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Meine vier Leben (Eine fiktive Geschichte)

Teil 4 - Das zweite Leben - Freud und Leid

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Informationen

Das Zweite Leben. - Freud und Leid

Danke für Eure vielen Rückmeldungen. Nun geht es langsam dem Ende zu. Zumindest dem Ende meines zweiten Lebens.

Nun sind über 1 ½ Jahre vergangen.

Im Dorf geht alles seinen Gang. Oliver besucht uns manchmal. Er studiert BWL. Sein Nachfolger heißt Andi, auch ein ganz netter.

Holger und ich sind einem Turnverein, dem TV 08, beigetreten und machen Leichtathletik, ja, Holger läuft. Er hat eine neue Prothese bekommen und ist nicht schlecht. Wenn's die Zeit erlaubt, gehe ich auch Fußball spielen. Natürlich im selben Verein, wo auch Simon spielt.

Verändert haben wir uns im Äußeren. Holger hat mich fast von der Größe ein, ist ganz schlank und hat eine feste Freundin. Benny bekommt morgens einen Dicken, wie er zu sagen pflegt, den er dann im Bad herumträgt. Ich? Nun ich bekomme langsam Gestrüpp, zu meinem Leidwesen überall, bin 1.80 lang und habe zurzeit grüne Haare.

Ja, und wer wissen will, was nun mit mir und Jan ist?

Nichts!

Ja, nichts!

Gar nichts!

Ich werd fast verrückt. Ich weiß nicht mehr, was ich machen oder nicht machen soll. Ich bin der unglücklichste verliebte Junge auf der Welt.

In 4 Monaten ist mein 17. Geburtstag und ich überlege noch, ob ich ihn überhaupt einladen soll.

Dabei hatte ich den Eindruck, dass es so gut begonnen hatte.

Das Lächeln, sein Lächeln, sein wissendes Lächeln.

Klar wir trafen uns nachmittags, und zwar fast jeden Nachmittag. Ich war bei ihm und seiner Familie fast zu Hause. Immer blödelten wir herum und immer betatschten wir uns offen-heimlich und taten so, als würden wir das nicht merken. In der Schule hingen unsere Köpfe immer zusammen. Ich liebte seinen Atem, seinen Geruch, selbst wenn wir nach dem Sport nach Hause gingen, meist zu ihm, machte mich sein Schweiß an. Er duschte nie in der Schule nach dem Sport.

»Mach ich zu Hause«, sagte er immer.

Ich duschte immer nach dem Sport und war einer der wenigen, die sich nackt duschten. Aber Jan? Nie sah ich ihn nackt.

Ich hatte es mal versucht, als die Duschen defekt waren, mit ihm zusammen zu duschen, bei ihm zu Hause. Ging auch, aber er ging als Erster, und er hat sich im Bad umgezogen, dann erst ich. Wie sonst nach der Stunde auch hatte ich mich ausgezogen und merkt auch, wie immer, wie er mich musterte und offen anstarrte. Ich konnte auch sehen, dass es ihn anmachte. Die Beule war unübersehbar.

Manchmal kam er mir mit dem Mund so nahe, dass ich fast einen Herzkasper bekam. Ich war dann immer der Meinung, jetzt küsst er mich. Aber nix war. Ich verstand es einfach nicht.

Machte ich einen Versuch, blockte er sofort ab. Er sagte nichts, und er zog sich zurück.

Auch übernachtete ich immer öfter bei ihm. Wir unterhielten uns auch über Sex, aber ich schlief immer unten auf der Luftmatratze, und er oben im Bett.

Manchmal machten wir eine Kissenschlacht, und da passierte es schon mal, dass er voll auf mir oder unter mir lag.

Ich meine, mit kurzen Schlafanzughosen und einer Latte in der Hose, dass muss man doch merken, oder? Seine hab ich immer bemerkt.

Er tat immer so, als wäre nichts, und lachte mich an.

