab ich gedacht, dass ich Liebeskummer habe, aber vielleicht hab ich auch einfach nur meinen besten Freund vermisst.

„Ich kann nicht mit dir zusammen sein“, sagt Lukas, als hätte er meine Gedanken erraten. „Du hattest recht damit, dass es zu früh war. Es war zu viel Veränderung für mich.“

„Für mich auch.“

Wir setzen uns nebeneinander auf die Bettkante und er hält meine Hand in seinen Händen. So ganz klappt das mit dem Abstand noch nicht, aber ich denke, dass wir einfach nur froh sind, dass wir uns wieder haben. In welcher Form auch immer.

„Ich bin froh, dass du wieder da bist.“

„Ich… bin nicht wieder da“, sagt er und sieht mich aufmerksam an. „Ich hab eine Wohnung etwa 30 Kilometer von hier und gehe zur Uni. Und das wird auch so bleiben. Es ist zwar nicht weit weg, aber ich brauche den Abstand.“

Mit der Antwort hatte ich gerechnet. Warum sollte er auch alles hinwerfen, nur weil wir uns jetzt teilweise ausgesprochen haben? Trotzdem weiß ich nicht, wie es dann jetzt weitergehen soll. Der Abstand ist bestimmt richtig, aber ich möchte auch meinen Mülleimer wieder bei mir haben. Ich will meinen besten Freund nicht noch mal verlieren.

„Also willst du mich nicht mehr sehen?“

„Doch natürlich.“ Er lächelt. „Aber…“

„Nur als Freunde“, sage ich nickend. „Was anderes will ich auch gar nicht nach dem ganzen Chaos.“

„Chaos?“

Ich setze mich im Schneidersitz aufs Bett. „Du hast ganz schön was verpasst.“ Und dann erzähle ich ihm alles. Alles, was mit Andreas zu tun hat und auch die ganze Geschichte mit Dennis. Ich finde einfach, dass er das Recht hat, alles zu erfahren. Den letzten Part versuche ich ihm so schonend wie möglich beizubringen und hoffe, dass er es nicht falsch versteht.

„Du hattest also… nichts mit Andreas?“, fragt er etwas verlegen.

„Nein. Aber ich sag dir ganz ehrlich, dass nicht viel gefehlt hat. Ich hab nur gemerkt, dass das und auch das mit Dennis nicht das ist, was ich will. Verstehst du? Ich will nicht, dass du jetzt einen falschen Eindruck von mir hast. Ich wollte wirklich mit dir zusammen sein und ich hätte nie…“

„Ich mach dir doch gar keinen Vorwurf“, unterbricht er mich und dann verzieht sich sein Gesicht zu seinem altbekannten Grinsen. „Was meinst du, was deine Eltern jetzt denken?“

Ich lache. „Keine Ahnung. Vielleicht stehen sie immer noch an der Treppe und lauschen.“

„Sie hassen mich jetzt bestimmt.“ Sein Blick wird wieder ernst.

„Nein“, sage ich schnell und lege meine Hand auf seinen Arm. Da ist immer noch dieses Kribbeln. Ob er das auch merkt? Nein, das ist bestimmt nur Einbildung. „Ich werde ihnen nachher alles erklären.“

„Okay. Also sind wir wieder Freunde?“, fragt Lukas.

„Ja.“

Als ich ihn kurz darauf zur Haustür bringe, frage ich, wann wir uns wiedersehen.

„Ähm… erst mal nicht“, ist seine Antwort. „Ich muss das alles erst mal neu einordnen und dafür brauche ich noch ein bisschen Zeit. Aber wir können ja mal telefonieren.“

„Okay“, sage ich und versuche mir die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Soll es so jetzt immer zwischen uns sein? So verklemmt und vorsichtig?

„Das hier ist meine neue Adresse und Telefonnummer“, sagt er und drückt mir einen kleinen Zettel in die Hand. Ich lese, was darauf geschrieben steht und fühle mich irgendwie ausgeschlossen. Es ist als hätte er sich ein neues Leben aufgebaut und mich überhaupt nicht miteingeplant. Dabei haben wir sonst immer alles zusammen geplant. Normalerweise wäre es wohl so gelaufen, dass wir uns gemeinsam eine Wohnung gesucht hätten. Zu dieser Adresse auf dem Zettel habe ich aber gar keine Verbindung.

