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Noah
Kapitel 6
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Montag, 17.12.2007
„Manou, wenn du nicht sofort aufhörst, so rumzuhibbeln, drehe ich durch!“
Schuldbewusst zucke ich zusammen und sehe Noah entschuldigend an. Es ist halb vier am Nachmittag. In sieben Minuten soll der Zug ankommen ... vorausgesetzt er hat keine Verspätung, aber er wird schon keine Verspätung haben, warum sollte er auch? Und falls er Verspätung haben sollte, würde man es ja sicher durchsagen und bisher ist keine Durchsage gekommen, was ja wohl heißt, dass er keine Verspätung hat ... ok, ich hibbel wirklich herum.
Trotzdem – ich muss einfach unruhig hin und herlaufen, um meiner Aufregung Platz zu schaffen. Den Blick immer schön auf die Uhr gerichtet, laufe ich bis zur Treppe, drehe dann wieder um. Vorbei an den Fahrkartenautomaten, die nie Geldscheine annehmen, vorbei an der elektronischen Fahrplanauskunft, den Sitzbänken aus Holz, auf denen es mich keine zwei Minuten gehalten hat, den großen Plakaten, dann wieder an Sitzbänken und natürlich vorbei an Noah. Der sieht mich mittlerweile stirnrunzelnd an.
„Sag mal, hast du in deinem Heim irgendwas eingeschmissen? Du weißt schon, dass man nicht alles schlucken darf, was sich einem so anbietet oder?“
Ich komme nicht mehr zum Antworten, ist vielleicht auch besser so.
„Meine Damen und Herren, auf Gleis zwei fährt ein ...“
„Noah, der Zug kommt“, unterbreche ich die Stimme aus dem Lautsprecher aufgeregt.
„Nein, also damit hätte ich jetzt nicht gerechnet!“, gibt Noah vor Ironie triefend zurück. „Wir sind am Bahnhof und es kommt tatsächlich ein Zug vorbei! So was!“
„... Bitte Vorsicht bei der Einfahrt!“
Die Bremsen quietschen unangenehm laut in meinen Ohren. Ich hasse dieses Geräusch. Da wirft man der Bahn Unmengen an Geld in den Rachen und die kriegen noch nicht mal ihre Bremsen gewartet.
Die Türen öffnen sich zischend und ein Menschenstrom ergießt sich auf den betonierten Bahnsteig. Noah zieht mich auf die Seite.
„Nur mal so nebenbei, der eine ist doch Inuit oder? Begrüßen die sich nicht, indem sie ihre Nase aneinander reiben?“
„Was? Ja ... ja, kann sein", antworte ich verwirrt.
„Muss ich das dann auch tun?“ Noah sieht mich leicht verzweifelt an.
Die Antwort erübrigt sich. Ein athletischer, hoch aufgewachsener Mann hat sich neben uns gestellt. Er lässt seinen Rucksack von seinem Rücken auf den Boden gleiten und streckt sich kurz. Seine Bewegungen gehen fließend ineinander über. Als er mich umarmt, nimmt meine Nase einen angenehmen Geruch wahr; eine Mischung aus Leder, Erde, Gras und irgendetwas, was ich nicht zuordnen kann.
Die Energie, die Qilaq ausstrahlt, ist unglaublich. Man fühlt sich unheimlich geborgen und gleichzeitig so frei wie nie zuvor. Und man wird ruhig; es fühlt sich so an, als würde die Welt langsamer werden. Kein vollständiger Stillstand, mehr eine Zeitlupenansicht, in der man endlich mal die Möglichkeit hat, sich all das anzusehen, was einem normalerweise nie auffallen würde.
Wie zum Beispiel das einzelne Rosenblatt, das sich von der wunderschönen Blüte gelöst hat, die eine noch recht junge Frau in der Hand hält. Der Mann neben ihr scheint ihr Freund zu sein, die beiden sehen sich jedenfalls verliebt an und schlendern Hand in Hand davon. Sie mit der Rose, er mit ihrem Koffer. Das Blatt bewegt sich ganz sacht im kalten Wind und wird dann weggeweht; den Bahnsteig entlang. Ein dunkelroter Lichtblick auf dem grauen Beton.
Qilaq lächelte auf mich herunter.
Begrüßungen wie „Guten Morgen!“, „Hallo!“ oder „Wie geht es dir?“ habe ich von ihm noch nie gehört. Wenn, dann gelesen und dann auch nur ein virtuelles „Hi“ via Internet. Normalerweise lächelt er einen nur an und nickt leicht mit dem Kopf zur Begrüßung.
Umarmt wird jemand erst nach reiflicher Überlegung und nur selten gibt er einem Fremden gleich zur Begrüßung die Hand. Das macht er - wenn überhaupt - erst einige Minuten später, nachdem seine Augen einen geröntgt haben. Manchmal glaube ich, er kann das wirklich, das Wesen eines Menschen in wenigen Augenblicken erfassen.
