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Lean on me
Teil 3
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Informationen
- Story: Lean on me
- Autor: Neville
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Coming Out, Lovestory
Inhaltsverzeichnis
- Kapitel 1
- Kapitel 11: "Party Time"
- Kapitel 13 "Invitation"
- Kapitel 14: "Weihnachten und andere Kleinigkeiten"
- Kapitel 15: "Letzte Ausfahrt Paris"
- Nachwort von Nev zu Teil III
Ich ging aber recht zeitig ins Bett, weil ich wirklich schon müde war. Meine schlechte Laune hatte sich um einiges gebessert und da war ja schließlich noch was, auf das ich mich freuen konnte. Morgen würde die Party bei Katrin steigen und ich würde Lukas wiedersehen. Natürlich auch die anderen, aber vielleicht gab es da eine Möglichkeit, sich mal e n g e r mit Lukas zu unterhalten und noch ein bisschen mehr über ihn rauszukriegen, insbesondere was er über mich dachte.
»Jawohl, morgen wird ein schöner Tag.«, beschloss ich in Gedanken und mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht schlief ich ein.
Kapitel 11: "Party Time"
Ich nutzte den Samstagmorgen, um endlich mal richtig ausschlafen zu können. Gottseidank ist mein Vater ein sehr verständnisvoller Mensch und weckte mich nicht auf. Habe ich eigentlich schon einmal erwähnt, dass ich gerne lange schlafe?
Mein knurrender Magen weckte mich dann doch. Ich schaute schlaftrunken auf die Uhr. »Was, schon zwölf?«, konnte ich es selbst nicht glauben und rieb mir die Augen, aber es wurde dadurch nicht früher.
Ich beschloss nach kurzem Abwägen zwischen Aufstehen und Liegenbleiben meinen Magen zu seinem Recht zu verhelfen und stand auf. Nach einer kurzen Morgentoilette war ich in der Lage, mich in der Küche sehen zu lassen. Dort stand Dad am Herd und brutzelte etwas. Es roch wirklich gut.
»Hallo Junior.«, kam es mir gutgelaunt entgegen. »Na, gut geschlafen?« »Danke, wirklich gut. Hatte es aber auch mal bitter nötig bei dem frühen Aufstehen die ganze Woche.« »Hoho, stell dich nicht so an. Wie soll das denn erst werden, wenn du mal arbeiten gehst?« »Gute Frage, stell sie mir bitte noch mal in ein paar Jahren.« Wir lachten und Dad stellte die Pfanne auf den Tisch.
Während des Essens unterhielten wir uns über belanglose Dinge, bis Dad mich plötzlich fragte: »Jonas, sag mal, du gehst doch heute zu dieser Party, oder?« »Ja, hatte ich vor. Warum?« »Naja, gewöhnlich ist es so, dass man dem Gastgeber etwas zu einer Party mitbringt. Hast du irgendwas besorgt?«
»Oh Shit, das habe ich ganz vergessen.«, entfuhr es mir. »Siehst du, ab und zu ist dein alter Herr auch noch für was gut. Hast du noch genug Geld, um was zu besorgen?« Ich zuckte mit den Achseln. »Ääh, wird knapp.«, erwiderte ich ein wenig verlegen. »Macht doch nichts, hier hast du einen Zehner. Besorg was passendes, am besten was zu trinken.« »Danke, Dad.« sagte ich leise und nahm das Geld.
Der weitere frühe Nachmittag war nichts Besonderes. Nach dem Abwasch machte ich mich auf den Weg in den nahegelegenen Supermarkt und besorgte was zu trinken.
Als ich wieder heimkam, war es auch schon zwei Uhr. Ich hatte also noch genügend Zeit, da die Party erst um sieben beginnen sollte und es eine knappe halbe Stunde zu Fuß zu Katrin war.
Dad war inzwischen weggefahren, da er heute noch irgendwas vor hatte. Ich verbrachte den restlichen Nachmittag mit Musikhören und Lernen, bis es kurz vor fünf war. Es wurde Zeit für ein ausgiebiges Bad. Gründlich gereinigt stand ich eine Stunde später vor meinem Kleiderschrank. Mein Gott, was für ein Anblick bot sich da mir, wenn ich meine Sachen mit denen von Lukas verglich.
Ich seufzte. »Also gut, machen wir das Beste daraus.«, sagte ich zu mir und holte meine schwarze Jeans raus, da sie noch am neuesten war. Dazu ein dunkles Shirt und obendrüber ein schwarzes Fila-Hemd, das ich zu meinem letzten Geburtstag geschenkt bekommen hatte. »Ja, doch, müsste gehen.«, sagte ich zu mir, als ich mich im Spiegel begutachtete. »Nicht toll, aber das Beste, was man daraus machen kann.«
Nach dieser Modenschau wurde es auch schon Zeit loszugehen. Ich zog mir daher noch meine besten Schuhe an und verließ unsere Wohnung und machte mich auf den Weg zu Katrin. Ich brauchte eine gute halbe Stunde, aber ich ließ mir auch Zeit. Ich wollte nicht zu früh, aber auch nicht zu spät kommen. Kurz vor sieben war ich dann an der Haustür. Es stand von meinen Klassenkameraden keiner davor, so dass ich beschloss zu klingeln. Ich hörte, wie der Gong ertönte und während ich wartete, betrachtete ich mir das Haus.
Wie auch bei Lukas war auch dieses Haus sehr groß gebaut, aber irgendwie in einer ganz anderen Art, viel moderner. Es gefiel mir auf Anhieb. Sicher hatte Katrins Familie hier viel Platz. Dabei fiel mir auf, dass ich eigentlich von Katrins Familie überhaupt nichts wusste; was ihre Eltern machten, ob sie noch Geschwister hatte etc... Ich notierte mir in Gedanken, mit meinen Freundschaften nicht mehr so oberflächlich zu sein.
Während ich so in meine Gedanken versunken war, sah ich, wie ein Schatten eine Treppe im Innern runter lief. Kurze Zeit später öffnete sich auch die Tür und ein Junge strahlte mich an. »Hallo.«, sagte er, »ich schätfe, du wollteft zu Kat'f Party?« »Ja.«, sagte ich, während ich mir ihn ein wenig näher anschaute.
Ich schätze ihn auf etwa 15, also etwa ein Jahr jünger als ich. Er hatte kurze, pechschwarze Haare, eine absolut niedliche Stupsnase und viele Sommersprossen in einem schön geschnittenen, offenen Gesicht. Dazu kamen blaugrüne Augen, in denen man Baden konnte. Unverwechselbar war er ein Bruder von Katrin; alleine schon die Sommersprossen verrieten ihn. Er war nicht allzu groß, höchstens etwa 1,60m, aber er würde ja bestimmt noch wachsen. Insgesamt ein sehr hübscher Junge und ich musste mich richtig konzentrieren, ihn nicht anzustarren. Und absolut süß war, dass er ein wenig lispelte. Nicht stark, aber dennoch hörbar. Ich schmunzelte.
»Kannst du mir zeigen, wo ich hin muss?«, fragte ich ihn. »Wie, hat ef dir denn keiner gefagt?«, fragte er mich. »Was gesagt?« »Na, daf die Party nicht ftattfindet!« »Nein, das ist das erste, was ich höre.«, sagte ich enttäuscht und wollte schon wieder gehen.
»Hey, hiergeblieben!«, rief er mir hinterher, als ich mich schon zum Gehen umgedreht hatte. »War doch nur ein Scherz; die Party findet natürlich ftatt.«
Ich war echt erleichtert, denn ich freute mich wirklich auf die Feier. »Kannst du mir dann jetzt sagen, wo ich hin muss?« »Aber Klaro, komm mit. Ein paar von den anderen find fon da.« Er ließ mich in das Haus rein und schloss hinter mir die Tür.
»Ich heife übrigens Robin.«, sagte er, während wir die Treppe zum Partykeller runtergingen. Dort angekommen deutete er auf eine Tür, aus der schon Musik zu hören war. Robin sagte noch: »Viel Fpaf noch; ich komme fpäter auch nach.«, und ging dann wieder nach oben. Ich öffnete die Tür und betrat den Keller.
Die Musik schwoll an, als ich die Tür öffnete. Unverkennbar einer dieser »Kennste-einen-kennste-alle« Sampler. Ich schätzte den Keller auf gute 70 m². Katrin hatte ihn wirklich schön dekoriert und neben einer kleinen Theke hatte sie zwei große Tische zusammengeschoben, auf der buffetmäßig Essen und Getränke abgestellt waren. Weiterhin standen in dem Keller noch eine riesige alte Couchgarnitur, die aber echt gemütlich aussah.