„Ich weiß, dass es komisch ist“, sagt Lukas. Er hat wohl meinen nachdenklichen Blick bemerkt. „Aber ich musste einfach schnell weg von hier. Das heißt nicht, dass ich dich nicht mehr sehen will.“

„Ja, ich weiß. Es ist nur merkwürdig, dass sich alles so plötzlich geändert hat.“

„Wem sagst du das?“

Ich versuche mich an einem Lächeln und dann verabschieden wir uns für… was weiß ich wie lange.


Ja, Geburtstage halten immer Überraschungen bereit. Meistens mag ich sie nicht besonders, aber dieses Mal bin ich nicht sicher. Es ist gut zu wissen, dass Lukas und ich noch Freunde sind, aber es war auch ein ganz schöner Schock zu sehen, wie sehr sich unsere Beziehung verändert hat. Den beste-Freunde-Status haben wir jedenfalls verloren. Dafür ist unser Umgang miteinander jetzt viel zu verkrampft. Ich frage mich, ob wir das wieder hinbiegen können. Immerhin wird da immer irgendwie was zwischen uns stehen. Wir waren uns nie so nah wie im letzten halben Jahr und nie so weit voneinander entfernt wie jetzt. Kann man dann einfach wieder eine Mitte finden und alle anderen Gefühle verdrängen?

Meine Eltern haben übrigens nicht gelauscht. Oder sie haben gelernt mich zu belügen, was sie bisher noch nie geschafft haben. Allerdings waren sie sofort zur Stelle, als Lukas gegangen ist und löcherten mich mit allen möglichen Fragen. Marie hat sich dabei sehr zurückgehalten, war aber offensichtlich schon interessiert an der Geschichte. Heute, ein paar Tage später, ist sie nachmittags zu mir ins Zimmer gekommen und hat endlich die Frage gestellt, die mir an ihrer Stelle schon vor Wochen rausgeplatzt wäre. „Was genau ist zwischen dir und Andreas passiert?“ Jetzt sitzen wir nebeneinander auf meinem Bett und sie starrt mich neugierig und vielleicht ein bisschen ängstlich an. Natürlich hat Andreas ihr alles erzählt, aber jetzt will sie meine Version hören.

Ich erzähle ihr also alles, von Anfang an. Wirklich alles. Sogar von dem Vorfall in meinem Zimmer, der irgendwie alles ins Rollen gebracht hat. Bei dem Gedanken an diesen Kuss und die Berührung seiner Hand bekomme ich immer noch ‘ne Gänsehaut, aber nicht mehr, weil es mich anmacht, sondern weil seitdem alles den Bach runter gegangen ist. Ich gebe nicht mehr Andreas die Schuld dafür, zumindest nicht nur, aber ich bin immer noch sauer, dass es passiert ist. Sauer auf irgendwas, das ich nicht mal benennen kann.

Marie hört mir aufmerksam zu, ohne mich zu unterbrechen.

„Das ist alles“, schließe ich meinen Bericht. Meine Wangen glühen ein bisschen, weil ich vorher noch nie so offen mit meiner Schwester über mein Liebesleben gesprochen habe. Ist schon ziemlich unangenehm. „Es war nie wirklich was zwischen uns. Aber es hat trotzdem alles kaputt gemacht.“

„Ich dachte, du warst glücklich mit Lukas.“ Auch ihre Wangen haben ein bisschen mehr Farbe als sonst.

„War ich auch. Aber ich bin vorher wahrscheinlich auf zu viele Flirts eingegangen und konnte solche Annäherungsversuche nicht mehr ignorieren. Sieht man ja bei Dennis“, füge ich hinzu und schüttele den Kopf. „Und wenn dir dann genau das von deinem Freund auch noch ständig unterstellt wird, passiert es auch irgendwann.“

„Aber du hättest dich… nicht darauf eingelassen, wenn Lukas vorher nicht Schluss gemacht hätte, oder?“

„Nein“, sage ich, obwohl ich es natürlich nicht mit absoluter Sicherheit sagen kann. Vielleicht wäre irgendwann jemand aufgetaucht, bei dem ich nicht hätte nein sagen können. Und wahrscheinlich wäre das sogar noch schlimmer gewesen. Dann hätten wir uns wohlmöglich total in die Haare bekommen und könnten nie wieder miteinander reden. So besteht wenigstens noch die Möglichkeit, dass wir wieder einigermaßen gute Freunde werden.

„Warum hast du’s mir nicht gesagt?“, fragt Marie und verknotet sichtlich angespannt ihre Finger.

