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Angel of Darkness

Tyr Dieanell - The last royal Beast

Chapter 5

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„Argh.“ Schreiend und stöhnend kam Callan zu sich und fuhr automatisch in die Höhe, gepeinigt von den blutigen Bildern in seinem Kopf. Für einen Augenblick war er sicher, einfach nur einen klassischen Albtraum gehabt zu haben, da er sich in seinem Bett wiederfand. Das jedoch verging augenblicklich, als ein unerbittlicher Schwindel ihn nicht nur zurück ins Bett sinken ließ, sondern sich mit Lichtgeschwindigkeit auch eine unangenehme Übelkeit in ihm ihren Weg hinaus bahnte und er seinen Kopf gerade noch rechtzeitig zur Seite drehen konnte, um dabei nicht zu ersticken.

Dadurch wurde ihm allerdings nur allzu bewusst, dass er unmöglich einen so lebensechten Albtraum gehabt haben konnte, abgesehen einmal von der dicken, wie schmerzhaften Beule, die er an seinem Hinterkopf ertasten konnte. Er wollte zwar nicht glauben, was ihm sein Gehirn da präsentierte, doch instinktiv wusste er, dass es der Wahrheit entsprach und er Augenzeuge eines, nein zweier Morde war. Er sollte sich umgehend zur Polizei begeben, oder zunächst zum Arzt, dass er ihm attestieren konnte, dass er nicht spinnt. Jedenfalls würde er das zunächst denken, wenn ihm jemand solch eine Story aufzutischen versuchte. Allerdings lagen in einer Gasse immer noch zwei Leichen und er musste sofort die Polizei informieren. Nur was sollte er den Beamten eigentlich erzählen, ohne dabei nicht selbst ins Visier zu geraten.

„Verdammt, mein Schädel“, schnaufte er kläglich, der sich immer mehr in den Vordergrund drängte und marternd an ihm zerrte, während er sich langsam quälend aus seinem Bett stemmte. Callan spürte ein leichtes Fieber in sich, dass ihn zu dem Pochen zusätzlich ermattete. Sogar seine Motorik war alles andere als zielsicher. Nur schwankend und äußerst mühselig schaffte er es, sein Bett abzuziehen und zum Bad zu trotten.

Die Laken warf er kurzerhand in die Wanne, denn darum konnte er sich später noch kümmern, zunächst musste er sich um die Sache mit... Doch soweit kam er nicht, denn irgendwie fühlten sich seine Glieder tonnenschwer an und er sank gleich darauf in sich zusammen. Callan war bewusstlos geworden und bemerkte nicht, dass zwei starke Arme ihn auf dem Weg zum Boden auffingen und an eine muskulöse Brust zogen.

Sein Weg führte ihn nicht zurück in sein Bett, sondern ins Wohnzimmer auf die Couch. Dort wurde Callan dann in eine beschützende, wie kraftvolle Umarmung gebunden und schlief einen erholsamen, wie traumlosen Heilschlaf. Allerdings half dieser nicht beim Vergessen, umso aufgewühlter wurde sein nächstes Aufwachen. Getoppt wurde seine ohnehin schon gebeutelte Gefühlswelt damit, dass er sich unvermittelt am Körper eines fremden und unbekannten Mannes wiederfand. Seine inneren Alarmglocken begannen sofort lautstark zu schrillen und augenblicklich richteten sich seine Nackenhaare auf. Seine Glieder versteiften allesamt und er sah einer fauchenden, wie buckel-gesträubten Katze in dem Moment sehr ähnlich.

„Runter von mir, verdammt nochmal, runter. Wer zum Geier sind sie?“, knurrte Callan dem geheimnisvollen Schönling entgegen, ohne ihn mit seinen Schlägen wirklich einen Millimeter von sich bewegen zu können. Im Gegenteil, zog der Fremde ihn noch ein Stück näher an sich und die Wirkung, was die eindrucksvolle Erscheinung anging, verfehlte auch ihn nicht. Schon lange war es her, dass Callans Morgenlatte so schmerzhaft war, wie an diesem. Obwohl Morgen Ansichtssache war, es musste mitten in der Nacht sein, da von draußen kein Sonnenlicht in die Wohnung schien.

