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Verstecktes Leben im Abseits - Tabuthema Homosexualität in der Männerdomäne Fußball
Kapitel 1 - Bereit zum Anstoß
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Informationen
- Story: Verstecktes Leben im Abseits - Tabuthema Homosexualität in der Männerdomäne Fußball
- Autor: Kida Takahama
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Coming Out, Diverses
Vorwort:
Schuld an dieser Geschichte ist, wie man sich denken kann, die WM. Sie hat mich auf dieses Tabuthema gebracht und ich hatte seit langer, langer Zeit mal wieder richtig Lust, eine Geschichte zu Papier zu bringen!
Der Erzählstil mag dabei ein wenig anders sein, als man es von mir gewohnt ist aber ich hoffe, dass die Geschichte euch dennoch gefällt. Vor allem geht es mir aber darum, zum Nachdenken anzuregen. Wie kann es sein, dass es keine Schwulen im Fußball geben darf? Wie kann man den Menschen ihr Leben so zerstören?
In dieser Geschichte habe ich mich mit einem fiktiven Einzelschicksal beschäftigt, mit seinem Weg vom kickenden Grundschüler zum Profifußballer und seinen Gefühlen, die er nicht haben darf ...
Vorweg möchte mich für eventuelle Ablauffehler im Karriereleben eines Fußballprofis entschuldigen. Da ich selbst keinen kenne und mich abseits der WM nicht sooo viel mit Fußball befasse, kann es sein, dass ich spezielle Wege oder Trainingsprogramme einfach nicht kenne. Ich bitte, das zu entschuldigen :)
Viel Spaß beim Lesen!
Kapitel 1 – Bereit zum Anstoß
„Ich habe mich sehr lange dagegen gewehrt, schwul zu sein…“
„Wann haben Sie es herausgefunden?“
„Dafür gibt es keinen direkten Zeitpunkt … irgendwann weiß man es einfach …“
„Und Sie haben es verdrängt?“
„Ja, sehr lange sogar.“
„Weshalb?“
„Viele Gründe, aber letztendlich wohl vor allem wegen meines Traums …“
„Profispieler werden?“
„Genau.“
„Was hat Ihre Meinung geändert?“
„Das Leben … das Versteckspielen … Sie können sich nicht vorstellen, wie anstrengend es ist …“
„Wahrscheinlich nicht. Erzählen Sie mir davon?“
„Deshalb bin ich hier.“
Mein Leben begann ohne den geringsten Gedanken an Probleme. In Vorschule und Kindergarten war ich ein ganz normaler Junge. Es gab in meinem Leben keine Besonderheiten. Mein Vater war Büroangestellter bei der Stadt, meine Mutter Verkäuferin. Die beiden waren sechs Jahre glücklich verheiratet, als sie mich, ihr Wunschkind, bekamen, und auch Jahre später dachten sie nicht eine Sekunde am Tag an Trennung. Als ich drei war, kam meine Schwester Sophie auf die Welt. Wir waren zwei ganz typische Geschwister, zankten und ärgerten uns, liebten und verziehen uns. Im Kindergarten hatte ich viele Hobbys. Ich spielte gerne mit Bällen, liebte Schaukel und Rutsche und ich malte gerne. Dass ich irgendwo außergewöhnlich gut werden würde, hätte man damals wohl nie erwartet, ich natürlich am allerwenigsten, denn welches Kind denkt schon so weit?
Als ich in die Grundschule kam, änderte sich das schnell. Der erste Grundstein dazu wurde durch die Wahl meines Nachmittagskurses gelegt. Zwölf Stück standen zur Auswahl, ich entschied mich für Fußball, wie noch ein halbes Dutzend andere Jungen. Zusammen mit den höheren Klassen waren wir genau 22 Mitglieder, alles Jungs, denn hier handelte es sich immerhin um einen Männersport.
Im ersten Schuljahr hatte ich einfach nur sehr viel Spaß. Der Kurs fand drei Mal in der Woche statt, immer zwei Stunden. Ich kickte den Ball liebend gern, ich war flink, wendig und ich schoss die meisten Tore. Dass das irgendwie besonders war, darüber dachte ich nicht nach – es war doch nur ein Hobby. Ich denke, dass ich es auch weiter als solches betrieben hätte, wäre nicht der Sportlehrer aufmerksam geworden. Das mag daran liegen, dass er schon seit seiner frühsten Kindheit Fußballfan war und insgeheim davon träumte, mal einen Star zu entdecken. Naja, er mag nicht der einzige Mann oder Lehrer mit diesem Traum gewesen sein … doch dafür einer der wenigen, der zur richtigen Zeit am richtigen Ort war, beziehungsweise an der richtigen Schule unterrichtete.