Er sieht Noah lange an, nickt ihm freundlich zu, sieht sich dann nach seinem Mann um.
Lex steht an der Zugtür und hilft einer hübschen Frau mit zwei kleinen Kindern beim Aussteigen. Sie küsst ihn auf die Wange, er sagt irgendetwas und sie lacht.
Dann schaut er auf, beginnt auf uns zuzusprinten, wirft im Laufen seinen Rucksack vom Rücken und mich beinahe um, als er mir um den Hals fällt. Es fühlt sich toll an, ihn wieder umarmen zu können. Wir sehen uns nicht allzu oft, obwohl er öfter in Deutschland ist, um an einem für ihn wichtigen Projekt zu arbeiten. So auch die letzten Tage - ungeplant. Er wirkt müde, doch seine Augen glitzern vor Freude.
Noah und Lex scheinen sich gleich zu verstehen. Und ich freue mich tierisch, als Qilaq Noah dann plötzlich doch noch seine Hand entgegenstreckt.
Zögernd greift Noah danach. Qilaq scheint ihn etwas einzuschüchtern und das der ihm auch noch so unverwandt in die Augen sieht, scheint es nicht unbedingt einfacher zu machen.
Aber schließlich zeigt sich ein Lächeln auf beiden Gesichtern.
Lex grinst mich an; er hat diese Situation schon so oft erlebt, dass er ihr kaum noch Bedeutung schenkt. Mich hingegen fasziniert es jedes Mal wieder.
„Wollt ihr erst schnell euer Gepäck loswerden?“, frage ich.
Die beiden nicken.
Ich hatte ihnen angeboten, die paar Tage bei mir zu pennen, aber nachdem sie wussten, dass sie vorher doch länger getrennt sein würden, haben sie sich lieber ein Hotelzimmer gesucht. Ich habe nicht weiter nachgefragt. Manchmal erklären sich die Dinge einfach von selbst.
Auf dem Weg zur Unterführung, die Gleis 2 mit Gleis 1 verbindet, zupft Lex an Noahs Jacke und zieht einen der Ohrstöpsel seines Mp3-Players hervor, steckt ihn sich ins Ohr und lauscht. Seinem Blick nach zu schließen kennt er das Lied.
Er sieht zu uns und seinen Lippen formen das Wort ‚ASP‘. Ein Strahlen huscht über sein Gesicht. Lex liebt ASP noch mehr als ich und Sekunden später sind er und Noah für uns nicht mehr ansprechbar und mitten in einer Diskussion über Songtexte, Instrumente und die verschiedenen CDs.
Ich laufe ein paar Schritte hinter den beiden, zusammen mit Qilaq. Mir fällt auf, dass er mir Blicke von der Seite zuwirft. Er scheint mich zu mustern, sagt aber nichts.
Das Hotel ist schnell gefunden. Noah und ich warten im Foyer und es dauert nicht lange, bis wir uns zu viert wieder auf den Weg machen.
„Passt alles?“, fragt Noah.
„Ein Bett, ein Bad, ein Schrank, ein Tisch. Alles da und falls das Bett unbequem ist, haben wir ja noch den Teppich!“
„Na dann steht den nächsten tiefschürfenden Erlebnissen ja nichts im Weg!“, stellt Noah fest und ich bemerke, dass seine alte Schlagfertigkeit langsam aber sicher zurückkehrt. Es war mir ja schon etwas unheimlich, ihn so kleinlaut und schüchtern zu sehen.
Qilaq lacht und fährt Lex mit einer liebevollen Handbewegung durch die Haare.
Auf den Bus müssen wir nicht lange warten. Lex und Noah quetschen sich durch die Menge nach hinten und ergattern zwei Sitzplätze. Den Wortfetzen nach zu schließen, die ich aufgeschnappt habe, reden sie immer noch - oder wohl eher schon wieder - über ASP.
Qilaq stellt sich seinen mittlerweile beträchtlich leereren Rucksack zwischen die Beine und lehnt sich gegen ein Fenster. Der Bus zuckelt los, und während ich mich des öfteren an einem Griff klammern muss, um nicht umzufliegen, scheint Qilaq keine Probleme zu haben.
Er wirft lächelnd einen Blick nach hinten, dann sieht er mir in die Augen.
„Einen schönen Gruß von Urway. Er hat erzählt, dass er deinetwegen zwischen dem Vögeln Gedichte rezitieren darf!“
Erstaunlicherweise bleibt mir nicht mal allzu lange die Luft weg.
„Einmal, und da war er eh vorerst fertig!“, rechtfertige ich mich. „Wie kommt ihr überhaupt auf solche Themen?“
„Ich hab ihn gefragt, was ihm in letzter Zeit Außergewöhnliches passiert ist!“
„Und da ist ihm nur das eingefallen?“
Eigentlich ist das bei Urway so gut wie unmöglich. Normalerweise zieht er außergewöhnliche Situationen an wie ein Magnet Nägel.