Doch so sehr seine innere Stimme ihn warnte und ihn zum wegrennen animieren wollte, wünschte sich Callan insgeheim, dass die kühlen Finger in seinem Rücken den Weg zu seinem heißen Fleisch finden würden, um ihn von seiner süßen Pein zu erlösen. Denn irgendein Gefühl sagte ihm, dass er den Mann weitaus länger kannte, als sein Verstand ihm dazu Erinnerungen liefern konnte.

Doch ganz gleich, ob er ihn kannte oder nicht, diese Situation, sowie seine Gedanken waren grotesk, ausgelöst von dem Sehnen nach einem festen Partner, mit dem man abends einschlief und frühmorgens aufwachte. Seinen Alltag teilte und gemeinsam die gemeinsamen Vorzüge des Lebens genießen konnte. Doch er wäre verflucht billig, wenn er sich gleich dem Erstbesten in die Arme warf, um seine Lust zu befriedigen und so versuchte er, sich aus der Klammerung zu winden. Das süffisante Grinsen hingegen, ließ Callan sofort die Schamesröte in die Wangen schießen, da er aus unerfindlichen Gründen sofort wusste, dass der Mann ganz genau wusste, was er dachte.

Woher er diese Sicherheit hatte, konnte sich Callan nicht erklären, er wusste es eben, irgendwie. Und das auch ausgerechnet so felsenfest, wie er wusste, wie sein eigener Name lautete. Allerdings erfasste ihn nun eine peinliche Beklommenheit, bedingt der eindeutigen Lage, aus der er sich auch nicht zu lösen vermochte, als der Fremde sich elegant von der Couch erhob und ihm eine helfende Hand reichte. Natürlich verschmähte er diese, immerhin war er ein Mann, gerade auch mit seinem steinharten Penis in der Hose.

Kurz überlegte er daher, ob es nicht sinnvoller war, abzuwarten, bis sich seine Erektion gelegt hatte, um aufzustehen, doch das leuchtende Funkeln in den Augen des anderen Mannes verriet ihm, dass der sehr genau über sein körperliches Befinden Bescheid wusste. Callan brauchte daher nicht erst versuchen sich einzureden, dass der andere eventuell nichts mitbekommen hatte und irgendwie empfand er seine Gedanken auch zu blöd. Er war keine Jungfrau mehr und ganz sicher auch kein Mädchen. Jeder Kerl hatte eine Morgenlatte, nach dem wach werden, daran war absolut nichts Peinliches. Ächzend bugsierte sich Callan daher nun in eine aufrechte Position und trottete zum Bad. Bevor er jedoch die Türe hinter sich schloss, drehte er sich nochmal um. „Nicht weglaufen, ja.“

Er wartete auf keine Reaktion, sondern duschte lieber schnell und das eiskalt. Wobei ihm beim ersten Wasserstrahl ein leiser Fluch über die Lippen kroch. Danach putze er mit einer Hand seine Zähne, während er in der anderen den Fön gegen die nassen Haare hielt. Nicht einmal zehn Minuten später stand er vollständig bekleidet vor seinem Gast. Dabei war er sich alles andere als sicher, ob man diesen Mann als Gast bezeichnen konnte, schließlich war er ganz sicher, dass er ihn in keinem Fall eingeladen hatte. Geschweige, dass Callan behaupten könnte, ihn wirklich schon mal gesehen zu haben.

Der Fremde jedoch schien sich weitaus besser an seine Wohnung zu erinnern, als Callan sich an ihn. So hatte sich der attraktive Mann, den er definitiv nicht von seiner Bettkante stoßen würde, mittlerweile bequem in einen Sessel gesetzt. Sah dazu extrem entspannt aus und Callan schwor, dass seine Augen einen sehr lüsternen Zug aufwiesen. So dass er sich tatsächlich davon überzeugen musste, ob er auch angezogen war. Ein prüfender Blick an sich hinab, bestätigte ihm seine Bekleidung. Erleichtert atmete er durch, bevor er sich nun als Gastgeber gab.

„Kaffee, Tee oder Wasser?“, fragte er daher, um sich von der knisternden Atmosphäre im Raum abzulenken. 'Meine Güte was ist nur mit mir los?', rumorte es zeitgleich in ihm und er floh regelrecht zu seinem Kühlschrank, um sich von dem Anblick des anderen zu lösen. Er war so verdammt geil, dass Callan sich zutraute jeden Moment über ihn herzufallen.

