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Der Traum
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Informationen
- Story: Der Traum
- Autor: NRG
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Fantasy und Mystery
Vorwort
Nach einem Jahr hab' ich mich dazu durchgerungen selbst eine Geschichte zu schreiben. Nebenbei freue ich mich, als einer der jüngsten Autoren (von denen die verzeichnet sind), eine Geschichte verfasst zu haben, die aus mehreren Teilen besteht. Es sind zwar nicht so viele, aber besser als gar nichts!
Jetzt aber genug des Geredes! Mehr zu meiner ersten Story erfahrt ihr im Nachwort.
Viel Spaß beim Lesen :-)
Endlich habe ich dich gefunden.‘, sprach die Stimme in meinem Kopf. Sie war mir gänzlich unbekannt, doch gleichzeitig so vertraut; dieser fremde Klang erschreckte mich, während er meine Neugier und mein Vertrauen zugleich weckte. Ich stand da, unfähig mich zu bewegen oder wollte ich es einfach nur nicht? Diese Stimme umgab mich, sie war überall; sie umgab mich mit ihrer Wärme und ließ einen kalten Schauer über meinen Rücken laufen. Um mich herum war alles leer, trostlos, kalt, doch weggehen wollte ich nicht mehr, nicht ohne zu erfahren wessen Stimme ich da hörte! Ich versuchte nach ihr zu rufen: ‚...‘, doch mein Aufschrei blieb stumm und wie oft ich es auch versuchte, ich bekam keinen Ton heraus. Langsam begann ich mich zu fürchten, obwohl ich eigentlich keinen Grund dazu hatte.
»AAAAHHH!!!«
Schreiend wachte ich auf, schnellte mit dem Oberkörper nach oben und stellte fest, dass ich sehr naß war und dass es sich um Schweiß handelte, kalten Angstschweiß! Ich rang nach Luft und fühlte mich, als hätte mich jemand gegen meinen Willen tief ins Wasser getaucht, mich in die dunkle Tiefe gezogen und mir verboten jemals wieder zu atmen. Mein Puls raste und mein Körper fühlte sich mehr als warm an. Ich spürte das Pochen des Blutstroms in meinen Schläfen und jeder Herzschlag hinterließ gleichzeitig ein dumpfes, starkes Brummen in meinem Kopf.
Ich brauchte einige Minuten um zu begreifen wo ich mich befand. Ich war in der Wohnung meiner Familie, in meinem Zimmer, lag in meinem Bett und der Grund meines Erwachens war ein Alptraum. Diese Feststellung beruhigte mich langsam. Ich stützte meine Stirn in meine Hand, kniff die Augen zusammen und dachte über diesen Traum nach, über den ich nicht viel wußte. Es war nicht das erste Mal, dass ich davon träumte eine Stimme würde mich rufen, genaugenommen war es nun das dritte Mal und es war fast immer das Gleiche. Jedes mal wachte ich auch schreiend auf. Das erste Mal fragte die Stimme: ‚Wo bist du? Sag‘ mir bitte wo du bist!‘, beim zweiten Mal sagte sie: ‚Bald bin ich bei dir. Du brauchst keine Angst zu haben, dann werde ich für dich da sein.‘ und nun das. So etwas habe ich zuvor nie geträumt und diese drei Träume kamen erst seit ein paar Nächten.
»Der Erste ereignete sich genau fünf Nächte zuvor, der Zweite drei Nächte zuvor und dazwischen habe ich nie was geträumt!«, sagte ich vor mich hin, aber eine Erklärung war das nicht. Letztendlich gab ich mich mit der Antwort zufrieden, dass es am Streß und am Erwartungsdruck liegen könnte und ich beschloß noch etwas zu schlafen. Ein letzter Blick zu meinem Radiowecker verriet, dass es kurz nach 4 Uhr in der Nacht war, demnach hatte ich noch etwas mehr als 2 Stunden bevor ich aufstehen musste. Ich döste also vor mich hin, doch als mich die Müdigkeit erneut übermannt hatte und ich fest schlief, hörte ich es wieder.
‚Bald! Bald sehen wir uns!‘, sprach die Stimme wieder.
Ich riss die Augen auf und ein nerviges Geräusch sagte mir, dass es Zeit sei aufzustehen und so tat ich, was getan werden musste. Ich begab mich - mehr schlecht, als recht - ins Bad und stellte fest, dass ich grauenvoll aussah, zumindest schlimmer als sonst. Soweit ich es sehen konnte, blickte mich ein 17-jähriger Junge mit braunen Augen (Eine Farbe ähnlich dem Edelstein »Tigerauge«) vom Spiegel aus an. Seine hellbraunen Haare waren zerzaust und die (natürlichen) leicht blonden Strähnen waren kaum mehr zu erkennen. Die Lider der Augen waren halb geöffnet, die Augen selbst zeigten einen leichten Rotstich von Schläfrigkeit und die nahe Umgebung der Augen war ganz leicht blau. Ein schauderhaftes Bild, was natürlich noch schlimmer wurde als ich meine Brille aufsetzte (nur ganz kurz, denn der Schock war zu groß). Dagegen half nur eine kurze, mild-kalte Dusche und die alltägliche Waschaktion am Morgen. Nachdem dies erledigt war, stellte ich fest, dass ich nun wieder halbwegs ansehnlich aussah und als ich meine Sehhilfe aufsetzte, konnte ich das »halbwegs« streichen. Dann ging ich mich anziehen.
Meine Wahl fiel schnell (anders als sonst) auf eine Jeans und ein weißes, kurzärmliges Hemd. Vielleicht nicht die beste Wahl, aber mir gefiel es und das war das Wichtigste. Komplett herausgeputzt ging ich frühstücken und erlebte gleich eine Überraschung.
»Morgen Mutti!«, rief ich und gab ihr einen Guten-Morgen-Kuss. Ich weiß es klingt kindisch seine Mutter nicht »Mum« zu nennen, sondern Mutti oder Mama und sie morgens zu küssen, aber so war ich halt und sie auch.
»Warum bist du noch hier? Machst du heute blau?«, fragte ich sie und versuchte vorwurfsvoll zu gucken.
»Wenn du Witze machen kannst, heißt das, du bist nun ganz wach!«, lachte sie und tat auf böse, »Und übrigens: Ich mache nicht blau, also spare dir weitere Bemerkungen und alle weiteren Gedanken. Mein Wecker hat über Nacht den Geist aufgegeben und nun komm‘ ich etwas zu spät!«
Etwas war gut, etwas mehr als eine halbe Stunde wäre besser, dachte ich, aber jetzt etwas Falsches zu sagen war gefährlich. Ich tat, als wäre nichts, doch...