Von dem Buffet bediente sich gerade Hannes und sein Teller schien unter der schweren Last zusammenzubrechen, so voll hatte er ihn geladen. Er strahlte über beide Backen. Sonst waren noch nicht viele da. Erfreulicherweise auch nicht Matthias und Co.
Lukas stand an der Theke und unterhielt sich mit Katrin. Ich stand noch in der Kellertür und schaute mich um. Jetzt entdeckte mich auch Katrin und winkte mir zu. Ich ging zu ihr, gab ihr mein Gastgeschenk und anschließend unterhielten wir uns.
Im Laufe der nächsten halben Stunde wurde es immer voller, bis fast alle da waren. Glücklicherweise fehlten nur Matthias, Dieter und Henning. Es war eine tolle Stimmung und die Musik war auch klasse ausgesucht. Katrins Bruder Robin hatte seine Anlage aufgebaut und legte ein wenig CD's auf. Er machte das echt gut und hatte einen tollen Musikgeschmack. Gefiel mir! Ich blickte zu ihm rüber und hob den Daumen, als er mich fragend anschaute. Dankbar lächelte er mich an und war dann schon wieder in seine CD-Sammlung abgetaucht.
Die Stimmung wurde immer gelöster und als Micha mit seinen berühmt-berüchtigten Partyspielchen anfing, war gute Laune garantiert. Ich lachte Tränen, als Micha gegen Mark bei einem Videospiel antrat, bei dem man auf so einer Matte die Tanzschritte nachmachen musste, die das Spiel vorgab. Es war saukomisch, wie die sich einen abzappelten. Die anderen lagen vor Lachen auf dem Boden. So ging das noch eine ganze Zeit weiter.
Aber ich hatte für heute ja noch was Spezielles vor. Also blickte ich mich nach Lukas um. Nach kurzem Suchen sah ich ihn alleine auf der Couch sitzen, sich mit seinem Buffetteller beschäftigend. Die anderen standen an der Theke bzw. sahen Micha und Mark zu, so dass sich niemand außer Lukas bei der Couch aufhielt.
Die Gelegenheit war günstig und ich wollte sie nicht verstreichen lassen. Während ich Richtung Couch ging, bekam ich wieder meine Angstattacken. »Laß es einfach, du blamierst dich bloß. Was ist, wenn er jetzt sagt, dass er dich nicht als Freund mag; oder noch schlimmer, wenn er sagt, er hat eine Freundin?«, sagte das Teufelchen auf meiner linken Schulter.
»Egal, irgendwann musst du ihn mal näher befragen, also warum nicht jetzt?«, sagte das Engelchen auf meiner rechten Schulter. Mit einem nur für mich hörbaren »Plopp« verschwanden die beiden und ich überlegte, wem ich Recht geben sollte. Ich entschied mich dann doch für die Klärung und ging zu Lukas.
»Hi.«, sagte ich zu ihm. »Und schmeckt's?« »Ja, super. Katrin hat sich echt Mühe gemacht.« »Ja, sie ist echt klasse.« »Kann ich mich zu dir setzen?« »Aber klar doch, komm.«, sagte er und rückte ein wenig, so dass ich mich neben ihn setzen konnte. Während er still weiter aß, überlegte ich, was ich nun sagen sollte.
»Du, Lukas...« »Ja?« »Sag mal, äh..., denkst du, dass jeder Mensch im Leben mal einen zu ihm passenden...Partner... findet?« Ich schaute ihm in die Augen (in denen ich ertrinken könnte).
Er überlegte einen Moment, während er weiter aß. »Hm..., schwierige Frage. Ich denke schon, dass der Mensch nicht zum Alleinsein bestimmt ist. Aber es gibt genug Leute, die keinen Partner finden oder wollen. Aber warum fragst du, hat es dich erwischt?«
Uups, das saß. Was sollte ich jetzt antworten? »Äääh......nein....weiß nicht...«
»Aha.«, meinte Lukas nur trocken. »Alles klar!«
Habe ich eigentlich schon mal erwähnt, dass ich ein Meister der Kommunikation bin? Jeder Affe mit einem IQ von fließendem Wasser hätte sich geschickter angestellt.
Ich beschloss, nun alles auf eine Karte zu setzen und holte tief Luft. »Und wie..., wie sieht es bei dir aus; ich meine, äh..., hast du schon jemanden für dich gefunden?« Er verschluckte sich fast. »Holla, du bist aber auch gar nicht direkt, oder?«
»E...Entschuldigung.«, stammelte ich, total unsicher geworden. »Aber ich bin halt neugierig.« »Also, mein neugieriger Freund, dann werde ich mal auf deine Frage antworten. Nein, ich habe noch keine Freundin, falls du dass meinst.«
Ich atmete erleichtert auf. Ich glaube, selbst Hannes am Buffet (warum steht der schon wieder da?) konnte das Plumpsen des Gebirges von meinem Herzen hören. »Oh...,«, antwortete ich. »und warum? Ich meine, du bist ein supernetter Kumpel, siehst spitzenmäßig aus, bist intelligent...«
»Ach komm, so isses doch auch wieder nicht. Aber ich weiß nicht.«, sagte er, »vielleicht war einfach noch nicht das Richtige für mich dabei, keine Ahnung.« »Aha.«, sagte ich, nun ein wenig selbstsicherer geworden. Jetzt ging ich in den Schlussspurt...
»Und könntest du dir...(ich zögerte)... dir auch vorstellen, mit einem...«
weiter kam ich nicht, denn just in diesem Moment hatte Hannes uns entdeckt, steuerte zielstrebig auf uns zu und zwängte sich zwischen uns. »Hi, Jungs. Hoffe, ich störe euch nicht bei was wichtigem?«
Ich hätte ihn in diesem Moment am liebsten gegen die Wand geklatscht. Aber leider war er dafür viel zu groß und schwer und er würde sich mit Sicherheit wehren.
»Nein, nein, Hannes. Alles o.k., aber Flo wollte mich gerade noch was fragen.«, sagte er und ich merkte, wie die Augen von Lukas und Hannes auf mir ruhten.
Toll, die Gelegenheit war jetzt im Ars…
Ich schaffte es noch »Oh, nicht...so...wichtig.«, zu stammeln, bevor ich schnell aufstand und Richtung Theke ging. Ich wollte nur weg, bevor es zu peinlich wurde.
Ich sah nur über die Schulter, wie sich Hannes und Lukas verblüfft ansahen und mit den Schultern zuckten.
Ich war wie benommen. Just in dem Moment, in dem es für mich um viel geht, kommt mir jemand dazwischen und ich traute mich wieder nicht. So eine gute Gelegenheit kommt nicht mehr so schnell wieder, wurde mir rasch klar. Es war aber auch zum ...(Vulgärsprache für Erbrechen).
Noch mal Lukas an diesem Abend auf das Thema anzusprechen, dazu traute ich mich nun nicht mehr. Mein Selbstvertrauen reicht gerade mal für einen Versuch. Ich stand also an der Theke und schüttete mir einen O-Saft nach dem anderen rein. Glücklicherweise mag ich keinen Alkohol, denn sonst hätte ich mich heute wohl besinnungslos zulaufen lassen.
Die Party war dann noch recht schön, leider bekam ich nicht mehr allzu viel mit. Für mich war die Feier gehalten, da ich mit meinen Gedanken überall, nur nicht auf der Party war. Gegen zwölf leerte sich dann der Keller und ich nutzte auch die Gelegenheit, zu gehen. Ich verabschiedete mich noch von den übrig gebliebenen und ging dann.
Auf dem Nachhauseweg in der frischen Luft ließ ich dann noch mal das Gespräch mit Lukas Revue passieren. OK, da war ja zunächst, dass er keine Freundin hatte. Pluspunkt für mich. Weiterhin hatte er noch nicht den passenden PARTNER gefunden. Im Grunde genommen auch ein Pluspunkt für mich. »Also, Flo, sieh das mal nicht so negativ.«, sagte ich in Gedanken zu mir. Diese Überlegungen besserten meine Laune ein wenig und einigermaßen gutgelaunt kam ich dann Zuhause an.
Während der Nacht konnte ich nicht viel schlafen; immer wieder ging ich in Gedanken das kurze Gespräch mit Lukas durch. Ich nahm mir vor, bei einer passenden Gelegenheit dieses Gespräch fortzusetzen. Wenn ich denn jemals wieder den Mut dazu aufbringen würde. Irgendwann schlummerte ich dann doch ein.