„Nein, aber alles andere hatte was mit ...“, er unterbricht sich und sieht auf die Sitzplätze vor uns herunter. Dort sitzen zwei ältere Damen, wohl so um siebzig und starren gebannt zu Qilaq hoch. Er zwinkert ihnen zu, sieht dann wieder zu mir. „... alles andere hatte was mit geilen Typen und hemmungslosen Sex zu tun!“
...
Wir sitzen in meinem Zimmer. Lex und Qilaq auf dem Bett, Noah in meinem alten, aber bequemen Sessel und ich habe es mir samt meiner Teetasse auf dem Fensterbrett gemütlich gemacht.
Gerade habe ich erzählt, wie die Damen aus dem Bus auf Qilaqs Schilderungen reagiert haben und dabei unglücklicherweise übersehen, dass Lex gerade am Trinken war.
„Also, das wird auch langsam zu ’nem Fetisch oder?“, fragt Qilaq, als er sich mit der Hand über seine linke Gesichtshälfte fährt, um sich den Tee abzuwischen, den ihm sein Mann mit einer doch sehr beeindruckenden Fontäne angespuckt hat.
Lex’ Ohren färben sich zartrosa, er nuschelt irgendetwas und versucht dann geschickt das Thema zu wechseln. Aber Noah hat aufgepasst.
„Warum wird das langsam ’n Fetisch?“
Er sieht von dem einen zum andern und wartet. Ich verbeiße mir ein Lächeln und schaue Lex beim Nachdenken zu. Schließlich scheint er eine Idee zu haben. Er schaut mich an.
„Wo ist eigentlich das Bad?“
„Ich zeig’s dir!“, erbarme ich mich und rutsche von der Fensterbank.
Als wir die Tür hinter uns geschlossen haben und den Flur entlang laufen, grinse ich ihn an.
„Er wird es ihm so oder so erzählen!“
„Solange ich nicht dabei bin, bitte!“
„Wo ist denn da der Unterschied?“
„Ich kriege es nicht mit und kann mir einreden, dass es darum auch keiner weiß! Einfach, aber genial!“, sagt er und verschwindet hinter der Tür zur Toilette.
Aus meinem Zimmer höre ich Noahs Lachen. Es hallt über den Flur und innerlich lache ich mit. Lex und seine Fontänen sind legendär. Bereits bei dem ersten Date der beiden hatte er sein ganzes Können gezeigt und Qilaq von oben bis unten zugekotzt. Beim zweiten Date war es dann heißer Tee gewesen, der statt in Lex’ Magen in Qilaqs Gesicht gelandet war und soweit ich mich erinnern kann, lief das dritte Treffen auch nicht glimpflicher ab. Es hat trotzdem gehalten. Mehr als das. Man kann sich den einen ohne den anderen schon gar nicht mehr vorstellen.
Sehr viel später beschließt Noah sich auf den Heimweg zu machen. Es ist kurz nach halb zehn und er sieht müde aus.
Lex wirft einen Blick nach draußen, greift dann nach seiner Jacke.
„Ich geh mit!“
Noah guckt verdutzt.
„Nicht über Nacht, nur bis du daheim bist! Den Rückweg find ich schon und jetzt schau nicht wie ein Auto.“
Er zieht ihn hinter sich her und Noah folgt widerspruchslos.
Nach einiger Zeit hört man die Flurtür leise zugehen. Ich klettere wieder auf die Fensterbank.
Qilaq hat seine Hände um eine meiner großen Kerzen gelegt. Ihre Flamme spiegelt sich in seinen Augen.
Er schweigt lange und meine Gedanken schweifen ab.
„Du hast gesagt, er ist krank!“
Qilaqs Stimme klingt nach der Stille ungewöhnlich laut. Ich antworte nicht, nicke nur und weiß nicht, ob er das überhaupt mitbekommt, denn seine Augen sind immer noch auf die Kerzenflamme gerichtet.
„‚Krank sein‘ und ‚sterben müssen‘ ist aber nicht das Gleiche!“ Er hebt den Kopf und sieht mich an. „Und er wird sterben, Manou, und du weißt es!“
Es dauert lange, bis ich reagieren kann; bis ich realisieren kann, was er gerade gesagt hat. Ich habe das Gefühl, als hätte mich jemand in einen See aus Eiswasser geworfen. Genauso habe ich mich gefühlt, als Noah es mir gesagt hat. Die Erinnerung an den Abend ist noch so klar, als wäre es erst gestern gewesen. Dabei kenne ich Noah doch schon so lange ...
Ich muss schlucken, als mir auffällt, dass das so nicht stimmt. Anfang November haben wir uns kennen gelernt, jetzt ist es Mitte Dezember. Meine Zeitrechnung scheint etwas durcheinander zu sein.
Zeit – genau das, was uns fehlt. Der Gedanke erschreckt mich, lässt sich aber nicht ausblenden. Noah läuft sprichwörtlich die Zeit davon – und mir die Zeit mit ihm.