»Ich weiß genau was du denkst Freundchen und du hast Recht. Deswegen kannst du's gleich vergessen, wenn du daran denkst, dass ich dich zur Schule fahre.«, brodelte es aus ihr heraus, man sah und hörte, dass sie es eilig hatte.
»Keine Angst! Ich bin alt genug, um mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren und auf mich selbst aufzupassen. Außerdem wollte ich mich noch mit Andrea treffen.«
»Schön! Na dann, nimm dir die Cornflakes, die ich dir bereitgestellt habe, iss ordentlich und vergiss nicht dir die Zähne zu putzen! Verstanden?«
»JA Chef!«, blödelte ich.
»Gut. Wir sehen uns mein Schatz, hab dich lieb und mach einen guten Eindruck.«, sagte sie während sie langsam raus ging und dann war sie auch schon verschwunden. Ich tat daraufhin wie mir befohlen wurde und setzte mich essen. Dann begann ich nachzudenken, was ich seit dem Aufstehen nicht getan hatte, und erneut drehte sich alles um die seltsamen Träume. Nach dem Frühstück, putzte ich mir die Zähne und verließ kurz darauf das Haus.
Kurz noch etwas über mich: Mein Name ist Felix Strelitz, ich bin 17 Jahre alt, 1,75 m groß und wiege 65 kg. Ich habe auch eine ganz akzeptable Figur, d.h. ich bin zwar etwas kleiner als die meisten Jungs meines Alters, doch dadurch wirke ich jünger, aber nicht unreif, und auch niedlich (Einbildung ist die schönste Bildung). Des Weiteren trage ich eine Brille, wegen der ich oft blöde Bemerkungen, Vorschläge und Kritik erhalte, wie z.B.: »Warum steigst du nicht auf Kontaktlinsen um?«. Doch meine Fehler, ob körperlich oder seelisch, wollte ich nicht verstecken, denn jeder hat so seine Macken, aber nur sehr wenige geben es zu. Nebenbei lässt die Brille mich intelligenter, sensibler und freundlicher wirken, aber auch verletzlicher, das war meine Meinung dazu. Außerdem: Wer mich nicht so akzeptiert wie ich bin, der ist es nicht Wert, dass ich ihn oder sie als Freund bezeichne.
Meine Familie war zersplittert, aber ich hatte keine Probleme damit. Mein Vater verließ uns lange vor meiner Geburt, wahrscheinlich nach meiner Zeugung. Meine Mutter, Lena, blieb damals mit einem Kind, meinem Bruder und einem weiteren, das sie erwartete. Mein Bruder, Tom, arbeitet mittlerweile in der Botschaft, irgendwo in Amerika. Wir sehen ihn nur selten, doch er meldet sich sooft es nur geht.
Es war kurz vor dem Ende des Augusts, als ich mich an diesem Morgen auf dem Weg zur Schule machte. Die Ferien waren vorbei und der Sommer neigte sich ebenfalls langsam seinem Ende zu. Die Sommerferien waren für mich eher langweilig verlaufen, da ich sie zu Hause verbringen musste, während sich fast meine sämtlichen Freunde mit ihren Familien zu den schönsten und exotischsten Orten begaben die es gab. Meine Freundin – Andrea – war nach Mexiko geflogen und ich hörte selten was von ihr, aber sie hatte versprochen mir alles genau zu erzählen und viele Fotos mitzubringen.
Dieses Jahr begann für mich die Gymnasiale-Oberstufe, was hieß die Schule zu wechseln und neu anzufangen. Ich ging vorher zusammen mit Andrea in eine Realschule und gemeinsam beschlossen wir unser Abi zu machen. Von der Schule, die ich nun besuchen sollte, hatte ich viel gehört, wo sie sich befand wußte ich jedoch nicht wirklich, deshalb hatten wir beide uns verabredet. Andrea meinte wir sollten uns um 7:30 Uhr bei einer bestimmten Bushaltestelle treffen, die sich in meiner Nähe befindet und auf ihrem Weg liegt, doch als ich zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Ort erschien war sie nicht da. Obwohl! Im Moment war mir das egal, denn in meinem Kopf schwirrten viele Gedanken, die alle nur von einem Thema handelten und diese Eintönigkeit ließ meinen Kopf irgendwie leer erscheinen.
Plötzlich wurde ich aus meiner Trance gerissen, denn der Bus hielt wenige Zentimeter vor meiner Nase und die Türen wurden geöffnet. Der Busfahrer sah mich ungeduldig an; er wartete und fragte sich wohl, ob ich einsteigen würde. ‚Da sie noch nicht aufgetaucht ist, kann ich auch alleine Fahren. Den Weg hat sie mir mal ungefähr beschrieben.‘, dachte ich und stieg dann auch ein. Der Bus war nicht sehr voll, doch Sitzplätze gab es trotzdem kaum. Ich ging gedankenverloren an den Menschen vorbei, von denen ich das Gefühl vermittelt bekam, sie würden mich alle anstarren, während ich mit meinem glasigen Blick nahezu niemanden wirklich wahrnahm. Ganz hinten ergatterte ich einen Doppelsitz und benutzte einen von diesen. Die Fahrt über schaute ich melancholisch aus dem Fenster und die Gegend schien nicht die selbe zu sein, wie all die Jahre zuvor, genauso wie ihre Bewohner und wie ich. Auf einmal konnte ich nichts mehr sehen...
»Na wer ist es, mein Träumer?«, fragte eine Frauenstimme hinter mir.
»Morgen Süße!«, antwortete ich tonlos. Es war – wie hätte es anders sein können – Andrea.
»Lange nicht gesehen mein Schatz! Hab‘ dich vermisst!«, sie setzte sich zu mir und gab mir einen Kuss auf die Wange, »Tut mir leid, dass du alleine losfahren musstest, war zu spät raus gegangen, aber ich war sicher dich noch zu treffen! Hey! Meine Ferien waren großartig, ich muss dir soviel erzählen, aber ich bin auch gespannt auf die neue Schule! Was wir wohl für Leute kennenlernen? Wir können viele neue Freunde finden, was hältst du davon?«
»Mag schon sein.«, antwortete ich halbherzig.
»Das ist Alles!?«, gab sie sauer von sich, »Sag mal, ist dir eine Laus über die Leber gelaufen, bist du sauer auf mich oder bedrückt dich etwas anderes? Nun sag schon.«
»Ich weiß nicht was es ist:«
»Wie, du weißt nicht? Etwas ist passiert, was dich sehr verändert hat, das seh‘ ich doch. Außerdem sind wir schon länger zusammen und ich kenne dich gut genug, um zu sagen, dass etwas faul ist. Also sprich es aus.«
»Nun ja...«, zögerte ich.