„Diese Frage stellst du mir immer wieder, doch außer Blut nehme ich nur ungern was anderes zu mir.“, tönte es Richtung Sessel und Callan fuhr sofort erschrocken auf und griff sich unwillkürlich an seine Halsschlagader. Noch bevor er es selbst realisierte, war der Fremde bei ihm und seine lustverhangenen Augen starrten auf genau jene Stelle.

„Dein Unterbewusstsein ist stärker, als gut für uns Beide ist.“, hauchte es gegen Callans Ohr und dieser erschauderte kurz. Dabei zogen sich heiße Wallungen durch seine Adern und sammelten sich an einer bestimmten Stelle, während es sich in seinem Magen verknotete. „Keine Angst. Ich werde dich nicht beißen, selbst wenn ich es noch so sehr wollte.“

„Warum?“, krächzte Callan heißer und wurde sogleich verlegen. So deutlich war ihm seine eigene Erregung anzuhören und für einen Augenblick glaubte er, weiche Lippen auf seiner Haut und spitze Zähne in seinem Körper zu fühlen, die langsam sein Lebenselixier aus ihm saugten. Er schloss hingebungsvoll seine Augen und fühlte wie sein Körper sich gegen den anderen sinken ließ und damit öffnete sich eine Art Tür, mit einer ganzen Masse an Gefühlen. Verbunden wurden die auf ihn einströmenden Emotionen mit schemenhaften Bildern von einer dunklen Straße, vermischt mit einem Blick auf ein Kaminzimmer und das Gesicht des Fremden, bevor es dunkel um ihn wurde. Es war ein komisches Gefühl, fast so, als ob sich ihre Seelen soeben miteinander verbunden hatten und die Erinnerungen des Fremden auf ihn übergangen waren.

Stockend fuhr daher nicht nur Callan zusammen, auch der Fremde blickte verstört drein und sofort kam Callan die Erleuchtung. „Du!“, fauchte er daher und bekam im selben Moment die Erkenntnis, dass es sich hierbei um seine eigenen Erinnerungen handelte, die aus irgendeinem Grund nun wieder für ihn zugänglich waren. „Du bist schuld an meinen Black-Outs. Wie konntest du nur? Wer bist du? Was zum Geier willst du von mir?“

Callan stieß den Schönling mit einem kräftigen Ruck von sich, wobei dieser sich gerade mal einen halben Schritt von ihm entfernte, doch der Zorn war damit noch nicht verraucht. Callan warf nur so mit Verletzungen um sich, so dass dieser Zorn auch Tyr wieder zu sich brachte, der denselben hilflosen, lustverhangenen Emotionen erlegen war, wie sein Gegenüber. In einem Bruchteil einer Sekunde hatte Tyr jedoch seine Überraschung aus seinen Gesichtszügen verbannt und wusste, dass er in dessen Erinnerungen nicht mehr herumspielen konnte. Nehmen konnte er sie ihm von Anfang an nicht, doch jetzt würde der Junge sich immer wieder aus seinem Schleier ziehen können. Egal wie oft er ihm noch seinen Bann auferlegen würde. Er entschied sich daher für einen alternativen Weg.

„Ich bin Tyr und was ich von dir will, weiß ich selbst nicht. Viel wichtiger ist, wer du bist? Du solltest nicht in der Lage sein, dich zu erinnern. Du dürftest unsere Schatten nicht einmal erahnen dürfen.“

„Schatten? Was? Wovon redest du?“, blickte Callan verwirrt, mit runzelnder Stirn, zu ihm. Schritt allerdings ein paar Zentimeter weiter nach hinten aus, um ein wenig mehr Distanz zwischen sie zu bringen. Obwohl er bereits ahnte, dass das keine Entfernung für den anderen darstellte. Denn trotz des unerotischen Themas und dem Schock über den „Verrat“, war dieses unheilvolle Knistern zwischen ihnen fast noch stärker geworden. Wobei er sich mehr darüber wunderte, wieso er sich von dem Mann verraten fühlte. Er kannte ihn doch im Grunde gar nicht. War es nur sein verletzter Stolz, dass man ihm die Wahrheit vorenthalten wollte...

