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Die Söhne des Pharao

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Vorwort

Die Geschichte ‚Söhne des Pharao‘ ist keine Fortsetzung der Geschichte ‚Chaos und Ordnung‘, sondern sie erzählt eine parallele Handlung.

Da an einigen Stellen auf Personen und Vorgänge in ‚Chaos und Ordnung‘ Bezug genommen wird, empfehle ich, diese Geschichte dennoch als erste zu lesen und danach erst die ‚Söhne des Pharao‘.

Des Weiteren möchte ich darauf hinweisen, dass die Beschreibung von Handlungen und Orten nicht immer mit den aktuellen Forschungsergebnissen der seriösen Ägyptologie übereinstimmen, sondern aus Gründen der Dramaturgie angepasst wurden. Ähnlichkeiten mit schon lange toten Personen sind hingegen voll beabsichtigt.

 

Der Tag nach der spektakulären Gerichtsverhandlung brachte für Prinz Amenhotep eine weitere Überraschung.

„Du willst, was?“

Der Prinz stand auf dem Waffenübungsplatz und sah vollkommen erstaunt auf die Gestalt vor ihm. Der junge Mann war, wie er wusste, siebzehn Jahre alt und er war augenscheinlich in guter körperlicher Verfassung. Die etwas struppigen, dunklen, braunroten Haare und die helle Haut verrieten das Erbe seiner Mutter.

„Siehst du das Ende des Übungsplatzes mit den Palmen dort drüben? Lauf bis dorthin und dann wieder zurück zu mir.“

Ohne eine Antwort sprintete der junge Mann los und Amenhotep sah ihm kopfschüttelnd nach. Der Lauf war eigentlich sinnlos, denn er hatte ihn schon öfter auf dem Platz hier üben sehen, doch Amenhotep brauchte einen Moment Zeit, um nachzudenken.

Die Sache war gar nicht so einfach. Gestern erst war die Mutter des jungen Mannes aus Khemet verbannt worden und heute stand er hier auf dem Platz und wollte Soldat werden. Nicht etwa Offizier, nein, ein einfacher Soldat. Amenhotep war mehr als überrascht.

Was hatte der Junge vor? Der Haushalt der ehemaligen königlichen Gemahlin war aufgelöst worden. Das Haus des Nilpferds war an den Obersten Verwalter zurückgegangen. Wo lebte er denn eigentlich jetzt?

Außerdem war es völlig indiskutabel, ihn als einfachen Soldaten anzunehmen. Er war nicht angeklagt worden, ja nicht einmal vor das Gericht gerufen worden und somit hatte er alle seine Titel und auch seinen Unterhalt behalten.

Amenhotep erlaubte sich ein dünnes Lächeln. Außerdem war er sein Bruder.

Sein Halbbruder, um genau zu sein, doch immerhin sein einziger. Außer ihm gab es nur noch Merit-Amun und Tija, seine richtigen Schwestern und Baket von einer Nebenfrau, deren Namen er sogar vergessen hatte.

Er würde seinen Bruder bestimmt nicht als einfachen Soldaten herumlaufen lassen und auch der göttliche Pharao würde niemals zustimmen, einen königlichen Prinzen als einfachen Soldaten dienen zu lassen.

Er hatte schon eine vage Idee, was er mit ihm machen würde, als er Prinz Netermest sich schnell nähern sah. Der Prinz atmete zwar etwas schwer, war aber nicht sonderlich erschöpft. Amenhotep nickte fast wie zur Bestätigung seiner eigenen Einschätzung.

„Komm mit, ich will mich ein wenig mit dir unterhalten.“

Netermest sah Prinz Amenhotep etwas überrascht an, aber folgte ihm in die Schatten einiger kleiner Sykomoren.

Prinz Amenhotep interessierten nicht die Vorgänge der letzten Tage. Alles, was mit dem Haus des Nilpferds zu tun gehabt hatte, kannte er inzwischen aus den Protokollen. Er wollte mehr über die Vergangenheit von Prinz Netermest erfahren.

Erstaunt hörte er die schon länger zurückliegende Episode mit Hori und die Reaktion der königlichen Gemahlin darauf. Den Besuch der Schreiberschule hatte Amenhotep vorausgesetzt, doch nun überraschte ihn Netermest mit dem Besuch des Tempels der Maat. Hier hatte Netermest bis vor kurzem im Haus der beiden Wahrheiten die Rechtsprechung von Khemet studiert. In seiner freien Zeit hatte er dann sehr oft die Waffenübungsplätze der Fußtruppen besucht und dort auch an Ringkämpfen und den Übungen mit Speer und Axt teilgenommen.

„Warum, bei allen Göttern, willst du nun ein einfacher Soldat werden?“

Netermest senkte ehrerbietig seinen Kopf.

„Weil mir nichts weiter übrig bleibt. Meine Mutter wurde verbannt und ich habe eine Unterkunft gefunden im Haus des ehrenwerten Aufsehers der Fragen des Pharao.“

Amenhotep sah Netermest verblüfft an. Bei Kutari war er also untergekommen. Doch warum…?

„Was ist mit deinem Unterhalt. Das Große Haus zahlt doch weiterhin an dich.“

Netermest lachte bitter.

„Der ist verpfändet auf die nächsten Jahre hinaus. Das Haus des Nilpferds hat wohl weit mehr für die Feste ausgegeben, als es eingenommen hat. Viele Händler haben nach der Gerichtsverhandlung in der Halle der beiden Wahrheiten ihre Ansprüche eingeklagt und da der Palast, mit allem was darin war, wieder dem Großen Haus übertragen worden war, blieb nur einer mit eigenen Einkünften übrig und der war ich. “

Prinz Amenhotep war zunächst sprachlos. Was sollte er jetzt mit ihm machen? Dann schoss ihm eine Frage durch den Kopf, die er schon am Anfang des Gesprächs hatte stellen wollen.

„Du hast mir, ohne zu zögern, deine ganze Vergangenheit offen gelegt, so auch dein kleines Verhältnis zu diesem Schreiber.“

Netermest sah erschrocken hoch.

„Keine Angst, ich werde nicht darüber urteilen, doch sag mir, fühlst du immer noch so?“

Netermest wagte es nicht, den Prinzen anzusehen, als er langsam nickte. Amenhotep nickte ebenso, während er weiter an seiner Idee arbeitete.

„Nun, es ist nicht wichtig. Zumindest nicht für deine Bewerbung als Soldat. Ich habe beschlossen, dich einem Test zu unterwerfen. Du wirst drei Tage lang von jemandem in allen militärischen Fähigkeiten geprüft werden. Ich erwarte dich morgen früh zur ersten Stunde des Tages hier auf dem Waffenübungsplatz.“

Netermest atmete erleichtert aus. Vor einer solchen Prüfung hatte er keine Angst.


Die Morgendämmerung brach herein und es war noch etwas frisch, als Prinz Netermest sich auf dem Waffenübungsplatz einfand. Zu seiner Überraschung war Prinz Amenhotep bereits dort und neben ihm stand einer der größten und breitesten Nubier, die er je gesehen hatte.

Das Alter konnte er schlecht schätzen, doch er war sicher schon lange in der Armee, denn eine ganze Anzahl von Narben waren auf dem nackten Oberkörper zu sehen und Netermest erschauerte ein wenig, als er die Muskeln unter der tiefschwarzen Haut betrachtete.

„Netermest, sehr schön, dass du schon hier bist. Dies hier ist Feldwebel Kashta. Er wird die nächsten Tage die Prüfungen durchführen. Folge einfach seinen Anweisungen und ich werde sehen, was ich dann für dich tun kann.“

Prinz Amenhotep drehte sich nach der kurzen Ansprache einfach um und verließ den Platz in Richtung der Kasernen.

Feldwebel Kashta musterte seinen einzelnen neuen Rekruten genauso, wie dieser ihn.

„Nun gut. Ihr seid die nächsten drei Tage nichts als ein einfacher Soldat und ich bin der Feldwebel. Wir beginnen einfach damit, zu sehen, wie es um die Ausdauer steht. Folgt mir.“

Netermest musste sich zusammenreißen, denn der Feldwebel hatte sich einfach umgedreht und war in einem leichten Trab losgelaufen. Nach gut einer Stunde hielten sie an einer Wasserstelle und stillten ihren Durst. Kritisch beäugte der Feldwebel den Prinzen, doch der schien nicht viel mehr erschöpft zu sein, als der Feldwebel. Weiter ging es in Richtung des großen Flusses. Am Ufer liefen sie durch den weichen Sand und Netermest merkte allmählich, wie es ihm immer schwerer fiel, mit dem großen Nubier mitzuhalten. Doch auch der schwitzte jetzt ziemlich stark und der schwarze Körper glänzte unter den Strahlen des Herrn Re.

An einer kleinen Bucht, die der Fluss aus dem Ufer gehöhlt hatte, hielten sie an. Wortlos legte der Feldwebel seinen Schurz und das Lendentuch ab und begab sich in das Wasser. Netermest sah ihm schwer schluckend hinterher, beeilte sich aber, ebenfalls ins Wasser zu kommen. Das Wasser war sein Element und so zog er nach einer Weile an dem Feldwebel vorbei bis hin zu dem kleinen Uferstreifen auf den dieser Zuhielt. Wortlos kam Feldwebel Kashta aus dem Wasser und sah Netermest nachdenklich an. Dann bemerkte er an der schlanken Gestalt des Prinzen die beginnende Erektion, die dieser Erfolglos zu verbergen versuchte. Die massive Gestalt mit den ausgeprägten Muskeln unter der schwarzen Haut, von der jetzt das Wasser abperlte, war nicht ohne Folgen geblieben für Netermest und er war rot angelaufen und sah zu Boden. Wie oft hatte er seine helle Haut schon verflucht. Der große Nubier zuckte lediglich mit den Schultern und sagte ein Wort, das Netermest nicht kannte.

Danach ging es wieder zurück durch das Wasser zu ihren Sachen. Da Netermest wieder als erster ankam, hatte er sich bereits bekleidet, als der Feldwebel eintraf. Danach ging es im Laufschritt zurück zum Waffenübungsplatz.

In der Küche der Kaserne ergatterten die beiden eine Schüssel mit Eintopf, wobei Netermest zugeben musste, dass der hier nicht gerade der Beste war, aber er stillte den Hunger.

Nach einer kurzen Pause führte ihn der Feldwebel zu den Kampfplätzen.

„Die nächste Aufgabe ist einfach. Ihr werdet der Reihe nach gegen verschiedene Gegner im Ringkampf antreten und wir werden sehen, wie weit ihr kommt.“

Netermest sah sich verblüfft um und bemerkte nun fünf Männer in Lendenschurzen, die anscheinend auf sie gewartet hatten.

Nach dem er den ersten ziemlich schnell bezwungen hatte und dem zweiten Gegner gegenüber stand, erkannte er die simple Anordnung. Jeder weitere Gegner war besser als der vorhergehende, aber sie hatten auch völlig unterschiedliche Kampfstile. Der erste war flink und geschickt, doch das war Netermest auch, aber der zweite schien sich nur auf seine Kraft zu verlassen. Es wurde tatsächlich immer schwieriger, doch erst der vierte Gegner schaffte es, Netermest auf den Boden zu pinnen.

Nach dem Ringkampf wurde der Prinz von dem wortkargen Feldwebel entlassen und er kehrte müde und zerschlagen in sein neues Heim zurück.

Am Tor traf er auf Teremun, der gerade ein paar Arbeiter beaufsichtigte, die das Haupttor mit dicken Balken verstärkten.

„Guten Abend, Hoheit. Ich werde gleich…“

Netermest hob lächelnd eine Hand und unterbrach den Verwalter.

„Was haben wir dem ehrenwerten Kutari versprochen?“

Teremun zögerte etwas, doch dann lächelte er.

„Keine Titel im Haus. Es ist schwer für mich. Es widerspricht allem, was ich gelernt habe.“


Am Abend vor der Gerichtsverhandlung war Kutari, nur begleitet von Hori und Sekani, hinüber gegangen zum Haus des Flusspferdes. Das Haus lag fast in kompletter Dunkelheit und Hori sah seinen Herrn fragend an.

„Fast so, wie ich es mir gedacht habe. Man hat auch die gesamte Dienerschaft bereits weggeführt. Die königliche Gemahlin wird anscheinend nicht wieder hierher zurückkehren. Hoffen wir, dass er noch da ist.“

Zielsicher ging Kutari hinüber zu den Gemächern des Prinzen und er wurde von niemandem aufgehalten. Im Licht einer einsamen flackernden Öllampe saß Netermest auf einem kleinen Hocker und sah ins Nichts. Erschreckt zuckte er zusammen, als er drei Personen sah, die sich näherten. Dann zückte er einen langen Dolch und erhob sich.

„Netermest. Ich bin es, Hori. Wir möchten gerne mit dir reden.“

Der Prinz bemerkte erstaunt, dass Hori von dem Aufseher der Fragen des Pharao und einem jungen Soldaten begleitet wurde. Sofort verbeugte er sich vor Kutari.

„Ihr beehrt mein Haus, doch es nichts mehr da, was ich euch anbieten könnte.“

Seine Stimme war leise und zum Ende hin versiegte sie fast. Netermest zitterte und der Dolch fiel klappernd zu Boden.

Kutari trat auf ihn zu und nahm ihn einfach in die Arme.

„Ganz ruhig. Ich habe schon vermutet, dass so etwas geschehen wird und wir sind gekommen, dir zu helfen.“

Netermest begann leise zu weinen und klammerte sich fest an Kutari. Hori und Sekani sahen sich etwas peinlich berührt an.

Langsam löste sich der Prinz von Kutari und sah zu Hori.

„Es tut mir leid, dass du so etwas mit ansehen musst, aber ich weiß nicht mehr weiter. Die erste Tagesstunde hatte noch nicht begonnen, als die ersten Gläubiger erschienen und ihre Bezahlung wollten für alles, was sie für die Feste geliefert hatten. Was blieb mir übrig? Der Verwalter war nicht mehr da und ich hatte keine Ahnung. So sind sie denn vor Gericht gezogen. Ich werde wahrscheinlich für lange Zeit kein eigenes Vermögen besitzen.“

Hori schüttelte nur fassungslos den Kopf und sah sich in dem fast leeren Raum um.