„Dass Andreas hinter mir her war?“ Sie nickt. „Wie hätte ich dir das denn sagen sollen? Erstens war ich selber total geschockt und wusste nicht, was das eigentlich zu bedeuten hat, und zweitens hättest du mir doch sowieso nicht geglaubt. Ich dachte halt, dass es Andreas‘ Aufgabe ist, mit dir zu reden, wenn was nicht stimmt.“

„Und ich hab mich noch gewundert, dass wir beide gleichzeitig in so einem Chaos stecken.“

„Es tut mir leid“, sage ich und meine es auch so.

„Schon gut, du kannst ja eigentlich nichts dafür. Vielleicht sind wirklich alle netten Männer schwul.“

„Das kann ich nicht bestätigen“, murmel ich und hab dabei mehr als ein Beispiel im Kopf.

Sie lächelt mich an und gibt mir einen leichten Schubs gegen die Schulter. „Aber was an dir so toll sein soll, kann ich wirklich nicht verstehen… hey!“, protestiert sie, als ich mich auf sie stürze und ihren Hals kitzle. Das kann sie gar nicht ab.

Danach liegen wir eine ganze Weile Arm in Arm da und versuchen uns einzureden, dass es Schlimmeres gibt, als eine verlorene Liebe, die sowieso nicht funktionieren konnte. Und es tut erstaunlich gut. Vielleicht merken wir gerade erst wie wichtig wir doch für den jeweils anderen sind. Ich bin jedenfalls froh, dass es doch noch einen vernünftigen Menschen in diesem Haus gibt, bei dem ich mich jetzt anlehnen kann.


Jetzt weiß ich, was Lukas mit „mal“ meinte. Wir können ja mal telefonieren. Mal ist heute. Genau drei Wochen und zwei Tage nach meinem Geburtstag. Ich hab zwischenzeitlich gefühlte zehntausend Mal vor meinem Telefon gehockt und mich letztendlich immer wieder dafür entschieden, ihm die geforderte Auszeit zu lassen und auf seinen nächsten Schritt zu warten. Echt anstrengend. Aber noch viel anstrengender ist das Telefonat selbst. Es hat angefangen mit einem „Wie geht’s dir?“ und seitdem ist nicht wahnsinnig viel mehr gesagt worden.

„Wie ist es an der Uni?“, frage ich, um das Gespräch in Gang zu halten. Er studiert irgendwas mit Informatik und ich kann nur hoffen, dass jetzt keine seiner langen Reden folgt über Computer und was weiß ich was noch.

„Kann mich nicht beklagen.“

Joa. Ein bisschen mehr Information hätte dann doch nicht geschadet. Ich seufze. „Lukas, kann ich dich mal was fragen?“

„Klar.“

„Irgendwie klappt das hier nicht, oder? Ich meine, warum hast du denn erst angerufen, wenn du gar nicht mit mir redest?“

„Ich rede doch mit dir.“

„Ja“, schnaufe ich. „Aber wie?“

Für einen Moment ist er still, aber was er dann sagt, trifft mich unerwartet hart. „Ich weiß halt nicht, was ich dir erzählen soll, ohne… ja, ohne dich zu verletzen.“

Ich schnappe erst mal nach Luft. Verletzen? Warum sollte es mich verletzen, was er zu sagen hat? Hat er…? Und wie kann ich ihn unauffällig danach fragen?

„Ich finde wir sollten die Seidenhandschuhe langsam mal ausziehen. Wir kennen uns schon ewig, da sollten wir doch normal miteinander reden können, oder?“ Ja, das hört sich doch ganz vernünftig an. „Du kannst mir alles sagen.“

„Ich weiß nicht.“

„Du weißt nicht?“, kommt es etwas zu schrill aus meinem Mund.

„Würde es dir was ausmachen, mir nicht so ins Ohr zu schreien?“

„Sorry“, sage ich und räuspere mich kurz. „Ich hab dir auch alles erzählt.“

„Das ist was anderes.“

„Hä? Wieso sollte es?“

Jetzt ist er es, der seufzt. „Ich weiß nicht, wie ich dir das erklären soll.“

„Okay, vielleicht ist es schlecht am Telefon. Ich komme dich am besten nächstes Wochenende besuchen, dann können wir uns richtig unterhalten.“

Und dann lege ich ganz schnell auf, damit er nicht nein sagen kann. Kurz darauf klingelt mein Handy wieder, aber ich gehe nicht ran. Auf dem Festnetztelefon wird es bestimmt nicht versuchen, weil da schließlich meine Eltern abnehmen könnten und er immer noch ein bisschen Angst davor hat, mit ihnen zu sprechen. Dann kommen auf einmal drei kurze, penetrant schrille Töne aus meinem Handy und kündigen eine SMS an. Von Lukas natürlich. Tu, was du nicht lassen kannst. Samstag. Aber komm nicht zu spät ich hab nachmittags noch was vor. Das war’s. Kein Ich freue mich oder Liebe Grüße oder so was. Ein Komma zu setzen, verlernt man an der Uni scheinbar auch.

