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Geschichten aus der Föderation
Golden Boy
Teil 3 - Mohawk
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Informationen
- Story: Geschichten aus der Föderation
- Autor: Mondstaub
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Science Fiction
Inhaltsverzeichnis
Planet Arcadia – Arcadia System
Vollkommen erschöpft ließen sich die jungen Männer auf die Bänke des Umkleideraumes fallen. Peter sah hinüber zu dem Dutzend Anwärter der Marineinfanterie – kurz Marines genannt - in ihren dunkelgrünen Tarnanzügen und den mit Tarnfarben bemalten Gesichtern. Es ging ihnen offensichtlich nicht viel besser als ihm und seinen fünf Kameraden, die in den grünen Überlebens-Overalls der Raumflotte steckten.
Die letzte Woche war äußerst fordernd für die jungen Männer gewesen, die sich leichtsinniger Weise zu dieser Ausbildung gemeldet hatten. Es bestand kein wirklich zwingender Grund, sich zu einer Ausbildung als Reservist für die Miliz zu melden, schon gar nicht als Offiziersanwärter. Doch Peter Mansfield hatte schon immer davon geträumt, einmal in seinem Leben durch den Weltraum zu fliegen und die Unendlichkeit des Alls zu erleben.
Was er die letzte Woche erlebt hatte, war allerdings die eher harsche Umgebung eines Planeten, den die Menschen erst vor kurzer Zeit kolonisiert hatten. Survival-Training hieß es für die sechs Offiziers-Anwärter der Raumflotte. Die Anwärter der Marines, zwei als Offiziere, zehn als Mannschaften, hatten einen Lehrgang für den Bodenkampf in bewachsenem Terrain absolviert.
Peter stöhnte leicht, als er sich aufraffte und zu seinem Spind ging, um Handtuch und Shampoo für die Dusche zu holen. Eine heiße Dusche war genau das, was er jetzt brauchte. Mühsam schälte er sich aus dem Overall und als er sich umdrehte, sah er gegenüber bei den Marines einen jungen Mann, der sich ebenfalls für die Dusche entkleidet hatte. Jason O’Brian war zwar genau wie er im Abschlussjahrgang der Arcadia-Highschool, doch Peter hatte lediglich eine einzige Klasse mit ihm zusammen und so kannte er ihn nicht besonders gut. Schon gar nicht hatte er ihn unbekleidet gesehen, so wie jetzt.
Peter starrte wohl etwas zu auffällig hinüber zu dem großen, rothaarigen jungen Mann, der jetzt in den Duschraum verschwand, als hinter Peter eine leise Stimme ertönte.
„Na, endlich jemanden gefunden, der dir gefällt?“
Hektisch fuhr Peter herum. Hinter ihm stand sein bester Freund Hendrik van Seelst. Sie waren schon seit der Grundschule befreundet und er war bisher der einzige, dem Peter anvertraut hatte, dass er schwul war. Sehr zum Leidwesen von Peter nahm Hendrik ihre Freundschaft sehr ernst und nun versuchte er seit etwa einem Jahr, ihn an alle möglichen Typen zu verkuppeln.
„Psst. Nicht so laut. Kennst du ihn denn näher?“
Hendrik grinste breit.
„Also doch. Wenn du nicht in die höheren Sphären aller Leistungskurse entschwunden wärst, würdest du ihn auch kennen. Er ist mit seinen Eltern erst vor drei Jahren nach Arcadia gekommen. Von Falidor V, glaub‘ ich. Sie haben eine der Farmen draußen im Dunkelfarn-Becken.“
„Was? Sie haben eine Saurierzucht?“
„Jep. Ist ganz interessant dort draußen. Jason hat übrigens noch drei Geschwister, unter anderem eine Schwester namens Mary.“
Peter überlegte einen Moment, dann kam ihm die Erleuchtung, was Hendrik ihm damit sagen wollte.
„Aha. Und du hast ein Auge auf diese Mary geworfen.“
„Nicht nur eines. Sie ist übrigens genauso rothaarig wie ihr Bruder. Ich denke, du hast sie schon einmal gesehen.“
Peter erinnerte sich, Hendrik vor zwei Wochen ganz kurz mit einem rothaarigen Mädchen gesehen zu haben.
„Jetzt sieh zu, dass du unter die Dusche kommst, sonst verpasst du ja vielleicht noch was.“
Peter streckte Hendrik die Zunge heraus und wanderte neugierig hinüber in den großen Duschraum. Ganz hinten hatte Jason sich unter einen Duschkopf gestellt und ließ das heiße Wasser auf sich niederprasseln. Völlig unbekümmert stand er dort mit geschlossenen Augen und dem Rücken zur Wand, so dass Peter ihn unauffällig beobachten konnte.
Solche Muskeln hätte ich auch gerne. Doch Peter war im Schwimmteam, deren Mitglieder zwar ein Konditionstraining, aber kein Aufbautraining machten, so, wie die Mitglieder des Football-Teams. Jason begann sich nun abzuseifen und unter dem ganzen Schmutz kam eine helle Haut zum Vorschein, ebenso wie die nun deutlicher erkennbaren hellroten Haare. Unwillkürlich ging Peters Blick tiefer und er verfolgte den kleinen Streifen roter Haare vom Bauchnabel abwärts bis hin zum dichten Busch ebensolcher Haare direkt über…
Mit einem leisen Fluch drehte sich Peter mit dem Gesicht zu Wand. Er konnte doch hier in der Dusche keinen Ständer bekommen! Hendrik neben ihm grinste in sich hinein. Also war ihr Geschmack doch nicht so verschieden, mal abgesehen von dem Geschlecht der Zielpersonen.
Hendrik wusste, dass Peter immer etwas schüchtern war, was sein Aussehen betraf, obwohl er sich nun wirklich nicht zu verstecken brauchte. Seine Jahre im Schwimmteam hatten ihm einen schlanken, aber wohldefinierten Körper beschert. Seine goldblonden Haare und die blauen Augen fanden die Mädchen an der Highschool irgendwie ‚niedlich‘ und den Rest brauchte er auch nicht zu verstecken, was er im Moment ja auch nicht gerade tat.
Peter verschwand nach einer schnellen Wäsche in den Umkleideraum. Deshalb bemerkte er nicht, dass Jason ihn mit seinen Blicken verfolgte, bis er verschwunden war. Lediglich Hendrik bemerkte mit einem breiten Grinsen, dass Jason sich danach mit dem Gesicht zur Wand drehte und zwar deutlich erkennbar aus dem gleichen Grund wie Peter zuvor.
Am frühen Abend waren alle Lehrgangsteilnehmer in dem kleinen Unterrichtsraum der Ausbildungsstation versammelt. Alle trugen jetzt die grüne Uniform der Arcadia-Miliz, die der Uniform der Raumflotte der Föderation nachempfunden war. Peter und seine fünf Kameraden trugen die goldenen Abzeichen der Anwärter für den Flottendienst, während die zwölf Marines die roten Abzeichen der Marineinfanterie trugen.
Die Miliz gab es seit der Gründung der Kolonie vor achtzehn Jahren, doch nie war besonders viel Wert auf sie gelegt worden. In den ersten zehn Jahren war ein Wachschiff der Föderation über dem Planeten stationiert gewesen, doch danach mussten die Arcadier selbst für ihre Sicherheit sorgen. Die Miliz fristete ein klägliches Dasein mit einem Wachschiff, einem halben Dutzend planetarer Abfangjäger und einer Kompanie Infanterie.
Die Kolonisten waren mehrheitlich der Ansicht, dass es wichtigere Dinge gab, als Soldat zu spielen. Der Raumsektor war ruhig und die Sicherheit schien ausreichend. Das schien die Führung der Föderation anders zu sehen und alle Kolonien bekamen ein neues, zweites Wachschiff, mit der Auflage, beide zu betreiben. Arcadias Führung musste daraufhin zugeben, dass sie nicht das notwendige Personal dafür hatten. Danach gab es zwei wichtige Änderungen für die Miliz von Arcadia. Die erste war, dass ein Trainingsprogramm für Reserveoffiziere an der Highschool eingerichtet wurde, die zweite war die Ankunft von zwei Ausbildern der Föderationsflotte.
Der eine war Lieutenant-Commander Thomas Hardy. Er war am Ende der dranthanischen Kriege wie viele andere aus dem Dienst der Flotte entlassen worden und versuchte, seinen vor seinem Militärdienst erlernten Beruf wieder aufzunehmen. So kam die Highschool zu einem neuen Lehrer für Physik und Astronomie.
Der zweite war Master Sergeant Kyle Conolly. Nach dreißig Jahren Dienst im Marine-Corps war er ausgeschieden und die Personalabteilung des Marine-Corps hatte ihn gefragt, ob er nicht auf Arcadia die Ausbildung von ein paar interessierten Zivilisten zu ein paar begabten Marines übernehmen möchte. Nur zögernd hatte er zugestimmt.
Die Begeisterung bei den Schülern der Highschool hatte sich ebenfalls in Grenzen gehalten, als der Kurs vorgestellt wurde. Nur wenige meldeten sich gleich nach der ersten Veranstaltung. Unter ihnen war Peter Mansfield. Schon immer hatte ihn das Fliegen begeistert und sehnsüchtig blickte er zu den wenigen Raumschiffen, die auf dem kleinen Raumhafen starteten oder landeten. Er hatte viel über die Technik und die Handhabung von Raumschiffen gelesen und deshalb war er auch der erste, der nach einem kleinen Test für den Kurs als Pilot angenommen wurde.
Lieutenant-Commander Hardy stand vor den Lehrgangsteilnehmern und ließ seine Blicke schweifen.
„Meine Herren, für die Anwärter der Navy ist die Überlebensausbildung nun abgeschlossen. Für sie beginnt ab Morgen der theoretische Teil in Schiffsbetriebstechnik. Dazu erwarten wir hier im Camp Chief Warrant Officer Sinclair, der diesen Teil leiten wird. Die Herren vom Marine-Corps beginnen ab Morgen mit dem Drill für zeremonielle Auftritte.“
Das unterdrückte Stöhnen bei den Marines deutete auf wahre Begeisterung für diesen Ausbildungsabschnitt hin.
„Für den heutigen Abend haben sie dienstfrei. Laufen sie nicht so weit weg.“
Leichtes Lachen begleitete die auseinanderlaufenden Anwärter. Das Camp befand sich mitten in den Drachenbergen und war mehr als tausend Kilometer von jeder Ansiedlung auf Arcadia entfernt. In der Kantine suchten sie sich Sitzplätze.
Peter Mansfield wandte sich an Hendrik.
„Was machen wir heute Abend?“
„Was du machst, weiß ich nicht, aber ich habe heute Küchendienst. Versuchs doch mal mit Jason.“
Peter warf einen flüchtigen Blick zu den dicht aufeinander hockenden Marines. Mehr als die Hälfte von ihnen war aus dem Football-Team.
„Der wird sich gerade mit mir abgeben.“
„Wer nicht fragt, bekommt keine Antworten.“
Ohne eine solche abzuwarten war Hendrik schnell in Richtung Küche entschwunden. Peter sah ihm nach und zuckte zusammen, als hinter ihm eine Stimme ertönte.
„Du bist Peter, richtig? Der Freund von Hendrik.“
Peter fuhr herum und als er nach oben sah, begann sein Herz deutlich schneller zu schlagen. Jasons grüne Augen sahen auf ihn herab.
„Äh, ja. Bin ich und bin ich.“
Mein Gott, was für eine dämliche Antwort, Der muss mich ja für einen Vollpfosten halten.
„Na, dann ist ja alles klar.“
Schwungvoll setzte sich Jason neben Peter.
„Dann erzähl doch mal. Wie ist denn Hendrik so?“
Peter starrte Jason erstaunt an. Was war das denn jetzt? Dann dämmerte es ihm. Jason wollte ihn wegen seiner Schwester über Hendrik aushorchen. Wie war der denn drauf?
„Wenn du was über Hendrik wissen willst, musst du ihn schon selber fragen.“
Jason hob abwehrend die Hände.
„Hey, ist ja gut. Ich will ja nicht schlimmes. Ich will nur wissen, wie er so im Umgang… also ich meine, so täglich, also wie soll ich sagen?“
Peter sah Jason erstaunt an. Eine leichte Röte überzog dessen helles Gesicht mit den Sommersprossen und er schien etwas kleinlaut. Peter ahnte auf einmal, worauf er hinauswollte.
„Du meinst, du willst wissen, wie er sich gegenüber den Mädchen verhält? Hat er es tatsächlich auf deine Schwester abgesehen?“
Jasons Gesicht verfinsterte sich.
„Hat er. Er hat sie zum Essen eingeladen. Und wo sind sie hingegangen? In den Raumhafen-Diner. Kannst du mir sagen, was das soll?“
Peter musste unwillkürlich lachen. Hendrik war zwar nett und umgänglich, aber absolut unromantisch. Seine letzten Dates hatten nicht sehr lange gedauert. Die Mädels wurden zwar zuvorkommend und höflich behandelt, aber Hendrik verpasste jedes Mal irgendwie den richtigen Moment.
„Hm, soviel kann ich ja sagen, er ist sehr korrekt und anständig. Was den Diner betrifft, keine Ahnung. Vielleicht ist es ja seine Art von Romantik, wenn er ihr den Raumhafen zeigt.“
„Oh, no.“ murmelte Jason.
Auf Peters hochgezogene Augenbraue seufzte er leicht.
„Mary nervt unsere Eltern schon seit sie zehn ist, dass sie gerne Kapitän werden möchte. Dabei hat unsere Familie noch nie etwas direkt mit Raumfahrt zu tun gehabt.“
„Dann würde ich sagen, die beiden haben sich gesucht und gefunden. Mach dir um Hendrik keine Sorgen. Der ist pflegeleicht. Er hat mir erzählt, ihr habt eine Saurierzucht draußen im Dunkelfarn-Becken?“
„Das hat er dir erzählt? Na ja, ist nichts, womit man angeben könnte. Wir müssen uns halt durchkämpfen.“
Jasons Stimme klang auf einmal bitter und Peter bereute, dass er das Thema angeschnitten hatte.
Als vor einigen Jahren Siedler von Falidor V eintrafen, wurden sie misstrauisch beäugt. Sie waren keine Ackerbauern und Viehzucht war, bis auf Ziegen, auf Arcadia fast unmöglich. Was also wollten sie hier? Die Antwort war einfach. Es ging darum, Exemplare der einheimischen Fauna zu züchten. Als die erste Saurierzuchtfarm eröffnete, sprach man von Unsinn und Verschwendung. Sogar Kommentare von ‚Eingriffen in die Natur‘ fielen.
Trotz der vielen Hindernisse und Anfeindungen hatte innerhalb von drei Jahren jede der Saurierzuchtfarmen mit dem Export des ‚echten arcadischen Saurierfleisches‘ fast genauso viel Gewinn gemacht, wie eine der etablierten Getreidefarmen mit ihren weitaus höheren Landflächen und Arbeitsaufkommen.
Dennoch wurden die Saurierzüchter von den alteingesessenen Farmern immer noch schief angesehen.
„Hey, da kann ich doch nichts für. Meine Mutter ist Ärztin im Krankenhaus. Da haben wir nicht viel über solche Sachen gesprochen.“
„Ja, ja. Schon gut. Aber wieso hast du gefragt? Interessiert dich die Saurierzucht?“
Mich würde sogar das Wachstum von Eintagsfliegen interessieren, wenn du es mir zeigst.
Peter musste den Gedanken verscheuchen, bevor er antwortete.
„Ich hab so was noch nie gesehen und in der Schule wurde es nie behandelt. Na ja, ich hatte Agrarwesen auch nur bis zur achten Klasse.“
„Echt? Was hast du denn für Fächer gewählt? Ich meine, ich weiß, dass wir die gleiche Jahrgangsstufe haben, aber ich sehe dich nur selten in den Pausen.“
Du achtest darauf, wo ich bin?
„Also Höhere Mathematik II, Physik, Astronomie, Politik, allgemeine Medizin, Interlingua II, Geschichte und das Schwimmteam.“
„Kein Wunder. Ich hab Höhere Mathematik I, Biologie, Genetik, Agrarwesen, Interlingua II, Wirtschaftskunde und das Football-Team.“
„Na, so wie es aussieht, willst du wohl die Farm deiner Eltern fortführen.“
Jason nickte.
„Auf jeden Fall. Und was willst du machen?“
„Ich träume immer noch davon, in den Weltraum zu fliegen. Ob ich die Ausbildung schaffe, weiß ich nicht. Deshalb habe ich mich ja auch hier zur Miliz gemeldet. Die Ausbildung zum Offizier ist schon mal eine gute Ausgangsbasis.“
Jason schien irgendwie enttäuscht zu sein, aber dann nickte er.
„Ja, so hat jeder seine Träume. Ich mache die Ausbildung hier, weil mein Vater darauf bestanden hat. Zum einen möchte er der Community zeigen, dass wir unsere Pflicht als Bürger ernst nehmen, zum anderen hat er schon einmal einen Piratenüberfall erlebt und möchte so etwas hier auf Arcadia nicht noch einmal durchmachen. Wenn wir eine genügend große Miliz haben, ist das schon abschreckend.“
Peter sah Jason mit großen Augen an.
„Einen Piratenüberfall? Wo denn?“
„Auf Falidor. Was glaubst du, warum wir hierhergekommen sind? Damals wurde meine jüngste Schwester entführt.“
„Moment, Moment. Ihr seid nach einem Piratenüberfall hergekommen? Und deine Schwester wurde entführt? Wieso entführen sie denn Leute?“
Jason musterte Peter erstaunt.
„Ich dachte, du hast Geschichte. Die Piratenüberfälle gibt es schon seit Jahrhunderten. Jetzt, nach den dranthanischen Kriegen haben sie noch zugenommen, auch weil die Navy wieder abgerüstet worden ist. Die Piraten zerstören die Funk- und die Verteidigungsanlagen eines Planeten, plündern den Raumhafen und manchmal auch die umliegende Stadt. Wenn Sklavenjäger dabei sind, nehmen sie noch etliche Einwohner mit. Das Ganze dauert vielleicht ein bis zwei Stunden, dann sind sie wieder verschwunden.“
Peter erschauerte.
„So, wie du das erzählst, klingt das echt gruselig. Da bin ich echt froh, dass wir zwei Wachschiffe haben.“
Jasons Gesicht wurde ernst.
„Anderthalb. Die MOHAWK steht auf dem Landefeld der Werft in Mountain Place. Sie ist zwar einsatzbereit, hat aber zu wenig Besatzung für den Wachdienst.“
„Wie, zu wenig? Ich dachte, die Föderation hätte klare Vorgaben gemacht für den Wachdienst?“
„Haben sie auch. Aber wo nichts ist, kann man nichts holen. Wir hätten beide Schiffe besetzen können, doch dann wären beide Besatzungen reduziert worden. Das ist auf Grund der Vorgaben nicht erlaubt. Also bleibt ein Schiff am Boden. Was glaubst du, warum sie sechs Offiziersanwärter für unsere Navy genommen haben?“
Peter sah Jason vollkommen überrascht an. Mit der aktuellen Situation ihrer Miliz hatte er sich nur am Rande beschäftigt.
„Und woher weißt du das alles?“
Jason grinste schwach.
„Mein Vater ist Mitglied im Kolonialparlament. Da bekommt er so einiges mit.“
„Ehrlich? Ich dachte, ihr seid erst seit drei Jahren hier.“
Jasons grüne Augen funkelten Peter verärgert an.
„Ja, sind wir. Aber falls es dir entgangen sein sollte, im letzten Jahr waren Wahlen und die ehemaligen Siedler von Falidor haben sich auf einen gemeinsamen Kandidaten geeinigt. Das Ergebnis war knapp, aber mein Vater ist gewählt worden. Reicht dir das?“
Jason machte Anstalten sich zu erheben und Peter zuckte zusammen.
„Jason, bitte. So war das nicht gemeint. Ich wusste doch nicht… ich meine, ich hatte keine Ahnung. Ich wohne in Arcadia City. Für mich ist alles weit weg, was draußen auf den Farmen oder in Mountain Place stattfindet.“
Unbewusst legte Peter eine Hand auf Jasons Unterarm. Der hatte sich schon halb erhoben, blickte nach unten und setzte sich langsam wieder.
„Du bist in einigen Dingen ganz schön weit weg von der Realität, oder?“
Peter merkte, wie seine Wangen anfingen zu glühen. Dann nickte er leicht.
„Na ja, Hendrik behauptet das auch manchmal, also wird wohl was dran sein. Wenn er nicht wäre, würde ich wahrscheinlich nicht so oft von zu Hause rauskommen. Ich meine, ich versuche so gut wie möglich meinen Schulabschluss hinzukriegen, damit ich mir meinen Traum erfüllen kann. Politik hat mich noch nie besonders interessiert.“
Jason schüttelte etwas ungläubig den Kopf.
„Dann werden Hendrik und ich wohl dafür sorgen müssen, dass du ein vorbildlicher Staatsbürger wirst. Einer, der den Planeten kennt, auf dem er lebt und auch seine Bewohner. Jemand, der am Leben seiner Mitbürger Anteil nimmt.“
„Hendrik und du?“
Jetzt war es an Jason, rot anzulaufen und das war bei seiner Hautfarbe deutlich besser zu erkennen, als bei Peter.
„Nun ja. Er wird ja jetzt auch wohl öfter zu uns kommen und mit Mary abhängen. Wenn du mitkommst, können wir ja mal was zusammen unternehmen.“
Peter sah Jason mit offenem Mund an. Mit ihm zusammen was unternehmen? Schnell verdrängte er den spontanen Gedanken, was er wirklich gerne mit ihm unternehmen würde.
„Äh, ja. Ich werde dann mal wieder gehen.“
Rasch erhob sich Jason und Peter sah sich plötzlich mit dessen Körpermitte in der Höhe seiner Augen konfrontiert. Als Jason sich umdrehte, überlegte Peter ernsthaft, ob die deutlich sichtbare Ausbeulung in Jasons Uniformhose irgendetwas mit ihrem Gespräch zu tun hatte.
Hendrik hatte das Gespräch von Peter und Jason von weitem beobachtet und grinste in sich hinein. Er war gespannt, wann die beiden realisierten, dass sie sich offensichtlich ineinander verknallt hatten.
Mitten in der Nacht schreckte Peter hoch, geweckt vom Alarmton der Lautsprecheranlage.
„Alarm! Dies ist keine Übung! Ich wiederhole, dies ist keine Übung! Alle Lehrgangsteilnehmer sofort im Kampfanzug in den Unterrichtsraum. Ich wiederhole…“
Peter wartete das Ende der Durchsage nicht ab, sondern war aus seinem Bett gesprungen und dabei, den Kampfanzug überzustreifen. Die dunkelblauen Kombis waren zu einem geringen Grad gepanzert, konnten in einem Gefecht aber wohl keinem direkten Beschuss standhalten. Die weitere Ausrüstung bestand aus einem Mehrzweckgürtel mit Funkgerät, Erste-Hilfe-Paket und einem Schnellziehholster mit einer Laserpistole.
Auf dem Gang traf Peter auf Hendrik, der ebenso ausgerüstet war. Auf seinen fragenden Blick zuckte er nur mit den Achseln. Im Unterrichtsraum waren bereits einige Leute versammelt, darunter auch Marines in ihren dunkelroten Kampfpanzerungen. Peter suchte Jason, doch der war noch nicht eingetroffen.
Peter sah sich weiter suchend um. Von ihren sechs Mann fehlte auch noch einer, der nun etwas verschlafen durch die Tür kam. Peter drehte sich um und ging hinüber zu Lieutenant-Commander Hardy.
„Navy-Lehrgang vollzählig, Sir.“
„Danke, Mister Mansfield.“
Eben kamen die letzten Marines durch die Tür und Jason machte den Abschluss. Nach kurzem Durchzählen trat er zu Master Sergeant Conolly.
„Marines vollzählig, Master Sergeant.“
„Danke, Mister O’Brian.“
Der Master Sergeant dreht sich zu Lieutenant-Commander Hardy, doch der winkte ab.
„Gentlemen, ich habe eine wichtige Ankündigung zu machen. Vor wenigen Minuten sind mehrere nicht identifizierbare Schiffe in das Arcadia-System eingedrungen und haben Kurs auf unseren Planeten genommen. Die Abfangjäger wurden gestartet und sind bereit für ein Gefecht, ebenso wie die IROQUOIS.“
Lautes Gemurmel ging durch die Reihen der Lehrgangsteilnehmer.
„Ruhe!“
Master Sergeant Conolly fixierte insbesondere die Marines.
„Das Kontingent der Marines wird aufgeteilt in zwei Kampfgruppen. Mister O’Brian und Mister Dalton werden jeweils die beiden Gruppen führen. Jeder einzelne von ihnen wird zusätzlich mit einem Z20 ausgerüstet. Mit Energiepack.“
Einige der Marines sahen erstaunt nach vorne. Erst jetzt dämmerte es ihnen wohl, was die Durchsage ‚dies ist keine Übung‘ wirklich bedeutete. Das Z20 war ein schweres Lasergewehr und die Energiepacks waren für den scharfen Einsatz gedacht, nicht wie die Light-Packs für das Übungsschießen.
„Gehen wir zurück nach Arcadia-City?“
Der Kopf des Master Sergeant ruckte herum und fixierte den Sprecher.
„Ich kann mich nicht erinnern, sie zum Sprechen aufgefordert zu haben, Mister Bolt, aber um die Frage zu beantworten, nein, tun wir nicht.“
Peter durchzuckte ein Gedanke und er sah hinüber zu Jason. Der blickte ihn ebenfalls an und Peter flüsterte
„MOHAWK.“
Jason konnte ihn nicht hören, aber er sah die Mundbewegung und nickte.
Lieutenant-Commander Hardy hatte die kurze Kommunikation ebenfalls bemerkt und nickte unbewusst. Ganz ohne Grund hatte er Peter Mansfield nicht zum Gruppensprecher gemacht.
„Gentlemen, wenn alle ausgerüstet sind, werden wir so schnell wie möglich nach Mountain Place verlegen. Lieutenant Granger ist dabei, die MOHAWK startklar zu machen. Wir treffen dort auf Chief Warrant Officer Sinclair und seinen Lehrgang mit Schiffstechnikern. Also, Beeilung bitte.“
Der Master Sergeant ließ alle Gruppenweise wegtreten und schickte sie zur Waffenkammer. Die Offiziersanwärter der Navy bekamen ebenfalls im Austausch für ihre Light-Packs die Energiepacks für die Laserpistolen.
Nach der Ausrüstung versammelten sich alle bei den schweren Transportgleitern, mit denen sie vor einer Woche von Arcadia-City gekommen waren. Als er endlich in seinem Sitz festgeschnallt war, überkam es Peter, wie unwirklich ihm die ganze Situation erschien. War das jetzt wirklich ein Piratenüberfall? Oder hoffentlich doch nur ein falscher Alarm. Hendrik neben ihm schien ebenfalls sehr verwirrt.
„Träum ich das jetzt alles?“
„Wohl nicht. Oder wir haben den gleichen Traum. Was glaubst du, was sie vorhaben?“
Hendrik kniff seine Lippen zusammen.
„So wie es aussieht, werden wir wohl die Personalergänzung für die MOHAWK sein. Wenn sie ihre nominelle Besatzungsstärke erreicht hat, kann sie starten.“
„Aber… aber wir haben doch unsere Ausbildung noch gar nicht abgeschlossen. Wir sind doch bisher nur im Simulator geflogen.“
Hendrik warf Peter einen mitleidigen Blick zu.
„Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass wir auch nur einen einzigen Knopf anfassen dürfen. Wir sind das Zählvieh und das Ding startet. Fertig.“
Doch anscheinend war die ganze Situation nicht ganz so einfach, wie Hendrik es sich vorgestellt hatte. Nach der Landung auf dem Werftgelände von Mountain Place wurden die Offiziersanwärter der Navy von Lieutenant-Commander Hardy direkt in das Schiff geführt. Die Marines durften vor dem Schiff noch einmal antreten.
Peter sah sich auf dem Weg durch das Schiff neugierig um. Es war ein älterer, gebrauchter Leichter Kreuzer im Dienst der Föderationsflotte gewesen. Nach dem Ende der Dranthanischen Kriege hatte die Föderation abgerüstet und etliche der ausgemusterten Schiffe an die Kolonialplaneten verteilt. Die Föderation wusste, dass sie mit einer verminderten Flotte nicht überall schnell genug eingreifen konnte und so hatte man die überzähligen Schiffe dorthin gegeben, wo sie wahrscheinlich am Nötigsten gebraucht wurden.
Die MOHAWK war ein Standardmodell der Flotte. Ein walzenförmiger Rumpf von einhundert Metern Länge und zwanzig Metern Durchmesser. Die Besatzung betrug im Normalfall sechsunddreißig Mann. Peter fragte sich, wieviel tatsächlich an Bord waren.
In der Cafeteria hielt Lieutenant-Commander Hardy an und deutete auf die Sitzplätze.
„Nehmen sie erst mal Platz, der Kommandant wird gleich erscheinen.“
Die sechs jungen Männer setzten sich und drehten sich neugierig um zu einem Tisch, an dem bereits zwei junge Damen und zwei junge Herren saßen. Peter kannte nur einen von ihnen. Colton Fraser war ebenfalls mit ihm zusammen in einer Jahrgangsstufe. Peter war irritiert. Was machte der denn hier? Der war doch… Natürlich, das waren die Offiziersanwärter des Technik-Lehrgangs. Peter hatte mit Colton zusammen sogar einen Kurzlehrgang während der letzten Sommerferien besucht. So wie es aussah, hatte man alle Reserve-Lehrgänge der Miliz an Bord geholt.
Peter wurde von den Technikern abgelenkt durch das Eintreffen der Marines, die sich ebenfalls setzten und erwartungsvoll in die Runde blickten. Nur wenige Augenblicke später erschien Lieutenant-Commander Hardy wieder, gefolgt von einem Mann in der Uniform der Arcadia-Miliz.
„Achtung!“
Alle sprangen auf, doch Lieutenant-Commander Hardy winkte ab.
„Danke. Setzen sie sich ruhig wieder hin.“
Nach einem kurzen Stühlerücken kehrte Ruhe ein.
„Meine Damen und Herren, dies ist Lieutenant Granger, der Kommandant der MOHAWK. Wie sie vielleicht alle erfahren haben, sind fremde Schiffe in unser System eingedrungen. Die Abfangjäger wurden gestartet und die IROQUOIS hat ihren Orbit verlassen und ist auf Abfangkurs gegangen.“
Lieutenant Granger warf Lieutenant-Commander Hardy einen kurzen Blick zu und fuhr fort.
„Auf unser Drängen hin hat das Oberkommando entschieden, dass die Ausbildungseinheiten unserer Miliz die MOHAWK besetzen und so einen Einsatz des Schiffes ermöglichen.“
Peter bemerkte erstaunt, dass Lieutenant Granger kurz zu Boden sah, als ob er erst überlegen müsste, was er sagen wollte.
„Leider ist die ursprüngliche Besatzung der MOHAWK sehr ausgedünnt. Ein unglücklicher Zufall hat ergeben, dass sich etliche unserer Besatzungsmitglieder zur Weiterbildung auf der IROQUOIS befinden. Deshalb werden sie für diesen Einsatz alle relevanten Stationen besetzen. Auch im Falle eines Gefechts.“
Peter und Hendrik sahen sich betroffen an. Auch bei den Technikern wurden fragende Blicke gewechselt.
„Ach ja. Die Marines sind ebenfalls auf sich gestellt. Unser Kontingent wurde abgerufen. Sie verstärken die Kompanie in Arcadia-City für den Fall der Landung eines eventuellen Gegners.“
Nun gab es auch bei den Marines lange Gesichter und Peter suchte Jason. Doch der blickte schweigend und nachdenklich auf seine kleine Truppe.
„Ihre Ausbilder werden jetzt das Schiff verlassen und ebenfalls nach Arcadia-City zurückkehren. Wenn sie alle ihre Stationen besetzt haben, werden wir starten. Es wird etwa zwei Stunden dauern, bis wir die IROQUOIS erreicht haben. Bis dahin haben sie Zeit, sich an ihre neuen Aufgaben zu gewöhnen.“
Die Brücke war klein und übersichtlich. Außer dem erhöhten Sitz für den Kommandanten gab es nur sechs Arbeitsplätze. Peter schluckte hart, als er bemerkte, dass nur zwei davon besetzt waren.
Der Kommandant ging auf die Gruppe der Offiziersanwärter zu.