Netermest deutete in eine Ecke, in der noch ein Stapel Kissen lagen. Kutari ließ sich dort nieder während Hori etwas zögerte. Dann nahm er Sekani an der Hand und zog ihn zu sich heran.

„Netermest, dies ist Sekani. Wir… wir…“

„Ich sehe schon. Du bist mit ihm zusammen. Die Götter müssen euch mögen, ich wünsche euch Glück.“

Wieder sah Hori peinlich berührt zu Boden, doch dann nahm er auf einmal Netermest an seine andere Hand und zog die beiden jungen Männer gleichzeitig mit sich auf die Kissen. Hori drehte sich so, dass Netermest zwischen ihm und Sekani zu sitzen kam.

Kutari registrierte es mit Erstaunen, doch er sah nun direkt zu dem Prinzen.

„Hoheit, ich habe einen Vorschlag zu machen.“

Netermest unterbrach ihn mit einem leisen Lachen.

„Was ist hier denn noch hoheitlich? Ich mag es, wenn ihr meinen Namen sagt. Tut es auch weiterhin. Dann fühle ich mich nicht so alleine.“

Alle drei Besucher sahen den Prinzen verwundert an, doch Kutari lächelte.

„Nun gut, doch nur, wenn du es ebenso machst.“

„Aber… aber…“

Hori flüsterte Netermest etwas ins Ohr, was ihn verstummen ließ.

„Also gut, aber es ist sehr ungewohnt für mich - Kutari.“

„Ein kleiner Fortschritt. Was ich eigentlich vorschlagen wollte ist, dass du, natürlich nur wenn du willst, in meinem Stadthaus wohnen kannst. Der Verwalter Teremun wird dort mit dem Hauspersonal bleiben und alles in Ordnung halten bis zu der Zeit, wenn ich wieder zurückkehre.“

Netermest sah Kutari mit großen Augen an.

„Aber das geht doch nicht. Ich kann doch nicht einfach irgendwo einziehen, ich habe doch keine Einkünfte, ich kann nichts bezahlen, ich bin doch nun am Ende angekommen.“

Wieder kamen die ersten Tränen, doch nun zog zu Horis Überraschung Sekani den weinenden Prinzen an sich, legte ihm eine Hand auf den Rücken und begann ihn sanft zu streicheln.

„Ruhig, Kleiner. Ich weiß, was es heißt, einsam und verlassen zu sein.“

Kleiner? Hori war sich im Moment nicht sicher, ob sich Sekani darüber im Klaren war, dass er gerade einen leiblichen Sohn des göttlichen Pharao ‚Kleiner‘ genannt hatte.

Auch Kutari musst grinsen, verstand aber, was Sekani gerade machte.

Netermest schniefte ein wenig, dann sah er Sekani an.

„Es ist gut, dass Hori dich bekommen hat.“

Aus einem Impuls heraus beugte sich Sekani vor und gab Netermest einen leichten Kuss, der Hori dazu veranlasst sich herüber zu beugen und Netermest ebenfalls einen Kuss zu geben. Kutari hatte den drei zugesehen und war von der Entwicklung der Dinge etwas überrascht, aber dennoch zufrieden.

„Dann wäre das ja wohl geklärt. Du darfst uns jetzt gleich zurückbegleiten.“

Im Stadthaus von Kutari wurde der Prinz auch sogleich Teremun vorgestellt. Der Verwalter war sich etwas unsicher, wie er sich einem Prinzen gegenüber verhalten sollte. Doch Kutari machte dem Protokoll ein schnelles Ende.

„Teremun. Der Prinz ist hier im Haus als Gast, doch ebenso als ein Freund. Ich hoffe, er ist damit einverstanden, wenn hier im Haus kein förmliches Protokoll eingehalten wird. Dafür ist der verbliebene Haushalt auch viel zu klein. Ich möchte gerne, dass hier im Haus keine Titel verwendet werden. Wir sind bisher ganz gut damit gefahren und es liegt an Netermest, ob er damit einverstanden ist.“

Der Prinz war immer noch etwas überwältigt von der plötzlichen Einladung, dennoch nickte er zustimmend. Wer war er denn noch, dass er dem widersprechen konnte.

„Gerne. Ich heiße schlicht und ergreifend Netermest.“

Das nächste Problem war die Unterbringung, bis Kutari mit seinen Leuten das Haus morgen verlassen würde. Doch Hori wusste eine Lösung.

„Er kann die Nacht bei mir verbringen. Bei mir und Sekani.“

Hori sah dabei zu Sekani, denn das war anscheinend nicht abgesprochen gewesen. Sekani nickte freundlich und auch Netermest stimmte sofort zu. Kutari sah den drei hinterher und schüttelt nur den Kopf.

Seit diesem Abend wohnte also Netermest in dem Stadthaus und schon einen Tag, nachdem Kutari abgereist war, machte er sich schweren Herzens, aber voller Zuversicht auf den Weg zum Waffenübungsplatz, wo er gedachte, Prinz Amenhotep gegenüber zu treten.


Am frühen Morgen des zweiten Übungstages erwachte Netermest mit schmerzenden Muskeln, aber dennoch guter Laune. Es hatte ihm Spaß gemacht, körperlich so gefordert zu werden und er war gespannt, was heute auf ihn wartete.

Feldwebel Kashta führte ihn in der Kaserne zum Waffenlager, wo er sich einen der dort lagernden Speere aussuchen konnte. Dann ging es auf den Übungsplatz zu den Strohzielen.

Es galt, die Strohziele aus unterschiedlichen Entfernungen mit dem geworfenen Speer zu treffen, danach wurde die Geschicklichkeit bewertet, mit dem das Ziel im Nahkampf getroffen wurde.

Die nächste Waffe war die Axt. Netermest suchte sich eine leichte Axt, deren kupferner Kopf nicht allzu groß war. In der Nahkampfübung mit der Axt war das Ziel ein hölzerner Pfahl. Hier zeigte sich, dass Netermest gut gewählt hatte, denn die Klinge schlug zwar große Kerben und holte Späne heraus, doch sie war nicht so schwer, dass sie im Holz stecken blieb.

Die dritte Waffe aus dem Arsenal der Infanteristen war das Chepesch. Hier fühlte sich Netermest nicht ganz so sicher, denn er hatte bis jetzt erst einmal mit einer solchen Waffe geübt. Trotz seiner geringen Länge von etwa einem meh-nesut war das Chepesch etwas schwer und unhandlich. Obwohl es gebogen war wie eine Sichel, war die Schneide nicht etwa im Bogen, sondern an der längeren Außenkante. Netermest musste erst eine ganze Weile üben, bis er einen seiner Strohgegner enthaupten konnte.

Während der heißesten Zeit des Tages hielten sich die zwei Männer im Schatten der Kasernengebäude auf, nachdem sie etwas Brot und Bier von der Küche geholt hatten.

„Warum willst du unbedingt Soldat werden?“

Netermest sah überrascht zu dem großen Nubier auf. Es war das erste Mal, dass er etwas nicht Dienstliches mit ihm sprach.

„Weil ich nichts anderes gelernt habe?“

Etwas ungläubig schüttelte der ältere Mann den Kopf.

„Du bist jung, du kannst mindestens lesen, wie ich gesehen habe. Du kannst mit Waffen umgehen, richtig, aber du kannst besser reden als viele andere.“

Netermest erinnerte sich, die heiligen Zeichen auf dem Chepesch studiert zu haben und was war das mit dem Reden? Bezog der Feldwebel sich etwa darauf, dass er diesem miesen kleinen Küchenschakal zwei weitere Rationen Bier abgeschwatzt hatte?

Netermest hob nur die Schultern.

„Ich muss mit meinen Waffen umgehen können, denn ich werde dem Feind seine ja nicht abschwatzen können.“

Feldwebel Kashta lachte trocken, dann erhob er sich.

„Wenn das so ist, geht es weiter.“

Dieses Mal holte der Feldwebel einen Bogen und eine Handvoll Pfeile aus der Waffenkammer. Netermest sah mit Skepsis auf den Bogen, denn der war fast so groß wie er selber, doch er folgte Kashta entschlossen zu den Zielen.

Beim Bogenschießen merkte Netermest, dass er hier an der Grenze seiner Fähigkeiten angekommen war. Es war ihm schon schwer gefallen, den riesigen Bogen zu bespannen. Er hatte sein gesamtes Gewicht und seine gesamte Geschicklichkeit aufwenden müssen, um die Sehne am Ende des Bogens vernünftig zu sichern. Auch beim Spannen des Bogens bemerkte der Prinz, dass er ihn wohl nicht ganz ausnutzen konnte. Das Ergebnis war entsprechend. Die Pfeile trafen zwar die Ziele, doch mit zunehmender Entfernung wurde die Durchschlagskraft weniger und bei 100 meh-nesut ging der Pfeil bereits vor dem Ziel zu Boden.

Kashta grunzte etwas abfällig, doch er nahm Bogen und Pfeile in Empfang, während sich von Westen her ein Streitwagen näherte und dann bei ihnen hielt. Der Wagenlenker war Prinz Amenhotep persönlich und er sah auf Netermest herab.

„Komm hoch, ich hab‘ noch was für dich.“

Etwas zögernd stieg Netermest auf und Prinz Amenhotep lenkte den Streitwagen wieder in Richtung Westen. Hier, bei den Ställen, war ein weiterer Übungsplatz, diesmal für die Streitwagen.

„Du nimmst die Speere und wir fahren die Strecke ab.“

Die Strecke bestand aus fünf Strohzielen in Abständen von etwa 50 meh-nesut und Netermest hatte kaum Zeit, die Speere aus der Halterung zu befreien, als Amenhotep bereits die Pferde antrieb. Der erste Speer verfehlte knapp das Ziel, doch die restlichen vier hatten getroffen. Prinz Amenhotep fuhr den Streitwagen an den Ausgangspunkt zurück und drückte Netermest die Zügel in die Hand.

„Geradeaus fahren kann jeder. Ich will, dass du nach jedem Ziel die Seite wechselst.“

Zur Verdeutlichung wedelte Prinz Amenhotep mit der Hand wie die Bewegungen einer Schlange in der Wüste. Netermest wurde leicht übel. Er konnte zwar einen Streitwagen fahren, denn das gehörte zur Ausbildung eines jeden jungen Adligen, doch dies hier war etwas anderes. Er kannte weder die Strecke, noch die Pferde. Nach einem Stoßseufzer und einem kurzen Gebet an Osiris trieb er die Pferde an.

Nach dem ersten Ziel zu seiner Rechten musste er nach rechts, um dann bald wieder nach links zu wechseln. Schon in der Rechtskurve bemerkte Netermest, wie der Streitwagen auf der Innenseite leicht abhob und er bremste etwas die Pferde, die jedoch erst sehr spät reagierten. Mit einem starken Schwanken nach jeder Richtungsänderung und weiterem Vermindern der Geschwindigkeit zog Netermest mit dem Streitwagen an dem letzten Ziel vorbei. Es sah so aus, als ob er mehr schwitzen würde als die Pferde.

Prinz Amenhotep sah Netermest etwas spöttisch grinsend an, dann übernahm er wieder die Zügel. Er ließ das Gespann etwas weiter laufen und wendete dann. Dann hielt er genau auf das fünfte Ziel zu und ließ die Pferde laufen. In voller Fahrt preschte der Streitwagen dicht an dem Strohziel vorbei und nur eine kleine Korrektur ließ ihn das nächste Ziel ebenso dicht auf der anderen Seite passieren. In nur kurzer Zeit hatten sie alle Ziele passiert und Netermest hätte sie wohl alle vom Wagen aus mit der Hand greifen können.

„Es ist eine Frage der Übung. Man muss lange üben und sich auf die Pferde verlassen können, dass sie machen, was man ihnen sagt. Ich möchte, dass du morgen früh zum Großen Haus kommst. Du weißt, wo das Haus der Soldaten des Pharao ist?“

„Ja, Herr.“

Amenhotep betrachtete Netermest schweigend, dann seufzte er.

„Also gut, bis morgen.“


Netermest lag in seinem Zimmer und überlegte, ob es wirklich eine so gute Idee gewesen war, Soldat werden zu wollen. Die ganzen Übungen hatten ihm gezeigt, dass er nicht wirklich mit den richtigen Soldaten mithalten konnte.

Für die Miliztruppen hätte es vielleicht gereicht, doch niemals für die Berufssoldaten. Neben den Bauern, die für die Feldzüge eingezogen wurden und dann danach wieder zurück auf ihre Felder eilten, konnte er ohne weiteres bestehen. Doch die Soldaten der drei Regimenter, die dauerhaft unter Waffen standen, waren eine ganz andere Sache.

Außerdem fiel ihm der peinliche Zwischenfall am ersten Tag ein. Der Feldwebel hatte kein Wort darüber verloren, aber Netermest war sich sicher, dass er es sofort berichtet hatte.

Dennoch war Netermest, wie befohlen, am nächsten Morgen beim Haus der Soldaten erschienen. Das Haus lag etwas außerhalb der Palastanlage und war mit einer eigenen, sehr hohen Mauer umgeben. Vor dem Tor stand die doppelte Anzahl von Wachen als sonst üblich und Netermest bemerkte auf den Mauern eine ganze Reihe Bogenschützen.

Netermest musste warten, bis Prinz Amenhotep erschien und durfte erst mit ihm zusammen das Innere der Anlage betreten. Innerhalb der Mauern gab es insgesamt drei Gebäude, wobei das eine deutlich als Kaserne zu erkennen war. Die beiden anderen Gebäude waren ziemlich hoch und hatten einen Säulenumgang. Zwischen den Gebäuden befand sich ein Schrein und Netermest sah im Vorübergehen, dass er dem Gott Seth geweiht war.

Als sie das rechts neben dem Schrein gelegene Gebäude betraten, blieb Netermest vor Überraschung stehen. Das Innere des Gebäudes war eine einzige große Halle. Diese Halle war fast komplett leer, bis auf eine große Anhäufung von Sand in der Mitte. Auf beiden Seiten der Halle zog sich eine hölzerne Empore entlang, so dass man, wenn man dort stand, aus einer höheren Position auf den Sand herabblicken konnte.

Inmitten des Sandes waren drei Personen damit beschäftigt, darin herumzubuddeln. Das heißt, zwei jüngere Männer, Jungen fast noch, buddelten im Sand, während ein erheblich älterer Mann ihnen Anweisungen gab.

„Was… was ist das?“

Amenhotep grinste Netermest breit an.