Kapitel 13 "Invitation"
Am nächsten Schultag nahm mich Lukas nach der ersten Doppelstunde kurz zur Seite. »Sag mal, Flo, habe ich dir irgendetwas getan?« »Warum?« »Na, weil du gestern nach unserem Gespräch so verstört gewirkt hast und dich dann auch so schnell abgemacht hast.«
»Ach Lukas...(seufz), nein, es ist nichts.« Ich senkte den Kopf, während ich dies sagte. Ich war den Tränen nahe.
»Ach komm schon, ich merke doch, das dich was bedrückt. Hast du kein Vertrauen zu mir?« »Doch, wirklich, aber...es geht einfach nicht; vielleicht später.«
»Du musst es ja wissen, aber etwas wollte ich dir noch sagen: ich bin immer für dich da, wenn du mich brauchst! Versprochen!«
»Danke, Lukas!«, sagte ich und wir drückten uns ganz kurz. Ich war echt gerührt von dieser Szene und es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte losgeheult wie ein Schoßhund. Ich war innerlich wie gespalten.
Der Rest des Schultages ging ganz an mir vorbei, ich bekam irgendwie überhaupt nichts mit. Ich musste immerzu nur an diese Geste von Lukas denken. Das die anderen nicht mitbekamen, wie es um mich stand, grenzte schon an ein größeres Wunder.
Auch die nächsten Schultage verliefen in mehr oder weniger geordneten Bahnen. Ich hatte mich inzwischen wieder einigermaßen unter Kontrolle, aber eins hatte ich ganz klar erkannt: ich hatte mich total in Lukas verknallt.
Bedingungslos. Willenlos. Mit ganzem Herzen.
Allein seine Anwesenheit machte die Schule erträglich und gleichzeitig aber auch unerträglich, denn er war ja da und ich sah ihn jeden Tag. Klingt verrückt, oder?
Irgendwie arrangierte ich mich aber mit der Situation. Zwar nahm ich mir jeden Tag halbherzig vor, Lukas meine Liebe zu gestehen, aber es kam nicht dazu. Gelegenheiten hätte ich wohl reichlich gehabt, denn Hannes, Lukas, Micha , Katrin und ich verbrachte eigentlich die meiste Freizeit zusammen. Wir wurden echt gute Freunde. Ich redete mir aber immer ein, dass jetzt nicht der passende Moment wäre.
Jetzt hört schon auf, mich auszuschimpfen. Ja, ich bin ein Feigling. OK.
Aber es sollte einfach nicht sein. Irgendwann gab ich mich mit der Rolle des stillen Bewunderers zufrieden. Im Moment reichte es mir, Lukas nahe zu sein.
Kennt ihr die TV-Serie »Ally McBeal«? O.k. O.k., über Geschmack lässt sich streiten, aber mir gefällt die Serie. Na jedenfalls gibt es dort die Figur des John Cage (genau, das »Gummibärchen«). Dieser hatte sich unsterblich in die schöne Nelly verliebt, sich aber auch nicht getraut, es ihr zu sagen. Er hat sich ebenfalls mit der Rolle des »Stillen Bewunderers« begnügt. Er wollte dies nicht zerstören. Genauso fühlte ich mich auch. Ich wollte Lukas einfach als Freund nicht verlieren.
Ihr könnt euch aber vorstellen, wie schwer dies für mich war. Aber irgendwie ging es Tag für Tag weiter, wobei die Nächte für mich furchtbar waren. Ich sehnte mich nach ihm. Ich brauchte ihn.
Dann kam jedoch dieser schicksalhafte Donnerstag. Je mehr ich heute darüber nachdenke, desto bestimmter muss ich sagen, dass es dieser Tag war, der mein Leben verändern sollte. Zumindest war er der Auslöser.
Seit der Party waren gute zwei Wochen vergangen. Wir hatten gerade Mathe hinter uns gebracht und warteten jetzt auf unsere Dosis Französisch. Es war noch Pause und die meisten standen oder saßen einfach nur im Klassenraum herum, unterhielten sich oder aßen etwas, als auch schon die Levevrè mit stürmischen Elan in den Klassenraum eilte und die Tür hinter sich zuknallte.
»Nanu, was will die denn schon hier?«, fragte Hannes ganz entsetzt und Matthias, der sich auf seinem Stuhl rumgeflätzt hatte, wäre vor Schreck bald vom Stuhl gefallen. Nicht, dass es mir leid getan hätte...*g*
»Ah, isch sehe, sie sind schon alle da. Bon, denn isch abe noch etwas mit ihnen zu besprechen, bevor le Stunde anfängt.« Wir schauten sie erwartungsvoll an. Sollte sie etwa ankündigen, uns nicht mehr unterrichten zu können? Wäre zu schön, um wahr zu sein, obwohl ich persönlich keine Probleme mit ihr hatte, auch wenn sie manchmal etwas stressig war.
»Alors, sie wissen ja noch, dass wir gegen Ende des letzten Schuljahres besprochen atten, diese Jahr nach diese formidable Paris zu fahren. Isch abe mir Material zuschicken lassen und auch schon eine Tour ausgearbeitet. Ihr bekommt jetzt eine Merkblatt, wo c‘est alles geregelt und aufgeschrieben ist. Bitte lest es euch durch, besprecht es mit euren Parents und gebt diese Zettel unterschrieben nächste Mal retour.
Sie teilte die Zettel aus und begann dann schon mit ihrem Unterricht. Ich überflog den Zettel. Es war der von ihr beschriebene Anmeldebogen für die Parisfahrt. Danach sollte die Fahrt unmittelbar nach den nächsten Weihnachtsferien Anfang Januar stattfinden. Vorgesehen war eine gute Woche. Das geplante Programm sah wirklich toll aus. Stadtbesichtigung, Louvre, Versailles, Eifelturm etc...Es war auch eine Kurzbeschreibung der Unterkunft angegeben: einer Art Jugendherberge in der Nähe des Künstlerviertels Montmartre.
Ich war begeistert. Frankreich und insbesondere Paris hatten mich schon immer interessiert und jetzt die Möglichkeit zu haben, in diese aufregende Metropole reisen zu können, war atemberaubend.
Falsch, hätte atemberaubend sein können, wenn es da nicht ein kleines Problem geben würde. Ganz am Ende der Beschreibung war nämlich der Geldbetrag ausgewiesen, mit dem unsere Eltern zu rechnen hätten. Ich schluckte.
Ich schluckte noch mal, aber es wurde dadurch nicht weniger. Ich wusste sofort, dass sich mein Vater diese Fahrt niemals leisten konnte. Verdammt, warum passiert sowas immer mir. Kaum freue ich mich mal auf was in meinem Leben und schon entgleitet es mir aus den Fingern.
Ich steckte den Zettel mit einem tiefen Seufzen (was mir einen vorwurfsvollen Blick von Katrin einbrachte) in meine Mappe und versuchte, mich nun wieder auf den Unterricht zu konzentrieren. Gelang mir aber nicht sonderlich gut, denn in Gedanken beschäftigte ich mich immer noch mit der Fahrt.
Zuhause las ich mir am Abend den Zettel noch mal durch. Ich überlegte lange, ob ich ihn Dad zeigen sollte. Ich beschloss, es dann aber doch zu lassen. Ich wollte ihn nicht in eine Zwickmühle bringen und er wusste eh genau, dass wir in unserem Leben auf einiges verzichten mussten. Also war die Sache für mich erledigt. Ich musste jetzt nur noch zusehen, dass ich mir eine Ausrede für die Schule einfallen ließ.
Habt ihr eine Vorstellung davon, wie peinlich es ist, wenn man so eine Fahrt absagen muss, nur weil man sie sich nicht leisten kann?
Diese Peinlichkeit wollte ich mir einfach nicht geben, also musste eine Ausrede her. Mir fiel aber auf die Schnelle nichts Passendes ein, aber ich hatte ja noch Zeit bis zur nächsten Franz-Stunde.
Unglücklich schlief ich diese Nacht ein.
Die nächsten Tage verliefen ganz normal, bis es auch schon wieder Dienstag war und die nächsten Franz-Stunden anstanden. Ich hatte die Anmeldungssache ganz vergessen und erst als die Levevrè reinkam und die Zettel von den anderen einsammelte, fiel es mir siedend heiß ein.