Tränen steigen mir in die Augen, aber ich kämpfe sie nieder. Wenn man die Hand fest genug zur Faust ballt, drücken sich die Fingernägel unangenehm schmerzhaft in die Haut. Der neue Schmerz lenkt ab, normalerweise, heute funktioniert es bei mir nicht.
„Ich wollte dich nicht erschrecken!“, höre ich Qilaq später leise sagen. „Es ist mir nur aufgefallen!“
Weder ihm noch Lex habe ich vor ihrer Ankunft etwas von Noahs Krankheit erzählt. Lediglich erwähnt, dass es ihm nicht gut geht. Alles andere würde sich schon zeigen, es ist sein Leben und er sollte selbst entscheiden dürfen, wem er was erzählt.
„Ich hätte es auch nicht weiter erzählt. Es war die richtige Entscheidung!“, meint Qilaq. „Also mach dir keine Gedanken, sondern lach gefälligst wieder!“
Er lässt die Kerze los, steht auf und setzt sich zu mir auf die Fensterbank.
„Was machen wir eigentlich morgen?“
„Also ich hab Frühschicht bis um 14 Uhr, danach können wir machen, was ihr wollt!“
„Das klingt gut!“, er zwinkert mir zu, wirft dann einen Blick auf die Tür und ein Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. Ohne ein Wort zu sagen, steht er auf, zieht seinen Mantel an, wirft sich den Rucksack über die Schulter und verschwindet aus dem Zimmer.
Er betritt das Treppenhaus, schaut aus dem Fenster und läuft dann die Stufen herunter. Ich folge ihm und gerade, als ich unten angekommen bin, öffnet er seinem Mann die Tür. Das ist wieder einer der Momente, in denen ich mich frage, ob zwischen den beiden irgendeine telepathische Verbindung besteht.
„Gehen wir?“, fragt Lex mit einem Blick auf Qilaq und dessen Rucksack.
„Ich hab morgen Frühdienst!“, antworte ich.
„Genau, sie will ins Bett und was mich angeht ... ich auch!“
Dienstag, 18.12.2007
Als ich am nächsten Morgen um zwanzig nach sechs das Haus verlasse, steckt ein Blatt Papier in meinem Briefkasten:
“God, grant me the serenity to accept the things I cannot change, the courage to change the things I can, and the wisdom to know the difference.“
Ich würde Qilaqs Handschrift wohl unter Tausenden wiedererkennen.
...
Es ist kurz nach 14 Uhr, als ich die Stufen vom Umkleideraum hochkomme. Im Eingangsbereich warten meine drei Jungs und eine etwas betagte Dame, die sich in Zeitlupe auf den gläsernen Aufzug zu bewegt. Das langsame Tempo liegt aber nicht an ihren eventuell vorhandenen Gebrechen oder ihrem Alter, sondern lediglich an der Tatsache, dass sie sich mit Lex unterhält, wobei sie eindeutig den Großteil der Unterhaltung bestreitet. Gut, wenn man es genau nimmt, ist sie die Einzige, die redet.
„... mitten in der Innenstadt, stellen Sie sich das mal vor, stehen da und küssen sich! Ich dachte mir fliegt das Gebiss aus der Klappe. Ich hab ja gar nicht mehr gewusst, dass ich den Mund so weit aufkriege. Aber knutschen Sie ruhig weiter, knutschen ist gesund und nur in einem gesunden Körper kann ein gesunder Geist leben ... oder war es andersrum? Andersrum ... haha, wie passend, nicht wahr? Ach entschuldigen Sie, so war das natürlich nicht gemeint ...“
Qilaq steht neben der kleinen Sitzgruppe und beißt sich in die Faust. Noah hat sich auf der Couch niedergelassen und wiegt sich in einem seltsamen Rhythmus vor und zurück, die Arme fest um den Körper geschlungen und prustet leise. Lex allerdings sieht die Dame mit einem dermaßen fassungslosen Blick an, dass ich allein seinetwegen schon platzen könnte vor Lachen.
Als sie es schließlich bis in den Aufzug geschafft hat, hebt sie einen Arm und streichelt Lex über die Wange. „Bei Ihnen ist das Ganze aber wirklich ein Jammer, junger Mann! Sie sollten sich das noch mal überlegen, noch stehen Ihnen ja alle Möglichkeiten offen!“
„Machen Sie sich um den keine Sorgen, der ist, wie sie gesehen haben, in den besten Händen und verheiratet ist er auch schon!“, schaltet Qilaq sich ein.
Die alte Dame wirkt völlig verblüfft. Sie wirft einen Blick auf Qilaq, der sie mittlerweile freundlich anlächelt, will dann noch etwas sagen, aber der Fahrstuhl macht ihr einen Strich durch die Rechnung – er schließt die Türen und fährt los.
„Man kann euch echt keine 2 Stunden alleine lassen!“, stelle ich wenig später in einem gemütlichen Café in der Innenstadt fest. „Wo habt ihr die denn aufgegabelt?“
„Frag nicht, es hätte nicht viel gefehlt und sie hätte uns noch gezeigt, wie man ein Kondom mit zwei Fingern überstreift.“
Ich starre Lex an.
