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Lean on me

Teil 2

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Inhaltsverzeichnis

 

Ich freute mich schon auf den Nachmittag mit Lukas. »Ich seh‘ dich dann draußen.«, sagte Lukas und ging schon mal mit Hannes vor, da ich immer noch mit Einpacken beschäftigt war. »Ok, komme gleich nach.«, sagte ich und versuchte, mich ein wenig zu beeilen.

Langsam leerte sich die Klasse, während ich immer noch mit meinen Sachen beschäftigt war. Irgendwie war ich heute besonders langsam. Mittlerweile waren nur noch ich, Matthias und seine Kumpanen im Klassenraum. Nun war ich endlich fertig, zog meine Jacke an und wollte gerade das Zimmer verlassen, als ich über etwas stolperte und mich der Länge nach hinlegte. Als ich mich wieder aufgerappelt hatte, sah ich, dass ich über die Tasche von Matthias gestolpert war.

»Du Volltrottel.«, brüllte er mich auch gleich an. »Tschuldigung,«, antwortete ich verlegen, »tut mir leid, aber ich bin gestolpert.« »Meine Sachen sind dem Herrn wohl nicht gut genug.«, schrie er rum. »So..sorry.«, stotterte ich, aber Henning, einer der Kumpanen von Matthias, hatte mich schon geschnappt und schubste mich Richtung Matthias.

Dieser machte auch gleich weiter, indem er mich zu Dieter, dem Dritten im Bunde, weiterschubste. »Dann werden wir dir mal zeigen, wie man hier mit fremden Sachen umgeht.«, sagte Matthias und grinste hämisch, als mich Dieter wieder in seine Richtung zurückstieß.

Matthias hielt mich aber nicht auf, sondern ging mit einer zugegebenermaßen eleganten Bewegung zur Seite und ich verlor das Gleichgewicht und schlug mit dem Kopf an einer Tischkante an. Ich war wie benommen und stellte gerade noch fest, dass ich aus einer Kopfwunde blutete, als ich sah, dass Dieter mit seinen schweren Stiefeln zu einem Tritt ausholte....

Kapitel 7: "King Coup"

Ich schloss die Augen und erwartete den Tritt. Plötzlich hörte ich eine Stimme.

»Wenn du zutrittst, wird das Letzte, was du im Leben hörst, das Brechen deiner Knochen sein.« Die Stimme gehörte Hannes, der auf einmal in der Tür stand. Aber er hatte diesen Satz nicht normal gesprochen; vielmehr flüsterte er ihn in einer äußerst bedrohlich klingenden Art. Man spürte all die Aggressivität, die er dieser Stimme mitgab.

Während er dies sagte, fixierte er Dieter mit zusammengekniffenen, eiskalten Augen an. Ich sah die ganze Szenerie wie durch einen Nebel. Als würde ich nicht gekrümmt und blutend am Boden liegen, sondern drei Meter über der Szenerie schweben. Aus dieser Perspektive sah Hannes aus wie der Leibhaftige selbst. Ich hatte ihn in der kurzen Zeit, in der ich ihn nun kannte, noch nie so gesehen und ich verspürte einen eiskalten Hauch, der von ihm ausging.

Dies schien auch Dieter zu spüren, denn auf einmal wurde er unsicher, hielt inne und schaute zu Matthias rüber, der ebenfalls über den ungebetenen Gast äußerst erstaunt war. Er taxierte Hannes genau, als versuchte er, in dessen Gedanken einzutauchen. Mittlerweile konnte ich auch Lukas erkennen, der neben Hannes in der Tür stand und beide Fäuste erhoben hatte.

Nach Sekunden, die sich wie Stunden hinzogen, ruckte Matthias kurz mit dem Kopf, was für seine Vasallen so viel wie Abmarsch hieß. Zu mir flüsterte er schnell noch: »dich krieg‘ ich schon noch, du Scheißer!«, und zusammen mit Dieter und Henning verließ er den Raum. Als sich Matthias und Hannes in der Tür trafen, wechselten sie nochmals böse Blicke.

Lukas und Hannes stürzten in das Zimmer zu mir. Ich lag noch immer am Boden. Unfähig, von selbst aufzustehen. »Verdammt, was'n hier passiert?«, fragte Hannes und seine Stimme klang wieder normal und auch seine Augen hatten wieder dieses Blitzen. Während er dies sagte, halfen er und Lukas mir beim Aufstehen.

»Shit, da habe ich wohl jemanden in die Suppe gespuckt.«, sagte ich, während ich mich aufrappelte. Ich fasste mit einer Hand zu meiner Schläfe und betastete die Kopfwunde. Mittlerweile blutete sie weniger, aber meine Hand war ziemlich mit Blut verschmiert.

»Hier, wasch dir erst mal das Blut aus dem Gesicht.«, sagte Lukas und führte mich zum Waschbecken. Während ich mich ein wenig wusch, schaute ich in den Spiegel. Was ich sah, gefiel mir überhaupt nicht. »Wer ist dieser Kerl?«, ging es mir durch den Kopf. Das kalte Wasser half mir aber, meine Gedanken zu ordnen. Mittlerweile hatte die Wunde auch aufgehört zu bluten.

»Verdammt, was ist da eben passiert.«, dachte ich. »Was habe ich denen denn getan?« Ich fand aber keine Antwort.

»Oh Scheiße, die haben dich ja ganz schön zugerichtet.«, sagte Lukas und deutete auf mein Shirt. Es war voller Blut. Meinem Blut! Mir wurde schlecht.

»Verdammt, das ist mein bestes Shirt.«, antwortete ich niedergeschlagen und schlug mit der Hand aufs Waschbecken. »Das kann ich glatt wegschmeißen. Ganz Toll. Dieser Arsch!«

»Mal nicht so schnell. Ich hab‘ ne Idee.«, sagte Lukas, nachdem er mich eine Weile betrachtet hatte. »Meine Mom kann sich ja mal deine Wunde ansehen. Sie hat ne Menge Erfahrung in diesen Dingen, bei vier lebhaften Kindern. Und dein Shirt können wir auch bei mir waschen. Vielleicht bekommt Mom die Blutflecken wieder raus. Wir wollten eh zu mir, was macht es da für einen Unterschied?«

Ich dachte kurz nach und war schließlich einverstanden. Nach Hause wollte ich eh noch nicht. Zwar war mein Vater noch nicht da und hätte unangenehme Fragen stellen können, ich wollte jetzt aber nicht alleine sein.

»Ok, gehen wir zu dir.«, sagte ich, während Hannes mir meine Jacke reichte, die ich überzog. Dabei spürte ich meine Knochen ganz schön schmerzen. Wir machten uns auf den Weg und verließen das Klassenzimmer. Als wir auf dem Flur waren, fiel mir dann noch was ein, was ich die ganze Zeit schon fragen wollte. »Und danke, ihr zwei. Aber wieso wart ihr plötzlich da?«

Hannes grinste. »Ich hatte so ein komisches Gefühl, weil es solange bei dir gedauert hat. Also sind Luke und ich zurückgegangen.« »Ihr habt mich gerettet, wer weiß, was diese Idioten noch mit mir angestellt hätten...«

Hannes kratzte sich über das Kinn, überlegte eine Weile und sagte dann: »Ja, hätte echt übel ausgehen können. Ich hab‘ ja immer gewusst, dass diese Deppen Ärsche sind, aber zu dritt gegen einen? Hast echt Glück gehabt. Wie geht's jetzt eigentlich weiter? Willste die anzeigen? Der Direx schmeißt die garantiert von der Schule!«

Ich überlegte. »Hmm, klingt gut, hat nur leider einen Haken. Ich kann nichts beweisen. Die werden einfach sagen, ich bin gestolpert. War ja auch so. Und so ohne weiteres kann auch der Direx keinen von der Schule werfen. Ich glaube, es ist besser, wenn ich nichts sage.«.

»Deine Entscheidung.«, kommentierte Lukas, aber ich merkte, dass er damit nicht einverstanden war. So billig wollte er Matthias und Co nicht davonkommen lassen.

»Aber wir werden jetzt besser auf dich aufpassen. Versprochen!«, und knuffte mir in die Seite, während wir den Gang entlangliefen. Ich heulte kurz vor Schmerz auf. Anscheinend hatte ich mir bei meinem Sturz noch was geprellt. »Ahhh…« »Oh sorry, wollte ich nicht.«, entschuldigte sich Lukas gleich. Endlich verließen wir das Schulgebäude.