Wenn wir manchmal ins Eiskaffee gingen, mit der ganzen Clique, und zuwenig Stühle da waren, setzte er sich wie immer auf meinen Schoß.

Einmal brachte er mich durch sein Gehampel und Gerutsche zu einem Orgasmus. Mitten im Lokal. Ich hatte Mühe, im WC wieder alles halbwegs hin zu bekommen und was machte er?

Er grinste mich an.

Das ist doch nicht normal.

Oder?

Ich tat nichts, um ihm zu zeigen, dass ich das nicht mochte - denn ich mochte es ja. Er hätte von mir alles bekommen.

Alles!

Dann, etwa 3 Monate vor meinem Geburtstag kam Simon auf mich zu. Wie immer hatte er seinen Arm über meine Schultern gelegt und flüsterte mir ins Ohr.

»Du musst mir helfen!«

Ich schaute ihn an.

»Du..., du müsstest mich rasieren!«

Ich fragte ihn, ob er spinne, aber er erklärte mir, dass seine neue Flamme Tatjana einen Freund hatte, der untenrum rasiert war, und jetzt solle er auch, aber er traute sich nicht und hatte Angst sich zu schneiden. Wen sollte er denn sonst bitten, außer mich?

Wir vereinbarten einen Treff in der Sporthalle für den nächsten Tag nach meiner Sportstunde. Da ich meist immer noch auf Holger wartete, bekam ich den Hallenschlüssel zum abschließen.

Der nächste Tag brachte zunächst eine Überraschung. Ich lag im Bett und kam nicht hoch. Mein Körper war total verkrampft. Es dauerte sage und schreibe fast eine Viertelstunde, ehe ich etwas wackelig im Bad stand. Mir war auch übel, ohne das mir bewusst gewesen wäre, dass ich etwas Schlechtes gegessen hätte.

Es verging aber wieder, und so fiel es mir erst beim Sport wieder ein, als ich einfach so Nasenbluten bekam und ich mich hinsetzten musste.

Jan fragte besorgt:

»Was ist mit dir?«

Ich winkte ab. Nach der Stunde, fast alle hatten die Halle verlassen, kam Simon. Er hatte alles mitgebracht. Wir warteten noch, bis die letzten den Umkleideraum verlassen hatten und gingen in die Duschen.

»Zieh dich aus.«

Wenigstens mal wieder einen nackten Boy zu sehen freute mich. Obwohl, im Fußballverein duschten wir meist zusammen, daher war mir sein Anblick nicht ganz neu. Nur jetzt hatte er eine Latte. Ihn regte das ganze offenbar auch an.

Er legte sich hin.

»Sorry! Er freut sich schon.«

Meinte er und nahm seinen Schwanz in die Hand.

Ich seifte ihn ein und begann mit der Rasur. Nachdem ich ihn zweimal eingeseift und rasiert hatte und er wunderbar glatt war, sagte er zu mir:

»Bitte wichs ihn mir.«

Ich sah ihn an.

»Willst du wirklich?«, fragte ich ihn.

Klar, ich würde auch schon gern, aber er hatte doch eine Freundin.

»Ich möchte mal spüren wie das so ist, mit einem Jungen.«

Ich umfasse seinen harten Schwanz und rieb ihn. Er hatte seine Augen geschlossen und stöhnte auf.

»Geil.«

Ich nahm mit der anderen Hand seine Eier und knetete sie ganz zärtlich.

»Küss mich.«

Ich hatte mich wohl verhört.

»Küss mich, bitte.«

Ich sah ihn an. Wollte er das wirklich? Vor allem wollte ich das? Wichsen ist eine Sache, aber wenn küssen dazukommt... Obwohl, mein größter Wunsch war schon der, ihn zu küssen. Manch nassen Traum und viele Kopfkinos waren mit Simon abgelaufen, und jetzt sollte und durfte ich ihn küssen?

Dann würden meine Träume eine neue Dimension bekommen. Ich würde ihn schmecken.