Ohne dass ich etwas davon mitbekam, führte er mehrere Gespräche mit meinen Eltern. Ich realisierte auch nicht, dass ich systematisch jede Position in der Mannschaft einmal einnahm, bis sich herausstellte, dass ich als Linksstürmer wohl das meiste Potential vorwies. Ab da spielte ich nur noch auf dieser Position und der Lehrer konzentrierte sich mehr auf mich als auf die anderen Jungs. Selbst das merkte ich nicht wirklich, denn ich war ja noch ein kleiner Junge, mittlerweile in der zweiten Klasse. Ich dachte noch nicht im Traum daran, dass ich hier gerade um mein ganzes weiteres Leben spielte – im wahrsten Sinne des Wortes.
Ich hatte andere Sachen im Kopf als eine Zukunftsplanung. Vielleicht ein wenig frühreif, redeten die anderen Jungs viel über Mädchen. Das ging vor allem von den ältesten aus der Vierten aus, wir jüngeren machten einfach mit, weil wir dachten, dadurch cool zu wirken. Zudem hatte ich das Glück, dass ich nicht hässlich war. Und so hatte ich meine erste Freundin mit acht. Wir waren drei Monate zusammen – eine Ewigkeit – und probierten das Küssen nicht ein Mal aus. Unsere so genannte Beziehung, wie ich es ganz stolz vor meinen Eltern und Freunden erzählte, gründete sich auf ein bisschen Händchenhalten oder weil sie ab und an beim Fußball zuschaute und mich anfeuerte. Wir gingen ein Stück des Heimweges zusammen, beim anderen Zuhause waren wir allerdings nie. Dann sagte sie mir irgendwann, dass ich langweilig sei und sie Phil ja viel lieber mochte. Phil war drei Klassen über uns und im Handwerkkurs. Fortan sah man sie nie wieder beim Fußball und ich konnte meine erste Trennung verzeichnen. Ich verkraftete sie gut und nur drei Wochen später kam das nächste Mädchen. Eine Erstklässlerin mit dem Namen Marie. Sie war im Handballkurs der Mädchen und trug kurze Haare, nie Röcke und keine Lack- sondern überwiegend Turnschuhe. Ich mochte an ihr, dass sie nicht mit Puppen spielte und nicht so blöd kicherte. Sie war lustig und cool. Ob sie hübsch war, darauf achtete ich nicht. Viel mehr gefiel es mir, dass wir reden und lachen konnten.
Mit Marie war ich lange zusammen, was wohl daran lag, dass sie eher Kumpel war als eine Freundin. Wir hielten nie Händchen und auch ans Küssen dachte ich nie. Sie freundete sich mit Dennis, Mike und Flo an, meinen besten Freunden, und zusammen unternahmen wir viel, spielten Streiche oder zelteten im Garten unserer Eltern. Auch mit Sophie verstand Marie sich gut. Eigentlich war sie mehr beste Freundin als Beziehung aber in dem Alter kennt man den Unterschied ohnehin nicht. Und dass ich begann, ihn zu erkennen, lag wohl daran, dass sie eines Tages ihren ersten Kuss von mir haben wollte. Es war am Tag meiner Ausschulung, mittlerweile war ich also zehn. Marie war mit zu mir nach Hause gekommen und wir saßen zwischen Legosteinen am Boden, als sie plötzlich näher an mich kroch und mich fragte, ob ich schon mal ein Mädchen geküsst habe. Ich verneinte irritiert und sie wurde ganz schüchtern und rot. So kannte ich sie nicht und ich mochte es auch nicht. Außerdem wollte ich sie nicht küssen, das merkte ich, als sie sich zu mir beugte und sagte, dass sie auch noch nie einen Jungen geküsst hatte, alle ihre Freundinnen aber schon. Sie wollte es mit mir ausprobieren und letztendlich ließ ich mich darauf ein, weil ich sie nicht enttäuschen wollte.
Natürlich war es ein kindlicher Kuss, über den ich nicht besonders viel zu sagen weiß, außer, dass er mir damals sehr feucht vorkam. Irgendwie ekelig. Es gefiel mir nicht. Ihr zum Glück ebenso wenig, weshalb wir darüber einfach nur lachten und dann weiterspielten als sei nichts gewesen.