„Auch das willst du nicht wissen!“, meint Noah, nachdem ihm mein Blick aufgefallen ist.
Ein angenehmes Gefühl macht sich in mir breit. Ich bin froh, dass sich die Jungs so gut verstehen und so offen miteinander umgehen. Noah blüht auf, er wirkt viel befreiter und gelöster und von seinem Lachen kann ich gar nicht genug kriegen.
Wir streifen über den Weihnachtsmarkt. Lex und Qilaq halten sich an der Hand und an den verschiedenen Reaktionen aller anderen Besucher lässt sich wirklich viel ablesen. Zum ersten Mal fällt mir auf, wie viele Schwule und Lesben hier leben. Bisher hatte ich da nie drauf geachtet, aber jetzt kann man es wirklich nicht mehr übersehen.
„Meine Güte, langsam könnte man meinen wir hätten CSD!“, raunt Lex mir ins Ohr.
„Ja, man muss sich nur vorstellen, dass die ganzen Mäntel Boas sind und jeder Glühwein ein Caipirinha. Wo ist denn der Wagen, von dem sie immer die Kondome schmeißen?“ Noah hat mitgehört und sieht sich jetzt suchend um.
Lex lacht.
„Probier es mal dort vorne ...“
Ein Süßigkeitenstand lockt mit verschiedenen Früchten im Schokoladenmantel.
„Klar, ich gehe hin und hole mir eine Schokobanane und eine aus Gummi Größe L bis XL!“
„Schokobananen - die konnte ich früher auch mal essen!“, stellt Lex wehmütig fest.
Es schüttelt mich, als mir wieder einfällt, warum er es jetzt nicht mehr kann. Noah hingegen hebt erwartungsvoll die Augenbrauen.
„Und warum kannst du es jetzt nicht mehr?“
„Jetzt ist er verheiratet und hat gesehen, was sich alles in Schokolade tauchen lässt!“, antworte ich.
Noah braucht nicht lange um eins und eins zusammenzuzählen.
Im August 2005 haben Qilaq und Lex geheiratet. Eines der Geschenke war ein damals hochaktueller und hoch im Kurs stehender Schokobrunnen, eigentlich etwas, was kein Schwein braucht und trotzdem jeder haben wollte. Jeder, außer den beiden. Aber da stand er, mitten auf dem Desserttisch, umgeben von vielen verschiedenen Obstsorten, allesamt in kleine, mundgerechte Stücke geschnitten und kunstvoll arrangiert.
Es wurde gefeiert und gefeiert und gefeiert und mit jeder vorrückenden Stunde dezimierte sich auch die Anzahl der Gäste, bis gegen 5 Uhr morgens nur noch der harte Kern am Tisch saß. Der wurde dafür aber auch fürstlich belohnt, denn irgendwann begann es unnatürlich stark nach Schokolade zu riechen. Zwei Freunde gerieten ins Visier der Fahnder und einer der Angeklagten gestand dann, nach einem Blick in seine Hose, dass „das Zeug einfach nicht fest werden würde!“
In einem ruhigen Moment waren beide auf die Idee gekommen, sich ihre edelsten Teile noch etwas zu versüßen, hatten sie kurzerhand ausgepackt, in den Schokobrunnen gehalten und daraufhin gleich wieder eingepackt.
Da die goldene Mitte eines Mannes allerdings nicht gerade für kühle Temperaturen bekannt ist, hatte die warme Schokolade leider weder Gelegenheit noch Zeit zum ‚Hart werden‘, wodurch sich ihr aromatischer Geruch ungemein gut verbreiten konnte und die ganze Aktion erst ans Tageslicht kam.
Die Story ist heute noch ein Renner, insbesondere dann, wenn Urway sie mit den Hauptrollen ‚Tunker 1‘ und ‚Tunker 2‘ erzählt.
„Oh Gott, mein Bauch eh. Ich kann nicht mehr!“
Wir sitzen im Bus nachhause und Noah hat sich immer noch nicht ganz erholt.
„Was ist eigentlich aus dem Brunnen geworden?“, fragt er dann. „Habt ihr den noch mal benutzt?“
Lex schüttelt den Kopf.
„Wir wollten so ’n Teil eh nie haben und das war natürlich dann die perfekte Ausrede, um es nicht mehr benutzen zu müssen. Allerdings hab ich keine Ahnung, wo es jetzt ist!“
„Bei meiner ehemaligen Kollegin Rita. Ich hab ihn ihr geschenkt, als sie in Ruhestand gegangen ist!“, meint Qilaq.
„Du hast WAS?“
Völlig entgeistert sieht Lex ihn an.