Mein Mund war unmittelbar vor seinem. Ich roch das Nutellabrot, dass er vorher gegessen hatte. Er hatte den Mund ein wenig geöffnet und die Zungenspitze schaute heraus. Ich berührte leicht seinen Mund und merkte, wie sich sein Körper verkrampfte. An meiner Wange spürte ich seinen Samen, der dort gegenspritzte.

Seine Zunge wollte in meinen Mund, und ich gewährte ihr Einlass. Jetzt wollte ich alles und begann, mir die Hose herunterzuziehen.

Da, auf einmal.

»Was macht ihr da? Simon, du Scheißer, hast du nicht eine Freundin?«

Jan, ich hatte nicht an Jan gedacht, der manchmal draußen auf mich wartete. Warum musste er heute warten?

»Lass meinen Freund in Ruhe, sonst...!«

Ich schaute betrübt auf den Boden. Warum machte er das? Ihm sollte es doch egal sein. Ich wusste auch, dass Simon eine Freundin hatte, aber ich hätte wenigstens einmal... !

Simon hatte sich bereits wieder angezogen. Mir wurde plötzlich schwindelig und ich fiel auf die Platten.

Ich kam aber sofort wieder zu mir.

»Was war das?« fragte Simon, der neben mir saß und mich hielt.

»Ach nichts, passiert in letzter Zeit schon mal. Wo ist Jan?«

»Die kleine eifersüchtige Drossel? Weg.«

»Wie meinst du? Eifersüchtig? Ich hab doch gar nichts mit ihm. Besser gesagt, er will doch gar nichts von mir.«

»Eben klang das aber ganz anders. Er hat mir Prügel angedroht.«

Nachdenklich verließ ich mit Simon die Halle.

»Danke für deine Hilfe. Auch für das andere. Stände ich nicht auf Frauen, du wärst meine erste und einzige Wahl.«

Ich nahm mir vor mit Jan zu reden.

Der nächsten Tag begann wie der vorige, ich kam fast wieder nicht aus dem Bett. Langsam machte ich mir Sorgen, irgendetwas stimmte doch da nicht. In der Schule angekommen, sah ich, dass er nicht da war. War er vielleicht krank? Trotz meines Unwohlseins, das den ganzen Tag nicht nachließ, ging ich nach der Schule zu ihm.

Er öffnete nicht die Tür. Seine Eltern waren auf der Arbeit. Die Nachbarin sah mich, und da ich ja fast zur Familie gehörte, öffnete sie mir die Tür. Sie wusste, dass Jan zu Hause war.

»Er wird eingeschlafen sein. Die Nachricht war wohl doch nicht so gut.«

Ich verstand nichts. War da noch was? Ich dachte es wäre wegen mir... So kann man sich täuschen. Ich überlegte, ob ich überhaupt mit ihm sprechen sollte. Ich ging dann doch hoch.

Ich klopfte an seine Tür. Dann machte ich sie leise auf. Nein, er schlief nicht. Er hatte seinen CD-Player an und hörte nichts. Er sah traurig aus. Ich hielt ihm die Augen zu. Aber es war anders wie sonst, wo er lachend aufsprang. Jetzt hielt er nur meine Hände fest und ich sah wie ihm die Tränen herunterliefen.

»Ich möchte dir was sagen.«

Nun hatte ich den Anfang gemacht.

»Ich dir auch!«

»Dann fang du an!«

Sagte ich zu ihm.

»Nein du zuerst.«

Es musste jetzt sein.

»Es war nichts zwischen Simon und mir. Ich sollte ihn untenherum rasieren, weil seine Tussi es so wollte.«

»Aber dann hast du ihn geküsst!«

»Ja, er wollte wissen, wie das ist mit einem Jungen, und ich, ich bin halt schwul und Simon ist mein bester Freund, dann, ja, dann ist es halt passiert. Ja, ich fand es geil! Ich hätte mir aber mehr gewünscht, du wärst es gewesen.«

»Was wäre ich gewesen?«

»Na, mir wäre es ehrlich gesagt lieber gewesen, du hättest da gelegen.«

Er wich meinem Blick aus.