„Ich habe mit Lieutenant-Commander Hardy gesprochen. Es geht darum, dass wir keinen Piloten haben. Warrant Officer McAllen ist unser Astrogator. Im Zivilberuf ist er Handelsschiffsoffizier. Er sagt auch selbst von sich, dass er als Jockey schlecht geeignet ist. Commander Hardy hat einen Mister Mansfield als Piloten vorgeschlagen. Wer von ihnen ist das?“
Peter bekam plötzlich einen trockenen Hals.
„Äh, ich, Sir.“ krächzte er.
„Ok, gut. Dann begeben sie sich mal ganz nach vorne.“
Ganz nach vorne. Das hieß, bis zu den beiden für Navigator und Pilot vorgesehenen Plätzen.
An der linken Seite der Doppelkonsole saß bereits jemand und sah ihm erwartungsvoll entgegen. Peter schätzte den Mann auf etwa Mitte vierzig, mit dunklen Haaren und einem genauso dunklen Vollbart. Der Mann sah auf und lächelte Peter an.
„Also du sollst das Baby heute fliegen? Gut, herzlich Willkommen. Mein Name ist Lucas McAllen, ich bin der Astrogationsoffizier. Nimm ruhig Platz, es geht gleich los.“
Peter ließ sich ausatmend in den Sessel des Piloten sinken.
„Äh, mein Name ist Peter Mansfield. Also, Mister McAllen, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber ich bin noch nie geflogen.“
Der Mann neben ihm sah Peter nun etwas aufmerksamer an, doch dann nickte er.
„Peter also. Zuerst, ich heiße Lucas. Mister McAllen ist mein Vater. Und was das fliegen anbelangt: Du hast wieviel Stunden im Simulator zugebracht?“
Peter brauchte nicht zu überlegen.
„Etwa dreihundert Stunden. Aber das ist doch etwas ganz anderes.“
Lucas McAllen schüttelte den Kopf.
„Nicht wirklich. Alles, was hier passiert, habt ihr im Simulator auch schon durchgemacht. Ich bin nicht ganz sicher, aber es gab sicher auch schon die eine oder andere Unterrichtseinheit mit einem Raumkampf, oder?“
Peter nickte. Es war ihm damals recht leicht erschienen, denn er war der einzige, der die Übung auf Anhieb bestanden hatte. Alle anderen hatten zwei oder sogar drei Anläufe gebraucht.
Peter schnallte sich an, setzte das bereitliegende Headset auf und wartete darauf, dass die Konsolen aktiviert wurden. Er bemerkte nicht, dass er von Lucas McAllen beobachtet wurde. Auch bemerkte er nicht das leichte Lächeln im Gesicht des älteren Mannes.
Ein leises Summen war jetzt zu hören und bevor Peter sich wundern konnte, hörte er eine Stimme im Headset.
„Kommandant von Leitstand. Energieversorgung ist stabil. Klar zum Einsatz.“
„Okay, danke. Brücke aktivieren.“
Das war die Aufforderung für den Techniker, die Konsolen auf der Brücke zu aktivieren. Fast gleichzeitig leuchteten alle Konsolen auf und die Bediener begannen mit ihren Systemchecks.
„Okay, dann. Checkliste?“
Peter arbeitete zusammen mit Lucas McAllen systematisch seine Checkliste ab. Der letzte Punkt auf Peters Checkliste war die Kontrolle der einzelnen Brückenstationen. Peter musste alle einzeln aufrufen, damit diese ihre Klarmeldung abgeben konnten. Er hatte sich schon immer gefragt, warum sich alle persönlich melden sollten, denn die Klarmeldungen der Konsolen wurden sowohl auf seinem Display, als auch auf dem des Kommandanten angezeigt. Peter sah auf die Anzeige. Pilot. Das war er selber. Abgehakt. Astrogation.
„Stationsmeldungen. Astrogation?“
„Astrogation klar.“
Das war die Stimme von Lucas McAllen.
„Kommunikation?“
„Kommunikation klar.“
Etwas überrascht drehte Peter sich um. Das war die Stimme von Hendrik van Seelst. Hendrik saß tatsächlich an der Kommunikationskonsole und winkte ihm kurz zu.
„Schildsteuerung?“
„Schilde klar.“
Die Stimme kannte er nicht. Aha, ein Mann der ursprünglichen Besatzung.
„Sensoren?“
„Sensoren klar.“
Ein kurzer Blick bestätigte Peters Vermutung. Das war Brian Summers, ein weiterer seiner Kameraden aus dem Offizierslehrgang.
„Technik?“
„Moment. Ja, jetzt. Technik klar.“
Etwas irritiert drehte sich Peter zur anderen Seite. Tatsächlich. An der Technikkonsole saß Colton Fraser. Blieb nur noch eine Abfrage.
„Feuerleitanlage?“
„Feuerleitanlage klar.“
Peter musste sich fast vollständig umdrehen, denn der Feuerleitoffizier saß etwas erhöht, genau hinter der Doppelkonsole von Astrogator und Pilot.
Jason O’Brian winkte Peter kurz zu und widmete sich dann wieder seinen Anzeigen. Peter hatte es irgendwie verdrängt, aber er wusste natürlich, dass Feuerleitung und Waffeneinsatz den Marines vorbehalten war.
Er wusste nun, wer sich auf welcher Station befand und von den meisten wusste er, wie er mit ihnen umgehen konnte. Da erkannte Peter, warum es eine persönliche Abfrage der Stationen gab. Es hatte weniger mit den Klarmeldungen zu tun, als mit der Teambindung. Kopfschüttelnd hakte er den letzten Punkt ab. Er war fertig und jetzt gab es nur noch eines zu tun. Peter hob einen Arm, so dass der Kommandant ihn sehen konnte.
„Pilot an Kommandant. Pre-flight-check abgeschlossen. Schiff ist startklar.“
„Danke, Mister Mansfield. Wache einziehen. Personenschleuse schließen.“
„Wache eingezogen. Personenschleuse verschlossen und verriegelt. Alle Außenzugänge verriegelt. Schleusen im Kontrollmodus Brücke.“
erwiderte Colton Fraser ein paar Augenblicke später.
„Ja, danke. Landeeinrichtung einfahren.“
Das Summen wurde etwas lauter, als die Antigravgeneratoren die Masse des Schiffes jetzt tragen mussten, während die Landestützen im Rumpf verschwanden.
„Landeeinrichtung eingefahren.“
„Nun dann, Mister Mansfield. Mit minus zehn auf Zweitausend.“
„Minus zehn auf Zweitausend, verstanden.“
Peter holte tief Luft und tippte die Anweisungen zum Abheben in seine Konsole. Zügig begann das Schiff in seiner horizontalen Lage nach oben zu schweben.
Der Flug in den freien Raum verlief problemlos. Peter hatte keine Probleme mit der Bedienung seiner Konsole, war es doch das gleiche Modell, an dem sie schon die ganzen Übungen geflogen waren. Er wurde durch eine Meldung von Brian Summers aufgeschreckt.
„Kommandant von Sensoren. Erfasst sind vier nicht identifizierte Fahrzeuge. Kurs von drei Fahrzeugen deutet nach Arcadia. Ein Fahrzeug nähert sich der Position der IROQUOIS.“
„Ja, danke. Alle nicht identifizierten Fahrzeuge markieren als PE.“
‚Possible Enemy‘ durchfuhr es Peter. Also doch. Der Kommandant vermutete also tatsächlich einen Angriff auf Arcadia.
Auf dem großen, bisher grauen Panoramabildschirm entfaltete sich das Tactical Display. Ein dunkelblauer Hintergrund mit mehreren kleinen Symbolen. In der Mitte ein grünes Symbol für ein Kriegsschiff, das war die MOHAWK. Etwas weiter entfernt ein weiteres Kriegsschiff in Grün – die IROQUOIS. Dann vier rote Symbole eines nicht identifizierten Schiffstyps. Das waren die vier PE. Dünne gestrichelte Linien markierten die vorausberechneten Kurse.
Ein weiterer Ausruf kam von der Sensor-Konsole.
„Wir haben jetzt auch die Signaturen der Fahrzeuge erfasst.“
Auf dem Seitendisplay erschienen vier Anzeigen, die die jeweiligen Daten der vermutlich feindlichen Einheiten auflisteten.
Das Schiff, das auf die IROQUOIS zuflog, war ein umgebauter Frachter der GEWINN-Klasse. Etwa 80 Meter lang und mit der für einen Frachter seiner Baureihe typischen Form eines fliegenden Ziegelsteines. Durch die größere Breite hatte der Frachter fast die gleiche Masse wie der Leichte Kreuzer.
Von den anderen drei Schiffen war einer ebenfalls ein umgebauter Frachter von etwa 80 Metern Länge, die anderen beiden waren wohl einmal ehemalige Patrouillenschiffe der Föderation gewesen. Kleine Fahrzeuge von 30 Metern Länge mit vier bis sechs Mann Besatzung.
„Sie fliegen tatsächlich auf Arcadia zu. Wir können nur hoffen, dass die Bodenabwehr stark genug ist. Mister Mansfield, Kurs auf die IROQUOIS.“
„Verstanden, Kurs auf die IROQUOIS.“
Die drei Schiffe über Arcadia waren nun in ein Gefecht mit den Abfangjägern und der Bodenabwehr verwickelt.
Hendrik verfolgte das Gefecht auch über die Kommunikationskanäle der Bodenabwehr.
„Die beiden angreifenden Patrouillenschiffe konnten abgeschossen werden. Wir haben dabei vier unserer Abfangjäger verloren. Hauptsächlich gegen das große Schiff. Das Schiff versucht… Moment, alle unsere Abfangjäger sind zerstört. Das Piratenschiff landet mitten in der Stadt. Die Bodenabwehrgeschütze verteidigen den Raumhafen und können die Innenstadt nicht abdecken.“
Einen Augenblick lang war Ruhe, während sich die Brückenbesatzung schweigend ansah.
„Verdammt, das Ding ist direkt auf dem Sportplatz der Schule gelandet. Unsere Marineinfanterie ist zu weit weg.“
Wieder eine kurze Pause.
„Da, jetzt die erste Feinberührung. Schwere Bodengefechte. Das Piratenschiff hebt schon wieder ab. Was zum… sie fliehen mit voller Beschleunigung.“
In dem darauffolgenden Schweigen klang Jasons Stimme besonders laut.
„Sie fliehen nicht, sie sind fertig.“
„Was? Warum…“
„Ruhe Leute. Mister O’Brian hat recht. So wie es aussieht, wussten sie genau, wo sie hinmussten. In die Schule, Gefangene machen, dann weg. Wie weit ist der verdammte Pirat schon gekommen?“
Warrant Officer McAllen tippte schnell ein paar Zahlen ein.
„Auf schnellstem Weg zum Sprungpunkt. Erreichen etwa in fünfzehn Minuten. Abfangkurs hat positives Ergebnis. Erreichen in vierzehn Minuten. Das könnte knapp werden.“
„Abfangkurs berechnen. Volle Leistung.“
Peter nahm seine Hände von der Steuerung als das Schiff automatisch den Kursberechnungen des Astrogationsrechners folgte.
„Was ist mit der IROQUOIS?“
„Noch etwa zehn Minuten bis zum Kontakt mit dem Piratenschiff.“
Lieutenant Granger knirschte mit den Zähnen. Entweder das eine, oder das andere.
„Wir bleiben auf Abfangkurs. Regelmäßige Meldungen sobald die IROQUOIS im Gefecht ist.“
Langsam aber stetig näherte sich die MOHAWK dem Piratenschiff, dass mit voller Leistung versuchte, sich einem der Absprungpunkte zu nähern. Es war nicht unbedingt notwendig, von einem Absprungpunkt in den Hyperraum zu gehen, aber sie waren feste Wegpunkte in einem System von kartographierten Wegen, die das Risiko verminderten, mitten im Nirgendwo wieder aufzutauchen.
„Erreichen der Trefferzone in sechzig Sekunden.“
Lieutenant Granger nickte lediglich. In einer Minute würde das fremde Schiff in Reichweite ihrer Geschütze kommen. Umgekehrt allerdings genauso.
Plötzlich ertönte vom Tactical Display ein Warnton und das Symbol des fremden Schiffes verschwand.
„Gegner ist in den Hyperraum eingetreten.“
meldete Brian Summers fast ungläubig.
„Verdammt! Aber das war zu erwarten. Lieber das Risiko eingehen, stundenlange Berechnungen durchführen zu müssen, als sich abfangen zu lassen. Astrogation, Abfangkurs zur IROQUOIS.“
„Abfangkurs zur IROQUOIS.“
kam die Antwort von Lucas McAllen und einen Moment später meldete er die Daten.
„Abfangkurs berechnet. Eintreffen in neun Minuten, dreißig Sekunden.“
„Aktivieren.“
Peter Mansfield lehnte sich wieder zurück. Er war nicht gefordert, bevor sie bei den anderen Schiffen eintrafen.
„Geht das nicht schneller?“
Colton Fraser sah erstaunt zu seinem Kommandanten, kontrollierte aber die Anzeigen.
„Triebwerksleistung bei 102 Prozent.“
„Ja, danke.“
Colton sah nochmals auf die Anzeige und dann auf die Beschleunigungswerte. Die MOHAWK war nun mal ein älteres Schiff, dass schon etliche Jahre im Dienst der Flotte zugebracht hatte. Und die Wartung auf Arcadia war auch nicht mit der auf einem Stützpunkt der Royal Navy zu vergleichen.
Sie hatten erst die Hälfte der Entfernung zurückgelegt, als das fremde Schiff die IROQUOIS angriff. Die Energieausbrüche der einzelnen Salven wurden auf dem Tactical Display angezeigt und Peter schielte mehr als einmal nach oben. Manchmal schüttelte er wortlos den Kopf. Der Pilot der IROQUOIS schien nicht annähernd schnell genug zu sein, um dem Beschuss ausweichen zu können. Oder er hatte ein anderes taktisches Verständnis als Peter.
„Treffer auf der IROQUOIS. Schutzschild teilweise ausgefallen.“
Brians Stimme klang etwas hoch und auch leicht hektisch.
„Bird one!“
meldete Hendrik völlig emotionslos.
Eine Rakete war auf ihr Schiff aufgeschaltet worden und näherte sich. Lieutenant Granger sah auf seine Anzeigen.
„So ein Idiot. Wir sind doch noch viel zu weit weg. Automatische Abwehr.“
„Automatische Abwehr. Aktivierung in zwölf Sekunden.“
„Danke, Mister O’Brian.“
Die Sekunden verrannen und plötzlich erwachten die Gatlingtürme der Nahbereichslaser. Die Zielmarkierer erfassten die einzelne anfliegende Rakete und die im leeren Raum unsichtbaren Laserstrahlen zerstörten sie treffsicher. Wie eine rote Blume entfaltete sich eine lautlose Explosion.
„Bird one zerstört.“
„Ja.“
Die kurze Antwort des Kommandanten hatte ihren Grund in der Anzeige des Tactical Displays. Dort war gerade zu sehen, wie die IROQOUIS versuchte, sich von ihrem Angreifer zu lösen. Sie hatte fast alle Schutzschilde verloren und entkam nur mit Mühe weiteren Treffern.
„Erreichen der Trefferzone in zehn Sekunden.“
Peter stieß seine Luft aus. Das würde knapp werden. Die Trefferzone begann bei der maximalen Reichweite ihrer Geschütze. Auf diese Entfernung waren aber nur wenige wirkliche Treffer zu erwarten. Hoffentlich ließ sich der Gegner von der IROQUOIS ablenken.
„Feuererlaubnis.“
Mehr brauchte Jason nicht. Eine ganze Breitseite wurde ausgelöst und fuhr auf den Gegner zu. Tatsächlich gab es sogar einen Treffer und wider alles Erwarten schwang das andere Schiff herum und hielt auf die MOHAWK zu.
Als es näher kam, konnte Peter erkennen, dass die Schutzschilde im hinteren Bereich des Piratenschiffes noch nicht wieder voll regeneriert waren. Er ließ die MOHAWK nach oben steigen. Das gegnerische Schiff folgte der Bewegung, bis Peter die MOHAWK nach rechts abkippen ließ. Mit einem kompletten Looping kehrte er auf seine ursprüngliche Position zurück, während der Gegner jetzt versuchte, seine begonnene Aufwärtsbewegung zu korrigieren. Wie erwartet, versuchte der Pilot ebenfalls, das Schiff abkippen zu lassen, was dazu führte, dass es sich plötzlich direkt vor der MOHAWK wiederfand.
Peter hatte richtig gerechnet. Der Gegner flog mit Höchstgeschwindigkeit und zog förmlich an ihrem Bug vorüber. Die Batterien der gegnerischen Breitseite feuerten unablässig, doch die MOHAWK zeigte ihr kleinstes Profil – ihren Bug. Peter hatte sie da, wo er sie haben wollte.
„Jason! Front!“
Er hatte noch gar nicht ausgesprochen als bereits die beiden schweren Plasmageschütze im Bug zu feuern begannen. Im Gegensatz zu den Lasertürmen war ihr Strahl sichtbar und blieb konstant, bis das Feuer unterbrochen wurde oder der Plasmavorrat aufgebraucht war.
Peter sah fasziniert zu, wie das Schirmfeld am Heck des Piratenschiffes in immer dunkler werdendem Rot aufglühte und dann zerplatzte. Die beiden Plasmastrahlen fraßen sich in die Hülle und die ersten Explosionen wurden sichtbar.
Das Piratenschiff verlor sofort an Beschleunigung und zog mit seiner ursprünglichen Geschwindigkeit weiter, während die MOHAWK knapp hinter dem zerstörten Heck frei kam. Peter zog die MOHAWK in einem weiteren großen Bogen herum, um sie dann in einigem Abstand parallel zu dem Piraten zu positionieren. Die Waffen schwiegen.
Die Stimme von Brian Summers klang etwas belegt.
„Energiesignatur auf Minimum. Keine aktiven Waffen, keine Schilde.“
„Keine Kommunikation.“ meldete Hendrik.
Peter sah sich unsicher um. Lieutenant Granger schien sehr nachdenklich zu sein. Schließlich sah er nach einer ganzen Weile auf.
„Ich will wissen, wohin das letzte Schiff verschwunden ist. Mister O’Brian, sind sie in der Lage, ein Boarding-Team zusammenzustellen?“
Jason zuckte zusammen und drehte sich zum Kommandanten.
„Wir haben zwei Gruppen zu jeweils sechs Mann, wenn ich mitgehe. Wir bräuchten dann mindestens noch eine weitere Gruppe als Verstärkung. Außerdem nehme ich an, wir sollen den Astrogationsrechner bergen. Dazu brauchen wir jemanden, der mit so einem Ding umgehen kann.“
Lieutenant Granger hob erstaunt die Augenbrauen, aber dann nickte er.
„Ja, natürlich. Wir haben nur im Moment… Sekunde.“
Der Lieutenant sprach kurz über sein Headset mit einer anderen Station und schaltete dann wieder zurück.
„Chief Petty Officer Stoddard wird eine Gruppe übernehmen. Er gehört zur Technik und ist unser Waffenmechaniker, kann also mit der Ausrüstung umgehen. Sie nehmen einen Techniker und einen Astrogator mit. Mehr als fünfzehn Leute werden sie nicht zur Verfügung haben.“
Jason sah sich suchend um.
„Peter, hat einer von euch den Sonderlehrgang über technische Brückeneinrichtung schon absolviert?“
Peter wurde blass.
„Äh, ja. Wir waren zwar nur mit zwei Mann bei dem Lehrgang. Der war während der Ferien und da…“
„Okay, Peter. Wer war da?“
Peters Blick wanderte automatisch hinüber zur Technikkonsole.
„Colton und ich.“
„Sehr gut. Mister Mansfield, Mister Fraser, gehen sie mit hinunter zum Hangar und rüsten sich ebenfalls mit einer Kampfpanzerung aus. Ich möchte die Astrogationsdaten dieses Piraten haben. Wenn wir Glück haben, können wir das letzte Schiff ebenfalls noch abfangen.“
Peter und Colton erhoben sich zögernd, folgten dann aber dem eilig entschwindenden Jason.
Peter wusste, was den Kommandanten antrieb. Die Nachricht, dass Leute von Arcadia entführt worden waren, war Grund genug. Sie hatten es nicht nur mit Piraten, sondern auch mit Sklavenjägern zu tun. Hier war wirklich Eile geboten, damit sie nicht ihre letzten Spuren verwischen konnten.
Die große Frage für Jason war, wieviel Piraten noch an Bord waren. Für den normalen Schiffsbetrieb reichten etwa zehn bis zwölf Mann. Piratenschiffe hatten aber deutlich mehr Mann an Besatzung, damit sie ihre Raids am Boden oder das Entern von Schiffen schnell und effektiv durchführen konnten. So rechnete Jason mit 40 bis 50 Piraten. Er konnte nur hoffen, dass sie nicht alle schwer gepanzert waren.
Nur die Wenigsten hatten eine gute Ausrüstung. Meist waren es zusammengesammelte Waffen und nur leichte, handelsübliche Rüstung.
Im Hangar waren die anwesenden Marines bereits in ihre Kampfpanzerung gekleidet und neben der roten Gruppe stand eine einsame Person in einer blauen Kampfpanzerung. Das musste Chief Stoddard sein. Jason ging hinüber um mit ihm zu reden, während Peter und Colton ihren Kampfanzug ablegten und sich nun, nur noch mit dem Jump-Suit bekleidet, in die für sie vorgesehenen blauen Kampfpanzerungen zwängten.
Peter wurde es plötzlich wieder ganz warm, als Jason herüberkam und sich ebenfalls entkleidete um seine Kampfpanzerung anzulegen. Der Jump-Suit war dermaßen körperbetont, dass Peter spürte, wie sich bei ihm etwas regte. Allerdings wurde die beginnende Erregung durch seine angelegte Panzerung deutlich eingeklemmt.
Peter zuckte zusammen, als neben ihm eine leise Stimme ertönte.
„Denk einfach nicht dran. Oder willst du die ganze Zeit mit schmerhaft eingeklemmtem Schwanz rumlaufen?“
Peter zuckte herum und spürte, dass seine Ohren rot wurden. Colton Fraser grinste ihn an.
„Ich… ich weiß nicht, was du meinst.“
Coltons Grinsen wurde breiter.
„Herzilein. Ich hab‘ dich schon letzten Sommer die ganze Zeit beobachtet. Du hattest immer nur Augen für einen ganz bestimmten Typ von Mann. Ich meine, das war schon auffällig. Und die Blicke gerade eben waren noch eindeutiger.“
Peter sah Colton entsetzt an.
„Aber ich habe doch gar nicht…“
„Doch, hast du. Mach dir nichts draus. Hast du schon mal mit ihm gesprochen? Über deine heimlichen Wünsche, meine ich?“
„WAS?!“
Peter quiekte laut auf und lief nun endgültig rot an, als alle zu ihm herübersahen.
„Vergiss es. Wir müssen los.“
Das Boardingteam war in drei Gruppen aufgeteilt worden. Chief Stoddard hatte vier Marines bei sich. Die zweite Gruppe bestand aus Roger Dalton, dem zweiten Offiziersanwärter der Marines und weiteren vier Mann. Die letzte Gruppe führte Jason O’Brian mit zwei Marines, Peter und Colton.
Zum Erstaunen aller ertönte noch einmal die Stimme des Kommandanten in ihren Headsets.
„Meine Herren, ich brauche nicht noch einmal darauf hinzuweisen, für wie wichtig ich diese Mission erachte. Versuchen sie ihr Möglichstes, aber gehen sie keine Risiken ein. Wir benötigen sie ebenso dringend wieder lebend zurück. In Anbetracht der Situation, dass wir ein feindliches Schiff entern, aber kein Offizier unserer Raumflotte anwesend ist, ernenne ich Mister Jason O’Brian zum diensttuenden 2nd Lieutenant der Arcadia Miliz.“
Man konnte deutlich hören, wie jemand tief Luft holte. Peter vermutete, dass es Jason war.
„Ebenso ernenne ich Mister Peter Mansfield zum diensttuenden Ensign der Arcadia Miliz. Viel Glück, meine Herren.“
Peter schüttelte etwas ungläubig seinen Kopf. Doch dann verdrängte er alle Gedanken und konzentrierte sich auf seine Aufgabe. Jason meldete sich über die Funkverbindung im Helm.
„So, Leute. Das Team von Chief Stoddard ist Team 1, das von Roger ist Team 2. Wir sind Team 3. Wir gehen über den Andockring. Team 1 macht die Andockvorrichtung bereit und setzt bei Bedarf die Laser in Betrieb. Team 2 und 3 bleiben erst einmal im Hangar komplett in Deckung. Ich nehme an, man erwartet uns bereits. Team 1 los.“
Ein Techniker der MOHAWK setzte den Andockring in Betrieb. Das war ein ziehharmonikaähnlicher Schlauch mit einer Standardkupplung die für alle Kriegs- und Handelsschiffe vorgeschrieben war. Trotz seines Namens hatte der Andockring einen quadratischen Querschnitt und bei Kriegs- und Polizeischiffen war der Kopf mit Trennlasern besetzt um sich auch ungebeten Zutritt verschaffen zu können.
Der Schlauch wurde ausgefahren und presste sich gegen die Bordwand des anderen Schiffes. Dort schloss er luftdicht mit der Bordwand ab, dann wurde er mit Luft gefüllt. Als der Druck hielt, wurde das Schott auf der MOHAWK geöffnet und Chief Stoddard ging mit einem weiteren Marine nach vorne.
„Das Schleusenschott ist verriegelt.“
„Okay. Zurückkommen und Laser einsetzen.“
Die beiden Soldaten kamen zurück und das Schott auf der MOHAWK wurde wieder geschlossen. Über eine Fernsteuerung wurden die Trennlaser eingesetzt, die sich innen im Kopf des Andockrings befanden. Es dauerte eine Weile, bis die Laser ihre Arbeit getan hatten. Rings um das Schleusenschott war jetzt ein Teil der Bordwand herausgetrennt worden, doch immer noch verharrte es an Ort und Stelle. Jason schien etwas unsicher.
„Und nun?“
„Moment.“
Chief Stoddard sprach kurz mit dem Mann an den Kontrollen für den Andockring. Ein leichtes Zischen und die Druckanzeige verrieten, dass der Luftdruck im Ring verringert wurde. Mit einem lauten ‚Plopp‘ wurde das herausgetrennte Teil nun durch den höheren Innendruck im Piratenschiff herausgedrückt und fiel in den Andockring.
„Luftdruck wiederherstellen und Durchgang öffnen.“
Der kleine Schleusenraum hinter dem herausgetrennten Schott war nun gut einsehbar. Wie erwartet zeigte sich dort niemand.
„Erste Gruppe nach vorne.“
Eine Blaue und vier Rote Gestalten rannten hinüber.
„Das Innenschott ist nicht verriegelt.“
Jason nickte automatisch, was mit dem Helm aber kaum zu erkennen war.
„Sie erwarten uns. Nach den Schiffsplänen dieses Typs verläuft hinter dem Schleusenschott ein Quergang. Wenn sie blöd genug sind, versuchen sie uns von beiden Seiten unter Feuer zu nehmen.“
Peter überlegte kurz, dann lächelte er. Wenn sie von beiden Seiten angriffen und der Gegner in der Mitte sich richtig verhielt, würden sie sich vielleicht gegenseitig beschießen. In den engen Gängen eines Raumschiffs waren solche Taktiken tunlichst zu vermeiden.
„Zweite Gruppe nach vorne.“
Nun führte auch Roger seine vier Mann bis an das Schleusenschott.
„Öffnen, vier Sekunden, dann eine S-Granate auf jede Seite.“
Peter sah aus der Entfernung zu, wie zwei Marines einen kleinen Gegenstand von ihrem Gürtel hakten und Einsatzbereit machten. S-Granaten, oder korrekt Stun-Granaten, erzeugten ein sehr lautes Geräusch und einen Lichtblitz, der ungeschützte Gegner für eine kurze Zeit orientierungslos werden ließen.
„Öffnen, JETZT!“
Das Innenschott öffnete sich und nichts passierte. Nach etwa drei Sekunden zischte ein einsamer Laserstrahl am Schott vorbei durch den Gang.
„Da ist wohl einer nervös geworden. LOS!“
Die beiden Marines kamen aus ihrer Deckung, warfen die Granaten und zogen sich sofort wieder zurück. Ein helles Laserfeuer von beiden Seiten war die Reaktion, doch niemand wurde getroffen. Dann erschallten die ersten lauten Rufe, die aber von dem ohrenbetäubenden Knall der S-Granaten übertönt wurden.
„Raus!“
Abwechselnd schoben sich die Soldaten der beiden Gruppen durch das Schott und eröffneten sofort das Feuer auf die immer noch orientierungslosen Gegner. Die Gegenwehr war Minimal.
Peter hört nun wieder Jasons Stimme.
„Jetzt wir. Wir müssen nach rechts. Direkt hinter Rogers Gruppe her. Peter, Colton, ihr bleibt direkt hinter mir. Dave und Steven sichern nach hinten. Los.“
Jason sprintete los und Peter musste sich beeilen an ihm dran zu bleiben. Ein kurzer Blick zu der aufgetrennten Bordwand ließ Peter nachdenklich werden. Welche Energie war notwendig, zwanzig Zentimeter dicken hochverdichteten Duraplast-Panzerstahl zu zerschneiden? Colton schob ihn weiter und riss ihn aus seiner kurzen Betrachtung. Er hatte Peters Blicke bemerkt.
„Das sind Industrielaser. Was glaubst du, wie so ein Schiff gebaut wird?“
Peter nickte, während er weiterlief. Richtig, Colton war Techniker. Da war ein solcher Anblick wahrscheinlich nichts Seltenes. Der nächste Anblick riss Peter jedoch aus seiner inneren Ruhe. Vor ihnen im Gang lagen drei Personen. Der Kleidung nach zu urteilen waren es Besatzungsangehörige. Zwei von ihnen lagen friedlich da, als würden sie schlafen. Peter bemerkte mit einem leichten Schauern, dass einer der beiden nicht viel älter gewesen sein mochte als er selbst. Der dritte Tote war jedoch ein anderer Anblick. Ein Laserstrahl hatte von seinem Kopf nicht mehr viel übriggelassen und Peter merkte, wie sein letztes Essen sich auf den Weg nach oben machte.
„Tief durchatmen. Peter, sieh mich an.“
Peter sah durch das Sichtfenster seines Helms den Helm von Jason und darin die grünen Augen, die ihn jetzt intensiv anstarrten.
„Noch einmal tief durchatmen. Geht’s wieder?“
„Ja.“
„Gut, dann weiter.“
Die Gruppe folgte Jason weiter durch zwei kleinere Gänge, als Chief Stoddard sich meldete.
„Wir sind jetzt vor dem Frachtraum. Hier wird die Verteidigung stärker. Außerdem ist alles mit Verteidigungseinrichtungen abgesichert.“
„Nicht weiter vorgehen. Wir müssen erst zur Brücke. Dann sehen wir nach, was es da so Wertvolles gibt.“
Vor ihnen gab es plötzlich ein intensives Feuergefecht, dann eine laute Explosion.
„Was war das?“
Zunächst kam keine Antwort, dann die atemlose Stimme von Roger.
„Irgendein Idiot hat mit einem Raketenwerfer auf uns geschossen. Mark hat’s erwischt, aber er lebt noch. Wir stehen vor dem Brückenschott. Ist verriegelt. Frage weiteres Vorgehen?“
„Wir kommen nach vorne.“
Vor dem Zugang zur Brücke war der Gang in einem kleinen Umkreis vollkommen zerstört. Abdeckungen waren herabgerissen worden und Wände eingedrückt. Auf dem Boden lag eine Gestalt in einer roten Panzerrüstung. Jemand hatte ihm den Helm abgenommen. Jason sah kurz auf ihn herab.
„Dave, Steven, ihr bringt ihn zurück auf die MOHAWK. Wir sehen uns mal das Brückenschott an.“
Colton befasste sich schon mit dem Zugang zur Brücke. Das Schott sah aus, als ob es nachträglich eingebaut worden war.
„Da hat jemand ganz schön Angst. Das Ding ist nachträglich eingebaut worden. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, aus einem Kriegsschiff. Aber frag mich nicht welches.“
„Kriegst du es auf?“
„Keine Chance. Wir können es nur auf die harte Tour versuchen. Das Schott wird halten, aber hier, wo die Verriegelung endet, ist wieder die ursprüngliche Wand.“
Jason sah sich die Wand ebenfalls an.
„Also?“
„Wir nehmen vier Streifen Thermalsprengstoff und markieren damit eine Tür an der Wand. Das müsste für eine nicht verstärkte Wand vollkommen ausreichen. Dann haben wir einen Privateingang.“
Jason warf Colton einen undefinierbaren Blick zu, nickte aber deutlich.