„Gestern Abend, du erinnerst dich...“, half Tyr ihm auf die Sprünge und beobachte mit einer gewissen Ablehnung, wie die Bruchstücke der Erinnerungen sich in dessen Kopf zu einem Gesamtbild zusammensetzten. Es überraschte ihn daher nicht, kurz darauf die aufgewühlte, indirekte Anschuldigung zu hören.

„Er hat sie getötet und dann, als ich dachte, dass er mich auch umbringt, hast du ihn getötet.“, spie Callan aus und setzte in Gedanken hinzu '...und mich gerettet'. Vehement schüttelte sich Cal kurz, bevor er sich erneut in irgendwas verlor und sah den Mann in seiner Küche genauer an. „Was war er. Nein, was bist du?“, flehentlich sah er den braunhaarigen Typen an, der sich nun lässig gegen seinen Küchenblock gelehnt hatte.

„Er? Was er war?“, kurz dachte Tyr nach, ob er es ihm wirklich sagen sollte, doch dann gestand er ihm neutral und ohne Umschweife „Ein Vampie.“ Tyr hätte alles Mögliche erfinden können, doch er war sich absolut sicher, dass ihm Callan nichts glauben würde, als die Wahrheit. Denn so wenig wie es ihm passte, konnte sich Callan an jede Einzelheit erinnern. Womöglich bräuchte sein Verstand noch eine Weile das Erlebte auch zu akzeptieren, doch sein Verstand würde ihm schon klar machen, wenn seine Version nicht mit den gesehenen Bildern überein kam.

„Und was bist du?“, kam es mit einer Nuance Unsicherheit und sogar einem Funken Angst hinterher. Dieser Funken war es, der Tyr mitten ins Herz traf. Es gefiel ihm absolut nicht, dass der Sterbliche Angst vor ihm hatte, obendrein war das Ganze so neu für ihn, dass es ihn selbst ein wenig ängstigte. Obgleich ein wenig ein ganz gewaltiges bisschen untertrieben war. Seine urdämonische Ader wollte aufschreien, den Menschen vor sich in Stücke fetzten und ganz sicher nicht sich mit solch einem gefühlsduseligen Zeug befassen.

Sein dunkles Herz hätte viel dafür gegeben, diese Furcht des Jungen vor sich in der Mehrzahl anderer Sterblicher zu sehen und begrüßte eine solche Reaktion durchaus. Doch ausgerechnet bei diesem Menschen war es ein unerträglicher Anblick und dazu noch ein bestialischer Gestank. Obwohl der Geruch von Angst und Furcht bisher sein liebster Duft war und das nicht nur bei den Menschen. Tyr war daher kurz davor, vor diesem Sterblichen zu fliehen.

Nur sein Stolz ließ das nicht zu, immerhin hatte er auch noch einen Job, an den er denken musste. Er konnte, nein er durfte ihn nicht mit dem Wissen einfach so alleine lassen. Die Gefahr, dass er sich an die menschlichen Gesetzeshüter wandte, oder irgendwem von der Nacht erzählte, war zu riskant. Tyr konnte erst gehen, wenn er sicher war, dass Callan all das für sich behalten würde und kein Risiko mehr darstellte. Denn so dumm sich das anhörte, er wollte dieses Geschöpf nicht vernichten müssen.

Seine uralte Libido hatte da was ganz anderes im Sinn und das, obwohl er der Fürst der Finsternis war. Seit Jahrtausenden hatte er keinerlei Lust mehr empfunden, sich mit einem anderen Geschöpf zu befassen. Sex war einfach reine Langeweile und das schon so lange, dass er sich nicht einmal ans Gegenteil erinnern konnte. Wobei er bezweifelte, je wirklich nur ansatzweise so scharf gewesen zu sein, wie er es in der Gegenwart dieses Jungen war. Denn er brauchte sich nichts vormachen, er war schon immer in der Lage gewesen, alles um sich herum zu manipulieren und so zu lenken, wie er es wollte. Das machte auch nicht vor seinem Bett halt. Daher war er sich doch relativ sicher, dass er nur selten wirklich erregt gewesen sein konnte.