»Siehst du, solange wie wir uns schon kennen blockst du immer ab, wenn ich dir etwas näher kommen will. Wie jetzt. Schau mich an und sag mir, dass ich mich verpissen soll oder küss mich jetzt endlich!«

Er schaute mich mit seinen geröteten Augen an. Dann schlang er seine Arme um mich und zog meinen Kopf zu sich herunter. Seit Jahren hatte ich nicht mehr so intensiv geküsst, wie zu diesem Zeitpunkt. Jan benahm sich, als wäre er ein Vulkan beim Ausbruch, kraftvoll und stürmisch.

Ein kalter Schauer durchfuhr mich. Er ging mit der Hand immer tiefer und lächelte mich dabei an. Ich konnte gar nichts mehr sagen. Er ging mit der Hand in meine Hose und ich bekam sofort eine Erektion. Er umfasste mein steif gewordenes Glied und liebkoste es langsam und fordernd. Dann kniete er sich vor mich und zog mir meine Hose aus. Ich war schockiert aber auch unglaublich erregt.

Ich stand dann auf und legte mich zu ihm ins Bett, und während wir knutschten, öffnete ich ihm die Hose, um auch seinen Penis spüren zu können.

Es war wie ein Rausch.

Er bedeckte mein gesamtes Gesicht mit seinen Küssen. Als er wieder bei meinem Mund ankam, um mich erneut zu küssen, streckte er mir fordernd seine Zunge entgegen. Immer wilder wurde unser Zungenspiel. Wie zwei Schlagstöcke auf einem Schlagzeug, so hart trafen unsere Zungen aufeinander. Kraftvoll, unnachgiebig und doch sanft schmeichelnd erforschten wir den Mundraum unseres Gegenübers. Ich hatte seinen Schwanz noch nicht richtig angefasst, da konnte er es nicht mehr unterdrücken. Er bäumte sich in Ekstase auf und schrie. Schub um Schub ging über meine Hand. Er drückte bei mir auch nur drei- oder viermal zu, und ich hatte einen nassen Bauch. Es dauerte noch mindestens eine Stunde, in der wir alles Versäumte nachholten. Wir lagen nackt und ineinander verschlungen auf dem Bett. Es war der Wahnsinn, diesen Körper neben mir zu spüren, ihn zu berühren, zu liebkosen. Wieder und wieder suchte sein Mund meinen, und die Zungen verhakten sich. Einfach nur geil, richtig obergeil. Lange war ich nicht mehr so glücklich wie in diesem Moment.

Ich muss sagen, es war die befriedigendste Stunde meines bisherigen Lebens.

Und dann passierte es wieder. Brechreiz, aus heiterem Himmel. Ich schaffte es gerade noch ins Bad. Mann, war mir schlecht! Jan kam hinterher.

»Was hast du?«

»Ach nix. Vielleicht muss ich doch zum Doc.«

Wir gingen zurück, und ich wollte ihn wieder in den Arm nehmen. Plötzlich schob er mich von sich weg und ging auf Abstand zu mir. Was war denn jetzt los? Dann fing er an zu sprechen, und mir wurde wieder schlecht.

»Nein, bitte nicht. Es fällt mir sehr schwer, dir das zu sagen.«

So fangen doch alle Sätze an, aus denen nicht gutes wird, oder? In meinem Kopf rotierte alles. Was sollte das denn jetzt werden? Sollte es ihm leidtun, was da geschehen war, und er wollte mich nicht mehr sehen? Ich verkrampfte immer mehr.

Ihr wisst doch wie das ist, wenn im Hals ein immer größer werdender Klumpen entsteht, und das Herz sich schmerzhaft verkrampft.

»Ach Kai, ist das nicht alles Schitt? Mein Vater, du weißt ja, dass er bei der Bundeswehr ist. Er hat einen neuen Stellungsbefehl nach München bekommen. Wir müssen in 14 Tagen..........«

Ich hörte gar nicht mehr hin. Irgendwas zerbrach in mir.