Kapitel 8: "Zuhause im Fuchsbau"

Hannes ließ es sich nicht nehmen, mit zu Lukas zu kommen. »Is‘ besser, wenn ich mitkomme.«, sagte er. »Falls die Idioten euch auflauern.« Erst als wir bei Lukas angekommen waren, verabschiedete sich Hannes, da er heute noch was familymäßig vor hatte.

Während Lukas die Haustür aufschloss, betrachtete ich mir ein wenig das Haus von außen. Auch wenn ich von Häusern nicht viel Ahnung habe, konnte sogar ich drei Dinge auf Anhieb erkennen: 1. sehr groß; 2. sehr alt; 3. sehr teuer!

Ich staunte.

»Hallo Mom, bin wieder da!«, rief Lukas in den Hausflur, wobei er sich die Jacke auszog. Anschließend half er dann auch noch mir, meine Jacke auszuziehen, da mir jede Bewegung weh tat.

»Hat aber heute lang gedauert. Oder konntest du dich nicht von der Schule losreißen?«, ertönte es aus einem Raum, der links neben uns lag. Jetzt kam auch die zu der Stimme gehörende Person auf den Flur. »Oh, du hast Besuch mitgebracht. Schön. Hallo, ich bin Wintrud Möller, Lukas Mutter.«, sagte sie, während sie sich schwungvoll ein Abtrockentuch über die Schulter warf und mir die Hand ausstreckte, die ich dankbar schüttelte. »Ich heiße Florian Berger.«

Ich musste Lächeln. Wintrud Möller hielt das, was der Name versprach. Sie war nicht allzu groß. Ich schätzte sie auf Anfang/Mitte vierzig. Sie hatte kleine, aber quicklebendige Augen. An diesen Augen sah ich ihr an, dass sie nicht nur auf die Rolle der Hausfrau fixiert war, sondern mit Sicherheit auch einiges auf dem Kasten hatte. Ich konnte mir gut vorstellen, dass sie der Typ ist, der oft unterschätzt wird. Ein reines #187;Hausmütterchen« war sie mit Sicherheit nicht.

Eine alte, dreckige Kochschürze hatte sie locker um ihre Hüfte gebunden, an der auch mehrere Kochlöffel befestigt waren. Auf der Schürze stand der Spruch:

»Und aus dem Chaos sprach eine Stimme zu mir: Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen. Und ich lächelte und war froh und es kam schlimmer.«

Sie machte von Anfang an einen sehr sympathischen Eindruck auf mich. Nein, das stimmt nicht, ich mochte sie auf Anhieb.

»Hmm...«, sagte sie, nachdem sie mich beim Händeschütteln genauer betrachtet hatte. »Was ist denn mit dir passiert?« Ich überlegte kurz. Sollte ich ihr die Wahrheit sagen? Dann wäre wahrscheinlich stundenlang über meine Probleme mit Matthias und Co gesprochen worden. Ich entschloss mich daher für einen Kompromiss. »Ich hatte eine kleine Auseinandersetzung mit meinem Schultisch, nachdem ich gestolpert bin.«

»Ahh ja.«, sagte sie und lächelte verschmitzt. Ich sah ihr an, dass sie mir das nicht abnahm. Ich war aber dankbar, dass sie das Thema vorerst nicht vertiefte.

»Hmm, was machen wir denn nun mit dir? Hast du dir außer der Kopfwunde noch was getan? Wenigstens blutet sie nicht weiter.« »Naja, anscheinend hab ich mir noch was geprellt; mir tut hier alles weh.«, sagte ich, und zeigte auf meine schmerzende Stelle.

Lukas Mom sah sich die Sache kurz an und begann dann generalstabsmäßig meine medizinische und kleidungstechnische Versorgung zu planen.

»Das kriegen wir schon wieder hin.«, meinte sie. »Schließlich kommt sowas bei meinen vier Kindern jede Woche mal vor. Also, zuerst wechseln wir mal dein Shirt aus. Ich werde es gleich mit meinem Hausmittelchen einweichen und anschließend waschen. Solange kannst du dir ja was von Lukas leihen. Dann kümmern wir uns um deine Platzwunde und anschließend um den Rest.«

»Hab ich was vergessen? Ach ja, wenn wir damit fertig sind, wird gegessen. Du isst doch sicher mit, oder?«, wobei dieses Oder keineswegs als Frage von ihr gemeint war, sondern eher in die Art eines Befehls ging, der keine Widerrede duldete.

Ich lächelte Sie schüchtern an. »Ich will ihnen nicht so viel Umstände machen, Frau Möller.«, sagte ich ein wenig verlegen. »Papperlapapp,«, war ihre Antwort, »und nenn mich bitte nicht Frau Möller, dass macht mich so alt.«, kicherte sie. »Ich bin die Wintrud.«

»Und ich der Flo.«, sagte ich und wir beide schüttelten nochmals unsere Hände und lachten kurz. Wir verstanden uns auf Anhieb.

»Also gut, dann geh schon mal mit Lukas nach oben. Ich komme gleich nach.« »Jawohl, Mam.«, sagte Lukas, der während der ganzen Unterredung nur zugehört hatte. »Folge mir unauffällig, Flo.« Wir gingen dann eine Treppe nach oben, über einen Flur entlang, bis wir endlich Lukas Zimmer erreicht hatten. Er öffnete die Tür und ließ mich in sein Reich eintreten.

Ich staunte nicht schlecht, als ich das Zimmer betrat. »Wow!«, entfuhr es mir. Das Zimmer war ungefähr so groß wie unser Wohnzimmer und mein eigenes Zimmer zusammen. Ich schätzte es grob auf etwa 60 m². Ausgestattet war es mit allem nur denkbaren technischen Schnickschnack. Ein Großbildfernseher, Stereoanlage vom Feinsten, PC mit 21» Monitor auf einem riesigen Schreibtisch aus Glas, Telefon etc... Dazu gesellten sich ein großes Bett und eine Couch, die man auch ausziehen konnte. Dazu noch ein passender Tisch. Insgesamt war das Zimmer toll und geschmackvoll eingerichtet.

Ich war beeindruckt und auch ein wenig neidisch. All diese schönen Dinge, die ich selbst nicht besitze und auch in näherer Zukunft nicht besitzen werde. *Willauchhaben*

Das Zimmer hatte auch ein eigenes Bad als Nebenraum.

»Cool, ein eigenes Bad, nur für dich!« »Ja, ganz angenehm.«, sagte Lukas und ich merkte, wie er vor Stolz fast platzte. »Du hast es echt gut.« »Danke, weiß ich.«

Wir legten unsere Schulsachen erst mal auf dem Schreibtisch ab. »Sodele, dann wollen wir mal sehen, was dir passen könnte.«, sagte Lukas und öffnete seinen Kleiderschrank. »Zieh schon mal dein Shirt aus.« »Yo.«, entgegnete ich und tat, wie mir befohlen.

Ich dankte dem Himmel, dass ich mir heute Morgen frische Unterwäsche angezogen hatte. Mit einem dreckigen Unterhemd wäre es mir echt peinlich gewesen. »Das hier steht dir sicher gut.«, sagte Lukas, nachdem er scheinbar mit seiner Suche in den Untiefen seines Kleiderschrankes Erfolg hatte und ein Shirt rausholte.

Er drehte sich jetzt zu mir um und klappte plötzlich den Mund auf. »Holla, siehst du gut aus. Treibst wohl ziemlich viel Sport, was?« Ich wurde innerhalb einer Zehntelsekunde Rot im Gesicht wie eine Tomate. Genau in diesem Moment kam Wintrud ins Zimmer. Natürlich hatte sie nicht angeklopft, wie es scheinbar alle Mütter so machen. Unter dem Arm schien sie den Inhalt eines ganzen Rettungswagens zu haben.

»So, Florian, dann wollen wir mal.« Sprach‘s und ging ans Werk. Offenbar war es für sie nichts ungewöhnliches, fremde Jungen im Unterhemd im Zimmer ihres Sohnes zu sehen. »Setz dich mal auf die Couch.« Nachdem ich mich setzte, säuberte sie mit einem Waschlappen noch mal die Wunde und klebte anschließend ein Pflaster drauf.