„Eines der am besten gehüteten Geheimnisse des göttlichen Pharao.“

Dann fiel Netermests Blick auf die Stirnseite des Raumes. Dort standen, auf kleinen Tischen, fein säuberlich aufgereiht und sortiert, die Figuren von Speerträgern, Bogenschützen und anderen Soldaten, selbst kleine Streitwagen waren vorhanden.

Netermest sah erstaunt zu Amenhotep.

„Er… er plant hier seine Kriegszüge?“

Amenhotep lachte und schlug Netermest mit einer Hand auf die Schulter, dass der Junge fast in die Knie ging.

„So ist es. Jetzt pass mal auf.“

Prinz Amenhotep beugte sich über das Geländer der Empore auf der sie sich befanden.

„Nebka, wir brauchen eine Schlucht mit beiden offenen Enden.“

Der alte Mann unten nickte nur und seine beiden Assistenten gingen flink mit Schaufel und einem Brett zu Werke. Innerhalb kurzer Zeit war eine Schlucht erkennbar, die an beiden Enden auf freies Gelände führte.

„So, Netermest. Du befindest dich mit deinen Truppen hier auf dieser Seite und es gibt nur diesen einen Weg auf die andere Seite. Was wirst du tun?“

Mit Erschrecken erkannte Netermest, was heute seine Prüfungen sein sollten. Sicherlich, er hatte auch die Grundbegriffe der Truppenführung gezeigt bekommen, doch da er damals der Ansicht war, er würde es sowieso nie brauchen, hatte er nicht besonders aufgepasst. Es lag nun an ihm und seinem Improvisationstalent, so viel wie möglich zu retten.

Nach der dritten Aufgabe fragte sich Netermest verzweifelt, warum er sich als einfacher Soldat mit der Führung von Hundertschaften und nun gar mit der einer Tausendschaft plagen musste. Vage kam ihm der Aufbau bekannt vor und dann kam ihm die Erleuchtung.

„Das ist Megiddo, dort wo der göttliche Pharao das Heer der Fürsten von Khadesch geschlagen hat.“

„Sehr gut. Ich werde dich jetzt nicht mit Einzelheiten plagen, denn diese Schlacht ist mehr als bekannt und jedermann kann sie nachlesen im Saal der Annalen im Tempel des Herrn Amun. Hier hat der Ruhm unseres Vaters begonnen.“

Netermest erstarrte förmlich und sah Amenhotep fast panikartig an. Sicherlich, der göttliche Pharao war tatsächlich sein Vater, doch nur mit einer unbedeutenden Gemahlin und auch die war aus Khemet verbannt worden.

Amenhotep sah Netermest an und bemerkte, dass der Junge fast zur Unbeweglichkeit erstarrt war. Er seufzte innerlich, als ihm klar wurde, dass er Netermest an das Schicksal von dessen Mutter erinnert hatte und daran, dass Netermests Schicksal nicht besser gewesen wäre, hätte Kutari nicht die Wahrheit entdeckt. Er hatte eigentlich genau das Gegenteil bewirken wollen, doch nun musste er sich etwas andres einfallen lassen.

„Netermest, komm mit mir nach draußen.“

Netermest folgte Prinz Amenhotep nach draußen und sie setzten sich im Schatten des kleinen Schreins auf eine Bank.

„Pass auf, ich bin nicht so sprachgewandt wie Kutari, denn ich habe wohl zu viel Zeit mit meinen Soldaten verbracht. Aber es sieht so aus, als müsste sich der göttliche Pharao, wie schon so einige vor ihm, jetzt mit Leuten umgeben, denen er mehr trauen kann als den meisten, die um ihn herum sind. Die Sache mit den Hethitern ist noch lange nicht vorbei und Kutari ist auf dem Weg zum Delta um dort einige Nachforschungen anzustellen. Doch hier, in und um Theben, ist ebenfalls noch nicht alles aufgeklärt und so sicher, wie es sein sollte.“

Netermest lauschte der kurzen Ansprache mit Erstaunen. Er hatte gedacht, die Gerichtsverhandlung hätte alles beendet.

„Kutari ist auf dem Weg in das Delta auf einige Dinge gestoßen, die der Überprüfung bedürfen. Wir müssen es unauffällig machen um niemanden aufzuscheuchen, aber wir müssen jemanden haben, dem der göttliche Pharao und auch ich, vertrauen.“

Netermest war aufmerksam genug, um zu ahnen, wohin die Worte des Prinzen führen würden. Ein Zittern durchlief ihn und er schüttelte sich.

„Nein, das kann ich nicht. Ich bin nicht so klug wie Kutari und ich… ich bin unwürdig, dem göttlichen Pharao zu dienen.“

Amenhotep sah sich kurz um, dann verpasste er Netermest einen kurzen Schlag an den Hinterkopf.

„Au!“

„Bist du blöd? Was soll das heißen, ich bin unwürdig. Ob du würdig bist, bestimmt nur einer. Los, komm mit.“

Amenhotep zerrte Netermest fast mit sich und er schleppte ihn quer durch das Große Haus, bis sie vor dem inneren Palast des göttlichen Pharao standen. Die Wachen ließen die beiden Prinzen beanstandungslos passieren und Netermest fand sich kurz darauf vor einer kleinen Tür wieder, an die Amenhotep leise klopfte. Als die Tür geöffnet wurde, schlüpfte Amenhotep hindurch und zog Netermest mit sich. Im dem kleinen Raum mit einer großen Anzahl Kissen, kleiner Tischchen und zahlreichen Körben voller Obst saß ein einzelner älterer Mann und aß gerade ein paar Weintrauben. Die einzige andere Person im Raum stand direkt an der Tür, ein riesiger Nubier mit einem langen Chepesch und einem gefährlich aussehenden Dolch.

Netermest betrachtete einen Moment den älteren Mann in der Mitte des Raumes, dann erst erkannte er ihn. Ihm blieb nichts anderes übrig, als das zu tun, was alle Untertanen seit Jahrtausenden im Angesicht eines Gottes taten. Er fiel zu Boden und kniete dort, mit dem Gesicht ebenfalls zu Boden und von seinen Händen bedeckt.

„Netermest, komm her.“

Verwirrt hatte Netermest die Stimme vernommen und langsam und zögerlich gab er seine Stellung am Boden auf. Vorsichtig trat er näher, um sich wieder auf den Boden zu knien.

Amenhotep grunzte unwillig und ging hinüber zu Netermest. Erstaunlich sanft hob er ihn an den Schultern an, so dass er aufrecht kniete und dem Pharao ins Gesicht blicken musste.

„Netermest, du erinnerst dich an mich?“

Stumm nickte der Prinz. Er war einmal, nach seiner Beschneidung, dem göttlichen Pharao vorgestellt worden, aber das war während einer offiziellen Audienz gewesen.

Der Pharao sah Amenhotep amüsiert an.

„Ich nehme doch an, er kann auch reden.“

Netermest riss nach dieser Äußerung die Augen auf. Was sollte das denn heißen? Dann merkte er, dass er einem Befehl des Pharao nicht gefolgt war, in dem er geschwiegen hatte.

„Ich kann reden, göttlicher Pharao.“

„Sehr gut. Ich nehme an, Amenhotep hat dir erklärt, dass es wichtig ist, wenn wir weiterhin im Verborgenen nach Verschwörern suchen. Du hast dich als Ergeben erwiesen, in dem du Kutari geholfen hast und du hast dich als Fähig erwiesen, in dem du deine Prüfungen absolviert hast. Wirst du ein guter Sohn sein und mir weiter dienen?“

Netermest war beinahe versucht, sich wieder zu Boden zu werfen, doch er senkte nur kurz seinen Blick dahin.

„Ja, Herr. Ich werde meinem Vater als guter Sohn dienen, so wie ich als guter Untertan dem göttlichen Pharao dienen werde.“

„Dann ist es gut. Nimm ihn mit zu Rechmire. Er soll alles erfahren.“

Amenhotep erhob sich und Netermest beeilte sich, es ihm gleich zu tun. Der alte Mann betrachtete nun intensiv eine Dattel, so dass die beiden Prinzen ohne weiteres Protokoll den Raum verlassen konnten. Vor der Tür lehnte sich Netermest an eine Wand und atmete tief durch. Amenhotep betrachtete ihn nachdenklich. Der Junge war erst - wie alt? - Siebzehn? Und er hatte eine ganz schöne Verantwortung aufgebürdet bekommen. Amenhotep fragte sich, wie er darauf reagieren würde, wenn er erst den Rest erführe.


Diesen Rest gab es in den Räumen des ehrwürdigen Tjati. Der Wesir begrüßte beide Prinzen mit einer leichten Verbeugung und wies dann auf die Stühle vor seinem breiten Schreibtisch. Der Blick des Wesirs ging zunächst hinüber zu Amenhotep.

„Du hast ihm nichts gesagt?“

„Nein, aber unser Vater hat gesagt, er soll alles erfahren.“

Netermest zuckte etwas zusammen, als Amenhotep von ‚unser Vater‘ sprach, was dem Wesir nicht verborgen blieb.

„Nun, dann werde ich ein wenig ausholen müssen. Die Hintergründe der Verschwörung, hinter der hauptsächlich der ehemalige Fürst Wawerhet steckt, sind dir bekannt?“

Netermest nickte.

„Gut, dann fangen wir mit dem wohl schwierigsten Teil für dich an. Kutari hat bereits einen ersten Bericht gesandt, vom Landgut des ehemaligen Fürsten, welches ihm unser göttlicher Herrscher übereignet hat. Einer der interessantesten Punkte ist die Tatsache, dass der Gewesene außer den Kindern mit seiner Frau einen weiteren Sohn gehabt hat. Die Mutter dieses Sohnes ist nicht bekannt, doch wir haben eine dringende Vermutung.“

Der Wesir sah nun Netermest an, dessen Gedanken versuchten, die logische Kette fortzuführen. Der erstaunte Gesichtsausdruck des Prinzen ließ darauf schließen, dass er zu dem gleich en Ergebnis gekommen war, wie der Wesir.

„Das… das ist unmöglich. Man hätte es bemerkt. Man hätte es ihr angesehen.“

„Es gibt viele Möglichkeiten, eine Schwangerschaft zu verbergen. Es wird unter anderem dein Auftrag sein, herauszufinden, ob wirklich jemand etwas über eine geheime Schwangerschaft oder gar Geburt bei der ehemaligen königlichen Gemahlin weiß und ob der Junge draußen auf dem Landgut wirklich dein Halbbruder ist.“

Mein Halbbruder. Auf einmal habe ich noch einen Bruder. Doch was steckt dahinter? Warum taucht er erst jetzt auf? Wo war er? Was hat…

Netermest wurde aus seinen Gedanken gerissen, als der Wesir weitersprach.

„Dann hat es Unregelmäßigkeiten auf diesem Landgut gegeben. Kutari hat wohl alles korrigiert, doch es steht noch ein unbekannter Besuch aus, der möglicherweise in einem Überfall enden könnte.“

Der Wesir reichte nun Netermest eine Kuriertasche, die sämtliche Berichte Kutaris enthielt, die dieser vom Landgut an den Wesir geschickt hatte.

„Hier. Lies dir alles genau durch und dann sprechen wir morgen darüber, was als erstes getan werden muss.“

Netermest nahm die Papiere in Empfang und sah dann unentschlossen zu Amenhotep.

„Du kommst erst einmal weiter mit mir mit. Wir haben noch etwas zu erledigen.“

Nach der Verabschiedung vom Wesir führte Amenhotep Netermest durch den Palast und sie erreichten das Haupttor mit der Straße zum Fluss. Dort stand bereits ein Streitwagen bereit und Amenhotep lenkte den Wagen wieder in Richtung Kaserne.

Mit aufgerissenen Augen sah Netermest, dass auf dem riesigen Platz vor der Kaserne Reihen um Reihen von Soldaten angetreten waren. Die Offiziere standen bei ihren jeweiligen Einheiten und Netermest zählte die Reihen. Alles in allem waren es wohl an die eintausend Soldaten, die dort standen und geduldig warteten.

Amenhotep führte Netermest zur ersten Reihe. Dort standen weitere Offiziere und auch Feldwebel Kashta.

Amenhotep grinste leicht, als er Netermest etwas vor sich schob.

„Auf Befehl unseres göttlichen Herrschers Men-cheper-re, lange möge er leben, verkündige ich hiermit, dass Prinz Netermest eingesetzt wird als mein Stellvertreter im Regiment des Amun. Er wird, entsprechend seines Titels und seines Ranges, Einheiten dieses Regimentes zugewiesen bekommen, die ausschließlich seinem Kommando unterstehen.“

Alle verbeugten sich bei der Lobpreisung des Pharao. Als Netermest sich wieder erhob, stand Amenhotep vor ihm und überreichte ihm einen Amtsstab aus Ebenholz mit vier goldenen Ringen in der Mitte.

Amenhotep grinste Netermest an und deutete auf das Ebenholz.

„Ich habe gehört, du magst es stark und Schwarz.“

Netermest sah Amenhotep verständnislos an, bis ihm dämmerte, auf was der Prinz anspielte. Doch bevor er sich näher mit der Aussage beschäftigen konnte, fuhr Prinz Amenhotep fort mit seiner Ansprache.

„Unser göttlicher Paharao, lang möge er leben, wird am heutigen Abend den Prinzen Netermest mit einer weiteren besonderen Würde belohnen. Ab dem morgigen Tag hat er dann das Recht, so es seine Aufgabe erfordert, aus diesem Regiment Soldaten anzufordern, soviel wie er benötigt. Alle Truppenführer stehen für diesen Zeitraum unter seinem Kommando.“

Ein Murmeln ging durch die Reihen der Soldaten und die Offiziere sahen sich fragend an. Amenhotep bemerkte die Unruhe und legte noch etwas nach.

„Sollte mein Bruder das gesamte Regiment des Amun benötigen, werde ich nicht zögern, ihm an der Spitze meiner Truppen zur Hilfe zu eilen.“

Schlagartig verstummte sämtliches Gemurmel. Eine solche Regelung war etwas noch nie Dagewesenes. Die Benennung als Bruder rückte ihn schon fast in den unmittelbaren Kern der königlichen Familie. Netermest stand vollkommen sprachlos neben Amenhotep und sah ihn mit großen Augen an. Der grinste nur und klopfte ihm mit einer Hand auf die Schulter.