„Ich hab ihn Rita geschenkt, als sie in Ruhestand ist. Die hat so oft davon gesprochen, dass Schwule Schwanzlutscher sind. Da dachte ich mir, sie wäre vielleicht neidisch und da hab ich ihr unseren schwanzverseuchten Schokobrunnen geschenkt!“
„Und was hat sie dazu gesagt?“
Qilaq schweigt.
Beinahe hätten wir die Bushaltestelle verpasst.
Nachdem wir einige Meter gelaufen sind, fällt uns ein Mann auf. Schon im Bus hat er dicht hinter uns gesessen und jetzt läuft er uns äußerst auffällig hinterher. Qilaq dreht sich letztendlich um, läuft ein paar Schritte auf den Mann zu und fragt, was los ist. Ein kurzer, aber höflicher Wortwechsel, ein knappes Deuten auf Lex, dann verschwindet der Kerl mit einem Schulterzucken.
„Da geht sie hin deine Chance auf außerehelichen Sex!“, stellt Noah fest.
„Ich werds überleben!“, meint Qilaq. „Und falls nicht, schreibt mir ‚Er blieb standhaft!‘ auf den Grabstein!“
Im nächsten Moment sieht er Noah leicht erschrocken an. Der winkt allerdings nur ab.
„Ich wäre der Letzte, der dir einen Vorwurf macht, bloß, weil du versuchst, etwas so lange wie möglich auszuhalten!“
Mir wird klar, dass Noah sich mit den Jungs über seine Krankheit unterhalten hat. Es hätte mir schon viel früher auffallen müssen, denn sie hatten das Thema immer wieder kurz angeschrammt.
Wir entscheiden uns für Noahs Bude und hocken schon wenig später in seinem Wohnzimmer. Es riecht nach Tee und den Lebkuchen, die sich Lex und Noah gekauft haben. Ich frage mich ernsthaft, wie die beiden jetzt noch an Essen denken, geschweige denn überhaupt noch etwas essen können. Ich glaube nämlich nicht, dass irgendein Stand mit Essen auf dem Markt ausgelassen wurde.
Irgendwann gibt Lex aber auch auf, kraucht über das Sofa Richtung Qilaq und lehnt sich an dessen Brust. Er tastet nach den Händen seines Mannes, findet die rechte und legt sie sich auf seinen Bauch.
„Du kleiner Nimmersatt!“, kommentiert Qilaq das Geschehen, beginnt aber trotzdem damit Lex zärtlich über den Bauch zu streicheln.
„Sonst hast du damit ...“, Lex unterbricht sich zum Gähnen, "... auch keine Probleme! Himmel, ich penn gleich ein. Erzählt wer ’ne Geschichte?“
Noah sieht mich an. Ich weiß, was er denkt und lasse mich breitschlagen. Während sein Laptop hochfährt, versucht er Qilaq und Lex zu erklären, worum es in „Hürdenlauf“* geht. Die beiden scheinen sogar das Meiste zu verstehen und schmiegen sich aneinander, um es während des Vorlesens gemütlicher zu haben.
Noah hat sich sein Kissen und seine Decke schon zurechtgezerrt und wartet nun mit geschlossenen Augen auf den Anfang. Ich stelle fest, dass Loki das fünfte Kapitel von Hürdenlauf genau heute vor einem Jahr online gestellt hat. Ein seltsamer Zufall, aber dann beginne ich zu lesen.
Mittendrin werde ich von Lex unterbrochen. Eine uns beiden bestens bekannte Situation hat sich in „Hürdenlauf“* geschlichen.
„Siehst du, gibt auch andere Leute, die mitten in der Nacht ihre Freunde anrufen!“*
„Ja klar, aber die vergessen nicht ständig, dass es eine sechsstündige Zeitverschiebung zwischen Deutschland und Kanada gibt.“
„Beweise mir, dass die das nicht vergessen und ich werde kein Ton mehr sagen!“
Ich lese lautlos die nächsten paar Zeilen, aber dieser wichtigen Frage hat sich Loki leider nicht angenommen. Naja, war vielleicht auch etwas viel verlangt, darum gönne ich Lex seinen Erfolg und lese weiter vor.
Es kommt, wie es kommen musste.
„Schwuler Sex – von Frauen vertont, was kann es Schöneres geben?“
Lex feixt.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell Kissen fliegen lernen können. Da liegen sie meist jahrelang unbeweglich auf den Sofas und Sesseln dieser Welt und von einer Sekunde auf die nächste sausen sie durch die Luft, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Nach einem kurzen Kissen-Intermezzo lese ich weiter.
Am Ende ist Noah schon wieder in seinem Hürdenlauf-Nirwana und reagiert erst auf häufiges Anstoßen.
„Scheiße!“*, murmelt er.
„So weit waren wir schon! Damit hat es nämlich aufgehört!“, meint Lex und zieht Noah die Decke weg.
„Wir sollten uns auf den Weg machen!“, meint er dann und wirft Qilaq einen langen Blick zu. Die beiden sind in Sekundenschnelle verschwunden.