Anschließend begutachtete sie ihr Werk. Sie war anscheinend mit ihrer Arbeit zufrieden, nickte kurz und fuhr dann fort. »So, dass hätten wir. Jetzt kümmern wir uns mal um deine Prellung. Zeig mal, wo's wehtut.« Ich deutete auf die Stelle. »Jetzt sei kein Frosch und heb dein Unterhemd mal ein bisschen an. Glaubst du, ich habe noch nie einen Jungen mit nacktem Oberkörper gesehen?« Sie lachte herzhaft.

Es war mir zwar ein wenig peinlich, aber was sollte ich machen? Also tat ich, wie mir befohlen, und zog mein Unterhemd ein wenig hoch. Schon konnte man den blauen Fleck deutlich an der Seite erkennen. »Hmm, ganz schönes Exemplar. Normalerweise schafft das in unserer Familie nur Michael, unser zweitältester.«

»Ich habe hier eine Salbe, die wirklich gut ist und gegen die Prellung hilft. Aber du wirst an die Stelle selbst nicht rankommen. Und ich glaube nicht, dass du unbedingt von mir eingecremt werden willst, oder etwa doch?«

Hatte ich schon erwähnt, dass ich rot wie eine Tomate im absoluten Reifehöhepunkt war? Und diesen Zustand übertraf ich durch Wintrud‘s Bemerkung mit Sicherheit noch um ein paar Farbnuancen. Ich merkte förmlich, wie mir das Blut ins Gesicht Schoss. »Ääh...«

»Schon gut, war nur ein Scherz. Lukas, kannst du Florian bitte helfen?« »Klar, Mom.«

»Gut, dann gehe ich jetzt nach unten und wasche mal dein Shirt.« Sie stand auf, nahm mein Shirt und verließ Lukas Zimmer so schnell, wie sie gekommen war.

»Zieh dein Hemd mal ganz aus und leg dich auf die Couch.«, sagte Lukas anschließend. Mir war zwar ein bisschen unwohl dabei, aber jetzt konnte ich wohl schlecht zurück. Also zog ich mein Hemd aus, legte mich mit dem Bauch auf die Couch und harrte der Dinge, die da kommen mochten.

Und sie kamen schnell. Lukas nahm die Salbe, verteilte ein paar Spritzer auf meine schmerzende Stelle und begann dann, die Salbe ein wenig einzureiben. Ich genoss jede Sekunde dieser Behandlung *g*. Zuerst strich er mit seinen Fingern über meinen Rücken und ich bemerkte, wie ich eine Gänsehaut bekam. Anschließend rieb er mit kleinen, kreisenden Bewegungen die Salbe ein.

Ich merkte, wie mir das Blut aus meinem Kopf in ein anderes, aber dafür nicht weniger empfindliches Körperteil schoss. *Uuups*

»Denk an was anderes, denk an was anderes.«, schoss es mir durch den Kopf. Es wäre der Höhepunkt der heutigen Peinlichkeiten gewesen, wenn Lukas mich jetzt so gesehen hätte.

Gottseidank lag ich auf dem Bauch. Lukas massierte weiter und ich kann euch sagen, er massierte gut! Aber auch die schönste Behandlung ist irgendwann einmal fertig. Lukas klopfte zum Abschluss noch mal auf meinen Rücken und stand dann auf.

»Und, wirkt's schon?« »Hmm, glaube ja, jedenfalls schmerzt es nicht mehr so.«, sagte ich und das war tatsächlich so. Die Salbe wirkte schnell, so dass die Schmerzen tatsächlich weniger wurden.

»Ich wasche mir nur kurz die Hände, kannst dich ja in der Zwischenzeit wieder anziehen.«, kam der Kommentar von Lukas und er verschwand im Badezimmer.

Ich sandte ein Dankgebet gen Himmel, denn so hatte ich noch ein paar Sekunden Zeit, meinen Blutstrom ein wenig besser zu koordinieren.

Und meine Anstrengungen hatten Erfolg, denn kaum hörte ich, wie Lukas den Wasserhahn abdrehte, war er auch schon wieder im Zimmer. Ich stand auf, zog mein Unterhemd wieder an und setzte mich auf die Couch.

»Hier, probier mal, ob es dir passt.«, sagte Lukas und warf mir das Shirt zu, welches er eben aus dem Kleiderschrank gefischt hatte.

Hatte ich schon erwähnt, dass er einen exzellenten Klamottengeschmack hat?

Ich sah mir das Shirt an und es gefiel mir sofort. Noch ein kurzer Blick auf das Markenschild... *Schluck* Ich verstehe zwar nicht viel von Kleidung, aber ich wusste genug um zu erkennen, dass dies ein absolut angesagter Hersteller ist und nicht gerade zu den Billiganbietern gehört. Mein Dad hätte sich solch ein Shirt für mich nie leisten können.

Ich war sprachlos. »Na komm schon, zieh es an. Es beißt nicht.«, kommentierte Lukas meine Unsicherheit. »Na gut, wenn du meinst.« Ich streifte es mit einem letzten Zweifel über, stand auf und betrachtete mich im Spiegel.

Einige Verwandte - insbesondere meine Cousinen - haben mir schon öfters mal gesagt, dass ich wirklich süß aussehen würde. Ich selbst finde mich nun wirklich nicht als gutaussehend. Aber wie ich da so mit dem neuen Teil vor dem Spiegel stand... »Sieht ganz gut aus, oder was meinst du?«, fragte ich Lukas unsicher.

»Spinnst du? Sieht spitzenmäßig an dir aus. Steht dir wie angegossen. Aber an einem schönen Menschen sieht alles gut aus...«, und er grinste sich ins Gesicht.

*Uups* Ich drehte mich zu Lukas um, der es sich inzwischen auf seinem Bett gemütlich gemacht hatte und mich mit einem breiten Grinsen frech anstrahlte.

»Verdammt, wie hatte er das jetzt gemeint? Konnte es sein,... Nein, du Spinner, du träumst mal wieder«, ging es mir durch den Kopf und ich musste sagen, dass mir die letzte Bemerkung von Lukas ganz schön zu schaffen machte.

Ich starrte ihn mit offenem Mund an, unfähig, irgendwas zu sagen.

Lukas schien meine Unsicherheit zu genießen. »Ernsthaft, steht dir echt toll.«

Langsam fing ich mich wieder. »Leih es dir ruhig aus und bring es halt nächste Woche wieder mit.« »Danke.«

Mittlerweile war Wintrud anscheinend mit der Essenvorbereitung fertig, denn plötzlich rief sie in den Flur »Kinder, Essen!«

Das war für Lukas das Signal zum Aufbruch. »Gehen wie lieber. Mom mag es überhaupt nicht, wenn das Essen zulange auf dem Tisch steht. Das fasst sie als persönliche Beleidigung auf.«

Wir machten uns also auf den Weg in die Küche. Die Küche war ebenfalls sehr großzügig bemessen und auch schön eingerichtet. In der Küche stand auch ein großer, runder Tisch mit acht Stühlen. Auf dem Tisch hatte Wintrud schon die Nudeln abgestellt und sie hantierte noch am Herd herum. Ich setzte mich auf den Stuhl neben Lukas. Insgesamt war für sechs Personen gedeckt.

Plötzlich brach ein Wirbelsturm über uns herein. Lukas Brüder stürmten mit einem Höllengetöse in die Küche. Es war unglaublich, wie viel Krach die drei machten.

»Hey, ihr Racker. Nicht so laut.«, reagierte Wintrud auf die drei. »Übrigens, das ist Florian.«, stellte sie mich ihrem Nachwuchs vor. »Hallo.«, kam es fast gleichzeitig aus den Mündern der drei, während sie sich setzten. »Florian, neben Lukas sitzt Michael, daneben Andreas und abschließend Achim.«

Ich grinste, weil Lukas Eltern wirklich Sinn für Humor hatten. Michael schätzte ich auf 12, die beiden anderem waren unverkennbar Zwillinge, die etwa 10 waren.

»Mom, Hunger!«, sagte Andreas und stampfte mit seiner Gabel auf den Tisch.

Die ließ sich aber überhaupt nicht davon beeindrucken, sondern stellte mit einer Gemütsruhe den Topf auf den Tisch.