Allerdings, spürte er sehr deutlich die Wirkung des anderen auf sich und es fiel ihm auch alles andere als leicht, sich zu beherrschen. Wenn es nach seiner Libido ginge, dann würde er sich mit dem Menschen schon längst auf dem Boden wälzen und das ganz sicher nicht zum ersten Mal. Deshalb war es notwendig, sich etwas abzulenken und was war da besser geeignet, als sich ins Gedächtnis zu rufen, dass vor ihm ein akutes Sicherheitsrisiko stand. Daher fragte er kurzerhand „Ist das wichtig?“

„Vielleicht.“, sprach Callan fast tonlos, doch Tyr konnte das Wort ganz genau hören und suchte daher den Kontakt zu den Augen. Doch dieser wich ihm aus, drehte sich zur Seite, nur um zwei Sekunden später, nicht ganz so selbstbewusst, ihm gegenüber zu treten. „Ich mein, ich hab bisher nicht an diese menschlichen Dämonen geglaubt, selbst...“

Tyr nahm den Faden sofort auf, als der Mensch abbrach und sich erneut von ihm wegdrehte. Diesmal sogar die Arme vor seine Brust zog und ihm somit signalisierte, nicht wirklich an einer Erklärung interessiert zu sein. „Selbst, wenn sie in die Gesellschaft integriert wurden. Nun sie gibt es wirklich, doch der von gestern war nicht so wie die, die unter euch leben. Er war …"

„Krank?!“, half ihm Callan auf die Sprünge, da ihm kein passendes Wort einfiel.

Tyr hingegen verzog für weniger als eine Millisekunde das Gesicht, als ob er bei dem Wort tiefen Schmerz empfand. Doch er hatte sich im Griff, bevor die menschliche Auffassungsgabe diese Geste erkennen konnte. Vor allem traf „krank“ überhaupt nicht. Auch wenn für die Menschen das Wort gern verwendet wurde, wenn jemand nicht der Norm entsprach. Doch der Vampie war nicht krank, er war genau genommen ziemlich gesund. Wenn man berücksichtigte, dass er mitten in der Wandlung allein gelassen wurde und das sogar unbeschadet überstanden hatte. Schließlich hätte er genauso gut auch dem Wahnsinn verfallen können.

Dass er es nicht war, zeigte nur, dass er nicht von einem Grünschnabel gewandelt worden sein konnte. Doch er war führungslos gewesen und somit hatte er seinem Instinkt die Führung überlassen und die schrie nun mal nach Blut. Warmem, menschlichen Blut und das bekam man nur von der Quelle direkt. Dass er so zügellos war und die Frau dabei umbrachte, dafür konnte er nichts. Am Anfang fiel es jedem frisch Gewandelten schwer, sich zu kontrollieren, da der Blutdurst einfach unbeschreiblich war. Selbst wenn man älter war und hungrig, war die Kontrolle zu wahren das Schwerste am Beute jagen.

Genau deshalb wurde die Regel mit der Blutbank eingeführt, die darauf bestand, auf jeden Fall die Hälfte des Bedarfs an Blut, durch Blutbeutel abzudecken und wenn es schon frisches Blut sein musste, sich an anderen Tieren zu bedienen. Deshalb gab es durchaus einige Landwirte unter ihnen. Dort störte es weniger, wenn die Bestie in sich auch mal ausbrach. Doch mitten in der Stadt, unter all den Menschen war das schon was anderes. So dass die Anwesenheit des Mentors um einige Ecken mehr an Bedeutung hatte, um sein Geschöpf zu zügeln. Der arme Vampie hatte einfach Pech gehabt, wahrscheinlich sogar doppeltes. Zunächst, wurde er aus seinem menschlichen Dasein gerissen und gewandelt und dann starb er auch noch in dem Moment, als er unbewusst seiner Natur gefolgt war. Denn unter dem Einfluss von Hunger, waren Dämonen nichts weiter, als gewissenlose Jäger. Ein wildes Wildtier, was eben ausschließlich seinem Instinkt folgt und das tat das Geschöpf gestern auch. Erst nachdem er seinen Bedarf an Blut gedeckt hätte, wäre er eines der sanftesten Wesen überhaupt geworden und dazu auch wieder sehr menschlich. Denn unterscheiden ließ sich ein Mensch von einem Vampie nur von Ihresgleichen.