Aber was mir viel mehr Sorgen macht, ist das ‚ich hab nachmittags noch was vor‘. Hat er etwa wirklich…? Das würde mich eindeutig verletzen, ja. Er kann doch jetzt noch nicht… ich meine, wie lange sind wir jetzt getrennt? Manchmal kommt es mir vor wie zwei Tage und dann wieder wie zwei Jahre. Wahrscheinlich sind es aber eher zwei Monate. Zu kurz, um etwas Neues anzufangen, wenn er vorher behauptet hat, dass es ihm mit mir zu schnell ging. Aber Moment mal. Ich dachte, ich wollte nur meinen besten Freund zurück. Warum bin ich dann jetzt so schockiert? Soll Lukas doch machen, was er will und mit wem er will. Ich sollte mich da gar nicht einmischen und lieber darauf achten, dass ich nicht wieder was ganz Dummes anstelle.

Ich stehe von meinem Schreibtischstuhl auf und renne etwas planlos durch mein Zimmer. Mein Körper gaukelt mir mal wieder Dinge vor, die gar nicht da sein können. Ein viel zu angenehmes Kribbeln im Bauch, wenn ich an Lukas denke und ein schlimmes Ziehen ein Stockwerk höher, wenn ich ihn mir mit einem anderen Jungen vorstelle. Spinnerei. Nichts weiter. Nur alte Gewohnheit. Glücklicherweise weiß mein Kopf noch genau, was Sache ist.

Nachdem ich allerdings langsam aber sicher ein deutliches Muster in meinen Teppich getreten habe und die körperlichen Symptome immer noch da sind, beschließe ich, Marie einzuweihen.

„Hilfe“, sage ich verzweifelt, als ich ihr Zimmer betrete und lasse mich rücklings auf ihr Bett plumpsen.

Marie sitzt an ihrem Schreibtisch, genau wie ich noch vor ein paar Minuten, und telefoniert. „Warte mal, Andreas.“ Sie dreht sich zu mir um. „Was willst du?“

„Mit dir reden.“

„Kann ich dich später noch mal anrufen?“, sagt sie zu… Andreas? Ich dachte, dass zwischen den beiden erst mal Funkstille ist. Aber immerhin scheinen sie sich am Telefon noch was zu sagen zu haben.

„Also?“, fragt Marie, nachdem sie ihr Handy auf dem Tisch abgelegt hat.

„Wieso telefonierst du mit Andreas?“

„Wieso denn nicht? Ist das das einzige, was du mich fragen wolltest?“ Irgendwie macht sie einen genervten Eindruck. Liegt das an mir?

„Ich glaube, mein Körper will Lukas zurück.“

Jetzt sieht sie eindeutig verwirrt und etwas angeekelt aus. „Ich weiß nicht, ob ich mit dir darüber sprechen möchte.“

„Neeeiin“, sage ich schnell, als ich das Missverständnis verstehe. „So meine ich das nicht. Ich hab gerade mit ihm telefoniert und da war wieder so ein Kribbeln und ein Ziehen, aber mein Kopf hat gesagt: ‚äh-äh‘.“

Sie guckt mich etwas überfordert an. „Wie ‚äh-äh‘?“

„Na, so wie ‚vergiss es!‘ “ Ist das so schwer zu verstehen?

Marie sieht immer noch verwirrt aus. „Noch mal von vorne, bitte.“

Ich seufze und erzähle dann halt alles noch mal von Anfang an. Mit der Zeit glätten sich Maries Gesichtszüge etwas und sie sieht fast ein bisschen mitfühlend aus. Sie fragt, was genau mich denn an Lukas‘ Aussagen gestört hat und grinst dann auf einmal, nachdem ich ihr mehr stotternd als redend geantwortet habe.

„Du bist eifersüchtig“, stellt sie nüchtern fest. „Obwohl er dir eigentlich gar keinen Grund geliefert hat.“

„Er hat bestimmt einen Neuen.“

„Das hat er nicht gesagt. Woher willst du eigentlich wissen, dass es ein Kerl ist?“

Das Kribbeln ist schlagartig weg und das Ziehen auch. Das hier ist wie ein Schlag in die Magengegend: schmerzhaft und wird bestimmt Spuren hinterlassen.

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