»So, meine Lieben. Spaghetti mit Sauce Bolognese, wie bestellt.« »Und Florian, greif ruhig richtig zu. An dir ist ja kaum was dran.«

Und schon wieder wurde ich so rot wie der Tomatenketchup, den Achim sich gerade in unglaublichen Mengen über die Nudeln schüttete.

»Danke! Ich habe auch richtig Hunger.«, erwiderte ich und wartete, bis sich alle genommen hatten und machte dann auch meinen Teller halbvoll.

Über das Essen an sich gibt es nicht viel zu erzählen, nur, dass es ausgezeichnet schmeckte.

Glaubt mir, wenn man daheim nicht gerade einen Spitzenkoch hat, ist man für jede essentechnische Abwechslung mehr als dankbar.

Während der Mahlzeit unterhielten sich Wintrud und ihre Kinder über die Schule, was alles so passiert war. Ich lauschte der Unterhaltung und stellte fest, dass ich mich wirklich nicht getäuscht hatte. Wintrud schien genau über alles Bescheid zu wissen und stellte genau und nett verpackt die richtigen Fragen, um von ihren Kindern das Notwendige zu erfahren.

Nach einer guten halben Stunde war das köstliche Mahl dann auch beendet und ich war wirklich pappensatt. »Florian, ist was mit dir los, hat es dir nicht geschmeckt oder warum hast du so wenig gegessen?«, fragte mich Wintrud trotzdem.

An dieser Stelle möchte ich einfügen, dass ich mir dreimal nachgeschlagen hatte, was für meine Verhältnisse absolut üblich war, in dieser Familie aber anscheinend bloß als netter Snack zwischendurch aufgefasst wurde.

»Danke, danke, aber ich kann wirklich nicht mehr.« »Flo, gehen wir am besten rauf in mein Zimmer, ich will dir noch was am PC zeigen.«, erlöste mich Lukas von der Befragung. Schließlich halfen wir noch Wintrud kurz beim Einräumen des Geschirrspülers und gingen dann in Lukas Zimmer zurück.

Dort angekommen stellte Lukas erst mal seine Anlage an und ein voreingestellter Musiksender ertönte leise. »Hat dir doch hoffentlich geschmeckt, oder?«, begann Lukas die Unterhaltung. »Ja, war echt super. Danke nochmal, dass ich mitessen durfte.« »Hey, keine Ursache. Nach der Aktion mit Matthias kannst du doch ein wenig Aufmunterung gebrauchen.«

Den Rest des Nachmittags verbrachten wir zunächst damit, ein paar Hausaufgaben zu machen, mit denen Lukas alleine nicht so ganz klarkam. Anschließend zeigte er mir seinen PC. Echt geiles Teil, kann ich euch sagen. Wir spielten eine Runde Counterstrike und ich muss sagen, dass es richtig Spaß gemacht hatte. Nicht, dass ich so auf diese Ballerspiele stehe, aber das hat wirklich gefunt.

Ehe ich mich versah, war der ganze Nachmittag auch schon wieder rum. Ich schaute auf die Uhr und stellte erschrocken fest, dass es schon 18 Uhr war.

»Herrje, ist es schon 18 Uhr?«, fragte ich voller Unglauben Lukas. Dieser schaute auch erstaunt auf seine Uhr und nickte. »Meine Güte, war der Nachmittag kurz.«

»So, dann will ich mal. Dad wartet schon bestimmt auf mich. Danke nochmal für alles.« »Kein Problem, war echt nett mit dir. Dein Shirt bringe ich dann die nächsten Tage in die Schule mit, wenn es getrocknet ist. Und mit meinem kannst du dir ruhig Zeit lassen.«

Lukas begleitete mich nach unten, wo seine Mutter gerade dabei war, dass Abendessen vorzubereiten. »Hallo, ihr zwei. Florian, willst du schon weg? Ich dachte, du bleibst noch zum Abendessen.« »Danke, aber ich muss wirklich Heim. Nochmals tausend Dank für alles.« »Keine Ursache.«

Ich zog meine Jacke an, wobei ich diesmal keine Schmerzen hatte. Die Salbe wirkte wirklich Wunder. Dann drehte ich mich zur Tür und nahm meine Schulsachen als Wintrud noch sagte: »und Lukas..., du bist jederzeit hier gerne gesehen. Als komm ruhig bald wieder.« Ich lächelte und nickte zurück. Dann machte ich mich auf den Nachhauseweg.

Kapitel 9: "Böse Geister"

Als ich zu Hause ankam, war es halb sieben. Dad's Auto stand noch nicht vor der Wohnung. Ich schloss also auf und ging nach oben in mein Zimmer. Mann, was für ein Unterschied zu Lukas Zimmer.

Bisher hatte ich eigentlich in meinem Leben noch nichts vermisst. Sicher, es gab schon Sachen, die ich mir sehr wünschte. Aber ich wusste eben, dass es einfach nicht geht. Wenn man jedoch einmal diesen »Luxus« gesehen hat, wird man schon ein bisschen neidisch.

Ich seufzte, aber was soll's. Ändern konnte ich es eh nicht und so unglücklich war ich mit meinem Leben ja auch nicht. Ihr werdet euch vielleicht jetzt fragen, warum ich keinen Nebenjob angenommen habe, wenn wir finanziell doch so knapp dastehen? Dazu kann ich euch nur sagen, dass ich noch auf der Suche nach einem bin. Leider bin ich technisch total unbegabt und mit zwei linken Händen einen Nebenjob zu finden, ist nicht so leicht. Außerdem waren wir ja gerade erst umgezogen.

Ich legte meine Sachen ab und stellte meine kleine Anlage an. Während der Musiksender ertönte, räumte ich meine Schulsachen aus und packte das in meine Tasche, was ich für morgen benötigte. Gottseidank hatte ich ja die morgigen Aufgaben schon mit Lukas erledigt, so dass ich mich nicht nochmal jetzt daranmachen musste.

Während ich dem Gedudel mehr oder weniger aufmerksam folgte, hörte ich, wie Dad die Haustür aufschloss. »Hallo, Kleiner, bin wieder da!«, rief er in den Flur, während er sich seines Mantels entledigte. »Hi!«, rief ich zurück, während ich die Anlage ausstellte und die Treppe runter in die Küche ging.

»Hast du Hunger?«, fragte mich Dad, wobei er grinste, weil er die Antwort schon wusste. »Jo, ich habe zwar bei Lukas zu Mittag gegessen, das ist aber auch schon wieder ein Weilchen her.«, antwortete ich. »Gut. Mal sehen, was der Kühli hergibt.«, sagte er, während er selbigen öffnete.

»Hmm..., wie wär's mit Strammen Max?« »Nichts dagegen.« »Gut, dann schneid schon mal die Brote, während ich die Spiegeleier mache.« »Jo, Boss«, erwiderte ich und holte das Brot aus dem Brotkasten.

Wir bereiteten also unser Abendessen vor und kurze Zeit später saßen wir kauend mit vollen Backen am Tisch. Während wir so aßen, schaute Dad plötzlich auf und stutze. »Sag mal, Jonas, bist du hingefallen, oder warum hast du das Pflaster? Und das Shirt ist doch auch nicht deins, oder?«

*Schluck*. Wie viel sollte ich ihm sagen, ohne dass er sich gleich wieder Sorgen machen würde? Also beschloss ich auch hier wieder die goldene Mitte wählen. »Ich bin gestolpert und an einer Schreibtischkante angeschlagen. Nicht schlimm, hat nur ein bisschen geblutet. Ich bin nach der Schule dann zusammen mit Lukas zu ihm gegangen. Dort hat mir seine Mutter das Pflaster verpasst und mein Shirt gewaschen, da es voller Blutflecken war. Sie ist übrigens sehr nett. Naja, und da das Hemd noch nicht trocken war, hat mir Lukas einfach eins von sich gegeben. Ich will es ihm dann diese Woche noch zurückgeben.«

»OK.«, meinte Dad nach kurzem Überlegen. »Ich werde es Morgen waschen, da ist eh Waschtag. Passt ganz gut. Aber ich muss sagen, das Hemd steht dir wirklich gut.« »Ja, ist echt schön.«

Nachdem wir mit Essen fertig waren, wuschen wir noch ab. Wir setzten uns dann noch ein wenig vor die Glotze und gegen neun merkte ich, wie müde ich schon war. *Gäääähn* Ich streckte mich und stand auf. »So, ich geh dann ins Bett, gute Nacht.« »Gute Nacht, Kleiner.«, sagte mein Vater. Ich ging dann in mein Zimmer, zog mich um und wusch mich noch mal. Dann endlich konnte ich in mein warmes Bett.

