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Geschichten aus der Föderation

Golden Boy

Teil 2 - Highlander

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Informationen

Escort Ship

Kevin wurde etwas unsanft aus seinem Dämmerschlaf gerissen, als direkt über seinem Kopf der Lautsprecher ansprang: „Wir sind in etwa zehn Minuten klar zum Austritt.“

Für diese Information hätte man ihn nicht zu wecken brauchen. Grummelnd drehte sich Kevin auf die andere Seite, doch ein paar Sekunden später schreckte er hoch. Das war kein Orientierungspunkt! Sie waren an ihrem Ziel angekommen.

Kevin sprang von seiner Koje hoch und schielte kurz zur Zwischentür für die Nasszelle. Mist! Dafür war jetzt keine Zeit mehr. Schnell schlüpfte er in die Mehrzweckkombi und zog die dazu passenden Stiefel über. Mit schnellen Schritten eilte er in die Zentrale.

Jetzt, kurz vor dem Hyperraumaustritt, waren alle Besatzungsmitglieder auf ihren Stationen. Kevin nahm seinen Platz vor der Kommunikationskonsole ein, schnallte sich fest und setzte das Headset auf. Ein Blick auf die Anlage verriet ihm, dass alle Systeme einwandfrei funktionierten. Dann drehte er sich herum zum Sessel des Kapitäns. Sein Großvater zwinkerte ihm zu, dann räusperte er sich: „Schön, dass auch du uns mit deiner Anwesenheit beehrst.“

Kevin grinste zurück und drehte sich wieder zu seiner Konsole.

Kurz darauf ertönte die Stimme von Kevins Vater: „Austritt in drei, zwei, eins… jetzt!“

Schlagartig zeigte der große Panoramabildschirm statt es eintönigen tiefdunklen Violetts des Hyperraumes wieder das Schwarz des Weltraums mit funkelnden Sternen.

„Sensoren, keine Objekte in Reichweite.“

Das war die Stimme von Alexander, Kevins älterem Bruder. Jetzt kam sein Part. Alle Standardfrequenzen und die Schiffskennung waren geschaltet und falls schon Nachrichten für sie vorlägen, würden sie innerhalb der nächsten drei Sekunden übertragen werden. Kevin nahm langsam die Hände vom Pult.

„Com, keine Anrufe, keine Nachrichten.“ „Technik, alle Systeme betriebsbereit.“

Kevin sah nach rechts. Astrogation und Technik waren während eines Raumfluges durchgehend besetzt und in dieser Schicht saß seine ältere Schwester Cyra am Technikpult:

„Okay. Kevin, dein Auftritt.“ „Jawohl, Sir.“

Großvater hin oder her, so lange er dort oben auf dem Sessel des Kapitäns saß, war er der unumschränkte Herrscher über das Schiff und so wurde er während dieser Zeit auch angesprochen und behandelt.

„Arganthi-Control, hier ist das terranische Handelsschiff HIGHLANDER, Golf-Foxtrott-Three-Four-Five-Six-Kilo-Lima, erbitten Landeerlaubnis auf Arganthi II. Ich wiederhole, Arganthi-Control, hier ist das terranische Handelsschiff HIGHLANDER, GF3456KL, erbitten Landeerlaubnis auf Arganthi II. Over.“

Nach nur wenigen Augenblicken ertönte eine gelangweilte weibliche Stimme.

„GF3456KL, hier Arganthi-Control. Landeerlaubnis erteilt. Folgen sie Peilstrahl rot-4-6-8-1, ich wiederhole rot-4-6-8-1. Arganthi Ende.“

„Peilstrahl aufnehmen und mit Autopilot folgen. Wie lange?“

Kevin wäre jede Wette eingegangen, dass sein Großvater bereits wusste, wie lange es bis zur Landung dauerte. Er gab die Daten ein um den Peilstrahl zu identifizieren und leitete die Werte hinüber zur Astrogationskonsole. Wenige Sekunden später ertönte wieder die Stimme von Alexander: „Autopilot auf Peilstrahl. Landung in 26 Minuten und 30 – nein, 20 Sekunden.“ „Sehr gut.“ Bernard Montgomery Cameron lehnte sich in seinem Kapitänssessel zurück und sah sich prüfend um.

Direkt vor ihm, am Astrogationspult, saßen sein Sohn und dessen ältester Sohn. Dieses Schiff wurde von drei Generationen Camerons geführt und war alleine schon dadurch in mehr als einem Sektor der Terranischen Föderation als Kuriosität der Handelsflotte bekannt.

Der Blick des Kapitäns wanderte weiter hinüber zum Technikpult mit seiner Enkelin Cyra. Sie hatte, wie ihre Großmutter, Schiffstechnik studiert und war ein exzellenter Ingenieur, ebenso wie ihr Ehemann Seth.

Das Kommunikationspult war mit dem jüngsten Besatzungsmitglied besetzt. Seine Eltern hatten nur zugestimmt, dass Kevin mitkommen durfte, sofern er den Schulunterricht online absolvierte und die Prüfungen für den Schulabschluss zeitgerecht ablegte. Das war zwar noch ein halbes Jahr hin, doch der alte Mann hegte keinen Zweifel, dass Kevin es ohne Probleme schaffen würde.

Mit einem nachdenklichen Blick auf die letzte, unbesetzte, Konsole wurde Kapitän Cameron wieder daran erinnert, warum sie diesen doch relativ großen und damit kostenintensiven Umweg gemacht hatten. Sie hatten sogar die Terranische Föderation verlassen und landeten auf einem der wenigen Planeten des Königreiches Alastair.

War die Föderation mit 497 besiedelten Planeten das bei weitem größte, bekannte Staatengebilde, so war das Königreich Alastair mit elf Planeten das kleinste.

„Alex, bist du sicher, dass dein Freund rechtzeitig eintrifft? Ich bin kein kleinlicher Mann, aber die Liegegebühren gehen auf Kosten der ganzen Familie.“

Alexander Cameron drehte sich zu seinem Großvater herum, wie kurz darauf alle anderen auch.

„Ja, Großvater. Ich bin mir absolut sicher. Kieran wird pünktlich sein.“

Kevin zuckte zusammen, als ein leises Piepen von der Kommunikationskonsole ertönte.

„Anruf.“

„HIGHLANDER, GF3456KL, hier Arganthi-Control. Ihre Landeerlaubnis ist wiederrufen. Bitte starten sie unverzüglich durch. Der Raumhafen wurde für den Anflug gesperrt.“


Als sich der Felidaner der Passkontrolle näherte, stießen sich die beiden Beamten der Raumhafenpolizei dort unauffällig an. Noch nie hatte ein Felidaner Arganthi II betreten, na ja, zumindest nicht in ihrer Schicht. Dieser hier bewegte sich, trotz der neugierigen Blicke rings um ihn herum, mit absoluter Selbstsicherheit. Eine schlanke, aber doch sehr muskulöse Gestalt, wohl über 1,90 m groß mit breiten Schultern.

Dazu ein fast noch jugendliches Gesicht, doch schon mit ersten leicht markanten Zügen. Im Nacken und am Hals begann ein leichter Haaransatz der im offenen Hemdkragen dann als dichtes Fell verschwand. Das Fell hatte eine hellgraue, fast weiße Farbe mit dunkeln Flecken entlang des Körpers ähnlich wie bei einem Schneeleoparden. Lediglich das Gesicht war haarlos vom Haaransatz über die Wangen bis unter das Kinn, wo seitlich am Hals ein leichter Flaum wieder in das Fell überging. Auffälligstes Merkmal aber waren die strahlenden, bernsteingelben Augen mit den senkrecht geschlitzten Pupillen.

Einen starken Kontrast zum grauweißen Fell bildeten die schwarzen Haare die als Longpony etwas über das linke Auge fielen. Die Seiten waren kurz gehalten, denn dort entsprangen die hoch am Kopf aufrecht stehenden Katzenohren.

„Guten Tag, Sir. Den Pass bitte.“ Der Beamte scannte die kleine Chipkarte.

Name: Yordis

Vorname: Kieran

Geburtsdatum: 13.06.3679 GTC

Staatsangehörigkeit: Terranische Föderation

Ausstellungsbehörde: Terranische Raumflotte

Es folgte ein Datenblock mit codierten Identifikationsmerkmalen.

Der Felidaner war Staatsbürger der Terranischen Föderation. Die Beamten sahen sich nochmals fragend an. „Was führt sie nach Arganthi, Sir?“ „Eine Geschäftsreise. Ich beabsichtige, hier meinen neuen Arbeitgeber zu treffen. Ich werde den Raumhafen nicht verlassen.“ Die Beamten nickten synchron und einer gab die Chipkarte wieder zurück.

Der Blick des Felidaners wanderte nach der Kontrolle hoch zur Anzeige mit den Ankünften. Die HIGHLANDER war noch nicht gelistet. Zögernd sah sich Kieran im Raumhafengebäude um. Die Anlagen auf solch unbedeutenden Planeten wie Arganthi waren meist klein und wurden schlecht gewartet. Er würde wohl hier in der Halle auf einem der unbequemen Stühle warten müssen.

Plötzlich meldete sich sein Magen. Er hatte zwar an Bord des Passagierschiffes noch gefrühstückt, aber ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass das nun auch schon fünf Stunden her war. Ein kurzer Blick rundum bestätigte seine Befürchtung. Nur ein augenscheinlich heruntergekommener Diner war die einzige Möglichkeit, hier auf dem Raumhafengelände etwas zu essen. Innerlich seufzend machte er sich auf den Weg zu der schmuddeligen Glastür.

Ein kurzer Blick in das Etablissement bestätigte seinen Verdacht. Die Inneneinrichtung schien weit älter zu sein als der Junge hinter dem Tresen. Dafür waren der Tresen und der Junge erheblich sauberer als der Rest des Ladens. In der hintersten Ecke war ein Tisch besetzt mit vier Männern, die Kieran vom Aussehen her schon eher hier vermutet hätte, als den hübschen goldblonden Jungen hinter dem Tresen.

Hey, nicht ablenken lassen‘.

Kieran sah sich weiter um. Die vier Typen hatten eine ganze Batterie leerer Flaschen auf dem Tisch stehen. Ansonsten war der Laden – Kieran weigerte sich, dies hier als Restaurant zu bezeichnen – leer. Als der Felidaner die Tür öffnete und den Raum durchquerte, erstarb die Unterhaltung der vier Männer und alle starrten ihn an: „Hey, Dave. Ich dachte, Haustiere müssen draußen bleiben!“

Meckerndes Lachen folgte auf die Äußerung und Kieran war gespannt, was nun folgen würde. Er hatte sich inzwischen einem Tisch direkt an der Wand, gegenüber der Tür, genähert und setzte sich so, dass er Tresen, Tür und auch die vier Typen einigermaßen gleichmäßig im Auge behalten konnte. Selbst von hier aus konnte er erkennen, wie der Junge – anscheinend Dave – eine rote Gesichtsfarbe bekam.

„Halt die Klappe, McFadden. Bezahlt ihr erst mal euer Bier.“

Schlagartig verstummte das Gelächter und die vier Männer murmelten Unverständliches vor sich hin.

Jetzt stand der Junge, David, wie auf dem Namensschild am Hemd zu lesen war, neben Kierans Tisch und sah auf ihn hinunter. „Guten Tag, was darf ich ihnen bringen?“ Noch bevor Kieran antworten konnte, kam ein Kommentar vom anderen Tisch: „Brat ihm ein paar Mäuse!“ Woraufhin wieder das meckernde Gelächter ertönte.

Es war nichts Neues für Kieran. Er hatte schon schlimmere Kommentare und auch Handgreiflichkeiten erlebt, aber Davids Gesicht bekam einen noch tieferen Rotton. Kieran war eigentlich ganz guter Laune und so beschloss er, ein kleines Spielchen zu spielen.

„Okay, dann hätte ich gerne ein paar gebratene Mäuse und ein Schälchen Wasser.“

Davids Gesichtszüge schienen zu entgleisen, aber sofort hatte er sich unter Kontrolle. Er ahnte, was der Fremde vorhatte und lächelte. „Bitte sehr, kommt gleich.“

Kieran sah mit unbewegtem Gesicht hinter David her. Er hatte das kurze Zögern und dann das Lächeln bemerkt. Der Junge hatte ein gutes Reaktionsvermögen und er war bereit, das Spielchen mitzuspielen. Junge? Hm, er war vielleicht zwei oder drei Jahre jünger als Kieran und er sah echt gut aus, goldblonde, verstrubbelte Haare, ein paar Sommersprossen und diese blauen Augen…

Kieran, reiß dich zusammen. Du bist hier um deinen Freund und seine Familie zu treffen und nicht zum Flirten‘.

Die Stimmen am Nebentisch waren schon wieder verstummt und alles starrte gebannt auf die Essenausgabe. Dort erschien das Gesicht eines weiteren Jungen. Der spähte suchend durch den Raum. Mit den goldenen Locken und den Sommersprossen hätte er leicht der jüngere Bruder von David sein können. „Hey Dave, deine Sonderbestellung.“ erklang es fröhlich aus der Küche.

Die Glocke ertönte, David nahm den Teller auf, setzte ihn auf ein vorbereitetes Tablett und brachte ihn zum Tisch. Kieran sah der Lieferung erwartungsvoll entgegen und auch die vier Männer starrten aus ihrer Ecke herüber.

David setzte das Tablett ab. Darauf war eine Trinkschale, die normalerweise für Tee oder Milchkaffe gedacht war. Diese füllte David jetzt mit Mineralwasser aus einer Flasche.

„So, bitte sehr, ein Schälchen Wasser.“ Dann wies er auf den extra großen Hamburger auf den Teller. „Ich möchte sie bitten, mal die Mäuse zu kontrollieren.“

Mit erhobenen Brauen nahm Kieran den Brötchendeckel vom Hamburger und seine Augen ruckten erstaunt hoch zu Davids Gesicht.

Es war relativ selten, dass Felidaner die ihnen zur Verfügung gestellte Welt verließen und Kieran hätte wetten können, dass hier noch nie einer vor ihm gewesen war. Noch viel seltener war das Wissen um ihre Essgewohnheiten, um zu sagen - ihre Allergien - die zum großen Teil auf die genetischen Manipulationen bei ihrer Erschaffung zurückzuführen waren.

Felidaner waren allergisch gegenüber einer großen Auswahl an Obst und Gemüsen. Eines der wenigen Gemüse, die sie wirklich vertrugen und das die meisten auch gerne aßen, waren Tomaten. Der Hamburger vor ihm war ausschließlich mit Tomaten belegt. Darunter sah Kieran eine dünne Lage frisch geschnitzeltes rohes Fleisch. So wie es aussah, war es ein ungebratenes Hamburger-Patty. Kieran lächelte und das Lächeln übertrug sich sofort auf Davids Gesicht: „Die Mäuse sind hervorragend!“

David atmete erleichtert aus. Mit federnden Schritten ging er wieder hinüber zum Tresen.

Kieran hatte etwa den halben Hamburger hinter sich, als er an den Geräuschen der Stühle hörte, dass sich die vier Männer erhoben. Langsam gingen sie hinüber zum Tresen. Jeder von ihnen bezahlte einzeln, bis David den letzten abkassieren wollte.

„Das sind aber nur 48 Credits, McFadden. Fünf Runden macht 60.“

„Lass das doch deinen Katzenfreund zahlen. Der schuldet uns sowieso ne Runde.“

„Was soll das? Ihr habt bestellt, also zahlt ihr auch.“

„Erzähl mir nicht, was ich tun soll, Rotznase.“

Mit der rechten Hand griff McFadden über den Tresen um David am Hemd zu packen. Noch bevor er ihn erreichte, hatte sich David etwas über den Tresen nach vorne gelehnt, ihn an Handgelenk und Ellenbogen gegriffen, zu sich herübergezogen und den Arm halb auf den Rücken gedreht. McFadden stand jetzt mit dem Rücken dicht am Tresen und sein Arm war schmerzhaft nach oben angewinkelt. „Aua, lass los, du Kleines Arschloch!“ „Dann lass deine dreckigen Finger von mir, McFadden!“ Langsam erhob sich Kieran aus seinem Stuhl. Einer der drei Männer die schon bezahlt hatten, drehte sich wieder zum Tresen, um ebenfalls nach David zu greifen. Die anderen beiden hatten inzwischen bemerkt, dass Kieran sich erhoben hatte und versuchten, ihm den Weg zum Tresen zu versperren.

Noch bevor der zweite Angreifer David ganz erreicht hatte, kam eine blonde Gestalt aus der Küche geflitzt und aus der Bewegung heraus fand mit einer fast klassischen Rückhand eine Bratpfanne die Stirn des zweiten Angreifers. Ohne einen Ton sackte der Mann vor dem Tresen zusammen.

McFadden versuchte inzwischen mit seiner freien linken Hand an seinen rechten Stiefel zu kommen und fluchte ohne Pause. Die anderen beiden Männer hatten sich direkt vor Kieran mit vor der Brust gekreuzten Armen aufgestellt.

„Das is nix für dich. Verpiss dich.“

Bevor Kieran darauf antworten konnte hörte er einen Schrei vom Tresen.

„Ricky, zurück in die Küche!“

McFadden hatte es nach mehreren vergeblichen Versuchen geschafft, sein Messer aus dem Stiefel zu ziehen und fuchtelte damit jetzt in Richtung David herum, damit dieser seinen Griff lockern sollte. Kieran hielt sich jetzt nicht mehr mit den beiden Typen vor ihm auf. Ein Schlag mit der linken Hand auf den Solar Plexus des einen und ein paar kurze Treffer am Kopf des anderen machten den Weg frei.

„Lass ihn los.“

Sofort lockert David seinen Griff und trat zwei Schritte zurück. McFadden fuhr herum und fixierte den neuen Angreifer.

„Auch gut. Aus deinem Fell mach ich mir einen Bettvorleger.“

Kieran seufzte innerlich. Wie oft hatte er schon diesen oder einen ähnlichen Satz gehört.

McFadden stürzte nach vorne, das Messer vor sich gestreckt wie einen Säbel. Doch noch bevor er sein Ziel erreichte, hatte Kieran ihn mit einem einzigen ansatzlosen Sprung aus gut drei Meter Entfernung erreicht. Aus der Bewegung heraus griff er nach dem Arm des Angreifers, drehte sich und McFadden beschrieb eine Landung wie aus dem Bilderbuch. Mit einem kurzen Ruck war er entwaffnet und seine plötzlich halb herunter gezogene Jacke hinderte ihn an weiteren Bewegungen.

In diesem Moment sprang die große Glastür auf und zwei weitere Männer traten ein. Ein kurzer Blick und Kieran sprang mit einem großen Satz hinter den Tresen, während er gleichzeitig David mit in Deckung riss.

Die Männer trugen dunkelgrüne, uniformähnliche Kampfkombis und waren mit Pistolen bewaffnet. Innerhalb eines Raumhafens der Föderation galt normalerweise strengstes Waffenverbot, doch Kieran wusste nicht, wie das hier auf Arganthi geregelt war. Polizisten waren das jedenfalls nicht, die hatte er schon gesehen. Irgendetwas lief momentan nicht ganz richtig hier.

„Schnell, wir müssen hier raus.“

flüsterte der Felidaner und David deutete auf die Küchentür. Als sie beide lossprinteten hörte Kieran hinter sich noch eine Stimme.

„McFadden, du Idiot. Was ist hier los? Ich hatte euch gesagt, ihr sollt euch ruhig verhalten.“

Als die Küchentür aufsprang, bemerkte Kieran den kleinen blonden Koch, immer noch mit der Bratpfanne in der Hand. David sah ihn mit großen Augen an.

„Ricky, verschwinde. Sieh zu, dass du nach Hause kommst. Nimm den Ausgang über die Rampe. Na los!“

Ricky schien zu zögern, aber dann riss er sich die Schürze herunter und lief los in Richtung des Warenlagers.

Kieran sah David an.

„Was ist mit dir?“

„Ich habe kein Zuhause. Ich wohne hier oben im ehemaligen Büro. Der Besitzer vermietet es gegen mein halbes Gehalt.“

Kieran zog seine Augenbrauen hoch, sagte aber nichts. Draußen im Gastraum war es verdächtig ruhig geworden. Kieran stieß David an und flüsterte leise.

„Wie kommen wir auf das Landefeld?“

David sah ihn erstaunt an, aber dann winkte er ihm zu folgen. Leise schlichen sie eine Treppe nach oben, die auf einem kleinen Flur endete. Zwei Türen führten in gegenüberliegende Richtungen. Auf der einen stand: Büro. Die andere war nicht gekennzeichnet. Leise öffnete David die nicht gekennzeichnete Tür und betrat den Raum. Kieran folgte ihm, schloss die Tür und suchte nach dem Lichtschalter. Als er ihn fand, erhellte nur ein schwaches Dämmerlicht den Raum.

Kieran war etwas überrascht, dass David sehr dicht vor ihm stand. Dann spürte er Davids Hand, wie sie leicht an seinem Hals herabfuhr. Er musste sich zusammenreißen, nicht sofort zurückzuzucken. Felidaner hatten eine Abneigung gegen Körperkontakte mit Unbekannten, aber das konnte David nicht wissen.

Kieran sah erstaunt auf David herunter und dieser senkte seinen Kopf.

„Es…es tut mir leid, aber… aber ich war so neugierig. Ich habe noch nie einen lebenden Felidaner gesehen und, und ich wollte wissen ob das Fell wirklich… ich meine…“

Kieran seufzte, aber dann legte er David eine Hand auf den Kopf.

„Ist schon gut. Immer noch besser, als beschimpft oder verspottet zu werden. Aber versuch das nicht bei jedem. Es gibt Felidaner, die werden ganz schön zickig, wenn sie jemand anfasst ohne zu fragen.“

Dann legte er einen Finger unter Davids Kinn und hob den Kopf langsam an. David sah mit strahlend blauen Augen etwas traurig nach oben.

„Ist da noch etwas, was ich wissen sollte, David?“

Selbst bei der schwachen Beleuchtung konnte Kieran erkennen wie der junge Mann errötete. Langsam senkte David wieder den Kopf und schüttelte ihn leicht.

Kieran lächelte, dann sah er auf den blonden Haarschopf herab.

„Ich muss dich leider enttäuschen. Ich bin schon vergeben.“

„Oh!“

Davids Kopf ruckte hoch und Gesicht wurde noch einmal von einer tiefen Röte überzogen.

„War es so offensichtlich?“

„Nein, doch ich kann die Zeichen ganz gut interpretieren. Wenn ich gesagt habe, ich bin vergeben, dann habe ich gemeint, an einen anderen Mann.“

„Was? Das heißt…“

„Ja, aber wir haben gerade ein anderes Problem. Wir müssen hier verschwinden. Ich glaube nicht, dass dieser McFadden uns so einfach gehen lässt. Wer ist der Kerl überhaupt?“

David sah sich suchend um, während er antwortete.