„Ich hoffe, die Überraschung ist geglückt. Aber es geht weiter.“

Netermest schüttelte nur mit dem Kopf.

„Feldwebel Kashta hat eine Leibwache für dich aus der Truppe ausgewählt. Sie werden dich ab sofort auf allen deinen Wegen und Arbeiten begleiten.“

Feldwebel Kashta war schon bei der Arbeit. Zielsicher steuerte er auf einen jungen Mann zu, der fast in der Mitte der angetretenen Formation stand. Mit ihm im Schlepptau kam er jetzt wieder zurück zu Netermest.

Der Mann, den Kashta gerade heranbrachte, war wohl Anfang Zwanzig, schlank, aber doch muskulös und zu Netermests Erstaunen schwarz wie die Nacht. Dann fiel ihm mit brennenden Ohren wieder die Bemerkung ein, die Prinz Amenhotep über seine Vorliebe für ‚stark und Schwarz‘ gemacht hatte.

„Dies ist Feldwebel Umani. Einer unserer jüngsten Feldwebel, aber einer der Besten. Er wird der Anführer eurer Leibwache sein, Herr.“

Netermest registrierte verblüfft die Änderung in der Anrede, als Kashta sich auch schon wieder auf den Weg durch die Reihen machte.

Immer wieder kehrte er zurück und brachte einen weiteren Mann. Dann endlich deutete er auf die sechs angetretenen Nubier, die Netermest zunächst nur als eine kompakte schwarze Masse wahrnahm.

Feldwebel Umani sah etwas unschlüssig auf Netermest herab und schien nach Worten zu suchen. Netermest ging es nicht besser, besonders weil er etwas von dem dunklen Körper vor ihm abgelenkt war. Wortlos deutete er deshalb auf eine Stelle, etwa drei Schritte schräg hinter sich. Sofort nahm Umani die Position ein.

Amenhotep nickte beifällig und fuhr fort.

„Deine Aufgabe wird wahrscheinlich sehr schnelles Handeln erfordern. Deshalb habe ich ein besonderes Geschenk für dich. Das heißt, für dich und deine Begleitung. Du wirst gleich daran erkennen können, dass die Zahl deiner Begleiter sehr beschränkt sein wird.“

Etwas verwirrt sah Netermest in die Richtung, in die Amenhotep jetzt deutete. Aus dem Schatten der Kasernenanlage kamen zwei Streitwagen angefahren. Der vordere Wagen wurde von einem Paar strahlend weißer Hengste gezogen, die mit einem erlesenen Geschirr ausgestattet waren. Der Wagen selbst war rundum mit Holz verkleidet und prachtvoll bemalt. Der zweite Wagen war etwas weniger prachtvoll, aber immer noch von hervorragender Arbeit, gezogen von einem Paar dunkelbrauner Wallache.

Prinz Netermest kannte den Wert von Pferden und Streitwagen und war mehr als überrascht.

„Die beiden Wagenlenker gehören jetzt ebenfalls zu deinem neuen Haushalt. Der im vorderen Wagen heißt Simut und ist einer der besten Wagenlenker des Regimentes. Sein jüngerer Bruder Userhet fährt den anderen Wagen. Nun, was hältst du von deinem Geschenk?“

„Ich… ich bin mehr als überrascht.“

„Das glaube ich gerne, aber es ist noch nicht zu Ende.“

Netermest schloss ergeben die Augen und flehte die Götter an, den Tag nicht zu lange werden zu lassen.

Als Netermest die Augen wieder öffnete, sah er die beiden Wagenlenker auf sich zukommen. Außer einem weißen Leinenschurz trugen sie noch lederne Brustpanzer, die für die Wagenlenker vorgesehen waren. Dass die beiden Brüder waren, konnte man ihnen sofort ansehen, auch wenn es keine Zwillinge waren. Das Auffälligste an den beiden waren jedoch ihre roten Haare und die sehr helle Haut, was Netermest schlagartig an Hori erinnerte. Doch er durfte sich jetzt nicht ablenken lassen.

Die beiden verbeugten sich vor ihm. Netermest nickt dankend, dann fiel ihm etwas auf und er sah hinüber zu den beiden Streitwagen. Die Wagenlenker waren alleine auf den Wagen gewesen und standen jetzt vor ihm. Wer passte auf die Pferde auf? Niemand, wie es schien. Bei beiden Gespannen waren die Zügel einfach nach vorne gegeben worden und lagen nun vor den Pferden auf dem Boden. Die Pferde rührten sich nicht von der Stelle.

Während Netermest die Streitwagen, die Pferde und auch die Wagenlenker bewunderte, trat hinter ihm der Großteil der angetreten Truppen weg. Lediglich drei kleine Truppenteile waren stehengeblieben.

Netermest zuckte leicht zusammen, als Amenhotep wieder zu sprechen begann und dabei auf die drei kleinen Truppenkörper wies, die sich erst jetzt in Richtung der Kaserne in Bewegung setzten.

„Die dir zugewiesenen Einheiten sind eine Bogenschützenkompanie, eine Infanteriekompanie und eine Schwadron Streitwagen. Sie unterstehen deinem direkten Befehl und sind zu jeder Zeit einsatzbereit.“

Prinz Netermest sah seinen Bruder vollkommen erstaunt an.

„Was soll ich denn damit? Das ist doch für einen Feldzug kaum geeignet.“

„Für den Feldzug, den du vor dir hast, schon. Du wirst ja auch nicht in einen Krieg ziehen, zumindest nicht in einen, so wie du ihn kennst.“

Netermests Blick wurde immer ratloser und Prinz Amenhotep lachte.

„Du bist die Geißel des Pharao. Du wirst schnell und erbarmungslos zuschlagen, dort, wo die Feinde unseres Herrschers ihr hässliches Haupt erheben. Diese so scheinbar zufällig zusammengewürfelte Truppe besteht aus den besten Kämpfern meines Regimentes. Sie werden hier in Theben stationiert bleiben und auf deinen Befehl sofort in Aktion treten. Dein Wirkungsbereich wird das gesamte Reich sein und du wirst nur den Befehlen unseres göttlichen Herrschers folgen, oder auch meinen und denen des Tjati, denn sie sind die weitergereichten Worte unseres Vaters.“

Netermest erschauerte immer noch jedes Mal unwillkürlich, wenn Amenhotep vom göttlichen Herrscher als ihrem gemeinsamen Vater sprach.

„Du bekommst einen eigenen Flügel im Großen Haus zugewiesen, wo du wohnen wirst, wenn du hier sein solltest. Falls es dich interessieren sollte, kannst du wegen der Bediensteten mit dem Obersten Verwalter sprechen, ansonsten überlass den ganzen Kram deinem Verwalter, du wirst ohnehin die meiste Zeit unterwegs sein.“

Netermest sah sich zögernd zu seiner neuen Leibwache um. Die sechs Nubier standen mit ihrem Feldwebel schweigend wie eine Mauer in ein paar Schritten Abstand hinter ihm.

„Ach ja, das war das Stichwort. Falls du schnell reisen musst, sind Streitwagen nicht besonders gut geeignet. Sie sind schnell im Gefecht und auf kurze Strecken, aber nicht für lange Reisen gedacht. Dir stehen eine königliche Kurierbarke und drei Truppentransporter zur Verfügung. Damit kannst du deine Truppe in kürzester Zeit an jeden beliebigen Ort von Khemet bringen.“

Netermest schüttelte fassungslos den Kopf.

„Ich habe noch nie eine Truppe geführt und weiß auch sonst nichts über die Feinde des Pharao. Warum wurde ich für diese Aufgabe ausgewählt?“

Amenhotep nickte ernsthaft.

„Das ist nicht so einfach zu erklären. Zunächst ist da die Abstammung vom göttlichen Herrscher. Dann ein gewisses Maß an Ehrlichkeit, Vertrauen und Loyalität. Du hast bei den Ermittlungen von Kutari durch deinen Einsatz einiges davon bewiesen, nicht zuletzt auch persönlichen Mut und Einsatz. Der Herrscher ist momentan in einer schwierigen Situation und ist sich bei vielen seiner Untertanen nicht vollkommen ihrer Ergebenheit sicher. Du hast die Berichte von Kutari gelesen?“

Netermest wurde sich bewusst, dass er die Kuriertasche mit den Berichten immer noch bei sich trug. Er nickte schwach.

„Gut, denn ihr beide seid die einzigen, denen unser göttlicher Herrscher vertraut, seine Feinde hier im Land zu finden und zu beseitigen. Kutari ist, wenn man so will, das Auge und das Ohr, während du die Faust sein wirst.“

„Aber das kann doch jeder, der…“

„Nein! Das kann eben nicht jeder. Wie gesagt, dazu bedarf es absoluter Treue zum Herrscher und auch einer Stellung im Land, die niemand anzweifeln kann. Was glaubst du, warum Kutari zum Fürsten erhoben wurde. Schon allein der Titel gibt ihm Möglichkeiten, die einem einfachen Beamten verwehrt bleiben. Dein Titel als königlicher Prinz ist ebenfalls von Bedeutung. Niemand wird sich deinem Wort entgegenstellen, wenn er nicht einer Befragung aus dem Großen Haus ausgesetzt werden möchte. Der Einsatz deiner Truppe ist ein Befehl des Pharao. Deshalb bedarf es einer großen Verantwortung, sie auch in seinem Sinne einzusetzen. All dies sieht unser göttlicher Herrscher in dir und vertraut dir sein Wort an.“

Prinz Netermest war tief erschüttert und konnte ein leichtes Zittern nicht verbergen. Amenhotep bemerkte es und seufzte leicht. Mit einem kurzen Blick zu Netermests Leibwache nahm er den Jungen in die Arme und drückte ihn leicht.

„Auch ich vertraue dir. Mach es gut, kleiner Bruder.“

flüsterte er leise, dann ließ er Netermest los, drehte sich um und verließ den Übungsplatz. Netermest sah ihm erstaunt hinterher, dann sah er ebenfalls hinüber zu seiner Leibwache, an deren Anblick er sich erst würde gewöhnen müssen. Was kam als Nächstes?

Er brauchte eine Unterkunft und jemanden, der sich um seine Sachen kümmern musste. Dann wurde er sich ein zweites Mal bewusst, dass er die Kuriertasche mit den Berichten immer noch bei sich trug. Er brauchte einen Schreiber, dem er vertrauen konnte. Außerdem warteten immer noch seine Truppen auf ihre Befehle. Netermest hob eine Hand und die beiden Streitwagen kamen sofort herangeprescht. Auf dem ersten würden er und Feldwebel Umani mitfahren, auf dem zweiten zwei der Leibwächter. Den Rest der Wache schickte er hinüber zur Kaserne.

Neben den flachen, aus Lehmziegeln gebauten und weiß verputzten Gebäuden standen die drei Kompanien angetreten. Genau genommen waren es eine Kompanie Infanteristen, eine Kompanie Bogenschützen und eine Schwadron Streitwagen. Als Prinz Netermest vorgefahren kam, nahmen die Einheiten eine Paradehaltung an und Netermest ließ seinen Wagen an ihnen vorbeifahren. Danach stieg er ab und ließ die drei Einheitsführer zu sich rufen.

Der erste der eintraf, war der Schwadronsführer der Streitwagen.

„Hauptmann Nefermose, Herr.“

Der Hauptmann war in Leinentuch und Lederpanzer gekleidet und trug einen Offiziersstab. Er war wohl so Mitte Zwanzig und schien noch recht jung für diesen verantwortungsvollen Posten zu sein. Netermest glaubte, ihn schon vorher einmal gesehen zu haben.

„Haben wir uns schon einmal getroffen, Hauptmann?“

Erstaunlicher Weise machte der Hauptmann nun ein peinlich berührtes Gesicht und nickte leicht.

„Ja, Herr. Im Haus des Nilpferds. Ich war auf einem der Feste in Begleitung meines Vaters, des Fürsten Kamenhet.“

Jetzt war Netermest etwas peinlich berührt. Die Feste im Haus des Nilpferds waren einer der Auslöser für die Ermittlungen von Kutari wegen Zwangsprostitution, Erpressung und Hochverrat gewesen. Hauptmann Nefermose wurde nun auch etwas nervöser.

„Mein Vater ist ein sehr… traditionell eingestellter Mann. Er hat das Fest bereits verlassen, als nach den Tänzerinnen die ersten unbekleideten Tänzer aufgetreten sind.“

Netermest runzelte die Stirn und dachte nach.

„Seid ihr ebenfalls dermaßen – hm… traditionell eingestellt?“

Hauptmann Nefermose wurde blass. Er wusste, welche Gerüchte über Netermest in den Kreisen des Adels umgingen.

„Nein, Herr. Ich weiß die Schönheit, egal welcher Tänzer, zu schätzen, auch wenn ich bei den Tänzerinnen länger verweilen würde.“

Netermest lächelte leicht. Eine sehr vorsichtige, aber doch auch eindeutige Äußerung. Sie wurden von weiterer Konversation abgehalten, als auch die beiden anderen Hauptleute eintrafen.

Der Hauptmann der Bogenschützen war, abgesehen von dem Leinenschurz ebenfalls in einen Lederpanzer gekleidet. Er war zu Netermests Erstaunen ziemlich jung, wohl gerade um die Zwanzig. Der Hauptmann schien ihm sein Erstaunen angesehen zu haben.

„Hauptmann Sennefer, Herr. Ich bin erst seit kurzem Hauptmann. Prinz Amenhotep wählt die Offiziere der Bogenschützen nach ihren Leistungen bei den Gefechtsübungen.“

Netermest hob etwas amüsiert seine Augenbrauen.

„Ich habe gar nichts gesagt. Kein Grund, den Stachel aufzustellen wie ein Skorpion.“

Sennefer bekam zunächst einen etwas entsetzten Gesichtsausdruck, dann sah er wortlos zu Boden. Der dritte Offizier hatte sich während des kurzen Wortwechsels vollkommen ruhig zurückgehalten und straffte sich nun, als Netermest ihn ansah.

„Hauptmann Inuari, Herr.“

Im Gegensatz zu den beiden anderen trug der Hauptmann der Infanteristen lediglich einen weißen Leinenschurz, der einen starken Kontrast zu seiner schwarzen Haut bildete. Auch schien er mit Anfang Dreißig erheblich älter zu sein, als die beiden anderen. Netermest sah ihn erwartungsvoll an.