»Keine Ausflüchte! Wenn du es mir nicht erzählen kannst, wem dann?«, stellte sie fest.
Sie hatte Recht, also erzählte ich ihr kurz und knapp was mich in letzter Zeit sorgte. Sie hörte sich alles genau an und ihr anfänglicher Gesichtsausdruck war ernst. Schließlich war ich fertig und sie änderte ihre Mimik schlagartig, lächelte mir zu und sagte:
»Du machst dich selbst fertig. Das wird wohl mit dem Wechsel der Schule und der Trennung von den alten Freunden zusammenhängen. Und für mich klingt es, als sei es eine Vorahnung. Du wirst höchstwahrscheinlich neue Freunde gewinnen oder einen alten Freund wiedersehen. Mach dir keine Sorgen, bitte!«, beruhigte sie mich und streichelte mir durch die Haare.
»Hast Recht! Sind alles Hirngespinste.«, sagte ich, fühlte mich auch etwas besser, »Wir müssen bald raus.«
Dann erzählte sie mir alles, was sie erlebt hatte und sagte ich müsse nach der Schule unbedingt mit zu ihr kommen, um mir die Souvenirs und Fotos anzusehen. Kurz darauf stiegen wir vor der Schule aus. ‚Wie praktisch.‘, dachte ich.
Auf dem Platz vor dem Gebäude war eine riesige Traube aus Menschen versammelt, in deren Mitte zwei Personen standen. Ich und Andrea gingen, Hand in Hand, hin und fragten einen Jungen was denn da los sei.
»Der blonde Junge hat den Großen Kerl da versehentlich angerempelt, daraufhin fing der Riese an zu toben.«, sprach er und man merkte sofort, dass er hier auch neu war. Ich konnte nicht viel erkennen, außer einen Teil des Kopfes dieses »Riesen«, der die anderen Mitschüler um einige Zentimeter überragte. Mich ging diese Angelegenheit zwar nichts an, aber aus irgendeinem unbekannten Grund wollte ich wissen was da genau los ist und vielleicht konnte ich dem »Kleinen« helfen. Ich sagte Andrea sie soll auf mich warten, und dass ich bald zurück sein werde und dann begann ich mich durch die Menge zu kämpfen. Die Tatsachen, dass sie mir riet es sein zu lassen und dass der eine Typ ca. zwei Meter groß und kräftig war, hielten mich nicht davon ab weiter zu gehen.
Als ich die »Menschenlichtung« erreicht hatte, sah ich einen Jungen, mit fast schulterlangen, blonden, Haaren, meiner Größe, der mit dem Rücken zu mir gewandt locker da stand und ihm gegenüber dieses leicht bärtige »Ding«, das ihn beschimpfte. Ich fühlte eine Riesenwut in mir aufsteigen und als ich dazwischen gehen wollte, packte mich jemand am Arm und murmelte:
»Mann, lass das lieber. Gegen Torsten kommst du nicht an, warte lieber bis er sich beruhigt! Dann kannst du deinem Freund helfen, wenn was von ihm übrig bleibt. So haben wir alle ihn noch nie erlebt, sag‘ ich dir!«,
»Mein Freund« war dieser Junge nicht und mir war egal wie »Torsten« jetzt und sonst drauf war. Ich riss mich los und stürzte nach vorn. In diesem Moment drehte der Blonde sich um und sah mich mit seinen smaragdgrünen Augen an, meine Wut verschwand, doch mein Mut und meine Entschlossenheit waren nun auf Hochtouren. Mein Puls raste und ich stellte mich selbstbewusst zwischen die Jungs.
»Hey, Winzling! Misch dich nicht ein! Die Sache geht nur den tolpatschigen Sunnyboy hier«, wobei er auf den Anderen deutete, »und mich was an! Also mach‘ das du Land gewinnst, kapiert?«
»Nein! Hör zu, er hat dich bestimmt nicht mit Absicht angerempelt, also lass ihn in Ruhe und verzieh DU dich!«, brachte ich zur eigener Verwunderung heraus.
»OH! Da will jemand seinen Liebsten beschützen! Das kannst du haben Schlaffi! Kannst für ihn ein paar aufs Maul kriegen!«, sprach Torsten und ehe ich mich versah flog eine riesige Faust auf mich zu. Das letzte was ich hörte bevor ich bewußtlos wurde, war ein Lautes »NEIN!« von dem blonden Jungen hinter mir. Etwas war in dem Moment seltsam, doch darüber konnte ich nicht mehr nachdenken.
»Ärmm... Wo... bin ich?«, murmelte ich.
»Im Behandlungsraum der Schule. Wie fühlst du dich?«, fragte eine bekannte Stimme.
Als ich die Augen öffnete sah ich ein strahlendes, helles, schönes Paar grüner Augen, dazu ein Paar schwarzer Augenbrauen, die besorgt zusammengezogen waren (eine seltsame, anziehende Mischung), eine Stupsnase und einen wohlgeformten, zarten Mund. Alles in einem rundlichen, glattem, frisch aussehendem, aber kräftigen Jungengesicht mit absolut reiner, glatter Haut. Kurz gesagt: Ich war baff; denn ich hätte nie gedacht, dass ein Junge, in meinen Augen, so gut aussehen konnte. Ich brauchte erst etwas Zeit, um auf die Frage zu reagieren, doch dann kam eine bestimmte Antwort meinerseits.
»Gut. Kopfschmerzen.«
»Klingst noch etwas daneben, aber das ist besser als gar nichts. Ich kümmere mich gleich um Schmerzmittel.«
»Nicht nötig! Ich hab gerade welche geholt, denn ich kenn‘ mein wehleidiges Schätzchen«, kam‘s um die Ecke gesprochen, »und ich weiß was für Blödsinn er anstellt, aber DAS war zuviel! Ich hatte Riesenangst um dich, als ich hörte einer der Jungs sei niedergeschlagen worden. Hier, nimm erst einmal was gegen die Schmerzen und dann bedank‘ dich bei Patrick, der dir geholfen hat, obwohl es anders herum geplant war.«
Patrick! So also hieß mein Retter. Klang schön, aber wieso dachte ich so? Egal, ich musste mich bedanken, drum zwang ich ein paar Worte raus: »Ähm, danke dir. Ich...«
»War doch selbstverständlich, aber hört mal, ich muss jetzt weg. Und Felix: Wir sehn uns bald wieder!«, sprach er und verschwand darauf wie ein aufgescheuchtes Tier.
»Und Tschüs! Was das wohl sollte?«, fragte Andrea mehr sich als mich.