»Shit, was mache ich jetzt?« Die Lev war mittlerweile an meinem Tisch angekommen und steckte den Zettel von Katrin zu den anderen. Dann blickte sie mich an. »Et toi, Jonas, ou est deine Blatt?«
»Ich...ääh...ich habe vergess..., ich meine, es geht nicht, wegen...ääh...«
Aus der ersten Reihe hörte ich einen Aufschrei der Freude über meine gelungene Darbietung. Henning lachte sich kaputt. Das bemerkte auch die Lev und drehte sich um. »Enning, ören sie auf zu Lachen. Machen sie lieber ihre Aufgaben, die aben sie sowieso vergessen.« Schlagartig verstummte Henning und setzte sich wieder richtig herum. Die ganze Aktion hatte jedoch erreicht, dass nun fast alle Augen auf mich gerichtet waren.
Die Lev bemerkte dies auch und wandte sich nun wieder mir zu. »Alors, Jonas, wir müssen darüber noch sprechen, nischt war? Kommen sie bitte nach diese Stunde zu mir, compris?«, und lächelte mich freundlich an.
Die Lev stieg in meinem Ansehen um etwa 50 Punkte.
Der Unterricht verlief recht normal, nur dass die Lev Henning heute besonders oft drannahm. Und er machte nicht gerade eine gute Figur...*g*
Ruck zuck näherte sich die Doppelstunde aber ihrem Ende und der Pausengong erlöste Henning von seinen Leiden. Wir packten alle unsere Sachen zusammen, da wir uns nun wegen der unterschiedlichen Fächer trennen und den Raum wechseln mussten, aber ich hatte ja noch meinen Date mit der Lev.
Als alle anderen aus der Klasse raus waren, ging ich dann mit meiner Tasche zum Lehrerpult. »Also, Jonas, was ist los?«, begann sie und schaute mir in die Augen.
Ich wurde verlegen. Sollte ich sie jetzt anlügen? Andererseits, was gingen sie schon meine Probleme an, ist doch meine Sache. *Trotz*
»Ähm, ja, Frau Leverè, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber...« »Aber was?« »Naja, ich kann nicht mitfahren!« »Et pourquoi?« »Ich ääh...ich muss meinem Vater helfen und kann daher nicht mitkommen!«
»Aha«, sagte sie und ich wusste, dass sie es mir nicht abnahm. Sie schaute mich durchdringend an. »Bon, es ist deine Entscheidung. Aber es ist sehr schade, dass du nicht mitkannst. Du bist einer meiner besten Schüler und isch ätte dich gerne dabeigeabt.«
»Ja, echt schade. Ich wäre auch gerne mitgefahren, aber es geht einfach nicht.« »OK, wie du meinst. Dann bis zur nächsten Stunde, Jonas.« Damit war das Gespräch beendet und ich machte mich auf zur nächsten Stunde. Ich war zwar ganz gut aus dieser Situation herausgekommen, dennoch hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich die Lev angelogen hatte. Und ich wäre doch wirklich gerne mitgefahren... Außerdem mochte ich die Lev und auch ihren Unterricht und ich fand es ihr gegenüber im Nachhinein nicht fair. Aber jetzt war's ja eh zu spät.
Die restlichen Schulstunden passierte nicht mehr viel, außer dass Henning seinen Franz-Frust an mir auslassen wollte und anfing, Streit zu suchen. Glücklicherweise war aber Hannes in meiner Nähe und so trollte sich Henning schnell wieder.
Der restliche Schultag brachte keine weiteren Aufregungen und auch die nächsten Tage waren sehr angenehm. Das Wetter war Klasse und unsere Clique unternahm viel zusammen.
Als ich am Freitagabend heimkam, saß Dad im Wohnzimmer im Sessel und schaute Fernsehen. Nichts bewegendes, wie ich auf den ersten Blick erkennen konnte.
»Hi Paps, bin wieder da!« »Hallo Junior, und, schönen Tag gehabt?« »Ja, war echt klasse. Ich will dann mal nach oben mich duschen.«
»Wartest du mal einen Moment, Jonas. Ich habe noch etwas mit dir zu besprechen.«
Uups, das hörte sich aber gar nicht gut an. Hatte ich irgendetwas verbrochen? Ich überlegte fieberhaft, aber mir fiel einfach nichts ein. Man könnte sogar sagen, dass ich richtig brav war. Ich setzte mich auf die Couch und wartete, dass Dad anfing.
Er griff zur Wasserflasche, die auf dem Tisch stand und schraubte den Verschluss auf. »Ich hatte heute einen merkwürdigen Anruf.«, sagte er und rückte sein Glas zurecht. »Ach ja, von wem denn?«, fragte ich.
»Von einer gewissen Frau Levevrè, kennst du sie?« Er ließ die Worte erst mal auf mich wirken, schüttete sich in aller Ruhe Wasser aus der Flasche in sein Glas und drehte mit einer Engelsgeduld den Verschluss wieder zu, dabei würdigte er mich keines Blickes und konzentrierte sich anscheinend nur auf dieses Zuschrauben.
Ich schluckte. Verdammt, wieso hatte sie ihn angerufen? Was hatte sie ihm erzählt? Also gut, erst mal auf Dumm gestellt. »Hm, ja, kenne ich. Ist meine Französischlehrerin.« In Gedanken notierte ich mir, der Lev wieder alle Punkte abzuerkennen.
»Komisch, dass hatte sie auch behauptet.«, sagte er und gluckste in sich hinein. Als er sich wieder beruhigt hatte, setzte er das Glas an und nahm einen kurzen Schluck. »Und weiter?«, fragte ich ihn. »Erzähl du es mir.«, sagte er und seine Stimme wurde wieder ernst. Er stellte das Glas wieder auf den Tisch und sah mich an.
»Naja, es gibt da so eine Sache...«, druckste ich herum. »Und die wäre?«, fragte er jetzt ein wenig ungeduldiger. Also gut, Butter bei die Fisch. »Es ist eine Klassenfahrt nach Paris direkt nach den Weihnachtsferien geplant.«
»Das hat mir deine Lehrerin auch erzählt. Übrigens, eine sehr nette Frau, habe ich den Eindruck. (Pause) Sie hat mir aber auch gesagt, dass du ihr gesagt hättest, das du nicht mitfahren könntest, weil du mir helfen müsstest.«
»Wow, was für ein Satz.«, dachte ich in Gedanken und hätte normalerweise wohl laut gelacht, wenn die Lage nicht so ernst wäre. Dad hatte mich beim Lügen erwischt. Ganz Toll! Klasse gelaufen!
»Also, ich höre...«, und wieder war der Ball bei mir. Ich atmete tief durch und legte dann mit einem kurzen Seufzen los. »Tja, also gut. Ich würde natürlich wahnsinnig gerne mitfahren, aber...aber die Fahrt kostet einfach so viel Geld und ich... wollte dir nicht so zur Last fallen.« Meine Stimme fühlte sich so belegt an.
Ich war den Tränen nahe, sprach aber weiter. »Ich weiß, wir haben wenig Geld und mit dem wenigen müssen wir doch sparsam umgehen, da war mir die Fahrt dann nicht mehr so wichtig.« Während ich dies gesprochen hatte, hatte ich den Kopf gesenkt. Nun blickte ich auf und schaute in Dad's nachdenkliches Gesicht.
»Ach Jonas.«, sagte er, stand auf und setzte sich neben mich. »Natürlich haben wir wenig Geld. Du weißt, wie ich es bedaure, dir nicht mehr geben zu können. Aber es ist nun mal einfach so. Aber du musst nicht auf alles verzichten. Du hättest ruhig mit mir darüber sprechen können.«
Er nahm mich in den Arm.
Lacht jetzt bitte nicht, weil ein Vater seinen 16jährigen Sohn in den Arm nimmt, während dieser den Tränen nahe ist. Es hat mir unheimlich gut getan und ich merkte wieder einmal, was für ein toller Vater er ist. Doch in solchen Momenten fehlt mir auch meine Mom unheimlich.