„Die Infanteriekompanie ist vollzählig, Herr. Wir sollen außerdem noch durch einen Trupp der Wüstenpatrouille ergänzt werden.“

„Wüstenpatrouille? Hier?“

„Anweisung von Prinz Amenhotep, Herr.“

Netermest nickte zustimmend und wunderte sich, was für Überraschungen sein Bruder sich wohl sonst noch ausgedacht hatte.

„Nun gut. Ich danke ihnen allen und werde die Truppen noch einzeln besichtigen. Uns wurde bereits ein erster Auftrag erteilt und dafür benötige ich die Bogenschützen.“

Hauptmann Sennefer straffte sich merklich.

„Hauptmann, ihr werdet einen der uns zugewiesenen Truppentransporter ausfindig machen und eure Kompanie dort einschiffen. Dann begebt ihr euch auf schnellstem Weg zum Landgut des Fürsten Kutari, ehemals das Landgut des gewesenen Fürsten Wawerhet. Dort bleibt ihr, bis ich ebenfalls eingetroffen bin. Ich habe hier noch etwas zu erledigen und folge dann mit einer Kurierbarke. Wenn alles gut geht, werden wir dort wohl gleichzeitig eintreffen.“

Hauptmann Sennefer nickte zustimmend und verließ ohne weiteren Gruß die Versammlung. Etwas zögernd sah Netermest die beiden restlichen Offiziere an.

„Ich brauche noch einen Schreiber. Ich weiß, dass jede Kompanie einen hat, aber woher kommen die? Doch nicht von der Schule des Großen Hauses?“

Hauptmann Nefermose schüttelte lächelnd den Kopf.

„Die meisten stammen von der Schreiberschule aus dem Haus des Lebens. Jedes Regiment unterhält eine eigene Schreibstube mit einem Ersten Schreiber und seinen Gehilfen. Theoretisch unterstehen dem Ersten Schreiber auch die Schreiber der einzelnen Kompanien, aber praktisch reicht es, wenn die monatlichen Abrechnungen eingereicht werden.“

„Dann werde ich mal diesen Ersten Schreiber aufsuchen.“


Netermest war noch nicht sehr weit gekommen, als ein Mann auf ihn zueilte. Nun ja, Eile war da wohl nicht das richtige Wort. Der Mann war wohl schon um die vierzig und deutlich übergewichtig. Er schwitzte gewaltig und keuchte etwas von der Anstrengung, bis heraus auf den Antreteplatz gekommen zu sein.

„Ich bin Userhet, Herr, euer neuer Schreiber.“

Netermest starrte ihn erstaunt an.

„Ein neuer Schreiber? Davon weiß ich gar nichts.“

„Prinz Amenhotep, lang möge er leben, hat es angeordnet.“

Jetzt musterte Netermest den Schreiber genauer. Der förmliche Wunsch nach langem Leben blieb normalerweise dem Pharao vorbehalten. Außerdem wagte Netermest es sehr zu bezweifeln, dass Amenhotep ihm diesen Schreiber schickte.

„Ach, das hat er persönlich gesagt?“

Der Schreiber Userhet zuckte zusammen und verbeugte sich, warum auch immer.

„Nein, Herr, natürlich nicht. Es ist nicht an uns, mit einem so hohen Herrn zu reden. Der oberste Schreiber des Regimentes hat es so angeordnet.“

„So? Dann will ich jetzt diesen Obersten Schreiber sehen und zwar sofort.“

Userhet sah Netermest an, als hätte er den Verstand verloren.

„Aber Herr. Der Oberste Schreiber ist viel beschäftigt. Er hat wichtige Aufträge vom Prinzen Amenhotep persönlich bekommen…“

„Jetzt! Sofort!“

Vollkommen aufgelöst watschelte der Schreiber in Richtung der Regimentsschreibstube und Netermest folgte ihm auf dem Fuße.

Die Schreibstube befand sich in einem kleinen Anbau eines Kasernenblocks und das erste was Netermest hörte, war lautes Geschrei.

Schwungvoll stieß er die klapprige Holztür auf und sah auf das Chaos vor sich. Den Mittelpunkt des kleinen Raumes bildete ein großer Schreibtisch, auf dem unzählige einzelne Papyri und auch Rollen wahllos verteilt lagen. Eine ebenso große Anzahl von Schriftrollen befand sich auf dem Boden des Raumes. Während ein junger Mann versuchte, die Rollen aufzusammeln, versuchte ein älterer wutentbrannter Mann mit einem Knüppel den Jungen zu erwischen.

„Ein Nichtsnutz! Ein Trottel! So etwas will ein Schreiber sein? Nicht einmal ein paar Schriftrollen kannst du einsortieren.“

Geschickt wich der junge Mann dem Knüppel aus und sammelte dabei eine weitere Rolle vom Boden.

„Was ist hier denn los?“

Der Mann mit dem Knüppel fuhr herum und musterte Netermest mit zusammengekniffenen Augen.

„Das geht euch gar nichts an. Was wollt ihr hier?“

„Mein Name ist Netermest und dieser Mann hier behauptet, er wäre meiner Einheit zugeteilt worden.“

Der Mann mit dem Knüppel ging zu dem Schreibtisch und setzte sich auf einen Hocker dahinter. Dort streckte er sich ein wenig im Bewusstsein seiner Wichtigkeit und sprach dann etwas von oben herab.

„Das ist richtig. Prinz Amenhotep, lang möge er leben, hat geruht, eurer kleinen Einheit einen Schreiber zuzuteilen und mir die schwierige Aufgabe der Auswahl überlassen.“

„Ach so? Dann verratet mir einmal, wie dieses Schreiber hier meine Truppe begleiten soll, ohne dass er auf dem ersten Chet zusammenbricht.“

Der Oberste Schreiber ließ seinen Blick geringschätzig auf Netermest ruhen.

„Das braucht er gar nicht. Seine Tätigkeit wird natürlich von hier aus geschehen. Wenn ihr tatsächlich etwas haben solltet, dass der Aufmerksamkeit eines Schreibers lohnt, könnt ihr selbstverständlich hierher zurückkommen und seine Dienste in Anspruch nehmen.“

Netermest war ohnehin nicht gerade gut gelaunt, doch diese letzte Äußerung brachte ihn dazu, etwas zu machen, dass ihm eigentlich widerstrebte.

„Ihr wisst, wer ich bin?“

„Nun ja, wie war der Name? Netermest?“

Netermest grinste innerlich.

„Richtig, Netermest. Ich fürchte, ich werde mich jetzt doch an meinen Vater wenden müssen, um dieses kleine Missverständnis zu korrigieren.“

„Euren Vater? Ich bitte euch, wer könnte…“

Der junge Mann im Hintergrund hatte inzwischen die Arme voller Schriftrollen, aber er hatte die kurze Unterhaltung genau verfolgt. Mit einem leichten Grinsen schob er sich neben den Obersten Schreiber und flüsterte ihm etwas ins Ohr.

Das Gesicht des Mannes erstarrte förmlich vor Entsetzen. Währenddessen hatte sich der junge Mann förmlich vor Netermest verbeugt, während der Schreiber Userhet mit offenem Mund zusah und nichts verstand.

„Aber… aber…“

„Nichts aber. Noch wähle ich mir meine Schreiber selber. Außerdem fürchte ich, mein Bruder wird sich auch nach einem neuen Obersten Schreiber umsehen müssen.“

Netermest sah sich um und sein Blick blieb an dem jungen Mann mit den Schriftrollen hängen. Er hatte eine helle Haut, heller als so mancher Einwohner Khemets doch seine Haare waren so schwarz wie bei den meisten. Der Junge lächelte schüchtern und Netermest schätzte ihn auf etwa sechzehn oder siebzehn. Er schien schon etwas länger hier zu sein, denn er trug statt eines Leinenschurzes einen Schurz aus hellbraunem Leder, so wie manche langgedienten Soldaten ihn trugen.

Der Oberste Schreiber war aus seiner Erstarrung erwacht und ruderte hilflos mit den Armen. Seine unkontrollierten Bewegungen führten dazu, dass er langsam nach hinten sank und dann plötzlich schwungvoll vom Hocker auf den Boden knallte.

Netermest sah abfällig auf den Boden, dann wieder zu dem Jungen mit den Schriftrollen.

„Wie heißt du?“

„Gemni, Herr.“

„Nun denn, Gemni. Ab sofort bist du mein neuer Schreiber. Du kannst die Arbeit hier, diesen beiden fleißigen Schreibern überlassen. Folge mir.“

Gemni sah Netermest ehrlich überrascht an, dann drückte er die Schriftrollen, die er im Arm hielt, dem völlig überraschten Userhet in die Arme und eilte zu Netermest. Vor ihm warf er sich zu Boden und verbeugte sich tief. Netermest wurde sofort an Kutari erinnert und an seine Ansichten über Protokolle, Verehrung und Arbeit.

„Steh auf, Gemni. Jemand der auf dem Boden liegt, kann nicht arbeiten.“

Zögernd stand Gemni auf. Wie das Protokoll es verlangte, sah er zu Boden. Dann spürte er, wie eine Hand sich seinem Kinn näherte und den Kopf nach oben drückte. Erstaunt sah er in ein Paar grauer Augen.

„Sieh mich an, wenn du mit mir redest. Es ist höflich und notwendig. Ich will dir auch in die Augen sehen können, wenn du schlechte Nachrichten bringst. Und ich will in deinen Augen sehen, ob du die Wahrheit sagst.“

Gemni schluckte schwer. Zum einen waren diese grauen Augen faszinierend, zum anderen lag in dem letzten Satz eine große Herausforderung. Gemni zwang sich, dem Prinzen weiterhin in die Augen zu sehen.

„Ja, Herr. Ich werde es tun, wie ihr sagt.“

„Gut. Draußen warten eine Schwadron Streitwagen und eine Infanteriekompanie. Überbringe den Hauptleuten meinen Befehl, dass sie hier die Kaserne beziehen sollen. Und sie sollen sich bereithalten, heute Nachmittag zur vierten Stunde jeweils eine Ehrenwache von jeweils zehn Mann für eine Zeremonie im Palast zu stellen. Dann meldest du dich bei Feldwebel Umani, der draußen wartet und berichtest ihm, dass du der neue Schreiber bist. Dann kehrst du hierher zurück.“

Gemni nickte nur, schnappte sich seine Umhängetasche und flitzte nach draußen. Netermest sah sich derweil weiter um. An einer Längsseite des Raumes stand ein großes Regal, in dem viele Stapel von Schriftrollen lagerten. Abgesehen von denen wenigen, die immer noch auf dem Boden lagen. Netermest ging zu dem Regal hinüber und berührte kurz die kleinen Papyrusstreifen, die aus vielen der Rollen hingen und ihren Inhalt dokumentierten.

Mit großen Augen sahen Userhet und der Oberste Schreiber zu, mit welcher Geschwindigkeit Netermest durch die Rollen ging, nur kurz auf den Index sah, den er mühelos entzifferte. Bei einer der Rollen stutzte Netermest und zog sie aus dem Regal. Nach kurzem Studium legte er sie wieder säuberlich zurück an ihren alten Platz und verließ fröhlich pfeifend die Schreibstube.

Von weitem sah Netermest seinen Schreiber wieder zurückkehren und er wartete geduldig.


Der erste Weg in der Palastanlage führte Prinz Netermest zum Obersten Verwalter. In den Räumen des Obersten Verwalters wurden Netermest und Gemni in einen Innenhof geführt, wo ein älterer Mann saß, der sich leicht in einem großen Sessel zurückgelehnt hatte und mit einem neben ihm sitzenden Schreiber ein intensives Gespräch zu führen schien.

Als er des Prinzen ansichtig wurde, stand er auf und ging auf ihn zu, dann verbeugte er sich leicht.

„Ah, Prinz Netermest. Welch netter Besuch. Prinz Amenhotep hat angedeutet, dass ihr möglicherweise hier erscheinen würdet. Ich bin Semsu, der Oberste Verwalter des Großen Hauses.“

Netermest sah den Obersten Verwalter etwas erstaunt an, aber dann nickte er freundlich.

„Es ist zu gütig von Prinz Amenhotep, mich anzukündigen. Hat er auch gesagt, was ich vielleicht benötigen würde?“

„Nein, leider nicht. Es schien nicht ganz klar, in welche Richtung eure Wünsche gehen würden. So, wie ich ihn verstanden habe, werdet ihr den abgesetzten Südflügel bewohnen.“

Der Schreiber des Obersten Verwalters war nun auch aufgesprungen und holte aus einem Nebengebäude einen gleichen Sessel, in dem auch sein Herr gesessen hatte.

„Nehmt Platz, Prinz, und erzählt, was euch vorschwebt.“

Der Oberste Verwalter führte Netermest an den Tisch und gab ihm ein Zeichen, sich in den Sessel zu setzen. Für Gemni hatte der Schreiber einen kleinen Hocker direkt neben Netermest gestellt.

„Es ist ein wenig kompliziert. Ich habe Aufgaben zugewiesen bekommen, die längere Abwesenheiten notwendig machen. Also benötige ich keinen großen Haushalt, sondern lediglich nur so viel Personal, dass alles in Betrieb gehalten wird. Ebenso wenig benötige ich ein großes Gefolge, lediglich wohl einen Diener der mich begleitet. Alle anderen Aufgaben werden durch die Leibwache erledigt.“

Der Oberste Verwalter musste ein Lächeln unterdrücken, als er schlagartig an den Aufseher der Fragen des Pharao erinnert wurde. Kutari hatte genauso unsicher vor ihm gesessen und darauf vertraut, dass er ihm helfen konnte.

Der Oberste Verwalter lehnte sich jetzt lächelnd zurück.

„Das ist ja keine schwierige Aufgabe. Prinz Amenhotep hat bereits einen persönlichen Diener aus seinem Haushalt überstellt. Die Verwaltung des abgesetzten Südflügels hat seit einiger Zeit ein Invalide von der Marine. Ich werde noch etwas entsprechendes Personal zuweisen, so dass ein angenehmes Wohnen möglich ist. Habt ihr sonst noch Fragen?“

Netermest und Gemni verabschiedeten sich und machten sich eilig auf den Weg.

Der Oberste Verwalter sah seinen Schreiber nachdenklich an.