Mich beschäftigten die Fragen, woher er denn meinen Namen kannte, wieso er mir so bekannt vorkam, wieso ich mich in seiner Nähe so seltsam fühlte und was er meinte, als er sagte, dass ich ihn wiedersehen werde!? Ich brauchte Zeit zum Nachdenken und nahm meine Schmerzmittel, danach wurde ich sehr müde.
»Was ist das denn?«, fragte ich bestürzt.
»Das sind starke Beruhigungsmittel. Die Schwester meinte sie seien für dich besser, denn du musst dich auskurieren. Damit kannst du dich noch mal richtig ausschlafen und deine Schmerzen vergessen. Ich fahre gleich zu dir nach Hause und werde deine Mum daran hindern dich hier zu stören. Ach ja! Wenn du was brauchst frag‘ die Schwester, sie ist wegen dir heute länger hier.«, sprach sie, gab mir noch einen Kuss und verabschiedete sich. Ich starrte noch etwas die Decke an, doch dann schlief ich ein und hatte erneut einen dieser seltsamen Träume
‚Da bist du wieder. Wie geht es dir? Besser hoffe ich.‘ , sprach die Stimme.
‚Wer bist du und woher weißt du was passiert ist?‘; fragte ich sofort und war verwundert darüber, dass ich mit der Stimme sprechen konnte.
‚WER ich bin erfährst du bald, warte noch etwas, noch kannst du nicht verstehen. Woher ich...? Nun, sagen wir: Ich war und bin immer bei dir.‘, waren die Anworten.
‚Was willst du von mir! Was soll das Ganze!?‘
‚Ich möchte dich beschützen und für dich da sein, wie immer. Genaueres erfährst du bald.‘
‚Aber...Ich...Will!‘, weiter kam ich nicht, denn meine Stimme versagte.
‚Warte einfach, in Ordnung? Doch jetzt... WACH AUF!!!‘
»Wach auf! Wach auf! Komm schon! HEY!«, schrie jemand außerhalb meiner Traumwelt.
Dann war ich wach und sah wer mich rief. Es war die Schulkrankenschwester, die sehr besorgt aussah.
»Junge, Junge! Hast du mir Angst eingejagt! Ganz plötzlich hast du angefangen im Schlaf zu zittern, zu stöhnen und ab und zu hast du geschrien. Doch das schlimmste war, als du wieder ruhig wurdest, denn deine Atmung wurde schwächer. Ich dachte du würdest...ersticken! Was war eigentlich los?«, fragte sie mich und erwartete eine sinnvolle Erklärung, die ich im Moment nicht hatte.
»Keine Ahnung!... Eine Frage.... Kann ich gehen?... Mir geht's, zumindest körperlich, besser.«, flehte ich und versuchte gefasst zu wirken.
»Nach dem Theater, das du gerade veranstaltet hast? Spinnst du!?«, meckerte sie zurecht. Doch ich überzeugte sie, indem ich einen Hundeblick aufsetzte und so ließ sie mich gehen. Sie war auch der Meinung, dass es bereits sehr spät wäre und sie nach Hause wollte und dass sie noch nie ein Schüler so lange aufgehalten habe. Ich wehrte mich mit der Begründung, dass ihre »Drogen« daran schuld waren, dass ich so lange geschlafen hatte.
Die Schule war leer als ich sie verließ, aber das war kein Wunder, denn es war nach 21 Uhr. Um die Zeit sind selbst die Spitzenschüler daheim, nur ich nicht. Im Halbdunkel der fast ganz untergegangenen Sonne wirkte die Schule mysteriös und ich stellte mir vor, wie es denn aussehen würde, wenn es vollkommen dunkel wäre und kam zu dem Ergebnis, dass dann alle Schulen ziemlich gespenstisch aussehen müssten.
Draußen roch es nach Regen und die schwarzen Wolken, die am Himmel heranzogen bestätigten meine Vorahnung. Das größte Problem war aber, dass der Bus, der an der Schule vorbeifährt, nach 20 Uhr nicht mehr fährt. So musste ich nach Haus laufen oder zumindest bis ich irgendwo eine andere Verkehrsverbindung fand. Andererseits fand ich es irgendwie angenehm an einem warmen Abend durch die Gegend zu schlendern, einen warmen Sommerregen zu erwarten und mich hinterher darauf zu freuen in mein Bett zu fallen. Und so lief ich los, tat was für meine Figur, schaute mir die Umgebung an und grübelte über allerlei Dinge nach.
Nach einem ganzen Stück zurückgelegter Strecke kam ich zu einem Park. Ich wußte, dass es schneller gehen würde diesen zu durchlaufen, als drum herumzugehen, doch es war bereits dunkler geworden, wozu die Wolken einen großen Teil beitrugen, und ein Park bei Nacht zu durchschreiten machte mir Angst. Als dann ein Nieselregen einsetzte, wurde ich erst recht verunsichert, aber dann machte sich ein Gefühl in mir breit. Es war erneut dieses Gefühl, als würde mich etwas zu sich ziehen, genau so war es bevor ich Patrick kennen gelernt hatte. Ich widerstrebte dem Park, doch diese Kraft zwang mich dazu hineinzugehen.
Mit jedem Schritt, den ich tat, zitterten meine Knie heftiger. Der Regen wurde allmählich stärker und es schüttete wie aus Eimern, doch unbeirrt ging ich weiter und es schien mir, der Park wurde ständig größer und größer.
Blitze verkündeten mir, dass das Wetter zunehmend schlechter wurde und klar denken konnte ich bald nicht mehr. Als ich vor lauter Orientierungslosigkeit fast die Vernunft verlor, hörte ich unweit von mir, zwischen den Bäumen, wie jemand ein Gespräch führte. Ich ging näher, nicht um besser zu hören, sondern um zu sehen wer zu so einer Zeit in einem Park etwas besprach. Seltsam war außerdem, dass ich alles deutlich verstehen konnte, auch wenn der Regen und der Donner starke Hintergrundgeräusche erzeugten. Nach wenigen Schritten sah ich dann auch zwei Gestalten, Männer wie es schien. Der eine stand vollkommen starr mit verschränkten Armen da und beobachtete den Anderen, der in ca. drei Metern Entfernung auf allen Vieren kniete und einfach jämmerlich bzw. mitleiderregend anzusehen war.
»Hast gedacht du könntest etwas ändern indem du herkommst? Aréas, für wie blöd hältst du mich eigentlich? Glaubst du wirklich ich tu‘ dir gerne weh? Ich tue das alles hier nur für uns und du stellst dich mir in den Weg! Weißt du, im Grunde verdienst du eine viel härtere Strafe, als ein paar Schläge, doch ich will mal nicht so sein.«, sprach der stehende Typ und wirkte sehr kalt.