„Kommt öfter mal her, unregelmäßig. Meist mit ein paar Kumpels. Es heißt, er würde Aufträge für Sicherheitsaufgaben übernehmen, aber ich möchte den nicht als Security erleben.“

„Kaum. Eher wohl Söldner.“

„Aha, hier ist das Ding!“

Aus einer Ecke zog David eine altmodische Leiter hervor und lehnte sie an eine Seitenwand. Vorsichtig kletterte er hoch und öffnete in der Decke eine kleine Luke.

„Das Gebäude hat ein Flachdach. Komm hoch.“

Als beide das Dach betreten hatten, wollte David die Luke schließen, doch Kieran hinderte ihn daran. Mit einem kurzen Griff zog er die Leiter nach oben und schloss dann die Luke. David sah ihn nachdenklich an.

„Du machst das nicht zum ersten Mal.“

„Nein. Lernt man beim Häuserkampf.“

David sah Kieran weiter fragend an, doch der sah sich sichernd auf dem Flachdach um. Unter ihnen ertönte eine dumpfe Explosion.

„Was war das?“

„Dem klang nach eine Stun-Granate. Wir müssen hier runter, und zwar schnell. Auf dem Flachdach sind wir eine prima Zielscheibe.“

David eilte auf die am nächsten gelegene Feuerleiter zu.

„Wo führt die hin?“

„Zum Anlieferungsbereich.“

Kieran schüttelte den Kopf, dann deutete er auf das am weitesten entfernte Ende des Gebäudes.

„Wo geht es da runter?“

„Hm, ich glaube Service und Wartung.“

„Sehr gut. Schnell da runter.“

Als sie sich umdrehten und loslaufen wollten, erkannte Kieran aus den Augenwinkeln heraus eine Bewegung an der Feuerleiter neben der sie gerade eben noch gestanden hatten.

Aus der Bewegung heraus umklammerte Kieran Davids Taille und sprang mit einem weiten, fast drei Meter langen Satz, hinter den Sockel eines Oberlichtes. Wo sie gerade eben noch gestanden hatten, explodierte eine weitere Stun-Granate. Nur wenige Augenblicke später sprang Charles McFadden auf das Kiesdach. Er hielt eine schwere Plasmapistole in der Hand und sah sich triumphierend um.

„Hab‘ ich euch, ihr kleinen Ratten!“


Kevin starrte, ebenso wie alle anderen, auf die Kommunikationskonsole. Nach einem kurzen Blick auf den Panoramabildschirm aktivierte er den Sprechfunkkanal.

„Arganthi-Control hier ist die HIGHLANDER, GF3456KL. Wir können nicht durchstarten, wir befinden uns bereits in der horizontalen Landephase, Over.“

Das Schiff hatte das Wendefeld in 2000m Höhe bereits hinter sich gelassen. Dort war es aus seiner vertikalen Lage mit dem Heck direkt zum Boden in eine horizontale Lage gedreht worden. Die Triebwerke wurden abgeschaltet und nur mit Hilfe des Antigravgenerators schwebte das Schiff weiter zu Boden.

Die Schwerkrafteinrichtung an Bord erzeugte ein künstliches Gravitationsfeld, so dass innerhalb des Schiffes immer die gleiche Schwerkraft in die gleiche Richtung wirkte, ungeachtet der Lage des Schiffes oder der vorherrschenden Schwerkraft eines Planeten.

Kevin hatte den Satz kaum ausgesprochen, als ihm bewusst wurde, was er getan hatte. Als er sich herumdrehte, sah er alle Blicke auf sich gerichtet und sein Großvater hatte die Stirn gerunzelt.

„Ich wußte nicht, dass du jetzt Kapitän bist, aber mach weiter. Wir sprechen uns nachher.“

„Jawohl, Sir.“

Mit brennenden Wangen wandte sich Kevin wieder seiner Konsole zu. Der Kanal zur Anflugkontrolle war noch geöffnet und man konnte im Hintergrund jemanden fluchen hören.

„HIGHLANDER, GF3456KL, hier Arganthi-Control. Beenden sie ihren Landeanflug. Der Raumhafen ist weiterhin abgesperrt. Arganthi II ist nicht zugänglich. Arganthi-Control Ende.“

„Huh?“

„Alex, ich hoffe, dein Freund hat es wirklich geschafft. Irgendetwas stimmt hier nicht und ich fürchte, wir werden ihn wohl eher brauchen als uns lieb ist.“


Auf dem Dach hatte Charles McFadden inzwischen sein Ziel anvisiert und mit einem süffisanten Grinsen betätigte er den Abzug der schweren Pistole. Der hochverdichtete Plasmastrahl ionisierten Gases traf auf den Sockel des Oberlichtes und brannte, bedingt durch die Streuung, ein gut zehn Zentimeter durchmessendes Loch in den Betonsockel. Nur einen Sekundenbruchteil vorher waren zwei Gestalten aus der Deckung hervorgesprungen und in gegenüberliegende Richtungen gerannt.

McFadden war einen Moment lang irritiert und konnte sich bei der Zielverfolgung nicht entscheiden. Der Schlag einer Faust traf ihn unvermittelt und schickte ihn fast die Feuerleiter wieder hinunter. Nach drei weiteren kurzen Schlägen ließ Kieran die bewusstlose Gestalt liegen und rannte hinüber zu David, der bereits am anderen Ende des Gebäudes stand.

„Was ist mit der Pistole?“

„Was soll damit sein? Zu groß und unhandlich. Aber ich hab‘ mal vorsichtshalber was mitgenommen.“

Damit warf Kieran einen kleinen Gegenstand in die Höhe und fing ihn wieder auf.

„Der Gastank.“

David grinste ihn an.

„Okay. Hier müsste es runter zur Wartung gehen. Die haben hier ein Büro und mehrere Bodengleiter. Aber wo willst du denn, ähhh… wie heißt du eigentlich?“

Kieran sah sich noch einmal sichernd um, dann drehte er sich zu David.

„Mein Name ist Kieran und ich hab‘ noch ein Date heute mit meinem zukünftigen Arbeitgeber. Falls du gerade nichts Besseres vorhast, kannst du mich aber gerne begleiten.“

David sah ihn merkwürdig an, zuckte dann aber mit den Schultern. Es gab nichts, was ihn hier hielt und auf Grund der Vorkommnisse war es wohl ohnehin besser, erst einmal eine Weile abzutauchen.

In einer Halle standen drei Bodengleiter, alle drei mit aktiviertem Startercode. Wie es aussah, wollten die Mitarbeiter hier keine Zeit verlieren, sobald ein Auftrag herein kam. Im angrenzenden Büro saßen drei in Arbeitsoveralls gekleidete Mechaniker und starrten völlig gebannt auf einen Bildschirm. Kieran wollte schon vorbeischleichen als David ihn am Arm festhielt. Anscheinend war auch er von den auf dem Bildschirm laufenden Nachrichten gefesselt worden.

„…direkt in den königlichen Palast auf Alastair III, wo Herzog Dybolt eine kurze Nachricht verlesen wird.“

Das Bild wechselte zu einem etwa 40 Jahre alten Mann mit schwarzen Haaren und einem kurz gestutzten, schwarzen Vollbart.

„An unser geliebtes Volk! Tragische Ereignisse haben es notwendig gemacht, dass ich jetzt hier zu ihnen spreche. Unser von uns allen geliebter König, mein lieber Vetter, ist Opfer eines brutalen Anschlags auf sein Leben, ja, auf das Leben der gesamten königlichen Familie geworden. Offenbar haben einige schändliche Mitglieder der sonst so zuverlässigen Palastgarde die Gelegenheit genutzt, um den König zu beseitigen und den Versuch gestartet, eine Militärdiktatur zu errichten. Nur durch einen Zufall konnte ich diesem perfiden Plan entkommen und meine loyalen Truppen haben die Ordnung im Palast wiederhergestellt. Wir trauern nun um seine Majestät und die beiden königlichen Prinzen.“

Nach dem das Bild wieder zum Nachrichtensprecher gewechselt hatte, zog David heftig an Kierans Ärmel.

„Was ist?“ flüsterte Kieran.

„Das ist doch alles Bullshit. Der König war überall beliebt, die Palastwache ist eine über jeden Verdacht erhabene Eliteeinheit und Herzog Dybolt ist ein militaristischer Idiot.“

Kieran runzelt die Stirn.

„Okay. Soweit zu deiner politischen Meinung, aber Alastair III ist ein ganzes Stück weg, was…“

„Hör mir zu. Die Prinzen können gar nicht beide tot im Palast liegen.“

„Hm?“

„Vor zwei Tagen ist das Schulschiff unserer Militärakademie, die SILVERDRAGON, hier zwischengelandet und Prinz Tyler war eines der Besatzungsmitglieder!“

„Da läuft anscheinend eine ganze Menge mehr als wir…“

„Nach was sieht das aus? Heiße Thronfolge?“

„Wir müssen weiter. Ich muss sehen, dass ich mein Schiff erwische. Und du solltest besser auch eine Weile verschwinden.“

Ein zweiter Blick in das Büro offenbarte einen Wandmonitor mit den Ankünften und Abflügen. Das Frachtschiff HIGHLANDER war inzwischen gelistet bei Landungen bei den Landungen gelistet.

„Das ist es. Wie hast du dich entschieden? Ich glaube, es ist für dich nicht besonders gesund, wenn du hierbleibst. Allerdings weiß ich auch nicht, wie der Captain der HIGHLANDER reagiert, wenn ich einfach jemanden mit anschleppe.“

David zögerte keine Sekunde.

„Hier hält mich nichts. Das Risiko gehe ich ein. Mehr als mich wieder rausschmeißen kann er ja wohl nicht.“

„Okay, dann bleib einfach dicht bei mir.“

Leise und unauffällig schlichen die beiden hinüber zu den Bodengleitern. Bei den ersten beiden zog Kieran den Codestift heraus, dann kletterten sie in den dritten und mit einem leisen Summen aktivierte sich das Antigravfeld. Kieran tippte kurz den Code des Landeplatzes ein und der Gleiter setzte sich in Bewegung. Das laute Schreien der drei Mechaniker konnten die beiden auf dem Landefeld draußen schon nicht mehr hören.


Kapitän Cameron hatte gerade mit seiner Predigt für Kevin begonnen, als er von seinem Sohn Michael unterbrochen wurde.

„Ein Bodengleiter, direkt im Anflug auf unseren Landeplatz. Sieht aus wie ein Wartungsgleiter mit zwei Personen.“

„Direkt hierher? Wir haben keine Wartung bestellt. Und warum sollte ein Wartungsgleiter mit zwei Personen besetzt sein? Drei Mann zur Bodenschleuse, bewaffnet.“

Alexander stand auf und sah sich um. Bei Einsätzen wie diesem hatte er als ehemaliger Soldat das Kommando. Entschlossen drückte er die Taste der Sprechanlage.

„Seth, zur Bodenschleuse. Drei Handwaffen ausgeben. Kevin und ich kommen runter.“

Es schien, als ob Michael etwas sagen wollte, doch dann sah er nur fragend seinen Vater an.

„Lass die beiden. Wir müssen das Schiff hier oben in Startbereitschaft halten und sind nicht verfügbar. Außerdem ist Kevin kein Kind mehr.“

Unten vor der Bodenschleuse überprüften Alexander und Kevin kurz die Waffen, die Seth Holmes, ihr Schwager, ihnen gegeben hatte. Auf dem Außenmonitor der Bodenschleuse war auch schon der Wartungsgleiter zu erkennen, der sich mit hoher Geschwindigkeit näherte.

„Das ist Kieran!“

Alexander öffnete das Schleusentor und sobald der Gleiter etwas schlingernd zum Stehen gekommen war, sprangen zwei Gestalten heraus und liefen rasch die Rampe herauf.

Sofort wurde das Tor geschlossen und die Rampe automatisch wieder eingezogen. Alexander Cameron drehte sich herum und musterte kurz den grinsenden Felidaner.

Kevin fiel im wahrsten Sinne des Wortes die Kinnlade herunter als er sah, wie sein Bruder den Felidaner stürmisch umarmte und ihm einen langen, intensiven Kuss gab.

Seth Holmes hatte nur kurz die Augenbrauen gehoben und dann breit gegrinst. Wortlos forderte er Kevin auf, seine Waffe wieder abzugeben, als die Stimme des Kapitäns über Lautsprecher ertönte.

„Alles in Ordnung dort unten?“

Alexander löste sich zögernd von seinem Gegenüber und aktivierte den Monitor.

„Jawohl, Sir. Schleuse gesichert. Zwei Personen aufgenommen. Einer davon ist Kieran.“

„Ah, sehr gut. Bring sie bitte beide nach oben…, nein, alle Mann in den Konferenzraum.“

Es entstand eine kurze Drängelei als sich Kieran neben Alexander schob.

„Entschuldigung, Sir, dass ich mich einmische, aber wäre es möglich, sofort zu starten? Ich fürchte, wir sind mitten in einem Staatsstreich gelandet.“

Kapitän Cameron zuckte nicht einmal mit der Wimper als Kierans Gesicht auf dem Bildschirm erschienen war. Ohne zu Zögern schlug er mit der flachen Hand auf den roten Knopf an seinem Sessel.

„Besatzung auf Gefechtsstation! Klar zum Alarmstart.“

„Los, mir nach. Zur Brücke.“

Alexander hatte sich schon umgedreht, als eine Stimme hinter ihm ertönte.

„Und ich?“

Kieran ruckte ebenfalls herum.

„Sorry, David. Du gehst…“ ein kurzer Blick zu Alexander.

„Habt ihr ein Lazarett?“

„Ja, klar.“

„Okay, dann geh bitte jetzt ins Lazarett.“

„Hä?“

„Das ist normalerweise die Gefechtsstation für das Servicepersonal.“

Alexander packte Kieran am Arm und zog ihn mit sich. Seth war bereits bei Auslösen des Alarms verschwunden.

Kevin sah David an, der sich etwas eingeschüchtert umsah.

„Ich bring dich kurz hin. Ich muss dann auch noch hoch zur Brücke.“

Im Laufschritt eilten die beiden zwei Decks höher und Kevin riss die Tür zum Lazarett auf.

„Ein Neuzugang, Mom!“

Den restlichen Weg zur Brücke schaffte er in Rekordzeit, trotzdem war er der letzte. Kevin schnallte sich an und schnappte sich sein Headset, dann hob er eine Hand.

Die Stimme seines Vaters kam über das Headset.

„Besatzung ist auf Gefechtsstation. Klar zum Einsatz.“

Dann kam sein Großvater.

„Anfrage an Arganthi-Control zur Starterlaubnis.“

Kevin holte tief Luft.

„Arganthi-Control, hier ist das terranische Handelsschiff HIGHLANDER, GF3456KL, erbitten Starterlaubnis von Landeplatz 81. Ich wiederhole Arganthi-Control, hier ist das terranische Handelsschiff HIGHLANDER, GF3456KL, erbitten Starterlaubnis von Landeplatz 81. Over.“

Fast verzugslos kam die Antwort.

„GF3456KL, hier Arganthi-Control. Starterlaubnis verweigert. In der Nähe ihres Landeplatzes werden zwei gesuchte Verbrecher vermutet. Halten sie sich bereit für eine Durchsuchung. Arganthi Ende.“

Fast alle auf der Brücke drehten sich um, als Bernard Camerons Stimme in ihren Kopfhörern ertönte.

„Einen Scheiß werden wir tun! Landeeinrichtung einfahren.“

„Landeeinrichtung eingefahren.“

„Gut. Ist gerade jemand über uns?“

„Alles frei.“

„Okay, dann Antigrav minus 50 bis auf 2000 m.“

„Minus 50 bis auf 2000.“

Wie an einem Gummiband schnellte der Rumpf des Schiffes senkrecht in die Höhe ohne die horizontale Lage zu verändern.

„500 m erreicht.“

„1000 m erreicht.“

„1500 m erreicht.“

„Aus der Drehung bei 85 Grad volle Triebwerksleistung.“

Noch während das Schiff fast einen Sprung nach oben machte, wurde es in die Vertikale gedreht. Bei Erreichen eines Winkels von 85 Grad wurden die Triebwerke mit voller Leistung gezündet. Das ganze Manöver hatte gerade mal 15 Sekunden gedauert und die HIGHLANDER verließ die Atmosphäre von Arganthi II.

Kevin lehnte sich etwas zurück, als noch einmal die Stimme seines Großvaters ertönte.

„Ich fürchte, hier werden wir uns so schnell nicht wieder blicken lassen können.“

Die HIGHLANDER hatte die Atmosphäre von Arganthi II schon fast verlassen, als sich Alexander von der Sensorkonsole meldete.

„Drei Jäger im Anflug. Typ CONCEAL. Keine ID, wiederhole keine ID.“

„Was? Keine offizielle Kennung?“

„Nein. Alles still.“

Kevin ging die gesamte Bandbreite seiner Anlage durch.

„Keine Anrufe. Keine Nachrichten.“

„Was soll das denn?“

„Beschuss! Erster Jäger hat Feuer eröffnet.“

„Michael, lass Alex fliegen. Ausweichmanöver. Kevin, versuch Arganthi-Control zu erreichen. Schirmfelder auf maximale Leistung.“

Kevin wurde in seine Sicherheitsgurte gedrückt als das Schiff ein plötzliches Ausweichmanöver machte.

Die Schwerkrafteinrichtung an Bord erzeugte ein künstliches Gravitationsfeld, so dass innerhalb des Schiffes immer die gleiche Schwerkraft in die gleiche Richtung wirkte, ungeachtet der Lage des Schiffes, der vorherrschenden Schwerkraft eines Planeten oder der auftretenden Fliehkräfte. Lediglich während des Gefechtszustandes, wenn ohnehin alle angeschnallt waren, wurde ein geringer Teil der Fliehkräfte an die Besatzung durchgegeben damit das Gefühl für die Lage im Raum und die Orientierung nicht ganz verloren gingen.

„Unter Beschuss!“

Ein zweiter Schuss traf das Schirmfeld und verteilte sich funkensprühend an der Oberfläche.

Hektisch arbeitete Kevin alle Einträge aus den SPBD - Space Port Basic Data - ab, aber er erhielt keine Antwort.

„Arganthi-Control antwortet auf keiner einzigen offiziellen Frequenz.“

„Na, wenn das so ist - Feuererlaubnis auf identifizierte Ziele.“

„Feuererlaubnis auf identifizierte Ziele.“

Kevin saß schräg hinter dem Feuerleitpult an dem Kieran jetzt anfing zu arbeiten. Mit ruhigen, fast eleganten Bewegungen berührten seine Finger die Tastatur.

Aus den drei schweren Partikelstrahlern am Heck brachen gleichzeitig drei Strahlen hervor und vereinigten sich kurz vor dem ersten Jäger. Vollkommen chancenlos raste der Jäger genau in den Schnittpunkt und explodierte in einer Wolke von Licht.

In diesem Moment riss Alexander das Schiff in einen Looping und die HIGHLANDER flog genau auf ihre Verfolger zu. Bevor sie reagieren konnten war die HIGHLANDER heran und flog zwischen ihnen durch, während die Laserbatterien an Backbord und Steuerbord ihre jeweiligen Ziele erfolgreich bekämpften.

„Identifizierte Ziele bekämpft. Keine weiteren Ziele im Feuerbereich.“

„Okay. Michael, bitte Kurs auf den nächsten Sprungpunkt. Wir müssen hier weg. Außerdem will ich wissen, in was wir hier, verdammt noch mal, hineingeraten sind.“

„Nächster Sprungpunkt in etwa 25 Minuten.“

„Ja, danke. Ich hoffe wir können uns jetzt ungestört ein wenig unterhalten. Bis auf die Wachgänger alle Mann in den Konferenzraum.“


Der Konferenzraum war ein kleiner, durch eine Schiebetür abgetrennter Teil der Brücke mit einem großen Tisch und zwölf Stühlen. An den Kopfenden standen jeweils zwei, an den Längsseiten jeweils vier Stühle. Hier wurden normalerweise Geschäftsabschlüsse getätigt und Familienkonferenzen abgehalten. Im Moment sah es so aus, als ob es von beidem etwas sein würde.

Am Kopfende gegenüber der Tür saßen Kevins Großeltern, rechts von ihnen Kevins Eltern, wobei der Platz seines Vaters im Moment frei war, denn der saß am Astrogationspult der Brücke. Links von den Großeltern war der Platz von Cyra und Seth, wobei auch hier der Platz von Cyra frei blieb. Daneben saß Lenny.

Neben den Eltern waren eigentlich die Plätze von Alexander und Kevin, doch Alexander hatte Kieran neben seine Mutter dirigiert und setzte sich mit einem entschuldigenden Grinsen auf Kevins Platz. Etwas unschlüssig setzte dieser sich neben seine zweite Schwester Lenny. Als letzter trat der junge Mann ein, den Kieran mitgeschleppt hatte. Unschlüssig stand dieser im Raum und sah sich unsicher um.

„Du darfst dich ruhig setzen. Es geht alle an, die hier an Bord sind.“

Zögernd setzte sich David an das Kopfende dicht bei Kevin.

„Zunächst einmal möchte ich unser neuestes Besatzungsmitglied begrüßen. Alexander hat ja anscheinend sehr deutlich klar gemacht, in welcher Beziehung die beiden zueinander stehen.“

Kevin bemerkte mit Erstaunen, wie sowohl Alex als auch Kieran rot anliefen und auf die Tischplatte sahen. Alexanders linke Hand wanderte hinüber und ergriff die Rechte von Kieran.

Kevin war etwas sprachlos. Als er in die Runde blickte, sah er nur wohlwollendes Lächeln, lediglich seine Schwester Lenny schien ebenso überrascht wie er.

„Dann bin ich neugierig zu erfahren, wer der andere junge Mann ist, der uns auf Arganthi so überraschend besucht hat.“

Jetzt war es an David rot anzulaufen. Er stand langsam auf und sah sich kurz um.

„Sir, mein Name ist David Brennan und Kieran hat mir auf Arganthi das Leben gerettet. Außerdem sind wir wohl gerade noch den Ausläufern eines Staatsstreiches entkommen.“

Das folgende Schweigen schien fast körperlich greifbar.

„Setz‘ dich bitte erst mal wieder hin, David. Du stehst hier nicht vor Gericht. Ich bin aber äußerst neugierig zu erfahren, was sich dort unten zugetragen hat.“

Abwechselnd berichteten Kieran und David von den Vorgängen auf Arganthi. Kapitän Cameron flüsterte leise mit seiner Frau, dann sah er auf.

„Wir sind anscheinend mitten in der Scheiße gelandet…“ was ihm einen leichten Stoß mit dem Ellenbogen einbrachte.