„Wieder einer, dem viel Verantwortung aufgebürdet wurde. Wir werden sehen, was wir für ihn tun können. Hoffentlich geht das mit diesem Invaliden gut, diesem...“

„Tjeti, Herr? Ein alter Kapitän von einem Truppentransporter.“

„Hat er nicht seinen Enkel bei sich? Wie alt ist der jetzt?“

„Pachred? Hm… vierzehn oder fünfzehn, würde ich sagen.“

„Dann lass uns überlegen, wie wir die Ausgaben für die Instandsetzung am Gebäude am besten dem Vorsteher der königlichen Schatzhäuser beibringen können.“


Der so bezeichnete ‚abgesetzte Südflügel‘ war in Wirklichkeit eine Ansammlung mehrerer Gebäude südlich des großen Hauses, aber immer noch innerhalb der Palastmauern.

Inmitten eines grünen Parks standen vier unterschiedlich große Gebäude scheinbar wahllos verteilt. Das erste konnte Netermest als Schrein erkennen und als er Näher trat sah er, dass der Schrein dem Reichsgott Amun geweiht war. Sofort wurde Netermest an Kutari erinnert.

Das zweite Gebäude war offensichtlich das Haupthaus mit prachtvoll bemalten Seitenwänden und einer säulenverzierten Eingangshalle.

Weiter hinten lagen noch zwei weitere Gebäude und Netermest sah zwischen ihnen die silbrig glänzende Fläche eines Teiches schimmern.

Vor dem Haupthaus warteten drei Personen und Netermest wunderte sich ein wenig, als er ihrer Ansichtig wurde.

In der Mitte stand ein alter Mann. Sein hervorstechendstes Merkmal war ein fast mannshoher Stab auf den er sich stützte, denn er zog das rechte Bein ein wenig nach, als er vortrat. Er trug außer einem ledernen Schurz eine Art Brustpanzer aus Leder, der schon recht verschlissen war. Schräg hinter dem alten Mann folgte ein Junge von fünfzehn oder sechzehn Jahren, der im Gegensatz zu dem Alten lediglich ein schmales Lendentuch trug.

Gemni musterte den Jungen mit großen Augen und Netermest sah, wie die Ohren seines Schreibers rot wurden. Aha, so war das also. Er würde ihn wohl etwas im Auge behalten müssen.

Die dritte Person war ein ebenso junger Mann, allerdings sorgsam in einen Leinenschurz gekleidet. Er war wohl ebenfalls sechzehn oder siebzehn Jahre alt, doch seine Haut war etwas dunkler als sie es normalerweise bei den Kindern des Landes war und sein Haar war zwar schwarz, doch es war gekräuselt, wie bei den meisten Nubiern.

Der alte Mann grüßte Netermest mit einer knappen Verbeugung.

„Guten Tag, Herr. Ich bin Tjeti. Der ehemalige Kapitän Tjeti. Der Oberste Verwalter hat mich schon vor geraumer Zeit als Verwalter dieses Hauses bestimmt. Diese Stelle hier ist meine Pension, denn ich habe die Gesundheit meines Beines geopfert und nun bin ich zu nichts anderem mehr fähig in den Diensten des göttlichen Pharao, lang möge er leben.“

Prinz Netermest sah den alten Mann erstaunt an, dann blickt er hinüber zu dem Jungen hinter ihm, der genauso erstaunt aussah.

„Nun, wenn das so ist, ehemaliger Kapitän Tjeti, dann kannst du mir hier nicht weiterhelfen. Mein Name ist Netermest. Ich habe dieses ‚Haus‘ hier als Residenz für mich und meine Soldaten zugewiesen bekommen. Bald werden weitere Bedienstete eintreffen und ich benötige einen funktionierenden Haushalt, der auch dann reibungslos abläuft, wenn ich nicht da sein sollte. Dazu benötige ich aber einen erfahrenen und qualifizierten Mann, der mit jeder Art von Leuten umgehen kann und die nötige Durchsetzungskraft hat. Kennt ihr zufällig jemanden, der dafür in Frage kommt?“

Diesmal starrte Tjeti den jungen Herren vor sich erstaunt an und der Junge hinter ihm grinste über das ganze Gesicht.

„Sagt mir nur eins Tjeti. Auf was für einem Schiff seid ihr Kapitän gewesen?“

„Auf… auf einem Truppentransporter, Herr. Schon zur Zeit der…“

Entsetzt schloss Tjeti den Mund, als er merkte, dass er beinahe einen großen Fehler gemacht hätte. Es war verboten, die große Königin Hatschepsut zu erwähnen. Netermest korrigierte schnell die Aussage.

„Schon zur Zeit der ersten Regierungsjahre unseres göttlichen Pharao.“

Tjeti nickte erleichtert. Das waren die Jahre, in denen Hatschepsut offiziell Regentin war und Men-cheper-re, obwohl bereits gekrönt, noch unmündig war.

„Was ich sagen wollte, Tjeti. Ich brauche niemanden der lamentiert, sondern jemanden, der arbeitet. Dein Bein wird dich nicht daran hindern, jemanden zu beaufsichtigen. Du musst niemandem hinterherrennen oder etwas eilig erledigen. Dafür hast du ja anscheinend bereits jemanden.“

Tjeti sah kurz nach hinten zu dem Jungen, dann seufzte er.

„Ja, Herr. Dies ist Pachred, mein Enkel. Er ist mein einziger Verwandter, den ich noch habe, der Sohn meiner Tochter Nebet. Sie und ihr Mann sind an einer dieser ansteckenden Krankheiten gestorben, als er noch klein war. Ich habe ihn in meiner Hütte aufgenommen und er hilft mir nun.“

Pachred verbeugte sich vor Netermest als sein Name genannt wurde und als er sich wieder aufrichtete, suchten seine Augen nach Gemni. Netermest war etwas überrascht und etwas amüsiert. Musste er jetzt auf alle beide aufpassen?

„Nun, Tjeti, ich nehme an, du kennst dich hier aus?“

„Selbstverständlich, Herr. Der abgesetzte Südflügel ist ein Haupthaus mit Nebengebäuden, der eigentlich einmal für eine der Nebenfrauen unseres göttlichen Herrschers gedacht war. Da sie aus Nubien stammte, hat man hier im Garten auch viele Pflanzen aus ihrer Heimat hergebracht. Leider ist sie gestorben, bevor sie Khemet erreichte und die Gebäude werden seit dem für Besucher des Palastes benutzt.“

Der alte Tjeti sah Netermest prüfend an. Anscheinend überlegte er, wer der junge Mann war, dem man eine so elegante Wohnlage zugewiesen hatte. Der hatte zwar etwas von Soldaten gefaselt, aber weit und breit waren keine zu sehen.

„Den Schrein des Amun werdet ihr ja bemerkt haben, gleich dahinter befindet sich das Haupthaus mit einer Vorhalle. Ein gepflasterter Weg führt von dort zum Badeteich mit dem Badehaus, einer Säulenhalle in der künstlerische Vorführungen und Vergnügungen geplant waren. Auf der anderen Seite des Badehauses ist der Zierteich mit vielen Pflanzen und Tieren aus fernen Ländern. Auf der anderen Seite des Haupthauses befindet sich ein Gästehaus für Besucher. Hinter dem Haupthaus sind die Unterkünfte für die Dienerschaft.“

Wie auf ein Stichwort erschien Feldwebel Umani mit der Leibwache am Rand des Parks und kam auf Prinz Netermest zu. Schweigend blieben sie in einiger Entfernung stehen und beobachteten das Gelände und die darauf befindlichen Personen.

„Feldwebel Umani!“

„Ja, Herr?“

„Du kannst mit den Soldaten im Gästehaus einziehen. Das ist wohl nahe genug. Ich brauche hier im Palast lediglich zwei Mann am Eingang der Vorhalle. Dies hier ist Tjeti, der Verwalter. Er wird euch zeigen, wo alles ist.“

„Jawohl, Herr.

Tjeti musterte nun mit zusammengekniffenen Augen die Soldaten. Er war lange genug bei der Marine gewesen und hatte zahlreiche Soldaten gesehen, doch diese hier waren eindeutig etwas Besonders. Ihr ruhiges Verhalten, ihr aufmerksames Beobachten ließ auf eine der Eliteeinheiten schließen und Tjeti fragte sich nun ernsthaft, wer der junge Mann war, den man hier einquartiert hatte.

Netermest nickte zufrieden und wandte sich nun dem Haupthaus zu, während Gemni sich schnell an Pachred wandte und ihm etwas zuflüsterte. Mit einem entsetzten Gesichtsausdruck fuhr der Junge herum und starrte Netermest nach, während Gemni ihn daran hinderte, sich auf den Boden zu werfen. Hektisch flüsterte er auf ihn ein, während sein Großvater vollkommen abgelenkt die Soldaten beobachtete.

Pachred nickte schwach und Gemni verschwand nun auch in Richtung des Wohnhauses. Der Junge nahm seinen Großvater an der Hand und führte ihn zu einer Bank die neben der Vorhalle stand. Es war wohl besser, Tjeti setzte sich, bevor er ihm mitteilte, wer dieser junge Mann mit seinem seltsamen Gefolge wirklich war.


Im Wohnhaus war es angenehm kühl und ruhig, auch wenn ein paar Arbeiter dabei waren, die Wände auszubessern und die Räume zu reinigen. Die Vorhalle war schmucklos und Netermest ging kopfschüttelnd hinüber in die Haupthalle. Er hatte sich schon gewundert, wo der andere junge Mann geblieben war, der vor dem Haus gestanden hatte, doch dann sah er ihn in einer Ecke der Haupthalle, wo er damit beschäftigt war, Kissen auf dem Boden zu verteilen. Als er Netermest bemerkte, fuhr er herum, ließ die Kissen fallen und kniete sich auf den Boden.

Netermest sah erstaunt auf ihn herab und drehte sich etwas unsicher zu Gemni um. Dieser wandte sich nun an den Jungen vor ihnen.

„Wer bist du?“

„Huni, Herr. Ich war Sklave im Haushalt des Prinzen Amenhotep. Nun wurde ich dem Prinzen Netermest zum Geschenk gemacht um ihm als persönlicher Sklave zu dienen.“

Gemni sah nun ebenfalls etwas ratlos auf Huni herab.

„Ich bin kein Herr. Ich bin lediglich der Schreiber von Prinz Netermest und diene ihm mit meinen Fähigkeiten, so wie du es mit deinen tust.“

Netermest nickt zustimmend und erinnerte sich daran, was Hori über Kutari und seine Einstellung gegenüber Dienern und Sklaven erzählt hatte.

„Steh auf, Huni. Wie willst du arbeiten, wenn du am Boden liegst?“

Huni erhob sich und sah Netermest überrascht, aber auch fragend an.

Netermest wies auf Gemni.

„Das ist Gemni. Wie er soeben erklärt hat, ist er mein Schreiber. Ich werde euch beiden nachher noch erklären, warum wir hier sind und was uns alles erwartet. Ich…“

Netermest wurde von einem der nubischen Leibwächter unterbrochen, die draußen vor der Vorhalle standen.

„Ein Besucher, Herr. Eine Lieferung aus dem Schatzhaus des Palastes.“

Netermest fuhr alarmiert herum.

„Aus dem Schatzhaus?“

„Ja, Herr. Sie wird gerade in die Vorhalle gebracht.“

Netermest eilte in die Vorhalle und sah einen älteren Mann mit den Utensilien eines Schreibers, der gerade dabei war drei Arbeiter zu beaufsichtigen, die mehrere Bündel von zwei Eseln abluden und in die Vorhalle brachten.

Netermest trat neugierig auf den Schreiber zu.

„Was führt euch her?“

„Ihr seid Prinz Netermest, Herr?“

„Der bin ich.“

Der Karawanenführer verbeugte sich tief.

„Ich habe eine Lieferung für euch. Prinz Amenhotep hat den Verwalter des Schatzhauses angewiesen, euch diese Waren zuzustellen. Ebenso wird eine weitere Lieferung aus dem Arsenal des Regiments des Amun eintreffen.“

Netermest sah erstaunt auf die Bündel, die von den Eseln abgeladen wurden. Vom Schatzhaus? Was konnte Prinz Amenhotep ihm senden, was so wertvoll war, dass es vom Schatzhaus verwaltet wurde?

Feldwebel Umani kam von seiner Unterkunft angelaufen und beobachtete nun ebenfalls erstaunt die Lieferung.

Auf ein Zeichen von Netermest öffnete Feldwebel Umani einen der Packen und sah hinein. Netermest hatte nie geglaubt, dass ein Nubier blass werden konnte, doch Umani verfärbte sich deutlich, als er in den Packen griff und etwas daraus hervorholte.

Nun hielt auch Prinz Netermest seinen Atem an. Umani hatte ein fast vollständiges Löwenfell in seiner Hand. Das Fell war wohl nicht mehr neu, denn es sah bearbeitet aus. Außerdem waren an der Innenseite lederne Riemen angebracht, deren Aufgabe für Netermest zunächst rätselhaft blieb. Umani schien jedoch zu wissen, worum es sich handelte.

„Ein Mantel des Mahes.“

Netermest musste einen Moment überlegen.

„Der Löwengott? Der wildblickende Löwe? Eine selten dargestellte Gottheit.“

„Ja, Herr. Aber er ist ein Schutzgott der Soldaten, besonders in Nubien.“

Netermest trat näher und besah sich das Fell näher. Es war umgearbeitet worden. Der Kopf fehlte, genau wie die Hinterpranken. Am Ende war lediglich der Schwanz belassen worden, aber es schien, als sei auch er gekürzt worden.

Umani sah sich um und winkte einen seiner Soldaten heran. Der Feldwebel legte ihm geschickt das Fell auf den Rücken und sicherte es mit einem Riemen vor der Brust. Die Vorderpranken wurden über die Schultern nach vorne gelegt und überkreuzten sich dann vor der Brust. Sie wurden an den gleichen Riemen gesichert, so dass sie nicht hin oder her wedeln konnten. Das Fell lief den ganzen Rücken hinunter, etwa bis zum Beginn des Lendentuches. Von dort aus hing der Schweif etwa bis zu den Kniekehlen.

Die anderen Soldaten waren ebenfalls aufmerksam geworden, umringten den Fellträger und starrten ihn mit offenen Mündern an. Netermest musste sich zusammenreißen, das nicht ebenfalls zu tun. Er sah nun auch Gemni zwischen den Soldaten und fast automatisch drehte er sich um, aber von Pachred und seinem Großvater war noch nichts zu sehen. Huni stand am Durchgang zum Haupthaus.