Ich merkte, wie die Anstrengungen des Tages ihren Tribut forderten. Kaum das ich mir die Bettdecke bis zum Kopf hochzog, schlummerte ich auch schon ein. Ich fiel in einen ruhelosen Schlaf. Und wieder einmal hatte ich einen komischen Traum.

Diesmal war ich in einer engen Gasse, es war Nacht, alles war dunkel und der Wind pfiff durch die Straße. Kein Mensch war auf der Straße. Ich ging diese Gasse entlang, auf dem Weg irgendwohin um irgendwen zu treffen. Mir war kalt. Plötzlich hörte ich Stimmen hinter mir. Mein Traum-Ego drehte sich um und hinter mir standen mehrere Personen in langen, schwarzen Umhängen. Ihre Gesichter verschwanden zu Fratzen, Konturen waren nicht zu erkennen, nur das Böse in ihren Augen war überdeutlich. Sie sprachen auch nicht, sondern zischten. Noch ehe ich überhaupt verstand, was da passierte, merkte ich schon einen stechenden Schmerz. Ich ging zu Boden, während die anderen über mir standen und lachten. Es war aber kein normales Lachen, sondern ein Lachen, das aus Böshaftigkeit geboren war. Während ich am Boden lag, sah ich, wie einer ein Messer zog, den dem schon Blut klebte. Er hob das Messer an und war im Begriff, auf mich einzustechen...

Ich wachte schweißgebadet auf. Kerzengrade saß ich aufrecht im Bett. Ich fuhr mit einer Hand über meine Stirn und wischte den Schweiß ab. »Meine Fresse, es war nur ein Traum; nur ein Traum.«, versuchte ich mir einzureden und mich zu beruhigen.

Ich ging ins Bad und eine kurze Gesichtsdusche half mir, meine Gedanken wieder ein wenig klarer zu bekommen und den bösen Traum zu vergessen. Ich schaute auf die kleine Wanduhr im Badezimmer. »Shit, schon sechs.«, entfuhr es mir.

Gerade als ich dies sagte, hörte ich, wie Dad ins Badezimmer kam. »Na, na, mein Sohn, wer wird denn schon so früh am Morgen fluchen?« Aha, Dad war auch schon wach. Klar, war ja seine übliche Zeit. Und wie immer war er spitzenmäßig gelaunt. Wie macht er das bloß um diese Uhrzeit?

»Sorry, aber diese Zeit ist zu früh für mich.«, sagt ich. »Warum bist du dann schon auf?« »Ich habe schlecht geschlafen. Jedenfalls hast du das Bad erst mal für dich. Ich komme später wieder!«

Sprachs und verzog mich in mein Zimmer. Dort angekommen schaltete ich erst mal die Musikanlage an. Prompt ertönte irgendein Gedudel; ich hörte aber nicht richtig hin. Mit meinen Gedanken war ich immer noch mit dem Traum beschäftigt. Was soll's, wenn ich nun schon mal wach war, konnte ich auch gleich aufbleiben. Ich machte also mein Bett und packte schon mal die restlichen Schulsachen ein, die ich heute brauchen würde. Dann legte ich mir meine Klamotten zurecht.

Als ich wieder auf meine Uhr schaute, war schon eine halbe Stunde vergangen. »Jetzt ist Dad bestimmt im Bad fertig.«, vermutete ich. So war es auch und ich hatte das Badezimmer für mich alleine. Ich beschloss, nach dieser schrecklichen Nacht erst mal eine erfrischende Dusche zu nehmen. Das Wasser prasselte angenehm an mir herunter. Es war absolut wohltuend, das warme Wasser zu spüren. Ich stellte den Duschkopf auf Massagestrahl ein und genoss die Behandlung.

Bestimmt eine Viertelstunde genoss ich dieses Vergnügen. Dann wurde es aber auch schon wieder Zeit für den Rest der täglichen Körperpflege. Nachdem ich mich ausgiebig gereinigt hatte, zog ich mich an und ging schon mit meinen Schulsachen in die Küche.

Dad hatte schon den Tee aufgesetzt und so frühstückten wir noch gemeinsam. Dann war es aber auch schon wieder Zeit, aufzubrechen. Obwohl, heute war ich für meine Verhältnisse extrem früh.

Ich verabschiedete mich von Dad und machte mich auf den Weg zur Schule. Auch heute hoffte ich, Lukas zu treffen, aber anscheinend war Lukas mir schon wieder voraus, denn ich sah ihn nicht. Und plötzlich fiel mir das ein, was ich die ganze Zeit erfolgreich verdrängt hatte. Ich würde heute ja wieder Matthias und Co sehen. *Schluck*

Was hatte er mir noch mal zum »Abschied« gesagt? »Ich krieg dich noch, du Scheißer?« Verdammt, was würde mich heute in der Schule erwarten? Ich merkte, wie die Angst in mir hochstieg und eine Panikattacke überkam mich. Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich ein echter Angsthase bin?

Ich wollte schon wieder umkehren und nach Hause gehen, da besann ich mich aber wieder. »Was würde es schon ändern, wenn ich heute nicht zur Schule gehe? Dann erwischen sie mich eben Morgen. Irgendwann muss ich mich ihnen stellen. Dann will ich es wenigstens hinter mich bringen. Außerdem sind da ja auch noch Hannes und Lukas...«, versuchte ich mich zu beruhigen.

Als ich diesen Gedankengang beendet hatte, war ich auch schon an der Schule angekommen. Es waren noch nicht viele Schüler da, dennoch war schon aufgeschlossen. Ich öffnete die große Flügeltür und machte mich auf den Weg in meinen Klassenraum.

Mittlerweile kannte ich mich in dem großen Gebäude schon ein wenig besser aus. Ich fand ohne größere Mühe meinen Klassenraum wieder. Dieser war auch schon aufgeschlossen. Heute hatten wir die ersten zwei Stunden Englisch und der Direx hatte schon sein Zeug auf das Lehrerpult gelegt, aber anscheinend den Klassenraum verlassen.

Ich ging hinein. Von den Schülern waren nur Katrin und Micha schon anwesend, die ein wenig gelangweilt auf ihrem Tisch saßen. Ich war ein wenig beruhigt, denn ich wollte Matthias nicht schon jetzt in einem fast leeren Klassenraum begegnen. Micha war übrigens auch ein Vertreter der ganz netten Fraktion. Eher ruhig und zurückhaltend, aber doch recht nett.

Als Katrin mich sah, lächelte sie mich an. »Hi!«, sagte sie. »Was hast du denn gemacht?«, fragte sie und deutete auf meine Stirn. »Oh Shit, ich habe das Pflaster vergessen.«, ging es mir durch den Kopf. Ich legte meine Sachen auf den Tisch und begrüßte Katrin nun ebenfalls. »Auch Hi!. Ach, nichts besonderes. Ich habe mir nur meine Birne gestoßen. Aber jetzt müsste eigentlich alles verheilt sein. Ich mache es besser ab.«, sagte ich und ging zum Waschbecken. Mit einem beherzten Ruck zog ich das Pflaster ab und wusch mir noch mal übers Gesicht. Von der Wunde war fast nichts mehr zu sehen, was ich mit einem kleinen Seufzer befriedigt feststellte. Ich wollte Matthias nicht die Genugtuung geben, mich verletzt zu sehen.

»Und du bist auch schon da?« fragte ich Katrin und hätte mir im gleichen Moment auf den Mund hauen können, denn die Antwort war ja offensichtlich. Sie grinste. »Wie du siehst...« Wir verglichen dann noch kurz unsere Hausaufgaben und der Klassenraum füllte sich zusehends. Aber von Matthias und Co war noch nichts zu sehen. Schließlich kamen auch Hannes und Lukas gemeinsam in den Raum und begrüßten mich freudig.