Im Grunde, konnte man ihm nicht vorwerfen, nicht gewusst zu haben, diese Frau nicht töten zu dürfen, doch diese Überlegungen waren allesamt sinnlos. Der Vampie war tot und Tyr bezweifelte, dass ein Mensch ihre Logik wirklich verstand. Immerhin spielten sie sich stets als Moralapostel auf, wenn es um ihre Rasse ging. Doch dass sie, für alle Arten von Dämonen, den gleichen Stellenwert in der Nahrungskette besaßen, wie für Menschen Schweine und andere Tierarten, vertrugen sie für gewöhnlich nicht. Sie waren zu eitel, als zu akzeptieren, dass sie nicht die stärksten, gar intelligentesten Wesen in der Galaxie waren. Selbst dann nicht, wenn sie sich selbst allesamt nur als Tiere benahmen.

„Allein.“, nuschelte Tyr daher geschlagen.

„Was?“, horchte Callan auf, der schon damit gerechnet hatte, keine Antwort mehr zu erhalten.

„Na deine Frage! Er war nicht krank, nur allein. Er war ein Mensch, den man mitten in der Wandlung allein ließ.“, unterrichtete er den Menschen. „Ich weiß nicht warum man ihn zurück ließ. Vielleicht ist sein Schöpfer gestorben...“, setze Tyr hinterher und flunkerte dabei ein bisschen. Immerhin, wusste er es besser, doch die Sache mit den Abtrünnigen würde jetzt zu weit führen.

Es war durchaus möglich, dass ein Schöpfer sterben konnte, doch bisher hatte er nichts davon gehört, dass jemals ein Schöpfer während einer Wandlung starb. Klar war so etwas möglich, immerhin war man in diesem Moment sehr anfällig für Übergriffe und konnte sich nur bedingt zur Wehr setzen. Allerdings schloss Tyr diesen Fall aus. Zudem war es unüblich einen Schützling zurückzulassen, selbst wenn ein anderer Vampir den Schöpfer töten würde, würde er sich dessen Nachkommen annehmen. Selbst Abtrünnige würden diese Gunst nicht wirklich ausschlagen, es sei denn sie wollten ein wandelndes Biest unter den Menschen. Dass es sich daher um einen perfiden Plan eines Abtrünnigen gehandelt hatte, dafür sprach auch der Rest der Sachlage. Jemand hatte dieses Geschöpf absichtlich allein und unwissend zurückgelassen. Warum dem so war, musste er oder Gills Team Dingo erst noch in Erfahrung bringen. Doch das ging Callan alles noch nichts an. Er wusste sowieso schon viel zu viel.

„Und woher weißt du das alles? Bist du etwa so ein Meister.“, wollte Callan nun Genaueres wissen. Tyr war beeindruckt, wenn er auch bisher keinen Menschen gewandelt hatte, war er durchaus eine Art Meister. Insbesondere war die Frage so zweideutig, dass egal wie er antworten würde, es nur falsch war. 'Ja, er war ein Dämon und ja, er hatte Macht, doch nein, er war kein direkter Schöpfer', das wäre die korrekte Antwort, die er in keinem Fall preisgeben konnte. Es sei denn, er würde danach des Menschen Kopf fordern, jedoch war der, zusammen mit dem Körper, viel zu niedlich, als dass er dies ändern wollte. So hüllte er sich in Schweigen und kämpfte gegen den Drang zu verschwinden.

Er konnte ihn aber, verdammt nochmal, nicht allein lassen. Die Wahrheit, verfluchte Scheiße, durfte er ihm aber auf keinen Fall sagen. Wie kam er also jetzt aus dieser Zwickmühle nur wieder heraus. Er selbst müsste sich für noch mehr Details verantworten, vor dem Rat. Wobei das die volle Ironie wäre, immerhin war er das höchste Haupt des gesamten Rates und so müsste er im Grunde sich selbst verurteilen. In was für einen Albtraum war er nur hineingeraten, dass ihm, binnen weniger Tage, alles aus den Händen glitt? Und selbst wenn er ihm die volle Geschichte erzählen wollte, wäre es gerade jetzt nicht der passende Zeitpunkt dafür. Callan würde nichts, bis nicht viel, davon verstehen können.