„Feldwebel! Alles auspacken. Ich will wissen, wie viele Felle es sind und was sonst noch geliefert wurde.“

Es dauerte nicht sehr lange, bis alle Bündel geöffnet worden waren.

„Es sind sieben Löwenfelle, Herr. Und etliche lederne Schurze.“

Netermest hob fragend die Augenbrauen und Feldwebel Umani hob einen der ledernen Schurze aus einem Bündel. Es handelte sich anscheinend um wertvolles Leder von Wildtieren und nicht das dunkle, harte Leder von Rindern. Auf dem sehr hellen Braun des Schurzes war vorne eine dunkelrote Bemalung. Es zeigte einen Mann mit dem Kopf eines Löwen. In der rechten Hand hielt er einen Speer.

„Lederschurze für die Krieger des Mahes. Und der dürfte für Gemni sein!“

Umani hatte einen weiteren Lederschurz hervorgeholt, er zeigte den gleichen löwenköpfigen Mann, doch diesmal war er schwarz, ohne Waffen und zu seinen Füßen war das göttliche Zeichen für ‚schreiben‘ abgebildet.

Gemni kam herüber und nahm staunend seinen Lederschurz in Augenschein. Dann fiel sein Blick in das offene Bündel zu seinen Füßen und seine Augen weiteten sich. Er zog einen weiteren Lederschurz heraus und als er ihn ausbreitete, wurden seine Augen immer größer. Der Schurz war aus dem gleichen hellen Leder, doch die Gottheit, die die gleiche Form und Größe wie bei den anderen hatte, war mit goldenen Fäden in das Leder gestickt worden. Der Gott hielt einen Dolch in der rechten Pranke und in der linken eine Feder als Symbol der Göttin Maat.

Netermest hielt unwillkürlich den Atem an. Amenhotep erwartete doch nicht von ihm, dass er diesen Schurz trug? Er fragte sich ernsthaft, ob er die Lieferung zurückschicken sollte, als eine weitere kleine Karawane eintraf. Diese bestand nur aus einem einzigen Esel, doch der war ebenso hoch bepackt, wie die Tiere bei der ersten Lieferung.

Feldwebel Umani sprach mit dem Karawanenführer und ließ dann die Fracht abladen. Prinz Netermest gab dem Feldwebel durch ein Zeichen die Erlaubnis, die neu eingetroffenen Bündel zu öffnen. Mit dem Inhalt konnten sowohl der Feldwebel als auch der Prinz sofort etwas anfangen. Es war ein lederner Brustpanzer, wie ihn sonst nur die Wagenlenker und die Bogenschützen auf den Streitwagen trugen. Aus festem Rinderleder gefertigt widerstanden sie ohne weiteres einem aus der Ferne abgeschossenen Pfeil.

Dieser hier war allerdings aus einem anderen Leder gefertigt, das Netermest nicht zuordnen konnte. Die Oberfläche war nach dem Gerben augenscheinlich gefärbt und dann poliert worden, dennoch konnte man eine Struktur erkennen, als seien mit einem Messer feine Linien durch Lehm gezogen worden. Gemni staunte.

„Nilpferdleder! Ein Brustpanzer aus Nilpferdleder. Und dann die Verzierungen.“

Gemni schnappte nach Luft, als er die heiligen Zeichen las.

In dem nun dunklen Leder war eine Prägung aus Gold, die drei Zeichen umfasste. Eine Ente, eine Binse und eine Biene.

sA – swt - bjt

Sohn – Herrscher von Oberägypten – Herrscher von Unterägypten

Prinz Netermest erstarrte bei dem Anblick. Die Beschriftung des Brustpanzers ließ keine Zweifel daran zu, wer die Person war, die ihn trug. Und dass er ihn tragen durfte, war ein eindeutiger Beweis des göttlichen Herrschers, welche Stellung ihm damit zugewiesen wurde.

Verwirrt wandte sich Netermest dem Rest der Lieferung zu. Es waren Armschoner aus feinstem Leder, jeder mit einem bronzenen Dolch versehen. Als Netermest sie durchsah, bemerkte er, dass wiederum einer davon aus Nilpferdleder und wunderschön verziert war. Die anderen acht waren aus dem gleichen Leder wie die Schurze. Acht? Also bekam Gemni auch einen.

„Feldwebel Umani! Die Leute sollen sich mit den Sachen vertraut machen. Ich will, dass sie heute Abend komplett neu ausgerüstet sind. Sag ihnen gleich, dass die Felle nur für Paraden sind. Die Lederschurze werden ab jetzt immer getragen.“

Feldwebel Umani scheuchte seine sechs Soldaten vor sich her und stieß eine Unzahl von Befehlen aus. Gemni stand etwas verloren mit den beiden ledernen Schurzen für sich und Netermest vor dessen Wohnhaus.

„Sollen wir uns auch umziehen, Herr?“

Netermest nickte und folgte dann Gemni ins Haus. Nachdenklich sah er die neuen Sachen an.

„Wir sollten lieber vorher noch einmal baden.“

Gemni sah ihn erfreut an.

„Hinter dem Haus ist ja gleich der Badeteich. Soll ich Huni auch Bescheid geben?“

„Den habe ich gerade auf dem Weg zu den Vorratslagern des Palastes gesehen. Der wird wohl noch eine Zeit beschäftigt sein.“

Gemni zuckte bedauernd mit seinen Schultern, folgte dann aber Netermest, der auf dem Weg zum Badehaus war. Wie er erwartet hatte, fand er dort neben zahlreichen Leinentüchern auch einige Amphoren mit Asche und Ölen.

Netermest legte ohne Zögern seinen Leinenschurz und das Lendentuch ab und stieg in den Teich. Gemni blieb am Ufer stehen.

„Was ist? Willst du nicht?“

„Aber Herr, das steht mir nicht zu. Ich warte, bis ihr fertig seid.“

„So ein Unsinn. Der Teich ist für alle da. Komm rein und bring die Asche mit.“

Gemni legte ebenfalls seine Kleidung ab und griff nach der Asche für das Reinigungsbad. Er war sich etwas unsicher, ob er es wagen sollte, aber dann nahm er von der Asche, stellte die Amphore wieder vorsichtig zurück und watete hinüber zu Netermest, um ihm mit sanften Bewegungen den Rücken abzureiben. Der Prinz war zunächst erstaunt, doch dann schloss er die Augen und ließ Gemni gewähren. Etwas später spürte er, wie sich Gemnis Hände langsam um ihn herum bewegten und nun auf seiner Vorderseite angekommen waren. Er öffnete die Augen und sah Gemni vor sich. Fast automatisch bewegten sich dessen Hände, während er fast starr geradeaus sah. Netermest lächelte wissend, als er zwischen ihnen beiden hinunter sah.

Nun begann auch Netermest, langsam den jungen Schreiber vor ihm mit beiden Händen abzuwaschen. Diesmal hatte Gemni die Augen geschlossen und als Netermest am Ziel seiner Wünsche angekommen war, öffnete Gemni schlagartig die Augen. Er sah direkt in Netermests graue Augen und folgte der Hand, die jetzt die beiden Köpfe näher zusammen brachte. Der Kuss schien eine Ewigkeit zu dauern und was dann folgte, war deutlich länger als eine Ewigkeit.

Gemni und Netermest wurden unterbrochen, als sie etliche Zeit später ausgelassen im Wasser tobten. Pachred kam etwas atemlos um die Ecke.

„Herr! Es sind Soldaten angekommen. Sie wollen euch sprechen.“

Netermest und Gemni kamen aus dem Wasser und Pachred versuchte, nicht allzu auffällig die tropfnassen Gestalten zu beobachten. Netermest grinste etwas, dann wandte er sich an Gemni.

„Du kannst Pachred die Regelung mit dem Teich erklären. Das gilt für alle, die hier innerhalb dieses Haushaltes wohnen und arbeiten.“

Während er sich ankleidete sah Netermest, wie Pachred jetzt weiterhin Gemni anstarrte, der sich immer noch nicht abgetrocknet hatte. Er bekam lediglich mit, dass Gemni etwas erklärte, während Pachred wortlos daneben stand. Was die Beiden besprachen, bekam er nicht mehr mit, denn er beeilte sich, zu seinen Besuchern zu kommen.

Als er um die Ecke bog, sah er, dass vier Soldaten auf ihn warteten, alle in einfachen Leinenschurzen, aber mit einem Kopftuch ausgerüstet. Dann bemerkte Netermest, dass er nicht vier, sondern acht Besucher hatte.

Jeder der vier Soldaten hielt einen Hund an einer Leine dicht bei sich. Als die Soldaten ihn bemerkten, gab einer von ihnen seine Leine an seinen Nebenmann und trat ein paar Schritte vor. Dann verbeugte er sich förmlich vor dem Prinzen.

„Hoheit, ich bin Feldwebel Ibi von der Wüstenpatrouille. Prinz Amenhotep hat mich mit meinen Leuten und meinen Tieren eurer Einheit zugewiesen.“

Netermest war wieder einmal vollkommen überwältigt. Was hatte sich Amenhotep denn noch alles ausgedacht? Die Ausrüstung musste schon weit vorher geplant und hergestellt worden sein. Außerdem hatte sie wohl ein Vermögen gekostet. Jetzt kamen auch noch weitere Soldaten und sogar Tiere hinzu. Netermest erinnerte sich, dass Hauptmann Inuari sie angekündigt hatte. Also waren auch sie schon etwas länger geplant. Wie lange im Voraus hatte Amenhotep ihn eigentlich schon für seine Pläne vereinnahmt?

„Ich bin etwas überrascht. Aber als erstes, ich bin Prinz Netermest. Nicht mehr und nicht weniger. Es gibt hier keine Hoheiten, zumindest nicht während des täglichen Dienstes. Aber sagt mir, wie kommt ihr hier her? Ich hatte die nächste Wüstenpatrouille in Buhen vermutet.“

Feldwebel Ibi wechselte einen kurzen Blick mit dem Mann, dem er seine Leine gegeben hatte. Dann sah er nach hinten. Netermest folgte seinem Blick und erkannte zwei junge Männer, die an ihren Leinen ebenso junge Tiere hielten.

„Prinz Amenhotep hatte die Absicht, hier in Theben eine weitere Einheit der Wüstenpatrouille aufzubauen. Wir sind eigentlich noch bei der Ausbildung, aber so wie ich es verstanden habe, habt ihr wohl einen dringenden Bedarf an Soldaten mit besonderen Fähigkeiten.“

„Allerdings. Dann wollen wir mal sehen, wo wir euch unterbringen. Feldwebel Umani!“


Der nächste Weg führte ihn zu dem kleinen Haus bei den Unterkünften der Bediensteten, das Tjeti mit seinem Enkel bewohnte. Er konnte sich nicht erinnern, Tjeti heute nach der Vorstellung noch einmal gesehen zu haben. Als er bis zur Eingangstür gekommen war, trat Pachred daraus hervor und verbeugte sich tief.

„Wo ist dein Großvater, Pachred?“

„Er traut sich nicht heraus, Herr.“

„Wie bitte?“

„Gemni hat mir vorhin erzählt, welchen… also wer… ich meine…“

„Du meinst, wer mein Vater ist?“

Pachred sah mit roten Ohren zu Boden.

„Ja, Herr. Nun fürchtet mein Großvater den Zorn des göttlichen Pharao.“

Netermest konnte sich nicht beherrschen und so begann er laut zu lachen.

„Den Zorn des göttlichen Pharao? Den wird hier niemand zu spüren bekommen, wenn er seine Pflicht erfüllt. Sag deinem Großvater, ich warte hier vor dem Haus so lange, bis er herauskommt.“

Pachred brauchte nicht ins Haus zurückzukehren, denn Tjeti hatte anscheinend von drinnen dem Gespräch gelauscht. Sehr schnell er konnte humpelte er aus der Tür und warf sich vor Netermest zu Boden. Schon wieder jemand. Das muss aufhören.

„Erhebe dich, Tjeti. Was ruhst du dich auf dem Boden aus, wo doch Arbeit auf dich wartet.“

Trotz der ernsten Situation musste Pachred unwillkürlich grinsen und er half seinem Großvater vom Boden hoch.

„Bevor irgendjemand etwas sagt, werde ich einmal, und nur einmal, etwas verkünden. Mein Name ist Netermest. Für die Soldaten Prinz Netermest und für alle in meinem Dienst, die keine Soldaten sind lautet die Anrede ‚Herr‘. Nicht mehr und nicht weniger. Alles andere beschränkt sich auf offizielle Veranstaltungen, die wohl kaum hier stattfinden werden. Habt ihr beiden das verstanden?“

Pachred sah seinen Großvater an, der Prinz Netermest sprachlos anstarrte, dann verbeugte er sich.

„Ja, Herr. Das haben wir verstanden.“

„Dann ist es gut. Prinz Amenhotep hat mir zugesagt, dass eine Kurierbarke zu meiner Verfügung steht. Tjeti, ich möchte, dass ihr Pachred losschickt und er den Kapitän hierher bringt. Ich muss noch ein paar Dinge klären, bevor wir morgen früh abreisen. Sollte er eintreffen, bevor wir zurück sind, soll er hier warten. Habt ihr noch Fragen?“

Tjeti sah Netermest nachdenklich an, dann schüttelte er den Kopf.

„Nein, Herr. Es wird alles so erledigt, wie ihr gesagt habt.“


Der späte Nachmittag brachte dann doch etwas Hektik in den kleinen Haushalt. Prinz Netermest schritt nervös zum wiederholten Mal an seinen angetretenen Truppen entlang. Es waren sechs Mann, mit Löwenfellen bekleidet und mit Speer und Axt bewaffnet. Dann folgten zehn Mann in ledernen Brustharnischen und mit Pfeil und Bogen bewaffnet. Danach zehn Mann mit Speer und Schild. Dahinter folgten zehn Mann in Leinenschurzen und Brustharnisch ohne Bewaffnung, jedoch jeder mit dem Stab eines Offiziers. Das waren die Wagenlenker, die eine eigene Rangfolge hatten. Am Ende standen vier Hundeführer mit jeweils einem Hund und den Abschluss machte Feldwebel Umani, ebenfalls mit Löwenfell, aber mit Axt und Chepesch. Neben ihm stand Gemni, ohne jede Bewaffnung, nur mit seinem neuen ledernen Schurz bekleidet und ausgerüstet mit dem Schreibzeug seines Standes.