„…ich meine, wir waren wohl zur falschen Zeit am falschen Ort. Die Bodenkontrolle hat unsere Schiffsdaten. Diese Abfangjäger haben möglicherweise ebenfalls unsere Daten übermittelt, wem auch immer. Wir müssen zusehen, dass wir unsere endgültige Zulassung so schnell wie möglich amtlich bestätigen lassen. Mit einer abschließenden Registrierung bei der Escort-Gilde können wir uns vielleicht mit einem Auftrag rausreden. Wo ist die nächste Niederlassung der Gilde?“

Michael Camerons Stimme ertönte über einen Lautsprecher.

„Nächste Niederlassung ist auf Parfonth IV. 126 Lichtjahre. 7 Stunden und acht Minuten mit Orientierungsaustritt.“

„Dann nichts wie hin.“

„Parfonth IV?“

Kapitän Cameron hatte sich schon halb erhoben, als er David fragend ansah.

„Was ist damit?“

„Auf Parfonth IV ist auch die Militärakademie des Königreiches Alastair. Außerdem ist es der Heimatstützpunkt der SILVERDRAGON, unseres Schulschiffes.“

Langsam ließ sich der Kapitän wieder auf seinen Stuhl sinken.

„Okay. Wir brauchen einen Plan.“

Kevin sah seine Schwester fragend an.

„Wozu einen Plan?“

„Wenn das eine Revolution oder so was ist, wird die Militärakademie eines der Hauptziele sein. Wir könnten da genauso in Schwierigkeiten geraten wie hier, du Dösbaddel.“

„Ich will vorher wissen, was da los ist. Die letzte Etappe kürzen. Wir kommen 20 Lichtjahre vor Parfonth aus dem Hyperraum und versuchen, eine Verbindung mit der Escort-Gilde zu bekommen. Vielleichthaben die ja auch die neuesten Nachrichten zur Lage.“

Michael Camerons Stimme kam nur kurze Zeit später wieder über Lautsprecher.

„Das wären dann 6 Stunden fünf Minuten mit Orientierungsaustritt.“

„Sehr gut. Das muss reichen. Wir machen unsere Reaktion von der Lage vor Ort abhängig. Kevin, diesmal keine Antworten ohne meine Genehmigung, klar?“

Kevin senkte den Kopf und nickte stumm.

„Dann kommen wir jetzt zum gemütlichen Teil. David, was hat dich veranlasst, mit Kieran zusammen deinen Heimatplaneten zu verlassen?“

Was folgte, war ein kurzer Abriss über den Aufenthalt in einem Waisenhaus, der nicht ganz freiwilligen Ausbildung zum Systemgastronomen und dem Billigjob im Raumhafendiner.

Bernhard Cameron sah seine Frau nur kurz an, bevor er das Wort ergriff.

„Du bist also ausgebildeter Systemgastronom, hast in einem Diner gearbeitet und praktische Erfahrungen mit schwierigen Kunden.“

David sah den Captain etwas verwirrt an.

„Jawohl, Sir. Das letzte allerdings nur sehr selten.“

„Worauf ich hinaus wollte ist folgendes. Wir haben hier an Bord sieben Passagierkabinen mit vierzehn Plätzen. Bis jetzt ist der Service für Besatzung und Passagiere komplett an Lenny hängen geblieben. Nicht, dass wir bisher viele Passagiere gehabt hätten, aber wir könnten mit einem zweiten Mitarbeiter einen kompletten Service rund um die Uhr anbieten.“

Davids Blick hatte jetzt von Verwirrung zu Erstaunen gewechselt.

„Da ich annehme, dass dein letzter Arbeitgeber deinen Abflug als fristlose Kündigung auffassen wird, bin ich in der Lage, dir einen langfristigen Arbeitsvertrag hier an Bord anbieten zu können. Wir bieten ein Nettogehalt von 2.200,-- Credits bei freier Unterkunft und Verpflegung. Dazu die komplette Abwicklung bei der Space Labour Guild inclusive Ausstellung eines Raumfahrerpasses. Ich hoffe doch, du hast deine Daten dabei.“

David starrte den Captain mit leicht geöffnetem Mund an. Dann fing er langsam an zu stottern.

„Zwei… zwei… Zweitausend…!“

„Zweitausendzweihundert. Ist das zu wenig?“

„Zu wenig?! Verzeihung, Sir. Aber ich habe bei meinem letzten Job nicht mal die Hälfte bekommen und dann musste ich noch vierhundert für die Bruchbude oben bezahlen. Das ist mehr, als ich zu träumen wagte. Selbstverständlich habe ich meine Datacard dabei. Wo muss ich unterschreiben?“

Alle ringsum lachten, als David hektisch nach seiner kleinen Ausweiskarte mit seinen kompletten persönlichen Daten suchte und sie dann mit erleichtertem Aufseufzen auf den Tisch legte.

„Dann ist das ja schon einmal geregelt. Kommen wir nun zu unserem jüngsten Familienzuwachs.“

Kieran straffte sich etwas und sah mit hochgestellten Ohren hinüber zu seinem neuen Captain.

„Kieran, ich muss ein paar kleine Dinge vorwegschicken. Mit Kevin ist dies jetzt die sechste Generation von Camerons, die als Händler den Raum durchkreuzt. Mein Urgroßvater hat mit einem kleinen, gebrauchten Schiff auf Moghadur angefangen und mein Vater hat dieses Schiff vor fast vierzig Jahren für knapp 100 Millionen Credits neu gekauft.“

Die jüngeren Besatzungsmitglieder sahen ihren Captain erstaunt an.

„Nachdem dieses Piratenunwesen derart stark zugenommen hat, war ich schon versucht, das Schiff zu verkaufen und sesshaft zu werden, doch dann kam Alexander im letzten Jahr zurück von der Navy und hat mich überzeugt, unser Geschäft neu aufzustellen. Wir haben die HIGHLANDER für gut fünf Millionen überholt und neu ausgerüstet. Sie ist entsprechend der Richtlinien der Escort-Guild jetzt bewaffnet, mit neuen Druckschotten und einem stärkeren Schirmfeld ausgestattet. Wir können nur noch halb so viel Fracht, aber dafür vierzehn Passagiere mitnehmen und wir sind fast doppelt so schnell und erheblich manövrierfähiger als vorher.“

Langsam nahmen fast alle Gesichter ringsum einen fragenden Ausdruck an.

„Warum ich das alles erzähle? Nun, ganz einfach. Eine der Hauptbedingungen für die Zulassung als Escortschiff…“

Captain Cameron unterbrach sich, als er Davids fragendes Gesicht sah.

„Ein Escortschiff ist ein bewaffnetes Handelsschiff das andere Handelsschiffe oder Konvois begleitet und sie im Bedarfsfall verteidigt.“

„Also, eine der Hauptbedingungen für die Zulassung als Escortschiff ist ein ordnungsgemäß angeheuerter Feuerleitoffizier mit einer Lizenz. Alexander hat mir schon im letzten Jahr versichert, er kenne einen Feuerleitoffizier, der hundertprozentig zustimmen würde, bei uns mitzufahren. Erst vor wenigen Tagen hat er seinen Eltern und mir und meiner Frau erzählt, in welcher Beziehung ihr beiden zueinander steht.“

Kieran erhob sich langsam und Kevin sah, wie seine Hände leicht zitterten.

„Sir. Wenn Sie damit sagen wollen, sie haben meinem Kommen nur zugestimmt, um ihr Unternehmen zu retten, aber unsere Beziehung nicht akzeptieren, dann muss ich sie leider enttäuschen. Ich bin hauptsächlich hergekommen, um wieder mit Alex zusammen zu sein, so wie wir es ausgemacht hatten, nach unserem Dienstzeitende. Ich liebe ihn und deshalb bin ich hier.“

Bernhard Cameron senkte den Kopf und sah auf seine Hände. Nach einer Weile hob er wieder den Kopf und sah Kieran mit einem leichten Lächeln an.

„Es tut mir leid, wenn es so geklungen hat. Ich wollte eigentlich auf etwas anderes hinaus. Ich wollte dir nur klarmachen, auf was du dich bei dieser Familie eingelassen hast. Wir sind seit Generationen überzeugte Raumfahrer und wir erwarten diese Einstellung von jedem bei uns an Bord. Besonders von einem Familienmitglied.“

Langsam sickerte die Bedeutung des letzten Satzes in Kierans Bewusstsein. Alexander stand nun ebenfalls auf und umarmte ihn, während seine Mutter hinzutrat und Kieran einen Kuss auf die Wange gab. Kevin hatte sich aufatmend und mit roten Ohren langsam nach hinten gelehnt, doch sein Großvater schob gleich noch einen Torpedo hinterher.

„Da das nun geklärt ist, möchte ich keine weiteren Überraschungen mehr erleben. Noch jemand, der mich um meine Urenkel bringen möchte?“

Das breite Lächeln milderte etwas seine harschen Worte, doch sein Blick blieb deutlich bei Lenny und Kevin hängen. Beide sahen sich an und Lenny schüttelte nur den Kopf. Kevin hingegen erhob sich mit hochrotem Gesicht und starrte auf einen Punkt an der Wand, etwa einen Meter über dem Kopf seines Großvaters.

„Das mit den Urenkeln wird wohl an Lenny hängenbleiben.“

murmelte er undeutlich. Sein Großvater hatte ihn jedoch sehr gut verstanden und lehnte sich jetzt zurück.

„So, so. Und wann kriegen wir deinen Freund vorgestellt?“

Kevin riss vor Erstaunen die Augen auf.

„Mein… meinen, also… ich meine, ich habe noch gar keinen.“

„Dann ist das ja geklärt. Aber wenn es soweit ist, tu mir den Gefallen und warte nicht solange damit, wie dein Bruder.“

Um das Thema zu beenden und die Sitzung zu schließen erhob sich Captain Cameron von seinem Stuhl und alle anderen standen ebenfalls auf.

„Die Wache bitte auf die Stationen und der Rest sollte besser etwas ruhen. David kommt mit mir. Wir machen gleich die Unterlagen fertig.“


Die Etappe war, wie angekündigt, nach sechs Stunden beendet. Länger hätte sie ohnehin nicht dauern können, denn das Schiff war, bedingt durch die Sensoren und den Hyperantrieb nicht in der Lage eine länger andauernde Etappe im Hyperraum zu verbleiben. Warum das so war, hatten die Wissenschaftler bis jetzt noch nicht herausgefunden. Angeblich lag es an einer Raum-Zeit-Umkehrung, die die Reichweite der Sensoren in einen Zeitfaktor umwandelte.

Interessanter Weise gab es keine Einschränkung in der Geschwindigkeit. Wer genug Energie hatte, um seine Masse durch den Hyperraum zu bringen, konnte einfach schneller fliegen und so eine weitere Strecke in diesen Stunden zurücklegen, als ein Schiff mit schwächerer Energieversorgung. Da die Energieerzeugung aber Geld kostete, waren große Frachtschiffe konsequenter Weise langsamer als kleine. Es sei denn, man konnte die Energie, also die Geschwindigkeit, dem Kunden in Rechnung stellen.

Captain Cameron sah unwillig auf sein Display. Die 126 Lichtjahre nach Parfonth kosteten nicht die Welt, aber wenn er Fracht hätte mitnehmen können, nur etwa die Hälfte seiner Kapazität, hätte er Einnahmen von fast 200.000 Credits gehabt. Das Schiff kostete ihn jeden Monat fast anderthalb Millionen Credits und die mussten erst einmal verdient sein.

Ungeduldig sah der Captain jetzt hinüber zum Kommunikationspult, wo Kevin versuchte, etwas von dem Hyperraumfunkverkehr von Parfonth IV zu erwischen.

„Das Einzige, was im Moment allgemein und unverschlüsselt übertragen wird, ist eine Ansprache.“

„Auf den großen Schirm.“

Der große Panoramaschirm, der bis dahin die Schwärze des leeren Raumes gezeigt hatte, wechselte nun zu einem etwa 40 Jahre alten Mann mit schwarzen Haaren und einem kurz gestutzten, schwarzen Vollbart, den Kieran sofort wiedererkannte.

„…durch einen Zufall konnte ich diesem perfiden Plan entkommen und meine loyalen Truppen haben die Ordnung im Palast wiederhergestellt. Wir trauern nun um seine Majestät und die beiden königlichen Prinzen.“

Nach einem Schnitt zeigte die Kamera ein paar Sekunden lang das Innere eines Gebäudes, wohl des Palastes, aber keine Verletzten oder gar Tote. Dann der Schnitt zurück zu dem Sprecher.

„Um Ruhe und Frieden auf allen Planeten unseres stolzen Reiches zu gewährleisten, habe ich unsere Nachbarn vom Bund Freier Planeten gebeten, in diesen schweren Zeiten mit einigen ihrer Einheiten unsere Sicherheit zu garantieren. Ich bitte nun hiermit alle Untertanen, sich weiterhin loyal zu verhalten und die Wiederherstellung unserer Königswürde friedlich zu begleiten.“

„So ein Idiot!“

Alle Köpfe auf der Brücke wandten sich zu David, der mit hochrotem Gesicht im geöffneten Schott stand und auf den Bildschirm starrte.

„Dürfte ich erfahren, was dich an diesem Mann so stört? Wer ist er denn überhaupt?“

David sah zu Captain Cameron und wurde noch roter im Gesicht als er schon war.

„Oh, ja. Entschuldigung. Also, das ist Herzog Dybolt Drake, ein Vetter unseres Königs. Oder wohl, ehemaligen Königs, wenn man ihm glauben darf. Der Typ ist ein wenig durchgeknallt. Er besitzt einen eigenen kleinen Kontinent auf Garand II, wo er eine private Armee aufgestellt hat. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit behauptet er, er wäre der rechtmäßige König, weil damals sein Großvater, seinen jüngsten Sohn, also den Vater von Dybolt und nicht den ältesten, also den Vater von König Rupert zum Nachfolger ernannt hätte. Der alte König war nämlich ohne Testament oder sowas, plötzlich gestorben und der jüngere Sohn reklamierte den Thron für sich.“

Als David Luft holte, starrte er in die völlig verwirrten Gesichter aller Anwesenden. Kevin runzelte die Stirn.

„Sag mal, muss man das alles wissen? Mir reicht schon, dass ich unser Königshaus in der Schule lernen musste.“

David kratzte sich verlegen am Kopf.

„Äh, ja. Ich auch. Also bei uns war das nämlich ebenfalls Teil unseres Schulunterrichts. Alle Schüler mussten schon immer mindestens die drei letzten Generationen unseres Herrscherhauses auswendig lernen. So eine Art Tradition. Außerdem natürlich auch das terranische, denn von denen hat sich unser Königshaus vor 680 Jahren…“

„Ist ja gut, ich glaub’s dir ja.“ stöhnte Kevin

Bernhard Cameron warf Kevin einen tadelnden Blick zu, lehnte sich in seinem Sessel bequem zurück und wandte sich wieder an David.

„Aha. Also, der König ist tot und sein Jüngster beansprucht den Thron. Ist ja nichts Neues. Und weiter?“

David räusperte sich und versuchte sich zu konzentrieren.

„Es gab drei Söhne. Der mittlere war bereits gestorben. Da es keine Unterlagen gab und auch keine Beweise für den letzten Willen des Königs, hat der Kronrat beschlossen, Prinz Tungolt als ältesten Sohn im Sinne der normalen Thronfolgeregelung zum König zu krönen.“

„Hm, sehr einfach nachvollziehbar.“

„Prinz Lascar, der jüngere Sohn, hat sich daraufhin nach Garand II auf seinen Privatsitz zurückgezogen und ward nicht mehr gesehen. Tungolt wurde zum König gekrönt und regierte seit dem. Der König heiratete und sie bekamen einen Sohn, Rupert, den jetzigen König. Oder ich muss wohl sagen den vorletzten.“

„Hä?“

Captain Cameron sah nun deutlich verärgert hinüber zu Kevin.

„Man kann eine Frage auch etwas höflicher formulieren. Ich schließe aus der Ansprache dieses Herzogs, dass König Rupert zwei Söhne hat. Sein Ältester dürfte dann wohl jetzt der rechtmäßige König sein.“

„Genau, Sir. Prinz Tyler ist als Kadett auf der SILVERDRAGON und Prinz Dylan ist Kadett im Royal Marine Cadet Corps.“

Nun meldete sich zum ersten Mal Alexander zu Wort.

„Nach Aussage dieses Dybolt, oder wie der heißt, sind aber beide Prinzen ebenfalls tot.“

David seufzte ergeben.

„Wie schon gesagt, ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie Prinz Tyler an Bord der SILVERDRAGON gegangen ist. Und Prinz Dylan ist mitten in seiner Ausbildung zum Marineinfanteristen, was sollen die beiden denn dann auf Alastair?“

Kevin schoss gerade ein Gedanke durch den Kopf.

„Wo findet denn die Ausbildung der Marines statt?“

„Na, ebenfalls auf Parfonth. Wir haben nur eine Militärakademie.“

Bernard Cameron hatte genug gehört.

„Astrogation, Kurs auf Parfonth IV. Wir haben dort noch etwas zu erledigen.“


Der Weltraum rund um den Austrittspunkt war ruhig. Zu ruhig.

„Was ist hier denn los?“

Kevin und Alexander arbeiteten schnell, aber konzentriert, an ihren Konsolen.

„Keine Schiffsbewegungen. Der gesamte Raum rund um den Planeten ist wie ausgestorben.“

„Keine Anrufe, keine Nachrichten. Lediglich planetengebundene Kommunikation.“

Captain Cameron verzog das Gesicht.

„Das gefällt mir gar nicht. Kevin, ich brauche eine Verbindung zur Escort-Gilde.“

„Jawohl, Sir.“

Nur wenige Sekunden später erschien ein älterer Mann in der Uniform der Gildenangestellten auf dem großen Zentralbildschirm.

„Niederlassung der Escort-Gilde auf Parfonth IV. Ich bin Gildenleiter Kendrick. Womit kann ich ihnen dienen?“

„Mein Name ist Bernard Cameron. Ich möchte die Zulassung meines Schiffes abschließen. Wir sind bereits registriert und ich habe jetzt das noch fehlende Personal und die Unterlagen.“

Gildenleiter Kendrick wandte sich nach rechts und gab etwas über eine Tastatur ein. Dann las er von einem Display ab.

„Ah, ja. Captain Cameron. Das dürfte kein Problem sein. Landen sie einfach auf dem Zivilhafen. Unser Büro befindet sich direkt im Raumhafengebäude.“

„Vielen Dank. Wir sehen uns dann gleich.“

Der Gildenleiter nickte kurz und die Verbindung erlosch.

„Kevin, wir brauchen einen Landeplatz auf dem Zivilhafen.“

Kevin nickte. Er scrollte bereits durch die Planetary Data Base.

„Jawohl, Sir. Zivilhafen Parfonth IV.“


Die Landung war einfach und unspektakulär. Sie waren, abgesehen von einer kleinen Yacht mit den Abzeichen der Escort-Gilde, das einzige Schiff auf der Landefläche.

Bernard Cameron brummte etwas Unverständliches, dann sah er sich prüfend um.

„Kieran, du kommst mit mir, falls es noch Fragen geben sollte. Michael, ich brauche einen Kurs, der uns so schnell wie möglich aus diesem Königreich Alastair herausbringt. Alex, klar halten für einen Alarmstart. Ich traue der ganzen Sache hier nicht. Irgendetwas ist hier ganz und gar nicht in Ordnung. Es sieht fast so aus, als ob alle ziemlich eilig verschwunden sind. Wir werden zusehen, dass wir ebenfalls zügig verschwinden, sobald wir alles erledigt haben.“

Als sich Kieran und der Captain zum Ausgang begaben, meldete sich Michael.

„Vom Militärhafen sind gerade zwei Leichte Kreuzer gestartet. Wie es aussieht, gehen sie in einen flachen Orbit.“

Captain Cameron nickte seinem Feuerleitoffizier zu.

„Wir müssen uns beeilen.“

Während die beiden Männer schnell die Zentrale verließen, versuchte sich Kevin weiter an der Kommunikationskonsole. Er ließ die gesamte Bandbreite durchlaufen und setzte bei jedem Treffer einen ID-Marker. Etwas verwirrt sah er auf das Auswertungsergebnis.

„Was soll denn das? Fast alle öffentlichen Bänder sind tot. Es gibt nur noch wenige Nachrichten- und Holosender. Die meisten aktiven Sender arbeiten verschlüsselt und über den Frequenzen für private Nutzung liegt ein Störsender.“

Alexander drehte sich herum und sah seinen Bruder mit ernstem Gesicht an.

„Das sind die Maßnahmen bei einem Kriegsfall. Anscheinend haben die zuständigen Behörden oder der Militärbefehlshaber entschieden, sich nicht an Herzog Dybolts Aufruf zu halten. Den BfP würde ich auch ungern bei mir zu Hause haben wollen.“

Kevin erschauerte unwillkürlich. Der Bund Freier Planeten war alles andere als das, was sein Name aussagte. Es war eine straff geführte Militärdiktatur mit einer starken Flotte.

Im Büro der Escort-Gilde hingegen hatte Gildenleiter Kendrick die beiden Besucher dem Gildenregistrar überlassen, der nun das ganze Procedere anhand seiner Vorschriften abarbeitete.

„Wie ich sehe, Kapitän Cameron, haben Sie bereits einen genehmigten Aufnahmeantrag, der lediglich endgültig abgeschlossen werden muss, sobald die Besatzung den Anforderungen entspricht.“

Der Kapitän lehnte sich in dem Besuchersessel nach vorne und legte einen Data-Chip auf den Schreibtisch des Gildenregistrars.

„Meine aktuelle Besatzungsliste. Mit den Qualifikationen aller Mitarbeiter.“

Der Registrar nickte wortlos und schob den Data-Chip in ein Lesegerät. Dann ließ er einen dafür entwickelten Scan darüber laufen.

„Gut, niemand auf der schwarzen Liste. Nichts gegen sie persönlich, aber es ist halt unsere Standardprozedur. Ah, was muss ich da sehen. Sie haben gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.“

Bernard Cameron war nicht leicht zu erschüttern, doch nun hob er fragend eine Augenbraue.

„Nun, der junge Mann, den sie im Service eingestellt haben, ist ebenso ausgebildeter Rettungssanitäter. In Kombination mit dem Lazarett, dem Arzt und dem bereits vorhandenen Rettungssanitäter, qualifizieren sie sich nicht nur als bewaffnetes Escort-Schiff der Klasse IV, sondern auch noch als Rettungs- und Bergungsschiff gemäß den Intergalaktischen Hilfeleistungsrichtlinien.“

Kapitän Cameron lehnte sich in seinem Sessel zurück und lächelte leicht. Das war besser gelaufen als er zu hoffen gewagt hatte. Lenny hatte auf Wunsch ihrer Mutter die Sanitätsausbildung gemacht. David hatte ihm von seiner Ausbildung nichts erzählt. Er würde mit ihm wohl noch ein Wörtchen reden müssen.