»Und, alles wieder O.K.?«, fragte mich Hannes und Lukas begutachtete meine schon wieder verheilte Wunde. »Ja, alles bestens.«

Just in diesem Moment kamen Matthias, Henning und Dieter die Tür herein und dicht dahinter der Direx, der die Tür gleich zuzog.

Matthias warf mir einen verächtlichen Blick zu, den ich aber standhielt. »Von dir Arsch lass ich mich nicht kleinkriegen.«, dachte ich bei mir.

»So, meine Damen und Herren, dann wollen wir mal wieder.«, ertönte die Stimme des Direx.

Die Doppelstunde verging recht schnell und war auch interessant. Am besten hat mir aber gefallen, dass Henning an die Tafel musste und überhaupt nichts geschnallt hat. Das war eine sechs vom Feinsten. *Freu*

Danach hatten wir erst mal eine Pause und da die nächste Stunde Bio ausfiel, beschlossen Katrin, Lukas, Hannes, Michael und ich in die Cafete zu gehen.

Wir genehmigten uns jeder einen Kakao (wobei sich bei Hannes noch diverse Kaffeestückchen dazugesellten) und setzten uns an einen großen runden Tisch am Rand der Cafeteria.

»Du, Katrin,«, fing Hannes mit halbvollem Mund an zu sprechen, »währ ischt dieschesch Mal eigentlisch mit der Party dran?« »Oh ja, gut, dass du mich erinnerst.«, sagte Katrin und vergrub ihren Kopf in ihrer Tasche. Sie zog einen Stapel kopierter Blätter heraus und gab jedem von uns eines dieser Blätter. »Dieses Mal bin ich dran!«

Ich betrachtete die Kopie. Es war ein Einladungsschreiben zu einer Schuljahresanfangsparty. »Diese Party ist bei uns Tradition.«, klärte mich Lukas auf. »Stimmt.«, erwiderte Katrin. »Zu Beginn und zum Ende jedes Halbjahres feiern wir mit unserer Klasse eine Party. Diesmal ist sie bei mir. Und ich würde mich sehr freuen, wenn du kommen könntest.«, sagte sie zu mir und strahlte mich an.

»Hoho, Nachtigall, ick ...«, fing Lukas lautstark an und grinste über beide Backen. In Sekundenbruchteilen wurden sowohl Katrin als auch meine Wenigkeit rot wie ein Feuermelder.

»Jo, wird bestimmt schön.«, stimmte auch Hannes ein und beendete das peinliche Schweigen, nachdem er seine Mahlzeit beendet hatte. »Ich mag Partys, und nicht nur wegen dem Buffet, wie Lukas immer meint. Es gibt doch ein Buffet, oder?« richtete er die Frage ein wenig ängstlich an Katrin.

»Aber sicher, mein Großer. Für Dich tu ich doch alles.« Friede, Freude, Eierkuchen und alle hatten sich lieb...

Ich schaute auf das Datum. »Hmm, ist das schon diesen Samstag?«, fragte ich in die Runde. »Ja.«, sagte Katrin. In Gedanken ging ich meinen absolut leeren Terminkalender durch und stellte zufrieden fest, dass ich an diesem Tag doch das eine oder andere Sekündchen entbehren könnte.

»Ich habe bisher da noch nichts vor, daher würde ich eigentlich gerne kommen, aber...« »Was aber...?«, fragte mich Katrin und schaute mich interessiert an. »Naja, ich weiß nicht, ob es so gut wäre, zusammen mit Matthias auf einer Party zu sein.«

»Was hat denn Matthias damit zu tun, ob du kommst?« »Ääh, ich..ääh.«, und an dieser Stelle sprang Lukas für mich ein. »Naja, unser kleiner stotternder Freund hier hatte gewisse Differenzen mit Matthias.«, wobei er das Wort Differenzen sehr, sehr langsam aussprach und geradezu jeden einzelnen Buchstaben betonte.

»Ach so, keine Angst, Flo, Matthias und seine bescheuerten Freunde bleiben dieser Party eigentlich regelmäßig fern. Sie bekommen auch keine Einladung von mir, weil sie eigentlich überhaupt keiner mag.« Das hörte sich doch sehr gut an. »Ok, wenn das so ist, dann komme ich natürlich gerne.«, sagte ich zum Abschluss und genehmigte mir zur Belohnung einen Schluck Kakao.

»Schön, wird bestimmt toll, denn...« Der Rest von Katrins Satz ging in dem Pausengong unter und so machten wir uns auf den Weg zum nächsten Klassenraum.

Die nächsten Stunden verliefen allesamt recht friedlich. Anscheinend hatten die Lehrer so kurz nach den Ferien noch nicht den rechten Elan entwickelt und von Matthias und Co war auch nichts gekommen. Anscheinend warteten sie nur auf eine günstige Gelegenheit. Mir fiel aber auf, dass sowohl Hannes als auch Lukas und Micha bemüht waren, ständig um mich rum zu sein und wenn überhaupt mich nicht allzu lange alleine zu lassen. Was soll's, mir war's recht und im Fall von Lukas hätte der Kontakt ruhig noch enger ausfallen können. *grins*

Wir brachten auch noch die letzten Unterrichtsstunden mühelos hinter uns und schneller als gedacht, war auch dieser Schultag wieder vorbei. Ich bemühte mich, diesmal nicht der Letzte zu sein und so gingen Lukas, Hannes und ich gefolgt von Katrin und Micha aus dem Schulgebäude.

Es war mittlerweile zehn nach eins und auf dem Schulgelände herrschte Hochbetrieb. Dazu kam, dass es unwahrscheinlich warm war, war ja schließlich noch Sommer. »Uff, was ne Hitze.«, stöhnte Hannes und Lukas stimmte ein. »Echt nicht mehr normal. Schade, dass das Freibad heute wegen einer Veranstaltung geschlossen ist. Aber wie sieht es morgen bei euch aus?«

Ich überlegte. Morgen war Donnerstag. Da stand für gewöhnlich nichts Besonderes an, so dass ich also Zeit hatte. »Klar, warum nicht.«, sagte ich und auch die anderen waren einverstanden. »Cool, also gehen wir morgen ins Bad. Wir können ja gleich nach der Schule gehen, dann braucht nicht noch mal jeder nach Hause um sein Zeug zu holen.« »Ja, bietet sich echt an.«, sagte Micha.

»Sag mal, Flo, hast du für heute schon was vor?«, fragte mich Lukas.

Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass er eine unheimlich süße Stimme hat? *Schwärm*

»Nein, bisher noch nichts. Wollen wir was machen?« »Jope, wie sieht's mit euch anderen aus?«, fragte Lukas in die Runde. »Ich habe heute Nachmittag Zeit, kein Problem.«, sagte Hannes und auch Micha und Katrin waren dabei.

»Toll, treffen wir uns um drei bei mir.«, schlug Lukas vor. Alle waren einverstanden und so machten wir uns auf den Nachhauseweg. Kurze Zeit später verabschiedete ich mich von Lukas, da ich das letzte Stück ja alleine gehen musste.

Während dieses kurzen Stücks gingen mir noch einige Sachen durch den Kopf. Was hatte ich für ein Glück, solch tolle Freunde gefunden zu haben. Und die Sache mit Matthias hatte ich schon fast ganz vergessen.

Am tollsten war natürlich Lukas. Er war nicht nur voll nett, sah super aus, nein, er schien mich auch noch als Freund zu mögen. Und jetzt wurde ich wieder ein wenig wehmütig. Denn das war doch genau mein Problem. Er mochte mich als Freund, aber wahrscheinlich eben nicht als F r e u n d!

O.K., bisher hatte er nichts Gegenteiliges geäußert. Und da waren auch noch die Bemerkungen, die er gemacht hatte, und dann noch, wie er mich mit der Salbe eingerieben hatte......»Vergiß es endlich, Flo. Soviel Glück kannst du nicht haben. Ausgeschlossen. Nicht du!«, ging es mir durch den Kopf und ich war schon wieder am Boden. Wahrscheinlich hatte mein Kopf recht, aber mein Gefühl schrie mit jeder Faser nach ihm. *Seufz*

So niedergeschlagen schloss ich die Haustür auf. Dad war natürlich noch auf der Arbeit. Ich legte meine Sachen in mein Zimmer und machte mir erst mal ein Stück Brot als Mittagessen. Kauend begab ich mich wieder in mein Zimmer, um schnell die Hausaufgaben zu erledigen.