„Dann fang mal an.“
Colton legte seinen Rucksack ab und nahm eine rotgelbe Schachtel heraus. In der Schachtel befand sich eine graue Masse, ähnlich von Knetmasse. Colton formte geschickt eine lange, sehr dünne Wurst. Mit dieser nicht einmal einen Zentimeter durchmessenden Wurst markierte er einen türähnlichen Durchgang an der Wand.
„So, und jetzt alle bitte zurücktreten. Ich stecke jetzt den Zünder an.“
Alle, bis auf Colton, zogen sich im Gang zur nächsten Ecke zurück. Colton nahm eine kleine Kapsel hervor und drückte sie in die Sprengmasse. Dann kam auch er hinter die Deckung.
„Sprengung wie befohlen vorbereitet.“
„Dann los.“
Peter konnte nicht erkennen was Colton machte, doch nur eine Sekunde später zündete die Sprengmasse. Es gab keine spektakuläre Explosion, lediglich ein lautes Zischen. Der Thermalsprengstoff fraß sich durch den Stahl der Wand und diesmal fiel das herausgetrennte Teil mit lautem Klappern ins Innere der Brücke.
Roger stürmte mit seinen verbliebenen Marines nach vorne und Peter folgte ihnen eilig. Ohne auf den Schusswechsel zu achten, suchte er nach der Astrogationskonsole. Vor der Konsole stand ein älterer Mann in einer Fantasieuniform mit viel Gold und jeder Menge Orden. Hektisch tippte er an der Eingabe.
Peter reagierte ohne nachzudenken. Er stürmte auf den Mann zu und der schiere Anprall der schweren Panzerung stieß diesen zu Boden. Er schien keineswegs überrascht, denn sofort griff er zu einer Pistole, die an einem Bandelier quer über der Brust befestigt war.
Peter fragte sich, ob die Panzerrüstung auch für den Nahkampf geeignet war, während er schon so reagierte, wie er es während seiner Kampfsportausbildung gelernt hatte. Die Rüstung verstärkte zwar nicht seine Bewegungen, doch die Panzerung hielt allen Einwirkungen von Schlägen oder Stichen stand.
Peters linker Arm zuckte nach oben und schlug dem überraschten Gegner die Waffe aus der Hand, während der rechte Arm nach vorne zuckte und mit der flachen Hand den Solarplexus traf. Der Mann wurde förmlich zurückgeschleudert und prallte gegen eine Wand. Dort sank er zu Boden ohne einen Laut von sich zu geben.
Peter zuckte zusammen, als ein Laserstrahl dicht an ihm vorbeischoss, doch dann war auf einmal absolute Stille.
„Du hast sie wohl nicht alle? Ich hatte gesagt, ihr bleibt hinten.“
Jason klang reichlich angepisst, doch Peter zuckte nur mit den Schultern. Ein kurzer Blick auf sein HUD sagte ihm, dass die Atmosphäre atembar und frei von Giftstoffen war.
„Frage, dürfen wir Helm und Handschuhe ablegen zum Arbeiten?“
Es gab eine kleine Pause, dann kam die Stimme von Jason.
„Genehmigt. Wie lange werdet ihr brauchen?“
„Keine fünf Minuten.“
„Dann los.“
Peter ging hinüber zur Astrogationskonsole und besah sich die Anzeige. Der letzte Nutzer hatte sich eingeloggt und die Abfrage stand auf: CONFIRM DELETE ALL DATA. Peter atmete tief durch und drückte auf Abbruch. Dann fuhr er das ganze System ordnungsgemäß herunter. Auf sein Zeichen hin löste Colton alle Kabelverbindungen und holte das Gerät aus seiner Verankerung.
„Guck mal, hier steckt ein Blatt Schreibfolie dazwischen.“
Peter angelte nach der Folie und bekam große Augen.
„Jason, kommst du bitte mal?“
Jason kam herüber und sah Peter über die Schulter. Auch er hob erstaunt die Augenbrauen.
Brücke: 902017
Nav-Konsole 614598
Leitstand 131191
Zellenblock 996699
DefenseSys a5Tx9M
„Ich glaub es ja nicht. Der Typ war ja sowas von bescheuert.“
„Oder sowas von vergesslich. Da bleibt dir manchmal keine andere Wahl.“
Jason sah sich kurz um, dann deutete er auf das Gerät in Coltons Armen.
„Los, Leute. Wir müssen erst euer Baby abliefern. Der Kommandant soll entscheiden, was dann passiert.“
„Roger, du bleibst mit deinen Leuten hier… Nein, das ist nicht nötig. Wir haben nur noch Notstrom und keinen Astrogationsrechner mehr. Die Brücke ist so gut wie nutzlos. Ihr geht mit nach achtern zu Chief Stoddard. Ich komme nach, sobald wir das Ding hier abgeliefert haben.“
Peter und Colton standen schon an dem aufgetrennten Durchgang und warteten auf Jason. Schnell machten sie sich wieder auf den Rückweg. Im Hangar der MOHAWK legte Colton den Astrogationsrechner vorsichtig auf einen Arbeitstisch.
„Was brauchen wir?“
„Energieanschluss. Das ist ein ASTRO-G-37, ein etwas älteres Modell als unseres. Wenn sie nichts Grundlegendes geändert haben, geht der bei Stromausfall in einen Bereitschaftsmodus. Sobald wieder Saft kommt, fährt er hoch und macht an der gleichen Stelle weiter, wo er aufgehört hat.“
„Und du bist sicher, dass du ihn ordnungsgemäß runtergefahren hast?“
Peter warf Colton nur einen ‚glaubst du ich bin blöd‘-Blick zu. Der zuckte lediglich mit den Schultern.
„Sorry, aber ich hab‘ da schon ganz andere Sachen gesehen.“
Colton suchte nach einer passenden Verbindung und versorgte das Gerät mit Energie. Eine kleine grüne Anzeige leuchtete auf.
„Na also“, murmelte Peter und drückte entschlossen den ON-Schalter. Auf dem Bildschirm erschien die Anzeige des Systemstarts. Nach einem kurzen Moment blinkte die Eingabe für den Sicherheitscode auf. Peter sah auf das Blatt, das Colton geborgen hatte und gab 614598 ein. Ohne Probleme erschien das Menu mit den Astrogationsbefehlen.
Peter überlegte nicht lange. Er wählte einfach ‚Geplante Route‘. Kurz darauf erschien eine Fehlermeldung und sowohl Peter als auch Colton schnappten nach Luft. Dann sahen sie sich an und lachten erleichtert.
‚FEHLER. Datentransfer nicht möglich. Kontrollieren sie die Verbindung zur Steuereinrichtung‘.
„Okay. Ich werde die Transferdaten auslesen und in unserem Astrogationsrechner überprüfen. Dann werden wir sehen, ob wir wirklich Erfolg gehabt haben.“
Während die beiden sich um den Astrogationsrechner kümmerten, waren die beiden Marines eingetroffen, die ihren verletzten Kameraden abgeliefert hatten.
„Und? Wie geht es Mark?“
„Nichts Tragisches. Die Panzerung hat gehalten. Nur eine Gehirnerschütterung und etliche schwere Prellungen.“
Jason nickte erleichtert. Dann rechnete er schnell nach. Wenn Peter und Colton hierblieben, hätte seine Gruppe nur noch drei Mann und die von Roger nur noch vier. Lediglich der Chief hatte noch alle fünf Mann.
Nun meldete sich auch Chief Stoddard über Funk.
„Wir konnten einen der automatischen Lasertürme ausschalten und stehen jetzt direkt vor einer Panzertür hinter der eigentlich der Frachtraum sein sollte. Was sollen wir machen?“
„Einen Moment warten. Ich muss den Kommandanten fragen.“
„Ich habe mitgehört. Wie weit sind wir mit den Astrogationsdaten?“
„Nach dem was ich sehen kann, lädt Ensign Mansfield gerade die Daten herunter. Ich könnte mit meiner Gruppe jetzt den Chief unterstützen.“
„Dann gehen sie noch einmal rüber. Aber keine großen Gefechte. Sie sehen sich im Frachtraum um, ob etwas Relevantes vorhanden ist. Wenn es geht, bergen sie zusätzliche Beweise für die Tätigkeiten als Pirat oder Schmuggler oder etwas Ähnliches.“
„Verstanden, Sir. Chief, haben sie mitgehört?“
„Ja, Sir. Wir warten hier, bis sie eingetroffen sind.“
Jason nahm noch das Blatt mit den Zugangscodes auf, das Peter etwas achtlos auf den Arbeitstisch gelegt hatte. Dann sah er Colton an.
„Musst du wieder auf die Brücke, oder kannst du noch mal mitkommen?“
Colton grinste.
„Das kann Peter auch alleine. Ich such‘ nur eben noch mal etwas von meinem Spielzeug zusammen.“
Jason legte mit seiner Gruppe den Weg durch das fremde Schiff in Rekordzeit zurück. Die Gruppe von Chief Stoddard hatte sich auf einen Quergang zurückgezogen und wartete auf Verstärkung.
„Hier rechts geht es nach etwa drei Metern auf ein Panzerschott zu. Laut Plan soll dahinter der Frachtraum sein. Eines der automatischen Geschütze konnten wir ausschalten. Das zweite hängt unter der Decke und wir müssten weit in den Zugang hinein, um es zu erreichen.“
Jason nickte nachdenklich. Jeder, der in den Zugang trat war ein gutes Ziel und gegen ein Geschütz konnten auch die Kampfpanzerungen nicht lange durchhalten.
„Gibt es einen Zugang oder einen Hinweis auf eine Steuerungseinheit für die Geschütze?“
Jason und der Chief sahen Colton fragend an.
„Die Dinger arbeiten automatisch, müssen aber programmiert und den nötigen Parametern versehen werden, sonst schießen sie auf alles, was sich bewegt. Wäre für den Eigentümer nicht so gut.“
Chief Stoddard ließ noch einmal den Lageplan auf seinem HUD erscheinen.
„Hm, so wie es aussieht, gibt es einen kleinen Raum, direkt hinter dem Panzerschott. Das könnte passen.“
„Grenzt der Raum irgendwo an einen Gang hier draußen?“
„Hm, Moment. Ja, ich glaube, dort hinten. Ich lass‘ mal eine Vermessung durchlaufen.“
Zwei Minuten später stand der Chief auf dem Gang vor einem Stück der Wand, die nicht anders aussah, als der Rest der Wandverkleidung.
„Hier müsste der Raum sein.“
„Okay. Dann werde ich mal mein Glück versuchen.“
Wie schon zuvor bei der Brücke entnahm Colton seinem Rucksack eine rotgelbe Schachtel. Interessiert sah der Chief zu, wie Colton nun aus der Sprengmasse eine lange, sehr dünne Wurst formte. Und auch hier markierte er mit dieser Wurst den Umriss für den Durchgang an der Wand.
„So, und jetzt alle mindestens fünf Meter zurücktreten. Ich stecke jetzt den Zünder an.“
Colton wartete, bis sich alle entfernt hatten, nahm eine Sprengkapsel hervor und drückte sie in die Sprengmasse. Dann entfernte er sich ebenfalls.
„Sprengung wie befohlen vorbereitet.“
„Feuer frei.“
Colton aktivierte eine Funksequenz und etwa eine Sekunde später zündete die Sprengmasse. Es ertönte ein lautes Zischen und der Thermalsprengstoff fraß sich durch Plastik und Stahl der Gangwand. Nachdem die Geräusche aufgehört hatten, ging der Chief hinüber und sah sich die herausgetrennte Platte an, die sich immer noch an Ort und Stelle befand.
„Hat es nicht funktioniert?“
Colton kam ebenfalls näher und man sah sein Grinsen.
„Doch.“
Ein leichter Stoß mit einer Hand ließ die Platte nach innen stürzen, wo sie mit lautem Scheppern zu liegen kam. Colton sah in den Raum.
„Bingo!“
Abgesehen von einem Schreibtisch und einer ganzen Reihe von Speichermedien gab es einen großen Konsolenarbeitsplatz.
„Kannst du damit umgehen?“
Colton drehte sich empört zu Jason.
„Genauso gut wie du mit deinem Z20. Gib mal bitte den Zettel.“
Colton setzte sich an die Konsole und begann zu tippen. Nach einem kurzen Moment nahm er den Zettel und gab einen Code ein. Dann einen zweiten.
„So, ich habe jetzt das Verteidigungssystem deaktiviert und den Zellenblock entsperrt. Was jetzt?“
„Jetzt sind wir wieder dran. Wir werden von hier aus den Frachtraum stürmen. Ich nehme an, er wird noch von einigen Piraten verteidigt. Wir haben bisher nicht einmal die Hälfte von denen getroffen, die ich vermutet hatte.“
Colton wurde nachdenklich.
„Was hältst du davon, wenn ich das Verteidigungssystem wieder aktiviere. Allerdings mit geänderten Zielparametern. Die automatischen Anlagen würden alles bekämpfen, was sich im Frachtraum befindet. Dann schalten wir das Ding wieder aus und ihr könnt rein.“
„Das geht so einfach?“
„Na ja. Einfach ist das nicht. Aber einen Versuch ist es wert.“
Jason erinnerte sich, dass er Colton, obwohl in der gleichen Jahrgangsstufe wie er und Peter, in der Schule sehr selten gesehen hatte. Er hatte keinen einzigen Kurs mit ihm zusammen, wusste aber, dass er zumindest Höhere Mathematik II und Computerwissenschaften belegt hatte. Sportlich war er auch nie aufgefallen.
„Dann versuch’s mal.“
Colton nickte und arbeitete eine ganze Weile konzentriert an der Konsole. Zweimal musste er den Zettel mit den Codes nachprüfen. Dann nickte er und drückte schwunghaft eine Taste.
Man konnte die Geräusche aus dem Frachtraum bis zu ihnen hören. Das laute Zischen der schweren Lasertürme war ebenso zu vernehmen wie erstaunte und entsetzte Ausrufe. Dann folgte die gesamte Bandbreite eines Feuergefechts. Es dauerte nicht lange, bis die Geräusche verstummt waren.
„So, jetzt werde ich die Dinger wieder deaktivieren. Seid aber trotzdem vorsichtig.“
Jason nickte lediglich und gab Anweisungen für seine Marines. Als Colton das Zeichen gab, ließ Jason die Tür in den Frachtraum öffnen und stürmte voran. Tatsächlich hatten sich noch ein paar der Piraten verschanzt und wurden nun aus ihren Deckungen getrieben.
Nach fünf Minuten war alles vorbei und Chief Stoddard sammelte die Truppen für einen Roll-Call.
„Elf Marines, zwei Mann der Navy. Zwei Leichtverletze, keine Ausfälle.“
Jason nickte dankend. Dreizehn Mann von Fünfzehn. Mark lag im Lazarett und Peter war an Bord der MOHAWK geblieben. Jason war dankbar und auch ein wenig stolz, dass sie es ohne Verluste geschafft hatten.
„Chief, kontrollieren sie bitte den Frachtraum. Roger, du gehst mit deinen Leuten zum Zellenblock. Dave, Steven, ihr unterstützt den Chief. Ich bleibe bei Colton. Mal sehen, was es hier so Wichtiges gibt, dass die halbe Besatzung hier drin war.“
Der erste der zurückkehrte, war Roger Dalton.
„Der Zellenblock ist leer. So wie es aussieht, ist er auch schon eine ganze Zeit nicht benutzt worden.“
„Okay, danke. Dann könnt ihr auch den Chief unterstützen. Der Frachtraum ist ja bis oben hin vollgestapelt.
Jason wechselte nun die Frequenz.
„Boarding-Team an Kommandant. Frachtraum wurde erobert. Keine Verluste. Zellenblock ist leer. Keine Gefangenen. Wir kontrollieren gerade die Ladung, kann noch eine Weile dauern.“
„MOHAWK verstanden. Kommen sie zurück, sobald sie fertig sind. Wir haben die Astrogationsdaten jetzt und können die Verfolgung aufnehmen.“
„Boarding-Team verstanden.“
Während des kurzen Gesprächs hatte Jason mitbekommen, dass der Chief etwas hektisch nach Colton verlangt hatte und beide zwischen mehreren kleinen Frachtcontainern verschwunden waren. Die Container waren erheblich kleiner als ein Außenlastcontainer, hatten aber geschätzt ein Volumen von etwa sechzehn Kubikmetern. Die Außenwände waren in einem dunklen blau, das Jason an die Frachtcontainer der Navy erinnerte.
Jetzt kamen der Chief und Colton aus dem einen Container hervor und diskutierten heftig. Als sie Jason sahen, verstummten sie. Colton ging langsam auf Jason zu.
„Sagt dir der Begriff PER-Mod. I irgendetwas?“
„Was für ein…?“
Jason stutzte. PER. Das hatte er doch schon einmal irgendwo gehört. Beim Unterricht? Bewaffnung? Nein, eher bei - Ausrüstung! Das war’s. PER – das waren die neuen Panzer-Energie-Rüstungen. Noch schwerer und gepanzerter als die normalerweise verwendeten Kampfpanzerungen. Durch die verstärkte Panzerung und weitere eingebaute technische Neuerungen war die Rüstung so schwer, dass sie für einen normalen Menschen nicht mehr zu bewegen war. Deshalb war sie mit einer Mikrozelle bestückt, die eine ganze Reihe von Servomotoren mit Energie versorgte. Die ultimative Panzerrüstung. Noch in der Entwicklung und vorgesehen zunächst für eine Ausbildungseinheit der Royal Marines zur Erprobung. Wie kam Colton denn jetzt auf die PER?
Voller Bestürzung ruckte Jasons Blick hinüber zu den Containern.
„Sag jetzt nicht, da sind Energierüstungen drin.“
„Doch. Acht Stück in jedem der beiden Container. Alle nagelneu und noch in der Originalverpackung. Inclusive eines ganzen Stapels von Energiepacks und eines Wartungssets. Und das interessante ist, die Lieferscheine sind auch dabei.“
„Lieferscheine?“
„Ja. Die Frachtpapiere für die Lieferung von acht Energierüstungen pro Container und der dazugehörigen Ausrüstung. Ausgestellt von EnergyTechIndustries auf Gador V. Empfänger ist das Zentraldepot des Royal Logistik Corps auf Torchwood.“
„Das kann nicht sein. Eine solche Frachtlieferung unterliegt dem Kriegswaffenkontrollgesetz. Da gibt es unendlich viele Prüfungen über den Ablauf. Und der Transport darf nur mit dafür lizensierten Schiffen und unter Begleitung durchgeführt werden.“
„Ich glaube nicht, dass dies hier ein lizensierter Transporter ist, oder? Gestohlene oder geplünderte Waren würde ich ja verstehen, aber das hier? Da stimmt etwas ganz und gar nicht. Frag den Kommandanten, was wir tun sollen.“
Das Gespräch mit Lieutenant Granger dauerte etwas länger. Auch er konnte kaum glauben, was ihm berichtet wurde.
„Bleiben sie dort. Ich melde mich gleich wieder.“
Das ‚Gleich‘ dauerte dann doch ein wenig länger und Jason begann schon unruhig zu werden.
„Kommandant an Boarding-Team. Wie lange dauert es, die Gegenstände auf die MOHAWK zu verladen?“
Jason gab die Frage weiter und der Chief sah Colton fragend an.
„Die Container kriegen wir nur durch die Frachtschleuse raus. Irgendeine Idee?“
„Ja. Anziehen und rausmarschieren. Das Zubehör kriegen sie gleich mit in die Hand gedrückt.“
Jason und Chief Stoddard sahen Colton erstaunt an.
„Was ist? Das ist die einfachste Lösung. Oder könnt ihr mit den Dingern nicht umgehen?“
Jason schüttelte nur den Kopf und dann hörte Colton über sein Headset die Anweisungen.
„Boardingteam sofort zurück auf die MOHAWK. Kampfpanzerungen ablegen und wieder hierher zurückkehren. Es bereiten sich alle auf die Ausrüstung mit einer Panzer-Energie-Rüstung vor. Im Laufschritt!“
Während die ersten schon zum Schiff zurücksprinteten, kontaktierte Jason noch einmal den Kommandanten.
„Wir werden die Energierüstungen anziehen und mit zurückbringen. Ich brauche noch drei Freiwillige, da wir nur dreizehn Mann sind. Die Operation wird maximal zehn Minuten dauern.“
„MOHAWK verstanden. Beeilt euch.“
Jetzt liefen auch Jason und Colton zurück zur MOHAWK. Im Hangar hatten die ersten sich bereits der Kampfpanzerung entledigt und liefen, nur mit ihrem Jump-Suit bekleidet, wieder zurück auf das Piratenschiff.
Auch Jason entledigte sich mit wenigen Handgriffen seiner Panzerung, als sein Blick auf Peter fiel, der neben ihm seine Borduniform abstreifte.
„Was willst du denn hier?“
Peter warf ihm einen verärgerten Blick zu.
„Was glaubst du denn? Du hast doch selbst um Verstärkung gebeten.“
Erst jetzt bemerkte Jason neben Peter auch Hendrik van Seelst und Brian Summers. Die beiden waren ebenfalls dabei, sich zu entkleiden. Jason nickte zögernd.
„Na gut, dann los.“
Schnell eilte er seinen Truppen hinterher, während die drei noch fluchend ihre restlichen Sachen verstauten.
Auf dem Weg zum Frachtraum des Piratenschiffes kamen Peter die ersten Marines mit den neuen Rüstungen entgegen. Auf Grund der verstärkten Panzerung und der Servo-Unterstützung waren die Rüstungen größer als die normalen Kampfpanzerungen. Peter musste nach oben blicken, um den Helm mit seinem Panorama-Sichtfeld zu betrachten. Der Helm glich eher einem alten Modell, wie Peter ihn aus dem Geschichtsunterricht auf den Bildern von Zweiradfahrern gesehen hatte.
Die Panzerung selber glänzte silbern und sollte teilweise Laserbeschuss reflektieren. Jeder der Marines trug noch etliche Ausrüstungsteile worunter Peter mit Erstaunen auch ein ZMG5 erkannte. Das ZMG war ein schwerer Kampflaser und wog bestimmt 20 Kilo. Dann fiel ihm ein, dass das bei der Energierüstung wahrscheinlich kein Problem sein würde.
Bei den Containern war Jason gerade dabei, eine der Rüstungen anzulegen. Dazu brauchte er die Hilfe von mindestens einer weiteren Person. Die Teile für Arme und Beine waren aufklappbare Halbschalen, die um die Extremitäten gelegt und dann zugeklappt wurden. Für Ober- und Unterkörper gab es getrennte Halbschalen. Die für den Unterkörper wurden vorne und hinten an der Beinpanzerung angesetzt und dann, wenn beide Teile an Ort und Stelle waren, verbanden sie sich automatisch.
Den vorderen Teil konnte der Träger selbst in Position halten, den hinteren Teil musste ein zweiter Mann anbringen. Peters Blick fiel auf Colton, der gerade nach dem hinteren Teil für Jasons Rüstung griff. Schnell trat er auf Colton zu und nahm ihm das Teil ab.
„Das mach ich.“
Colton sah halb amüsiert, halb beleidigt zu, wie Peter das Rückteil an Jasons Hintern anpasste und in Position hielt. Als die Rüstungsteile sich verbanden, reichte Colton Peter auch das Rückenteil.
„Ich hab‘ dir doch gesagt, du sollst dich beherrschen.“
Peter sah Colton verwirrt an.
„Sieh mal unauffällig an dir runter.“
Peters entsetzter Blick ruckte nach unten und er konnte deutlich erkennen, was Colton meinte.
Auch die anderen beiden hatten die mehr als auffällige Veränderung in Peters Jumpsuit bemerkt und Brian sah etwas ratlos von Peter zu Jason und wieder zurück. Dann flüsterte er etwas mit Hendrik. Der verpasste Brian ansatzlos einen Schlag auf den Hinterkopf und zog ihn etwas von Peter und Colton weg.
Jason war nun auch mit Helm, Handschuhen und Stiefeln ausgerüstet. Mittels einer Sprachsteuerung machte er einen Systemcheck mit der Rüstung und dann erwachte sie summend zu ihrem elektronischen Leben.
Jason machte ein paar Schritte um sich an die Rüstung zu gewöhnen und er war begeistert. Sie war leichter zu tragen als eine Kampfpanzerung und machte tatsächlich alle Bewegungen ohne Verzögerung mit. Ihm wurde bewusst, dass sie eigentlich keine Zeit hatten und so begab er sich schweren Herzens zu dem Container um noch Waffen und Material aufzunehmen.
Inzwischen war Peter dran, die Energierüstung anzulegen. Er beeilte sich mit den Armen und Beinen um endlich die großen Teile anlegen zu können. Ihm war es furchtbar peinlich, dass alle seine Reaktion auf die Berührung von Jason gesehen hatten. Peter hielt das Vorderteil für seinen Unterkörper in Position, während Colton das hintere Teil anbrachte. Kurz vorher spürte Peter, wie Colton mit leichten Fingern raschüber sein Hinterteil fuhr.
„Was soll das? Spinnst du?“
„Oh, ich wollte nur einmal sehen, was du da auf dem Altar der Unschuld zu opfern gedenkst.“
Peter schoss das Blut in den Kopf und nicht nur dahin. Etwas unwirsch fiel auch seine Entgegnung aus.
„Und woher willst du wissen, dass ich unten liege?“
Colton stutzte einen Moment, dann lachte er.
„Bei einem Typ wie Jason? Junge, was hast du denn für Träume.“
Damit setzte er Peter entschlossen den Helm auf.
„Andockring eingezogen und verriegelt. Alle Schleusen frei und betriebsbereit.“
„Danke, Mister Fraser. Ablegemanöver einleiten. Ensign Mansfield, sobald wir frei sind, mit Höchstgeschwindigkeit zum Absprungpunkt.“
„Jawohl, Sir. Mit Höchstgeschwindigkeit zum Absprungpunkt.“
„Meine Herren, nur kurz zu ihrer Information. Ich habe mit dem Einsatzkommando unserer Miliz gesprochen. Die IROQUOIS ist schwer beschädigt und muss geborgen werden. Es gab keine andere Möglichkeit, die Ladung des Piratenschiffes zu sichern, als sie selbst zu übernehmen. Die Regierung von Arcadia hat bei der Föderation um Hilfe nachgesucht. Einige Einheiten werden wohl bald hier eintreffen. Wir sind ausdrücklich mit der Verfolgung der Piraten beauftragt.“
Auf diese Ankündigung folgte nur tiefes Schweigen auf der Brücke. Niemand wusste, was sie erwartete. Das Schweigen wurde plötzlich durch die Stimme von Lukas McAllen unterbrochen.
„Eintritt in den Hyperraum in x-minus-zehn. Erste Etappe sechs Stunden. Zweite Etappe drei Stunden zwanzig.“
„Sehr schön. Das heißt, wir können die Brückenbesatzung während der Hyperraumphase ausdünnen. Ensign Mansfield, Lieutenant O’Brian, Mister van Seelst und Mister Summers gehen in die erste Ruhephase. Mister Fraser muss das bitte mit der Technik abstimmen. Auf dem Zentraldeck sind direkt hinter der Brücke extra Ruheräume eingerichtet. Suchen sie sich welche aus.“
Peter wurde von der Eintrittsphase in den Hyperraum abgelenkt. Es war seine erste Reise durch das große violette Nichts und er war entsprechend aufgeregt. Dementsprechend war er auch etwas enttäuscht, als das Schiff nach der angekündigten Zeit den Übergang machte und nichts weiter passierte, als dass auf dem großen Panoramaschirm die Sterne verblassten und ein eintöniger violetter Hintergrund erschien.
„Keine Komplikationen, sehr gut. Die aufgerufenen Soldaten können sich dann zurückziehen.“
Zögernd erhob sich Peter und sah sich fragend um. Dann folgte er Hendrik, der anscheinend wusste, wohin es ging. Draußen vor der Zentrale erwartete sie ein Sublieutenant.
„Meine Herren, ich bin Sublieutenant Kayser. Im Moment der Erste Offizier der MOHAWK. Der Kommandant hat ihnen Ruheräume zugewiesen. Hier vorne sind leider nur noch zwei Räume frei und der Kommandant legt deutlich Wert darauf, dass sie sich nicht allzu weit von der Brücke entfernen.“
Die vier sahen sich schulterzuckend an.
„Wir gehen nach den Vorschriften der Navy. Die beiden Offiziere werden zusammen untergebracht und die beiden Anwärter zusammen.“
Damit wies Sublieutenant Kayser zeitgleich auf je eine Tür auf der Backbord- und der Steuerbordseite des Gangs.
Hendrik bemerkte den panikartigen Blick, den Peter Jason zuwarf und schüttelte ratlos den Kopf. Dann stieß er Brian an.
„Los, auf geht’s. Ich will noch eine Runde schlafen.“
Brian folgte ihm wortlos, während er Peter und Jason einen amüsierten Blick zuwarf.
„Na los. Wir auch. Ich muss aus den Klamotten raus.“
Peter folgte Jason in den Ruheraum. Der Raum war spärlich möbliert. Das auffälligste waren die beiden Betten auf der rechten und linken Seite, flankiert von ein paar Einbauspinden. Eine weitere Tür führte offensichtlich in die Nasszelle.
„Nichts Großartiges, aber was soll’s. Ist ja auch nur ein Ruheraum.“
Jason sah neugierig in den Spind auf der rechten Seite.
„Ha. Alles da. Sogar ein frischer Jumpsuit. Ich geh erst mal Duschen.“
Ohne eine Antwort abzuwarten, legte Jason seine Bekleidung ab und schälte sich aus dem Jumpsuit. Peters Augen folgten jeder seiner Bewegungen. Vollkommen nackt schnappte sich Jason ein Handtuch und verschwand in der Nasszelle.
Peter versuchte erst einmal das zu verarbeiten, was er gerade gesehen hatte. Wie gerne hätte er sich Jason genähert und wäre mit seinen Händen über die breite Brust gefahren, über den Sixpack, bis hinunter zu… Panikartig bemerkte Peter, wie er wieder eine Erektion bekam, nur bei dem Gedanken an Jason und seinen Körper. Das konnte doch nicht alles sein. Konnte er an nichts anderes mehr denken, als an Sex?
Peter streifte nun ebenfalls seine Borduniform ab und befreite sich aus dem Jumpsuit. Im Spind suchte er nach einem Handtuch als plötzlich Jason wieder eintrat. Peter schreckte herum und erstarrte. Jason hatte sich nicht die Mühe gemacht und sein Handtuch umgelegt. Es hing lediglich über seiner Schulter. Peter wurde sich bewusst, dass sie sich beide vollkommen nackt gegenüberstanden und er schon wieder darauf reagierte. Jason lächelte sanft.
„Willst du mich damit erschießen?“
Peters Blick ruckte an sich herunter und er glaubte, im Erdboden versinken zu müssen. Rasch drehte er sich herum, doch Jason hatte trotzdem erkannt, dass Peter die ersten Tränen herunterliefen. Peter stand einfach nur da, den Rücken zu Jason gewandt und schniefte leise.
Plötzlich spürte er eine Hand auf seiner Schulter.
„Es tut mir leid, Peter. So habe ich das nicht gemeint. Ich… ich habe schon seit einiger Zeit bemerkt, dass du mich beobachtest. Und deshalb habe ich mit Hendrik gesprochen.“
Peter erstarrte. Was hatte Hendrik ihm erzählt?
„Ich muss zugeben, du hast einen sehr guten Freund. Er wollte mir genauso wenig über dich erzählen, wie du über ihn. Also blieb mir nur übrig, einen Vorwand zu suchen, um mit dir ins Gespräch zu kommen. Ich möchte dich nämlich sehr gerne näher kennenlernen.“
Was war das gerade? Jason wollte ihn gerne näher kennenlernen? Langsam drehte sich Peter wieder zurück zu Jason. Da er seinen Kopf gesenkt hatte, wanderte sein Blick automatisch an Jason herunter. Was er dort sah, ließ ihn sofort erröten und er hob schnell seinen Kopf.
„Tut mir leid, aber du bist nicht der einzige, dem sein Gegenüber gefällt.“
Peter sah nun in Jasons Gesicht und bemerkte, dass Jason ebenfalls etwas rot angelaufen war. Irgendwie fand er es niedlich. Der große starke Footballspieler, der Marine, konnte Gefühle zeigen.
Sanft zog Jason Peter an sich und senkte leicht seinen Kopf. Peter ahnte, was kommen sollte und schloss seine Augen. Er spürte den zaghaften, fast flüchtigen Kuss und seufzte. Dann fasste er mit beiden Händen nach oben und griff nach Jasons Kopf. Etwas entschlossener zog er ihn wieder an sich und diesmal dauerte der Kuss erheblich länger.