»Deine Lehrerin hat übrigens diesen Grund auch vermutet, deshalb hat sie mich angerufen. Und sie hatte einen guten Vorschlag...« »Ach ja?«, ich sah ihm in die Augen. »Ja, es gibt in fast jeder Schule für solche Projekte einen Etat zur Unterstützung finanzschwächerer Eltern und sie will sich darum kümmern, das wir einen Zuschuss für dich daraus bekommen. Und den Rest kriegen wir auch noch zusammen.«
Ich war hin und weg. Zu viele Gedanken gingen mir durch den Kopf. »Meinst du wirklich...?« »Ja, Jonas. Das klappt schon.« »Danke, Dad.« Wir umarmten uns. »Du musst nicht mir danken, sondern deiner Lehrerin. Hätte sie mich nicht angerufen, wüsste ich ja nichts davon.«
*Für‘s Protokoll: die Lev kriegt die Punkte zurück.*
»Aber Jonas, noch was.« »Ja, was denn?« »Wenn du mal wieder sowas hast, sprich doch bitte mit mir. Gemeinsam können wir die Probleme doch irgendwie lösen, nur alleine ist es immer schwer.«
Ich merkte, wie ich wieder unsicher wurde. Sicher hatte Dad recht. Sollte ich ihm jetzt auch sagen, dass ich schwul bin und mich in meinen Klassenkameraden und besten Freund verliebt hatte? Aber ich brachte es irgendwie nicht übers Herz, mit Dad über das Thema zu sprechen. Nicht jetzt!
Wir saßen so noch einen Moment zusammen, dann ging ich nach einer Weile duschen und der Rest des Tages verlief dann wieder normal.
Während ich spät abends im Bett lag, ging ich die Unterhaltung noch mal in Gedanken durch. Irgendwann musste ich mal Stellung beziehen, das war klar. Aber ich war einfach noch nicht soweit. Aber es gab ja jetzt auch was, auf das ich mich freuen konnte: die Klassenfahrt. Und ich freute mich wirklich darauf.
Glücklich schlief ich ein.
Am nächsten Dienstag hatten wir wieder Französisch. Als die Lev reinkam, begrüßte sie uns ganz normal. Während die anderen ihre Sachen rausholten, sah ich die Lev an und just in diesem Moment blickte auch sie mir in die Augen. Sie lächelte und ich konnte mir ebenfalls ein Lächeln nicht verkneifen. Verlegen blickte ich um mich. Keiner von den anderen hatte was davon mitbekommen, außer Katrin, die ganz überrascht zuerst die Lev und anschließend mich mit großen Augen ansah, aber nichts sagte.
Nach der Stunde war ich wieder der Letzte, was diesmal aber beabsichtigt war. Während die anderen schon lautstark in die Pause stürmten, ging ich noch nach vorn zum Lehrerpult, wo die Lev ebenfalls mit Einpacken beschäftigt war.
»Danke, Frau Leverè.«, sagte ich leise. Sie blickte auf, lächelte mich an und sagte: »Alles okay, abe isch doch gerne gemacht. Bist du mir böse, dass ich deinen Vater angerufen abe?« »Nein, wirklich nicht. Danke noch mal!« »De rien. Aber sag es niemanden weiter, sonst verliere ich noch meine schlechte Ruf!« Wir lachten beide und zusammen verließen wir den Klassenraum.
Kapitel 14: "Weihnachten und andere Kleinigkeiten"
Von den nächsten Wochen gibt es nicht sonderlich viel zu berichten. Unsere Clique unternahm sehr viel zusammen, wir trafen uns sogar auch bei mir, obwohl das in meinem kleinen Zimmer ziemlich umständlich war. Hannes fand es aber jedes Mal nur »saugemütlich« und es machte auch den anderen nichts aus. Bei diesen Gelegenheiten lernte auch mein Dad meine Freunde kennen und natürlich auch umgekehrt. Sie fanden sich auch auf Anhieb sympathisch.
Der Sommer näherte sich allmählich dem Ende und es wurde Herbst. Nach den viel zu kurzen Ferien kam dann die Zeit der ganzen Arbeiten. Insbesondere Katrin und ich lernten viel zusammen, weil wir uns gegenseitig unheimlich gut ergänzten. Wir waren beide in allen Fächern recht gut und halfen uns beim Lernen optimal.
Das machte sich auch im Ergebnis bemerkbar, denn wir hatten -ohne dies jetzt arrogant klingen lassen zu wollen- mit Abstand immer die besten Noten, dicht gefolgt von meinen anderen Freunden. Dad wunderte sich bei jeder Arbeit aufs Neue. War ich in Dortmund schon ganz gut in der Schule, war hier der Höhepunkt meiner schulischen Schaffenskraft *g*.
Und auch Lukas war schon ein wenig neidisch. »Sagt mal, ihr zwei, wie macht ihr das eigentlich?«, fragte er nach jeder zurückgegebenen Arbeit, obwohl er wirklich kaum schlechter als Katrin und ich war. »Habt ihr irgendein Verhältnis mit den Lehrern, oder was?«, worauf Kat und ich nur herzlich lachten.
Inzwischen hatten wir auch den Bescheid der Schule bekommen. Ich erhielt die Förderung für die Parisfahrt. Damit stand nun der Reise nichts mehr im Wege und ich freute mich unheimlich darauf.
Durch die Arbeiten war ich auch ausreichend von Lukas abgelenkt. Wir machten zwar immer viel zusammen, aber durch die wenige freie Zeit kam ich überhaupt nicht ins Nachdenken und befand mich somit folgerichtig immer noch in der Rolle des »stillen Bewunderers«.
Ich glaube, er hatte immer noch nichts von meiner Sehnsucht zu ihm bemerkt, obwohl die mit Sicherheit nicht weniger wurde, im Gegenteil. Wenn ich ihn nicht sah, ging es mir richtig schlecht. Aber die anderen hatten von meinem gefühlsmäßigen Zustand Gottseidank nichts erfahren beziehungsweise dachten, dass ich etwas anderes auf dem Herzen hätte.
Es war nun kurz vor Weihnachten und der letzte Schultag stand bevor. Die Lehrer hatten alle schon abgeschaltet und waren nur darauf bedacht, diesen Tag so unbeschadet wie nur irgendwie möglich zu überstehen. War uns nur recht. Es gab so ein geheimes Stillhalteabkommen: tut ihr mir nicht weh, tu‘ ich euch auch nicht weh.
Es war die letzte Pause und unsere Clique stand auf dem Pausenhof zusammen. Hannes kaute gerade sein Brot, als er mit halbvollem Mund anfing: »Sagt mal, Kinder, was macht ihr eigentlich über die Ferien?« Lukas strahlte bei dieser Frage über beide Backen. »Wir fahren über die Ferien in den Skiurlaub in die Schweizer Berge, morgen geht's schon los.«
Das versetzte mir einen Schock. Ich war tief enttäuscht. Toll, jetzt hatten wir schon mal Ferien und Lukas war weg. Ich glaube, meinem Gesichtsausdruck sah man ganz deutlich an, dass ich traurig war. Er verstand das jedoch falsch. »Oh sorry, Flo. Ich wollte dich jetzt nicht neidisch machen...« »Nein, ist schon okay.«, antwortete ich. Aber es war alles andere als OK. Shit, aber was sollte ich machen.
Es stellte sich heraus, dass auch Hannes und Katrin mit ihren Eltern in den Ferien wegfuhren und Weihnachten gar nicht Zuhause waren. Ganz toll, da war ich dann alleine; Ferien ohne Freunde. Shit! Die anderen versuchten mich noch ein wenig aufzubauen, gelang ihnen aber nicht so recht.
Kurz danach war auch die letzte Schulstunde vorbei und wir hatten nun drei Wochen Ferien. Drei Wochen alleine zu Hause ohne meine Freunde. Zu allem Übel musste Dad wahrscheinlich über die Feiertage arbeiten, da durch den Jahresabschluss in der Firma für ihn sehr viel Arbeit anfiel. Ich konnte mich also auf eine sturmfreie Bude freuen, in der nichts los war. Klasse.
Derart deprimiert lief ich Zuhause ein. Ich hatte keinen Plan, was ich eigentlich die ganzen Ferien über Tun sollte. Einen Nebenjob hatte ich auch noch nicht gefunden. Ich war so sauer auf mich und die Welt, dass ich meine Schulsachen erst mal in die Ecke pfefferte, die Anlage anstellte und mich auf mein Bett legte. Dad war noch nicht daheim, so dass die Lautstärke niemanden störte.
Obwohl ich es eigentlich nicht wollte, schlief ich ein und wachte erst auf, als ich unten die Stimme von Dad vernahm. »Jonas, willst du nichts essen?« Das war mein Stichwort. Welch Frage! Etwas verschlafen machte ich mich nach unten in die Küche und setzte mich an den Tisch.