„Sie haben es also schon zuerst mit Mädchen versucht?“
„Naja, das ist wohl ein recht normales Verhalten, immerhin bekommt man es vorgelebt und in dem Alter denkt man darüber einfach nicht nach …“
„Aber das änderte sich?“
„Nicht so wirklich, erstmal zumindest … obwohl ich schon etwas verwirrt von verschiedenen Gefühlen war …“
„Von welchen zum Beispiel?“
„Von dem, verliebt zu sein. Zumindest glaubte ich, dass ich es war.“
Wie wohl viele schwule Jungen habe auch ich mich zuerst in meinen besten Freund verliebt. Es war Dennis. Wir waren seit der ersten Klasse zusammen im Fußballkurs gewesen und wohnten ganz nah beieinander. Wir verbrachten die Nachmittage auch außerhalb des Kurses miteinander und kickten oft auf dem alten Sportplatz unserer Gemeinde ein paar Bälle. Dennis war mit der Freundin von Marie zusammen, was ebenso harmlos war, bis auf ein bisschen Händchenhalten. Auch diese sogenannte Beziehung ging schnell in die Brüche, nachdem wir die Schule wechselten und in die fünfte Klasse kamen. Hier hatten wir beide nun erstmal keine Augen mehr für Mädchen, weil wir uns auf andere Sachen konzentrierten. Dies war bei mir Fußball.
Mittlerweile hatten meine Eltern mir gesagt, dass ich ein außergewöhnlich guter Spieler sei. Bereits in der Grundschule hatte mein Lehrer angefangen, mich anders und intensiver zu trainieren als die anderen Jungen. Oft blieb ich mit ihm auch dann noch auf dem Platz, wenn alle anderen schon nach Hause gegangen waren, und er zeigte mir ein paar Tricks. Hierbei stellte sich auch heraus, dass ich eigentlich nicht nur als Linksstürmer sehr gut war, sondern dadurch etwas Besonderes, weil ich mit beiden Füßen richtig gut schießen konnte. Ich dachte eigentlich, das sei normal, doch dann erkannte ich, dass zum Beispiel Dennis nur mit dem rechten Fuß gezielt schießen konnte.
Im Frühjahr des vierten Schuljahres fragten meine Eltern mich, ob ich der Jugendmannschaft unseres Fußballvereins beitreten wollte. Natürlich sagte ich ja, denn ich hatte ja Spaß am Spielen. Auch Dennis kam in die Mannschaft, wenn auch bei ihm nicht aus der Motivation heraus, einmal ein richtig guter Spieler zu werden.
Vom ersten Tag an wurde ich in der Mannschaft von allen bewundert, selbst von den ältesten. Ich verstand den Trubel nicht, aber natürlich gefiel es mir. Welcher Junge mag es nicht, im Mittelpunkt zu stehen? Außerdem durfte ich dadurch bei fast allen Spielen gegen andere Mannschaften teilnehmen, während Dennis oft auf der Bank sitzen blieb. Ihn störte das aber nicht, er freute sich für mich und feuerte mich an. Anschließend auf dem Heimweg analysierten wir wie kleine Profis meine Spielzüge, Fehler und die Schwächen des Gegners. Es machte Spaß und ich genoss jeden Tag in dieser Zeit sehr. Ich genoss es vor allem daher, weil Dennis immer bei mir war und so kam unweigerlich irgendwann der Tag, an dem ich mir selbst die Frage stellte, was ich eigentlich für Gefühle ihm gegenüber hatte.
Ich denke, mit zwölf verwechseln viele Kinder eine starke Freundschaft mit Liebe. Bei Marie war es ja nichts anderes gewesen, doch jetzt bei Dennis war ich mir meiner Sache irgendwie sicherer. Und natürlich erschreckte es mich, als ich das erste Mal in einer gewissen Hinsicht von ihm träumte. In dem Traum hatte ich seine Hand auf dem Heimweg gehalten. Nach dem Aufwachen verdrängte ich den Gedanken sofort, da ich wusste, was er bedeutete. Nur das Wort dafür kannte ich damals noch nicht, zumindest nicht in dem Zusammenhang.