Mit einem leichten Unbehagen spürte Peter schon wieder eine beginnende Reaktion auf den Kuss, doch diesmal war etwas anders. Sie standen beide dicht aneinandergepresst und auch Jasons Erektion konnte er deutlich auf seinem Bauch spüren. Waren sie denn beide wirklich so extrem hormongesteuert? Jason löste die Umarmung.
„Ich würde sagen, du gehst wirklich erst einmal Duschen. Danach können wir uns gerne unterhalten.“
Peter war etwas verwirrt. Klar, er sollte auf jeden Fall duschen, aber worüber wollte sich Jason mit ihm unterhalten? Schnell eilte Peter unter die Dusche. Unter dem heißen Wasserstrahl durchlebte er noch einmal den Kuss und diesmal ließ er seinen Gefühlen freien Lauf.
Als er in den Ruheraum zurückkehrte, lag Jason bereits in seinem Bett. Peter warf ihm einen unsicheren Blick zu, denn Jason hatte seinen Kopf auf einen angewinkelten Arm gestützt und beobachtete Peter. Seine Bettdecke war bis zum Bauchnabel heruntergeschoben.
Peter durchzuckten wieder alle möglichen Szenarien. Vollkommen erstaunt sah er an sich herab und bemerkte die beginnende Beule in seinem umgelegten Handtuch.
‚Verdammt, du warst doch eben erst dran. Nicht schon wieder!‘
Jason lächelte, als er bemerkte, dass Peter leicht rot anlief.
„Also, ich habe dir angeboten, dass wir uns unterhalten. Kommst du zu mir?“
„Zu dir ins Bett? Meinst du das ernst?“
„Warum nicht? Ich möchte gerne mit dir reden. Alles andere kann warten.“
Zögernd ging Peter auf das Bett zu. Dann fiel ihm ein, dass er nichts als ein Handtuch trug.
„Ich sollte mir vielleicht etwas…“
Seine Stimme erstarb, als Jason wortlos seine Decke anhob und zu erkennen gab, dass er nichts trug, außer seiner Haut. Peter lächelte dünn.
„Irgendwie fühle ich mich gerade wie ein Palatosaurier, der von einem Neoraptor in sein Nest eingeladen wird.“
Jason musste unwillkürlich lachen. Die kleinen, vierfüßigen Palatosaurier wurden von einigen Farmern im Dunkelfarn-Becken als Haustiere gehalten und die Neoraptoren waren die schnellsten und erbarmungslosesten zweifüßigen Raubsaurier auf Arcadia.
„Dann komm mal her zu mir, mein kleiner Palato. Ich beiße wenigstens nicht.“
Entschlossen ließ Peter sein Handtuch fallen und stieg zu Jason ins Bett.
„Okay. Worüber wolltest du mit mir reden?“
„Darüber.“
Jason beugte sich über Peter und gab ihm einen weiteren eindringlichen Kuss.
„Hmmm?“
Mehr brachte Peter mit verschlossenem Mund nicht heraus, doch Jason verstand ihn auch so. Er beendete den Kuss und sah Peter tief in die Augen. Dann schien er einen Moment zu überlegen.
„Ich wollte dich fragen, ob du mein Freund sein willst?“
„Dein Freund?“
„Ja. So wie in fester Freund.“
Peter starrte Jason mit großen Augen an. Das ging jetzt aber schnell. Was sollte er ihm sagen?
„Ich… ich weiß nicht. Das ist jetzt alles etwas überraschend für mich. Ich meine, ich mag dich. Sehr sogar. Aber ich weiß nicht, ob ich das kann. Also, das mit dem festen Freund. Wärst du denn damit einverstanden, es auch anderen Leuten zu sagen?“
Jason seufzte tief.
„Ja, das wäre ich. Es wird wahrscheinlich nicht einfach, aber es ist schließlich nichts, was gegen ein Gesetz verstößt. Aber einige Leute auf Arcadia sind da wahrscheinlich etwas schwierig.“
Peter schloss die Augen. Ja, es würde nicht einfach. Wie sollte er es seiner Mutter beibringen?
„Darf ich mir die Antwort noch etwas überlegen? Das ist keine Ablehnung, ehrlich nicht. Ich will mir nur darüber klar werden, was es in Zukunft für mich bedeutet.“
„Natürlich. Du hast so viel Zeit, wie du möchtest.“
„Danke. Ich denke, wir sollten jetzt etwas schlafen. Wir haben nur noch fünf Stunden, bis wir wieder auf die Brücke müssen. Und ich will vorher auch noch etwas essen.“
„Oh, mein kleiner Palato ist hungrig?“
Peter brummte unwillig. Da hatte er ja was angerichtet. Wenn Jason ihn damit vor den anderen aufzog, war was los! Brüsk drehte er sich um und zeigte Jason seinen Rücken. Jason lachte leise und rückte etwas näher an Peter heran. Sanft legte er einen Arm um ihn und Peter kuschelte sich fast instinktiv an den warmen, weichen Körper hinter ihm.
Als der Lautsprecher sich mit einem Wecksignal meldete, erwachte Peter und war zunächst etwas orientierungslos. Dann spürte er Jason hinter sich und ihm fiel ihre letzte Unterhaltung ein. Sollte er, oder sollte er nicht? Bei der Wiederholung des Wecksignals zuckt er zusammen, Zumindest sollte er jetzt aufstehen.
Das war gar nicht so einfach. Peter zögerte etwas, sich aus der angenehmen Umarmung zu lösen. War es immer so? Dieses Gefühl von Geborgenheit und Ruhe. Aufseufzend drehte sich Peter um und gab dem schlafenden Jason einen Kuss auf die Wange. Dann verschwand er schnell in der Nasszelle.
Als er wieder herauskam, war Jason ebenfalls aufgestanden.
„Guten Morgen, mein kleiner Palato. Gut geschlafen?“
Peter verzog verärgert sein Gesicht.
„Gewöhn‘ dir das gar nicht erst an. Ich heiße Peter.“
Jason grinste.
„Ich weiß. Aber ich finde es niedlich. Wir haben nämlich einen kleinen Palatosaurier als Haustier und der wird besonders von meinen beiden jüngeren Brüdern verwöhnt.“
Peter sah betroffen zu Boden. Er hatte gerade realisiert, dass er von Jason fast gar nichts wusste. Sicher, Hendrik hatte kurz etwas erzählt und auch Jason hatte ein paar kleine Hinweise gegeben. Doch was wusste er wirklich von Jason? Er wusste nicht einmal, wann er Geburtstag hatte.
„Ich bin kurz Duschen, danach können wir zum Essen.“
Peter wurde aus seinen Gedanken gerissen und ging hinüber zu seinem Spind, um sich anzuziehen. Plötzlich realisierte er, dass sie beide heute Morgen seit dem Aufstehen vollkommen nackt gewesen waren. Peter war es fast als selbstverständlich vorgekommen. Etwas verunsichert schüttelte er seinen Kopf.
Beim Frühstück trafen sie dann auf Hendrik, Brian und Colton.
„Oh, du auch hier?“
„Jep. Der Chief Engineer hat einen neuen Schichtplan gemacht für die Lastverteiler. So hatte ich auch das Vergnügen einer etwas längeren Nachtruhe.“
Colton sah von Peter zu Jason.
„Und, war bei euch auch alles ruhig?“
Coltons unschuldig blickende braune Augen ruhten auf Peter. Der begann schon rot anzulaufen, bis Hendrik fast die Milch verteilte, als er lachend in seine Müslischale prustete. Lediglich Brian sah irritiert von einem zum anderen.
Peter wandte sich zu Jason, der ihn nachdenklich ansah.
‚Wartet er auf eine Reaktion von mir? Oh, er will wohl nichts Falsches sagen. Aber was kann er schon sagen? Dass er mir einen Antrag gemacht hat‘?
In diesem Moment wurde Peter klar, dass hier und jetzt der Moment war, in dem er seinem Leben die entscheidende Wendung geben konnte. Lächelnd sah er Colton an.
„Bei uns war alles ruhig. Jason hat mich gefragt, ob ich sein fester Freund sein möchte.“
Jason lächelte Peter an und Colton entglitten etwas die Gesichtszüge. Hendrik hustete, denn diesmal hatte er sich an dem Müsli verschluckt. Brian starrte vollkommen verblüfft auf Peter.
Hendrik wedelte nach seinem Hustenanfall etwas mit seinen Händen, dann sah er von Jason zu Peter.
„Und? Was hast du ihm geantwortet?“
„Gestern Abend habe ich ihn vertröstet mit einer Antwort. Aber heute Morgen weiß ich, wie ich mich entscheiden muss.“
Peter drehte sich zu Jason und sah ihm in die Augen.
„Ja, ich will.“
Colton saß immer noch etwas konsterniert da, während Hendrik von einem Ohr zum anderen grinste. Lediglich Brian schien von der neuen Situation nicht angetan. Mit finsterem Gesicht nahm er sein Tablett mit dem halb beendeten Frühstück, stand auf und ging zur Rückgabestation. Jason sah ihm nach.
„Was ist denn mit dem?“
Hendrik drehte ebenfalls seinen Kopf.
„Keine Ahnung. Aber keine Angst, den greif ich mir gleich noch.“
Zum Austritt aus dem Hyperraum war die Brücke wieder voll besetzt. Hinter der Doppelkonsole für Kommunikation und Sensoren saßen wieder Hendrik van Seelst und Brian Summers. Hendrik warf Brian einen prüfenden Blick zu. Als dieser den Blick bemerkte, sah er mit hochrotem Gesicht auf seine Konsole.
Nach dem Frühstück war Hendrik auf die Kammer zurückgekehrt, die er mit Brian teilte. Der lag vollkommen angezogen auf seinem Bett und starrte an die Decke.
„Kannst du mir mal verraten, was das gerade für eine Nummer in der Cafeteria war?“
Brian schwieg.
„Wenn du ein Problem mit den beiden hast, dann sag es. Ich habe deine Reaktion nämlich nicht ganz verstanden.“
Brian fuhr zu Hendrik herum.
„Sie sind schwul!“
„Ja und? Was stört dich daran? Es ist doch nichts, was dich betreffen würde. Das geht nur die beiden etwas an. Ich frage dich ja auch nicht nach deinen Beziehungen.“
Brian funkelte Hendrik an.
„So etwas verstößt gegen die Natur!“
Hendrik stieß einen frustrierten Schrei aus.
„Nicht diese Scheiße! Weißt du überhaupt, was du da redest? Das ist die Natur. Sonst wären sie nämlich nicht so geboren worden. Das ist etwas, was sie nicht ändern können und mit dem sie leben und sich arrangieren müssen. Da brauchen sie nicht auch noch solche Pappnasen wie dich, der keine Ahnung von dem hat, wovon er redet.“
Brians Gesicht war nun rot angelaufen.
„So etwas geht einfach nicht. So etwas gehört sich nicht. Es verstößt einfach gegen das Zusammenleben der Menschen. Wie sollen wir denn weiter existieren, wenn solche… solche…“
„Halt einfach dein Maul! Die Menschheit ist bis jetzt noch nicht ausgestorben. Ganz im Gegenteil. Wir haben die halbe Galaxis besiedelt und nichts und niemand hat das bisher verhindern können. Zugegeben, einige Menschen wurden leicht genetisch verändert, um sich besser auf ihrem Planeten den Gegebenheiten anpassen zu können. Ist das auch gegen die Natur?“
Brian schwieg. Dann schoss Hendrik ein anderer Gedanke durch den Kopf.
„Oder nimm einfach die Felidaner. Sie sind das Opfer von fehlgeleiteten genetischen Experimenten. Trotzdem sind sie Menschen. So wie du und ich. Oder wie Peter und Jason. Jeder ist anders, aber dennoch gebührt ihm der Respekt seiner Mitmenschen, denn ohne ihn würden wir nicht zusammenleben können.“
Nun war Brian blass geworden.
„Felidaner? Nein.“ flüsterte er leise.
„Ich kann nicht mehr und ich will auch nicht mehr.“
Hendrik sah verblüfft zu Brian hinüber, dem plötzlich Tränen über sein Gesicht liefen. Aus einem Impuls heraus ging Hendrik langsam zu Brian hinüber und setzte sich neben ihn auf das Bett.
„Was kannst du nicht mehr?“
„Mich verstecken. Ich halte das nicht länger aus.“
Brians Gesicht war nun tränenüberströmt und er klammerte sich plötzlich an Hendrik.
„Was soll ich denn machen? Ich liebe ihn doch.“
Hendrik erstarrte einen Moment, dann strich er sanft mit einer Hand durch Brians schwarze Haare. Er musste wissen, wen Brian meinte. Nicht, dass es an Bord ein Unglück gab.
„Wer ist es?“ fragte er leise.
„Devon.“
Hendriks Augen weiteten sich vor Erstaunen. Devon Capers war der einzige Felidaner an ihrer Schule. Er war in der gleichen Jahrgangsstufe wie sie und Hendrik hatte ihn als lustigen und aufgeschlossenen jungen Mann kennengelernt. Er war auf Arcadia, weil sein Vater der Kommandeur der Marineinfanteristen im Stab des Gouverneurs war.
„Devon? Der kleine Tiger?“
Brian schniefte plötzlich belustigt zwischen seinen Tränen.
„Ja. Der kleine Tiger. Und du kannst sicher sein, ich kenne jeden seiner Streifen.“
Hendrik erkannte sofort, was diese Aussage bedeutete. Deshalb verstand er auch nicht Brians Reaktion auf Peter und Jason.
Brian bemerkte wohl erst jetzt, dass er sich immer noch an Hendrik klammerte. Ruckartig ließ er ihn los und brachte ein wenig Abstand zwischen sie. Hendrik lachte leise.
„Hey, keine Panik. Wenn du dich wohler dabei fühlst, dann bleib ruhig bei mir. Mir macht das nichts aus. Peter macht das auch öfter.“
Brian sah Hendrik nun unsicher an, bis dieser näher rückte und einen Arm um Brians Schulter legte.
„Keine Angst. Ich will nichts von dir. Ich habe mein Mädchen auf Arcadia. Aber was ist denn das Problem mit dir und Devon?“
„Mein Vater.“
Jetzt erst dämmerte Hendrik die ganze Tragweite des Dramas. Ezechiel Summers war auf Arcadia der Prediger der ‚Gemeinschaft des reinen Gottes‘. Der Vertreter einer kleinen Kirche, welche die Auffassung vertrat, dass die Menschen nur in ihrer reinen Form überleben konnten und alle von ihren Vorstellungen Abweichenden als Sünder oder Verdammte bezeichnete. Wobei die Definition einer ‚reinen Form‘ ziemlich vage gehalten waren.
„Ich nehme an, du folgst nicht so ganz den Vorgaben der Gemeinde.“
Brian verdrehte die Augen.
„Es ist nicht so einfach. Mein ganzes Leben lang bin ich mit diesen Anschauungen aufgewachsen. Musste sie mir jeden Sonntag anhören und auch zu Hause wurde nichts anderes gesagt und gelebt. Bis dann Devon auftauchte. Ein wahres Beispiel eines Verdammten. Ich habe alles gelesen, was es an Veröffentlichungen über Felidaner gab. Von den Hauskatzen von Terra I bis hin zu den genetischen Veränderungen vor 200 Jahren. Ich habe sogar meinen Studienplan in der Schule umstellen lassen.“
„Deshalb hast du Genetik II belegt?“
„Ja. Biologie, Genetik II, Politik, Geschichte – alles Fächer, mit denen ich mir selbst beweisen wollte, dass nur Menschen in reiner Form es wert sind, in den Weltraum zu reisen und unsere Rasse weiter zu erhalten.“
„Und was ist passiert?“
Brian seufzte und sein Blick richtete sich an eine Wand, die Gedanken versanken in seinen Erinnerungen.
Coach Feller sah genervt auf die Uhr.
„Na, Summers? Wieder zu spät?“
Brian knallte seine Sporttasche auf eine Bank des Umkleideraumes und öffnete seinen Spind. Was konnte er denn dafür, dass sein Alter noch einen langen Sermon loswerden wollte, bevor er Brian zur sündigen Schule entließ.
„Beeil dich, das Basketballteam kommt gleich.“
Brian grunzte nur. Er gehörte zum Track-Team, den Langstreckenläufern. Er konnte einem Mannschaftssport nichts abgewinnen. Er blieb gerne alleine mit seinen Gedanken auf seiner Strecke.
Brian zog sich aus und wühlte in seiner Tasche. Hatte er etwa die Sporthose vergessen?
Genau in diesem Moment traf das erste Mitglied der Basketballmannschaft ein und Brian erstarrte einen Moment in seiner Bewegung. Ausgerechnet Devon. Und dann auch noch in seinem Basketball-Outfit, das T-Shirt über der Schulter. Deutlich waren auf dem Rücken und den Seiten die dunklen Streifen auf dem sandgelben Fell erkennbar. Hektisch suchte Brian weiter nach seiner Hose.
Devon Capers sah amüsiert zu, wie Brian vollkommen nackt mit rot angelaufenem Kopf in seiner Tasche wühlte. Und noch etwas anderes fiel ihm auf. Lächelnd ging er auf Brian zu und bückte sich. Brian erstarrte erneut. Devons Kopf war nur wenige Zentimeter von seinem Unterkörper entfernt und er konnte von oben die hoch angesetzten Katzenohren und den gelben Haarschopf erkennen. Das gleiche gelb, wie in Devons Fell.
Devon erhob sich nun und stand für Brians Geschmack deutlich zu nahe. Dann hob die Katze auch noch die rechte Hand und schwenkte etwas hin und her.
„Suchst du das hier?“
Seine Hose! Verdammt, er musste sie mit dem Shirt zusammen aus der Tasche gerissen haben. Schnell riss er sie Devon aus der Hand und versuchte, sie sich überzuziehen. Deutlich zu schnell in seinen Bewegungen verlor er das Gleichgewicht.
Devon sah kopfschüttelnd zu, wie Brian, deutlich hektischer werdend, versuchte, sich seine Hose anzuziehen. Dann schwankte Brian und Devon griff zu, ohne darüber nachzudenken. Doch anstatt Brian aufzurichten, zog er ihn an sich. Brian wurde vollkommen überrascht.
Überrascht von Devons Reflexen, überrascht von seiner Reaktion ihn an sich zu ziehen und am meisten überrascht von Devons Fell. Es war weich, fast flauschig. Brust und Bauch waren unbehaart, doch man konnte deutlich die Muskeln darunter spüren. Brians Herz begann zu rasen und Gedanken schossen durch seinen Kopf, von denen er gedacht hatte, dass er sie schon längst verbannt hatte.
Panikartig machte Brian sich los. Devon lächelte Brian an und drehte sich langsam um. Mit hin und her schwingendem Schweif ging er hinüber zur Sporthalle. Brian sackte auf die Bank und schüttelte sich. Was war mit ihm los? Vor seinem geistigen Auge erschien wieder Devon, seine breite, unbehaarte Brust, sein hellgelbes Fell mit den schwarzen Streifen und dann der schwingende Schweif mit den schwarzen Flecken. Warum? Was war los?
Als Brian sich erhob, spürte er die beginnende Erektion. Nein! Das konnte nicht sein, das durfte nicht sein. Brian zog sich schnell seine Laufschuhe an und schnappte sich sein Shirt. Auf der Strecke lief er fast, als ob er auf der Flucht wäre. Was er auch in gewisser Weise war. Denn die ganze Zeit begleitete ihn das lächelnde Gesicht von Devon.
„Aha. Und wer hat den ersten Schritt gemacht?“
Brian seufzte.
„Ich. Ich bin zu einem der Spiele unserer Basketballmannschaft gegangen. Ich wollte Devon einfach einmal in Aktion sehen. Ob du es glaubst, oder nicht, aber er hat mich zwischen all den Zuschauern bemerkt. Nach dem Spiel hat er mich abgefangen um mich zu fragen, ob ich mich seit neuestem für Basketball interessiere.“
„Und?“
„Nichts und. Wir haben miteinander geredet. Beim nächsten Spiel war ich wieder da und er hat mich zum Essen eingeladen. Nach dem dritten Spiel habe ich ihn eingeladen. Auf dem Weg nach Hause hat er mich geküsst.“
Hendrik hob amüsiert eine Augenbraue. Entweder war Brian nicht sehr romantisch oder er hatte immer noch ein Problem, es anderen Leuten zu erzählen.
Brian bemerkte Hendriks Blicke und seufzte noch einmal.
„Ja, ich weiß. Ich bin verklemmt und ich habe Angst. Angst vor meiner Familie, die mich verstoßen wird und das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, wortwörtlich. Auf der anderen Seite habe ich Angst, Devon zu verlieren. Er hat es seinen Eltern gesagt und die haben anscheinend kein Problem damit. Er ist ja nicht der einzige aus dem Wurf.“
„Hä?“
Brian lachte leise.
„So ähnlich habe ich das erste Mal auch reagiert. Bei den Felidanern gibt es fast immer Mehrlingsgeburten. Die werden traditionell Wurf genannt, das ist nichts Abfälliges. Devon stammt aus einem Drillingswurf mit zwei Mädchen und einem Jungen. Seine Mutter ist mit den beiden Mädchen auf Charon III geblieben, während er seinem Vater nach Arcadia gefolgt ist.“
„Aha. Das heißt ja wohl, dass Devon irgendwann auch wieder zurückgehen wird.“
Brian senkte seinen Kopf und Hendrik ärgerte sich über sich selbst und seine unsensible Äußerung.
„Ok. Ich merke schon, dass wir noch etwas länger darüber sprechen sollten…“
Hendrik sah auf seine Uhr und sprang auf.
„Verdammt, wir haben fast die Zeit verpasst. Beeil dich, wenn wir noch rechtzeitig zum Wachwechsel kommen wollen.“
Die zweite Etappe sollte etwas über drei Stunden dauern und der Kommandant schickte die andere Hälfte der Brückenbesatzung zu einer kurzen Ruhephase. Dann sah er sich um.
„Ich werde mich ebenfalls kurz zurückziehen. Es gibt keine besonderen Befehle für die Hyperraumphase. Sollte irgendetwas Ungewöhnliches passieren, egal was, bin ich sofort zu benachrichtigen.“
Nach einem weiteren Blick in die Runde erhob sich der Kommandant.
„Mister O’Brian, kommen sie bitte nach oben.“
Jason erhob sich zögernd und ging zum Sitz des Kommandanten, der sich erhöht hinter den Konsolen befand.
„Second Lieutenant O’Brian ist verantwortlicher Brückenoffizier für die Zeit meiner Abwesenheit. Mister van Seelst, vermerken sie das im Logbuch.“
„Aye aye, Sir.“
Mit einem kurzen Schlag auf Jasons Schulter verschwand der Kommandant und Jason sah verblüfft auf den Kommandantensessel herab. Zögernd setzte er sich.
Zum Glück gab es in den drei folgenden Stunden keine Zwischenfälle und Jason wurde zu seiner Erleichterung vom Kommandanten wieder auf seinen ursprünglichen Platz entlassen.
Fünf Minuten vor dem Austritt aus dem Hyperraum gab der Kommandant Gefechtsalarm. Alle Stationen wurden besetzt und Warrant Officer McAllen zählte die Sekunden.
„Austritt in fünf Sekunden, vier, drei zwei eins, Austritt.“
Das Bild auf dem Panoramaschirm wechselte vom violett des Hyperraumes zum schwarz des Weltraums. Doch diesmal war einiges anders.
„Was, um Himmels willen, ist denn das?“
Brian arbeitete auf Hochtouren.
„Kontakt! Zweiundzwanzig Kontakte erfasst, minimale Energiesignaturen. Tactical Display aktiv!“
Das Panoramabild wechselte von der Raumansicht zum Tactical Display. Dort erschienen neben dem grünen Symbol der MOHAWK zweiundzwanzig blaue Symbole. In der Liste erschienen langsam nacheinander die identifizierten Einheiten. Brian las von seiner eigenen Anzeige ab.
„Zwei Frachtschiffe PROFIT-Klasse. Keine Energiesignaturen. Vier Frachtschiffe GEWINN-Klasse. Keine Energiesignaturen. Zwei Frachtschiffe BILANZ-Klasse. Keine Energiesignaturen. Vier Frachtschiffe ZYNDIS-Klasse. Keine Energiesignaturen. Drei Frachtschiffe ROVER-Klasse. Keine Energiesignaturen. Ein Bergungsschiff der MECHANIC-Klasse. Keine Energiesignatur. Ein Space-Train Kopfmodul. Keine Energiesignatur. Eine Korvette. Minimale Energiesignatur. Zwei Frachter RANGER-Klasse. Minimale Energiesignaturen. Zwei Patrouillenboote. Minimale Energiesignaturen.“
„Das ist ein verdammter Raumschiffsfriedhof. Was ist hier denn los? Mister Summers. Alle Schiffe mit Energiesignaturen als PE kennzeichnen. Wo ist denn unser eigentliches Ziel? Die vier ohne Energie können es ja wohl nicht sein.“
„Nein, Sir. Die Parameter stimmen nicht überein. In Reichweite unserer Sensoren wird sonst nichts weiter erfasst. Wir können… Energieausbruch! Im Bergungsschiff werden die Reaktoren hochgefahren.“
Der Blick des Kommandanten wanderte zum Tactical Display. Sollte das Bergungsschiff tatsächlich betriebsbereit sein, hätten sie ein Problem. Die mehr als vierhundert Meter langen Plattformen zur Bergung von beschädigten Schiffen waren zwar nur bedingt manövrierfähig, aber dafür schwer bewaffnet.
„Mister van Seelst. Setzen sie das Notsignal Alpha-03 ab. Volle Sendeleistung.“
„Jawohl, Sir. Alpha-03 mit voller Sendeleistung.“
Brian Summers schien diesmal besonders gefordert zu sein.
„Hyperraumaustritt! Ein Frachter YORDIS-Klasse. Mit Kurs auf das Bergungsschiff.“
„Was soll…“
„Hyperraumaustritt! Ein Frachter ROVER-Klasse. Ebenfalls mit Kurs auf das Bergungsschiff. Nein, sieht so aus, als ob er versucht, das erste Schiff abzufangen.“
„Funkverkehr zwischen dem YORDIS-Frachter und dem Bergungsschiff.“
„Ensign Mansfield. Wir nehmen eine stationäre Position üb er dem Bergungsschiff ein. Ich will beobachten können, was dort passiert. Abstand bleibt bei drei AE.“
„Jawohl, stationär bei drei Astronomischen Einheiten.“
„Sieht so aus, als ob der YORDIS-Frachter auf dem Bergungsschiff landen will.“
Lucas McAllen schüttelte den Kopf.
„Bei der Größe könnte er auch in einen der Hangars einfliegen. Die Dinger haben vier Hangars für Schiffe bis fünfzig Meter.“
„Energieausbruch! Der anfliegende ROVER wird von dem Bergungsschiff beschossen.“
„Was soll das denn nun wieder. Das macht doch alles…“
„Anruf! Wir werden von dem ROVER kontaktiert.“
Auf dem Tactical Display erschien ein kleines Fenster mit dem Gesicht eines jüngeren Mannes.
„AGS MOHAWK, ich habe ihre Kennung aufgefasst. Ich bin Captain Henderson von der THALASSOS. Ich möchte sie nur darüber informieren, dass sie womöglich gleich ein Problem mit einigen Piraten bekommen werden.“
„Captain Henderson, hier ist Lieutenant Granger von der MOHAWK. Was veranlasst sie zu dieser…“
„Energieausbruch! Das Bergungsschiff entlässt Raumjäger. Zwölf Jäger erfasst. Vier nähern sich der THALASSOS, die anderen kommen auf uns zu.“
THALASSOS Planet Torentos – Torentos System
Das Schiff befand sich nur noch wenige Meter über der Landefläche des Raumhafens, als das gequälte Winseln des Antigravtriebwerks in ein hustendes Stottern überging. Ein großer Teil der Kontrollleuchten im Cockpit wechselte von Gelb auf Rot und ein nervtötendes Piepen ertönte.
Mit einem Fluch schlug der Pilot mit der geballten Faust auf einen Druckschalter und das Piepen verstummte, nur um sogleich wieder zu beginnen, weil weitere Kontrollleuchten auf Rot wechselten.
Jetzt verstummte auch das Röcheln des Antigravs und der alte Frachter schlug mit einem dumpfen Geräusch die letzten zwei Meter im freien Fall auf die Plasticrete™-Oberfläche des Landefelds.
Resigniert ließ der Pilot seinen Kopf auf die Steuerkonsole sinken, die jetzt von roten Lichtern übersät war. Mit einem Aufseufzen drückte er einen kleinen Knopf am rechten Rand und sah dann grimmig zurück auf die Konsole, auf der nur noch ein einsames grünes Lämpchen blinkte. Der Systemcheck war in Ordnung. Alle Anzeigen zeigten den korrekten Status der dazugehörigen Anlagen.
„Raumfrachter THALASSOS, hier ist Torentos Control. Haben sie ein technisches Problem? Sollen wir ihnen einen Mechaniker schicken?“
Erschreckt fuhr der junge Mann an der Steuerkonsole herum und starrte nach rechts auf das Display der Kommunikationsanlage. Zögernd aktivierte er die Sprechverbindung.
„Torentos Control, hier Raumfrachter THALASSOS, Captain Henderson. Danke für ihre Nachfrage, aber ich habe alles im Griff. Wann kann ich mit der Abfertigung anfangen?“
Die Antwort ließ etwas auf sich warten. Wenn ihm die Hafenbehörden einen Technischen Inspektor an Bord schickten, war er geliefert. Er musste unbedingt seine Fracht ausliefern und dann ein paar kleine Notreparaturen machen. Mit Glück würde er es bis zur Kratos-Asteroidenstation schaffen, wo ihm sein Kumpel Jaden mit den schwierigeren Sachen helfen konnte.
„Captain Henderson, bitte übermitteln sie die Frachtdaten an die Zollbehörde. Wenn sie freigegeben worden sind, können die Container entriegelt werden, sie werden dann abgeholt. Für die Entladung von eventueller Fracht im Laderaum sind sie selbst verantwortlich. Torentos Control Ende und Gute Nacht.“
Die Kontrollleuchte der Kommunikationskonsole erlosch und der junge Captain schüttelte verständnislos den Kopf. Gute Nacht? Mit fliegenden Fingern betätigte er einen kleinen Joystick und die Aussicht des Panoramabildschirms verschob sich vom Landefeld hoch in den Himmel. Leise aufstöhnend sank der Captain zurück in seinen Pilotensessel. Der Blick nach oben in den hellen, sternenübersäten Himmel hatte seine Befürchtung bestätigt. Ein weiterer Blick auf den Astrogationscomputer zeigte die planetaren Daten. Hmmm…, Durchmesser, Rotationszeit, Gravitation, Raumhafen, Ortszeit - da… 22:36 Uhr lcl.
Ein weiterer Schlag mit der Faust traf die unschuldige Armlehne des Sessels. Bei seinem Glück war der Zoll hier bestimmt nur tagsüber besetzt. Warum hatte er sich auch diese blöden Dinger andrehen lassen? Gemeint waren vier Kleincontainer, die im inneren Frachtraum standen und an ihren Besitzer ausgeliefert werden sollten. Die Frachtrate für die vier Dinger war nicht der Rede wert, doch der Agent auf Magna Doria hatte ihm eine außergewöhnlich hohe Prämie versprochen. Allerdings hatte die Beladung den Abflug verzögert.
Mit einem weiteren Seufzer verschickte Marc Riley Henderson die Frachtdaten der Außencontainer an den Zoll. Die Daten der vier Kleincontainer würde er erst verschicken, wenn er eine Lieferadresse hatte.
Nur wenige Sekunden nach seiner Datenübermittlung empfing er eine automatisierte Nachricht der Zollbehörde: Vielen Dank für ihre Zusammenarbeit mit Torentos-Customs. Wir haben Ihre Nachricht erhalten und werden sie sobald wie möglich bearbeiten. Unsere Öffnungszeiten sind montags bis freitags von 08:00 bis 16:00 Uhr. Außerhalb der Öffnungszeiten ist eine Zollabfertigung leider nicht möglich. Wir bitten um Ihr Verständnis.
Wie er vermutet hatte. Der Zoll war nur tagsüber besetzt. Und was jetzt? Ohne Abfertigung wurde er die großen Außencontainer nicht los. Dann musste er sich wohl erst einmal um die kleinen Dinger kümmern. Das Einzige, was er besaß, war eine planetare Netzadresse, die er kontaktieren sollte, wenn er angekommen war. Er überlegte nach einem weiteren kurzen Blick auf die Uhrzeit, ob er wohl jetzt noch jemanden erreichen konnte, als sein Gehirn eine weitere Information wahrnahm, auf die er vorher nicht geachtet hatte. Vor der Uhrzeit war ein weiteres kleines Kürzel, welches den Tag anzeigte und dort stand deutlich lesbar: FR.