»Halts Maul! Lass mich in Ruhe und verzieh dich!!!«, brüllte der Kleinere, wie ich feststellte.
Der Große, wie ich ihn bezeichnete war ca. 1,80m groß und in eine Art schwarzes Gewandt gekleidet, so wie ein Mönch oder so. Sein Körper, soweit ich es erkennen konnte, wirkte muskulös und grazil zugleich, ohne zerbrechlich zu sein. Er hatte pechschwarze, sehr kurze Haare und eine stachelige Frisur. Seine scharfkantig geformten Augen schienen komplett schwarz zu sein, aber wenn man genauer hinsah, konnte man sehen, dass sie eigentlich blau waren. Allerdings war es ein sehr helles Stahlblau, das fast in Weiß überging, so hinterließ es den Eindruck seine Augen bestünden nur aus seinen Pupillen. Sein Gesicht zeugte von innerer und äußerer Härte und übte eine immense Anziehung aus.
»Oh, Oh, Oh! Das habe ich nun wirklich nicht erwartet.«, sprach der Große, hob den Kopf und ich erkannte Erstaunen in seinem Blick, aber auch Verachtung und Häme, »Das ist also deine Entscheidung? Schön, DAS kannst du haben.«
Er löste den rechten Arm aus der Verschränkung und richtete ihn gegen den Himmel, die Finger waren von der Hand gespreizt. Dann senkte er den Arm blitzartig zum Boden hin und deutete zum Schluß mit dem Zeigefinger auf den Kleineren. Daraufhin raste ein Blitz zur Erde und traf sein Opfer, wobei dessen Körper unwillkürlich hochschnellte und er selbst schrie wie am Spieß. Durch die veränderte Haltung der Jungen war ich in der Lange sein Gesicht zu erkennen. Es war jemand, den ich kannte, der mir inzwischen viel bedeutete. Es war: Patrick!
Ich stand mit aufgerissenen Augen hinter einem Baum und beobachtete dieses unglaubliche und grausame Schauspiel. Dann rannte ich auf die Beiden zu, denn ich musste Patrick helfen.
»HÖR‘ AUF!!! LASS IHN IN RUHE!!!«, schrie ich wie verrückt und im gleichen Augenblick verschwand der Blitz, Patrick sank zu Boden und der andere ließ seinen Arm locker hängen.
»Ach! Wen haben wir denn da? Wenn das nicht der kleine Felix ist.«, lachte mir dieser Widerling entgegen, »Kommst du um ihn zu retten? Das wird dir nichts bringen, aber andererseits ersparst du mir eine Menge Ärger.«
»Lass... ihn .. zufrieden. ER kann nichts... dafür.«, würgte Patrick hervor und dann wandte er sich an mich; »Wieso bist du hier?... Verschwinde schnell!«
»Er soll nichts damit zutun haben. Wenn nicht er, wer dann? Ich habe wegen ihm gelitten und du schützt ihn auch noch. Wenn ich ihn beseitige werden meine Probleme endlich ein Ende finden:«
»Das werde ich nicht zulassen, das weißt du sicherlich!!! FELIX! VERSCHWINDE!... SOFORT!!!«, sprach Patrick und er sah unheimlich zornig aus, er machte mir Angst. Ich verstand zwar nicht worum es ging, doch mein Leben wollte ich nicht aufs Spiel setzen und ich vertraute auf den Rat von Patrick, denn er schien zu wissen was er tat. Während ich wegrannte konnte ich sie beiden hören, ich hörte sogar das schwerfällige Atmen von Patrick und der Anblick den er mir gerade von sich geboten hatte, erfüllte mich mit Schmerz.
»He, He! Das wird ihm nichts nützen mein Süßer! Ich kriege ihn doch!«, hörte ich den Schwarzen rufen.
Dann bemerkte ich, wie hinter mir ein Licht erstrahlte und dessen Helligkeit das gesamte Areal vor mir erleuchtete. Dieses Licht war ebenso warm und einladend, wie die Stimme in meinen Träumen. Plötzlich hatte ich begriffen: Die Stimme gehörte zu Patrick, er hat mich gesucht und nun beschützte er mich, ich musste ihm helfen. Als das Licht verschwunden war drehte ich mich um und rannte zurück.
Ich sah Patrick, der etwas gekickt dastand, seine Arme hingen leblos vom Körper herab, aber sein Kopf war erhoben und sein Blick war fest auf seinen Widersacher gerichtet. Dieser schaute etwas mies aus der Wäsche. Das Grinsen auf seinen Lippen schien sagen zu wollen: ‚Hör auf dich zu wehren, es bringt doch nichts.‘, dann sagte er:
»Sieh‘ mal, wer da zu dir zurückkommt! Er scheint dir doch nicht so zu gehorchen wie du es gerne hättest. Schade, deine ganze Aufopferung war vergebens.« In diesem Moment fiel Patrick auf die Knie, sein Oberkörper sackte nach hinten und er blieb seitlich liegen. Ich ging zu ihm, kniete mich hin und nahm seinen Kopf in meine Arme. Tränen trübten derweil meine Sicht.
»Wa... rum... Felix?... Ich...«, er atmete schwer während er »sprach«.
»Ich konnte dich nicht einfach hier lassen, vor allem nicht mit DEM da!«, antwortete ich mit zitternder Stimme, während ich dem Dreckskerl einen kurzen, bösen Blick zuwarf.
»Ich muss doch sehr bitten! Mein Name ist «Lothiass», aber du darfst mich auch «Chris» nennen. Schließlich nennst du «DEN» da auch «Patrick».«, sagte er zu mir.
»Was willst du eigentlich von Patrick und von mir?«, fragte ich Chris und sah ihm dabei fest in die Augen.
»Von ihm nichts! Aber von dir«, sprach er und lächelte plötzlich, »will ich den Tod... oder in etwa vergleichbare Qualen.«
»Wieso? Was hab ich dir denn getan? Ich kenne dich nicht mal und Patrick kenne ich auch nur erst ein paar Stunden! Lass mich doch einfach in Frieden!«
»Frieden, was? Frieden soll dir gewährt werden! Der ewige Frieden um genau zu sein! Und die Gründe, wieso ich dich beseitigen will, müssen dich dann auch nun nicht weiter kümmern.«, er machte ein paar Schritte auf uns zu.
»Bleib‘... stehen! ICH... BITTE... DICH!«, keuchte Patrick und ich erschrak, denn ihn hatte ich völlig vergessen.