Wie sollte man einem Außenstehenden auch erklären können, dass in dieser Welt Dämonen lebten, die zum einen schon viel länger als die Menschen überhaupt lebten und das eigentliche Machtgefüge der gesamten Erde besaßen. Es war schwierig, einem Unbeteiligten zu erklären, dass die normalen Dämonen sich überhaupt nicht von den Menschen unterscheiden ließen. Manchmal waren Menschen sogar vielmehr Dämon als die Dämonen, die Tyr kannte.

Allerdings gab es nur wenige Exemplare mit reinem, gar gutem Herzen, denn es war durchaus schwierig, seine gute Seele über die vielen Jahrhunderte aufrecht zu halten, da die Dunkelheit in den Herzen stetig zunahm. Das änderte auch nicht ein Umgebungswechsel. Die Welt war einfach schlecht und das färbte auch auf gute Dämonen ab.

Zudem waren seine kleinen Vampies, im Vergleich zu den richtig bösen und niederträchtigsten Menschen, geradezu lammfromm. Selbstverständlich gab es auch in seiner Sippe allerhand Ausnahmen, doch dafür gab es ja die Jungs von dem Jäger-Rat, die für Ordnung sorgten. Und das mit gutem Erfolg, immerhin waren die dämonischen Gesetzeshüter weitaus effektiver, als die Staatsmacht der Menschen. Doch all das war kein Gesprächsthema für ihn und Callan. Er wollte viel lieber mehr von dem Jungen und seinem Leben erfahren. Ergründen, wer dieses Geschöpf vor ihm war und weshalb er so gefesselt wurde, von dieser Seele. Denn er brauchte nicht lange darüber nachdenken, dass sie ihm vertraut war. Nur weshalb, das war ihm noch immer ein Rätsel.

Aber vor dieser Auflösung, sollte er sich doch erst einmal um den Abtrünnigen kümmern, denn irgendwann wird es irgendwem auffallen, dass mindestens die gestorbene Frau fehlte. Wenn es nämlich soweit war, würde das zu einem sehr nervigen Problem, mit viel Gedankenkontrolle auf die Tyr nun so gar keinen Bock hatte. Schließlich war das ein kniffliger Schachzug, der auch nach hinten losgehen konnte und dann einen Skandal vom Zaun brechen könnte, der die nächste Dämonenjagd auslösen könnte. Nicht umsonst nahm die Mehrzahl seiner Art die Plage auf, sich nach menschlichen Vorstellungen zu verwandeln und so sich auch ohne Gedankenmanipulation unter ihnen bewegen zu können. Davon würde er jetzt jedoch sehr gern Gebrauch machen, um sich vor der gestellten Frage zu drücken, doch irgendwann musste er ja mal was antworten.

„Es tut mir leid, es ist nicht der richtige Moment, um dich da reinzuziehen. Versprich mir einfach nur, dass du die Sache auf sich beruhen lässt. Keine Polizei, keine Ärzte oder was dir sonst noch so einfallen könnte. Vergiss einfach, was gestern geschehen ist und auch, was ich dir gesagt habe. Dann bist du in Sicherheit.“

„Und wenn ich das nicht tue?“, fragte Callan ein wenig bissig, dem es ganz und gar nicht zusagte, Vorschriften gemacht zu bekommen. Das erinnerte ihn nur an seinen Vater und darauf konnte er gut verzichten.

„Dann...“, seufzte Tyr, der schwören könnte allmählich so etwas wie Kopfschmerzen zu bekommen. Diese Unterhaltung war mühsam und nichts was in irgendeiner Weise Sinn machte.

„Ja???“, horchte Callan auf.

„Lass es einfach auf sich beruhen.“ Callan presste seine Augen zu kleinen Schlitzen zusammen und signalisierte eindeutig, dass er sich so einfach nicht abspeisen lassen wollte. „Ich bitte dich und glaub mir, dass tue ich für gewöhnlich nicht. Doch ich würde ungern deinem Tod entgegen sehen.“

Dieser Satz saß, denn Callan wurde nicht nur sprachlos, auch der Geruch von Angst kroch zurück in Tyrs Nase. Diesmal jedoch, schlug es ihn in die Flucht und so blieb Callan nichts anderes übrig, als seinem geheimnisvollen Retter hinterher zusehen, der schneller als der Blitz durch ein offenstehendes Fenster in die Nacht verschwunden war und ihn mit tausenden von Fragen und Gedanken zurückließ.

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