»Tststs, mein Sohn. Am helllichten Tag schlafen, ist die Schule so anstrengend?« »Nöö (gähn), aber irgendwie bin ich heute nicht gut drauf.« »Hmm, dann stärk dich erst mal«, sagte er und füllte meinen Teller, bevor er sich selbst was nahm und sich auf den anderen Stuhl setzte. Wir aßen beide recht schweigsam bevor Paps wieder anfing.
»Du Jonas, wir müssen jetzt noch mal über die Feiertage sprechen...« »Ja, was ist denn?« »Nun, ich hab‘ dir ja schon mal gesagt, dass ich wahrscheinlich auch die Feiertage über arbeiten muss. Heute haben wir auf der Arbeit die Planung gemacht und genauso ist es auch gekommen. Ich bin für alle Tage eingetragen. So blöd das auch ist, aber wir können das zusätzliche Geld ganz gut gebrauchen. Was denkst du? Hätte natürlich den Nachteil, dass du die Feiertage über alleine wärst. Vielleicht können deine Freunde ja mal öfter kommen, oder?«
Ich überlegte, während ich etwas trank. »Nein Paps, macht mir nichts aus. Ist zwar etwas blöde, weil alle meine Freunde weggefahren sind, aber ist schon okay, wirklich. Ich werde die Zeit schon irgendwie rumkriegen.« »Hmm, wie du meinst. Danke!«
Den Rest des Abends passierte nicht mehr viel. Wir sahen noch ein wenig Fern und gingen dann zeitig ins Bett. Als ich dann am nächsten Morgen aufwachte, es war der 23. Dezember, erlebte ich eine Überraschung. Es hatte über Nacht angefangen zu schneien und die ganze Umgebung war wie in Weiß gemalt. Herrlich! Ich liebe Schnee!
Ich stand auf und sog diesen Anblick erst mal in mich auf. Alles schien so verändert, so neu. Dazu schien die Sonne. Kurzum, es war ein herrlicher Wintertag. Ich fühlte mich wieder so, wie ich als kleines Kind war. Zusammen mit Mom und Dad sind wir im Winter oft Schlittengefahren. War eine schöne Zeit, verdammt. Warum konnte es jetzt nicht wieder so sein? Was hatte ich getan, dass sich alles verändert hatte?
Ich hing so noch ein wenig meinen Gedanken nach, bis ich wieder etwas zu mir kam. Dad war natürlich auf der Arbeit. Ich beschloss spontan, die Ferien über mal wieder was für meinen Körper zu tun, zog meine langen Sportsachen an und machte mich auf den Weg nach draußen für einen morgendlichen Lauf.
Es machte unheimlich viel Spaß. Meine Lungen füllten sich mit der frischen Luft und ich genoss jeden Schritt. Zwar musste ich ein wenig aufpassen um nicht auszurutschen, aber nach einiger Zeit machte es mir nichts mehr aus.
Allerdings machte mir mein fehlendes Training schon ein wenig was aus. Schon nach kurzer Zeit musste ich einen Gang zurückschalten, sonst hätte ich nach einem Kilometer zusammengebrochen am Straßenrand gelegen. Aber als ich ein wenig langsamer lief, ging es schon viel besser. »Du musst unbedingt öfters Laufen.«, mahnte ich mir in Gedanken an.
Die frische Luft machte auch meinen Kopf ein wenig freier. Hing ich den letzten Tagen wie heute Morgen auch öfters mal mit schlechter Laune rum, schien das alles nun wie weggeblasen. Ich sprühte vor Freude und Lebensgeister.
Derart gutgelaunt kam ich nach knapp einer Stunde wieder Zuhause an. Nach einer erfrischenden ausgiebigen Dusche war ich bereit, die soeben verbrauchten Kalorien meinem Körper wieder zuzuführen. Es wurde ein wirklich ausgiebiges Frühstück.
Danach stand ich nun vor dem Problem, was ich heute und die nächsten Tage über Treiben sollte. Okay, jeden Tag laufen war jetzt gebongt, aber was dann?
Tja, sonderlich viel Kreativität und großartige Hobbys habe ich nicht. Also erledigte ich das, was eh getan werden musste. Ich kümmerte mich zum einen um den Haushalt, da Dad eh durch die viele Arbeit keine Zeit dafür hatte. Es blitzte und glänzte in allen Ecken. Außerdem musste ich mich noch um ein Weihnachtsgeschenk für Dad kümmern.
Zum anderen standen da eh ein paar Referate und Aufsätze an, also warum nicht schon jetzt diese unangenehme Arbeit erledigen? Ihr werdet mich jetzt natürlich für einen absoluten Streber halten. Welcher Kranke arbeitet denn schon in den Ferien für die Schule? Aber es musste ja doch gemacht werden, also warum nicht schon jetzt?
Ich ließ mir natürlich viel Zeit und arbeitete für die Schule auch gründlich. Ich war deshalb sicher, dass ich auch auf diese Referate eine gute Note bekommen würde. Nebenbei hörte ich viel Musik und ging regelmäßig Laufen.
Zu Weihnachten bekam ich von Dad einige CD's geschenkt, die ich mir schon lange gewünscht hatte. Ich schenkte ihm eine neue Tasche fürs Büro, die ich günstig in einem Geschäft entdeckte.
Ich glaube, er freute sich wirklich sehr. Das Abendessen hatte er großartig vorbereitet. Es gab mein Lieblingsessen und überall hatte er Kerzen angesteckt. Das ganze Haus leuchtete in einem warmen Schein.
Was uns beiden aber zu schaffen machte war, dass es das erste Weihnachtsfest ohne meine Mutter war. Sie fehlte mir und Dad an allen Ecken. Ich glaube auch, dass Dad an diesem Abend weinte. Still und heimlich, nicht vor mir. Aber dennoch merkte ich, wie betrübt er doch war. Mir wurde ganz komisch.
Aber an den nächsten Tagen legte sich diese bedrückende Stimmung ein wenig. Die restlichen Feiertage wurden sogar sehr beschaulich und erholsam. Am besten gefiel mir aber, dass diese Tage bald vorbei sein würden und ich anschließend auf Klassenfahrt gehen konnte. Das hielt mich aufrecht und ich zählte schon die Tage. Mit jedem Tag, der verging, wurde ich ein wenig glücklicher. Ich freute mich eben sehr.
Und dann war es soweit. Das letzte Ferienwochenende stand bevor und am Montag würde es endlich losgehen. Natürlich brauchte ich den ganzen Samstag für die Vorbereitungen. Dad und ich fuhren noch die restlichen Sachen einkaufen, die ich benötigte. Hielt sich aber noch in Grenzen.
Am Sonntag packte ich dann meine Sachen zusammen und versuchte, alles in den alten Koffer zu quetschen, den wir besaßen. Ich brauchte gute drei Stunden, bis schließlich der Koffer abmarschbereit im Flur stand. Völlig geschafft von dieser Anstrengung gönnte ich mir erst mal eine kleine Auszeit und legte mich einfach nur aufs Bett und hörte die CD's, die Dad mir geschenkt hatte.
Während des Abendessens nahm mich Dad noch mal ins Gespräch, keinen Blödsinn anzustellen usw... Das übliche »Sohn-du-bist-jetzt-auf-dich-alleine-gestellt-also-mach-kein-Scheiß« Gebet. Ich versprach ihm natürlich Hoch und Heilig, keinen Blödsinn anzustellen. Warum auch? Hatte ich wirklich nicht vor.
Ich freute mich zu sehr auf die Fahrt, als dass ich das durch einen Scheiß verderben wollte. »Jaja, ich glaube dir ja. Wollte nur sichergehen, dass du mich verstanden hast.«, war dann auch die abwehrende Reaktion von Dad auf mein vorwurfsvolles Gesicht. Der Abend wurde noch richtig gemütlich, bevor ich dann zeitig ins Bett ging. Schließlich musste ich morgen sehr früh raus und ich wollte unbedingt Fit sein.
Als ich dann schließlich im Bett lag, konnte ich erst nicht einschlafen. Ich war viel zu aufgedreht in Vorfreude auf die Fahrt, als dass mich Morpheus gleich in seine Arme nehmen konnte. In Gedanken ging ich noch mal alles durch, ob ich auch ja nichts vergessen hatte. »Nein, alles dabei.«, versuchte ich mich nun zum dritten Mal zu beruhigen.
Aber da war noch etwas anderes, was mich beschäftigte. Ich freute mich auf die Fahrt. Klar. Aber warum? Nun, doch in erster Linie, weil ich in eine aufregende Stadt fahren würde, die ich noch nie gesehen hatte. »Sicher, Flo? Oder ist da noch was anderes?«, sprach ich mit mir selbst. Und wenn ich ehrlich war, da gab es noch einen Grund, der meine aufgekratzte Stimmung erklärte.