Die Begriffe der „Schwuchtel“ oder dass etwas „schwul“ war, das kannte ich bereits aus dem Sport. Hier waren es teilweise Schimpfworte oder wurde gesagt, um einander zu ärgern. Bereits in der zweiten Klasse hatten wir uns so was gegenseitig an den Kopf geworfen, ohne zu wissen, was genau wir da eigentlich sagten. Der Lehrer oder später der Trainer verwendete diese Worte ab und an oder brüllte sie über den Platz, wenn jemand mal zu langsam war oder einen perfekten Ball vergeben hatte. Ich assoziierte es mit „Schwächling“ und die wahre Bedeutung lernte ich erst einige Zeit nach meinem ersten feuchten Traum, der sich auch um Dennis gedreht hatte.
Kein Wunder also, dass ich irgendwann erschrocken annahm, mich in Dennis verliebt zu haben. Von Liebe hatte ich mittlerweile einiges gehört. Man wolle einander nah sein und nur mit der einen Person zusammen sein. Ich verglich dies mit meiner Beziehung zu Dennis und es passte sehr gut. Natürlich, denn er war doch mein bester Freund. Dass die Punkte in gewisser Hinsicht auch auf eine einfache Freundschaft passen würden, daran dachte ich nicht, vor allem nicht, weil ich ja diesen Traum gehabt hatte, in dem er nackt gewesen war. Doch es lässt sich wohl auch ganz rational erklären, warum mein Gehirn ausgerechnet ihn für meinen ersten feuchten, schwulen Traum wählte: weil er derjenige war, den ich öfter als alle anderen Jungen nackt sah. Nicht nur beim Duschen nach dem Sport, sondern auch oft daheim, wenn er bei mir schlief und wir uns umzogen, ohne jegliche Scheu vor dem anderen.
So rational dachte ich damals freilich nicht, weshalb ich ihm erst einmal nicht mehr in die Augen schauen konnte. Ich dachte wirklich, ich hätte mich in meinen besten Freund verliebt und das war ein Gedanke, der mir Angst machte. Ich kannte zwar die genaue Bedeutung der Worte „Schwuchtel“ und „schwul“ nicht aber ich wusste bereits, dass es nicht normal war, wenn man statt mit einem Mädchen mit einem Jungen zusammen war, Händchen hielt oder sich gar küsste. Zum Beispiel hatte ich irgendwann einmal beim Einkaufen mit meiner Mutter ein entsprechendes, erwachsenes Paar gesehen und sie hatte mir erklärt, dass die beiden „homosexuell“ seien und es solche Beziehungen normalerweise nicht gäbe. Ich sah mich also mit etwas konfrontiert, von dem ich nicht viel wusste, außer, dass es nicht normal war. Da es mir Angst machte, wollte ich darüber reden, doch mit wem hätte ich reden können? Es ging dabei um Dennis, also fiel er schon mal weg. Und sonst hatte ich niemanden, dem ich genug vertraute, denn mittlerweile hatte ich mit Marie kaum mehr etwas zu tun. So blieb ich mit meiner Angst und meinen Gefühlen, die ich leicht falsch deutete, alleine.
Dass das für Dennis keine Liebe war, merkte ich erst ein paar Wochen später als er seine erste richtige Freundin bekam. Ich mochte sie, freute mich gar für ihn und wollte ihr nicht den Hals umdrehen. Ich war kein bisschen eifersüchtig oder zumindest nicht mehr als ein ganz stinknormaler Junge, weil sein Freund jetzt etwas weniger Zeit hatte. Mit Erleichterung erkannte ich, dass ich mich scheinbar geirrt hatte und dachte somit auch, dass dieser Fluch, des homosexuell sein, mich nicht getroffen hatte. Eine Woche später hatte ich meine erste richtige Freundin und meinen ersten Zungenkuss.
„Sie sagten, sie konnten mit den Begriffen wie Schwuchtel lange nichts anfangen ... Ist so was denn tatsächlich so normal beim Sport?“
„Viel normaler als Sie denken. In Momenten, bei denen man zum Beispiel auch ‚Loser‘ schreien könnte, wird man eher als Schwuchtel bezeichnet. Ein verfehlter Ball ist auch gerne mal ein ‚schwuler Ball‘ … und so weiter …“
„Wie erklären Sie sich das?“
„Eigentlich weiß ich keine wirkliche Erklärung dafür … doch irgendwie wird Schwulsein im Fußball mit Fehlern und Schwäche gleichgesetzt. Das war glaub ich schon immer so …“
„Meinen Sie, dass sich das irgendwann ändert?“
„Ich hoffe es.“
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