»Hey mein süßer, kleiner Aréas! Du weißt, dass ich dir normalerweise eine solche Bitte nicht abschlagen würde, aber du weißt auch was ich von unserem kleinen Burschen hier denke! Es tut mir leid, aber: VERGISS ES!!!«, schrie Chris und seine Augen funkelten regelrecht vor Zorn. Er stand nun wenige Schritte vor mir, beugte sich etwas hinunter und streckte den Arm zu mir hin, um mich am Hals zu packen. Ich schloss die Augen und hoffte, dass alles schnell vorbei sein würde. Innerlich hörte ich mich selbst schreien. Es war ein Schrei des Mutes und der Verzweiflung: ‚NEIN! NIEMALS! Ich gebe nicht auf!‘.
Ein jäher Schmerzensschrei weckte meine Aufmerksamkeit und ich wagte es kaum wieder zu gucken. Was ich zuerst sah, war ein gelbliches, rotes Licht, das die nahe Umgebung erhellte. Dann drehte ich den Kopf zu der Stelle, von der der Schrei ausging und fand auch gleichzeitig die Lichtquelle. Es handelte sich bei beiden um Lothiass oder Chris, dessen Hand lichterloh brannte. Er fuchtelte panisch herum und versuchte das Feuer zu löschen.
»Was... Wie hast du das getan? Woher hast du das Feuer? Es kann unmöglich von dir stammen! So etwas KANNST du nicht zustande bringen«, fauchte er, während das Feuer langsam seinen Körper umschlang. Dennoch war er seltsamer Weise wieder ruhig und stand einfach nur da. Man merkte, dass er sehr angespannt war.
Plötzlich ließ er einen markerschütternden, tiefen Schrei los: »AAAAHHHHRRRRR!!!!« Sein Körper schwebte leicht in der Luft, seine Haare wurden länger, bis sie ihm bis zu den Kniekehlen hingen, seine Statur wurde kräftiger und breiter. Dann begann sein Gewand zu zerreißen, Chris beugte seinen Oberkörper nach vorn und schlug die Arme um sich, wobei er sich mit jeder Hand an die jeweils andere Schulter krallte. Er ließ den Kopf hängen und die langen Haare verdeckten sein Gesicht, er brannte immer noch. Etwas begann sich an seinem Rücken zu regen und mit einem reißenden Geräusch oder wie mit dem Geräusch schlagender Vogelflügel erschienen riesige, schwarze Flügel aus Chris‘ Körper. Ein helles Strahlen ging dann kurz von ihnen aus und das Feuer erstarb sofort. Er hob den Kopf, ließ die Arme locker und sank zu Boden.
»Das war überraschend, ich muss es zugeben. Aber nichts womit ich nicht fertig werden könnte.«, sagte er. Seine Stimme beinhaltete nun ein Echo und sie klang sowohl fließend, als auch ölig und kalt. Seine Gewand war auch wieder da, doch es war länger, leuchtender und prachtvoller als zuvor, aber immer noch schwarz. Er sagte:
»Du erstaunst mich, ehrlich. Ein einfacher Mensch mit solchen Fähigkeiten. Sowas habe ich noch nie gesehen, aber ehrlich gesagt, wußte ich auch nicht, dass es so etwas überhaupt gibt. Nun, sei's drum. Ich werde euch beide vorerst in Ruhe lassen und versuchen herauszufinden was diese Erscheinung bewirkt hat.« Er kam zu mir hockte sich zu mir und hob mit einem Zeigefinger, an meinem Kinn, meinen Kopf etwas in die Höhe und flüsterte mir zu: »Wir sehen uns wieder Felix. Ich verspreche es dir!« Dann stand er auf, kehrte uns beiden den Rücken und lief ein paar Schritte. Unerwartet hielt er, schaute über die Schulter und sagte: »Bis bald mein Schatz!«, und ich war sicher, dass er nicht mich meinte. Während seines nächsten Schrittes spreizte er die Flüge und diese flogen sofort in tausend Stücke oder besser Federn. Als das geschah, funkelte ein heller Schein auf und blendete mich; alles was ich wahrnahm war ein Geräusch, das klang wie ein riesiger Schwarm fliegender Vögel und ein eisiges, leises Lachen. Kaum war es verschwunden sackte ich in mich zusammen, atmete vor Erleichterung tief durch und konnte nicht begreifen was da gerade vor sich gegangen war.
»Endlich ist er weg! Tut mir leid, dass er dir soviel Angst eingejagt hat. Ich wollte nie, dass du da reingezogen wirst. Es war immer mein Wunsch dich zu schützen und dir zu helfen«, sprach jemand.
Im ersten Moment erschrak ich ,weil ich nicht wußte wer es war, doch dann sah ich Patrick, der in meinen Armen lag. Er sah im Vergleich zu vorher viel besser aus und es sah fast so aus, als sei nie irgendwas gewesen. Das einzige, was wirklich nicht in Ordnung war, waren seine nassen, zerrissenen Klamotten.
»Wie geht's dir?«, wagte ich kaum zu fragen.
»Jetzt besser, danke.«
»Was ist passiert? Ich meine vorhin, jetzt und überhaupt!«
»Das... Ich kann dir das nicht erklären, auch wenn ich es wollte.«
»Du lügst. Das seh‘ ich doch in deinen Augen.«, sagte ich ruhig, »Sag‘ mir die Wahrheit, bitte!«
»Ich... Du... Ähmm... Das würde zu lange dauern, es ist kalt hier, es regnet und am Ende würdest du doch nichts davon verstehen. Es wäre für uns beide sowieso besser, wenn du nicht da hinein gezogen wirst. Versteh doch!«
»Hör mir mal zu! Erstens: Ich habe sehr viel Zeit. Zweitens: Ich erfriere schon nicht so schnell, also mach dir keine Sorgen. Drittens: Ich bin nicht aus Zucker. Viertens: Ich habe sehr viel Phantasie und weniger als jetzt kann ich gar nicht Verstehen. Und zu guter Letzt: Ich bin da schon sehr tief mit hinein geraten!!! Und je früher du anfängst zu erzählen, desto früher können wir gehen und uns aufwärmen. Aber vorher gehen wir nirgendwo hin! Verstanden!?«, befahl ich mit etwas Nachdruck. Dennoch war ich nicht böse mit ihm, irgendwie hätte ich das auch nicht gekonnt, wenn er mich mit seinen Augen ansah.