Die Besatzung der HIGHLANDER wurde immer nervöser, je länger der Aufenthalt bei der Escort-Gilde dauerte.

Nach fast einer Stunde waren der Captain und Kieran wieder an Bord. Brummend ließ sich Bernard Cameron auf seinen Kapitänssessel sinken.

„Dieser kleinkarierte Depp wollte doch tatsächlich sämtliche Unterlagen sehen. Und wenn Kieran nicht mit dabei gewesen wäre, hätte er mir den felidanischen Feuerleitoffizier wahrscheinlich gar nicht geglaubt. Aber wir haben es geschafft. Die HIGHLANDER ist nun offizielles Escort-Schiff. Lasst uns so schnell wie möglich verschwinden.“

Als die HIGHLANDER abhob, war kurz vor ihr bereits ein anderes Schiff gestartet.

„Die Leute von der Escort-Gilde. Sieht so aus, als ob die auch Ärger vermuten und ihr Büro hier dicht gemacht haben.“

Die HIGHLANDER hatte erst die Hälfte der Strecke zum Eintrittspunkt erreicht, als ein Schiff dort aus dem Hyperraum austrat.

„Ein Leichter Kreuzer. Schiff identifiziert als SILVERDRAGON. Das ist das Schulschiff von Alastair. Die haben wohl einen Rückruf…“

Alex wollte noch etwas sagen, als ein Alarmsignal der Sensorkonsole ihn unterbrach.

„Flottenverband. Drei Leichte, ein Schwerer Kreuzer. Kennung des BFP.“

Ohne zu Zögern löste Captain Cameron zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit den Gefechtsalarm aus.


„David soll auf die Brücke kommen. Er geht auf den freien Platz neben Kevin. Michael, soweit ausweichen wie möglich. Alex, ich brauche einen Großraum-Scan. Ich will wissen, ob sich sonst noch jemand hier rumtreibt. Kevin, alles abhören, was erreichbar ist. Verschlüsselte Übermittlungen ebenfalls aufzeichnen. Kieran, Waffen bleiben deaktiviert bis ich etwas anderes befehle.“

Alle bestätigten und wandten sich ihren Konsolen zu. Als das Brückenschott aufging, drehte Kevin sich um und winkte David heran. Wortlos setzte dieser sich auf den zweiten Sitz der Kom-Konsole, die eigentlich für einen ESM-Operator gedacht war, aber das Schiff hatte noch keine elektronischen Störeinrichtungen. Kevin zeigte David, wie er sich anschnallen musste.

„Anruf des BFP an die SILVERDRAGON.“

„Aufschalten zum Mithören.“

Während David noch mit seinem Headset kämpfte, konnte der Rest der Brückenbesatzung den Funkverkehr zwischen den anderen Schiffen verfolgen.

„…ich wiederhole, hier ist der Kreuzer INVINCIBLE, unterwegs im Auftrag des Regenten, Herzog Dybolt von Alastair. Sie werden verdächtigt, einige Personen an Bord zu haben, die an der Ermordung ihres Königs beteiligt waren. Stoppen sie sofort und warten sie auf unser Boarding-Team.“

Die einzige Reaktion darauf war eine Erhöhung der Geschwindigkeit der SILVERDRAGON und ein Kommentar von Bernard Cameron.

„Was für ein Schwachsinn.“

Alex sah sich nur kurz um, dann erforderte die Konsole wieder seine ganze Aufmerksamkeit.

„Die leichten Kreuzer des BfP holen auf. Die beiden Kreuzer von Alastair haben sich aus dem Orbit gelöst und kommen näher.“

„Zu spät. “

brummte Captain Cameron.

„Klassischer taktischer Fehler. Die hätten deutlich höher stehen müssen. Wenn ich einen Gegner aus dem Raum erwarte, bleibe ich nicht am Boden kleben.“

„Die Leichten Kreuzer haben Feuer eröffnet auf die SILVERDRAGON!“

„Was? Tactical Display.“

Auf dem Panoramabildschirm erschien eine dreidimensionale Abbildung des Weltraumes. Im Zentrum die HIGHLANDER als blaues Symbol. Von drei roten Markern gingen gerade rote Linien zu einem grünen Symbol.

Alex schüttelte den Kopf.

„Die sind gut, aber gegen drei Gegner ist das Hoffnungslos.“

„Können wir denn gar nichts tun?“

Davids Stimme klang gepresst und er starrte die ganze Zeit verbissen auf das Display.

„Nein. Wir sind ein Escortschiff das den Regeln der Gilde unterliegt. Wir brauchen einen bezahlten, genau definierten Auftrag. Der Auftraggeber muss…“

Bernard Cameron unterbrach sich und sah David an.

„David, dein Arbeitsvertrag beginnt erst morgen. Du bist kein Mitglied meiner Familie oder der Besatzung. Hast du Geld für einen Auftrag?“

David starrte den Captain halb erstaunt, halb entsetzt an. Woher sollte er Geld haben? In einem Anfall von Verzweiflung griff er in seine Hosentaschen und zerrte das Futter nach außen. Klimpernd fiel ein Geldstück zu Boden und rollte durch die Brücke. Captain Cameron schnallte sich los und hob die Münze auf.

„Ein Credit des Königreichs Alastair. Michael, mach eine Eintragung im Logbuch. Wir haben den Auftrag Parfonth IV gegen militärische Angriffe des BfP zu verteidigen. Bezahlung: ein Credit.“

Michael Cameron sah seinen Vater skeptisch an.

„Bist du sicher? Das könnte haarig werden.“

Bernard Cameron schnallte sich wieder in seinem Sitz fest.

„Ich war mir noch nie so sicher. Alex, du übernimmst. Wenn möglich, bleib dem Schweren Kreuzer fern. Wir müssen uns auf die kleinen konzentrieren, jedenfalls so lange, bis die beiden Alastair-Kreuzer hier sind. Versuch sie von der SILVERDRAGON abzulenken. Kevin, keine Anrufe beantworten. Lediglich den gesamten Funkverkehr aufzeichnen. Los geht’s.“

Die HIGHLANDER beschleunigte und flog in weitem Bogen an die kämpfenden Schiffe heran.

„Der Schwere Kreuzer nimmt Kurs auf Parfonth, anscheinend will der die beiden Alastairs abfangen.“

„Umso besser für uns. Ich nehme an, er hat uns noch nicht als Bedrohung eingestuft.“

Auf dem Frontschirm erlosch eines der roten Symbole neben der SILVERDRAGON.

„Sie haben einen der Kreuzer erwischt. Aber lange werden sie wohl nicht mehr durchhalten.“

„Kieran. Versuch, die beiden Kreuzer von der SILVERDRAGON abzulenken.“

„Jawohl, Sir!“

Mit voller Geschwindigkeit raste die HIGHLANDER jetzt heran und nahm beide Kreuzer gleichzeitig unter Feuer. Die Kreuzer hatten sich, relativ zur Flugrichtung der SILVERDRAGON, auf deren rechten Seite begeben und flogen dicht hintereinander, wobei sie ihre Breitseiten auf das Schulschiff abfeuerten, während dieses sein Geschützfeuer von der Steuerbordseite auf beide Gegner verteilen musste.

Die HIGHLANDER flog der Länge nach über beide Kreuzer hinweg und feuerte nach unten. Hier erwies sich die Bauweise der Kriegsschiffe als Nachteil. Wie fast bei allen Marinen der anderen Staaten auch, waren die Kriegsschiffe des BfP walzenförmig mit einem Längen: Durchmesser-Verhältnis von 5:1. Die Hauptbewaffnung war an den Längsseiten angebracht und die günstigste Position zum Abfeuern der Geschütze war auf einen Gegner an Backbord oder Steuerbord querab.

Die HIGHLANDER hingegen war ein umgebautes Handelsschiff, das in seiner Form fast einem archaischen Ziegelstein glich. Bei ihr waren die Geschütze weiträumiger verteilt. Es gab zwar welche an beiden Seiten und an Bug und Heck, die Hauptbewaffnung mit den schweren Türmen war allerdings an ‚Oberdeck‘, der Oberseite des Schiffes.

Beim Überflug hatte Alex die HIGHLANDER so gedreht, dass die eigentliche Oberseite zum Gegner zeigte und sämtliche Geschütztürme des Oberdecks eingesetzt werden konnten. Im freien Raum war die relative Lage zueinander ohnehin ohne Bedeutung.

„Der vordere verfolgt uns. Der hintere bleibt an der SILVERDRAGON.“

„Mist. Aber damit mussten wir rechnen. Kannst du ihn abschütteln?“

Als Antwort erzitterte die HIGHLANDER und vom Technikpult meldete Seth den ersten Treffer.

„Einschlag in die Heckschirme. 32 Prozent.“

„Der feuert mit seinen Buggeschützen. Kieran, kannst du dich noch an den dämlichen Piraten vor Moriath erinnern?“

Kieran nickte Alex zu und beide grinsten. Dann ließ Alex das Schiff nach vorne abkippen und machte ein Wendung um 180 Grad, so dass die HIGHLANDER jetzt unter halb des Kreuzers in die Gegenrichtung flog. Gleichzeitig vollführte sie eine halbe Rolle und zeigte dem Gegner wieder ihre Oberseite. Der Kreuzer hatte keine Zeit mehr zu reagieren. Als die HIGHLANDER aus sämtlichen Geschützen feuernd unter ihm durch zog, registrierten die Sensoren noch den Ausfall seiner Schirmfelder, dann ging eine neue Sonne hinter ihnen auf.

„Gegner vernichtet.“

„Ja. Es hätte nicht so kommen müssen, aber… Was passiert da bei der SILVERDRAGON?“

Kevin dreht sich kurz zu seinem Großvater um.

„Notsignal von der SILVERDRAGON. Abandon Ship.“

„Da! Die ganzen kleinen Kontakte. Sie haben die Rettungskapseln ausgestoßen.“

„Verdammt. Wir müssen näher ran. Was macht der Idiot vom BFP denn da?“

Während Alex flog, saß Michael an den Sensoren. Mit blassem Gesicht drehte er sich zu seinem Vater.

„Der Kreuzer beschießt die Rettungskapseln!“

„WAS!? Ich will komplette Aufzeichnungen von dem Vorgang. Alles, von den Sensoren bis zur Kommunikation. Alex, kannst du ihn aufhalten?“

Sowohl Alex als auch sein Großvater sahen hinüber zu Seth, der verbissen die Technikkonsole bearbeitete.

„Triebwerke sind bei 112 Prozent. Die Energieabschirmungen halten nicht mehr lange durch.“

Captain Cameron starrte grimmig geradeaus, dann sah er wieder Seth an.

„Versuch alles, was möglich ist. Ich will den Kerl haben.“

„Die SILVERDRAGON sendet keine Signale mehr.“

Auf dem Display erlosch das grüne Signal der SILVERDRAGON, während der Kreuzer langsam Fahrt aufnahm um den restlichen Rettungskapseln zu folgen. Dann bemerkte er das Herannahen der HIGHLANDER. Sofort dreht er dem Gegner seine Steuerbord-Breitseite zu.

„Gegner in Gefechtsposition. Den Sensoren nach zu urteilen ist das Schiff bereits schwer beschädigt.“

„Er hat das Gefecht angenommen. Kevin, irgendwelche Anrufe?“

„Keine, Sir.“

„Gut, dann direkten Anflug und dann tauchen.“

Die HIGHLANDER näherte sich dem Gegner frontal, bis dieser das Feuer eröffnete. Dann drückte Alex den Bug nach unten, so dass die HIGHLANDER unter dem Kreuzer durchflog und wiederum nach oben schießen konnte.

Der Kommandant des Kreuzers hatte mit einem ähnlichen Manöver gerechnet und ließ sein Schiff mitrollen, so dass die gesamte Breitseite immer auf seinen Gegner zeigte. Auf beiden Schiffen flackerten die Schirmfelder alarmierend und als erster verlor der Kreuzer ein Feld in der Bugabschirmung, was durch Kieran gnadenlos ausgenutzt wurde.

Dann krachte es plötzlich auf der HIGHLANDER und Alarmsirenen ertönten ganz kurz.

„Schirmfeld im oberen Bereich ausgefallen. Treffer in einer Containerverankerung.“

„Verdammt! Abbrechen! Hecktorpedo einsetzen.“

Auf der HIGHLANDER waren schon im Vorgriff auf ihren Status als Escort-Schiff zwei Torpedo-Werfer installiert worden. Eigentlich waren sie für normale Handelsschiffe nicht zugelassen, doch Bernard Cameron verfügte über einige gute Verbindungen.

Die HIGHLANDER drehte ab und zeigte dem Kreuzer ihr Heck, während dieser ebenfalls drehte um seine Breitseite wieder einsetzen zu können. Nach Erreichen der Sicherheitsentfernung feuerte Kieran einen Hecktorpedo ab. Torpedos hatten einen Hochleistungsantrieb der jedes andere Fahrzeug weit übertraf. Ebenso einen programmierbaren Suchkopf, der sowohl aktiv wie auch passiv ein Ziel erfassen konnte. In diesem Fall war der Suchkopf auf den Bug des Kreuzers programmiert worden. Dort, wo immer noch ein Loch in den Schirmfeldern klaffte.

Der Angriff mit einem Torpedo schien überraschend zu kommen, denn auf dem Leichten Kreuzer gab es keinerlei Abwehrmaßnahmen. Der Torpedo flog ungehindert durch die Lücke, traf auf den Rumpf des Kreuzers und explodierte dort. Eine Sekunde später brach der Kreuzer auseinander, während einige der Teile gespenstisch lautlos im Weltall explodierten.

„Gegner vernichtet.“


„Was ist mit dem Schweren Kreuzer?“

„Immer noch im Gefecht mit den beiden kleineren von Alastair. Gefecht verlagert sich in Richtung Parfonth.“

„Was? Warum denn das?“

„So wie es aussieht, versucht der BfP-Kreuzer auf Parfonth zu landen oder in einen tiefen Orbit zu gehen.“

„Das macht doch gar keinen Sinn. Wenn er das System sichern will, muss er oben bleiben. Es sei denn… Alex, was sagt das Handbuch über die Landeplätze?“

Alex rief seine SPBD auf und scrollte durch die Angaben.

„Zwei Landeplätze, ein militärischer und ein ziviler. Der militärische gehört zur Akademie, der zivile zu einer kleinen Ortschaft daneben. Ansonsten ist der Planet unbesiedelt. Auf dem südlichen Kontinent gibt es noch ein Sperrgebiet, dass als Übungsgelände eingetragen ist.“

„David, was hast du über die Prinzen gesagt, wo sie sich befinden?“

„Wie bitte? Ach so. Also Prinz Tyler war an Bord der SILVERDRAGON. Und Prinz Dylan ist bei seiner Ausbildung zum Marineinfanteristen, vermutlich hier auf Parfonth.“

Kevin sah hinüber zu seinem Großvater.

„Du meinst, sie sind hinter den Prinzen her?“

„Worauf du einen lassen kannst. Alex, versuch den Schweren Kreuzer abzufangen. Ich bin mir nicht sicher, aber ich vermute, das ist gar kein Kreuzer, sondern ein Landungsschiff.“

Michael Cameron bemühte noch einmal die Sensoren.

„Da ist nichts zu erkennen. Größe und Signatur wären die Gleiche bei einem Landungsschiff oder einem Schweren Kreuzer.“

Kieran drehte sich kurz um.

„Nein, nicht ganz. Die Landungsschiffe sind schwächer bewaffnet, weil sie sonst keinen Platz für die Landepanzer haben. Auf so ein Ding passt ein ganzes Bataillon mit 500 Mann und 16 Panzern.“

„Was ist mit Abwehrmöglichkeiten gegen Luftangriffe?“

„Sie haben nur die Panzer. Gegen größere Gegner sollte ein Landungsschiff eigentlich eine Raumeskorte haben, die alle Angriffe von oben abwehrt.“

Captain Cameron schien zu lächeln.

„Das wären dann wohl die leichten Kreuzer gewesen. Wie es aussieht, hatten sie wohl nicht mit der SILVERDRAGON gerechnet. Wie weit ist das Landungsschiff jetzt?“

„Der erste Alastair-Kreuzer wurde abgeschossen und ist auf dem Boden zerschellt. Der zweite versucht sich gerade abzusetzen, aber die BfP-ler sind hartnäckig.“

Kieran meldete sich von der Feuerleitkonsole.

„Ziel in Reichweite in 60 Sekunden.“

Der Nachteil von Laser- und auch Plasmawaffen war, dass sie durch die Streuung innerhalb der Atmosphäre eine deutlich geringere Reichweite aufwiesen als im luftleeren Raum.

Auf einer Planetenoberfläche waren ‚unten‘ und ‚oben‘ genau definiert. Deshalb erfolgten die Befehle jetzt immer auf den Planeten bezogen.

„Schneller Überflug über das Landungsschiff. Waffeneinsatz über Kopf. Dann erst einmal Rückzug außer Reichweite.“

Noch bevor die HIGHLANDER jedoch in Reichweite war, begann das Landungsschiff seine Panzer abzusetzen. Mittels ihres Antigravgenerators schwebten die Panzer langsam zu Boden.

„Alle Panzer tracken. Um die kümmern wir uns später.“

Michael nickte und versah jeden der Panzer auf seiner Sensorkonsole mit einer automatischen Zielverfolgung.

Dem Angriff der HIGHLANDER hatte das Landungsschiff nichts entgegenzusetzen. Das Absetzen von Truppen war immer der verwundbarste Moment, weil zu diesem Zweck die Schirmfelder abgeschaltet werden mussten. Der Kommandant des Landungsschiffes musste wirklich einen wichtigen Grund haben, die Panzer trotz eines herannahenden Gegners abzusetzen.

Die Schüsse des Escort-Schiffes schlugen in die ungeschützte Hülle des Landungsschiffs ein und rissen tiefe Löcher. Erste kleine Explosionen waren von außen zu beobachten, als das ohnehin schon beschädigte Schiff endgültig auseinanderbrach und die Trümmer in den dichten Urwald darunter fielen.

„Gegner vernichtet. Zielaufschaltung Kampfpanzer zwölf Stück.“

„Sie haben nicht mal mehr alle Panzer rausbekommen, aber nun gut. Wo sind die Dinger?“

„Anzeige auf dem Tactical Display. Alle zwölf scheinen das gleiche Ziel zu haben. Hier unten auf dem Südkontinent.“

Alex drehte sich kurz zu seinem Großvater.

„So wie es aussieht, fliegen sie alle zu dem Übungsgebiet.“

„Wenn die Akademie-Schüler da unten sind, werden sie nichts zu lachen haben. Wir bleiben an den Panzern dran. Punktbeschuss mit den Lasertürmen.“

Plötzlich fiel Captain Cameron wieder ein, was Kieran über Landungsschiffe gesagt hatte.

„Was ist mit Infanteristen? Sind keine abgesetzt worden?“

„Negativ.“

kam es von Alex

Kieran scannte noch einmal das Gefechtsfeld.

„Keine Infanteristen. Sie werden normalerweise erst in gelandetem Zustand ausgeschleust. Die Panzerrüstungen haben kein Antigrav, nur das übliche Servosystem. Ein Fall aus großer Höhe ist mit den Dingern fast immer tödlich.“

„Okay, dann die Panzer.“

Die HIGHLANDER schoss im Zickzack in Richtung des Südkontinents, wobei sie mehr als die Hälfte der Landepanzer erwischte.

„Die halten ziemlich gerade auf ein bestimmtes Ziel zu.“

Kieran stellte alarmiert die Ohren auf.

„Sieht aus, als ob sie einem Peilsignal folgen.“

Kevin begann hektisch zu arbeiten.

„Hier, auf dem Frequenzband für Bodengleiter ist ein Peilsignal für Verkehrslenkung.“

Captain Cameron ließ ein kurzes hartes Lachen hören.

„Ein Signal für Verkehrslenkung? Mitten im Dschungel? Sehr einfallsreich.“

Michael Cameron bemühte noch einmal die Sensoren.

„Das Signal bewegt sich. Nicht sehr schnell, aber es ist deutlich in Bewegung.“

„Hm, irgendjemand hat es vermutlich am Körper.“

„Ich hab‘ die Arbeitsfrequenz der Marines von Alastair gefunden. Die sind ja unverschlüsselt.“

Kieran nickt unwillkürlich.

„Ist ja auch eine Ausbildungseinheit. Da braucht man keine taktische Verschlüsselung. Aber wenn die Funkgeräte… Captain, dürfen wir senden?“

Bernard Cameron sah hinüber zu seinem neuen Feuerleitoffizier.

„Wozu?“

„Der Peilsender ist vermutlich in einem der Funkgeräte. Die sind alle im Helm integriert. Sie sollen die Helme abnehmen und dann möglichst von da verschwinden.“

„Kevin, machen.“

„Alastair Marine Corps, hier ist Escort Ship HIGHLANDER. Die angreifenden Landepanzer reagieren auf einen Peilsender. Legen sie ihre Helme ab und suchen sie woanders Deckung.“

Bernard Cameron sah mit gerunzelter Stirn zu Kevin.

„So war das zwar nicht gemeint, aber es müsste reichen.“

„Sorry, Sir. Aber mir fiel auf die Schnelle nichts Kürzeres ein.“

„Egal, wollen hoffen, dass sie den Hinweis ernst nehmen. Wo sind die letzten Panzer?“

„Zwei haben wir gleich. Die restlichen drei sind schon fast an ihrem Ziel.“

„Verdammt, geht das nicht schneller?“

„Nicht innerhalb der Atmosphäre.“

Die beiden Landepanzer vor ihnen waren ein leichtes Ziel für die HIGHLANDER, die drei übrigen waren inzwischen tiefer gegangen und feuerten mit ihren Bordwaffen in Richtung Boden. Von unten kam aus verschiedenen Stellungen Abwehrfeuer.

„Wie blöd sind die denn? Mit den Lasergewehren kann ich gegen einen Panzer nichts ausrichten. Da braucht man schon…“

„Bird one. Ground-Air.“

Alle Köpfe ruckten herum zum Tactical Display, wo ein roter Strich die Flugbahn einer Boden-Luft-Rakete anzeigte. Der rote Kontakt eines der Panzer verschwand von der Anzeige. Draußen war zu sehen, dass der getroffene Panzer in einem hellen Feuerball explodierte.

Die beiden verbliebenen Panzer nahmen sofort das Abschussgebiet der Rakete unter Feuer.

„Das Peilsignal ist jetzt weg.“

„Hoffentlich verhalten sie sich jetzt…“

Aus verschiedenen Richtungen wurden immer noch die Panzer mit leichten Laserwaffen beschossen.

„Wenn sie sich ruhig verhalten hätten, wären sie vielleicht davongekommen.“

Bernard Cameron schüttelte den Kopf.