».........deshalb wollte ich nichts festes anfangen. Obwohl ich dich liebe.«

Er heulte, und ich zog mich an und ging. Ich war total von der Rolle.

Ich weiß nicht, was anschließend passiert ist. Im Krankenhaus sagte man mir nur, dass ich auf der Strasse gelegen hatte und Blut aus dem Mund gelaufen sei. Man hatte mich stationär eingewiesen, und ich musste nun die Ergebnisse der Untersuchungen abwarten. Meine Leute waren unterrichtet und würden was zum Anziehen vorbeibringen.

Da merkte ich, dass ich wieder nur ein OP Hemd anhatte.

Ich sah mich um. Ich lag auf der Männerstation. Neben mir ein älterer Mann und daneben einer, so um 30. Ruth brachte mir meine Sachen, die ich dann auch sofort anzog, und was zum lesen.

Dann ging alles sehr schnell. Am nächsten Morgen hatte ich wieder diese Verkrampfungen. Der Pfleger holte den Arzt, der mich ausgiebig befragte, wie oft usw., dann wurde mir noch etwas Blut abgezapft.

In den zehn Wochen bis zu meinem 17. Geburtstag bekam ich dann die volle Breitseite von lebenserhaltenden Mitteln mit. Spritzen, Kuren, Chemo.

Leukämie!

Fakt war, es gab keine geeigneten Spender, und Verwandtschaft war nicht.

Mir ging's mal besser und mal schlechter. Dann wurde festgestellt, dass man nun nichts mehr für mich tun konnte, es sei denn, man fände noch Spender, und so wurde ich nach Hause ins Dorf gefahren. Da lag ich dann im Zimmer und konnte mich nur noch auf Krücken bewegen.

Jan hatte mir geschrieben. Ich hatte den Brief nicht geöffnet.

Simon war sehr oft da. Ich merkte, wie unangenehm es ihm war, weil ich so dalag. Ich bat ihn, sich neben mich zu setzten. Er nahm meine Hand. Tränen liefen ihm herunter. Dann schlief ich ein.

So verging die erste Woche.

Ein anderes Mal, als ich mir einigermaßen gut ging, wollte ich nach unten gehen. Als ich die Treppe, mehr schlecht als recht, geschafft hatte und den Gemeinschaftsraum betreten wollte, bekam ich ein Gespräch zwischen Andi (unserem neuen Zivi), Ruth und einem Mann mit.

Es ging um mich, meine Krankheit und um meine Betreuung. Ruth wehrte sich vehement gegen etwas. Der Mann wollte mich in ein anders Heim schaffen lassen. Ruth und Andi wollten aber mein Bett unten herrichten, damit ich ebenerdig wäre, denn dann könnte man mich besser betreuen, waschen, füttern usw.

Schlagartig wurde mir klar, was hier ablief. Hatte ich den Kopf in den Sand gesteckt? Mein Hirn war doch noch nicht kaputt!

Offenbar doch. Ich hatte mir bisher noch keine Gedanken gemacht, weder darum, was jetzt aus mir werden - das war klar -, noch darum, wie es weitergehen sollte. Ich hatte nur noch, wie drückte sich der Professor aus, zwischen einem und sechs Monaten.

Wie wollte ich den Monat oder länger überbrücken? Ich krabbelte leise wieder hoch. Daniel hatte mir erlaubt seinen Computer zu benutzen, aber kein Schweinkram meinte er grinsend. Ich suchte im Internet was über meine Krankheit und was andere daraus machten.

Eins war für mich klar, ich würde nicht als atmender Haufen im »Wohnzimmer« vegetieren wollen, der gefüttert und gewaschen werden muss. Wo jeder morgens vorbeikommt, um zu sehen ob er noch lebt.