Freitag? Ein frustrierter Schrei brach sich Bahn. Er würde drei Tage auf diesem kleinen, unscheinbaren Hinterwäldlerplaneten zubringen müssen, nur um auf eine Zollabfertigung zu warten? Er würde für mindestens sechzig Stunden Liegegebühren zahlen müssen! Dazu kamen noch die Betankung und die Wartung. Nein, Moment. Die Wartung würde er selber übernehmen. Er war zwar kein begnadeter Mechaniker, aber das Meiste hatte er bisher auch so einigermaßen hinbekommen. Er war schließlich Pilot, kein Techniker.
Langsam erhob sich Captain Henderson aus seinem Sessel und deaktivierte die Pilotenkonsole. Etwas müde ging er hinüber in den Wohnbereich. Die ehemals drei Kabinen für die Besatzung und die zwei Passagierkabinen hatte schon sein Großvater umgebaut zu einer Suite für den Captain mit Wohn- und Schlafbereich und einer großen Nasszelle. Eine Kabine für ein weiteres Besatzungsmitglied war geblieben. Die Kombüse und der Speiseraum waren zusammengefasst worden zu einer kleinen Küche mit Sitzecke. Den frei gewordenen Platz nahmen jetzt zwei große Containerklammern ein, so dass die THALASSOS jetzt acht, anstatt der sechs Containerklammern ihrer Baureihe besaß.
In seinem Schlafbereich streifte Marc die leichten Stiefel ab, dann folgten die Lederjacke und die dazu passende Hose. Nach einem leichten Schnuppern zuckte er die Schultern und streifte T-Shirt, Unterhose und Socken ab, die im Wäscheautomaten versenkt wurden. In der Nasszelle zögerte er einen Augenblick, doch dann veränderte er die Einstellung von Ultraschall auf Frischwasser. Seine Wasservorräte waren trotz des fast geschlossenen Recyclingkreislaufes fast aufgebraucht, doch nun ließ er heißes Wasser im Strömen auf ihn herabprasseln. Einer der wenigen Vorteile dieser dünn besiedelten Randwelten war, dass es Wasser im Überfluss gab. Die Versorgung mit Energie und Frischwasser war in den Landegebühren enthalten.
Ein sanfter Warmluftstrom trocknete ihn und kurze Zeit später ließ er sich, nackt wie er war, bäuchlings auf das Bett fallen. Nur ein paar Augenblicke später war er fest eingeschlafen.
Ein leises Piepen wurde immer lauter und der junge Captain öffnete verschlafen ein Auge. Die Multifunktionsanzeige an der Decke seines Schlafraumes zeigte 22:00 Uhr an. Ruckartig fuhr Marc Henderson hoch. 22:00 Uhr? Wieso…? Langsam kam die Erinnerung wieder an die etwas unsanfte Landung auf Torentos. Da war es doch halb elf gewesen, oder nicht? Die Borduhr zeigte die interplanetare Standardzeit. Anscheinend war auch die automatische Umstellung auf die jeweilige planetare Zeit irgendeinem der zahllosen Ausfälle zum Opfer gefallen.
Leise vor sich hin grummelnd suchte er sich ein paar frische Sachen zum Anziehen heraus. Er würde heute versuchen, seinen Kontaktmann hier auf Torentos zu erreichen, da sollte er sich schon etwas seriöser kleiden. Kritisch betrachtete er sich im Spiegel. Die letzten sechs Jahre bei der Royal Navy waren nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Aus dem langen, schmalen Jungen von damals war ein großer, kräftiger Mann geworden. Außer Sport gab es nur wenig, was man an Bord eines großen Kriegsschiffes in seiner Freizeit machen konnte und Marc hatte seine Zeit dafür ausgiebig genutzt. Die dunkelbraunen Haare waren etwas länger als er es gewohnt war, er würde wohl mal wieder einen Friseur aufsuchen müssen. Kritisch musterte er die beiden, etwa zehn Zentimeter langen, parallelen Narben quer über seine Brust. Sie waren das Andenken an ein Boardingunternehmen gegen ein Piratenschiff, bei dem er an einen durchgeknallten Typ mit einem langen Messer geraten war.
Eine schwarze Hose, ein halboffenes, weißes Oberhemd und eine ärmellose dunkelbraune Lederweste erschienen ihm für den heutigen Tag seriös genug. Grinsend salutierte er sich selbst im Spiegel und ging hinüber in die kleine Küche.
Der Getränkeautomat war immer noch der gleiche, den sein Großvater schon eingebaut hatte. Er lieferte eine große Bandbreite an Getränken, allerdings hatte er in letzter Zeit ein kleines Problem mit der richtigen Temperatur. Vorsichtig nahm Marc den Recyclingbecher aus dem Spender und nahm einen kleinen Schluck. Der Kaffee war lauwarm, aber immerhin besser als der brühheiße Orangensaft gestern.
Ein kurzer Blick auf das aktuelle Inhaltsverzeichnis des Küchenautomaten verhieß nichts Gutes. Die Vorräte waren schon arg geschrumpft. Er würde bald wieder einkaufen müssen. Fragte sich nur, wovon. Das automatische Bestellsystem hatte er schon vor Monaten deaktivieren müssen. Die letzten Frachtaufträge waren nicht so lukrativ gewesen, wie er es sich gewünscht hätte.
Etwas misstrauisch betrachtete Marc den Teller mit dem Frühstück, den der Küchenautomat ausgegeben hatte. Gewählt hatte er Toast, Schinken und Rührei. Das einzige, was er auf Anhieb identifizieren konnte, war das Rührei. Der angebliche Toast war kreisrund, dunkelbraun und roch verdächtig nach gebrannten Nüssen. Der Schinken war schneeweiß. Vermutlich hatte die Aufbereitung der Eiweißmasse nicht richtig funktioniert.
Nach dem Frühstück betrat Marc lustlos das geräumige Cockpit. Von den drei Konsolen war momentan nur eine aktiviert. Die beiden anderen, eine für den Techniker, die andere für den Waffenkontrolloffizier, waren vom System getrennt worden um Energie zu sparen.
Marc setzte sich in den Pilotensessel und schaltete den Astrogationscomputer ein. Auf dem Display erschien neben anderen Daten auch die lokale Uhrzeit: 10:14 lcl. Die Einteilung der Woche in sieben Tage war beibehalten worden. Ein Tag hatte auf Torentos allerdings nur 23, 4 Standardstunden, so dass hier die Uhren von 23:24 auf 00:00 umsprangen. Marc brummte genervt. Er hatte schon erheblich bessere Anpassungen an die intergalaktische Standardzeit gesehen.
Also, es war jetzt Samstag gegen halb elf vormittags auf einem kleinen Kolonialplaneten am Rande der Terranischen Föderation und er musste irgendwie den Empfänger seiner Fracht ausfindig machen. Dieser bescheuerte Agent hatte ihm lediglich eine Kontaktadresse hinterlassen, die er über seine Ankunft informieren sollte. Alles Weitere würde dann veranlasst werden. Nun gut, wollen wir doch mal sehen.
Die Kontaktadresse war nicht etwa die Direktwahl eines Holo-Netz-Anschlusses, sondern die Netz-Adresse für schriftliche Benachrichtigungen: DystopFreight@Torentos-Planet@Space-Net.org
Marc zuckte ergeben die Schultern und schrieb eine kurze Nachricht mit seiner Ankunftszeit und der Frachtnummer, die auf Magna Doria vergeben worden war. Leise pfiff er durch die Zähne, als nur Sekunden später schon eine Antwort aufblinkte, dann jedoch starrte er erstaunt auf die Anzeige: Die Adresse DystopFreight@Torentos-Planet@Space-Net.org ist im Netz von Torentos-Planet nicht bekannt. Bitte überprüfen Sie die richtige Schreibweise.
Er verglich die Adresse mit seinen Unterlagen, schrieb eine zweite Nachricht und bekam die gleiche Antwort. Dann durchsuchte er das Holo-Netz nach dem Namen DystopFreight, jedoch ohne Erfolg. Bei seinen weiteren Nachforschungen erfuhr er, dass es insgesamt fünf Frachtunternehmen auf Torentos gab, jedoch keine mit dem gesuchten Namen.
Langsam drängte sich Marc der Gedanke auf, dass irgendetwas nicht so ganz stimmte mit seiner Frachtlieferung. Und je länger die Suche dauerte, desto weniger gefiel ihm der Gedanke. Eine Rückfrage an den Agenten auf Magna Doria kam aus Kostengründen nicht in Frage. Die Hyperfunkanlage seines kleinen Frachters reichte auf keinen Fall soweit und ein Anruf über das interplanetare Holo-Netz würde ein kleines Vermögen kosten.
Die wenigen lizensierten Kommunikations-Unternehmen ließen sich solche Ferngespräche teuer bezahlen. Ein stationärer Hyperfunksender auf einem Planeten benötigte die gleichen technischen Anlagen, die auch ein Raumschiff für seine Funkanlage benutzte. Der Energieverbrauch war enorm und stieg quadratisch mit der Entfernung. Die großen Anlagen auf den Planeten hatten sogar eigene Kraftwerke, die die hohen Gebühren rechtfertigten.
Captain Marc Henderson lehnte sich in seinem Pilotensessel zurück und überlegte, was zu tun sei. Er konnte natürlich die vier Kleincontainer an Bord lassen, aber dafür gab es kein Geld und er würde sie auch nirgends weitervermitteln können, denn die Papiere lauteten auf Torentos.
Nachdenklich scrollte Marc durch das Manifest der Kleincontainer. Als Ladung von Nummer eins waren Kunstgegenstände angegeben. Container Nummer zwei sollte elektronische Bauteile enthalten, Nummer drei Schmuck und Edelsteine. Nummer vier war deklariert als Medikamentenlieferung.
Eigentlich keine ungewöhnlichen Waren, doch in dieser Zusammenstellung hätte er nicht erwartet, Schmuck oder Kunstgegenstände auf einen Kolonialplaneten zu transportieren.
Nach einem Blick auf die Uhr wanderte Marc wieder zurück zum Küchenautomaten und ging seufzend das Verzeichnis der noch möglichen Gerichte durch. Nach seiner Wahl beobachtete er wieder misstrauisch die Ausgabe. Und er wurde nicht enttäuscht. Es gab zwar die beiden bestellten zwei Scheiben Toastbrot, doch genau wie am Morgen waren sie kreisrund und dunkelbraun. Die ausgewählten Hamburgerpatties hingegen waren ebenso schneeweiß wie der Schinken. Marc aß die meiste Zeit mit geschlossenen Augen. Wenigstens die Einstellung der Aromenzugabe funktionierte noch.
Nach dem Mittagessen versuchte sich Marc an kleineren Reparaturen im Maschinenraum. Wobei der Begriff Reparaturen sehr weit gefasst war. Meist waren es Wartungsarbeiten an den wichtigsten Antriebskomponenten wie Energieerzeuger, Normaltriebwerk, Antigravgenerator und Hyperraumtriebwerk. Die Wartungsarbeiten beschränkten sich dabei auf das Abarbeiten von Checklisten aus dem Wartungshandbuch und notfalls kleinen Arbeiten die dort beschrieben worden waren. Alles Weitere, was im Wartungsprotokoll mit: Bitte verständigen Sie einen Techniker gekennzeichnet war, lag jenseits von Marcs Fähigkeiten.
Sein Großvater war ein ausgezeichneter Techniker gewesen. Ingenieur für Schiffsbetriebstechnik und zwanzig Jahre lang Schiffstechnischer Offizier auf einem der riesigen Containerfrachter. Dann hatte er sich plötzlich selbständig gemacht. Er machte seine Pilotenlizenz, kaufte einen kleinen Frachter und flog dann auf eigene Rechnung. Alle Reparaturen und Umbauten hatte er selbst gemacht. Nie hatte er darüber gesprochen, warum er den guten Job aufgegeben und sich selbständig gemacht hatte.
Marc war zwar sechs Jahre bei der Föderationsflotte gewesen, aber als Pilot, nicht als Techniker. Woher, zum Henker, sollte er wissen, wie diese ganzen Dinger funktionierten? Seit sein Großvater vor einem Jahr bei diesem dämlichen Kneipenstreit als Unbeteiligter erschossen worden war, brachte er den alten Kahn in unregelmäßigen Abständen in eine Werkstatt, was dann natürlich den ganzen Gewinn wieder auffraß.
Jetzt saß er mit einem halben Wrack hier fest und irgendjemand hatte ihm eine faule Fracht angedreht. Die Aussichten waren wirklich nicht besonders.
Durch einen Abstecher ins Cockpit erfuhr er auch die aktuelle Uhrzeit. 19:32 lcl.
Etwas unentschlossen aktivierte er dann doch sein Multifunktionsarmband (MFA). Ein kurzer Blick auf sein Konto verriet ihm, dass er noch im Bereich der schwarzen Zahlen war. Entschlossen scrollte er im Hafenverzeichnis. Es gab nur eine einzige Werkstatt.
„Torentos Spaceport Repairs. Mein Name ist Derek Masters. Wie kann ich ihnen helfen?“
Marc sah erstaunt auf das Display. Der Mann in einer weißen Arbeitskombi konnte keinen Tag älter sein als er selbst. Auf den zweiten Blick schätzte er ihn sogar noch jünger.
„Äh, mein Name ist Marc Henderson vom Raumfrachter THALASSOS. Ich bin vor kurzem hier gelandet und habe ein Problem mit meinem Antigravsystem.“
„Wollen sie noch am Wochenende wieder starten?“
„Nein, ich muss die Zollabfertigung abwarten.“
„Dann ist es kein Dringlichkeitsfall. Ich möchte sie bitten, sich bis Montag zu gedulden.“
„Wie bitte? Da wollte ich aber schon so gut wie weg sein.“
„Ich verstehe ihr Problem, Mister äh, Henderson, aber Torentos Spaceport Repairs ist an Wochenenden nur in der Notfallbereitschaft. Sie können natürlich gerne den Notdienst in Anspruch nehmen, müssen sich dann aber auf erhebliche Zuschläge einstellen.“
„Oh. Äh, ja danke. Das war’s dann.“
Der Bildschirm wurde dunkel. Schade eigentlich. Der junge Mann hatte doch ganz nett ausgesehen.
Marc zuckte die Schultern und spürte plötzlich, wie sein Magen grummelte. Er ging zurück in die Küche und musterte mit zusammengekniffenen Augen den Küchenautomaten. Aufseufzend kam er zu einer Entscheidung. Zielbewusst ging er hinüber in seine Kammer und zog sich noch einmal um. Dann ging er zur Steuerbord-Schleuse, verließ die THALASSOS über eine kurze Rampe und aktivierte die Sicherheitseinrichtungen. Der Weg führte ihn quer über die Landefläche zum Abfertigungsgebäude, wo er hoffte, ein einigermaßen günstiges Restaurant zu erwischen.
Marc sah sich um. Außer der THALASSOS weit und breit kein anderes Schiff. Torentos schien tatsächlich der letzte Planet vor dem Garnichts zu sein.
Die Raumhäfen, selbst die kleinen, auf irgendwelchen unwichtigen Planeten, waren alle exterritoriale Gebiete. Sie gehörten direkt zur Föderation und auf ihnen galten nur die Gesetze der Föderation. Wer den Hafen betreten oder verlassen wollte, musste durch die entsprechenden Kontrollen der Föderation und des jeweiligen Planeten.
Wer nur umsteigen und den Planeten nicht betreten wollte, konnte problemlos auf dem Gelände des Raumhafens verweilen. Auf den Größeren gab es fast alles, vom Hotel über ein Kino bis hin zur Restaurant- und Kneipenmeile.
Auf Torentos gab es nichts von alledem. Es existierte zwar ein Restaurant, allerdings war es, wie ein Aushang deutlich machte, an Wochenenden geschlossen. Direkt gegenüber hatte ein Schnellrestaurant geöffnet, dessen Aushang mit Öffnungszeiten 24 Stunden täglich warb. Ein Blick durch die Frontscheibe zeigte aber herzlich wenig Kundschaft. Na, woher auch. Marc zuckte mit den Schultern und überlegte kurz. Sein Magen knurrte schon wieder und er hatte wenig Lust, noch weiter zu suchen. Also trat er ein.
Am Eingang blieb er stehen und sah sich kurz um. Die Inneneinrichtung war nicht mehr die neueste. An zwei Seitenwänden standen ein paar Tische an der Wand mit gegenüberliegenden Sitzbänken, so dass sie kleine Nischen bildeten. In der Mitte des Raumes standen ein paar quadratische Tische mit je zwei Stühlen. Stühle und Bänke waren mit hässlichem, dunkelrotem Kunstleder bezogen. In einer der Nischen saßen drei Arbeiter in fleckigen Overalls. Marc hatte keinen Schimmer, was die am Wochenende hier machten. In der Nähe der Tür saßen zwei Space-Ranger, jeder mit einer Flasche Wasser in der Hand.
Etwas desillusioniert von den Vorstellungen, die er für den heutigen Abend gehabt hatte, zwängte sich Marc auf eine der Sitzbänke und griff nach der sehr übersichtlichen Menükarte.
Hm, nichts Besonderes, aber dafür teuer. Während er die kleine Karte hin und herwendete, erklang neben ihm eine Stimme.
„Was kann ich für Sie tun, Sir?“
Etwas erschreckt sah Marc hoch und blickte in ein paar strahlend blaue Augen. Verwirrt fokussierte er seinen Blick und erkannte nun einen jungen Mann, augenscheinlich die Bedienung. Mit einem weiteren schnellen Blick taxierte er den Jungen, den er auf höchstens achtzehn schätzte. Was ihm auf die Schnelle auffiel, waren die halblangen strohblonden Haare, die der Junge mit blauen Strähnen hatte versehen lassen. Dann rutschte sein Blick herunter auf das kleine Schild an dem Arbeitshemd: Bryce.
‚Hm, Bryce also.‘
Marc dachte kurz zurück an jemanden namens Bryce, den er vor Jahren kennengelernt hatte. Dieser Bryce hier war deutlich hübscher als der…
„Entschuldigung, Sir. Möchten sie etwas bestellen?“
Marc fuhr zusammen, als er abrupt aus seinen Erinnerungen gerissen wurde.
„Äh, ja. Was zu essen. Was ist denn hier empfehlenswert?“
Das ‚außer der Bedienung‘ konnte sich Marc gerade noch verkneifen. Der Junge war ja ganz niedlich, aber er war ihm etwas zu jung und auch etwas zu offensichtlich tuntig. Immerhin, flirten konnte man ja mal.
Der junge Mann sah sichtlich verblüfft auf ihn herab. Dann lächelte er und nahm Marc vorsichtig die Karte aus der Hand. Mit einem Finger fuhr er die Eintragungen entlang, als ob er die paar Gerichte nicht auswendig kennen würde.
„Also, wir hätten da zerkleinertes Premium-Beef, geformt und sautiert. Dazu in heißem Öl ausgebackene, gestiftete Erdäpfel.“
Erstaunt sah Marc erst zur Karte, dann zu dem lächelnden Gesicht.
„Ach so?“
Bryce legte aufseufzend die Karte zurück auf den Tisch.
„Ja. Hier auf der Karte steht zwar Frikadelle mit Pommes frites, aber so klingt es doch schon erheblich besser dem Preis angepasst.“
Es dauerte eine oder zwei Sekunden, bis Marc die Information verarbeitet hatte, aber dann lachte er laut und nickte gleichzeitig.
„Okay, das nehme ich.“
„Und möchte der Herr auch etwas zu trinken?“
„Oh, da bleibe ich doch bei etwas Altbewährtem. Ein Mineralwasser, bitte.“
„Sehr gerne.“
Mit einer leichten Verbeugung drehte sich Bryce um und verschwand in Richtung Tresen, während Marc ihm hinterherstarrte. Dabei ertappte er sich selber, wie der dem Jungen auf den Hintern starrte, der in hautengen Jeans steckte.
‚Whow, wer hätte das gedacht. Doch mal endlich eine angenehme Abwechslung.‘
Der junge Mann schaffte es gerade noch bis hinter die Schwingtür zur Küche, wo er sich an die Wand lehnte und mit einer Hand frische Luft zufächelte.
„Was hast du denn?“
Der Koch, ebenfalls ein junger Mann in etwa dem gleichen Alter, sah von dem Comic hoch, in dem er gerade las. Nicht, dass es hier wirklich viel zu tun gab. Zumindest nicht am Wochenende.
„Oh, Mann. Hast du den gesehen? Der Typ, der gerade reingekommen ist? Dem würde ich gerne mal in meiner Freizeit begegnen.“
Mit gerunzelter Stirn klemmte der Koch einen Finger in sein Buch und schlug es zu.
„Mann, Bryce, hast du noch nicht genug Ärger? Wenn du nochmal jemanden hier anmachst, fliegst du. Der Alte war ganz schön sauer. Will er was zu essen?“
„Oh, äh… ja. Einmal Frikadelle mit Pommes.“
Wenig begeistert legte der Koch sein Buch endgültig weg und widmete sich der schwierigen Kunst der Zubereitung.
Inzwischen brachte Bryce eine Flasche Mineralwasser und ein Glas zum Tisch mit dem unheimlich gutaussehenden Mann. Er hatte ihn nicht hereinkommen sehen, deshalb ließ sich die Größe schwer schätzen, doch die breiten Schultern und die muskulöse Brust waren selbst im Sitzen nicht zu übersehen gewesen.
Als er die Flasche auf den Tisch stellte, musste sich Bryce zusammenreißen, damit seine Hände nicht zitterten.
„Das Essen dauert noch einen Moment.“
„Ja, danke sehr.“
Marc Henderson nippte indes an seinem Mineralwasser und schloss kurz die Augen. In den letzten zwei Jahren hatte er fürchterlich wenig Zeit gehabt, jemanden kennenzulernen, geschweige denn, jemanden abzuschleppen. Es gab zwar Planeten, auf denen das problemlos möglich gewesen wäre, doch er hatte weder die Zeit, noch das Geld für Barbesuche gehabt.
Der Kleine hier jedoch war etwas ganz anderes. Er hätte genauso gut ein Schild um den Hals tragen können auf dem in großen Lettern stand: NIEDLICH.
Marc war sich nur nicht ganz sicher, ob die kleine Unterhaltung witzig gemeint, oder ob das ein Flirtversuch war. Er würde es herausfinden, auch wenn es peinlich werden sollte.
Während Marc seinen Gedanken nachhing, öffnete sich die Eingangstür und eine Gestalt in einem weißen Overall trat ein. Interessiert sah Marc genauer hin. Das war doch der Typ von der Reparaturwerkstatt. Was machte der denn hier?
Die Blicke des jungen Mannes wanderten durch den Raum und blieben dann an Marc hängen. Zögernd kam er näher.
„Hi. Sie sind doch derjenige, der vorhin bei uns angerufen hat?“
„Ja, allerdings. Hat sich etwas anderes ergeben?“
„Nein, leider nicht. Wir haben Bereitschaft und das kostet natürlich extra.“
Etwas unsicher stand er neben Marc an dessen Tisch und Marc sah noch einmal hoch. Der Junge mochte etwa um die Zwanzig sein, mit kurzen, roten Haaren und leichten Sommersprossen. Im Gegensatz zu der Bedienung wirkte der junge Mann etwas weniger niedlich, sondern mehr… Marc suchte nach dem richtigen Wort. Interessant?
„Setz‘ dich ruhig hin, Ich beiß nicht. Na ja, je nachdem, wann das Essen kommt.“
Der junge Mann – wie hieß er nochmal? – lächelte etwas gezwungen und setzte sich gegenüber von Marc auf die Sitzbank.
Bevor ein weiteres Gespräch in Gang kam, brachte Bryce das Essen für Marc. Erstaunt musterte er den neuen Gast.
„Oh, Derek. Was willst du denn hier?“
„Ebenso einen schönen Abend, Bryce. Wie wär’s mit einem Mineralwasser?“
„Ach ja? Sonst noch was?“
erwiderte Bryce etwas schnippisch und drehte sich abrupt um, ohne auf eine Antwort zu warten. Mit hoch erhobenem Kopf stolzierte er davon.
Marc und Derek sahen ihm verblüfft hinterher.
„Was hat der denn auf einmal?“
Derek sah etwas betreten auf die Tischplatte.
„Wir haben eine - äh, sagen wir mal, kurze gemeinsame Vergangenheit.“
Marc sah erstaunt zu Bryce, der gerade in der Küche verschwand und dann zu Derek.
„Ach so? Wie es aussieht, habt ihr euch nicht gerade in aller Freundschaft getrennt.“
Derek schüttelte lediglich den Kopf.
Das Essen war, trotz der glorreichen Umbenennung, leider immer noch eine einfache Frikadelle und ein Haufen leicht fettiger Pommes frites. Der einzige Lichtblick war der inzwischen in drei Raumsektoren berühmte Ketchup von Arcadia.
Bryce erschien mit dem Mineralwasser für Derek und knallte kommentarlos die Flasche vor ihm auf den Tisch. Derek funkelte ihn an.
„Was soll das? Spinnst du? Warum fängst du an, hier herumzuzicken?“
„Ich zick nicht. Ich hab‘ ihn zuerst gesehen.“
Derek wusste genau, was Bryce meinte und sah zu Marc. Auch der hatte mitbekommen worum es ging und verschluckte sich prompt an seinen Pommes. Hustend sah er zu Bryce auf.
„Aber sonst geht’s gut? Wenn ich denn überhaupt Interesse hätte, würde ich mir denjenigen schon selber aussuchen.“
Bryce lief rot an und wollte wohl etwas sagen, überlegte es sich aber dann. Brüsk drehte er sich um und rannte fast in Richtung Küche. Derek sah ihm hinterher.
„Na, das ist grad nicht so gut gelaufen. Er hat es nicht leicht, aber manchmal schießt er über sein Ziel hinaus und dann ist sein Mundwerk schneller als sein Gehirn. Dabei ist er eigentlich ganz umgänglich.“
„Wenn man dich so hört, könnte man meinen, du magst ihn immer noch.“
„Tu ich auch. Wir haben uns damals nur getrennt – na ja, ich hab‘ mich von ihm getrennt, weil er einen riesigen Aufstand gemacht hat, als ich bei Torentos Spaceport Repairs angefangen habe. Unsere Schichtpläne passten nicht zusammen und er wollte ernsthaft, dass ich meinen angleiche oder meine Arbeit aufgebe. Dabei verdiene ich fast das Doppelte von dem, was er bekommt.“
„Ernsthaft? Wie ist er denn da drauf gekommen?“
Derek seufzte.
„Ich weiß es bis heute nicht. Er wollte die ganze freie Zeit mit mir zusammen sein. Na gut, ich auch mit ihm. Bis ich dann meinen Job antreten sollte und er einen Aufstand gemacht hat. Er hat mir ein Ultimatum gestellt: Entweder du gehst zur Arbeit, oder du bleibst bei mir. Ich bin zur Arbeit gegangen. Als ich wiederkam, standen meine Klamotten vor der Tür.“
„Oha. Da war aber einer konsequent.“
„Wohl mehr, etwas voreilig. Ich hab‘ meine Sachen geschnappt und bin gegangen. Er hat allen Ernstes darauf gewartet, dass ich zu ihm gehe und alles so abläuft, wie er es sich vorgestellt hat.“
Marc warf Bryce einen prüfenden Blick zu. Der stand mit verschränkten Armen hinter dem Tresen und machte ein grimmiges Gesicht. Zumindest versuchte er das. Für Marc sah es eher so aus wie ein schmollendes Kleinkind.
Etwas unsicher sah er wieder zu Derek. Rote Haare empfand er schon immer als hübsch, obwohl die meisten Leute eher das Gegenteil behaupteten. Die Sommersprossen verliehen Derek ein jugendliches Aussehen, wobei sich Marc nun nicht mehr sicher war, wie alt Derek wirklich war.
„Und was machst du heute noch?“
Eine schwachsinnige Frage. Wahrscheinlich hatte er am ganzen Wochenende Bereitschaft. Derek sah auch ganz verwundert hoch.
„Ich? Oh, noch habe ich Bereitschaft, aber die ist um zehn vorbei. Ich sollte nur meinen Chef für heute Abend vertreten. Der ist mit seiner Familie essen gewesen, drüben, in Toro-City.“
Marc hob die Augenbrauen und sah Derek erwartungsvoll an.
„Ab zehn hab‘ ich dann frei. Warum fragen sie?“
Irritiert setzte Marc das Glas ab, aus dem er gerade trinken wollte. Oh, Mist.
„Oh, Entschuldigung. Ich bin die ganze Zeit dabei, dich zu duzen… äh, ich meine… also mein Name ist Marc.“
Derek grinste und reichte seine Hand über den Tisch.
„Hallo, Marc.“
Marc reichte ebenfalls die Hand.
„Hallo, Derek.“
Der Handschlag dauerte deutlich länger, als er eigentlich notwendig gewesen wäre und Marc sah fasziniert in die grünen Augen von Derek. Der zuckte etwas zusammen und zog seine Hand zurück.
„Also, warum wolltest du wissen, ob ich heute noch etwas vorhabe?“
Marc fuhr mit dem letzten Kartoffelstäbchen über den gesamten Teller und versuchte die Reste des Ketchups aufzunehmen.
„Wir könnten… also vielleicht hättest du Lust, noch auf einen Kaffee zu mir zu kommen?“
Derek musterte Marc verblüfft. Hatte er gerade richtig gehört? Zu ihm zum Kaffeetrinken? Marc war ihm alles andere als schüchtern erschienen während ihres kleinen Gesprächs. Er konnte die Statur schlecht einschätzen beim Sitzen, aber er glaubte, dass er sicher einen halben Kopf größer war als er selber. Das hautenge weiße T-Shirt ließ keinen Zweifel an seinem muskulösen Oberkörper. Derek wurde nun doch etwas nervös. Er mochte diese starken, muskelbepackten Typen eigentlich nicht besonders, doch die braunen Augen hatten es ihm angetan.
„Okay. Über einen Kaffee lässt sich reden.“
Marc lächelte über das ganze Gesicht.
„Aber ich muss vorher noch etwas erledigen.“
Derek sah auf seine Uhr.
„Ich muss zurück ins Büro und auf meine Ablösung warten. Wir können uns kurz nach zehn hier draußen vor dem Diner treffen.“
Marc nickte erfreut und erhob sich. Derek erhob sich ebenfalls und musste tatsächlich nach oben sehen um mit Marc zu reden.
„Ich muss nur kurz bezahlen und bin dann weg. Bis nachher.“
Marc griff nach ihm und erwischte ihn am Arm.
„Du kannst schon gehen. Ich zahle. Besser, wir treten ihm nicht gemeinsam unter die Augen.“
Derek zögerte einen Moment, dann ging er zum Ausgang. Marc strebte zum Tresen.
„Ich möchte gerne zahlen. Für beide.“
Bryces Gesichtsausdruck wurde hart, doch dann nickte er.
„Zwölf fünfzig, bitte.“
Marc wickelte die Transaktion mit seinem Multifunktionsarmband (MFA) ab und Bryce seufzte. Marc lächelte ihn an.
„Auf Wiedersehen.“
Marc hatte sich schon umgedreht, als Bryce erwiderte
„Auf Wiedersehen. Und einen schönen Abend noch. Euch beiden.“
Marc drehte sich noch einmal um und nun zeigte Bryces Gesicht den Ausdruck eines geprügelten jungen Hundes. Marc seufzte tief und verließ den Diner.
Pünktlich um zehn Uhr lokaler Zeit stand Marc wieder in der kurzen Einkaufsstraße, in der auch der Schnellimbiss lag. Scheinbar gelangweilt betrachtete er die Auslage in einem Juwelierladen. Etwa fünf Minuten später kam Derek aus einem Seitengang und sah sich um, bis er Marc erkannte. Langsam ging er auf ihn zu.
Aus den Augenwinkeln sah Marc ihn herankommen und drehte sich um. Lächelnd wartete er, bis der junge Mann etwa einen Meter vor ihm stehen blieb.
„Wartest du schon lange?“
„Nein, wir hatten ja gesagt, zehn Uhr.“
Marc überbrückte mit einem Schritt den Abstand zwischen ihnen und sah auf Derek herab.
„Ich freue mich, dass du tatsächlich erschienen bist.“
Derek runzelte die Stirn.
„Wenn ich etwas sage, dann mache ich es auch.“
Vorsichtig legte er Marc eine Hand auf die breite Brust. Unter den Fingern spürte er das Schlagen seines Herzens. Marc umarmte Derek sanft und zog ihn ganz zu sich heran. Er neigte seinen Kopf und ihre Münder trafen sich zu einem ersten, scheuen Kuss. Nach dem Kuss sah Marc Derek fragend an. Derek hob seine Arme und fasste Marcs Kopf, zog ihn wieder herunter und der nächste Kuss dauerte schon erheblich länger.