„Glaub ich nicht. Diese BfP’ler sind da sehr gründlich.“

„Panzer in Reichweite in fünf Sekunden.“

„Feuererlaubnis, sobald in Reichweite.“

„Aye aye, Sir.“

Bernard Cameron sah erstaunt zu seinem neuen Feuerleitoffizier. Anscheinend wurden beim terranischen Marine-Corps sogar noch uralte Traditionen gepflegt.

Wenig später erfolgte die Meldung von der Feuerleitkonsole.

„Beide Ziele vernichtet.“

„So, jetzt müssen wir die da unten nur noch davon überzeugen, dass wir nicht auch noch zu den Bösen gehören.“

Kevin und David drehten sich gleichzeitig um.

„Ich dachte, das sieht man daran, dass wir die Panzer vernichtet haben.“

„Nicht unbedingt. Wir könnten ja auch zu der Partei dieses Herzogs gehören, der sein eigenes Süppchen kocht und nicht mal dem BfP vertraut.“

„Verzeihung, Sir…“

„Ja, David?“

„Könnten sie vielleicht den äh, ich meine den Feuerleitoffizier zur Schleuse schicken? Es gab kürzlich einen Bericht, dass die Truppen von Alastair ihren ersten Felidaner eingestellt haben und der dürfte hier unten irgendwo sein. Sonst sind sie sehr selten hier bei uns. Der Herzog hat bestimmt keinen.“

Kieran sah mit gerunzelter Stirn zu David. Das hatte fast geklungen, als sei er ein seltenes Tier, doch dann erinnerte er sich an die Szene oben im Diner und er lächelte leicht.

„Ist einen Versuch wert. Kieran und Alex, runter zur Schleuse.“


Am Boden war das Gefecht lange nicht so gut gelaufen, wie oben. Als der Zugführer des zweiten Ausbildungszuges die ersten Nachrichten über ein anfliegendes feindliches Schiff durchgegeben hatte, glaubten die Meisten noch an eine Übungseinlage.

Als der Zugführer des ersten Ausbildungszuges anfliegende Landepanzer meldete, die sie angriffen, wussten alle, dass etwas nicht stimmte. Das Königreich Alastair besaß keine Landepanzer, geschweige denn ein Landungsschiff, das welche absetzen könnte.

Als von ihren kleinen Ortungsgeräten drei Landepanzer in direktem Anflug erfasst wurden, befahl der Zugführer Auflockerung. Alle verteilten sich nach Vorschrift. Plötzlich ertönte eine fremde Stimme in ihrem Funkverkehr.

Alastair Marine Corps, hier ist Escort Ship HIGHLANDER. Die angreifenden Landepanzer reagieren auf einen Peilsender. Legen sie ihre Helme ab und suchen sie woanders Deckung.“

Der erste, der seinen Helm abnahm, war Cadet-Captain Gavin Drake. Etliche Köpfe drehten sich, dann nahmen auch einige andere ihren Helm ab. Der Zugführer wedelte zwar hektisch mit den Armen, musste aber nun ebenfalls seinen Helm abnehmen um sich verständlich zu machen.

„Setzt sofort wieder die Helme auf! Die sind euer einziger Schutz.“

„Verzeihung, Sir. Aber die Aussage dieses Escort-Schiffs macht mehr Sinn. Das Ortungsbild zeigt, dass die Panzer schnurgerade auf uns zu fliegen. Da stimmt was nicht.“

Captain Duvall war etwas überfordert. Das war mehr als ein einfacher Ausbildungsauftrag und deutlich mehr als sein eigentlicher Posten bei der Palastwache.

„Also gut, Helme ablegen und dann mindestens zwei Kilometer entfernen. Im Laufschritt!“

Cadet-Captain Drake wechselte einen schnellen Blick mit Cadet-Sergeant Major Cooper. Der hatte seine Ohren nach vorne gestellt und sein ganzes Fell sträubte sich leicht. Sie waren die beiden einzigen Kadetten des Abschlussjahrgangs in diesem Zug und sie waren sich gerade darüber klar geworden, dass sie ihren Abschluss möglicherweise nicht mehr erleben würden.

Captain Duvall hatte eine Gruppe zu sich gerufen und hantierte mit etwas Großem, Langem. Als Cadet-Captain Drake erkannte, worum es sich handelte, war es bereits zu spät. Die Boden-Luft-Rakete war auf dem Weg und ihm blieb nur noch eines.

„Volle Deckung! Soweit wie möglich verteilen!“

Der Einschlag der Rakete und die Vernichtung des Panzers waren deutlich zu erkennen. Doch hinter dem hellen Feuerball der Explosion kamen die beiden verbliebenen Panzer hervor und nahmen die Abschussstelle unter heftiges Feuer.

Cadet-Captain Drake sah sich suchend nach seiner Zielperson um. Er hatte hier unten nun zwei Aufgaben, die sich fast nicht mehr erfüllen ließen. Seine Zielperson war wohlauf, also musste er sich um den Rest des Zuges kümmern.

„Unten bleiben! Wir warten auf dieses Escort-Schiff!“

Entweder waren einige der Kadetten anderer Meinung, oder sie hatten ihn nicht gehört, denn plötzlich fingen einige von ihnen wieder an, auf die Landepanzer zu schießen. Diese feuerten sofort zurück und es gab weitere Verluste in den Reihen der Kadetten.

Das höher am Himmel anfliegende Escort-Schiff konnte nun endlich auch die beiden restlichen Panzer vernichten und Gavin Drake sah sich hektisch nach seiner Zielperson um. Er atmete erleichtert auf, als diese sich ohne größere Verletzungen vom Boden erhob. Cadet- Sergeant Major Cooper machte inzwischen einen Roll-Call.

„Zwölf Überlebende, Sir.“

Gavin schloss verzweifelt die Augen. Zwölf von Zweiunddreißig. Zwanzig Kadetten und der Ausbilder waren tot. Und der Himmel mochte wissen, was mit dem ersten Zug passiert war.

Ein lautes Geräusch ließ Gavin nach oben sehen. Das Handelsschiff, das sich selbst als Escort-Schiff bezeichnet hatte, drehte langsam aus der Bodenkampfposition in die normale Landeposition. Als die schweren Geschütztürme wieder in den Himmel zeigten, öffnete sich auch schon die Bodenschleuse.

Gavin sah sich zu seinem Sergeant-Major um.

„Was meinst du, Joel, können wir ihnen trauen?“

Der junge Felidaner sah hinüber zur Bodenschleuse des Schiffes und nickte. Wortlos deutete er auf die Person, die dort sichtbar wurde.

„Unbedingt.“


Außer Alex und Kieran waren auch noch David und Dr. Cameron im Hangar. Beide stürmten sofort vor, als der erste Kadett hereingetragen wurde. Dr. Cameron hatte einen weißen Kittel übergezogen und war deutlich als Ärztin zu erkennen.

„Alle sofort ins Schiffslazarett! David, wir machen dort Triage. Du versorgst danach die Leichtverletzten. Hat jemand eine Sanitätsausbildung?!“

Gavin sah sich um und deutete auf Kadett vanBuren.

„Hier. Adrian ist unser Ersthelfer!“

Barbara Cameron sah sich um und winkte den jungen Mann zu sich heran, der leicht humpelte. Sie sprachen leise miteinander, dann gab es die ersten Anweisungen, um die Truppe durch das Schiff ins Lazarett zu bringen. Gavin machte den Abschluss, ohne dabei seine Zielperson auch nur einen Moment aus den Augen zu verlieren.

Alex und Kieran waren inzwischen wieder auf die Brücke zurückgekehrt und berichteten kurz über die Entscheidung von Dr. Cameron. Der Captain nickte.

„Gut, wenn die Leichtverletzten versorgt sind, sollen sie in den Passagierkabinen untergebracht werden. Ich möchte, wenn es geht, mit dem Anführer der Überlebenden sprechen, aber wir haben uns vorher noch um etwas anderes zu kümmern. Michael, Kurs auf die Rettungskapseln, die der Kreuzer übrig gelassen hat. Und zwar mit Höchstgeschwindigkeit! Wir wissen nicht, ob noch mehr gegnerische Einheiten auftauchen.“

Alex sprach an seiner Konsole mit seiner Mutter, während Kieran wieder die Feuerleitkonsole besetzte.

Im Lazarett hatte Dr. Cameron die Marines nach einer kurzen Untersuchung in drei Kategorien eingeteilt. Zunächst die Leichtverletzten, die David dann auch umgehend versorgte, dann diejenigen mit ernsthafteren Verletzungen und zum Schluß diejenigen mit lebensbedrohlichen Verletzungen. Lenny hatte den eigentlichen Behandlungsraum inzwischen für die Notversorgung vorbereitet.

Das große Problem war die letzte Gruppe, denn die HIGHLANDER war kein Lazarettschiff und hatte somit auch keine Intensivversorgung, geschweige denn Einrichtungen für Operationen oder größere Eingriffe. Barbara Cameron war sich klar darüber, dass sie wahrscheinlich die am schwersten verletzten Patienten verlieren würde.

Im Vorraum zum Lazarett, der jetzt als zweiter Behandlungsraum diente, versorgte David zunächst die Leichtverletzten. Dr. Cameron hatte alle Marines veranlasst, vor dem Betreten des Lazaretts ihre Kampfpanzerungen abzulegen und nun saßen oder standen sie in dem engen Vorraum, nur noch mit ihren Jumpsuits bekleidet, und warteten auf ihre Behandlung.

David winkte diejenigen in eine Ecke, die von Dr. Cameron einen grünen Punkt auf die Stirn bekommen hatten.

„Tut mir leid, aber ich habe nicht viel Zeit um mich mit euch lange aufzuhalten. Jemand starke Schmerzen?“

Joel Cooper schüttelte den Kopf.

„Gib uns einfach etwas von dem Verbandsmaterial. Die leichten Kratzer hier können wir selber versorgen.“

David nickte erleichtert und betrachtete aus den Augenwinkeln heraus die schlanke, aber muskulöse Gestalt des Felidaners in seinem hautengen Jumpsuit.

Nachdem er die erste Gruppe mit dem Material versorgt hatte, wandte er sich der zweiten zu. Adrian vanBuren hatte bereits das linke Bein seines Jumpsuits aufgeschnitten und darunter eine klaffende Wunde freigelegt.

„War ein Baumsplitter. Mach… einfach einen… Klebeverband. Dann… kann ich einigermaßen… laufen und dem… Doc helfen.“

David musterte den kleinen, fast zierlichen Jungen, der zwischen seinen Worten immer wieder die Zähne zusammenbiss.

„Bist du sicher? Das ist keine dauerhafte Lösung.“

„Ich weiß, aber… ich habe Zeit, bis… alle versorgt sind.“

David suchte eine ganze Weile, bis er tatsächlich einen Klebeverband fand. Für die Antibiotika und die Schmerzmittel musste er Dr. Cameron stören.

Die nächsten beiden Kadetten hatten leichte Verbrennungen durch das von den Laserkanonen in Brand gesetzte Unterholz davongetragen. Beide zogen ihre Jumpsuits aus, ungeachtet ihrer umstehenden männlichen und weiblichen Kameraden. Auf Davids fragenden Blick meinte einer nur

„Was soll’s, wir duschen ja auch zusammen. Auch mit den Mädels. Da gibt’s nichts neues mehr zu entdecken.“

Seinen vierten Patienten erkannte David sofort, enthielt sich aber jeglichen Kommentars. Wie er den Captain inzwischen kennengelernt hatte, würde der sich das erste Gespräch vorbehalten.

Der hellblonde, mittelgroße junge Mann war, wie David wusste, genauso alt wie er, nämlich neunzehn. Im Gegensatz zu ihm war er allerdings im Palast auf Alastair III aufgewachsen. Die Wunde in der linken Schulter war, wie bei den meisten, durch herumfliegende Holzsplitter verursacht worden. David ließ den jungen Mann den Arm leicht anheben und wurde mit einer Grimasse belohnt.

„Da ist noch was drin. Hast du was dagegen, wenn ich die Wunde erweitere und nach dem Splitter suche?“

Bei den Umstehenden gab es plötzlich ernste Gesichter als David den jungen Mann duzte, aber der lächelte nur.

„Mach einfach. Ich will das Ding nur loswerden und der Doc ist ja wohl mit wichtigeren Sachen als mir beschäftigt.“

Die Äußerung führte zu einigen Ausrufen und eine der jungen Damen bekam eine Art Schnappatmung, doch Gavin beruhigte sie sofort.

David scheuchte sie von der einzigen Liege im Raum.

„Okay, dann müsstet ihr beiden hier aufstehen, dass wir den Patienten gerade hinlegen können. Ich besorge die Sachen, die ich brauche.“

Als David wiederkam lag sein Patient komplett nackt auf dem Untersuchungstisch und David kam nicht umhin, die schlanke, austrainierte Gestalt zu bewundern. Er zuckte leicht zusammen, als er realisierte, dass er gerade dabei war, einen königlichen Prinzen abzuchecken. Schnell konzentrierte er sich auf die Behandlung der Wunde. Als er dann das Skalpell hervorzog, bemerkte er, wie sich einer der Marines langsam neben ihn schob und seine Arbeit beobachtete. Irgendwo hatte David den großen schwarzhaarigen jungen Mann schon einmal gesehen, aber er konnte sich nicht daran erinnern, wo das gewesen war.

Als er mit der Pinzette arbeitete, zuckte der Prinz zusammen, gab aber ansonsten keinen Ton von sich. Der Splitter war relativ klein, hatte aber ziemlich tief gesteckt. David verschloss die Wunde mit Biomasse und einem Klebeverband. Doktor Cameron würde sie sich später auf jeden Fall ansehen müssen. Als der Prinz sich erhob, lächelte er David an.

„Danke, äh… wie heißt du?“

„Oh ich bin David.“

„Ich heiße Dylan. Wir werden uns ja wohl noch öfter begegnen.“

Dylan zog mit Hilfe des großen, schwarzhaarigen Jungen seinen Jumpsuit wieder an, während David sich nun noch einmal den Leichtverletzten zuwandte.

„Sind alle versorgt, oder hat es Probleme gegeben?“

Lediglich Joel Cooper machte eine unschlüssige Handbewegung. Mit der linken Hand fummelte er etwas an seinem linken Ohr herum. David kam näher und musste etwas nach oben sehen, um das Ohr genauer zu betrachten. In der Ohrmuschel - oder wie heißt das bei Felidanern? - war ein kleines Loch.

„Irgendwie fühlt sich das merkwürdig an.“

„Hm, ich glaube nicht, dass das irgendwelche Auswirkungen hat, aber ich kann ja mal unseren Feuerleitoffizier fragen.“

„Er heißt Yordis, richtig?“

David hatte Kierans Nachnamen nur einmal gehört, doch er meinte, dass es dieser gewesen war.

„Äh, ja. Warum?“

„Oh, nicht wichtig.“

David stand immer noch dicht vor dem jungen Felidaner mit dem sandgelben Fell und den feinen kurzen schwarzen Streifen. Sein Blick wanderte von den Ohren zu den Augen und er bemerkte mit Verblüffung, dass diese zwar die üblichen geschlitzten Pupillen hatten, aber ansonsten strahlend blau waren.

David sah Joel an und beide schienen etwas erstarrt zu sein, bis neben ihnen ganz leise die beiden Mädchen kicherten.

„Das ist gemein. Joel hat wieder einen abgekriegt, nur mit seinen hübschen Augen.“

Cadet-Sergeant Major Cooper fuhr irritiert herum, während David rot anlief.

„Ich muss dann mal los. Ihr sollt noch Unterkünfte bekommen und dann werde ich mich erkundigen, wie es weitergehen soll.“

Hinter David ertönte eine tiefe Stimme.

„Wir bitten drum. Außerdem möchten wir zu gerne wissen, was das alles zu bedeuten hat.“

David fuhr herum und nickte dem schwarzhaarigen jungen Mann zu, während er sich auf den Weg zur Brücke machte. Unterwegs fiel ihm plötzlich ein, wo er ihn schon einmal gesehen hatte und er wäre beinahe den Niedergang heruntergefallen, als er unwillkürlich seinen Schritt änderte. Gavin Drake war der Sohn von Herzog Dybolt.

Auf der Brücke nickte Bernard Cameron zu dem Bericht von David über die Verletzten, über Prinz Dylan und auch zu dem Kommentar, den er über Gavin Drake abgab.

„Das werden wir regeln, wenn es soweit ist. Lass dir von Lenny die Verteilung der Kabinen geben und dann möchte ich die Leute, die dazu in der Lage sind, in zehn Minuten im Konferenzraum haben. Wir werden gleich die Positionen der Rettungskapseln erreichen. Du gehst mit Barbara in den Hangar. Lenny muss so lange im Lazarett ohne euch auskommen. Alles klar?“

David wusste, was von ihm erwartet wurde.

„Jawohl, Sir.“

„Gut, dann ab.“


Es waren insgesamt sieben Rettungskapseln, die noch eine Energiesignatur hatten. Alle anderen, bei denen die Energieversorgung ausgefallen oder beschädigt worden war, waren nur noch schwebende Särge im All.

Der Reihe nach wurden die Rettungskapseln, durch einen Fangstrahl gesteuert, in den Hangar gezogen. Seth dirigierte vorsichtig alle Kapseln auf den Boden, dann schaltete er die Anlage ab. Das Polarisationsfeld baute sich auf und schloss den Hangar vom Weltraum ab. Während sich die Hangartore langsam schlossen, wurde bereits eine atembare Atmosphäre im Raum aufgebaut.

Als die Kontrollleuchten über der Zugangstür grün wurden, stürmten Doktor Cameron und David in den Hangar. Seth hatte den Helm seines Raumanzuges abgenommen und kontrollierte die Rettungskapseln. Dann schüttelte er den Kopf.

„Nur vier. Bei den anderen funktioniert zwar die Energieversorgung noch, doch da ist das Lebenserhaltungssystem ausgefallen.“

Doktor Cameron nickte und begab sich zu einer der funktionierenden Kapseln. Seth aktivierte die Rückholsequenz und die Kapsel begann damit, die in ein künstliches Koma gelegten Insassen wieder zu Bewusstsein zu bringen.

Während auch die zweite Kapsel aktiviert wurde, gingen Doktor Cameron und David hinüber zu einer der defekten Rettungskapseln. Die Anzeigen waren dunkel und David zog an der Notverriegelung. Das Oberteil der zylinderförmigen Kapsel ließ sich jetzt zurückklappen und gab den Blick auf die beiden Insassen frei.

Es waren zwei Mädchen, etwa zwanzig Jahre alt, in der Uniform der Space Akademie von Alastair. Doktor Cameron beugte sich für eine kurze Untersuchung über sie, dann schüttelte sie den Kopf.

„Tut mir leid.“

David starrte die beiden Mädchen entsetzt an, dann beugte er sich zur Seite wo er sich mit starken Krämpfen erbrach. Barbara Cameron reichte ihm ein Tuch, dann strich sie sanft über seinen Rücken.

„Deine ersten Toten?“

David nickte wortlos.

„Es ist immer schlimm. So makaber es klingt, aber man gewöhnt sich daran. Nicht an den Tod, der ist immer tragisch, nur der Anblick.“

David sah sie an, danach hinüber zu den Mädchen. Dann atmete er tief durch.

„Sie sehen so friedlich aus, als ob sie schlafen.“

„Der Tod hat viele Gesichter.“

David nickte, dann folgte er Doktor Cameron hinüber zu den restlichen funktionierenden Rettungskapseln. Die erste öffnete jetzt automatisch den Deckel und gab den Blick auf einen Jungen und ein Mädchen frei, beide ebenfalls in der Uniform der Alastair-Kadetten. Ein Blick auf die Anzeigen ließ Doktor Cameron aufatmen.

„Sehr gut, in etwa zehn Minuten dürften die beiden aufwachen.“

Bei der nächsten Kapsel war es Ähnlich. Als sich der Deckel hob, starrte David neugierig hinein. Diesmal waren es zwei Jungen, in der gleichen Uniform wie die anderen.

David sah noch einmal genauer hin.

„Oh, Scheisse.“

Doktor Cameron sah ihn strafend von der Seite an. David wurde rot.

„Ich meine… was für ein Zufall.“

„Ich nehme an, du kennst einen der jungen Männer.“

„Nun ja. Kennen ist zu viel gesagt. Ich weiß, wer er ist. Er heißt Tyler Drake, eigentlich Prinz Tyler und ist der älteste Sohn und Thronfolger des Königs von Alistair.“


Acht der geretteten Kadetten des Alistair-Marine-Corps saßen um den Konferenztisch herum und lauschten gebannt den Nachrichten die ihnen Kapitän Cameron und Kieran Yordis mitteilten.

„Und wer hat noch mal die Ansprache gehalten, die die Unruhen erklären sollte?“

Die Frage kam von einem der beiden jungen Männer mit den Verbrennungen.

„Nach den Informationen die wir haben, soll es Herzog Dybolt gewesen sein.“

Nach Kierans Antwort wurde es schlagartig still im Raum. Die Blicke der anwesenden Kadetten richteten sich alle auf den großen schlanken Jungen mit den schwarzen Haaren. Kieran konnte sie noch nicht richtig zuordnen, da auf ihrem Overall kein Namensschild war.

„Gavin, das ist dein Vater, richtig?“

Der Schwarzhaarige nickte schweigend.

Kapitän Cameron und Kieran sahen sich bezeichnend an. Nach dem Hinweis von David hatte Bernard Cameron mit einem ähnlichen Kommentar gerechnet und er wartete, bis bei den ersten die logische Verknüpfung anlief.

„Du bist der Verräter. Du hast den BfP zu unserer Position gelockt!“

Inzwischen waren fast alle Kadetten aufgesprungen und drängten sich um Gavin Drake. Bernard Cameron erhob sich ebenfalls.

„Ruhe! Auf meinem Schiff wird niemand gelyncht. Setzt euch sofort wieder hin!“

Die tragende Stimme des alten Mannes ließ alle in der Bewegung erstarren. Langsam lösten sie sich voneinander und setzten sich wieder auf ihre Plätze.

„Ich will zunächst einmal wissen, was aus eurer Sicht hier los war.“

Auf einmal blickten alle betreten auf die Tischplatte. Dann hob ein hellblonder Junge den Kopf.

„Nun, Sir. Wie wir bereits gesagt haben, waren wir bei einer Übung draußen als die Landungspanzer uns angegriffen haben. Wir haben zunächst gedacht, es sei eine Übungseinlage, aber dann wurde der erste Zug angegriffen, danach wir. Wir haben die Landepanzer des BfP eindeutig identifiziert, konnten uns aber nicht erklären, was das bedeuten sollte. Als die Durchsage kam, die Helme hätten einen Peilsender, haben wir sie wie befohlen abgelegt und uns dann entfernt. Danach sind wir dann allerdings durch die Aktion mit der Boden-Luft-Rakete wieder kompromittiert worden. Wir waren eindeutig das Ziel eines gelenkten Angriffs.“

Einer der Jungen schüttelte ratlos den Kopf.