Prinz Netermest hatte sich entgegen seiner Überzeugung dann doch für den Lederharnisch und den Lederschurz entschieden, allerdings ohne große Waffen. Seine einzige Waffe bestand aus dem Dolch in dem Armschoner.

Der Weg zum Thronsaal des Herrschers war nicht weit und Netermest führte seine Truppe sicher bis in den großen Saal mit dem steinernen Thron an einer Schmalseite.

Im Hintergrund des großen Thronsaales gab es Bewegung, als eine ganze Reihe von höheren und auch niederen Würdenträgern den Saal betrat. Dann wurde es ruhig, bis eine Stimme ertönte.

„Höret und sehet! Unser göttlicher Pharao, der Herrscher von Ober- und Unterägypten, König beider Reiche, Sohn des Horus, Men-cheper-re!“

Alle Anwesenden sanken zu Boden und verbeugten sich mit zu Boden gerichteten Gesichtern. Nach nur kurzer Zeit ertönte eine tiefe, sonore Stimme.

„Erhebt Euch.“

Alle erhoben sich vom Boden, behielten aber ihren Blick gesenkt. Lediglich Netermest sah dem Pharao entgegen, der jetzt auf dem Thron Platz genommen hatte.

Für diesen offiziellen Anlass war er gekleidet mit all seinen Insignien. Er trug einen mehr als knielangen, blendend weißen Leinenschurz und goldgewirkte Sandalen. Auf seinem nackten Oberkörper lag über die gesamte breite ein Wesech aus einem Geflecht aus Golddraht und bunten Perlen. Sein Gesicht zierte ein langer geflochtener Bart und auf dem Kopf thronte die Pschent, die zusammengesetzte weiße und rote Krone von Ober- und Unterägypten. In seinen Händen hielt er Heka und Nechech, Geißel und Krummstab, die Symbole für einen gütigen Herrscher und einen strafenden Herrscher.

Der Wesir trat nach vorne und verkündete mit lauter Stimme.

„Prinz Netermest ist erschienen, um unserem Herrscher zu dienen. Tritt vor.“

Netermest trat nach vorne vor den Thron, kniete nieder, erhob sich aber dann. Als er ruhig dort stand, konnten die Würdenträger neben dem Thron die Aufschrift seines Brustpanzers lesen. Ein leises Getuschel setzte ein. Der Pharao ließ sie eine Zeit gewähren, bis er Geißel und Krummstab an Amenhotep abgab, der sie neben dem Thron auf einem Tisch ablegte. Der Herrscher betrachtete Netermest nun eingehend.

„Netermest, du trägst den Titel eines Sohnes von Ober- und Unterägypten. Bist du bereit, diesem Titel gerecht zu werden?“

Netermest verneigte sich förmlich.

„Ja, Herr. Das bin ich.“

Ohne weitere Antwort trat nun wieder der Wesir nach vorne und berührte mit seiner rechten Hand sein Amulett, das er in seiner Eigenschaft als Hoherpriester der Maat trug.

„Netermest, schwöre bei der Göttin der Wahrheit, dass du deinem Herrscher, dem göttlichen Pharao, König von Ober-und Unterägypten treu dienen und seinen Befehlen folgen wirst. Deine Treue soll sich erstrecken auf all dein Streben und auch nicht Halt machen vor den Toren der Unterwelt.“

Netermest schluckte schwer, doch dann straffte er sich.

„Ich schöre es, bei der Göttin der Wahrheit.“

Wiederum setzte ein aufgeregtes Getuschel bei den Zuschauern ein, bis sich der Pharao plötzlich erhob und die Stufen des Thrones halb herabkam. Alle sahen sich bestürzt an und machten sich bereit, sich auf den Boden zu werfen, denn niemand durfte seinen Kopf höher erheben als der Herrscher. Doch zur allgemeinen Erleichterung blieb dieser auf der vorletzten Stufe stehen.

„Tritt näher, Netermest.“

Netermest tat wie befohlen und sah nun auf zu seinem Vater. Er war wohl der einzige, der jetzt ein leichtes Lächeln beim Pharao bemerkte.

„Du hast einen Eid geschworen, der deine Treue in dieser und auch in der nächsten Welt umfasst. Deshalb werde ich dir das gewähren, was du schon auf deiner Brust geschrieben trägst. Netermest, wahrer Sohn des Herrschers von Ober- und Unterägypten.“

Niemand wagte nun auch nur zu atmen, denn der Titel eines wahren Prinzen stellte ihn mit Amenhotep gleich, so, als wäre er ebenfalls von der großen königlichen Gemahlin geboren worden und nicht von einer Nebenfrau.

Netermest nahm kaum wahr, dass Amenhotep neben ihn getreten war und ihn vor den Stufen des Thrones niederknien ließ. Dann nahm Amenhotep in seiner Eigenschaft als Mitregent einen Stirnreif vom Herrscher entgegen und setzte ihn Netermest auf.

Den meisten der Würdenträger wurde bewusst, dass sie hier einer abgewandelten Form einer Krönung beiwohnten, obwohl weder eine Krone, noch sonst irgendwelche offiziellen Riten verwendet wurden.

Netermest durfte sich erheben und wurde von Amenhotep zu seinem ursprünglichen Standort zurückbegleitet. Da ertönte auch schon eine wieder eine Stimme.

„Ehret den Pharao!“

Alle warfen sich pflichtschuldigst zu Boden.

„Erhebt euch!“

Als Prinz Netermest aufsah, war der Pharao verschwunden und Prinz Amenhotep stand lächelnd neben ihm. Mit einer unauffälligen Geste deutete er auf die ganzen Zuschauer.

„Ich werde sie aufhalten, kleiner Bruder. Sieh zu, dass du deine Truppen so zackig wie möglich hier herausbekommst. Viel Erfolg.“

Netermest sah Amenhotep zunächst überrascht, dann dankbar an. Er hatte nun wirklich keine Lust, sich allen möglichen neugierigen Fragen zu stellen.


Inzwischen humpelte Tjeti vor dem Haus auf und ab. Als Pachred ihm gesagt hatte, wer der Kapitän der Kurierbarke war, hielt ihn nichts mehr in seinem Haus.

„Tjeti!

„Sendji! Was machst du denn hier? Ich dachte, du bist im Delta. Hat man dir also endlich etwas Größeres anvertraut, als ein Schilfboot.“

Der Mann lachte, umarmte Tjeti und klopfte ihm auf die Schulter.

„Aber sag‘, was machst du hier? Ich dachte, man hat dich nach dem Unfall auf die Liste des Amuntempels gesetzt.“

Tjeti verzog das Gesicht. Die besagte Liste enthielt die Kriegsversehrten, die vom Tempel ein Almosen bekamen, um ihr Auskommen zu sichern.

„Der oberste Verwalter hat mir einen Posten vermittelt. Ich bin der Verwalter dieses kleinen aber feinen Teiles des Großen Hauses. Eine eigenständige Einheit aus dem Regiment des Prinzen Amenhotep ist hier eingezogen.“

Sendji sah Tjeti erstaunt an.

„Du bist Verwalter? Immerhin kein schlechter Posten. Aber ich soll mich hier bei einem Prinzen Netermest melden. Es scheint irgendwie dringend zu sein. Weißt du, was es mit diesem Prinzen auf sich hat? Ich meine, Prinzen gibt es ja so einige, aber von diesem habe ich noch nie zuvor gehört.“

Tjeti nickte. Prinzen waren schließlich alle Brüder des Herrschers und auch alle seine Söhne. Es soll ja wohl Zeiten gegeben haben, wo bis zu fünfzig davon gleichzeitig herumgelaufen waren. Bei diesem hier war es allerdings etwas anders und Tjeti beschloss, das Geheimnis um den Prinzen Netermest zunächst für sich zu behalten, als auch Pachred wieder herankam.

„Ah, hier. Sendji, kannst du dich noch an Pachred erinnern?“

„Pachred? Natürlich erinnere ich mich an ihn. Ich habe ihn sofort erkannt, als er mich vorhin aufgesucht hat. Du weißt, ich war in eurem Haus, als er geboren wurde.“

Jetzt lachte auch Tjeti und Pachred lief rot an.

Pachred erinnerte sich an die Geschichten seines Großvaters und er wusste, dass Sendji nun wohl Mitte Dreißig war. Er trug ebenso wie sein Großvater einen ledernen Schurz und einen ledernen Brustharnisch, die ehrenvolle Ausrüstung eines Kriegsschiffskapitäns. Seine schwarzen Haare waren kurz geschnitten und seine Haut vom Aufenthalt auf dem Fluss tiefer gebräunt als allgemein üblich.

„Dort drüben, in dem Haus, da wirst du Prinz Netermest finden. Allerdings ist er noch nicht von einer Audienz bei unserem göttlichen Herrscher, lang möge er leben, zurück. Du sollst hier auf ihn warten. Komm, lass uns hier auf die Bank setzen und ein wenig plaudern.“

Kapitän Sendji nickte dankend, setzte sich neben Tjeti und lauschte den Geschichten aus der Vergangenheit. Seine Gedanken kreisten jedoch um ein anderes Problem. Die Nachricht, die ihm der Aufseher der Transportschiffe gezeigt hatte, war ebenso kurz wie eindeutig gewesen.

Kapitän Sendji ist ab sofort und bis auf weitere Weisung dem Kommando von Prinz Netermest unterstellt. Allen seinen Befehlen ist unverzüglich Folge zu leisten. Gegeben durch Amenhotep, Regent unter der Regierung des Men-cheper-re, Herrscher von Ober- und Unterägypten‘.

Sendji hatte sich beeilt, diesem Befehl nachzukommen. Er wunderte sich darüber, was er hier sollte, doch der Befehl war eindeutig. Lediglich die Formulierung ‚bis auf weitere Weisung‘ machte den Kapitän etwas nachdenklich. Normalerweise wurden solche Befehle nur für den Zeitraum eines Feldzuges erstellt. Dieser hier galt so lange, wie dieser Prinz es wollte.

Nur wenig später hörte und sah man eine kleine Schar von Soldaten sich nähern. Netermest hatte die Ehrenwachen der drei Kompanien wieder zu ihren Einheiten geschickt und nun ging er, begleitet von Gemni und gefolgt von seiner Leibwache, zurück zum Haus.

Vor dem Haus hatte sich Kapitän Sendji erhoben und sah nun verblüfft zu den Soldaten hinüber. Auf den Anblick von sieben Nubiern in Löwenfellen war er nicht vorbereitet gewesen, ebenso wenig wie auf den eines jungen Mannes in einer Rüstung aus Nilpferdhaut, wie Sendji auf den ersten Blick erkannte.

Prinz Netermest war stehen geblieben und sah dem Kapitän erwartungsvoll entgegen.

Kapitän Sendji sah den jungen Mann vor sich etwas überrascht an. Das war Prinz Netermest? Er hätte ihn älter vermutet und dann auch - na ja, irgendwie größer und… Schlagartig erinnerte sich der Kapitän an seine Befehle und verbeugte sich tief.

„Prinz Netermest? Ich bin Kapitän Sendji und ich habe den Befehl, mich bei euch zu melden und euren weiteren Befehlen nachzukommen. Darf ich fragen, was mein Auftrag sein wird?“

„Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Folgt mir bitte in den Garten.“

Gemni folgte den beiden in den Garten und nahm seine Schreibutensilien heraus.

„Das ist Gemni, mein Schreiber. Wir wollten gerade mit den Berichten für Prinz Amenhotep beginnen. Da können wir gleich eure Ankunft hinzufügen.“

Netermest sah hinüber zum Haus.

„Huni! Einen Becher Wein für unseren Gast.“

Netermest vertraute darauf, dass Huni im Haus war und seine Ankunft bemerkt hatte. Tatsächlich hatte Huni sich gerade mit den Vorräten vertraut gemacht und brachte nun zielsicher Wein und Wasser.

Netermest hatte inzwischen den Kapitän aufgefordert, auf einer der kleinen Steinbänke Platz zu nehmen. Huni hatte, wie er es gelernt hatte, zwei Becher mit Wein und Wasser gemischt und bot nun einen dem Gast an, während er den anderen seinem Herrn gab.

„Unser erster Auftrag wird uns nicht weit führen, Kapitän Sendji. Lediglich etwa eine Tagesreise flussabwärts bis zum Landgut des Fürsten Kutari. Dort werdet ihr uns absetzen und das Schiff so lange in der Nähe verstecken, bis es wieder gerufen wird.“

Der Kapitän sah den Prinzen erstaunt an. Netermest bemerkte sein Erstaunen und überlegte, wie viel er von seinem Auftrag preisgeben sollte. Doch auch dieser Mann war ja von Prinz Amenhotep geschickt worden und wäre bestimmt nicht hier, wenn der Prinz ihm nicht vertrauen würde.

„Es geht darum, die Besatzung eines Schiffes zu fangen, die beabsichtigt, das Landgut zu plündern. Ich möchte gerne einige dieser Leute lebend haben um sie zu verhören. Deshalb werden wir dort an Land gehen und uns im Haupthaus verstecken. Die Anlegestelle muss frei sein und es darf nichts Verdächtiges in der Nähe zu sehen sein. Lässt sich das machen?“

„Nun, ja. Ich kenne diesen Abschnitt des Flusses nicht sehr genau, doch ich bin mir sicher, dass es genügend Möglichkeiten gibt, die MACHYT zu verstecken.“

Netermest lächelte leicht. Machyt war der Nordwind, ein passender Name für ein Schiff.

„Mit wie vielen Passagieren habe ich zu rechnen?“

„Hm, die sieben Mann der Leibwache, …“

Netermest sah sich kurz um.

„… wir drei. Dann noch die Patrouille und… ach ja. Also insgesamt sechzehn Mann, vier Hunde, vier Pferde und zwei Streitwagen. Geht das?“

„Die Pferde und die Streitwagen? Das ist kein Problem. Die MACHYT trägt bis zu 50 Mann. Ablegen ist sofort möglich beim Erscheinen des Herrn Re. Ihr werdet mich entschuldigen, ich will die Besatzung informieren und dann möchte ich noch einmal meinen alten Freund Tjeti aufsuchen.“

Etwas kurz angebunden, der Herr Kapitän, dachte Gemni. Doch dann machte er sich weiter an die Schriftstücke für Prinz Amenhotep.

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