Sie wurden rüde unterbrochen, als eine blecherne Stimme aus einem Lautsprecher ertönte.
„Ihr wisst aber schon, dass der ganze Raumhafen videoüberwacht wird?“
Derek lief knallrot an, während Marc lachte, eine Hand hob und damit etwas ziellos winkte.
„Wohin?“
Derek grinste Marc an.
„Ich dachte, du hast mir einen Kaffee versprochen.“
„Tja, dann werden wir wohl zu mir gehen.“
meinte Marc. Damit packte er Derek an den Schultern und drehte ihn herum, so dass sie in Richtung des Landefeldes gingen. Marc sah zu Derek herab.
„Hast du eine Sicherheitsbelehrung für das Landefeld?“
„Meine ist gültig für das gesamte Raumhafengelände. Du weißt: Torentos Spaceport Repairs, und so.“
Marc lief rot an. Vor Gebrauch des Mundwerks Gehirn einschalten.
„Sehr gut. Ich hoffe, dir macht ein kleiner Spaziergang nichts aus.“
Vor der kleinen Rampe zur Steuerbord-Schleuse fummelte Marc etwas nervös an seinem MFA herum, bis die Sicherheitseinrichtung endlich die Schleuse freigab.
Dadurch, dass die Atmosphäre von Torentos atembar war, stand die innere Schleusentür offen. Von hier aus führte der kurze Gang direkt in den Wohnbereich, während über die Backbord-Schleuse die Laderäume direkt erreichbar waren. Derek betrat das Schiff und Marc folgte ihm, während er die äußere Schleusentür wieder schloss.
Etwas unsicher sah Marc zu Derek, doch dieser trat entschlossen auf ihn zu und presste sich an ihn. Marc befreite seinen rechten Arm und deaktivierte die Sicherheitseinrichtungen für das Innere des Schiffes. Dabei spürte er, wie zwei geschickte Hände ihm langsam das T-Shirt aus der Hose zogen.
Der nächste Morgen begann für Marc etwas ungewohnt. Als er erwachte, spürte er ein leichtes Gewicht auf seinem Brustkorb und als er an sich herabsah, erkannte er einen hellroten Haarschopf, dessen Besitzer seinen Kopf auf Marcs Brust abgelegt hatte. Ein Arm war halb über ihn geschlungen und ein Bein lag quer über seinem Unterkörper. Langsam kam die Erinnerung an die Nacht wieder und Marc lächelte. Sein Blick glitt herab an der Rückenpartie von Derek bis hinunter zu den sanften Rundungen seines Hinterns.
Vorsichtig und mit einem gewissen Bedauern schob sich Marc unter dem schlafenden Körper hervor und ging leise in sein Bad. Bei seiner ausgiebigen Reinigung ging ihm die letzte Nacht nicht mehr aus dem Kopf. Derek sah nicht nur toll aus, er war auch sportlich. Doch genauso war er zärtlich, einfühlsam, fordernd, empfindsam…. Marc gingen die Adjektive aus. Der Junge – nein – der junge Mann war eine Herausforderung für ihn gewesen und sie waren am Ende glücklich und erschöpft eingeschlafen.
Noch nie hatte Marc ein so starkes Gefühl von Zuneigung gespürt. Er fragte sich ernsthaft, ob er nicht vielleicht zu viele Gefühle investierte in jemanden, den er gar nicht kannte.
Als er das Bad verließ, war sein Bett leer. Der Anblick der zerwühlten Laken gab Marc plötzlich ein Gefühl gewisser Leere, doch dann bemerkte er etwas, was er schon lange nicht mehr gerochen hatte. Frischen Kaffee. Neugierig patschte er, nackt wie er war, hinüber in die Küche. Dort stand Derek, ebenfalls noch splitternackt, vor dem Küchenautomaten und hatte alle drei Wartungsklappen geöffnet. Als er Marc hörte, drehte er sich um und grinste ihn an.
„Hey, guten Morgen. Ich habe erst einmal Kaffee gemacht. Schließlich bin ich deswegen ja hier. Mit dem Frühstück dauert das noch einen Moment.“
Völlig fasziniert starrte Marc auf die Tasse mit dem dampfend heißen Kaffee. Vorsichtig hob er sie an und nippte daran. Vollkommen in Ordnung: Kaffee, heiß und stark.
Derek schloss zwei der Wartungsklappen und drehte sich zu Marc.
„Was soll’s denn sein zum Frühstück?“
„Äh, vielleicht erst mal Rührei mit Toast?“
„Kommt sofort.“
Derek tippte den Befehl ein und die Maschine gab ein zustimmendes Piepen von sich. Zwei Minuten später stand ein Teller mit gebräuntem Toastbrot und einer Portion goldgelbem Rührei vor Marc.
„Wie… wie hast du das gemacht?“
Dereks Gesicht wurde ernst, als er sich am Küchentresen gegenüber von Marc hinsetzte.
„Darüber müssen wir dringend reden. Beide Maschinen, sowohl der Getränkeautomat als auch der Küchenautomat sind vollkommen in Ordnung. Allerdings hat jemand einen kleinen Chip zusätzlich in die Systemsteuerungen eingebaut, der Störungen nach dem Zufallsprinzip erzeugt hat.“
Marc ließ seine Gabel sinken und starrte Derek ungläubig an.
„Wie bitte?“
„Die Chips sind noch nicht lange drin, ich würde sagen, etwa seit einem halben Jahr, der Baureihe nach zu urteilen.“
„Ein halbes Jahr? Da war ich doch erst bei der Überholung … Verdammt! Jaden, dieses alte Arschloch. Der Blödmann will mich abzocken. Bei jedem Besuch ein neuer Fehler. Na, warte, wenn ich dich kriege…“
Derek beobachtete grinsend Marc, wie der sich immer weiter in Rage redete. Plötzlich stutzte Marc und sah hinüber zu Derek.
„Und wieso kannst du die Dinger reparieren?“
„Du meinst, weil ich nur ein kleiner Wartungsmechaniker bin?“
Dereks grüne Augen funkelten und Marc seufzte.
„So war das nicht gemeint. Was ich sagen wollte ist, für so etwas braucht man schon gute Fachkenntnisse.“
„Aha. Und so etwas lernt man nicht als Mann fürs Grobe. Oder glaubst du auch, Tunten und Technik gehören nicht zusammen?“
Marc verdrehte die Augen.
„Derek, bitte. So etwas würde ich nie sagen. Ich war nur etwas überrascht.“
Auf Marcs fragenden Blick hob Derek die Arme als ob er sich ergeben wollte.
„Also gut, ich bin Ingenieur für Schiffsbetriebssysteme.“
Marc hatte gerade die Kaffeetasse angesetzt als er losprustete und Derek mit einem Sprühnebel von Kaffee bedeckte.
„Du bist, WAS?“
„Im Moment ziemlich nass.“
meinte Derek, als er an sich hinabsah. Marc sprang erschrocken auf.
„Oh, verdammt. Das wollte ich nicht. Los, komm mit.“
Energisch packt er Derek an einer Hand und zog ihn ins Bad. Dort verbrachten sie eine komplette Stunde, in der jeder einzelne Körperteil einer sehr gründlichen Reinigung unterworfen wurde.
Lachend und etwas erschöpft kamen Marc und Derek aus dem Bad. Suchend sah sich Derek um. Dann fing er an, die Sachen, die auf dem Fußboden verteilt waren, zusammenzusuchen. Die Spur führte vom Schlafraum über den Gang, bis hin zur Schleuse. Wortlos machte er zwei kleine Stapel mit Marcs und seinen Sachen neben dem Bett.
Marc packte ihn und zog ihn zu sich aufs Bett.
„Eigentlich möchte ich dich gar nicht mehr loslassen.“
Derek sah Marc erstaunt an.
„Bist du sicher? Weißt du eigentlich, was du da sagst? Du kennst mich doch überhaupt nicht.“
„Ich weiß, aber es ist das, was ich gerade fühle.“
Derek grinste schmutzig, doch Marc schüttelte den Kopf.
„Nein das meine ich nicht. Natürlich ist der Sex wunderschön mit dir, aber ich fühle wirklich etwas mehr. Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Ich kann es nicht beschreiben und doch weiß ich, dass es da ist.“
Derek schloss die Augen und holte tief Luft.
„Marc, es klingt jetzt vielleicht etwas blöd oder klischeehaft, aber als ich dich das erste Mal gesehen habe, wusste ich, dass du mehr für mich bist, als alle anderen bisher. Ich weiß, man soll es nicht so vorschnell aussprechen, aber ich liebe dich.“
Derek drehte seinen Kopf zur Seite. Er war völlig unsicher, wie Marc reagieren würde, er konnte ihn nicht ansehen. Dann spürte er, wie Marc seinen Kopf langsam wieder zu sich drehte und ihm einen langen, intensiven Kuss gab. Derek spürte Marcs ganze Zuneigung in diesem einen Kuss und er ließ sich von ihr umfangen. Der Kuss endete und Derek spürte mit einem leichten Bedauern, dass ihm etwas fehlte. Doch dann hört er ein leises Flüstern an seinem Ohr.
„Derek, ich liebe dich.“
Eine ganze Weile lagen sie noch aneinander gekuschelt auf dem Bett, als Derek sich seufzend erhob.
„Und nun?“
Marc richtete sich ebenfalls halb auf und sah ihn ernst an.
„Das kann ich dir sagen. Morgen früh müssen die Außenlast-Container zum Zoll und dann muss ich sehen, wie ich die Kleincontainer loswerde. Danach zahle ich meine Schulden, suche nach einer möglichen neuen Fracht und rausche wieder davon.“
Derek fuhr herum und funkelte Marc an.
„Ach so? Dann erzähl mir mal bitte, wie die Teile ‚ich liebe dich‘ und ‚ich rausche wieder davon‘ zusammenpassen.“
Marc machte ein gequältes Gesicht.
„Derek, bitte. Die Kiste kostet mich im Durchschnitt 120.000, -- Credits im Monat an laufenden Kosten. Wenn ich Glück habe und die Containerplätze und der Frachtraum einigermaßen ausgelastet sind, krieg ich das Geld gerade so herein. Ich muss einfach weiter.“
Derek schwieg eine ganze Weile. Er wusste, dass dies eine einmalige Chance war, seinem Leben eine Wendung zu geben, von der er immer geträumt hatte. Die Frage war, würde er den Mut aufbringen, wirklich alles hinter sich zu lassen?
„Wer hat denn gesagt, dass du hierbleiben sollst? Ich wollte dich eigentlich fragen ob du… also - ob du noch einen Techniker brauchen kannst?“
Marc riss erstaunt die Augen auf. Einen Techniker? Eigentlich konnte er sich gar keinen Techniker leisten, geschweige denn einen Ingenieur. Aber wenn Jaden ihn tatsächlich beschissen hatte, würden natürlich auch die teuren Reparaturen wegfallen. Außerdem - zusammen an Bord mit IHM? Da würden gleich zwei Träume wahr werden.
„Meinst du das ernst? Du willst wirklich hier an Bord anfangen? Was ist mit deinem jetzigen Job? Wieviel bekommst du da?“
Derek warf Marc einen undefinierbaren Blick zu.
„Ob ich das ernst meine? Genauso ernst wie die Aussage, dass ich dich liebe. Mein jetziger Job ist weder besonders interessant, noch irgendwie fordernd. Ich habe ihn auch nur angenommen, weil nichts anderes zu bekommen war. Hier auf Torentos sind Techniker oder gar Ingenieure nicht besonders gefragt. Ich bin hauptsächlich für den Bereitschaftsdienst angestellt worden. Bei Spaceport Repairs kann ich von heute auf morgen kündigen. Wieviel ich da bekomme? Ha, 1.400, -- Credits, im Schichtbetrieb.“
Marc rechnete schnell im Kopf.
„Okay, ich biete das Doppelte, freie Unterkunft und Verpflegung und - mich.“
Derek brauchte nicht zu überlegen. Stürmisch sprang er auf das Bett, umarmte Marc und bedeckte ihn mit schnellen, kleinen Küssen. Zwischendrin erfuhr Marc seine Antwort.
„Ich nehme … (Kuss) … das Geld … (Kuss) … die Unterkunft … (Kuss) … die Verpflegung … (Kuss) … und dich.“
Am Ende des Satzes besiegelte er den Arbeitsvertrag mit einem langen, gefühlvollen Kuss. Dann sprang er auf, schnappte sich den Stapel mit seiner Bekleidung und begann sich anzuziehen.
„Huh? Was denn jetzt?“
„Ganz einfach, Captain. Ihr Techniker fängt jetzt gleich und sofort mit seiner Arbeit an. Ich würde sagen, wir beginnen im Cockpit mit der Statuskontrolle und dem Selbstcheck.“
Marc rollte sich aus dem Bett und griff nach seinen Sachen, während Derek schon in Richtung Cockpit verschwunden war. Holla, der Junge war bei der Arbeit ja genauso ruhelos wie im Bett.
Als Marc ins Cockpit kam, hatte Derek die Technik-Konsole bereits an das Zentralsystem angeschlossen. Mit Marcs MFA wurde die Pilotenkonsole aktiviert und mit ein paar Handgriffen war dann auch die Technik-Konsole freigeschaltet.
Mit wachsendem Erstaunen sah Marc Derek dabei zu, wie er mit flinken Fingern über die verschiedensten Tastaturen huschte und mehrere Anzeigen gleichzeitig zu beobachten schien.
„So, versuch mal jetzt den Systemcheck.“
Neugierig drückte Marc den kleinen Knopf am rechten Rand und erstarrte fast, als gut ein Viertel der roten Lämpchen auf seiner Konsole ins Grün wechselten.
„Was war das denn?“
„Das sind die vom Zentralrechner direkt bedienten Anlagen und Geräte. Da kann man keine Fehler einbauen, sonst stürzt das Schiff tatsächlich ab. Aber man kann natürlich die Anzeige des Systemchecks manipulieren.“
Marc schüttelte fassungslos den Kopf. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Derek sich über seine Pilotenkonsole beugte und auf die Anzeigen sah.
„Diese Fehlermeldungen hier müssen einzeln abgearbeitet werden. Kann sein, dass ein Fehler mehrere verschiedene Meldungen verursacht, wenn zum Beispiel ein Energieerzeuger ausfällt, gehen alle angeschlossenen Anlagen natürlich ebenfalls auf Alarm. Ich würde vorschlagen, wir fangen tatsächlich bei den Energieerzeugern an.“
Marc erhob sich und sein Blick erwischte nur noch einen roten Haarschopf, der leicht hüpfend im Gang verschwand.
Den gesamten restlichen Tag verbrachten die beiden mit der Fehlersuche. Nur unterbrochen von einem kurzen Mittagessen inspizierte Derek das Schiff und dabei erfuhr er nebenbei etwas über Marc und seine Geschichte.
Marc war der Sohn einer Akademikerfamilie. Sein Vater war Professor für Geschichte, seine Mutter Ärztin. Beide waren umgekommen, als das Passagierschiff, mit dem sie zu einer Tagung nach New Terra unterwegs waren, während eines Orientierungsaustrittes von einem dranthanischen Flottenverband vernichtet worden war.
Sein einziger noch lebender Verwandter, sein Großvater, hatte sich, sehr zum Entsetzen seiner Eltern, mit einem kleinen Frachter selbständig gemacht. Das einzige was Marc von ihm sah oder hörte war eine kurze Nachricht mit einem Beileidsschreiben zum Tod seiner Eltern.
Marc war zu dieser Zeit siebzehn und er hatte nichts Eiligeres zu tun, als sich zur Raumflotte zu melden. Er wurde trotz seines fehlenden Schulabschlusses als Offiziersanwärter genommen. Zu seinem Leidwesen musste er feststellen, dass er den Schulabschluss auf der Space-Academy nachmachen musste. Zunächst wurde er Pilot eines Raumjägers, dann Astrogationsoffizier auf einem Kreuzer und später Pilot auf einer Korvette.
Nach dem Ende der Dranthanischen Kriege wurde Marc, wie so viele seiner Kameraden, entlassen und stand nun ohne Arbeit da. Nur wenige Tage später erhielt er eine Kurznachricht seines Großvaters: Torchwood Base 14. dM
Was Marc dann korrekt dahingehend interpretierte, dass sein Großvater ihn am 14. des Monats auf Torchwood abholen würde. Seit dieser Zeit waren sie gemeinsam unterwegs, bis es dann zu diesem unerfreulichen Zwischenfall in einer der Kneipen auf der Prelox-Asteroidenstation gekommen war.
„Sag mal, wenn dein Großvater so ein guter Ingenieur war und die meisten Reparaturen an Bord selber vorgenommen hat, dann hatte er doch bestimmt auch das ganze Werkzeug dafür. Ich habe bis jetzt außer den Handbüchern und diesem - Ding - hier, nichts Vernünftiges gefunden.“
Scheinbar angeekelt hielt Derek mit zwei Fingern ein kleines Datapad hoch, während er in drei Metern Höhe auf den Zuleitungen zur Steuerbord-Triebwerksgondel herumturnte.
Marc brauchte nicht lange überlegen.
„Durch die beiden neuen Containerklammern ist hinter dem Stauraum der Küche ein weiterer kleiner Raum entstanden. Da hat Großvater dann seine ganzen Sachen untergebracht.“
Derek sah aufgeregt auf Marc herunter.
„Darf ich den mal sehen?“
„Klar, warum nicht?“
Flink wie eine Katze kletterte Derek herunter und schon waren sie auf dem Weg nach vorne. Der Zugang zu dem kleinen Raum befand sich im Stauraum der Küche, war also auf Anhieb gar nicht zu finden. Als die Tür beiseite glitt und das Licht anging, strahlte auch Derek.
Die gesamte Rückseite des kleinen Raumes nahm eine Werkbank ein, die mit mehreren größeren Geräten bestückt war. Die linke und die rechte Wand waren mit Regalen versehen, in denen verschiedenste Geräte, Werkzeuge und Ersatzteile befanden.
„Whow, das ist mehr als ich erwartet hatte. Da! So etwas hab‘ ich gesucht.“
Mit einem Aufschrei stürzte Derek sich auf ein Gerät von der Größe und Form eines kleinen Koffers. Vorsichtig öffnete er den Deckel und sah auf die Tastatur und das Display.
„Das ist es! Das ist ein Diagnose-Computer. Der wird normalerweise individualisiert für das jeweilige Schiff auf dem er benutzt wird. Hier werden auch alle Fehlerprotokolle gespeichert und ausgewertet. Mit den Sachen die hier drin sind, können wir das gesamte Schiff warten, ohne eine Werkstatt oder Werft zu besuchen. Es sei denn, du machst eine Bruchlandung oder du möchtest den Hyperantrieb tauschen.“
Derek grinste wie ein kleines Kind im Spielzeugladen und Marc ließ sich von der Stimmung anstecken. Lachend wich er Derek aus, der den Diagnose-Computer in Richtung Maschinenraum schleppte.
Das Abendessen war eine große Überraschung für Marc. Derek hatte dem Küchenautomaten Kartoffeln, Gemüse und für jeden ein Steak entlockt.
„Oh, Mann. So was hab‘ ich seit der Friedensfeier nicht mehr gesehen. Du bist echt ein Genie.“
Derek errötete tatsächlich etwas wegen des Lobes, obwohl er gar nicht so viel dazu getan hatte. Doch es freute ihn sichtlich, dass er Marc eine Freude machen konnte.
„Ich bin übrigens mit der Fehlerdiagnose fast fertig. Fehlt nur noch das Hypertriebwerk, aber da dauert der Check etliche Stunden.“
Marc hob nur fragend die Augenbrauen während er begeistert weiter kaute.
„Die elektronischen Einrichtungen und Bauteile sind soweit in Ordnung. Aber das Schiff ist nun mal alt und verbraucht. Die Brennkammern der Unterlichttriebwerke müssen erneuert werden, das Antigravtriebwerk muss neu justiert werden. Die Energieerzeuger sind zwar soweit in Ordnung, aber es gibt inzwischen Modelle die wesentlich effizienter sind und nur noch halb so viel Treibstoff verbrauchen.“
Marc nickte und schluckte gleichzeitig.
„Das mit den Energieerzeugern weiß ich. Aber wovon soll ich mir neue leisten? Ein Fusionsmeiler in der Größe kostet eins Komma drei Millionen. Was ist mit dem Antigrav? Kannst du den nicht justieren?“
„Nein. Auf gar keinen Fall. Dazu braucht man ein spezielles Fesselfeld auf einem Werftgelände, sonst macht das Schiff möglicherweise einen ungewollten Sprung bei der Einstellung.“
„Oh.“
„Ja, genau. Ebenso die Brennkammern. Dazu muss die gesamte Triebwerksgondel auseinandergebaut werden. Lässt sich hier schlecht machen.“
Marc brummte etwas Unverständliches und sah dann auf seinen Teller. Einen Moment lang war er versucht, den Teller abzulecken, doch dann wurde er zum Glück von Derek abgelenkt.
„Was hat es eigentlich mit den vier Kleincontainern auf sich?“
Marc stöhnte auf. Die hätte er beinahe verdrängt. Mit ein paar kurzen Sätzen erzählte er Derek die tragische Geschichte der kleinen verwaisten Container.
Derek schüttelte ratlos den Kopf.
„Das macht doch gar keinen Sinn. Das sind vier völlig unterschiedliche Inhalte für eine Frachtfirma die es gar nicht gibt. Moment mal. Die Inhalte sind ja wohl nicht für die Frachtfirma. Gibt es da keine Lieferadressen?“
„Nein. Wenn sie an eine Frachtfirma adressiert sind, ist die für die Auslieferung verantwortlich. Sie können nur von dieser Firma in Empfang genommen werden.“
„Nicht etwa vom Endkunden?“
„Das geht nur bei Expresslieferungen die extra so gekennzeichnet sind. Da gibt es auch eine direkte Lieferadresse.“
Derek stand auf und sah Marc an.
„Dann wollen wir mal sehen, ob wir eine Adresse finden.“
Der erste Stopp war der Astrogationscomputer mit den Frachtpapieren. Die hießen immer noch so, obwohl sie längst aus kleinen Datensätzen bestanden.
„Hier, das ist der erste.“
A. CON-XS-1CBM-MK23B DATA145699364223
B. CUSTOMCLEAR 231417NOV GST MAGNADORIA
C. INCL KUNSTGEGENSTAENDE
D. LOAD MAGNADORIA 231453NOV GST LSF THALASSOS GHRT6783
E. DEST TORENTOS II-TORENTOS-SYS
F. ADDR DYSTOPFREIGHT TORENTOS
G. CONT DystopFreight@Torentos-Planet@Space-Net.org
„So, oben bei A ist der Containertyp, Data ist eine zwölfstellige Seriennummer. In der zweiten Zeile bei B ist die Zollabfertigung, dann kommt in Zeile C der Inhalt. Die vierte Zeile D ist die Beladung, dann folgt bei E der Bestimmungsort. Zum Schluss kommen bei F der Empfänger und G eine Kontaktadresse.“
„Und woher weiß die Frachtfirma wo sie mit den Dingern hin soll?“
„Da hat jeder Container noch einen Laufzettel. Das ist ein Datenchip den nur die Frachtfirma auslesen kann und der den Weg von der Verpackung bis zum Endkunden enthält.“
„Da können wir doch mal unser Glück versuchen.“
„Bist du verrückt? Wenn die Frachtfirma merkt, dass wir am Laufzettel waren, gibt das riesigen Ärger.“
„Welche Frachtfirma?“
„Oh, äh ja. Also eigentlich…“
Schon war Derek verschwunden und Marc machte sich auf in den Laderaum. In den insgesamt 400 Kubikmeter fassenden Räumen standen lediglich die vier einsamen Kleincontainer. Derek erschien im Laufschritt mit einem Datapad mit mehreren Anschlusskabeln.
„Was ist das denn?“
„Das brauchen wir bei Diagnose-Arbeiten, wenn die Datenübertragung oder die Daten selbst schadhaft sind. Das Ding hier greift direkt auf Speicherchips zu und versucht Datensätze auszulesen die nicht korrekt übertragen werden.“
Tatsächlich gab es für so einen Fall einen Anschluss am Container. Derek sah ungeduldig auf die Anzeige, dann stutzte er.
„Das ist ja interessant. Der Datensatz ist verschlüsselt.“
„Was? Ehrlich? Und was machen wir jetzt?“
Derek überlegte einen Moment, dann sah er unsicher zu Marc.
„Es gibt eine Möglichkeit. Wir brauchen einen Spezialisten. Einen Computerfachmann, der die nötigen Kenntnisse und Geräte hat, um die Daten zu entschlüsseln.“
„Wo willst du hier denn so jemanden herkriegen?“
Derek sah betreten zu Boden.
„Ich kenne da jemanden, der das könnte.“
Marc war das merkwürdige Verhalten von Derek schon aufgefallen und er sah ihn fragend an. Als er nicht antwortete, ging Marc plötzlich ein Licht auf.
„Was? Bryce etwa?“
Derek nickte stumm. Dann seufzte er.
„Wir haben zusammen studiert. Das Community College hier auf Torentos hat so einige technische Kurse im Programm und Bryce hat einen BA in Computer Science und Programmierung.“
„Einen College-Abschluss? Wie alt seid ihr denn?“
Derek grinste.
„Ich bin dreiundzwanzig. Und Bryce ist zweiundzwanzig. Gut gehalten, was?“
Marc schüttelte den Kopf. Da hatte er ja voll danebengegriffen mit seinen Schätzungen. Aber was war jetzt mit Bryce?
„Was machen wir jetzt? Willst du Bryce tatsächlich fragen?“
„Warum nicht? Kann sein, dass du ihn von einer ganz anderen Seite kennenlernst als bisher. Was seinen Beruf angeht, da ist er ein völlig anderer Mensch.“
Derek sah auf seine Uhr.
„Er müsste jetzt eigentlich zu Hause sein.“
Sie gingen beide zurück ins Cockpit und Derek rief Bryce an. Das Gesicht auf dem Bildschirm sah etwas müde aus.
„Hallo, Bryce. Hab‘ ich dich geweckt?“
„Du? Was willst du? Mir erzählen, wie geil es war?“
„Bryce, bitte. Darum geht es im Moment nicht. Wir bräuchten deine Hilfe.“
Bryce lachte trocken.
„Ach so? Beim Ficken hast du noch nie Hilfe gebraucht.“
„Bryce, so kommen wir nicht weiter. Es ist ernst. Wir brauchen jemanden mit Computerkenntnissen.“
Bryces ganze Gestalt straffte sich.
„Erzähl.“
Derek erklärte kurz ihr Problem. Bryce hatte die ganze Zeit aufmerksam zugehört und nickte ein paar Mal zwischendurch.
„Klingt nicht so schwer. Ich habe heute meine Freischicht. Ich könnte vorbeikommen. Natürlich nur, wenn dein Traumprinz nichts dagegen hat.“
Marc stellte sich nun hinter Derek, so dass Bryce ihn ebenfalls sehen konnte.
„Nein, der Traumprinz hat nichts dagegen.“
„Oh! Äh, ja. Bis dann.“
Der Bildschirm erlosch und Marc konnte noch erkennen, wie Bryce rot anlief. Derek hatte es ebenfalls bemerkt.
„Au weia. Normalerweise ist er nicht so schüchtern. Und ich habe selten erlebt, dass er so rot wird. Er scheint wirklich etwas für dich zu empfinden.“
Marc brummte nur und machte sich seine eigenen Gedanken.
Nicht einmal eine halbe Stunde später stand Bryce vor dem Schiff. Marc ließ ihn herein und begrüßte ihn mit Handschlag. Bryce sah ihn lange an und seufzte dann.
„Ich fürchte, ich bin selber schuld mit meinem großen Maul. Na denn, wo ist der Patient?“
Marc führte Bryce in den Laderaum, wo Derek schon wartete. Die beiden sahen sich an und blickten auf den Boden. Marc schüttelte den Kopf.
„Leute, so geht das nicht. Wie wollt ihr denn zusammenarbeiten?“
Bryce sah erstaunt zu Marc, dann wieder zu Derek. Kurz entschlossen trat er dicht an Derek heran und gab ihm einen kurzen Kuss. Derek schien erstaunt. Bryce trat wieder einen Schritt zurück.
„Was soll’s. Wir kennen uns schon zu lange, als dass du nicht wüsstest, wie ich mich fühle. Und ich wollte dir nur sagen, dass ich mich beschissen benommen habe. Das hattest du nicht verdient.“
Derek schien überrascht von der kleinen Rede und sah nun etwas unsicher zu Marc, doch der zuckte nur mit den Schultern. Bryce wandte sich den Kleincontainern zu und musterte sie eindringlich.
„Hast du ein Diagnose-Gerät?“
fragte er Derek ohne sich umzudrehen. Der schob ihm kommentarlos den Koffer zu. Bryce kniete neben dem ersten Container ab und begann zu arbeiten.
Es dauerte eine ganze Weile, bis Bryce ein
„Was ist das denn?“
von sich gab. Marc und Derek sahen ihn gespannt an.
„Die Verschlüsselung ist ziemlich kompliziert. Da hat sich jemand Mühe gegeben, um etwas zu verbergen. Mit dem Klartext kann ich allerdings auch nicht viel anfangen.“
Marc sah ihm über die Schulter und blickte auf das kleine Display des Diagnose-Computers.
1. CON-XS-1CBM-MK23B DATA145699364223
2. SEAL ASGAARD III-ASGAARD-SYS 171226AUG GST
3. INCL KUNSTGEGENSTAENDE
4. DEST TORENTOS II-TORENTOS-SYS
5. ADDR DYSTOPFREIGHT TORENTOS
6. DEL KUNSTHALLE TORENTOS
„Genau wie die normalen Laufdaten. Oben die Containerdaten. Zeile 2 dann Ort und Datum an dem der Container versiegelt wurde. Das war ja vor über drei Monaten auf Asgaard! Okay, dann in Zeile 3 der Inhalt und in 4 der Bestimmungsort. Darunter der Empfänger und zum Schluss der Lieferort. Hey, tatsächlich. Hier steht Kunsthalle Torentos.“
Derek und Bryce sahen sich fragend an. Dann wandte sich Bryce an Marc.
„Torentos ist ein Kolonialplanet mit knapp 30.000 Einwohnern. Wir haben hier keine Kunsthalle!“
Jetzt wechselte Marcs Blick entgeistert von Bryce zu Derek und wieder zurück.
„Aber… aber…“
„Das Ding stinkt zum Himmel. Los, wir kontrollieren die anderen drei auch noch.“
Der zweite Container ergab ein etwas anderes Bild.
1. CON-XS-1CBM-MK23B DATA683816597654
2. SEAL TELLUR III-TELLUR-SYS 121931OCT GST
3. INCL ELEKTRONISCHE BAUTEILE
4. DEST TORENTOS II-TORENTOS-SYS
5. ADDR DYSTOPFREIGHT TORENTOS
6. DEL SPACEPORT REPAIRS
„Hey, das macht Sinn. Das ist doch die Werkstatt wo du arbeitest. Sollt ihr irgendwelche Ersatzteile bekommen?“
Derek sah stirnrunzelnd auf die Anzeige.
„Moment. Das Zeug kommt von Tellur und ist vor über einem Monat verpackt worden. Ich fürchte, das sind die Bauteile, die wir schon zweimal angemahnt haben. Wieso kommen die jetzt erst hier an?“
Bryce sah abschätzend zum nächsten Container.
„Los, den nächsten.“
1. CON-XS-1CBM-MK23B DATA408462852068
2. SEAL RUBIQUE-RUBIN-SYS 022238OCT GST
3. INCL SCHMUCK EDELSTEINE
4. DEST TORENTOS II-TORENTOS-SYS
5. ADDR DYSTOPFREIGHT TORENTOS
6. DEL VALUABLE SALES TORENTOS
Derek sah verblüfft auf die letzte Zeile mit dem Empfänger.
„Wer soll das denn sein? Gibt es hier so etwas mit diesem Namen?“
Bryce seufzte und sah Derek an. Dann griff er sich gekonnt ans nicht vorhandene Dekolletee. Mit einer hohen Stimme quietschte er
„Hach, war mir klar, dass du das nicht mitbekommen hast, Liebelein. Das ist der neue Laden, der mitten im Ort aufgemacht hat. Bietet allerlei exklusives Zeug wie Schmuck und Kunstgegenstände.“
Derek und Marc sahen verblüfft dem kurzen Ausbruch von Bryce zu, doch der hatte inzwischen dem letzten Container zugewandt.