»Nun gut! Ich will es versuchen...«, antwortete er mir, schloß kurz die Augen und als er sie wieder öffnete begann er zu erzählen, » Das, was du gerade gesehen hast, bezeichnet «ihr», die Menschen, als «Engel», ja das trifft es am besten, dabei belassen wir es. Wir entstammen einer parallelen Welt, in der die Gedanken, Wünsche, Gefühle und Phantasien der Menschen zu fester Materie werden. Unsere Gestalten sind unterschiedlich, je nach der Vorstellung eines Menschen, doch besitzen viele die Erscheinung eines Engels. Jeder von uns verkörpert die Psyche eines Menschen, d.h. für jeden Menschen gibt es in unserer Welt einen Engel. Sobald hier auf der Erde ein Mensch geboren wird, entsteht in unserer Welt ein weiterer Engel und wenn ein Mensch natürlich stirbt, verschwindet der zu ihm gehörende Engel einfach. Stirbt ein Mensch vor der ihm bestimmten Zeit, so verwandelt sich sein Engel in einen... «schwarzen Engel». Dies ist ein Engel ohne Lebenssinn, eine verirrte Seele – könnte man sagen –, die rastlos umherirrt und einen neuen Lebensinhalt sucht. Schwarze Engel sind viel anfälliger für negative Energien, die ebenfalls zu uns dringen, als wir anderen. Wenn das «Böse» einen dieser Engel ergreift, verlieren sie völlig die Besinnung und wollen Rache, da sie in allem Leben den Grund ihres Schicksals sehen.«
»Entschuldige, aber soll das heißen, dass... Lothiass ein schwarzer Engel ist?«, fragte ich dazwischen.
»Nein! So ist das nicht! Zumindest nicht ganz... Seine ganze Art beruht auf seiner Vergangenheit. Früher war er ein Engel mit großem Potential. Du musst wissen, je stärker die Phantasie und je mehr sich ein Mensch seinen Gefühlen hingibt, desto stärker und begabter ist sein Engel. Wiederum ist es so, dass je stärker ein Engel ist, desto größer ist der Einfluß auf das Leben seines Schützlings. Mache erlangen sogar soviel Kraft, dass sie in der Lage sind die Grenzen zwischen den Welten zu durchbrechen. Doch während all der Zeit unserer Existenz ist das nur einmal vorgekommen. Damals war es für die Menschen eine Zeit voller Wunder, aber dieses Ereignis liegt so lange zurück, dass weder wir noch die Menschen sich daran erinnern.«
»Moment! Was heißt: ‚Nur einmal vorgekommen.‘? Schließlich seid ihr beiden nun auch hier!«
»Mit uns ist das eine andere Sache, auf die ich später noch kommen werde, doch zuvor müssen wir die Geschichte um Lothiass beenden. Wie gesagt: Er war mächtig! Vielleicht zu mächtig!
Doch es folgten oft dunkle Zeiten auf der Erde und so auch bei uns. Es entbrannten Kämpfe, sogar Kriege. Die Zahl der schwarzen Engel überwog einst und sie drohten die Welt ins Chaos zu stürzen, also stellten sich die wenigen, die von uns übrig waren zum Kampf. Davon blieb die Erde nicht unberührt, denn das Böse wurde nun von uns nicht mehr am Ausbreiten gehindert. Zwar fanden beide Welten letztlich den Frieden, aber mit großen Verlusten.
Damals – vor sehr langer Zeit – lebte ich schon, jedoch war ein anderer Mensch mein Schutzbefohlener. Ich war jung und übermütig und bezahlte dies mit einer tödlichen Wunde. Lothiass war damals an meiner Seite und sah zu wie ich fiel. Das Letzte, was ich sah, war sein tränenüberströmtes Gesicht. Als ich später in einem neuen Leben, deinem Leben, erwachte, wurde mir gesagt, dass Lothiass damals losgezogen sei und voller Hass versuchte alle schwarzen Engel zu finden und zur Strecke zu bringen. Dabei scheint er viel gelitten zu haben, denn man berichtete mir ebenfalls: Seine Flügel seien mit der Zeit immer schwärzer geworden, bis sie zu dem wurden, was sie heute sind. Er selbst behielt die Kontrolle über sich selbst. Als er mit seiner «Mission» fertig war, das war erst vor wenigen Jahrzehnten, soll er beschlossen haben zur Erde zu gehen, mit der Begründung: ‚Ich will selbst sehen, was das für Wesen sind, die uns soviel Kummer bereiten!‘. Er hat es dann auch tatsächlich geschafft die Schwelle zu dieser Welt zu überschreiten. Woher er die Kraft nahm dies zustande zu bringen, weiß niemand...
Als ich das alles vor kurzem hörte - es müsste vor ungefähr einem oder zwei Jahren gewesen sein, folgte ich ihm. Der Wunsch ihn wiederzusehen gab mir genügend Kraft hierher zu gelangen. Ich suchte Lothiass überall auf der Erde und eignete mir den Name Patrick an, da ich oft feststellen musste, dass mein wahrer Name «Aréas» den Menschen nicht behagte und sie gar misstrauisch wurden. Nach langer Suche fand ich ihn auch, denn seine Ausstrahlung ließ sich selbst in seinem neuen Körper und unter einem fremden Namen nicht verbergen. Als ich ihn traf war er sehr glücklich, doch als ich ihn bat zurückzukommen meinte er:
‚Nein, ich möchte NIE wieder zurück! Hier bin ich frei von allen Regel! Hier kann ich tun und lassen, was ich will! Ich kann das sein, was ich schon immer sein wollte: ein Mensch!‘, sagte er mir.
Das war natürlich ein Schock für mich, denn solch ein Wunsch ist das Gleiche, wie wenn ein Mensch sich wünschte Gott zu sein. Es war... eine Art von Blasphemie, ein Bruch unserer Gesetze. Darauf sprach ich ihn an.
‚Wie kannst du so etwas sagen!? Hast du vergessen wozu du existierst? Was soll aus dem Menschen werden den du zu leiten bestimmt warst‘, fragte ich ihn.
‚Armer, naiver, kleiner, Aréas! Mein «Schöpfer» lebt schon lange nicht mehr! Ich bin mein eigener Herr!«, antwortete er mir darauf. Es war eine vollkommen unerwartete Antwort, denn schließlich war er »noch am Leben«.
‚Wie hast du es bewerkstelligt weiterhin zu bestehen? Wieso hast du diese Regeln gebrochen und vor allem wie?‘
‚Nun die Sehnsucht und der Wunsch ein eigenes, unabhängiges Leben zu führen, ermöglichte es mir diesen Weg zu gehen und ich denke nicht mal im Traum daran zurück zu gehen. Willst du nicht mit mir kommen? Zusammen wären wir ewig glücklich. Was hältst du davon?‘
‚Bist du des Wahnsinns? Mir ist es nicht möglich meinen Glauben und meine Welt so einfach zu verlassen, nur um dir einen Wunsch zu erfüllen. Meine Aufgabe ist es für die Sicherheit und das Glück meines Schützlings zu sogen, um daraus neue Kräfte zum Überleben zu erhalten!‘, war meine Antwort, doch er blieb hartnäckig und sein Ton wurde schroff.