Ich stöberte im Internet und fand einen Bericht über das Abschiednehmen in Hospizen. Wie ich so weiter stöberte, kam ich zu einem Kinderhospiz hier im Siegkreis. Es hörte sich gut an, und ich war sofort entschlossen.

Da unter immer noch die Diskussion im Gange war, rutschte ich wieder herunter. Ich rief nach Andi. Sofort verstummte die Diskussion und Andi kam.

»Bitte hilf mir wieder in mein Zimmer.«

Ich sah Ruth und den Verwaltungsdirektor. Sie sahen mich an.

»Ich möchte in das Kinderhospiz nach Olpe. Möglichst sofort.«

Ruth wollte was sagen.

»Bitte Ruth, mach es nicht noch schwerer, als es ohnehin schon ist. Glaubst du, ich möchte hier vor euch langsam verrecken? Was sollen Benny oder Sören sagen, wenn ich jeden Tag ein wenig mehr sterbe? Ich will das nicht! Bitte.«

Die Verwaltungsangelegenheiten wurden vom Büro aus geregelt. Da ich noch Geld auf dem Konto hatte, war es kein Problem, das Haus zu bezahlen, da die Kasse nicht alles übernahm. Der Tag des Abschieds rückte nun unaufhaltsam näher.

Noch zwei Tage, dann sollte es soweit sein. Ich hatte mit Ruth ausgemacht, dass sie keinem der Kinder Bescheid sagen sollte. Ich hätte Abschiedsworte von Benny oder Holger nicht verkraftet.

Mit Andi hatte ich außerdem ausgemacht, dass wir um fünf Uhr morgens starten wollten, wenn alle anderen noch schliefen. Ihn hatte ich noch gebeten mir Geld abzuholen, damit ich, sollte ich was brauchen, es bezahlen könnte.

Simon kam zufällig an diesem Tag zu mir, als ob er es geahnt hatte. Er blieb lange bei mir. Wir weinten viel. Ich musste ihn von Andi heimbringen lassen. Er war fix und fertig.

Zum Abschied sagte er noch:

»Du bist und bleibst immer mein bester Freund.«

Er küsste mich und schlang die Arme um mich und wollte nicht mehr loslassen. Andi musste ihn wegtragen.

Fünf Uhr früh.

Andi öffnete die Tür.

»Sollen wir wirklich schon?«

»Ja.«, flüsterte ich, und er bewegte den Rolli, in dem ich jetzt saß, zum Gang. Ich streichelte Holger noch einmal über das schlafende Gesicht.

»Sag ihnen, dass ich sie alle lieb hatte.«

Andi wusch mich und nahm die Tasche. – Komisch am Ende passt alles, was man noch so braucht, in eine Tasche. – Er trug mich zum Auto und verstaute den Rest darin.

Da stand auf einmal Ruth neben dem Auto. Sie wusste es also doch, Andi hatte wohl nicht schweigen können. Sie sagte nichts. Sie nahm mich in den Arm und weinte. Dann gab sie mir einen Kuss und sagte:

»Gott sei mit dir.«

Ich holte tief Luft. Es gab noch eins, das ich erledigen musste.

»Hier.«

Ich hielt ihr zwei Briefumschläge hin.

»In einem sind 300 Euro. Die sind für Benny, damit er die Klassenfahrt mitmachen kann und er noch etwas Taschengeld hat. Im anderen Brief steht drin, dass das, was an Geld übrig bleibt, auch Benny bekommt.«

Benny hatte nach dem Tod seiner Eltern nichts bekommen, da diese keine Lebensversicherung abgeschlossen hatten, und ich hatte mitbekommen, wie er zu Sören sagte, dass er nicht mitfahren würde, da er kein Geld dazu habe.

Sie nickte nur, und ich bat Andi zu fahren.

Den Weg herunter, dann die Biegung. Ich sah noch einmal zurück. Benny stand am Fenster und winkte. Ich drehte mich wieder um und ließ meinen Tränen freien Lauf.

Die Häuser des Kinderdorfes verschwanden, und ich dachte bei mir, das war es nun.

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