So vertieft in die Hausaufgaben merkte ich nicht, wie die Zeit verging. Als ich wieder auf die Uhr schaute, war es schon kurz vor drei. »Oh Shit, jetzt wird es aber Zeit.« Gottseidank war ich fast fertig mit den Aufgaben. Ich schloss meine Bücher, legte den Stift beiseite und stand auf. Ich musste mich erst mal richtig strecken. »Du musst unbedingt wieder mehr trainieren.«, ging es mir durch den Kopf.

Ich schnappte mir meine leichte Sommerjacke und ging nach unten. »Bin bei Lukas, kann etwas später werden.«, schrieb ich auf einen Zettel für Dad und legte ihn auf den Küchentisch. Dann verließ ich unsere Wohnung und machte mich auf den Weg. Da es schon kurz nach drei war, beschloss ich einen Schritt schneller zu gehen. Ich wollte mir nämlich nicht gleich am Anfang den Ruf einhandeln, ständig zu spät zu kommen.

Etwas außer Atem erreichte ich das Haus von Lukas und klingelte. Ich hörte zunächst nichts und klingelte daher noch mal. Dann wurde auf einmal die Haustür aufgerissen und Michael, Lukas Bruder, stand in der Tür und grinste mich frech an. »Na, bisschen spät, oder? Die anderen sind schon da!«, sagte er mit gespielten Vorwurf.

»Danke, der Herr.«, sagte ich kurz und spielte den Beleidigten. Ich ging hinauf zu Lukas Zimmer und klopfte kurz an. »Herein, wenn's kein Berger ist.«, ertönte es aus dem Innern und Hannes schallendes Lachen war nicht zu überhören. Ich trat also ein und sah die anderen schon auf der Couch bzw. am Schreibtisch sitzen. »Hi allesamt.«, begrüßte ich sie und zog meine Jacke aus.

»Und, einer einen Vorschlag, was wir machen könnten?«, fragte Lukas in die Runde. »Sag mal, Lukas, du hast doch dieses tolle Brettspiel. Heißt glaube ich Siedler, oder? Habt ihr darauf Lust?« Alle waren einverstanden, so dass Lukas das Spiel rausholte und wir fingen an.

Es wurde ein toller Nachmittag. Wir spielten und unterhielten uns dabei. Während des Spielens nutzte ich jede Möglichkeit, mir Lukas unauffällig näher anzuschauen. Er hatte kurze Shorts an und ein labberiges altes Shirt baumelte darüber. Er sah wirklich zum anbeißen aus. Ich musste echt aufpassen, ihn nicht allzu lange anzustieren, denn das wäre den anderen sicher aufgefallen.

Wir spielten eine Zeitlang und nachdem Micha auch zum fünften Mal hintereinander gewonnen hatte, beschlossen wir, es gut sein zu lassen. Wir setzten uns noch ein wenig auf die Couch, tranken etwas und unterhielten uns noch eine Weile.

Als ich wieder auf die Uhr schaute, war es schon sieben. »Oh, schon so spät. Ich geh dann mal besser.«, sagte ich und auch die anderen stimmten mir zu. »Ja, schon spät. War echt schön heute.«, sagte auch Katrin. »Bis morgen.«, sagte auch Hannes. Wir verabschiedeten uns alle von Lukas und gingen dann nach Hause.

Als ich zuhause ankam, hatte Dad das Abendessen schon fertig. Es gab überbackene Nudel, mein Lieblingsessen. »Hmm, womit habe ich das denn verdient?«, fragte ich ihn. »Dafür, dass du mein Sohn bist und ich dich liebe.«, antwortete er und lachte.

»Na dann, ich könnte übrigens noch das eine oder andere gebrauchen, z.B. einen PC und...« »Na, bleib mal auf dem Teppich. So gern habe ich dich dann doch nicht.« Wir lachten beide herzhaft. Nach dem Abwasch schauten wir noch ein bisschen Fernsehen und ich ging zeitig ins Bett.

Mein letzter Gedanke vor dem Einschlafen war, dass ich mich schon unheimlich auf Morgen freute. Nein, nicht auf die Schule, sondern auf die Zeit danach. Schließlich wollten wir doch nach der Schule ins Freibad und da würde ich bestimmt mehr von Lukas sehen. Ich träumte diese Nacht seeehr gut.

Kapitel 10: "Freibad"

Der Donnerstag-Vormittag war nicht besonders aufregend. Die Schule war easy, Matthias und Co ließen mich in Ruhe, so dass ich mich in aller Ruhe auf den Nachmittag freuen konnte.

Ich hatte mir schon gleich die Badesachen eingepackt und wartete nun auf den Gong, der die letzte Stunde beenden würde. Musik war eh nicht meine Stärke. Zwar höre ich unheimlich gerne Musik, nur die ganze Theorie ist irgendwie nichts für Flo Berger. Aber gut, auch diese Stunde ging rum und es läutete zum Schluss.

»Wir treffen uns dann draußen.«, sagte mir Katrin beim Aufstehen und ging schon mal vor. Auf dem Schulhof musste ich ein wenig suchen, dann fand ich Katrin. Neben ihr standen schon Lukas, Hannes und Micha.

»Hi, können wir?«, begrüßte mich Hannes. »Na klaro, auf geht's.« Wir gingen zuerst zu Micha, denn er wohnte auf dem Weg zum Freibad. Dort parkten wir unsere Schulsachen und gingen dann gleich weiter. Wir mussten gute zwanzig Minuten laufen, dann waren wir endlich da. Klar, wir hätten auch den Bus nehmen können, aber erstens hätten wir dann noch warten müssen und zweitens ist es in einem stickigen Bus auch nicht so angenehm.

Schon von außen war zu sehen, dass das Bad riesig war. Diverse Rutschen und Sprungtürme waren über die Eingangsmauer hinweg zu sehen und versprachen jede Menge Fun.

Als ich an die Kasse kam, musste ich erst mal tief schlucken. Der Eintritt sollte zehn Mark kosten. Zehn Mark für ein Freibad! »Wow.«, pfiff ich leise durch die Zähne. Jetzt hatte ich ein ernstes Problem. Ich hatte nur acht Mark dabei. Daheim in Dortmund hat der Eintritt nirgendswo mehr als fünf Mark gekostet. Ok, ok, es war ein wenig blauäugig von mir, nur acht Mark dabei zu haben. Ich gebe es ja zu. Jetzt hört schon auf zu schimpfen!

»Was mache ich denn jetzt?«, ging es mir durch den Kopf. Die anderen anpumpen wollte ich nicht. Wie sieht das denn aus, wenn man als Neuer gleich in der ersten Woche seine Freunde anpumpt. Ganz Toll!

Also wurde es mal wieder Zeit für meine übliche und patentierte »Hab mein Geld zuhause vergessen und ihr braucht mir wirklich nichts leihen - Ausrede.« Ich wollte gerade dazu ansetzen und mich für heute entschuldigen, als Lukas mich ansprach. »Herr Berger, Haaallo. Willst du nicht mal langsam bezahlen? Sonst kommen wir in diesem Sommer nie ins Bad.« »Äh, ich Dussel habe doch glatt mein Geld daheim vergessen. Sorry, aber da werde ich erst mal wieder Heim müssen...«

»Quatsch, da brauchst du ja ewig. Bist du wieder hier bist, hat das Bad längst geschlossen. Ich leihe dir natürlich die zehn Mark!« »Danke, Lukas. Aber das kann ich wirklich nicht annehmen. Wie sieht das denn aus?« »Jetzt mach mal nen Punkt. Ich möchte dich gerne dabei haben, also nimm schon das Geld und bezahl.«

Er drückte mir einen Zehner in die Hand und schob mich in Richtung Kasse. Ich war froh, einen so tollen Freund zu haben aber gleichzeitig schämte ich mich auch. Nicht dafür, dass ich nicht viel Geld hatte. Sondern ich schämte mich dafür, Lukas angelogen zu haben.

Wie dem auch sei, mein schlechtes Gewissen hatte ich recht schnell vergessen. Das Bad war der absolute Hammer. Es gab wirklich alles, was das aquabegeisterte Herz begehrt. Zunächst einmal gingen wir aber zu den Umkleidekabinen. Als ich aus meiner Kabine austrat, standen Lukas und Micha schon vor mir.