‚Glaube!? Deine geschwollenen Reden sind nur der Versuch die Wahrheit zu verhüllen! Wach endlich auf! In unserer Welt lebst du in Gefangenschaft; einer Gefangenschaft aus Regeln und Gesetzen. Uns ist es nicht mal erlaubt einen anderen unserer Art zu lieben.‘
‚Wozu sollten wir denn einander lieben? Welchen Sinn hätte dieses Tun?‘
‚Genau darum geht es ja! Nicht alles muss einen Zweck erfüllen, manchmal ist es einfach schön sich selbst etwas gutes zu gönnen, soviel habe ich von den Menschen bis jetzt gelernt.‘, sagte er. Ich hatte zu dem Zeitpunkt das Gefühl er würde sich von mir unverstanden vorkommen und später stellte sich meine Vermutung als richtig heraus.
‚Aber erfüllt es dich denn nicht mit Glück zu sehen wie dein Schützling sich entwickelt und aus dieser Entwicklung neues Leben entsteht, wodurch unser Sein gewährt ist?‘, hakte ich nach, wie immer in geschwollener Sprache, wie ich später herausfand.
‚Wir sind nicht unbedingt auf die Menschen angewiesen, wir können unser Schicksal selbst bestimmen und ich bin der lebende Beweis dafür! Aber wenn du nicht bei mir bleiben willst, dann ist es deine Sache oder soll ich dich umstimmen. Ich könnte dir zeigen, dass du nicht unbedingt an einen Menschen gebunden sein musst um weiterhin zu »sein«, um es so wie du auszudrücken.‘
‚Drohst du mir? Willst du mir Schaden? Willst du mich in Versuchung führen, damit ich einer von den deinen werde, ein Schwarzer Engel ohne Seele!?‘
‚Die Antwort auf alle Fragen lautet: Nein. Außerdem bin ich KEIN schwarzer Engel, doch habe ich inzwischen mehr »Seele« als alle unserer Art zusammen! Eine Seele bedeutet nämlich, dass man in der Lage ist seine eigenen Gefühle unabhängig von anderen zu entwickeln und nicht, dass man ewig blind einem Glauben verfallen ist und keine Zweifel daran stellt, ob er denn Richtig ist, egal wie schlecht es einem selbst geht.‘, dann schwieg er kurz, dachte mit geschlossenen Augen nach und sagte dann, ‘Du verstehst das doch eh nicht, also werde ich dich überzeugen. Du wirst irgendwann einsehen und dann wirst du zu mir gehören.‘
Dann war er ohne ein weites Wort verschwunden und ich konnte ihn nicht mehr finden. Ich machte mich darauf auf den langen Weg diese Welt zu erkunden. Dabei stellte ich fest, dass erste, leise Zweifel – an mein früheres Leben – in mir entstanden und ich begann über die Worte von Lothiass nachzudenken. Letztendlich verdrängte ich diese Gedanken vorerst und fing an nach dir zu suchen, mit dem Wunsch dich vor ihm zu retten. Die Suche war für mich sicherlich bedeutend leichter als für ihn, da ein gewisser Kontakt zwischen uns bestand. Ich konnte deine Anwesenheit fühlen und als ich nah genug war konnte ich in deinen Träumen sogar mit dir reden.»
«Dann warst du das doch in meinen Träumen? Du hast zu mir gesprochen?», unterbrach ich Patrick und war froh darüber, dass ich Recht hatte und er die Stimme in meinem Traum war.
«Ja, das war ich. Über die Traumwelt sind wir in der Lage unsere Schützlinge besser zu bewachen und wenn es denn nötig ist ihnen Ratschläge zu erteilen oder einen kurzen Einblick in die persönliche Zukunft zu gewähren.
Als ich dich gefunden hatte, fand Lothiass auch mich, denn er hielt sich sehr gut verborgen und beobachtete jederzeit was ich tat. Er versteckte sich so gut, dass ich nicht in der Lage war ihn zu fühlen. Er seinerseits wußte immer wo ich war und auch, dass ich dich suche! Durch mich sparte er sich eine Menge Arbeit, schließlich fand er durch mich auch dich. Oft ermahnte er mich vorsichtig zu sein und ein bisschen besser auf dich aufzupassen. Von da an wußte ich natürlich, dass auch er wußte wo du zu finden seist.
Und heute wollte er dir im Park auflauern, denn er hatte dich auch dazu gebracht diesen Weg zu nehmen. Seine Kräfte sind erstaunlich und furchterregend zugleich, denn er war in der Lage dich zu täuschen, während ich in deiner Nähe war. Doch ich bemerkte dies, zu spät, wie ich anmerken möchte, und stellte mich ihm, worauf er sehr gereizt reagierte und mich schlug. Aber ich wußte, dass er mir nie ernsthaft schaden würde, denn...», er brach plötzlich ab. Mich erstaunte der Gesichtsausdruck, den er dann machte. Er schien sehr traurig zu sein, etwas lastete auf ihm.
«Ich hatte gehofft ihn ablenken zu können», fuhr er fort, «damit du Zeit hast zu verschwinden, doch die Bande die zwischen uns herrscht zog dich zu mir und es kam nicht so wie ich es geplant hatte. Du hast dich eingemischt und nun sind wir hier. Reicht dir das zur Erklärung sämtlicher Ereignisse dieses Abends?», fragte er zum Schluß.
«Ja, sicher! Unter anderen Umständen würde ich dich zwar für verrückt erklären und einweisen lassen, aber ich habe alles hautnah miterlebt, von daher glaube ich dir natürlich! Eine Frage hab ich aber noch.», bettelte ich.
«Na gut. Aber nur noch die, denn wenn ich noch länger hier auf dem kalten Asphalt liege, werde ich langsam erfrieren. Also schieß los!», lachte er mir entgegen und ich merkte erst jetzt, dass es mir nicht anders ging als ihm.
«Was hat Chris, ich meine Lothiass, davon abgehalten mir vorhin weh zutun? Er fing statt dessen zu brennen an.»
«Das ist eine interessante Frage, aber ich kann sie dir nicht beantworten, weil ich eine solche Erscheinung wie vorhin zum ersten Mal gesehen habe und Lothiass schien es auch zu wundern. Es tut mir leid, aber auf die Antwort wirst du sicher lange warten, es sei denn du findest sie selbst.»
«Macht nichts! Ich hab's mir schon gedacht.», beruhigte ich ihn.
«Wollen wir dann mal losgehen?», fragte er nun mich.
«Klar, sofort», sprach ich und wir standen beide auf.
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