Ich würde nun nach den langen Ferien Lukas wiedersehen. Natürlich auch meine anderen Freunde, aber Lukas war das hüpfende Komma. Ich hatte ihn so vermisst, sein Lächeln, sein Blick, seinen Humor, einfach alles.
Und wieder wurde mir schrecklich bewusst, dass ich mich total in ihn verliebt hatte. Aber es konnte so einfach nicht weitergehen. Irgendwann musste es aus mir raus, sonst würde ich noch verrückt werden. Ich musste Lukas auf meine Gefühle zu ihm ansprechen; ihn meine Liebe gestehen. Egal, wie er darauf reagieren würde. Mir wurde in diesem Moment schlagartig bewusst, dass ich endlich innerlich soweit war.
»Jawohl, keine Ausreden mehr. Keine weiteren Ausflüchte. In Paris sprichst du Lukas an!«, war mein fester Vorsatz, den ich in Gedanken immer wieder durchging.
Zufrieden mit mir schlief ich endlich ein.
Kapitel 15: "Letzte Ausfahrt Paris"
Die Nacht war viel zu kurz. Durch meine elend langen Grübeleien bekam mein Körper gerade einmal vier Stunden Schlaf. Viel zu wenig für den armen Flo. Daher dauerte es ewig, bis mein Großhirn registrierte, dass da jemand wie irre an meiner Schulter rüttelte.
»Jooooonas!«, rief da eine Stimme und es klang eher wie ein verzweifeltes Brüllen. »Wenn du nicht bald aufstehst, kannst du zu Fuß nach Paris gehen.« Erst jetzt kam ich ein wenig zu mir. »Wasnlos?«, murmelte ich müde und rieb mir die Augen.
»Es ist kurz vor sechs und du musst jetzt wirklich aufstehen, wenn du rechtzeitig zur Abfahrt kommen willst.« Das weckte meine Lebensgeister. Ich schaute kurz auf meine Uhr und fuhr total entsetzt auf. »Shit, schon so spät. Warum hast du mich nicht geweckt?«, entfuhr es mir, was mir einen wütenden Blick von der Seite einbrachte.
Ich stürzte aus dem Bett, schnappte mir meine frische Unterwäsche, die ich mir schon gestern Abend zurechtgelegt hatte, und machte mich auf den Weg in das Badezimmer. »Ich warte mit dem Frühstück in der Küche auf dich.«, hörte ich gerade noch meinen Vater sagen, bevor ich die Dusche anwarf. Die Müdigkeit war schlagartig verflogen und die Dusche erweckte endgültig alle Lebensgeister in mir.
Leider hatte ich ja nicht viel Zeit, so dass ich mich bei der Morgenwäsche ziemlich beeilen musste. Daher kam ich ein wenig abgehetzt zum Frühstück. Dad hatte Toast gemacht und es gab Eier dazu. Ich war überrascht.
»Womit habe ich denn das verdient?«, fragte ich ihn, aber er lächelte mich nur an. »Dafür, dass du mein Sohn bist und ich dich liebe, natürlich. Aber du sollst auch noch mal was Anständiges für die nächsten Tage in den Magen bekommen.«
»Dad, in Frankreich wird auch gut gegessen. Mach dir da mal keine Sorgen...« Wir lachten beide und nach diesem wirklich guten Frühstück brachen wir auf und Dad fuhr mich mit unserem antiken Golf zur Schule.
Als wir am Bushalteplatz ankamen, sah ich, dass die meisten aus meiner Klasse schon da waren. Auch der Bus stand schon abfahrbereit auf seinem Platz und der Busfahrer war gerade dabei, die Horden von Koffer und Taschen in dem Gepäckraum zu verstauen. Und über allem thronte die Lev.
Sie schien das Chaos zu genießen. Sie kommandierte den Busfahrer herum, scheuchte die Schüler weg, rief wieder andere herbei und scherzte mit vorbeikommenden Kollegen. Kurz, sie war in ihrem Element und man sah, dass es ihr sichtlich Spaß machte.
Dad half mir, den Koffer aus dem Kofferraum zu wuchten und drückte mich dann kurz. »Mach's gut mein Kleiner und viel Spaß.« »Danke Dad, werde ich haben. Versprochen!« Dann stieg er wieder ein und fuhr fort, natürlich nicht ohne das obligatorische Hupen.
Das machte auch die Lev auf mich aufmerksam, denn plötzlich ließ sie vom Busfahrer ab und drehte sich zu mir um. Als sie mich so hilflos da stehen sah, musste sie unwillkürlich grinsen. »Allo Jonas. Stell deinen Koffer hier ab. Wir werden ihn gleich verladen.«, rief sie zu mir. Mit »wir« meinte sie natürlich den Busfahrer, der sie gequält ansah. Aber der Lev war das absolut egal.
Nachdem mein Koffer verstaut war, blickte ich mich nach meinen Freunden um. Sie standen auf der anderen Seite des Busses und unterhielten sich. Als ich dazukam, gab es das übliche Begrüßungsprozedere und wir unterhielten uns ein wenig über die bevorstehende Fahrt. Dabei erfuhr ich, dass Katrin schon öfters in Frankreich war und auch für Hannes diese Fahrt nichts Neues darstellte.
Inzwischen waren alle gekommen, zu meinem Leidwesen auch Matthias und Co, die mich nur giftig ansahen. Unser Verhältnis hatte sich seit dem Ereignis am Schuljahresanfang nicht gebessert und ich ging ihnen soweit wie möglich aus dem Weg.
Die Lev klatschte nun in die Hände und erhob ihre Stimme. »Alors, sind alle da? Bon, dann steigt bitte ein, damit wir losfahren können. On y va!«
Im Bus hatte Hannes schon eine Viererreihe für uns besetzt. Er saß neben Lukas und ich neben Katrin, Micha hinter uns neben Mark, einem ebenfalls sehr netten Kerl. Die Lev ging noch mal kurz die Reihen durch um ja sicherzugehen, dass sie keinen vergessen hatte und gab dann dem jetzt schon erschöpften Busfahrer das Startsignal.
Es ging endlich los! Ein wenig ruckend fuhr der Bus an und verließ dann den Hof. Die Fahrt führte zunächst über die deutschen Autobahnen und schließlich passierten wir die Grenze. Bei Metz machten wir eine kurze Pause und anschließend erreichten wir über Reims Paris.
Als wir die Vororte von Paris erreichten, tauschten Katrin und ich die Plätze und sie überlies mir den Fensterplatz. Ich genoss jede Sekunde der Fahrt. Von den Vororten ging es dann in das Herz dieser pulsierenden Metropole. Der Verkehr wurde geradezu chaotisch und wie es der Busfahrer schaffte, da heil durchzukommen, nötigte mir schon einigen Respekt ab. Nicht so der Lev, die den Armen von einer Straße in die andere dirigierte und ihn fast zur Verzweiflung trieb.
Dann endlich erreichten wir unsere Unterkunft. Es war eine Art Jugendherberge in der Nähe des Künstlerviertels Montmartre. Wir stiegen aus, holten unsere Koffer und versammelten uns dann im Eingangsbereich. Zusammen mit der Leiterin der Herberge verteilte die Lev die Zimmer.
Es waren jeweils Viererzimmer und Hannes, Lukas Micha und ich mussten uns nur kurz anschauen und die Sache war für uns geklärt. Es sagte keiner ein Wort und als wir vier uns ansahen und fast alle gleichzeitig nickten, musste jeder lachen.
Anschließend bezogen wir die Zimmer. Nichts großartiges, aber für die Woche sollte es reichen. Nachdem wir uns einigermaßen eingerichtet hatten, sammelten wir uns unten im Eingangsbereich und die Lev erklärte noch mal die Verhaltensregeln, die sie von uns für die nächste Zeit erwartete und mahnte uns, keinen Unsinn anzustellen.
Dann gingen wir etwas Essen und den restlichen Teil des Abends machten wir einen gemeinsamen Spaziergang zur nahegelegenen Kirche Sacre Coeur. Von dort hatte man einen wahnsinnigen Überblick über das nächtliche Paris. Es war phantastisch. Ich sog jeden Moment in mich auf, wollte nie etwas von diesen Eindrücken wieder vergessen.
Die nächsten zwei Tage verflogen nur so. Ich möchte euch nicht mit einem Reisebericht hier langweilen, nur so viel, es war wirklich traumhaft schön.