„Nun noch Nummer vier.“
Marc hatte die Frachtpapiere auf seinem MFA aufgerufen.
„Da sollen doch Medikamente drin sein. Ich wette, ich weiß, was da für ein Empfänger steht.“
1. CON-XS-1CBM-MK23B DATA964475663215
2. SEAL MAGNADORIA-MAGNA-SYS 100936NOV GST
3. INCL MEDIKAMENTE
4. DEST TORENTOS II-TORENTOS-SYS
5. ADDR DYSTOPFREIGHT TORENTOS
6. DEL TORENTOS HOSPITAL
„Ha, so wie ich vermutet hatte. Die Ladung geht zum Krankenhaus.“
Bryce nickte kommentarlos. Derek schien etwas nervös.
„Na gut, aber was haben wir jetzt hier. Vier Container mit der Kontaktadresse einer nichtexistierenden Frachtfirma. Drei Endabnehmer sind völlig in Ordnung, der vierte ist wieder eine nicht existente Adresse. Was sagt uns das?“
Marc zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung. Sag du es mir.“
„Ich habe ebenfalls nicht die geringste Ahnung. Was soll das Ganze? Ich meine, es ist schon offensichtlich, dass jemand drei für Torentos bestimmte Container gesammelt hat und zusammen mit einem vierten unter dem Namen der gleichen Frachtfirma hierhergebracht hat. Soweit ist ja alles unauffällig. Aber die Dinger müssen doch noch durch den Zoll.“
Bryce war inzwischen aufgestanden und sah zu Derek und Marc.
„Was glaubst du, wie viele Leute auf Magna Doria wissen, dass wir hier keine Kunsthalle haben?“
„Keiner?“
„Siehst du. Das ist also alles völlig unauffällig. Was wäre passiert, wenn Marc nicht an einem Wochenende gelandet wäre?“
Marc überlegte kurz.
„Dann hätte ich versucht, die Frachtfirma zu kontaktieren. Wenn das nicht geklappt hätte, wäre der Zoll informiert worden und die Container wären ausgeladen worden. Wie das hier weitergeht, weiß ich nicht.“
Derek nickte.
„Aber ich. Der Zoll muss die Frachtfirma ermitteln. Ist diese nicht erreichbar, werden die Container drei Tage lang aufbewahrt. Danach hätte der Zoll sie geöffnet, oder wahrscheinlich eher den Endkunden ermittelt, so wie wir gerade.“
Derek durchzuckte gerade ein Gedanke, doch Bryce war schneller.
„Bingo. Und in diesen drei Tagen wäre leider mal wieder ein Container spurlos aus der Halle des Raumhafens verschwunden.“
Marc starrte Derek und Bryce erstaunt an.
„Das passiert hier öfter?“
Derek nickte.
„Ja. So zwei bis drei Mal im Jahr. Doch ich fürchte, wir haben ein Problem.“
„Was für ein Problem?“
„Morgen früh ist der Zoll wieder besetzt und die Container werden ausgeladen. Du kannst nachweisen, dass du versucht hast, die Frachtfirma zu erreichen, also werden sie wohl die Endempfänger sofort ermitteln.“
„Und wieso haben wir das Problem?“
Derek sah Marc resigniert an.
„Wenn sie das Ding haben wollen, bevor der Zoll es kriegt, wo müssen sie da hin?“
„Oh. Aber sie werden doch wohl kaum… Doch, bei dem ganzen Aufwand muss der Inhalt schon eine Menge wert sein. Wir werden uns wohl auf einen Besuch vorbereiten müssen.“
Etwas aufgedreht gab Marc Derek einen schnellen Klaps auf seine Kehrseite, dass dieser grinste.
„Oh, da bin ich immer vorbereitet.“
Bryce sah den beiden zu und schloss seufzend den Diagnose-Computer.
„So, das war’s dann wohl hier für mich. Ich wünsche euch noch eine angenehme Nacht.“
„Du willst schon weg? Bist du gar nicht neugierig?“
Bryce zog grinsend eine Augenbraue nach oben.
„Nicht so wirklich. Dich kenne ich ja schon und Marc… na ja.“
Derek sah Bryce irritiert an, dann lachte er.
„Okay, das hab‘ ich verdient. Aber ich meinte eigentlich das, was heute Nacht vielleicht im Frachtraum passieren könnte.“
Bryce überlegte kurz, dann nickte er. Zu Marc gewandt fragte er fast beiläufig
„Hast du irgendwelche Handwaffen, die man einsetzen könnte, falls die ganze Sache aus dem Ruder läuft?“
Marc starrte Bryce verblüfft an, während der und Derek in leises Gelächter ausbrachen.
„Du hast es ihm nicht gesagt?“
Derek schüttelte den Kopf und Marc sah ihn finster an.
„Was hast du mir nicht gesagt?“
„Oh, ich habe dir doch erzählt, dass Bryce und ich hier am Community-College studiert haben, richtig?“
Marc nickte.
„So. Wir sind nun nicht gerade die reichsten und obwohl die Gebühren äußerst gering sind, hätten wir sie niemals aufbringen können. Deshalb haben wir ein Stipendium in Anspruch genommen, dass die Planetare Verwaltung damals ausgeschrieben hatte. Wir haben parallel zum Studium an der Ausbildung der Torentos-Miliz teilgenommen. Ich in Schiffstechnik und Bryce bei den Marines.“
Marc sah Bryce an und verschluckte sich dann, dass er husten musste. Bryce bei den Marines?
Der Junge war schlank und… und was? Er hatte sich schon einmal verschätzt. Er musterte Bryce noch einmal mit etwas anderen Augen. Mittelgroß, etwas größer als Derek, aber nicht so groß wie Marc mit seinen 1,89. Schlank, aber wenn Marc genau hinsah, doch mit breiten Schultern, was das lose T-Shirt gut überdeckte. Die blonden Haare mit der blauen Strähne waren ziemlich kurz gehalten. Die Farbe lenkte auch die Aufmerksamkeit eines Betrachters in ganz bestimmte Richtungen, weit weg von der Idee, der junge Mann wäre ein ausgebildeter Marineinfanterist.
„Na, Musterung beendet?“
Marc hatte die Einstellungen der Sicherheitssysteme des Schiffes neu konfiguriert. Sein Großvater hatte als Alleinreisender die Sicherheitseinrichtungen erheblich ausgebaut und verbessert. Er musste immer darauf gefasst sein, von Piraten überfallen zu werden oder das Schiff längere Zeit alleine zu lassen. Deshalb war die Steuerung für die wichtigsten Abwehrmaßnahmen auch vom MFA möglich.
Nach dem Abendessen hatten Marc, Derek und Bryce noch zusammengesessen und geredet. Er erzählte von seinem Leben bei der Navy und dann auf dem Frachter, die beiden erzählten von ihren Ausbildungen und den Aushilfsjobs, die sie danach hatten.
Bryce seufzte schwer.
„Du hast es geschafft. Du hast jemanden gefunden, mit dem du die ganze Zeit zusammen sein kannst und auch noch deinen Traum erfüllt von einem Leben an Bord.“
„Komm schon, Bryce. Auch du wirst noch deinen Märchenprinzen finden.“
Marc sah auf die Uhr.
„Gleich Mitternacht. Wir sollten versuchen, etwas Schlaf zu bekommen.“
„Okay. Wo darf ich nächtigen?“
„Wir haben noch eine Kammer für ein Besatzungsmitglied. Ist nicht so groß wie die Suite, hat aber ein großes Bett und eine eigene Nasszelle.“
Gegen drei Uhr morgens begann der Alarm des MFA zu piepen. Marc und Derek waren sofort wach. Sie hatten ihre persönlichen Aktivitäten vor dem Einschlafen etwas abgekürzt, weil sie erwarteten, Besuch zu bekommen.
Marc ging hinüber zu Bryce und weckte ihn. Erst als Bryce ihn von oben bis unten betrachtete, fiel Marc ein, dass er nichts weiter außer seiner Unterhose trug. Er grinste etwas schüchtern, denn auch Bryce trug nicht viel mehr, als er aufstand.
Marc musste zugeben, dass Bryces Klamotten viel von dem verdeckten, was er jetzt zu sehen bekam. Sein Körper war auf jeden Fall durchtrainiert und ein Sixpack war deutlich erkennbar. Möglicherweise war er ja ebenso sportlich im Bett wie Derek. Moment Mal, was sollte der Gedanke denn jetzt? Bryce schnappte sich seine Sachen und begann, sich anzuziehen. Marc ging nachdenklich hinüber in die Suite. Auch Derek hatte sich schon angezogen und sah grinsend zu Marc.
„Na, hast du jetzt alles gesehen?“
Marc sah irritiert zu Derek, der etwas beiläufig auf Marcs Körpermitte deutete, wo in der Unterhose jetzt deutlich eine Beule zu erkennen war.
„Was? Ich habe nicht…“
„Schon klar. Sieh zu, dass du dich anziehst.“
Als Marc im Cockpit ankam, saß Derek schon an der Technikerkonsole und Bryce schaute ihm über die Schulter.
Marc sah ebenfalls auf die Anzeigen.
„Jemand versucht, den Sicherheitscode der Backbord-Schleuse zu überbrücken. Soll ich aufmachen?“
Bryce schüttelte den Kopf.
„Nein. Wenn das Gerät, das sie benutzen, gut genug ist, merkt es, wenn das Schott aufgeht, ohne dass es Erfolg hatte.“
Bryce richtete sich auf und wandte sich an Marc.
„Ich bitte um Erlaubnis, mich bewaffnen zu dürfen, Captain.“
Marc nickte automatisch und seine militärische Ausbildung setzte wieder ein.
„Erlaubnis erteilt. Komm mit.“
In der Suite öffnete Marc den Handwaffenspind und gab Bryce einen schweren Handlaser mit Energie-Pack. Er selbst nahm sich einen leichteren Handlaser mit einem kleineren Energie-Pack.
Bryce kontrollierte die Waffe, während Marc einen weiteren Spind öffnete.
„Schulter oder Schnellzieh?“
„Schnellzieh.“
Marc reichte Bryce ein Schnellzieh-Holster, dass dieser an seinem rechten Oberschenkel befestigte. Er selbst wählte für die kleinere Pistole ein Schulterholster, das unter der linken Achsel getragen wurde.
„Haben wir etwas für die Kommunikation?“
„Oh. Äh ja. Moment.“
Marc kramte in einem weiteren Spind und reichte Bryce ein Headset, während er noch zwei weitere für sich und Derek heraussuchte.
Als Marc und Bryce zurückkehrten, hatte Derek inzwischen die Kameras der Überwachungsanlage auf dem großen Panoramadisplay angeordnet.
„Sie sind gerade eben reingekommen.“
Drei Personen waren zielgerichtet auf dem Weg zum Laderaum. Innerhalb weniger Minuten hatten sie einen der vier Kleincontainer ausgewählt und den eingebauten Antigravgenerator aktiviert. Zwei von ihnen schoben den Container in Richtung Schleuse.
„Wo ist denn der Dritte?“
„Da. Anscheinend auf dem Weg zu den Unterkünften.“
„Wenn er merkt, dass alles leer ist, wird er Alarm geben. Aber was will er da?“
„Das werden wir gleich sehen.“
Der dritte Mann zog vor der Tür der Suite eine Pistole und riss dann die Tür auf. Vollkommen erstaunt bemerkte er, dass niemand im Raum war. Schnell drehte er sich um und rannte Richtung Schleuse.
Bryce war ebenfalls schon unterwegs, dicht gefolgt von Marc. Als sie das Cockpit verließen hörten sie Schritte auf dem Quergang zum Laderaum. Eine knappe Sekunde später tauchte eine Gestalt aus dem Gang auf und wandte sich zur Schleuse.
Bryce und Marc reagierten so, wie sie es gelernt hatten. Beide knieten sich ab und hoben die Waffen.
„Halt! Stehenbleiben!“
Die Reaktion kam prompt und ein Laserstrahl brach sich an der Gangverkleidung. Bryce erwiderte das Feuer, noch bevor Marc etwas sagen konnte. Die Gestalt wurde getroffen und sackte fast ohne Laut zusammen.
Marc aktivierte sein Headset.
„Wir haben ihn getroffen. Ich weiß nicht, wie schwer.“
Dereks Stimme antwortete.
„Soll ich die Ranger benachrichtigen?“
„Nein, noch nicht. Ich will sie erst sicher haben.“
Die äußere Schleusentür war inzwischen wieder geschlossen und einer der beiden Einbrecher betätigte etwas irritiert den Öffnungsschalter. Dass etwas nicht stimmte, bemerkten die beiden erst, als sich hinter ihnen die innere Schleusentür schloss. Alle Versuche, eine der Türen zu öffnen blieb erfolglos.
„So, jetzt kannst du.“
„Space-Ranger Torentos, hier ist die THALASSOS. Wir haben einen Einbruch zu melden…“
Marc schaltete sein Headset aus und trat zu Bryce. Der stand völlig regungslos neben dem Mann auf den er gerade eben geschossen hatte. Marc bückte sich und untersuchte ihn kurz.
„Ist er… ist er tot?“
Marc nickte. Er sah, wie Bryce sich verkrampfte und nahm ihn in die Arme.
„Ist das dein erstes Mal?“
Marc spürte, wie Bryce nickte und dann bemerkte er dessen Tränen. Nach einer Weile begann Bryce zu schniefen.
„Na, ist es besser?“
„Nicht wirklich. Ich… ich habe jemanden umgebracht. Er ist tot.“
Marc seufzte und strich Bryce über die blonden Haare.
„Ja, er ist tot. Aber du hast ihn nicht umgebracht. Nicht im eigentlichen Sinn. Er hat auf uns geschossen und du hast reagiert. Du hast uns beide verteidigt und vielleicht sogar gerettet. Es gab in diesem Moment nur die Lösung, wir oder er.“
„Aber er ist trotzdem tot.“
„Denkst du nicht, dass er wusste, was er tat, als er auf uns geschossen hat? Und dass er das Risiko kannte?“
Bryce schüttelte den Kopf und schwieg.
Die Space-Ranger nahmen sowohl die beiden Einbrecher in Gewahrsam, als auch den Container. Derek hatte alle Aufzeichnungen gesichert, so dass diese als Beweismittel übergeben werden konnten.
Der Tote war eine ganz andere Angelegenheit. Die Vernehmungen dauerten fast zwei Stunden und Bryce und Marc waren sichtlich Müde am Ende.
Der Sergeant der Space-Ranger verabschiedete sich und gab beiden zu verstehen, dass er die Angelegenheit als Notwehr aufgenommen hatte.
„Die endgültige Entscheidung liegt beim Richter. Wir haben nur einen Föderationsrichter hier auf Torentos, aber es wird bis zu der Anhörung wohl nicht lange dauern.“
Marc, Derek und Bryce saßen in der Küche bei einem Kaffee und Marc schielte hoch zur Zeitanzeige die nun ebenfalls wieder korrekt die planetare Zeit angab: 05:10 Uhr.
„In knapp einer Stunde beginnt der Hafenservice mit den Außenlastcontainern. Da lohnt es sich nicht mehr, sich hinzulegen.“
Derek sah Marc an und streifte sein T-Shirt über den Kopf.
„Ich bin müde. Hinlegen lohnt sich immer. Und Bryce braucht auf jeden Fall etwas Ruhe.“
Marc nickte und sie zogen sich in die Kapitänssuite zurück, während Bryce in die Kammer ging, wo er schon geschlafen hatte.
Nach etwa zehn Minuten klopfte es leise an der Tür und Derek sah hoch. Bryce hatte die Tür geöffnet und sah hinein.
„Ich... ich kann nicht schlafen. Ich sehe immer diesen Typen vor mir und da…“
Derek nickte.
„Komm her.“
Bryce tappte auf das breite Doppelbett zu und sah, wie Marc sich jetzt umdrehte und halb erhob. Derek drehte sich zu ihm.
„Rück mal ein Bisschen.“
Wortlos machte Marc Platz und Derek zog Bryce zwischen sich und Marc.
„Ich wollte euch nicht…“
Plötzlich spürte er, wie Marc einen Arm um seinen Oberkörper legte und ihn langsam zu sich heranzog.
„Psst. Wir wollen noch ein klein wenig schlafen. Entspann dich.“
Wie soll ich mich entspannen, wenn ich in den Armen meines Märchenprinzen liege und er mir gerade einen Kuss in den Nacken verpasst? Und Derek ist auch nicht besser. Seine Küsse waren selten so süß wie jetzt.
Marc erwachte aus seinem Dämmerschlaf pünktlich um sechs durch ein typisches laut klackendes Geräusch, als die erste Klammer für die Außenlastcontainer geöffnet wurde.
Vorsichtig machte er sich von Bryce frei, der nun friedlich schlief. Marc schüttelte den Kopf. Im Moment sah Bryce jung und unschuldig aus, doch er wusste, dass Bryce noch eine Weile brauchen würde, um seine Schuldgefühle loszuwerden.
Auch Derek schlief noch tief und fest. Marc sah von einem zum anderen und seufzte. Was sollte das noch werden?
Marc war gerade dabei, sich nach dem Duschen anzuziehen, als ein Gesprächseingang auf dem MFA angezeigt wurde. Marc kannte die Nummer nicht, doch sie war hier von Torentos.
„Guten Morgen. Mein Name ist Inspektor Rawandili von der Zollstation Torentos. Ich habe soeben von den Space-Rangern einen interessanten Container bekommen und gehört, sie hätten noch drei davon. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir die anderen drei sofort abholen würden?“
„Kein Problem, Inspektor. Ich kann sie ihnen bis vor die Tür stellen.“
Der Inspektor grinste leicht.
„Wir sind sofort bei ihnen, bis gleich.“
Marc schüttelte Derek leicht, bis dieser schlaftrunken die Augen rieb.
„Was ist los?“
„Zieh dich an, wir bekommen Besuch. Kennst du einen Inspektor Rawandili?“
„Ui, der oberste Zollfuzzi persönlich. Aber im Ernst, der Mann ist so unbeliebt wie nur was. Zumindest auf dem Raumhafen. Nimmt seinen Job wohl ziemlich ernst. Wie er sonst so ist, weiß ich nicht.“
„Dann wollen wir ihn nicht warten lassen.“
Als Marc und Derek die drei übrig gebliebenen Kleincontainer vor das Schiff schoben, stand schon ein schwerer Bodengleiter des Zolls davor. Davor standen drei Zollbeamte in ihren dunkelblauen Uniformen. Marc übergab die Container und überspielte die dazugehörigen Datensätze. Zwei der Zollbeamten luden die Container ein, während der dritte Derek interessiert musterte.
„Guten Morgen, Mister Masters. Ich habe schon davon gehört, dass sie hier angeheuert haben. Was hat denn der alte Jenkins dazu gesagt?“
„Oh, verdammt. Der weiß noch gar nichts von seinem Glück. Ich muss ihm noch eine Nachricht schicken.“
Der Zollinspektor lachte, dann wandte er sich an Marc.
„Mister Henderson? Ich bin Inspektor Rawandili. Leiter der Zollbehörde hier auf Torentos.“
Sie begrüßten sich mit Handschlag und Marc musterte den Zollinspektor, den er deutlich älter erwartet hatte. Er war höchstens Ende zwanzig und schlank, mit dunkler Haut und glatten, tiefschwarzen Haaren.
„Nun, Mister Henderson, ich hoffe, sie haben nichts dagegen, wenn ich mir ihre Geschichte auch einmal anhöre.“
Marc seufzte, aber er wusste, dass die freundliche Anfrage nichts anderes war, als eine weitere Vernehmung. Der Inspektor prüfte aufmerksam jede einzelne Aufzeichnung im Logbuch der THALASSOS und befragte dazu Marc oder auch Derek.
Am Ende der Überprüfung saßen Marc und der Inspektor bei einem Kaffee in der Küche.
„Ich bin beeindruckt, Mister Henderson. Sowohl von ihrer Buchführung, als auch von der Handhabung des Falles. Es gibt nicht viele Frachterkapitäne, die einen so geschickt getarnten Schmuggel erkannt hätten.“
„Es waren eigentlich Derek und Bryce. Ohne ihre genauen Ortskenntnisse wäre ich niemals darauf gekommen.“
„Bryce?“
„Äh ja. Ein Freund von Derek. Er ist normalerweise…
„Oh, Bryce Tanner. Ich kenne ihn. Kein Wunder, dass Old Swiney heute Morgen abgedreht ist. Bryce ist nämlich nicht zur Arbeit erschienen.“
„Oh, Shit.“
Das war Derek, der gerade auf dem Weg war, sich einen Kaffee zu holen. Sofort drehte er um und lief zu Bryce.
Bryce kam aus seiner Kammer und war rot vor Wut.
„Was ist passiert?“
„Der alte Arsch. Er hat mir gekündigt.“
Ohne weiteren Kommentar hielt Bryce sein PDA hoch. Marc las mit hochgezogenen Augenbrauen die letzten Eintragungen:
Auf Grund wiederholten Nichterscheinens zur Arbeit sind sie hiermit fristlos gekündigt. Ihre Unterlagen und der Restlohn werden ihnen zeitnah zugestellt.
Bryce war jetzt so rot im Gesicht, dass Marc fürchtete, Dampf würde aus den Ohren austreten.
„Dieser… dieses…“
Wutentbrannt stürmte Bryce nach draußen. Marc wandte sich an Derek, der Bryce die ganze Zeit ruhig zugesehen hatte.
„Zum wiederholten Mal? Hat er schon öfter die Arbeit versäumt?“
„Zweimal, soviel ich weiß. Das erste Mal war, als wir uns getrennt hatten. Da hat er sich einen Tag lang in seiner Bude eingeschlossen. Das zweite Mal hat Old Swiney den Schichtplan umgestellt, ohne was zu sagen. Da stand dann Aussage gegen Aussage. Ach ja, und dann hat er noch eine Abmahnung bekommen, weil er mit einem Gast geflirtet hat.“
„Huh?“
„Das hab ich auch gedacht. Der alte Sack sollte froh sein. Ein großer Teil der Kunden kommt ja nur noch, weil Bryce dort arbeitet.“
Derek erhob sich seufzend.
„Ich werd mal losgehen und sehen, was er macht. So wie er ausgesehen hat, bringt er sich noch in Schwierigkeiten.“
Belustigt zuckte Marc mit den Achseln und sah Derek hinterher. Dann machte er sich auf den Weg, den einzigen Vermittlungsagenten von Torentos aufzusuchen, um etwas Fracht zu ergattern. Torentos war hauptsächlich ein Agrarplanet und die Chancen dafür standen denkbar schlecht. Das größte Frachtaufkommen war auf solchen Planeten für gewöhnlich nach der Ernte und die Container wurden dann von einem Space-Train einer großen Reederei abgeholt.
Space-Trains bestanden aus mehreren Raumschiffssegmenten, die eine große Anzahl von Frachtcontainern aufnehmen konnten. Vorne gab ein Kommandomodul, achtern das Antriebsmodul. Beschränkt wurde die Größe solcher ‚Züge‘ lediglich durch die Größe des Hyperantriebs. Marc hatte schon Space-Trains mit acht Frachtmodulen gesehen, von den jeder 84 Container tragen konnte. Solche Schiffe fuhren auf festen Routen mit festen Zeiten und reisten immer in Begleitung einer entsprechend großen Eskorte.
Wie erwartet waren die Frachtangebote bei null und Marcs Laune war dementsprechend auf dem gleichen Niveau, als er kurze Zeit später erfolglos zurückkehrte. Derek war in der Küche und bastelte am Getränkeautomaten.
„Na, hast du ihn erwischt?“
„Jep. Konnte ihn gerade noch davon zurückhalten, Old Swiney eins mit der Bratpfanne überzuziehen. Er ist jetzt bei sich zu Hause auf seiner kleinen Butze und überlegt, was er verkaufen kann, damit er zumindest die nächste Zeit übersteht.“
„Hier auf Torentos gibt es wohl nicht viele Möglichkeiten?“
„Kaum. Wir versuchen beide ja schon seit einem halben Jahr uns mit diesen Aushilfsjobs über Wasser zu halten. Nach dem College waren wir mit unseren Abschlüssen für die meisten Jobs überqualifiziert. Und Farmarbeiter wollte ich nun auch nicht gerade werden. Bei Bryce war es noch viel Schlimmer.“
Marc sah Derek fragend an und der seufzte.
„Als er siebzehn wurde, hatte er nichts Besseres zu tun, als sich zu outen. Sollte ja in unserer Gesellschaft nicht schwierig sein, besonders bei den ganzen Gesetzen. Hier auf Torentos leben fast zu neunzig Prozent Farmer, allesamt eben Siedler und Kolonisten. Das sagt nichts über ihre Ansichten, aber ihr Hauptaugenmerk ist schon, Familien zu gründen und den Planeten zu bevölkern.“
Marc bedachte Derek mit einem spöttischen Blick.
„Und dann kommt da der nette Bryce daher und sagt: Schaut, ich bin schwul. Nix is mit Kindern und so. Wenn alle so wären wie ich, wäre die Kolonie in fünfzig Jahren ausgestorben.“
Derek musste wider Willen lachen.
„Na ja, so schlimm war es nicht. Aber er hat nicht viele Partner gehabt, seitdem. Zwei, um genau zu sein.“
„Zwei? In den letzten – was? – fünf Jahren? Und du warst einer davon, richtig?“
Derek nickte. Marc überlegte einen Moment. Dann erinnerte er sich an Bryce, als der gerade aufgestanden war. Bryce in der Nacht zwischen ihnen. Bryce mit dem niedlichen Lächeln…
Marc schüttelte den Kopf. Sein Blick ging hinüber zu Derek, der immer noch bastelte, aber irgendwie etwas traurig aussah.
„Sag mal, was hat Bryce denn eigentlich für eine Ausbildung? Ich meine, du hast erzählt, er hätte Computerwissenschaften studiert. Hat er da eine Spezialisierung?“
„Ja, hat er. Hauptfach war Programmerstellung und Programmierung. Nebenfächer waren Datentransfer und Diagnostik.“
Derek klappte den Getränkeautomaten zu und ging hinüber zu Marc.
„Das Ausbildungsprogramm der Torentos-Miliz war ein ROTC. Für beide von uns.“
„Eine Ausbildung zum Reserveoffizier? Du willst mir ernsthaft erzählen, Bryce ist Offizier der Marines?“
Derek machte ein beleidigtes Gesicht.
„Allerdings. Nicht nur er. Ich bin Warrant Officer des Engineer Corps und er ist 2nd Lt der Torentos Volunteer Space Force Marines.“
Marc stand etwas der Mund offen. Er konnte sich Bryce schlecht in einer roten Kampfpanzerung mitten im Gefecht vorstellen, doch wenn er die Ausbildung bestanden hatte, war wohl mehr an ihm dran, als Marc für möglich gehalten hätte.
Doch warum erzählte Derek ihm das jetzt? Hatte er irgendetwas verpasst? Etwas geistesabwesend ging Marc zum Getränkeautomaten und holte sich einen Kaffee.
Immer noch in Gedanken schlappte er durch das Schiff und schlürfte zwischendurch an seinem Kaffee. Mehrere Gedankenfetzen trieben durch seinen Kopf, doch er bekam sie nicht richtig zu fassen.
Als er seine Umgebung wieder richtig wahrnahm, stellte er fest, dass er sich im Cockpit befand. Sein Unterbewusstsein hatte ihn hergeführt und er wusste nicht warum. Ratlos musterte er die drei Konsolen. Drei Konsolen. So wie das Schiff früher auch drei Kammern für drei Besatzungsmitglieder gehabt hatte. Marc schlug mit der Hand auf den Pilotensessel.
Konsole Nummer eins – Pilot.
Dann ging er hinüber nach rechts. Konsole Nummer zwei – Technik.
Dann die Konsole links vom Piloten. Sie war, selbst während er mit seinem Großvater zusammen geflogen war, noch nie aktiviert gewesen.
Konsole Nummer drei – Feuerleitanlage.
Marc wusste, dass die THALASSOS bewaffnet war, sonst hätte er keinen Abschlag auf die Versicherung erhalten. Doch er konnte sich nicht genau erinnern, ob es die Standardbewaffnung war, oder ob sein Großvater auch daran etwas geändert hatte.
Dann endlich fielen alle Puzzlestücke zusammen. Marc wäre fast schmerzhaft zusammengezuckt, als die Gedanken jetzt so klar vor ihm lagen. Er stürmte zurück in die Küche.
„Derek!“
Derek ruckte erstaunt herum als Marc plötzlich wild in die Küche stürmte. Etwas erheitert sah er, dass Marc ein völlig breites Grinsen aufgesetzt hatte.
„Derek, kennst du zufällig jemanden, den wir als Feuerleitoffizier einstellen könnten?“
Bryce saß am Küchentisch Marc gegenüber und lauschte aufmerksam dessen Ausführungen. Zwischendurch wandte er sich an Derek.
„Du kannst einfach nicht die Klappe halten, oder?“
Derek verdrehte nur seine Augen, sagte aber nichts. Am Ende von Marcs kleiner Rede schwieg Bryce eine ganze Zeit lang. Dann sah er von Marc zu Derek und wieder zurück.
„Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich euch richtig verstanden habe. Ihr wollt mich als was, engagieren? Als Feuerleitoffizier? Als ob die Kiste hier so etwas bräuchte.“
Dann traf Derek ein unsicherer Blick.
„Außerdem ist das keine so gute Idee, glaube ich. Sieh mal. Es wird dich möglicherweise überraschen, aber ich liebe dich immer noch. Und dann – na ja. Also Marc ist, ehrlich gesagt, nicht nur dein Traumprinz. Deshalb war ich ja auch im Diner etwas angepisst. Ich habe mir wieder Sachen eingebildet, die so nicht stattfinden.“
Bryce sah auf die Tischplatte und wartete auf eine Antwort.
„Und was hat das eine jetzt mit dem anderen zu tun?“
Bryce sah wieder hoch und funkelte Marc an.
„Eine ganze Menge. Was glaubst du, wie lange ich es ertragen kann, euch beide hier herumturteln zu sehen und ich kann dann wieder auf meine Kammer verschwinden und mir einen… ach, egal. Den Job als Feuerleitoffizier würde ich gerne machen, denn das hat mir in der Ausbildung am meisten Spaß gemacht. Wir hatten einen Ausbilder von den Royal Marines, einen Felidaner, der war richtig gut.“
Bryce bekam glänzende Augen, als er an die Ausbildung zurückdachte. Etwas, was ihm Spaß gemacht hatte und dass er gemacht hatte, weil er es wollte und nicht, weil er musste.
„Das Angebot für den Job steht immer noch. Und was das andere betrifft, vielleicht können wir uns da auch einigen.“
Bryce sah Derek merkwürdig an, doch dann bekam er große Augen, als Derek ihn einfach küsste. Einfach hier, einfach so. Vor den Augen von Marc!
Bryce machte sich von Derek frei und stand auf. Dabei musste er sich aus der Lücke von Sitzbank und Küchentisch frei machen. Marc war inzwischen ebenfalls aufgestanden. Bryce schüttelte den Kopf, als er Derek ansah. Reden konnte er nicht, aber seine Augen wurden feucht. Rasch drehte er sich um, doch dann wurde er aufgehalten.
Ein paar starke Arme umschlangen ihn von hinten und drehten ihn herum. Nun sah er Marc in die braunen Augen.
„Wo willst du hin? Du hast doch noch gar nicht mein Angebot gehört.“
„Hä?“
Marc lächelte und beugte sich etwas herunter. Dann gab auch er dem überraschten Bryce einen Kuss. Als die beiden sich trennten, sah Bryce vollkommen ratlos aus.
„Was… was wird das hier? Wollt ihr mich verarschen?“
Derek hatte sich inzwischen ebenfalls erhoben und war hinter Bryce getreten.
„Nein, Bryce. Das würden wir niemals tun. Es ist tatsächlich das, was wir fühlen. Auch ich habe nie aufgehört, dich zu lieben. Dich aufzugeben, hat mir fast das Herz gebrochen, aber es musste sein. Liebe ist etwas Schönes, doch ich will auch Leben. Leben als Partner, nicht abhängig voneinander.“
Bryce nickte schniefend. Marc sah bedauernd auf ihn herab.
„Und ich habe dich zuerst gesehen. Wäre Derek nicht hereingekommen und hättest du nicht rumgezickt, ich hätte dich gefragt, ehrlich. Ich fand dich schon beim ersten Anblick richtig niedlich, auch wenn du mir etwas zu jung erschienen warst. Als ich Derek dann näher kennen lernte, war ich zunächst hin und hergerissen. Doch Derek wusste eine Lösung für unser Problem.“
Bryce sah zu Marc hoch und löste sich langsam von ihm. Dann drehte er sich um und umarmte Derek.