„Was haben sie denn von uns gewollt?“

Das Mädchen neben ihm schüttelte ebenfalls den Kopf, aber wohl aus einem anderen Grund.

„Mein Gott, Peter, bist du dämlich. Hast du nicht zugehört? Sie haben uns eben erzählt, dass Herzog Dybolt verkündet hat, alle beiden Prinzen wären im Palast auf Alastair umgekommen.“

„Ja und? Das ist doch gar nicht…oh.“

Alle Blicke richteten sich auf den hellblonden jungen Mann, der gerade die Zusammenfassung gegeben hatte. Bernard Cameron sah ihn ebenfalls an.

„Dann nehme ich an, dass sie Dylan Drake sind.“

Die Verblüffung auf etlichen Gesichtern war deutlich zu erkennen.

„Eines meiner Besatzungsmitglieder stammt aus dem Königreich Alastair und hat uns mit etlichen wichtigen Hintergrundinformationen versorgen können. Er war es auch, der darauf bestanden hat, dass die Prinzen nicht, wie behauptet, im Palast getötet worden sind.“

„David.“ murmelte Dylan leicht erheitert, dann wurde er schlagartig ernst.

„Was ist mit meinem Bruder? Was ist mit der SILVERDRAGON?“

„Ich muss ihnen leider mitteilen, dass das Schulschiff vernichtet wurde. Wir sind gerade dabei, die verbliebenen Rettungskapseln zu bergen.“

Dylan wurde blass, ebenso wie Gavin.

Bevor noch jemand reagieren konnte, sprang einer der Jungen von seinem Stuhl auf und fing an, auf den Schwarzhaarigen einzuprügeln.

„Und jetzt mach ich den Verräter kalt.“

Auch alle anderen waren wieder aufgesprungen und Kieran wollte gerade eingreifen, als ein Schrei von der Tür alle erstarren ließ.

„Halt! Lass ihn sofort los!“

Der große hellblonde Junge der hinter Doktor Cameron den Konferenzraum betreten hatte, lief auf das entstandene Knäuel zu, bremste dann aber und sah zu Prinz Dylan.

„Dylan!“

„Ty!“

Der Kleine sprang ihn förmlich an und beide umarmten sich stürmisch. Wäre nicht der Größenunterschied gewesen, hätten die beiden fast als Zwillinge durchgehen können.

Vorsichtig löste sich Prinz Tyler von seinem Bruder und drehte sich um.

„Ihr könnt ihn wieder loslassen. Er ist nicht der Verräter.“

„Woher wollt ihr das wissen, Hoheit?“

„Erstens ist hier keine Hoheit. So lange ich diese Uniform trage, heiße ich Tyler oder Cadet-Commander Drake. Zum zweiten weiß ich das so genau, weil er mit einem speziellen Auftrag unterwegs war und auch immer noch ist. Einem persönlichen Auftrag von mir.“

Ein Murmeln ging durch die Reihen der Kadetten. Dann stellte sich der Kadett, der Gavin Drake angefallen hatte, vor Tyler mit gekreuzten Armen hin.

„Und woher wollen sie wissen, dass er nicht doch der Verräter ist. Woher wollen sie wissen, ob sie ihm absolut vertrauen können? Cadet-Commander?“

Der angehängte Dienstgrad war in etwas abfälligem Ton gesprochen worden und einige der Kadetten sahen stirnrunzelnd hinüber.

„Das ist ganz einfach zu beantworten.“

Tyler stellte sich ziemlich dicht vor Gavin hin. Der sah ihn erst erstaunt, dann resigniert an.

„Ty, bitte nicht.“

„Es muss sein. Wenn wir ehrlich sein wollen, ist hier und jetzt der beste Zeitpunkt.“

Gavin nickte zögernd und Tyler beugte sich vor, um ihm einen langen sinnlichen Kuss zu geben.

Schweigen hatte sich über den Raum gelegt als das Gesicht von Dylan Drake plötzlich aufleuchtete. Langsam trat er neben seinen Bruder, streckte sich etwas und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Dann drehte er sich zu Gavin und gab ihm ebenfalls einen Kuss auf die Wange.

„Seit wann?“

Tyler drehte sich nun wieder zurück und sah alle im Raum an.

„Auf die Frage, ob ich ihm vertraue, kann ich nur antworten: absolut. Wir kennen uns seit 21 Jahren, fast seit dem Zeitpunkt unserer Geburt, haben alles miteinander geteilt und sind seit fünf Jahren ein Paar. Mein Auftrag an Gavin hat dich betroffen, Dylan.“

„Hm?“

„Seit du in das Royal Marine Cadet Corps eingetreten bist, ist Gavin dein heimlicher und persönlicher Leibwächter. Er hat mir bei unserer Liebe geschworen, dich mit seinem Leben zu beschützen.“


Im Konferenzraum war es etwas eng geworden. Die komplette Familie hatte Platz genommen, einschließlich David. Neben ihm saß jetzt Tyler Drake. Alle anderen dienstfähigen Kadetten, sowohl die Marines, als auch die der SILVERDRAGON, hatten sich an den beiden langen Wandseiten aufgestellt.

Kapitän Cameron hatte lange seinen Blick schweifen lassen über alle Anwesenden.

„Ich bin mir, ehrlich gesagt, nicht so ganz sicher was ich tun soll. Eine solche Situation ist neu für mich. Ich kann mit unehrlichen Händlern und Piraten umgehen, mit gierigen Bankern und mittelmäßigen Betrügen. Aber ein Staatsstreich? Das hatte ich bisher noch nicht im Programm.“

Tyler Drake hob die Hand und der alte Mann nickte.

„Verzeihen Sie, Sir. Aber auch für uns ist das neu. Wir wissen immer noch nicht, was genau passiert ist. Es hieß, der König und die beiden Prinzen sind tot. Nun, mein Bruder und ich sind definitiv nicht tot. Was mit meinem Vater passiert ist, ist völlig unklar. Gavin ist vollkommen durch den Wind, weil er nicht weiß, was seinen Vater zu einer solchen Aktion veranlasst hat. Die anderen Kadetten können nicht einmal mit ihren Familien in Verbindung treten, ohne offenzulegen, dass wir möglicherweise überlebt haben. Sie, Sir, werden anscheinend von der neuen königlichen Garde gejagt und vielleicht sogar von der Flotte des BfP. Ich möchte sie trotzdem bitten, uns weiterhin zu helfen. Wir möchten Klarheit darüber haben, was passiert ist und was weiter passieren soll.“

„Ich verstehe dich, Tyler, aber ich habe auch an meine Familie, meine Besatzung zu denken. Zum einen brauchen wir ein ausreichendes Einkommen, zum anderen möchte ich niemanden unnötigen Gefahren aussetzen. Das Leben auf einem Escort-Schiff ist schon gefährlich genug. Wir werden erst einmal ein paar Tage abtauchen müssen. Ich will erst herausfinden, ob wir wirklich irgendwo dumm aufgefallen sind oder auf irgendeiner Fahndungsliste stehen. Zu diesem Zweck sind wir bereits unterwegs zu einer kleinen Station, die uns bis jetzt als Notlandeplatz gedient hat und wo wir kleinere Reparaturen durchführen können. Dort werden wir sehen, welchen Schaden die Containerverankerung genommen hat. Wie es danach weitergeht, weiß ich noch nicht.“

Nicht nur die Kadetten sahen sich betroffen an, auch etliche der Familienmitglieder schienen sich unwohl zu fühlen. Tyler sah über den Tisch zu Captain Cameron.

„Sie haben schon mehr für uns getan, als es ihre Pflicht gewesen wäre, Sir. Sie haben sich mit dem BfP angelegt, und meinen Bruder und mich gerettet. Für uns wäre es vollkommen ausreichend, wenn sie uns auf einem Planeten der Föderation absetzen könnten. Dort wird man uns bestimmt weiterhelfen können.“

Einige der Kadetten senkten betreten ihre Köpfe. Bernard Cameron flüsterte wieder kurz mit seiner Frau, bis er sich langsam erhob.

„Mister Drake. Wie ich bereits vor kurzem schon einmal hier an dieser Stelle meiner Familie einen kleinen Rückblick gegeben habe, werde ich es für sie auch noch einmal tun. Mit Kevin ist dies ist jetzt die sechste Generation von Camerons, die als Händler den Raum durchkreuzt. Wir wären nicht so weit gekommen, wenn jeder von uns nur einfach seine Pflicht getan hätte. Wenn ein Cameron eine Ungerechtigkeit sieht, wird er eingreifen, ungeachtet seiner Pflichten oder anderer Gesetze. Und wenn wir eine Aufgabe beginnen, dann bringen wir sie auch zu Ende. Wir werden bestimmt niemanden zurücklassen, schon gar nicht jemanden, der unsere Unterstützung verdient.“

Tyler wollte etwas sagen, doch der Captain hob eine Hand.

„Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass wir das Königreich Alistair verlassen und dass sie höchst wahrscheinlich nicht so schnell wieder zurückkehren werden. Die am nächsten gelegenen Planeten der Föderation sind Randwelten, die zwar militärisch gut geschützt, aber immer ein Ziel der Feindaufklärung sind. Wenn wir sie dort absetzen, weiß spätestens übermorgen der Bundesmarschall des BfP, dass sie noch leben und wo sie sich aufhalten. Wir werden auf Fossath, unserem Notlandeplatz, genügend Zeit haben, darüber zu sprechen. Ich möchte sie nur darum bitten, dass sie sich mit ihren Leuten beraten, was sie genau wollen und wie sie es durchführen wollen. Wir werden sie soweit unterstützen wie wir können.“

Schweigen senkte sich über die Versammlung, bis dann Cynthia Cameron ebenfalls aufstand, ihren Mann unterhakte und sie gemeinsam den Konferenzraum verließen. Michael sah erstaunt hinter ihnen her und räusperte sich dann.

„Das wär’s dann erst mal. Wir sind auf dem Weg nach Fossath II. Bis dort wird es etwa vier Tage dauern. Ich nehme an, die Unterkünfte wurden verteilt?“

Lenny und David schüttelten den Kopf. David hatte eine Kammer im Besatzungsbereich erhalten. Mit den Kadetten hatten sie noch ein kleines Problem.

„Wir sind noch dabei. Wir müssen noch mal die Belegung ändern. Aber spätestens bis nach dem Essen ist alles erledigt.“

„Sehr gut, dann werden wir loslegen. Der Konferenzraum steht jetzt zur freien Verfügung. Die Brückenbesatzung auf Station.“

Für einen normalen Transitflug waren nur zwei Mann auf der Brücke notwendig. Alexander und seine Schwester Cyra waren die ersten und würden von Michael und Seth abgelöst werden.

David war auf dem Weg in seine Kammer. Der Besatzungsbereich war beim letzten Umbau der HIGHLANDER komplett umgestaltet worden. Die ehemals zwölf kleinen Kammern waren jetzt sieben komfortable Kabinen für zwei Personen.

David sah sich in seiner Kabine etwas verloren um. Er hatte nichts mitgebracht, außer dem, was er am Körper trug. Auf einem der beiden Betten lag ein kleiner Stapel mit Kleidung und einem Zettel oben drauf.

Hallo David. Die Sachen sind von mir, hoffentlich passt dir was. Die Unterwäsche ist aus dem Lagervorrat. Ich wusste nicht, was du lieber trägst, deshalb hier beides. Kevin

David sah zunächst die noch neu verpackten Sachen aus dem Lagervorrat durch. Sechs T-Shirts, sechs Boxer-Shorts und sechs Boxer-Briefs. Dann legte er Hemd und Hose ab. Die beiden Hemden von Kevin passten gerade so eben, die Hose war etwas eng. Zum Glück war es eine für den Arbeitsanzug, die in Länge und Umfang leicht angepasst werden konnte.

Schnell entschlossen schälte sich David auch aus seinen restlichen Sachen und ging hinüber in die Nasszelle. Die hatte den Namen gar nicht verdient, denn hier war genug Platz, dass beide Kammerbewohner sich darin gleichzeitig hätten aufhalten können. Nach einer ausgiebigen Dusche entschied er sich für dunkelblaue Boxer-Briefs. Als er sie anzog, dachte er unwillkürlich an Joel. Die Erinnerung an die muskulöse Gestalt des Felidaners in seinem hautengen Jumpsuit führte zu einer Reaktion, die David im Moment gar nicht gebrauchen konnte. Du musst dich schon bis zur Freischicht gedulden, flüsterte er seinem besten Stück zu und kam sich dabei etwas dämlich vor. Schnell zog er sich auch die restlichen Sachen an und eilte dann in Richtung Schiffslazarett.


Im Konferenzraum gingen die Gespräche inzwischen ziemlich erregt hin und her. Tyler Drake versuchte, seine Lage und die seines Bruders so nüchtern wie möglich zu beurteilen.

„Leute, ich denke, Captain Cameron hat die Einschätzung unserer Lage ziemlich realistisch dargestellt. Wir müssen der Wahrheit ins Gesicht blicken. Der König ist tot und Herzog Dybolt ist faktisch jetzt Herrscher, welchen Titel er auch immer benutzt. Mein Bruder und ich sind offiziell ebenfalls tot. Was ich noch nicht ganz beurteilen kann, ist die Intervention der Schiffe aus dem BfP. Ich vermute allerdings, Dybolt hat mit dem BfP eine Abmachung über die Absicherung seiner neu errungenen Macht. Gavin, weißt du etwas?“

Gavin Drake schüttelte den Kopf.

„Er hat nie etwas gesagt. Allerdings war er vor einem halben Jahr auf einer längeren Reise und er hat nicht genau erzählt, wo er war.“

Tyler sah zu seinem Bruder, doch der schüttelte den Kopf.

„So leid es mir tut, aber wir werden tatsächlich Alastair verlassen müssen. Sobald wir irgendwo auftauchen, haben wir den BfP am Hals. Und die sind nicht gerade zimperlich, wie wir gesehen haben.“

Dylan nickte traurig.

„Deshalb plädiere ich dafür, dass wir das Angebot von Captain Cameron annehmen und abwarten, was auf Fossath passiert. Wenn wir dort angekommen sind, werden wir sehen, mit wem wir alles Kontakt aufnehmen können oder wollen. Ich möchte gerne wissen, wer uns alles unterstützen will. Wir sollten jetzt nicht überstürzt einen Bürgerkrieg in Alastair auslösen, dessen Ausgang mehr als ungewiss ist.“

Obwohl es noch etliche Kommentare gab, wurde der Vorschlag von Tyler ohne Gegenstimme angenommen. Tyler machte sich auf den Weg zum Captain. Bernhard Cameron hörte den Vorstellungen des jungen Prinzen aufmerksam zu und nickte dann.

„Damit wäre ja alles beschlossen. Euch bleiben also etwa vier Tage, um euch genau zu überlegen, was ihr wollt. Auf dem Weg dahin ist noch etwas anderes zu erledigen. Ich möchte gerne die verstorbenen Kadetten im Weltraum beisetzen, am Besten in den Kapseln, in denen sie gestorben sind. Ihr könnt euch auch darüber mal Gedanken machen.“

Tyler wurde still. Daran hatte er überhaupt nicht mehr gedacht.

„Ach so. Lenny wartet im Konferenzraum. Es gibt da wohl ein Problem mit der Unterbringung.“

Eilig machte sich Tyler auf den Weg zurück. Lenny wartete schon auf ihn und zeigte auf einen kleinen Zettel mit der geplanten Belegung.

„Wir haben sieben Passagierkabinen, das macht vierzehn Plätze. Wir müssen aber acht Kadetten der Marines und acht Kadetten der Navy unterbringen.“

„Gibt es sonst wo noch freie Plätze?“

„Bei den Mannschaftsunterkünften. Das klingt zwar nicht besonders, ist aber genauso komfortabel wie eine Passagierkabine. Wir haben bei Kevin und bei David noch je einen freien Platz. Du müsstest mir nur sagen, wer zu wem soll.“

Tyler nickte und sah sich suchend um, während plötzlich die zwei Mädels der Marines nähertraten und auf ihn einredeten. Mit unbewegtem Gesicht lauschte er dem Wortschwall und grinste dann.

„Cadet-Sergeant Major Cooper!“

„Ja, Sir?“

Joel Cooper kam neugierig näher.

„Es hat ein kleines Problem mit den Unterkünften gegeben. Zwei Mann von uns werden zusammen mit einem Besatzungsmitglied untergebracht. Sie werden zusammen mit Mister Brennan eine Unterkunft bewohnen.“

„Bitte? Wer?“

Lenny grinste den Felidaner an.

„David Brennan. Du hast ihn bereits im Lazarett kennengelernt, so wie ich gerade erfahren habe.“

Joel Cooper erbleichte sichtlich, dann wurde er rot.

„Mit David?“

Tyler hob die Augenbrauen.

„Haben Sie damit ein Problem, Cadet-Sergeant Major?“

Joel fuhr erschreckt zusammen.

„Nein, Sir.“

Tyler lächelte und legte Joel eine Hand auf die Schulter.

„Gut. Dann ist das ja geklärt. Ich überleg mir, wen wir noch mit der Besatzung unterbringen können und Lenny wird dir zeigen, wo deine Unterkunft ist.“

Mit leicht hängenden Ohren folgte Joel Cooper Lenny in den Mannschaftsbereich, wo sie vor einer Tür mit der Kennzeichnung CREW 7 stehenblieb. Sie betätigte den Türsummer und sofort ertönte Davids Stimme.

„Ja?“

„Ich bin‘s, David, Lenny. Wir haben ein Unterbringungsproblem. Du musst leider deine Kammer mit jemandem teilen.“

Fast sofort öffnete sich die Tür und David sah neugierig hinaus.

„Mit wem soll ich denn…“

Seine Frage erstarb, als er Joel bemerkte. David sah unsicher zu Lenny, die nur mit den Schultern zuckte.

„Äh, mit ihm?“

„Ja. Hast du ein Problem damit? Ich dachte eigentlich nicht, dass du irgendwelche Vorurteile…“

David wedelte hektisch mit den Händen.

„Nein! Nein. Ich habe kein Problem. Ich war nur etwas überrascht.“

Lenny bemerkte nun amüsiert, wie die beiden jungen Herren sich gegenseitig unsicher ansahen und simultan rot wurden.

„Dann ist ja gut. Das größte Problem wird noch die Bekleidung werden. Wir haben zwar noch Unterwäsche im Bestand, aber Oberbekleidung wird schwierig. Lasst euch mal was einfallen.“

Ohne weiteren Gruß drehte sie sich um und eilte hinunter ins Lazarett.

„Möchtest du nicht reinkommen?“

David trat beiseite um Joel hereinzulassen. Etwas unsicher sah sich der in der Kammer um. Ein Tisch mit einem Stuhl, zwei getrennte Betten, ein paar Einbauspinde. Eine weitere Tür, vermutlich die Nasszelle. Etwas geräumiger, aber fast genauso unpersönlich wie die Unterkunft in der Militärakademie.

„Hm, möchtest du erst duschen?“

Joel sah David erstaunt an, dann schüttelte er wortlos den Kopf. David war verwirrt und er plapperte das erstbeste heraus, was ihm durch den Kopf schoss.

„Oh. Weshalb, ich meine… das Fell wird nass? Oder wie reinigen sich…“

Zum Ende hin wurde David immer leiser und Joel sah ihn merkwürdig an.

„Geht’s dir gut? Denk mal in Bisschen nach. Wenn ich duschen gehe, möchte ich nachher nicht mehr dieses Ding hier anziehen müssen. Also brauche ich ja wohl erst mal etwas Entsprechendes. Und ja, mein Fell wird nass. Und nein, es stört mich nicht, denn es wird auch wieder trocken. Ob du es glaubst oder nicht, auch Felidaner kennen die Kultur der Körperreinigung.“

David wurde blass. So hatte er es doch gar nicht gemeint.

„Sorry, so war das nicht gemeint. Ich wollte doch nur nichts verkehrt machen. Die Unterwäsche bekommen wir aus dem Lagerbestand. Andere Sachen dürften etwas schwieriger werden.“

Ein prüfender Blick fuhr über die große, muskulöse Gestalt des Felidaners. Der Einzige, dessen Sachen ihm passen könnten wäre vielleicht Alexander. Nein, das ging auch nicht. Einige Kleidungsstücke, wie zum Beispiel Hosen waren Spezialanfertigungen. Er konnte ja mal Kieran fragen.

„Ich versuch mal was aufzutreiben. Welche Größen brauchst du denn?“

„Äh, keine Ahnung. Moment.“

Mit geübten Bewegungen streifte Joel die Stiefel ab und schälte sich dann aus dem Jumpsuit. David sah ihm fasziniert dabei zu und schluckte dann schwer, als der Felidaner nur noch von seinem Fell bedeckt vor ihm stand.

Joel hatte Davids verlorenen Blick bemerkt. Er verfluchte gerade die Situation, aber es ging ja nun nicht anders. Wie gerne hätte er den Jungen vor sich unter anderen Bedingungen kennengelernt, als sich sofort vor ihm komplett auszuziehen.

„David, komm mal bitte her.“

Die fast geflüsterten Worte ließen David nähertreten. Joel nahm Davids rechte Hand in seine und legte sie auf seinen linken Arm.

„Das Fell ist nicht ganz so, wie das einer Katze. Es ist etwas härter und kürzer. Das größte Problem mit Bekleidung besteht im Strich. Die Haare liegen in einer Richtung.“

Joel führte Davids Hand etwas den Arm hinunter. Das Gefühl war trotz der gegenteiligen Bemerkung weich, fast flauschig.

„Gegen den Strich gibt es ein Problem.“

Jetzt wurde die Hand nach oben geführt und David bemerkte den Widerstand durch die Haare, die sich aufrichteten.

„Deshalb sind die meisten Kleidungsstücke der Felidaner an den Armen und Beinen offen und können durch Magnetleisten verschlossen werden. Das zweite Problem ist der Schweif.“

Etwas erschrocken zuckte David zurück, als Joels Schweif plötzlich vor seinen Augen herumwedelte.

„Man hat sich im Sprachgebrauch übrigens auf Schweif geeinigt, weil die eigentlich korrekte Bezeichnung Schwanz immer wieder zu anzüglichen Bemerkungen geführt hat. Mein Schweif ist übrigens 81 cm lang, der Schwanz etwas kürzer.“

Die letzte Bemerkung konnte sich Joel nicht verkneifen und er sah dann auch, wie Davids Blick erwartungsgemäß nach unten ruckte.

„Entschuldige bitte, aber das war ein Standardspruch aus der Akademie. Ich war die ganzen blöden Bemerkungen irgendwann leid.“

David nickte und sah wieder nach oben. Dann legte er seine Hand auf Joels nackte Brust. Die warme, hellbraune Haut war ein deutlicher Unterschied zu dem sandgelben Fell. Langsam ließ er seine Hand nach unten gleiten, bis Joel ihn aufhielt. David sah ihm in die strahlend blauen Augen und Joel beugte sich etwas herunter. Der erste Kuss war sanft, fast fragend. Der nächste war ebenso sanft, doch er enthielt schon eine Antwort. Joel umarmte David und zog ihn fest an sich. Nach dem nächsten Kuss sah er David erstaunt an.