Dann kam unser vierter Tag in Paris. Der Tag, der mein Leben ändern sollte.
Zunächst machten wir die übliche Bildungstour und als es schon ein wenig später und somit auch dunkler wurde, bestiegen wir die an der Seine gelegenen Ausflugsschiffe und machten eine Besichtigungsfahrt auf der Seine.
Als wir schon ein Weilchen abgelegt hatten stand ich immer noch an der Brüstung und schaute auf das nächtliche Paris. Als ich mich dann nach einiger Zeit umdrehte bemerkte ich, wie sich die anderen auf dem großen Schiff verteilt hatten. Es war kaum jemand in meiner Nähe, nur Katrin, die langsam zu mir herüber geschlendert kam.
»Schöner Abend, nicht wahr?«, begann sie das Gespräch und ich nickte nur und atmete die frische Luft ein. »Sag mal, Flo, kann ich dich was fragen?« »Klar, Katrin, schieß los.« »Auch, wenn es etwas sehr persönliches ist?«
Ich hatte keine Ahnung, auf was sie eigentlich hinauswollte und sagte daher nur »Klar, Kleines. Wenn's zu persönlich wird, sag ich es dir schon.« »Okay.«, sie holte tief Luft und begann dann wieder. »Kann es sein, dass du dich verliebt hast, und zwar in Lukas?«
*Schluck*
Damit hatte ich nun nicht gerechnet und die Frage traf mich wie ein Hammerschlag. Ich glaube, ich wurde rot wie der Feuerlöscher, der in meiner Nähe befestigt war. »Was...wer...wie hast du es...«, ich stotterte und war nicht in der Lage, einen vernünftigen Satz herauszubringen. Dann sammelte ich mich einen Moment und dachte nach, bevor ich einen erneuten Versuch der Kommunikation wagte.
»Ja, es stimmt.«, sagte ich leise. »Wie hast du es herausbekommen?« Jetzt lächelte sie. »Ooh. Als ich dich in der ersten Schulstunde gesehen habe, wie du Lukas angeschaut hast, hatte ich schon einen Verdacht. Und auch wenn wir später was zusammen gemacht haben, hast du ihn angeschaut wie einen Helden. Da war mir dann klar, dass du dich in ihn verschossen hast.«
Ich seufzte. Nun war es also raus. Zumindest gegenüber Katrin. »Und was hast du jetzt vor. Weiß Lukas schon von deinen Gefühlen zu ihm?« »Nein, ich denke nicht. Und ich wäre dir auch dankbar, wenn du es nicht weitererzählen würdest.«
Jetzt schaute sie mich mit gespielter Verärgerung an. »Hey, wofür hältst du mich? Natürlich behalte ich es für mich.« »Danke.«
Wir schauten beide schweigsam auf das Wasser, bis ich nach einiger Zeit sagte: »Jetzt, wo du es eh schon weißt. Was denkst du, könnte... könnte Lukas für mich genauso empfinden wie ich für ihn?«
Sie überlegte lange, bevor sie antwortete.
»Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Ihr seid beide prima Kerle und wirklich gute Kumpels. Und ich glaube auch, dass ihr prima zueinander passen würdet. Ich habe Lukas auch noch nie mit einer Freundin gesehen. Was bei seinem guten Aussehen und tollem Charakter schon ein bisschen komisch ist. Ich denke, du wirst es erst dann herausfinden, wenn du mit ihm offen darüber sprichst. Und das solltest du auf jeden Fall bald tun.«
Ich ließ die Worte auf mich wirken und nickte dann. »Ja, ich denke, du hast recht. Ich muss unbedingt mit Lukas sprechen, am besten heute noch.« Sie lächelte mich an und wollte schon wieder gehen, als ich ihr leise sagte: »Und Katrin…«, sie drehte sich um... »Danke! Du bist echt klasse!« Sie strahlte über beide Backen und wir konnten nicht anders und umarmten uns.
Just in diesem Moment kam Hannes um die Ecke geschlendert, erblickte uns, wie wir uns so drückten und stutzte. »Oh,... oh,... ich wollte nicht stören.«, und mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht (in das eine ganze Pizza quer reingepasst hätte) verzog er sich wieder.
Katrin und ich schauten uns an und wir mussten beide nur herzhaft lachen.
Die Bootsfahrt war dann irgendwann zu Ende und wir gingen wieder an das Ufer. Nach einem gemütlichen Abendessen in einem Restaurant in der Nähe der Auberge de Jeunesse hatten wir den Abend zur freien Verfügung. Wir gingen allesamt erst mal in die Jugendherberge, um uns frisch zu machen.
Micha und Hannes waren die ersten, die fertig frisch geduscht und gestylt wieder im Eingangsbereich saßen, während Lukas und ich noch unsere Duschsachen im Zimmer suchten. Lukas hatte nur noch seine Shorts an und gerade sein Shirt ausgezogen. Mann, ich schmolz geradezu dahin. Ich war noch vollständig bekleidet und gerade dabei, mein Shirt auszuziehen.
Jetzt war die Gelegenheit. Wir würden eine Zeit lang ungestört sein und ich wollte endlich Klarheit. Katrin hatte Recht. Jetzt oder nie!
Ich nahm all meinen Mut zusammen und begann. »Lukas, ich muss da noch was mit dir besprechen.« »Ja, was denn?«, sagte er, während er in seinem Koffer nach frischen Socken fischte.
»Ich...ich habe mich...verliebt.« Er stutzte, hörte auf, seinen Koffer wegen der fehlenden Socken zu beschimpfen und drehte sich zu mir um. »Realy? Ist ja stark. Freut mich für dich. Wer ist es denn?«
Ich war wieder kurz davor, einen Rückzieher zu machen. Nein, jetzt musste es raus.
»Ich (Pause)...ich habe mich verliebt in...DICH!«
Es war raus. Endlich! Ich hatte den Mut gefunden, Lukas meine Liebe zu gestehen. Gespannt wartete ich auf eine Reaktion von ihm. Er war total überrascht, das merkte ich.
Zunächst wusste er nicht, was er sage sollte, sondern drehte sich nur Richtung Fenster und starrte hinaus. Es hatte den Anschein, als würde er die Aussicht still genießen, aber ich wusste, dass er angestrengt nachdachte. Verdammt, warum sagte er nichts?
Es dauerte eine Ewigkeit, bis er sich wieder umdrehte und mir in die Augen sah. Ich sah, wie sich seine Augen mit Tränen füllten. Er sprach ganz leise.
»Es...es tut mir Leid, Flo. Du bist wirklich ein... nein, mein bester Freund und ich mag dich wirklich sehr, aber... ich kann dich nicht lieben. Ich bin nicht schwul...«
In mir zerbrach etwas.
Nachwort von Nev zu Teil III
Hi!
Ich bin mir bewusst, dass insbesondere das Ende von Teil 3 nicht jedem gefallen wird. Aber im Leben und in Nev's Phantasie geht halt nicht alles so, wie man es gerne hätte.
Shit happens!
Nur so viel, ich habe meinen Kleinen viel zu liebgewonnen, um ihn so enttäuscht und niedergeschlagen in die Welt zu entlassen...
Ich hoffe, wir sehen uns beim nächsten Teil wieder.
Ach ja, über Mails freue ich mich nach wie vor...*g*
Aber jetzt noch was in eigener Sache.
Philipp hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass die von mir beschriebene erste Schulstunde von Flo (sowie das vorangegangene Gespräch mit dem Direx) sich sehr stark mit der von ihm in »Jan« geschilderte Szene ähnelt und in vielen Details gleich ist. Ich habe diesbezüglich schon mit Philipp gesprochen, möchte aber hier noch mal sagen, dass ich Teil 1 schon geschrieben hatte, bevor ich später »Jan« gelesen habe. Es stimmt wirklich, dass vieles -auch in Details- nahezu gleich ist. Es ist aber ehrlich nur ein Zufallsprodukt und absolut nicht gewollt! (Nev hebt die rechte Hand und schwört auf die Bibel)
Keinesfalls wollte ich Philipp irgendwie zu nahe treten oder ihn gar kopieren, denn ich finde, »Jan« ist viel zu gut, um von einem Anfänger wie mir als Vorlage benutzt zu werden. An dieser Stelle also noch mal ein aufrichtiges Sorry an Philipp für den dummen Zufall. Gleichzeitig noch ein Aufruf an die geneigten Leser, Philipps tolle Story noch mal zu lesen und zu genießen!
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