„Da hat die Szene in der Grotte wohl Gelüste geweckt!*“, sagt Noah und klettert nach dem Verabschieden wieder auf die Couch.
Ich muss lachen. Noah hebt seine Decke an und ich kuschele mich darunter, in dem Fall werde ich wohl heute Nacht hier bleiben.
„Ich mag die Zwei!“, murmelt er nach einer Weile.
„Ich denke, die mögen dich auch!“
Nein, ich weiß, dass sie ihn mögen. Es ist deutlich zu spüren und zu sehen und außerdem wären beide viel zu ehrlich, als dass sie das Gegenteil nicht zugeben würden.
„Die sind so glücklich!“, schnieft er plötzlich. „Scheiße, die sind wie füreinander gemacht!“
„Die haben auch jeweils ihre eigene Achterbahnfahrt hinter sich und dann noch einige gemeinsame Fahrten. Manche Dinge schweißen einen einfach zusammen!“
Noah lächelt.
„Ja, das tun sie!“
Die Erkenntnis, dass Noah einen Hirntumor hat, trifft alle wie ein Schlag ins Gesicht. Die Ärzte raten Heide zu einer Operation, am besten so schnell wie möglich. Jede Sekunde ist jetzt unglaublich kostbar geworden.
Ben fühlt sich, als hätte man ihm den Halt entrissen. Die Ärzte drängen auf eine Entscheidung und auf einmal stellt man fest, dass eine wichtige Person fehlt – Bernd! Noch hat niemand daran gedacht ihn zu informieren. Alles ging doch so schnell.
Bei einer solchen Operation braucht man allerdings die Einwilligung beider Eltern, oder zumindest die Einwilligung eines Elternteils und die schriftliche Bestätigung, dass der andere Teil damit ebenso einverstanden ist.
Heide läuft zum nächsten Telefon, berichtet Bernd unter Tränen, was passiert ist, und fleht ihn an, so schnell wie möglich herzukommen. Er sträubt sich, erklärt sich nicht bereit, seine Arbeit zu unterbrechen. Erst als die Situation kurz vor der Eskalation steht, fällt auf, dass man Bernds Einwilligung gar nicht braucht. Die Ausnahmeregelung im Fall des gemeinsamen Sorgerechts greift: Gefahr im Verzug gibt einem alleinigen Elternteil das Recht alleine zu entscheiden.
Erst viel später werden Caro und Ben sich fragen, warum es – trotz aller Probleme- überhaupt ein gemeinsames Sorgerecht für Noah gibt.
Die Ärzte klären die Vier über die Risiken der OP auf. Lähmungen könnten auftreten, Noahs Gedächtnis könnte unter dem Eingriff leiden. Eventuell würde er viele Dinge neu lernen müssen: sprechen, laufen, essen. Und im Hinterkopf immer das Risiko, dass er die Operation nicht überlebt.
Heide und Caro laufen während des gesamten Gesprächs die Tränen über die Wangen. Ihr altes Leben scheint ihnen unsagbar fremd und weit weg. Heute müssen Entscheidungen über Leben und Tod getroffen werden. Vor ein paar Tagen ging es noch darum, was man zu Mittag kocht.
Heide unterschreibt die Einverständniserklärung. Ein wenig Hoffnung keimt auf, vielleicht ist der Tumor ja sogar gutartig. Doch man muss die OP abwarten.
Am nächsten Tag beginnt es dann auch - das Warten. Gregor schwänzt die Schule, um im Krankenhaus sein zu können. Auch Ben und Caro machen frei, versuchen sich gegenseitig und vor allem ihrer Mutter, die nur noch ein Nervenbündel ist, Trost zu spenden.
Zehn Stunden dauert der Eingriff, zehn lange Stunden, in denen Ben einen Eid nach dem anderen schwört. In denen Heide sich verzweifelt an ihren alten Rosenkranz klammert und in denen Caro ständig das Geräusch eines Bohrers im Kopf hat. Diese Menschen in den grünen Kitteln bohren ihrem kleinen Bruder den Kopf auf und sie selbst muss hier draußen sitzen, kann nichts tun – außer warten.
Als Noah aus der Narkose erwacht, haben sich seine schlimmsten Ängste erfüllt. Er kann nicht sprechen, nicht laufen und hat massive Gedächtnislücken. Angst steigt in ihm auf, blanke Panik. Er ist eingesperrt in seinem eigenen Körper. Seine absolute Horrorvorstellung. Die Ärzte sind vorsichtig mit ihren Prognosen. Keiner weiß, ob es wieder besser werden wird, möglich ist es immer. Aber nicht immer tritt der Fall ‚möglich‘ eben auch ein.
Es entwickelt sich eine mühsame Verständigung per Zwinkern. Noah ist immer noch gefangen, aber immerhin nicht mehr alleine. Man wechselt sich mit den Besuchen ab, so dass ständig jemand bei ihm ist. Er hat Angst vor dem Alleinsein und vor der Einsamkeit, vor der Dunkelheit, die ihn einholt, sobald er die Augen schließt.