„Du willst mich also immer noch?“
Derek nickte stumm. Bryce drehte sich wieder um.
„Und du auch?“
Marc nickte.
„Aber, wie soll das gehen? Ich meine, wir drei können doch nicht…“
Bryce verstummte, als Marc ihm einen Finger auch die Lippen legte.
„Das, mein lieber Bryce bleibt deiner Fantasie überlassen.“
Bryce überlegte einen Moment und dann überzog ein sehr breites Grinsen sein Gesicht.
Die nächste Störung kam, als das MFA von Marc einen Piepton von sich gab. Marc sah auf das Display und hob die Augenbrauen.
„Aha. Eine amtliche Vorladung. Es gibt eine gerichtliche Anhörung zur Klärung eines nicht weiter bestimmten Todesfalls an Bord der FMS THALASSOS. Termin morgen früh um 08:00 im Gerichtsgebäude von Toro-City. Ich nehme mal an, ihr beide werdet das gleiche bekommen haben.“
Bryce wurde blass.
„Das klingt nicht gut. Was ist, wenn ich etwas falsch gemacht habe? Vielleicht bin ich ja doch schuld an diesem… diesem Todesfall.“
Marc schüttelte vehement den Kopf.
„Fang gar nicht erst an mit solchen Gedanken. Wir haben das doch schon alles durchgekaut. Dich trifft keine Schuld. Und wir haben die Unterlagen, die das beweisen können.“
Bryce nickte zögernd und Marc umarmte ihn noch einmal. Dann entließ er ihn aus der festen Umarmung und schob ihn etwas von sich.
„Was hältst du denn davon, wenn du mit deinem Job als Feuerleitoffizier beginnst? Ich muss ehrlich bekennen, weder mein Großvater, noch ich haben jemals eine Waffe in Einsatz bringen müssen.“
Bryce sah erstaunt zu Marc.
„Und warum jetzt die Meinungsänderung?“
Marc grummelte etwas Unverständliches, während Derek seufzte.
„Weil er angepisst ist. Sein Kumpel hat ihn wohl über den Tisch gezogen. Komm her, ich erklär dir die Sache mit den Reparaturen.“
Neugierig nahm Bryce wieder Platz, während Marc mit einer kleinen Entschuldigung entschwand. Derek setzte Bryce über die eingebauten Fehler in Kenntnis.
„Und die ließen sich alle gleich beheben?“
„Was heißt gleich? Es hat schon einige Zeit gekostet, die zusätzlichen Steuerchips zu lokalisieren und zu entfernen. Und dann waren da ja noch die eigentlichen Wartungsarbeiten. Das war eigentlich gar nicht so viel. Das Schiff ist, dem Alter entsprechend, in einem sehr guten Zustand.“
„Habt ihr auch den Zentralrechner überprüft?“
Marc war inzwischen wieder erschienen und schüttelte den Kopf.
„Nein. Warum?“
„Weil man auch da Fehler einbauen kann. Sie sind nicht so offensichtlich, aber dafür manchmal wirksamer als direkte Eingriffe.“
Derek und Bryce folgten Marc ins Cockpit. Als Marc die Pilotenkonsole aktivieren wollte, hielt Bryce ihn auf.
„Einen Moment. Derek, kannst du mir bitte noch mal den Diagnose-Computer geben? Wir werden ihn anschließen und dabei schon mal die Startsequenz überprüfen.“
Es dauerte eine Weile, bis alle Geräte angeschlossen waren, doch dann aktivierte Marc die Pilotenkonsole. Bryce pfiff durch Zähne.
„Und da kommt schon der dicke Hund. Hier, direkt in der Startsequenz ist ein Kopierprogramm. Alle Funktionen, die mit der Konsole ausgeführt werden, werden aufgezeichnet und gespeichert. Damit kann jeder, der den Speicher ausliest, nachvollziehen, was an der Konsole wann gemacht wurde. Marc wurde blass.
„Aber hier werden alle Funktionen durchgeführt. Astrogation, Steuerung, Technik, Verwaltung. Verdammt, ich habe an dem Ding sogar meine Steuererklärung gemacht.“
Bryce lachte leise, während der Diagnose-Computer weiter vor sich hin arbeitete. Dann schaltete Bryce daran herum und seine Stirn legte sich in Falten.
„Hast du Veränderungen am Astrogations-Rechner vorgenommen?“
„Was? Nein! Ich bin doch nicht lebensmüde.“
„Aber irgendjemand hat. Und zwar ganz gezielt. Ich habe keine Ahnung, welche Koordinaten das hier sind, aber nach dem Ablauf von zwei Zielpunkten ist der Rechner darauf programmiert worden, einen zufälligen Sprung auszuführen.“
„Lass mich mal sehen.“
Marc rief die Daten über das normale Planungsdisplay ab und starrte entsetzt auf die Anzeige.
„Ich glaub, mir wird schlecht.“
Bryce und Derek standen links und rechts neben ihm und sahen ebenfalls auf die Anzeige.
„Was veranlasst dich zur plötzlichen Übelkeit?“
„Die Daten, die du mir gegeben hast. Der erste Punkt ist Magna Doria. Und der zweite Punkt ist Torentos. Danach folgt der zwangsweise Sprung. Was soll das?“
„Hm, so wie die Schleife aufgebaut ist, würde ich sagen, eine perfekte Falle. Sie funktioniert nur, wenn die beiden ersten Punkte auch in der richtigen Reihenfolge eingehalten werden. Hättest du nach Magna Doria einen Abstecher nach Arcadia gemacht und wärst dann hergekommen, wäre nichts passiert.“
„Hab‘ ich aber nicht. Dieser windige Agent auf Magna Doria hat das ganze ja ziemlich dringend gemacht.“
„Wo warst du denn vor Magna Doria?“
Marc seufzte und senkte seinen Kopf.
„Auf der Kratos-Space-Station. Das ist die Zentralstation einer Bergwerksanlage in einem Asteroidengürtel. Die Asteroiden werden von Spezialschiffen untersucht und wenn es sich lohnt, werden sie abgebaut. Die Verarbeitung der Erze erfolgt auf einer Raumstation, der Mining-Station. Verwaltung, Handel und Verschiffung befinden sich auf einer anderen Station, der Kratos-Space-Station. Dort ist auch eine Werkstatt für kleinere Schiffe. Mein Bekannter Jaden Todd betreibt das Ding und ich habe bisher die ganzen Reparaturen und die Wartung dort durchführen lassen.“
„Aha. Lass mich nur einmal raten. Den Tipp mit der Fracht auf Magna Doria hast du von ihm?“
Marc nickte mit zusammengepressten Lippen. Plötzlich zuckte er herum zu Derek.
„Gibt es hier irgendeine Fracht, die wir zu einer Asteroidenstation bringen könnten?“
Derek machte ein erstauntes Gesicht, schüttelte aber nach einer Weile den Kopf.
„Keine Ahnung. Was brauchen die denn?“
„Lebensmittel!“
Bryce grinste breit.
„Etwas, was sie nicht selber erzeugen können. Zumindest nicht im großen Maßstab. Und wir befinden uns hier auf einem Agrarplaneten.“
„Ja. Aber der Space-Train war doch erst vor kurzem hier. Ich glaube nicht, dass wir noch etwas finden, was sich lohnt.“
„Keine Angst. Vergiss nicht, die Unternehmen und Läden auf Torentos sind auch auf die heimische Produktion angewiesen. Und ich kenne zufällig ein paar Lieferanten. Ich hab‘ nämlich öfter den Einkauf für Old Swiney gemacht, wenn der mal wieder keine Lust hatte, sich um den Laden zu kümmern.“
Die Anhörung vor dem Föderationsgericht ging schneller, als Marc erwartet hatte. Sowohl die Space Ranger als auch der Zoll hatten dem Gericht alle verwertbaren Unterlagen übergeben und die Lage war für die Richterin eindeutig. Sie stellte einen Fall von Notwehr fest, bedingt durch einen zuvor auf die Zeugen abgegeben Schuss.
Erleichtert zogen Bryce und Derek los, um etwas Fracht aufzutreiben. Marc ging hinüber zur Bank. Seit Bryce diese ganzen Veränderungen im System der THALASSOS festgestellt hatte, traute er der ganzen Anlage nicht mehr besonders.
Bei der Bank kontrollierte Bryce seinen Kontostand und blickte verblüfft auf den Bildschirm des Terminals. Es gab eine Überweisung vom heutigen Morgen über einen Betrag von 640.000,-- Credits. Was war das denn? Wo kam das Geld her? Bryce rief die Überweisungsdaten auf und war noch mehr verwirrt. Überwiesen worden war der Betrag von der Staatskasse Torentos im Auftrag des Justizministeriums der Föderation. Bryce scrollte tiefer. Da! Überweisung angewiesen durch Zollbehörde Torentos auf Grund §17 Abs. 5 der Sicherstellungsverordnung des Föderationsgesetzes zur Bekämpfung von Schmuggel, Piraterie und Frachtbetrug. (SichStVO zu FGesBekSPF).
Marc schwindelte ein wenig. 640.000,-- Credits, das waren seine laufenden Kosten für Fünf Monate! Trotzdem, er hatte noch nie von einem solchen Gesetz, geschweige denn der dazugehörigen Verordnung gehört. Er musste unbedingt jemanden fragen, ob das alles wirklich so seine Richtigkeit hatte.
Eine halbe Stunde später saß Marc im Büro von Inspektor Rawandili.
„Mister Henderson. Welch unerwartete Überraschung. Aber lassen sie mich raten. Sie sind wegen der Sicherstellungsprämie hier, richtig?“
„Allerdings. Wie sie sich vorstellen können, war ich doch sehr überrascht. Ich hatte keine Ahnung, dass es so etwas gibt.“
„Ja, das ist auch neu. Das Gesetz zur Bekämpfung von Schmuggel, Piraterie und Frachtbetrug ist natürlich schon älter, aber die Sicherstellungsverordnung wurde aus diesem Gesetz entnommen und neu gefasst. Sie beinhaltet, grob gesagt, die rechtliche Grundlage der Sicherstellung, Beschlagnahme und Übernahme als Prisengut durch die verschiedenen Vollzugsbehörden und Einrichtungen von Föderation und angeschlossenen Planeten.“
Der Inspektor lehnte sich lächelnd zurück, als Marc seine Stirn runzelte und den Kopf schüttelte.
„Ich weiß, Gesetze sind nicht immer spannend zu lesen, aber in § 17 Abs. 5 ist geregelt, dass an Personen, die nicht zu den Vollzugsbehörden gehören, eine Prämie gezahlt werden kann, wenn mit deren aktiver Hilfe besagtes Prisengut wieder dem Vermögen der Föderation zugeführt werden kann.“
„Darf ich fragen, was denn so Wertvolles in diesem Container war?“
Der Inspektor zögerte einen Moment, doch dann nickte er.
„Javenit-Kristalle. Im Wert von 12,8 Millionen Credits. Sie kennen diese Kristalle?“
Marc nickte erstaunt. Javenit? Eine sehr seltene Kristallart, die für elektronische Bauteile höchster Präzision verwendet wurde. Hauptsächlich in Forschungsanlagen und medizinischen Geräten. Die Kristalle waren aber ebenso Bestandteil der Fokuseinrichtung von Feuerleitanlagen. Die Reinheit der Kristalle bestimmte die Präzision der Anlage. Deshalb waren Handel und Benutzung streng reglementiert.
„Ja, natürlich. Aber wie kann so etwas sein?“
Der Inspektor zuckte nur mit den Schultern.
„Der Schmuggel blüht überall dort, wo große Gewinne zu erwarten sind. Als Kapitän eines Frachters brauche ich ihnen nicht zu sagen, dass bei einigen ihrer Kollegen die Versuchung groß ist, sich etwas nebenbei zu verdienen.“
Auch hier nickte Marc zustimmend. Es war eines der ersten Dinge, vor denen sein Großvater ihn gewarnt hatte. Immer schön auf dieser Seite des Gesetzes bleiben. Alles andere führt irgendwann unweigerlich zum Untergang.
Marc verabschiedete sich und war gespannt, ob Derek und Bryce erfolgreich gewesen waren.
Anscheinend waren sie das, denn die THALSSOS wurde gerade mit sieben Außenlastcontainern bestückt, als Marc auf dem Landefeld eintraf. Derek überwachte die Verankerung der Container.
„Hallo, was ist das denn?“
„Außenlastcontainer. Ich dachte, das wüsstest du.“
Marc grinste kopfschüttelnd.
„Okay. Also noch einmal vorne. Hallo, was haben wir denn für eine Fracht ergattern können?“
Jetzt lachte auch Derek.
„Bedank dich bei Bryce. Wir haben 120 Tonnen Fleischprodukte und 160 Tonnen Obst und Gemüse. Die gesamte Ware ist hauptsächlich für die Verarbeitung in Schnellrestaurants vorgefertigt.“
„Was? 120 Tonnen Fleisch? Das kostet doch Unsummen.“
„Nicht wirklich.“
Nun war auch Bryce hinzugekommen und deutete auf die Container.
„120 Tonnen Fleisch zu 7.200,-- pro Tonne macht 864.000,--. 100 Tonnen Gemüse zu 1.100,- pro Tonne macht 110.000,--. Und 60 Tonnen Obst zu 380,-- pro Tonne macht 22.800,--. Der Gesamtwert der Ladung beträgt also 996.800,--. Im Prinzip ein Schnäppchen.“
„Eine Million Credits ein Schnäppchen? Seid ihr verrückt? Soviel Geld habe ich nicht.“
„Wir auch nicht, aber die Produktionsgenossenschaft auf Torentos. Die Ware hat ein Zahlungsziel von vier Wochen. Jetzt ist nur noch dein Talent auch Kratos gefragt, für wieviel wir das Zeug dort verkaufen können.“
Marc sah verblüfft von Derek zu Bryce.
„Ernsthaft? Wie habt ihr das hinbekommen?“
„Frag‘ lieber nicht. Das war so eine Geschichte mit: Ich kenne da den Bekannten eines Bekannten. Aber alles völlig legal. Die Verträge müssen nur noch von dir unterschrieben werden, dann können wir starten.“
Marc nickte.
„Hoffentlich geht alles gut.“
Bis zum Andocken an der Kratos-Space-Station ging tatsächlich alles gut. Noch während die THALASSOS mit dem Andockring verbunden wurde, ging ein Anruf auf Marcs MFA ein. Marc sah nur auf die Anzeige und drückte den Anrufer weg. Bryce hatte die kurze Bewegung bemerkt.
„Wer war das denn? Jaden?“
„Ja. Er muss eine Benachrichtigung direkt von der Andockkontrolle erhalten haben.“
„Dann war es unklug, ihn wegzudrücken. Jetzt weiß er mit Sicherheit, dass etwas nicht stimmt.“
„Oh. Kann sein. Aber wir müssen erst mal die Fracht loswerden. Ich kenne da einen Agenten, mit dem ich immer ganz gute Geschäfte gemacht habe. Lasst uns das zuerst erledigen.“
Die Fracht auf der Kratos-Space-Station loszuwerden war nicht besonders schwer. Ein Space-Train kam etwa alle drei Monate vorbei, lieferte Versorgungsgüter und holte die fertigen Produkte von der Mining-Station. Der letzte Space-Train war vor zwei Monaten eingetroffen und einige Güter, wie zum Beispiel frisches Obst und Gemüse, waren schon rar geworden.
„Ich glaub’s nicht. Die ganze Fracht für mehr als eine Million!“
Bryce nickte und grinste Marc an.
„Für eine Million und neunundsiebzigtausend, um genau zu sein. Das ist ein Gewinn von über 82.000,-- Credits. Ist doch gar nicht schlecht, oder?“
„Gar nicht schlecht? Das ist mehr als gut.“
Marc sah auf sein MFA, das auf seinem Konto nach Abzug der Kosten immer noch knapp 700.000,-- Credits anzeigte.
„So, und jetzt zu Punkt zwei des Plans. Wie wollen wir das mit Jaden machen?“
„Hat er sich noch einmal gemeldet?“
Marc kontrollierte seine Gesprächseingänge.
„Nein.“
„Dann ruf‘ ihn an. Vereinbare einen Termin in der Werkstatt.“
„Ich soll noch einmal mit dem Schiff in die Werkstatt? Wozu denn das?“
„Da kannst du ohne Zeugen mit ihm reden. Oder hat er noch weitere Angestellte?“
„Soviel ich weiß, nein. Obwohl, beim letzten Mal ist da so ein blonder Typ rumgelaufen. Hat aber nicht so ausgesehen, als hätte der viel Ahnung.“
Etwas grummelig beschäftigte sich Marc mit seinem MFA und kam nur wenige Minuten später zu Derek und Bryce zurück.
„Sehr merkwürdig. Jaden war nicht da, nur dieser blonde Idiot. Hat mir gesagt, es wäre für mich bereits ein Platz reserviert und ich könnte in die Werkstatt kommen, sobald meine Geschäfte abgeschlossen sind. Was soll das denn?“
Bryce grinste verächtlich.
„Ich denke, da hat jemand eine schicke kleine Falle vorbereitet. Wir sollten auf alles gefasst sein.“
Marc nickte nachdenklich.
„Dann lasst uns mal überlegen, was wir so auf Lager haben.“
Als die THALASSOS durch die Schleuse in einen der beiden Hangars der Reparaturwerft einschwebte, schlossen sich die Tore sofort hinter ihr und der Hangar wurde mit atembarer Luft geflutet.
„Normaldruck erreicht. Luft ist atembar. Keine weiteren Gase erfasst.“
„Danke, Derek. Bryce?“
„Zwei schwere Laser an der Decke. Sieht aus, als ob die schon sehr alt sind. Ansonsten… Moment, da hinter den Containern. Energieemissionen von Handwaffen. Da stecken mindestens drei Mann.“
„Okay. Dann wird‘ ich mal rausgehen und so tun, als ob nichts wäre.“
Marc hatte sich mit einer Laserpistole im Schnellziehholster versehen und Derek hatte darauf bestanden, dass er unter seiner Jacke eine leichte Panzerweste trug.
So gerüstet öffnete Marc das äußere Schleusenschott und sah die kurze Gangway hinunter. Unten stand Jaden Todd und sah hinauf. Marc musste zugeben, dass Jaden für seine dreißig Jahre immer noch verdammt gut aussah, aber deswegen war er nicht hergekommen.
„Marc, du alter Pirat. Was führt dich denn schon wieder hierher?“
„Bestimmt nicht deine Programmänderung in meinem Astrogationsrechner.“
Jadens Gesicht wurde schlagartig ernst.
„Oh. Ich sehe schon, wir müssen geschäftlich miteinander reden.“
Jaden trat zwei Schritte zurück und ein Laserstrahl aus Richtung eines Containers traf Marc direkt in die Brust. Er reagierte wie abgesprochen und ließ sich fallen. Dann brach die Hölle los.
Das kleine Lasergeschütz über dem Schott war extra für solche Fälle gedacht. Mit schnellen, gezielten Schüssen wurden zwei Angreifer bedacht, die sich aus der Deckung der Container genähert hatten. Dann erwachten die Lasergeschütze an der Decke des Hangars zum Leben.
Doch auf der THALASSOS war Bryce für diesen Fall vorbereitet. Der schwere Zwillingslaser auf der Oberseite des Schiffes machte mit den beiden alten Geschützen an der Decke kurzen Prozess. Währenddessen versuchte Derek weiterhin die Angreifer am Boden zurückzuhalten.
Marc sah sich aus seiner liegenden Position um. Wo war Jaden? Marc hatte ein paar dringende Fragen an ihn. Da hinten! Jaden schlich gerade geduckt zwischen ein paar kleinen Containern in Richtung des Hangartors. Marc wusste, dass dort, kurz vor dem riesigen Tor, ein kleiner Übergang zu dem zweiten Hangar der Werft war. Jaden wollte sich verpissen!
Frustriert sprang Marc auf, wurde aber sofort von einem schlecht gezielten Laserstrahl wieder in Deckung getrieben. Das war für Derek eine Gelegenheit, den Schützen zu erledigen, der sich zu weit vorgewagt hatte. Dereks Stimme ertönte in Marcs MFA.
„Nur noch einer. Versuch ihn herauszulocken.“
Marc überlegte einen Moment, dann sprintete er die Rampe hinunter und wandte sich dem Schott zu, durch das Jaden verschwunden war. Hinter ihm bemerkte er ein paar Schüsse, die aber sehr schnell verstummten. Atemlos erreichte Marc das kleine Schott, das in den zweiten Hangar führte. Die Bedienungsanzeige war rot und Marc fluchte. Der Armleuchter hatte alles verriegelt. Dann war das entfernte Geräusch eines Triebwerks zu vernehmen. Verärgert schlug Marc mit der Faust gegen das Schott. Am großen Hangartor leuchteten nun die roten Warnlampen. Die Schleuse war in Betrieb und Marc wusste, dass sie zu spät gekommen waren. Enttäuscht wandte er sich um und ging zurück zur THALASSOS.
Vor der Rampe warteten Derek und Bryce auf ihn. Bryce hatte inzwischen die Angreifer durchsucht und hielt ein Z20 Lasergewehr in Händen.
„Was ist das denn? Woher hast du einen Laser der Flotte?“
Bryce nickte wortlos in die Richtung, aus der die Schüsse gekommen waren.
„Sie waren alle drei mit Waffen der Föderationsflotte ausgerüstet. Und so wie es aussieht, sind die Dinger nagelneu.“
Marc schüttelte ratlos den Kopf und deutete dann auf eine Tür am Kopfende des Hangars.
„Dort ist das Büro. Dahinter die Wohnräume. Wir sollten uns ein wenig umsehen.“
Bryce zuckte wortlos mit den Schultern und betrat sichernd das Büro. Es bestand hauptsächlich aus einem riesigen Schreibtisch mit zwei Computerarbeitsplätzen und einer kleinen Sitzecke.
„Wozu braucht er denn zwei Arbeitsplätze?“
„Keine Ahnung. Versuch mal, ob du irgendetwas finden kannst. Einen Hinweis, wohin er abgehauen ist.“
Bryce setzte sich vor den linken der beiden Arbeitsplätze der den normalen Betriebsbildschirm zeigte.
„Aha. Der normale Zugang ist noch offen. Das ist kein Problem. Die Steuerung der Wohnung und anderer Einrichtungen ist mit einem Passwort gesichert. Hat jemand eine Idee, was für ein Passwort das ist?“
Marc und Derek schüttelten den Kopf. Marc seufzte.
„Das kann alles Mögliche sein. Woher sollen wir das denn wissen?“
Derek nickte zustimmend. Bryce brummte ungeduldig.
„Es ist wahrscheinlich etwas, an dass er sich gut erinnern kann. Mit der ganzen Arbeit jeden Tag hat er sich wahrscheinlich etwas Einfaches einfallen lassen. Irgendetwas für ihn naheliegendes, möglicherweise aus seiner Vergangenheit.“
Marc kratzte sich nachdenklich am Kopf.
„Vielleicht aus seiner Militärzeit? Probier mal ‚Greasemonkey‘.“
Auf Dereks fragenden Blick zuckte Marc mit den Schultern.
„So haben wir unsere Bordmechaniker genannt.“
„Nein, das ist es nicht.“
Derek stand nun nachdenklich vor der Rückwand des Büros und betrachtete die ganzen 3-D-Bilder. Sie zeigten hauptsächlich Gruppen von Leuten in Uniform. Auf dem kleinen Tisch in der Sitzecke befand sich ein Holo-Display eines Trägerschiffes der Raumflotte.
„Versuchs mal mit ARMAGEDDON.“
Marc drehte sich erstaunt zu Derek um, der wortlos auf das Schiffsmodell deutete.
„Die ARMAGEDDON war unser Träger. Ich war damals Jägerpilot und Jaden war bei der Wartungscrew.“
„Das ist auch nicht das richtige Passwort. Hatte eure Staffel eine Nummer?“
„214. Aufklärungsstaffel. Aber das wäre wohl zu einfach.“
Bryce nickte und dachte einen Moment nach. Dann gab er ein: ARMAGEDDON214.
„Bingo. Wir sind drin. Hoppla, was ist das denn?“
Alle drei sahen nun auf den Bildschirm, wo verschiedene Symbole angezeigt wurden.
„Hier. Das ist die Environment-Steuerung der Wohnung. Das hier sind private Abrechnungen. Mal sehen. Hier, das sind die aktuellen Wartungspläne. Da ist im Moment nur ein kleiner YORDIS-Frachter gelistet. Wahrscheinlich das Ding, mit dem er abgehauen ist. Oh, noch ein Passwort. Wofür soll das denn sein?“
Marc erkannte das Symbol sofort.
„Das ist die Software eines Astrogationsrechners. Für die Modelle der ASTRO-G-Reihe. Damit hat er wahrscheinlich auch mein Programm modifiziert.“
„Da brauchen wir noch ein anderes Passwort.“
Marc dreht sich nachdenklich um und musterte die Wand mit den Bildern. Überrascht erkannte er eines der Bilder wieder. Es zeigte zwei junge Männer, den einen in Arbeitskombi, den anderen in Pilotenkombi, vor einem Raumjäger.
Derek war neben Marc getreten und betrachtete ebenfalls das Bild.
„Bist du das?“
„Jep. Das sind Jaden und ich. Zu der Zeit war er mein Mechaniker für die 05.“
Marc drehte sich zu Bryce, der immer noch vor dem Rechner saß.
„Gib mal ein FEARLESS05“
„FEARLESS05?“
„Fearless war der inoffizielle Name meines Jägers. Offiziell hieß das Ding 214-05.“
„Tatsächlich, es funktioniert.“
Mit einem leisen Brummen erwachte nun auch der zweite Rechner zum Leben. Marc warf einen kurzen Blick auf die Anzeige und setzte sich davor.
„Tatsächlich. Ein komplettes Astrogationsprogramm. Mal sehen, was in letzter Zeit hier alles erstellt worden ist.“
Marc scrollte durch die Anzeigen und murmelte manchmal etwas Unverständliches.
„Mal abgesehen von einigen Updates, mit denen er verschiedene Schiffe versorgt hat, nichts Auffälliges. Die Veränderung bei mir ist auch als Update gekennzeichnet.“
„Was war denn der letzte Eintrag?“
„Hm, hier. Ein Routenplan für die JUMP. Das ist – oh, das ist ein YORDIS-Frachter. Das müsste das Schiff sein, mit dem er abgehauen ist.“
„Wo wollte er denn hin?“
„Nicht weit. Einmal von hier raus und dann…“
„Was und dann?“
„Dann nichts mehr. Am Zielpunkt ist nichts. Kein System, keine Sonne, nichts.“
„Das macht aber gar keinen Sinn.“
Derek hatte der ganzen Unterhaltung wortlos gelauscht und sah nun nachdenklich in den Hangar, wo eine ganze Anzahl Außenlastcontainer anscheinend wahllos durcheinander standen.
„Doch. Wenn er sich nämlich mit jemandem treffen will. Ein abgelegener Rendezvous-Punkt mitten im Nichts. Ohne Hinweise findet den kein Mensch. Wenn dein Gegenüber ein großes Schiff hat, kann man sogar Container tauschen.“
Verblüfft sahen Marc und Bryce nun zu Derek.
„Die großen Frachter haben alle ein Container-Shuttle. Damit kann man Außenlastcontainer im freien Raum manövrieren. Ist nur sehr zeitaufwändig.“
Marc nickte unbewusst. Er kannte diese kleinen Shuttle, hatte sich aber nie näher damit beschäftigt, weil sie für sein Schiff nicht in Frage kamen.
„Okay. Dann bleibt uns wohl nur noch ein Weg übrig. Ich lade die Routendaten für die JUMP herunter und wir nehmen den gleichen Weg.“
„Glaubst du, er ist noch da, wenn wir dort ankommen?“
Marc grinste breit.
„Ich bin mir sicher. Die YORDIS-Frachter können keine langen Etappen fliegen. Er muss mindestens einen Orientierungsaustritt machen und die Flugdaten abgleichen. Wir brauchen das nicht.“
Derek ging zur Tür.
„Dann los.“
Bryce wollte sich ebenfalls erheben, bis ihm auf der Anzeige des Rechners noch etwas ins Auge fiel.
„Moment noch.“
Hektisch gab er etwas ein und lächelte dann.
„Die Außenlastcontainer die dort draußen stehen sind deklariert als ‚Ersatzteile und Werkzeug‘. Ein Container war geöffnet und die drei verhinderten Attentäter hatten nagelneue Z20. Was sagt uns das?“
„Waffenschmuggel?“
Marc sah hektisch von Bryce zu Derek.
„Ihr wollt das Zeug doch nicht mitnehmen, oder?“
Bryce schüttelte seinen Kopf und hob dozierend einen Zeigefinger.
„Nein. Mitnehmen ist das falsche Wort. Wir wollen sie nur sicherstellen. Nicht, dass nachher jemand in den Hangar kommt und nach seinen Containern sucht. Die er vielleicht sogar schon bezahlt hat. Vorzugsweise mit Javenit-Kristallen.“
Marc und Derek sahen verblüfft zu Bryce, dann stürmte Derek hinaus in den Hangar. Während Marc die Astrogationsdaten herunterlud, ertönte aus dem Hangar das knirschende Geräusch einer Beladeanlage für Außenlastcontainer.
Marc hatte alle Vorbereitungen zum Abflug abgeschlossen, während der letzte der fünf Container verankert wurde.
„Außenlastcontainer geladen und verankert. Alle Schotten geschlossen. Energieerzeuger stabil. Klar zum Abflug.“
„Nahbereichslaser deaktiviert. Zwillingsturm einsatzbereit. Vordere Laser Eins und Zwei einsatzbereit. Schildsteuerung in Standby.“
Marc nickte erst zu Derek, dann zu Bryce.
„Dann wollen wir mal.“
Sie passierten ohne Probleme die Schleuse und bekamen auch die Startfreigabe von Kratos-Control. Kurz darauf waren sie auf dem Weg zu ihrem neuen Ziel.
„Austritt in fünf Sekunden, vier, drei zwei eins, Austritt.“
Die Sensoren der THALASSOS gaben ein nervtötendes Piepen von sich, als das Violett des Hyperraumes verschwand. Marc fluchte und schaltete den Alarm ab.
„Tactical Display!“
Auf der großen Anzeige erschien eine ganze Horde von Kontakten, alle zunächst in neutralem Blau, wobei einige nun auf gelb wechselten.
Bryce versuchte ein wenig Ordnung in das Chaos zu bringen.
„Dreiundzwanzig Kontakte. Davon achtzehn ohne Energiesignatur. Aktiv sind eine Korvette, zwei RANGER und zwei Patrouillenboote. Dann noch - hm, sieht aus wie ein Bergungsschiff der MECHANIC-Klasse. Die gibt es doch schon längst nicht mehr.“
„Die sind schon während der Dranthanischen Kriege ausgemustert worden.“
„Da! Ein Frachter der YORDIS-Klasse mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs. Wo will er denn hin?“
„Das muss er sein. Gib mir die Vektoren.“
Bryce übermittelte die Daten und Marc verfolgte den kleinen Frachter.
„Er will zu dem Bergungsschiff. Hier ist ein weiterer Kontakt. Ein Leichter Kreuzer. Hu? Der Kennung nach ein Wachschiff der Miliz von Arcadia.“
„Was wollen die denn hier?“
„Keine Ahnung, aber es sieht so aus, als ob der gute Jaden auf dem Bergungsschiff landen will.“
„Wir müssen ihn vorher kriegen. Wenn er erst mal gelandet ist…“
„Energieausbruch! Wir werden beschossen. Kein Treffer. Schilde voll funktionsfähig.“
„Verdammt. Es reicht, wenn die uns mit den Dingern nur ein oder zweimal treffen. Wir müssen uns was anderes einfallen lassen.“
Marc sah nachdenklich auf das Tactical Display.
„Gib mir mal die Daten von dem Leichten Kreuzer. Ich möchte mit dem Kommandanten reden.“
Bryce nickte und stellte die Verbindung her.
„AGS MOHAWK, ich habe ihre Kennung aufgefasst. Ich bin Captain Henderson von der THALASSOS. Ich möchte sie nur darüber informieren, dass sie womöglich gleich ein Problem mit einigen Piraten bekommen werden.“
„Captain Henderson, hier ist Lieutenant Granger von der MOHAWK. Was veranlasst sie zu dieser…“
Marc konnte deutlich eine Stimme von der MOHAWK hören, die die neuesten Informationen weitergab.
„Energieausbruch! Das Bergungsschiff entlässt Raumjäger. Zwölf Jäger erfasst. Vier nähern sich der THALASSOS, die anderen kommen auf uns zu.“
Marc schloss den Kom-Kanal und sah kurz zu Bryce.
„Dann zeig mal, was du so alles kannst.“
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