„Warum weinst du, Kleiner?“

„Weil es so schön ist.“

David umschlang Joel und begann langsam sein Rückenfell zu streicheln. Joel seufzte.

„Ich möchte jetzt die Stimmung nicht verderben, aber ich sollte wirklich erst duschen gehen.“

David erstarrte etwas in den starken Armen. Joel spürte die Veränderung und seufzte.

„Felidaner haben die menschlichen Schweißdrüsen behalten. Das wäre nicht tragisch, denn das angefeuchtete Fell kann durch die Verdunstung ebenfalls für Kühlung sorgen. Einige Katzen lecken ihr Fell um diesen Effekt zu erzielen. Der Nachteil dabei ist, dass das Fell nach einiger Zeit anfängt, unangenehm zu riechen.“

David schnupperte unauffällig, konnte aber nichts feststellen. Joel hatte natürlich mitbekommen, was David machte und drückte jetzt Davids Kopf mit der Nase direkt an das Fell. Diesmal war deutlich zu merken, von was Joel gesprochen hatte. David befreite sich aus der Umklammerung.

„Okay. Also, du gehst duschen und ich besorge was zum Anziehen.“

Joel lächelte ihn an.

„Das wäre sehr nett. Wir können ja nachher gerne weiterreden.“

David sah Joel unsicher an. Er hätte gerne etwas mehr gemacht, als nur zu reden. Joel schien zu ahnen, was durch Davids Kopf ging. Ein leichter Schlag traf Davids Kehrseite und er sah noch Joels Schweif zurückzucken.

„Wir haben sicher noch ein paar ruhige Stunden vor uns, in denen wir uns näher kennenlernen können, wenn du das möchtest.“

Als David von seinem Beutezug zurückkehrte, kam Joel gerade aus der Dusche. Er hatte wohl auch die Warmluftanlage zum Trocknen genutzt, denn sein Fell stand deutlich ab.

„Hey, du siehst aus wie ein geplatztes Sofakissen.“

Joel fuhr herum und David fand sich plötzlich auf dem Boden liegend wieder. Sein Gelächter war mehr als laut, während Joel seine Rippenbögen bearbeitete.

Joel beendete seine Folter und David hörte langsam auf zu Lachen. Nachdenklich sah er den Felidaner an. Joel bemerkte eine ungewohnte Ernsthaftigkeit an ihm.

„Was ist los? Was überlegst du gerade?“

„Hm, weißt du, du bist wunderschön, aber…“

„Aber was?“

„Ich kenne dich nicht. Ich weiß nicht, was du denkst, was du kannst, wer du eigentlich bist. Ich sehe nur dein faszinierendes Äußeres. Aber ob das reicht? Oder reicht es dir? Einfach nur ein kleines Abenteuer ohne viel Nachdenken und ohne Verpflichtungen.“

Joel zögerte eine ganze Weile mit seiner Antwort.

„Wir sind als Felidaner alle in einer etwas anderen sozialen Ordnung erzogen worden. Für uns gilt immer und überall die Verantwortung gegenüber unseren Familien oder unseren Partnern. Nichts ist so wertvoll wie jemand, der zu dir hält. Deshalb würde es für mich niemals ein flüchtiges Abenteuer geben. Wenn ich meine Gefühle mit jemandem Teile, ist es immer ernsthaft und sollte auf Gegenseitigkeit beruhen.“

David hatte den Atem angehalten als er auf die Antwort wartete. Und sie kam so, wie er sich gewünscht hatte. Erleichtert zog er Joel zu sich herab, der gerne nachgab. Nach dem Kuss trennten sie sich und Joel zögerte etwas.

„Also, entweder du hast zu viel an, oder ich zu wenig.“

David grinste und sah auf die Uhr. Bedauernd seufzte er.

„Ich würde sagen, du hast zu wenig an. Ich habe einige Sachen von Alex und von Kieran mitgebracht. Kieran hat mich übrigens darauf hingewiesen, dass wir auch Bekleidung für Felidaner im Lagerbestand haben. Allerdings nur die Unterwäsche, wie ich feststellen musste.“

Joel sah durch die Kleidungsstücke, die David mitgebracht hatte.

„Hm, die T-Shirts von Alex könnten passen. Kieran ist ja etwas größer als ich. Ach so, deshalb die Shorts.“

Etwas belustigt sah David zu, wie Joel zunächst die Boxerbriefs anzog. Das elastische Material ließ sich weit genug dehnen um nicht durch das Fell behindert zu werden. Mit einem geübten Handgriff steckte Joel seinen Schweif durch das Loch auf der Rückseite.

Dann kam die Cargo-Shorts dran. Auch hier wieder als erstes der Schweif durch die Öffnung. Die Hose war etwas lang, die Hosenbeine gingen Joel bis knapp über die Knie.

Das T-Shirt war am einfachsten. Die kurzen Ärmel waren kein Problem.

„So, und jetzt?“

David sah nochmals auf die Uhr.

„Ich werde runter in die Kombüse gehen. Mal sehen, ob die Anlage für die große Anzahl an Leuten vorbereitet ist und ob wir genug Vorräte haben.“

„Du bist auch der Koch?“

„Ich bin kein Koch. Ich bin Systemgastronom. Das heißt, ich bin eigentlich Spezialist für sämtliche Anlagen und Geräte der Küche und des Service. Ich kann sie bedienen, warten und instand setzen. Das Bedienen bedeutet natürlich auch, dass ich sie programmieren kann und die Rezepte kennen muss, um die Zubereitung überwachen zu können.“

„Klingt gut. Irgendwie hab ich jetzt Hunger bekommen.“

„Dann einfach mir nach.“


„…und ihr hattet euch für ein Leben entschieden, dass euch zur Treue und Tapferkeit verpflichtet hat. Eine Treue, die auch den Tod mit einschließt, der nun so überraschend gekommen ist. Wir wollen hier an dieser Stelle nicht nach den Gründen suchen, sondern einfach nur mit denen trauern, die einen Freund und Kameraden verloren haben. Wir werden euch nun auf eure letzte Reise schicken.“

In der großen Schleuse waren fünf Rettungskapseln nebeneinander aufgebaut worden. Zwei von ihnen beinhalteten nun die sterblichen Überreste der vier Marines, die nicht überlebt hatten. Die anderen drei waren die Kapseln, bei denen das Lebenserhaltungssystem ausgefallen war.

Tyler hatte die Kadetten der SILVERDRAGON in ihren Uniformen und die Marines in ihren beschädigten Kampfpanzerungen antreten lassen. Die Besatzung der HIGHLANDER war ebenfalls angetreten. Kevin sah hier zum ersten Mal in seinem Leben seinen Großvater in der Uniform eines Kapitäns der Handelsmarine.

Captain Cameron nickte Tyler wortlos zu und der gab die Kommandos.

„Ehrenformation stillgestanden. Augen rechts.“

Die Köpfe ruckten herum, mit Blick zu den improvisierten Särgen. Seth Holmes aktivierte den Fangstrahler, der nun die die fünf Särge aufnahm und langsam zu dem bläulich schimmernden Polarisationsfeld schweben ließ.

Als der erste Sarg auf das Feld traf, ertönte plötzlich eine Melodie aus den Lautsprechern, die viele zunächst etwas verwunderte. Die hohen, klagenden Töne schienen zu keinem Instrument zu passen, das sie kannten. Kevin erschauerte. Er kannte das Instrument und auch die Melodie.

Als der letzte Sarg die Schleuse verlassen hatte, wurden die Tore zugefahren und Tyler entließ seine Formation.

„Augen gerade-aus. Ehrenformation, rührt euch.“

Als die Schleusentore geschlossen waren, verstummte auch die Musik.

„Meine Damen und Herren, ein paar kurze Bemerkungen. Zunächst etwas zur Musik. Sie wurde gespielt auf Instrumenten, die es schon vor sechstausend Jahren auf der alten Erde gab. Es sind Bagpipes und sie sind auf unserer Heimatwelt immer noch in Gebrauch. Das Stück heißt ‚Going Home‘.“

Tyler sah den Captain etwas verwundert an.

„Going Home?“ fragte er, doch dann nickte er nach einer Weile.

„Ich glaube, ich verstehe. Sehr passend.“

„Meine zweite Bemerkung werden einige von ihnen vielleicht unangebracht halten, aber ich möchte an einer weiteren Tradition meiner Heimatwelt festhalten, die ebenfalls von der alten Erde mitgebracht wurde. Nach einer Trauerfeier wird eine Erinnerungsfeier abgehalten. Das ist etwas, wo alte Geschichten erzählt werden und wo sich noch einmal an die Kameraden zurückerinnert werden kann.“

Kevin war erstaunt. Er hatte bis jetzt nur einmal eine Erinnerungsfeier mitgemacht und daran keine guten Erinnerungen gehabt. Was sein Großvater nämlich nicht erwähnt hatte, es gab Alkohol für alle, die ihn wollten. Kevin hatte drei Tage Kopfschmerzen gehabt und seine Geschwister etwas zu Lachen. Doch Alex hatte es ihm nachher erklärt.

„Du hattest einen riesigen Kater, richtig? Und wann war das? Bei der Erinnerungsfeier an Urgroßvater Seamus. Und jedes Mal, wenn du morgens mit einem Schädel aufwachst, wirst du automatisch an ihn erinnert.“

Kevin fand das damals gar nicht witzig und Alex schien es auch nicht völlig ernst gemeint zu haben. Aber da war schon was dran.

In der Messe war es zunächst ziemlich ruhig. Einzelne kleine Gruppen fanden sich zusammen und redeten leise. David fühlte sich zuerst etwas alleine, doch dann wurde er von Kieran abgelenkt. Der große Felidaner mit dem hellen Fell setzte sich zu David an den Tisch und lächelte ihn an.

„Na, wie geht es denn mit deinem neuen Mitbewohner?“

David musterte Kieran zunächst etwas argwöhnisch.

„Wir kommen ganz gut miteinander aus.“

Kieran lächelte etwas breiter.

„Und du hast ihm schon erzählt, dass du Jungs magst? Ganz besonders solche mit einem Fell?“

David sah peinlich berührt auf die Tischplatte. Er konnte sich deutlich an seine erste Begegnung mit Kieran erinnern.

„Äh, ja. Wir haben schon darüber gesprochen.“

„Ach. Und was hat er gesagt?“

David sah etwas hilflos zu Joel hinüber, doch der war in einem Gespräch mit Gavin und Dylan.

„Ich habe ihm gesagt, was ich fühle und er ist darauf eingegangen.“

Kieran hob die Augenbrauen.

„Interessant. Dann wünsche ich euch beiden viel Glück.“

Mit einem Seitenblick erhob sich Kieran schnell von seinem Platz und David war etwas erstaunt, doch dann bemerkte er Joel, der sich nun neben ihn setzte.

„Hey, hast du mit einem Felidaner noch nicht genug?“

„Blödmann. Der hat seinen Freund. Aber schau mal dort drüben.“

Joel sah in die Richtung in die David wies und erkannte Adrian van Buren, der dicht neben Kevin saß und die sich intensiv unterhielten.

„Ja und? Adrian ist doch bei Kevin auf der Bude.“

„Ja, aber pass mal auf.“

Joel sah wieder hinüber und nach einer Weile bemerkte er, wie Kevin nach der Hand von Adrian griff und sie lange festhielt.

„Du meinst…“

„Ich meine gar nichts. Wir wollen mal sehen, wie sich das entwickelt. Möchtest du auch etwas zu trinken?“


Der Abend war etwas schwierig für Joel und David. Beide waren gleichzeitig zu ihrer Unterkunft zurückgekehrt und hantierten etwas unschlüssig mit ihrer Bekleidung. David sah nachdenklich auf sein Bett.

„Was glaubst du, kann man da auch mit zwei Mann drin schlafen?“

Joel drehte sich langsam um.

„War das eine Frage oder eine Einladung?“

„Wenn du möchtest, war es eine Einladung.“

Joel trat auf David zu, der sich wieder umgedreht hatte und weiter sein Bett ansah. Vorsichtig umarmte Joel ihn von hinten und gab ihm einen Kuss in den Nacken.

„Vielen Dank für die Einladung. Ich werde sie gerne annehmen.“

David drehte seinen Kopf so weit wie möglich nach hinten und sah nun in Joels strahlend blaue Augen. Joel beugte sich weiter vor und gab David einen Kuss auf den Mund. Langsam drehte sich David, ohne den Kuss zu unterbrechen. Lange standen sie so da, jeder nur die Gegenwart ihres Gegenübers genießend.

David begann an Joels T-Shirt zu zupfen und der verstand die Aufforderung. Mit zwei Handgriffen hatte er sich des Kleidungsstückes entledigt. David bewunderte von neuem den muskulösen Oberkörper des Felidaners. Von den ausgeprägten Brustmuskeln mit den kleinen Brustwarzen neben denen schon nach außen hin das Fell begann, bis hin zu dem deutlichen Sixpack der noch von glatter Haut bedeckt war. Mit geschlossenen Augen fuhr er mit beiden Händen an Joels Vorderseite herunter, bis er auf die Hose traf. Zögernd griff er nach dem Magnetverschluss von Joels Hose.

„Darf ich?“

„Ja, Kleiner. Mach einfach weiter.“

Mit geschickten Fingern öffnete David die Hose und stand nun vor einem weiteren Problem. Joel lachte leise. Dann führte er Davids Hände auf beiden Seiten um sich herum und ließ ihn den Schweif direkt am Ansatz greifen. Langsam zog David den Schweif durch das Loch der Hose nach innen, bis die Hose von alleine nach unten sackte.

„Der Haarstrich geht zur Spitze. Nach innen ziehen ist einfach“ flüsterte Joel, während er David von seinem T-Shirt befreite.

Mutiger geworden, fasste David noch einmal nach Joels Schweif und ließ seine leicht geöffnete Faust vom Ansatz bis fast zur Spitze laufen. Erstaunt bemerkte er, wie Joel etwas zitterte.

„Was ist? Habe ich was falsch gemacht?“

„Nein, wirklich nicht. Es ist einer der Gründe, warum sich Felidaner ungerne am Schweif packen lassen. Es hat, wenn man in der richtigen Stimmung ist, auch eine stark erotische Wirkung.“

„Oh!“

Sofort ließ David den Schweif los, doch Joel lachte.

„Mach ruhig weiter. Es ist angenehm.“

David war im Moment aber leicht abgelenkt von Joel, dessen Zunge sich plötzlich mit einer seiner Brustwarzen beschäftigte. Vollkommen von dem Gefühl überwältigt, bemerkte er erst einen Moment später, dass Joel ihn ebenfalls aus seiner Hose befreit hatte.

Joel sah ebenso bewundernd an David herab, wie der zuvor an ihm. David war kleiner und schlank, ohne allzu stark ausgeprägte Muskeln, doch genau das war es, was Joel so faszinierend fand. Die helle Haut war überall und Joel fuhr mit seinen Händen über Brust und Rücken. David schnappte nach Luft, als Joel leicht mit der Hand über die Beule in seinen Boxerbriefs fuhr. Joel grinste. Er würde wohl nicht so oft ‚Kleiner‘ zu ihm sagen dürfen.

David trat nun dicht an Joel heran und ließ seine Hände über dessen Rücken fahren. Das Gefühl mit dem Fell unter seinen Händen war unbeschreiblich. Langsam aber sicher arbeiteten sich seine Hände weiter den Rücken hinab. Den Saum der Boxerbriefs ignorierte er und fuhr mit beiden Händen darunter um sie dann auf den Hinterbacken liegen zu lassen.

„Du weißt, wie es geht“ flüsterte Joel.

David fasste den Schweif beim Ansatz und zog ihn langsam nach innen. Diesmal blieb die Unterhose an Ort und Stelle. David ging in die Hocke, um die Vorderseite zu betrachten. Die Elastizität des Materials schien hier fast an ihre Grenzen zu stoßen. Entschlossen zog er Joel auch das letzte Kleidungsstück herunter.

Bevor er etwas sagen oder tun konnte, spürte er, wie Joel ihn an den Schultern wieder hochzog. Und wieder machte sich Joels Zunge an die Arbeit, begann am Hals und war auf dem Weg nach Süden. Vor Davids Boxerbriefs machte sie allerdings keinen Halt. Mit zwei kurzen Handgriffen hatte Joel die Hose entfernt und seine Zunge war am Ziel.

Es dauerte nicht lange, bis David und Joel zusammen aus der Dusche kamen. Beide legten sich auf Davids Bett und hingen etwas ihren Gedanken nach. Joel zögerte etwas, dann seufzte er.

„Okay. Es ist vielleicht etwas unpassend, jetzt darüber zu reden, aber ich möchte gerne wissen, ob du mehr machen möchtest.“

„Mehr? Oh, du meinst den Sex?“

Joel nickte schweigend.

„Ist das denn wichtig? Ich meine, ich mag dich. Sehr sogar.“

Joel wirkte zunächst etwas überrascht, aber dann umarmte er David und sie fanden sich zu einem langen Kuss.

„Ich mag dich auch, Kleiner. Und deshalb ist es wichtig, vorher darüber zu sprechen. Es gibt nämlich zwei Dinge, die vorher geklärt sein müssen.“

David sah Joel vollkommen erstaunt an.

„Das erste ist ein Bisschen schwierig zu erklären. Es liegt in der Natur der Felidaner. Du weißt, dass die Vermischung ein genetisches Experiment war?“

David nickte. Das wurde sogar in der Schule unterrichtet.

„Beim Sex kommt die Natur der Katze etwas mehr zu Tage. Die Männchen sind etwas, äh, wie soll ich sagen… dominant?“

„Du bist ein Top?“

„Nein, das ist es nicht. Gerade beim Höhepunkt werden wir etwas… aggressiv. Es ist nicht so, dass es in Gewalt ausartet, aber wir… ich kann dann sehr schlecht aufhören. Es ist wie ein Rausch, der erst mit dem Orgasmus endet.“

David schwieg eine ganze Weile.

„Gut, dass du es gesagt hast. Und das zweite?“

Joel sah David misstrauisch an. Hatte er verstanden, worum es ging?

„Das zweite? Ja, das kann ich dir besser zeigen. Leg dich mal bitte flach auf den Rücken.“

David wunderte sich etwas, streckte sich aber lang aus.

„So, wo befindet sich dein Steißbein?“

„Hu? Na, da lieg ich drauf.“

„Richtig. Jetzt stell dir mal vor, an den kleinen Wirbeln wäre immer noch ein Schweif.“

David stutzte, dann drehte er sich automatisch auf die Seite.

„Siehst du. Ich habe da noch einen Schweif. Worauf ich hinaus will ist, ich kann nicht auf dem Rücken liegen. Zumindest nicht ganz ausgestreckt.“

Joel rollte sich etwas zusammen und drehte sich auf den Rücken. Seinen Unterkörper musste er dabei soweit anheben, dass der Ansatz des Schweifs von der Unterlage frei blieb. David sah ihm dabei zu und musste unwillkürlich grinsen.

„Na ja. Die Stellung ist aber auch sehr praktisch.“

„Ja, aber auf die Dauer auch etwas anstrengend. Deshalb wollte ich noch auf etwas anderes hinaus. Dabei komme ich wieder auf die Natur der Katze.“

David kam eine spontane Erleuchtung, worauf Joel hinauswollte.

„Du meinst, von hinten?“

Joel machte ein entrüstetes Gesicht.

„Das klingt so vulgär, aber es stimmt. Es ist eine der wenigen Stellungen, wo der Schweif nicht besonders im Weg ist.“

David schüttelte wortlos den Kopf. Es war mit einem anderen Menschen schon schwierig genug, aber mit einem Felidaner? Er dachte eine ganze Zeit darüber nach und Joel störte ihn auch nicht dabei. Fast unbewusst drehte er Joel etwas weg von sich, so dass er sich an sein Rückenfell anschmiegen konnte. Joel grinste und David spürte plötzlich Joels Schweif, der sich zwischen seinen Oberschenkeln hindurch nach hinten schlängelte und sanft über Davids Hinterbacken strich.

David seufzte zufrieden. So wollte er immer einschlafen. Dann lächelte er verschmitzt. So, so. Sein großer Kater stand also auf Doggy-Style, welch eine Ironie. Wenn das mal gut gehen würde.


David tappte verschlafen auf den Türöffner der Messe. Er hatte sich lediglich die Hose des Arbeitsanzuges übergestreift und versuchte, einen Kaffee zu ergattern. Als sich die Tür mit einem leisen Zischen zurückschob, sahen ihn drei fröhliche Gesichter an. Prinz Dylan grinste und hob seine Tasse.

„Morgen! Wie wär’s mit einem Kaffee?“

David grummelte etwas Unverständliches und schlich im wahrsten Sinne des Wortes zum Tisch wo er sich vorsichtig auf einem der Drehstühle niederließ. Er gähnte laut.

Gavin, der neben Dylan saß, grinste ebenso breit. „Na, lange Nacht gehabt?“

David beäugte ihn misstrauisch, während Lenny ihm eine Tasse hinstellte und Kaffee eingoss. Gavin war mit Tyler zusammen und da wusste er nicht, ob die Nacht nicht ebenfalls sehr kurz gewesen war.

Lenny setzte sich gegenüber von David und sah ihm zu, wie er vorsichtig den heißen Kaffee schlürfte.

„Mein Gott. Du siehst aus wie ein frisch gevögeltes Eichhörnchen.“

Dylan erstarrte mitten in der Bewegung während David Lenny freundlich anlächelte.

„Okaaaay, das Eichhörnchen nimmst du aber zurück.“

Lenny sah David fragend an. Und während Dylan prustend seinen Kaffee über den Tisch verteilte, bekam Gavin einen Lachflash. Lenny sah erst irritiert zu Dylan herüber, dann zu Gavin und dann wieder zurück zu David. Der hatte jetzt ein wirklich breites Grinsen aufgesetzt. In Lennys Gesicht arbeitete es, während sie versuchte, das eben Gehörte zu sortieren. Plötzlich schlug sie sich die Hand vor den Mund.

„Wie? Du meinst... du hast...ihr habt…“

„Ja, hat er!“

Joels muskulöse Gestalt war jetzt ebenfalls in der Tür erschienen. Auch er trug nichts weiter als die von Kieran geliehenen Shorts. Seine goldblonden Haare waren verwuschelt und er sah ebenso übernächtigt aus wie David.

Mit ein paar kurzen Schritten war er hinter David getreten, beugte sich herunter und pustete leicht gegen Davids linkes Ohr. Dann sah er Lenny an.