»Brauchst du eigentlich für alles immer so lange?«, zog mich Lukas damit auf, dass er mal wieder schneller als ich war. Aber mir war seine Bemerkung egal, denn zum ersten Mal konnte ich ihn weniger textilbelastet anschauen.

Und Freunde, ich kann euch sagen, der Anblick lohnte sich echt. Lukas hatte halblange Badeshorts an und sich ein Badetuch über die Schulter geworfen. Dass er muskulös wäre, konnte man nun nicht wirklich behaupten. Andererseits hatte er aber auch kein Gramm Fett zu viel drauf. Auf seinem Oberkörper war kein einziges Härchen zu entdecken. Sein Oberkörper glänzte in der Sonne. Richtig schnuckelig! *Träum*

Aber ich muss sagen, auch Micha war durchaus einen Blick wert. Zwar war er nicht ganz so groß wie Lukas, aber dennoch gut gebaut und schlank. Wirklich nicht schlecht. Ich musste jetzt aber echt aufpassen, die beiden nicht allzu lange anzustarren. Vor allen Dingen musste ich mich zwingen, an was anderes zu denken, denn sonst hätte es echt peinlich werden können.

»Jaja, bin ja schon fertig. Wo ist eigentlich Hannes?«, fragte ich in die Runde und bekam die Antwort schon prompt. »Bin doch schon da!«, rief er hinter mir. Ich drehte mich um und erblickte zum ersten Mal sein Äußeres fast ohne Kleidung.

Er war nicht groß, sondern fast ein Riese. Richtig groß. Ich schätzte ihn auf gute zwei Meter, wobei er aber mit Sicherheit mehr als 100 Kilo auf die Waage brachte. Aber er war nicht dick, sondern muskulös. Ich war mir fast sicher, dass er irgendein Krafttraining betreiben musste, denn sein Oberkörper war schon sehr gut definiert. Er war jedenfalls eine beeindruckende Gestalt und ich notierte mir in Gedanken, niemals ernsthaft Streit mit ihm anzufangen.

»So, können wir jetzt.«, fragte Hannes und nahm die Antwort schon vorweg, indem er zielstrebig Richtung Liegewiese vorneweg dackelte. Dort trafen wir dann auch Katrin, die es sich schon auf ihrem Handtuch gemütlich gemacht hatte und ein Sonnenbad nahm.

Wir probierten an diesem Tag alle Attraktionen durch, die das Bad anbot. Und das Bad war wirklich die zehn Mark wert. Wir nutzten wirklich alles aus. Zunächst die diversen Rutschen, dann die Sprungtürme, anschließend sonnten wir uns ein wenig und starteten das Programm von vorne. Es war ein herrlicher Nachmittag. Ich vergaß alle meine kleinen Sorgen und genoss einfach die Stunden mit meinen neuen Freunden.

Aber so schön es auch war, irgendwann war es auch wieder vorbei. Gegen sechs gingen wir aus dem Bad raus. Wir gingen dann noch gemeinsam zu Micha, holten unsere Sachen und trennten uns dann.

Zuhause angekommen stellte ich fest, dass Dad noch nicht da war. Musste wohl länger arbeiten. Durch die sportlichen Aktivitäten hatte ich heute einen Mordshunger und verspeiste meinen Teil von den restlichen überbackenen Nudeln. Es schmeckte köstlich.

Ich verbrachte den restlichen Abend vor dem Fernseher und irgendwann kam dann auch Dad. Wir schauten noch etwas gemeinsam, dann verabschiedete ich mich nach oben und schlief auch recht schnell ein. Ich träumte in dieser Nacht von Lukas, wie er im Freibad so vor mir stand. Und ich träumte gut!

Der Wecker ließ mich unsanft aus meinem schönen Traum erwachen. »Mist, schon wieder aufstehen.« Das einzig Positive daran war, dass heute Freitag war und das Wochenende mit riesigen Schritten vor der Tür stand. Und damit natürlich auch die Party am Samstagabend. Das baute mich dann doch wieder ein wenig auf.

Ich quälte mich also aus meinem kuschelig warmen Bett und begann die allmorgendliche Prozedur. Nach der gründlichen Wäsche und einem kleinen Frühstück gings dann los zur Schule. Und schon wieder verpasste ich Lukas.

Ich musste mich mal mit ihm absprechen, wann er ging. Na ja, wie dem auch sei, ich erreichte also bald die Schule und kam gerade noch rechtzeitig zum Unterrichtsbeginn. An meiner Pünktlichkeit musste ich echt noch arbeiten.

Man merkte an jeder Ecke, dass heute Freitag war. Weder die Lehrer hatten den rechten Elan, noch hatten die Schüler großartig Lust, die erste Woche nach den Ferien im Stress ausklingen zu lassen. Es war wie ein geheimes Stillhalteabkommen. Tu du mir nicht weh, dann mach ich dir auch nichts...

Dennoch zogen sich die Stunden wie Kaugummi, irgendwann war es aber dann geschafft. Der Gong beendete die letzte Stunde und alle versuchten, das Schulgebäude so schnell wie nur irgendwie möglich zu verlassen.

Ich brauchte mal wieder am längsten, was aber kein Problem war, da Lukas und Micha noch auf mich warteten. »Herr Berger, mach mal hin. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit, auf seine Hoheit zu warten.« »Ist ja gut, komme schon.«, erwiderte ich und packte meine letzten Sachen in die Tasche. Dann verließen wir das Gebäude und trafen im Hof auf Hannes und Katrin, die schon auf uns warteten.

»Sagt mal, Girls,«, fing Hannes an, als wir alle zusammen standen, »habt ihr für heute Abend schon was vor? Ich habe gelesen, dass im Kino ein neuer guter Film mit Arnold startet. Den will ich mir unbedingt anschauen. Kommt noch einer mit?« Lukas grinste und sagte leise zu mir gebeugt: »Arnold Schwarzenegger ist sein absolutes Idol. Naja, kilomäßig kommt's ja fast hin...«

Micha war sofort vom Kino Feuer und Flamme und auch Lukas sagte zu. Nur Katrin entschuldigte sich damit, dass sie noch einige Vorbereitungen für Morgen zu treffen hätte. Und dann war ich an der Reihe. Ich überlegte.

Auf der einen Seite hatte ich natürlich Lust, mit den anderen ins Kino zu gehen. But on the other hand musste ich mal ein bisschen langsam tun. Ich hatte zwar Lukas den Zehner zurückgegeben, dennoch hatte der Schwimmbadbesuch gestern ein größeres Loch in mein recht enges Budget gerissen. Und Kino war nun mal auch nicht billig. Da ich auch nicht schon wieder Geld pumpen wollte, musste ich wohl in den sauren Apfel beißen.

»Tut mir Leid, Jungs. Aber ich...ääh...habe heute schon was mit meinem Dad vor.« »Ooh, Schade.«, sagte Lukas. Soll nicht sein, vielleicht das nächste Mal.

Wir verabschiedeten uns voneinander, wobei Hannes, Lukas und Micha sich noch auf einen Treffpunkt einigten und gingen dann jeder nach Hause. Ihr könnt euch vorstellen, wie mir zumute war. Aber gut, was sollte ich machen?

Meine Laune war dementsprechend. Den Rest des Tages habe ich zunächst mit den elenden Hausaufgaben verbracht und anschließend zusammen mit Dad die Wäsche erledigt. Dabei haben wir auch Lukas Shirt gewaschen und allein der Gedanke an ihn besserte meine Laune etwas. Dann haben wir uns noch was zu essen gemacht und einen gemütlichen Fernsehabend eingeschoben.

Ich ging aber recht zeitig ins Bett, weil ich wirklich schon müde war. Meine schlechte Laune hatte sich um einiges gebessert und da war ja schließlich noch was, auf das ich mich freuen konnte. Morgen würde die Party bei Katrin steigen und ich würde Lukas wiedersehen. Natürlich auch die anderen, aber vielleicht gab es da eine Möglichkeit, sich mal e n g e r mit Lukas zu unterhalten und noch ein bisschen mehr über ihn rauszukriegen.

»Jawohl, wird morgen ein schöner Tag.«, beschloss ich in Gedanken und mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht schlief ich ein.

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