Wieder heißt es warten, diesmal auf das Ergebnis der Untersuchungen. Die Tage reihen sich zäh aneinander. Zwei Tage, dann drei, vier, fünf, immer zwischen Hoffen und Bangen und am sechsten Tag dann Gewissheit. Der Tumor ist bösartig, sehr bösartig sogar, konnte jedoch in der Operation komplett entfernt werden und das war wichtig.
Zahlreiche Reha-Maßnahmen werden begonnen und knappe vier Wochen später ist Noah zumindest geistig schon mal wieder auf einem einigermaßen guten Weg. Das gibt Hoffnung, auch für alles, was ihm noch bevorsteht.
Weitere Untersuchungen ergeben, dass Noah Glück hat. Keine Metastasen im Rückenmark.
Das erspart ihm immerhin die Chemo, nicht aber die Bestrahlung.
Seine Geschwister geben ihm Halt, auch Heide trägt soviel sie kann dazu bei, doch den größten Teil stemmt Gregor. Tag für Tag verbringt er bei Noah, lässt sich nicht abwimmeln und vergisst alles andere um sich herum.
Die Bestrahlungen, ihre Nebenwirkungen und die ständige Müdigkeit machen Noah schwer zu schaffen. Aber er will nicht aufgeben. Nach jeder einzelnen Bestrahlung weiß er, dass er wieder einen Schritt weiter ist. Einen kleinen vielleicht nur, aber einen Schritt weiter.
Und dann ist da ja auch noch Gregor. Gregor, der ihm immer wieder sagt, wie stolz er auf ihn ist und wie sehr er ihn liebt. Oft schießen Noah Erinnerungsfetzen durch den Kopf, an die Turnhalle, die Küsse vor dem Haus und immer wieder an die Abende, an denen es nur zwei Menschen gab – Gregor und Noah.
Tränen laufen Noah über die Wangen. Er drängt sich an mich und schluchzt so herzzerreißend, dass mir selbst die Tränen kommen.
Ich würde ihm so gerne helfen. Alles wieder gut machen. Und weiß gleichzeitig, dass ich es nicht kann. Ich kann gar nichts tun. Außer festhalten, er sich an mir und ich mich an ihm.
Mittwoch, 19.12.2007
Es dauert nur kurz bis mir klar wird, was da so leise summt. Es ist das Handy in meiner Tasche. Der Wecker zeigt mir sechs Uhr an. Ich schäle mich mühsam aus den Decken, muss mich erst mal strecken und merke, wie meine Muskeln rebellieren. Ich habe vollkommen verdreht geschlafen und ich kann mir schon vorstellen, dass das Arbeiten heute sicher lustig wird.
Im Bad wasche ich mir die Tränenspuren vom Gesicht. Das Salz hat kleine Pfade hinterlassen, und bis die sich endlich in Wohlgefallen aufgelöst haben, sehe ich aus wie ein kleiner roter Krebs - na immerhin etwas!
Als ich aus dem Bad trete, erschrecke ich beinahe zu Tode. Ich habe nicht gewusst, dass Noah wach ist. Jetzt hockt er jedenfalls auf dem Boden, eine dampfende Tasse Tee in der Hand und bewegt seine Füße hin und her. Er zeigt auf eine zweite Tasse und ich greife vorsichtig danach.
„Ich bin ein Idiot!“, sagt er. „Ich hätte gestern nicht so heulen dürfen, noch bin ich ja da! Eben bin ich aufgestanden, konnte einfach so auf den Balkon, mir dann meinen Tee machen, alles nach wie vor alleine. Ich bin immer noch ich selbst! Und verdammte Scheiße, ich werde es auch noch volle vier Monate sein! Wehe dem, der meint, er könnte mir auch nur einen einzigen Tag davon abziehen.“
Ich lächele ihn an.
„Was hast du heute vor?“, frage ich.
„Deine beiden kommen vorbei!“, antwortet er fröhlich. „Uns wird schon was einfallen!“
Na daran habe ich auch keine Zweifel. Ich verspreche Noah, nach dem Arbeiten vorbei zu schauen und auf jeden Fall heute Abend das sechste Kapitel von Hürdenlauf* vorzulesen.
Wir sind schon an der Tür, als er mich nachdenklich ansieht.
„Weißt du was?“, beginnt er. „Tee, Medis, pure Lebenslust, eine gesunde Portion Selbstironie, etwas Zynismus und ‚Hürdenlauf‘ - ich denke, das ist die für mich perfekte Palliativtherapie!“
Er strahlt mich an, und auf dem Weg zur Arbeit fällt mir auf, wie sehr so ein Strahlen die eigene Welt beeinflussen kann. Denn die Dunkelheit ist einfach nicht mehr so dunkel wie vorher - und das ist ein verdammt gutes Gefühl.
*Hürdenlauf
Autor: Jonathan Möller
2006-2008
www.nickstories.de - Hürdenlauf ©Loki
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