„Und bevor jemand fragt, ihr dürft mich ab sofort ebenfalls Eichhörnchen nennen.“

Diese Äußerung bewirkte einen weiteren Quiekser von Lenny und einen erneuten Kaffeschwall von Dylan. Gavin konnte sich kaum beruhigen.

Lenny sah Joel mit großen Augen an.

„Heißt das jetzt, dass ihr beide...?“

David sah nach oben direkt in die blauen Augen von Joel.

„Na, heißt das jetzt, dass wir beide?“


Fossath II war eine trockene Welt mit wenig abwechslungsreicher Flora und fast keiner Fauna. Der Notlandeplatz befand sich auf der Hochebene eines mächtigen Gebirgskamms.

Der Platz bestand lediglich aus einer planierten Landefläche, mehreren kleinen Gebäuden und dem Mast einer Sendeanlage. Die meisten der jungen Damen und Herren waren froh, mal wieder die Oberfläche eines Planeten betreten zu können.

Tyler betrachtete nachdenklich den Sendemast. Bernard Cameron hatte ihn beobachtet und kam näher.

„Nun, Mister Drake. Bedenken?“

Tyler schüttelte den Kopf.

„Ich weiß nur nicht, was uns hier erwartet. Ich befürchte, wir werden lange Zeit nicht mehr zurückkehren können. Was soll aus uns allen werden?“

„Das weiß ich, ehrlich gesagt, auch nicht. Aber ich habe schon ein paar Maßnahmen ergriffen. Gleich nach dem Eintritt in das Hoheitsgebiet der Föderation habe ich ein verschlüsseltes Kurzsignal senden lassen, dass uns höchst wahrscheinlich bald Besuch bescheren sollte.“

Tyler sah den Captain vollkommen erstaunt an.

„Ein Kurzsignal. Ich verstehe nicht ganz. So etwas wird bei militärischen Geheimoperationen verwendet.“

Bernard Cameron lachte.

„Na ja. Ich habe da ein paar ganz gute Beziehungen. Ich hoffe nur, dass sie auch euch helfen können. Aber ich muss los, wir wollen die Containerverankerungen kontrollieren.“

„Falls sie Hilfe brauchen sollten, Sir, vier meiner Leute von der SILVERDRAGON waren beim Ingenieurcorps in der Ausbildung. Vielleicht können sie etwas unterstützen.“

„Oh, tatsächlich? Ich werde mit Cyra darüber reden, vielen Dank.“

Die Instandsetzungsarbeiten gingen mit der Unterstützung ganz gut voran und schon nach zwei Tagen war die Containerverankerung wieder wie neu. Zum Glück hatten sie die nötigen Ersatzteile an Bord.

Captain Cameron war gerade bei einer Besichtigung der Außenhülle des Schiffs, als sein Com-Armband piepte.

Am anderen Ende war eine junge Stimme, die er nicht zuordnen konnte, doch Michael und Alex hatten die Kadetten aus der Astrogationsausbildung für den Schichtdienst an den Sensoren verpflichtet.

„Captain, wir haben eine Sensorerfassung bei den äußeren Planetenbahnen. Der Stärke nach ein riesiges Schiff oder ein kleiner Flottenverband.“

Bernard Cameron quittierte und begab sich auf den Weg zur Zentrale. Wenn der Austrittspunkt bei den äußeren Planeten war, hatten sie noch eine Weile Zeit.

Es war tatsächlich ein kleiner Flottenverband von einem Schweren Kreuzer, fünf Leichten Kreuzern und einer Korvette.

Obwohl die HIGHLANDER auf dem Planeten stand, war die Zentrale wie bei Gefechtsalarm voll besetzt.

„Anruf.“

„Escort-Ship HIGHLANDER, hier ist die HMSS DECEIVER. Unser Admiral möchte mit ihnen sprechen. Einen Moment.“

Das Bild auf dem großen Panoramaschirm wechselte und zeigte nun einen älteren Mann mit roten, leicht ergrauten Haaren in der Uniform der terranischen Marine. Lediglich Alex und Kieran registrierten mit Erstaunen die Dienstgradabzeichen, die mit dem Blau des Intelligence-Service unterlegt waren.

„Bernard Cameron, ich hoffe, du hast mich nicht in diese entlegene Gegend gelockt, nur um mit mir einen Whisky zu trinken.“

Captain Cameron grinste. Es lief besser, als er gehofft hatte.

„Angus Campbell, lass deine Konservendose landen und wir trinken einen Whisky. Ich habe dir eine Menge zu erzählen.“

Der Admiral nickte etwas überrascht.

„Wir sind gleich unten. Schenk schon mal ein.“

Der Panoramaschirm wurde dunkel und alle Blicke in der Zentrale richteten sich nun auf den Captain. Alex brachte es auf den Punkt.

„Was war das denn?“

„Das, mein lieber Alex, war Angus Campbell. Ein alter Freund von mir und auch ein entfernter Verwandter. Ich glaube, unsere Großväter waren Vettern, oder sowas.“

Alex holte tief Luft, doch Kieran machte ihm ein Zeichen.

„Vizeadmiral Campbell trägt die Abzeichen des Intelligence-Corps.“

Bernard Cameron lächelte schwach.

„Sollte er auch. Schließlich ist er der Kommandeur des Intelligence-Corps der Royal Navy. Ach übrigens, ich möchte gerne, dass er an der Bodenschleuse empfangen wird. Ich würde sagen, Alex mit Kieran und David mit Joel.“

Es gab wieder etliche merkwürdige Blicke, doch Alex und Kieran erhoben sich, während Kevin die beiden anderen informierte. Der Captain winkte Alex zu sich und flüsterte einen Moment mit ihm, worauf dieser nickte.

Unten an der Bodenschleuse waren alle vier in ihren Mehrzweckkombis angetreten. Kieran hatte Joel einen Tipp gegeben, wie er die Hosen verändern konnte und so gab es auch für ihn jetzt passende Sachen.

Admiral Campbell kam zum allgemeinen Erstaunen alleine den kurzen Weg von der gelandeten Korvette herüber. An der Rampe musterte er kurz Alex.

„Du musst Alexander sein. Dein Großvater hält mich schon mal auf dem Laufenden über die Familie.“

Alex nickte und begann mit der Vorstellung, so wie sein Großvater angeordnet hatte.

„Dies ist Kieran Yordis. Er ist unser Feuerleitoffizier und mein Partner.“

„Yordis? So, so. Und der Partner von Alex? Freut mich, dich kennenzulernen.“

Kieran schüttelte verblüfft die Hand des Admirals.

„David Brennan. Unser Rettungssanitäter. Er stammt von Arganthi.“

Mit leicht hochgezogenen Augenbrauen gab der Admiral auch David die Hand.

„Joel Cooper. Cadet-Sergeant Major des Alastair Marine Corps.“

Joel konnte sich gerade noch beherrschen, nicht militärisch zu grüßen und gab dem Admiral ebenfalls die Hand. Der betrachtete noch einmal intensiv die vier jungen Männer vor ihm und nickte dann nachdenklich.

Bei den Privaträumen des Captains klopfte Alex kurz an und öffnete dann die Tür.

„Admiral Campbell, Sir.“

Bevor die Tür sich wieder schloss, hörte Alex nur noch kurz den Admiral.

„Bernard, ich glaube, ich brauche tatsächlich einen Whisky. Wie um alles in der Welt hast du…“

Die nächsten, die zu einer Unterredung gerufen wurden waren Tyler, Dylan und Gavin. In der Zwischenzeit hatten Michael und Kevin die Anweisung erhalten, Kopien von sämtlichen Aufzeichnungen, die im Königreich Alastair gemacht wurden, zusammenzufassen und die Datei dem Admiral beim Verlassen auszuhändigen.

Nach über drei Stunden waren die Unterredungen endlich beendet und es begann ein kurzer, entspannter Teil, der auch einige Gläser Whisky beinhaltete.

Als der Admiral die HIGHLANDER verlassen hatte, rief Captain Cameron alle in der Messe zusammen.

„Ich möchte kurz etwas zu dem Besuch sagen. Admiral Campbell wird alle Informationen, die wir ihm übergeben haben, an die zuständigen Stellen weiterleiten. Das sind hauptsächlich zwei Institutionen. Zum einen die terranische Regierung. Der Premierminister wird über die jüngste Lage unterrichtet und auch über die Tatsache, dass sich die königlichen Prinzen in den Grenzen der Föderation befinden. Das ist eine schwierige politische Lage.“

Das Murmeln im Raum wurde lauter und der Captain bat um Ruhe.

„Wir waren bisher mit dem Königreich Alastair verbündet. Da es aber keinen militärischen Angriff von außerhalb gibt, gab es keine Möglichkeit zu einer Intervention. Die Entsendung von Einheiten des BfP geschah auf ausdrücklichen Wunsch des jetzigen politischen Machthabers.“

„Gibt es da denn keine Regierung?“

Tyler erhob sich und sah hinüber zu Lenny.

„Nein, nicht in eurem Sinne. Alastair ist eine konstitutionelle Erbmonarchie. Es gibt zwar ein Parlament und eine Regierung, doch der König ist sowohl Regierungsoberhaupt als auch Staatsoberhaupt.“

Kevin stand nun ebenfalls auf.

„Das heißt also, wenn dieser Dybolt sich zum König macht, ist er auch Regierungschef und kann Bündnisse mit wem auch immer schließen?“

Tyler nickte stumm und der Captain fuhr fort.

„Unsere Regierung kann sich schlecht in die innenpolitischen Angelegenheiten eines anderen Staates einmischen. Es ist rechtlich gesehen schon sehr grenzwertig, was wir mit der HIGHLANDER in Alastair gemacht haben. Zunächst wird erst einmal abgewartet, wie die Lage sich dort entwickelt.“

„Aha. Und was passiert dann? Und wer ist die zweite Institution? Und wer…“

„Mein lieber Kevin, dürfte ich auch mal?“

Kevin schloss verblüfft den Mund und setzte sich wieder.

„Was weiterhin passiert, liegt tatsächlich daran, wie sich alles entwickelt. Wir können im Moment nur reagieren und versuchen, das Beste daraus zu machen. Die Frage nach der zweiten Institution ist für einen guten Monarchisten eigentlich überflüssig.“

Fast alle lachten und Kevin lief rot an.

„Ich rede von unserer Majestät, König Simon dem XLVII. Er hat zwar keine politische Gewalt, doch die Verfassung gibt ihm in einigen Bereichen eine Eigenständigkeit. Unter anderem in dem seiner Familie. Wenn du aufgepasst hättest, Kevin, dann wüsstest du, dass sich unser Königshaus und das von Alastair erst vor 680 Jahren getrennt haben. Somit betrachtet König Simon Dylan und Tyler als entfernte, aber immerhin Verwandte.“

„Ach so?“

„Damit wird auch hier das Gesetz ganz schön gedehnt, aber Tyler und Dylan könnten theoretisch am terranischen Königshof unterkommen.“

Beide schüttelten gleichzeitig den Kopf und auch Gavin sah nicht sehr glücklich aus.

„Es wird im Moment auch noch an weiteren Möglichkeiten gearbeitet, die aber erst einmal gründlich auf ihre rechtliche Machbarkeit untersucht werden müssen. Wir werden in etwa zwei Wochen Nachrichten darüber erhalten, was noch möglich ist.“

Michael Cameron sah auf.

„Zwei Wochen? Was ist mit den laufenden Kosten?“

„Äh, ja. Also das wollte ich eigentlich nicht so öffentlich kundtun, aber vielleicht ist es ganz gut so. Alle Kosten, die beim Einsatz und auch durch Ausfall entstanden sind werden durch die Privatschatulle von König Simon beglichen.“


Es dauerte fünfzehn Tage, bis das nächste Schiff eintraf. Trotz dessen, dass ein Schiff erwartet wurde, ging die Besatzung der HIGHLANDER wieder auf ihre Gefechtsstationen.

„Das sind aber merkwürdige Daten. So ein Schiffstyp ist gar nicht erfasst.“

„Hat es eine Kennung?“

„Jawohl, Sir. Es hat eine Navy-Kennung.“

„Dann lassen wir uns mal überraschen.“

„Anruf.“

„Escort-Ship HIGHLANDER. Hier ist die HMSFS GOLDEN BOY. Wir erbitten Landeerlaubnis.“

„Darf ich fragen, was sie herführt?“

Auf dem Panoramaschirm wechselte das Bild zu einem jungen Mann in einer schwarzen Uniform.

„Ich bin Lieutenant-Commander Sheldon und ich bringe ihnen die Ergebnisse, die ihnen Admiral Campbell versprochen hat.“

Während der Captain nickte, starrte Alex zunächst sprachlos auf den Schirm.

„Timothy!“

Der Aufnahmewinkel wechselte und nun schien auch der Commander etwas sprachlos.

„Alex! Wo kommst du denn… oh, Mann. Cameron. Ich hätte es wissen sollen.“

Aus dem Kommandantensessel kam ein belustigtes Brummen.

„Ich nehme an, die Herren kennen sich. Sie können direkt neben uns landen, da ist noch genug Platz auf dem befestigten Gelände. Und dann wird Alex sie unten abholen.“

„Alex und Kieran gehen runter. Der Gefechtsalarm ist aufgehoben.“

Auf dem Weg zur Bodenschleuse war Alex merkwürdig wortkarg. Kieran sah ihn belustigt an.

„Du willst mir etwas sagen?“

Alex fing an zu stottern.

„Also, also bevor du…, ich meine, jemand anders…“

„Lass mich raten. Du hattest eine Affäre mit ihm?“

Alex sah Kieran erschrocken an.

„Es war… es war, bevor wir uns kennenlernten. Auf der Akademie. Ich habe meinen Abschluss gemacht und er war auf einem Lehrgang. Ich war das erste Mal ernsthaft verliebt. Doch er hat mir gleich gesagt, dass in der Navy kein Platz für Beziehungen ist. Jedes Mal wenn du raus gehst, weißt du nicht, ob du wieder zurückkommst. Und bei den Jägerpiloten ist das noch viel schlimmer.“

Lieutenant-Commander Sheldon wurde von einem großen, rothaarigen jungen Mann begleitet, der die Abzeichen eines Majors des Marine-Corps trug.

Als Alex und Tim sich gegenüberstanden, gab es erst einmal Schweigen.

„Okay, also Alex. Das ist Major Colin Campbell. Mein Intelligence-Offizier und mein Partner.“

Alex war überrascht. Hatte es Tim also doch gewagt? Der Major lächelte ihm freundlich zu. Hatte Tim ihm auch seine Geschichte gestanden?

„Dies ist Kieran Yordis. Unser Feuerleitoffizier - und mein Partner.“

Tim stutzte einen Moment, dann lächelte er breit.

„Wir haben es also beide gewagt. Dann geht mal voran. Ich glaube, dein Großvater wird über unserem Vorschlag mehr als erstaunt sein.“

Das war er dann auch. Die Besprechungen fanden im Konferenzraum statt. Die erste Runde war nur mit dem Captain und den beiden Besuchern. Die zweite Runde war zum allgemeinen Erstaunen dann nur mit dem Captain und Michael und ihren beiden Ehefrauen.

Die dritte Runde wurde vier Stunden später einberufen und betraf die Besatzung der HIGHLANDER.

„Meine Damen und Herren, ich habe eine Ankündigung zu machen. Nach Rücksprache mit dem engsten Familienrat haben wir beschlossen, die HIGHLANDER nicht weiter selbst auf eigene Rechnung zu betreiben. Das Schiff wird von der Navy für die Special Forces als HMSFAS HIGHLANDER in Dienst gestellt. Wir werden das Schiff als zivile Besatzung weiterhin fliegen.“

„Was bitte ist HMSFAS?“

„Kevin, lässt du mich bitte einmal ausreden? Es bedeutet His Majestys Special Forces Auxiliary Ship. Zufrieden?“

„Wir werden das Versorgungsschiff für die GOLDEN BOY und ein weiteres Schiff, das noch erst in Dienst gestellt werden soll.“

Jetzt begann Bernard Cameron breit zu lächeln und Kevin schwante nichts Gutes.

„Und damit wären wir auch schon bei einer Besonderheit angelangt. Das Schiff wird noch einmal vollkommen umgebaut. Die Besatzung wird sich so gut wie verdoppeln und die Ausrüstung wird der Aufgabe angepasst.“

Alle staunten ein wenig, denn jetzt erhob sich Kevins Großmutter zu einer ihrer seltenen Ansprachen.

„Wie bereits erwähnt, findet ein weiterer Umbau statt. Fünf der Passagierkabinen werden den Besatzungsunterkünften angeglichen. Die beiden übrigen werden jeweils als einzelne Suiten aufgewertet. Die Containerverankerungen werden um die Hälfte zurückgerüstet, ebenso wie ein Teil des Frachtraums. Das geht zum einen Teil zu Gunsten des Schiffslazaretts, dass eine Erweiterung erfährt. Hier kommen ein OP und eine Intensivstation hinzu. Zum anderen Teil werden Notunterkünfte in Vier-Mann-Kammern für insgesamt zwanzig Personen eingerichtet. Kombüse und Messeeinrichtungen werden so geändert, dass eine Verpflegung von mindestens vierzig Personen im Zweischichtbetrieb gewährleistet ist. Dann bekommen wir noch ein Andockmodul mit einer Übergabeeinrichtung für Außencontainer. Soweit zur Planung. Cyra, Seth, von euch möchte ich einen Ablaufplan für die Umrüstung der Unterkünfte und der Containeranlage. Barbara, ich benötige bitte den Platzbedarf für die geplante Sanitätseinrichtung. David, ich möchte wissen, ob unsere Kombüse in der Lage ist, die geforderten Kapazitäten zu leisten. Wenn nicht, möchte ich wissen, was wir dafür benötigen. So weit von mir. Michael, bitte.“

Nachdem sich Cynthia Cameron wieder gesetzt hatte, gab es so manche Blicke, die hektisch hin und her gingen. Michael warf seiner Mutter einen skeptischen Blick zu, sah dann aber auf seine Notizen.

„Bei mir geht es um die Besatzung. Wie sich einige ja schon denken können, werden wir die vor uns liegenden Aufgaben mit der jetzigen Besatzung nicht bewältigen können. Aus diesem Grund wird uns Special Forces weitere Besatzungsmitglieder zuteilen.“

Ein Murmeln setzte ein, doch Captain Cameron hob nur eine Hand und Michael konnte fortfahren.

„Einige der Mitglieder der Akademie von Alastair haben sich bereit erklärt, weiterhin hier an Bord zu arbeiten und damit auch Mitglied der Streitkräfte der Föderation zu werden.“

Jetzt wandten sich Michael einige Gesichter aufmerksam entgegen.

„Bis jetzt sind das Joel Cooper, Adrian van Buren, Alyssa Klein und Sylvain Fournier. Bevor jemand fragt, erkläre ich es. Joel Cooper hat darum gebeten, weil er eine Partnerschaft mit David eingegangen ist und sie nicht getrennt werden möchten. Das Gleiche gilt für Adrian van Buren und Kevin.“

Kevin wurde rot und sah seinen Großvater fragend an, der hintergründig lächelte.

„Da du es ja nicht für nötig gehalten hast, etwas zu sagen, habe ich mir die Freiheit genommen, mit Adrian zu sprechen.“

Kevin öffnete den Mund, bekam aber kein Wort heraus, sondern betrachtete intensiv die Tischplatte. Michael sah zu seinem Sohn, zuckte aber nur mit den Schultern.

„Bei Alyssa Klein und Sylvain Fournier ist es ähnlich. Sie gehört zu den Marines und er ist Techniker.“

Cyra sah ihren Vater nun fragend an.

„Und wie sollen sie eingesetzt werden?“

„Ganz einfach. Joel bekommt ein Offizierspatent des Royal Marine Corps. Er wird Zugführer eines kleinen Kontingents von Marines hier an Bord. Adrian ist Marine und ausgebildeter Sanitäter. Er wird Gefechtsfeldsanitäter. Alyssa hat sich bereiterklärt, auf ihre Offiziersausbildung zu verzichten und wird Unteroffizier hier bei den Marines. Sylvain hat sein Ingenieursstudium zwar noch nicht abgeschlossen, aber das erste Staatsexamen abgelegt. Damit ist er Schiffsbetriebstechniker und kann als solcher hier an Bord arbeiten.“

In der kurzen Stille, die darauf folgte, war Lennys Räuspern besonders gut zu hören.

„Du wolltest etwas sagen?“

„Äh, ja.“

„Und?“

„Können… können wir der Liste noch jemanden zufügen?“

Barbara Cameron wandte sich ihrer Tochter zu.

„Was willst du uns genau sagen, Liebes? Wer ist der junge Mann?“

Lenny sah nun verblüfft ihre Mutter an, dann warf sie Kevin einen giftigen Blick zu, der angefangen hatte zu kichern.

„Äh, Peter. Peter Quinn von den Marines.“

Ihr Vater sah auf eine Liste und nickte lediglich.

„Ich werde mit Major Campbell darüber reden. Außerdem muss der junge Mann ja auch noch befragt werden.“

Lenny sah nun, wie zuvor Kevin, auf die Tischplatte.

„Gut. Damit alle noch einmal einen Überblick haben, sind wir also auf folgendem Stand. Kapitän Bernard Cameron. Dann folgen drei Navigationsoffiziere als Erster, Zweiter und Dritter Offizier. Das bin ich, dann Alex und dann Kevin.“

„WAS!?“

„Bleib ruhig, Junior. Du bekommst deine Chance. Eine Ausbildung an Bord und die Prüfungen an der Militärakademie auf New Terra.“

„Wo war ich stehengeblieben? Ah, ja. Schiffstechnik Chief Engineer Cynthia Cameron. Erster, Zweiter und Dritter Ingenieur Cyra Holmes, Seth Holmes und Sylvain Fournier. Feuerleitoffizier Kieran Yordis. Verpflegung und Service David Brennan. Hier fehlt noch ein zweiter Mann, aber wie gesagt, die werden noch zugewiesen. Sanitätsdienst. Da sind ebenfalls noch große Lücken. Dr. Barbara Cameron, Lenny Cameron, Adrian van Buren. Die Marines stehen ebenfalls noch nicht alle fest, aber bis jetzt Joel Cooper, Alyssa Klein und auf besonderen Wunsch, Peter Quinn.“

Lenny warf ihrem Vater einen verzweifelten Blick zu, lächelte aber dann. Captain Cameron erhob sich.

„Sehr schön. Ihr könnt schon mal alle gehen und die Nachrichten unters Volk bringen. Außerdem haben ja einige ein paar Aufgaben bekommen. Wir werden in zwei Tagen der GOLDEN BOY nach Torchwood folgen und unsere Gäste abgeben. Dann werden dort die Umbauten erfolgen und ich hoffe, auch die neuen Besatzungsmitglieder eintreffen. Ich hoffe, wir haben die richtige Entscheidung getroffen und wünsche uns allen viel Erfolg.“

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