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Quartett

Teil 35 - Faust

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41. Faust

„Sag mal FX, wie hast Du Dir das denn wohl gedacht mit dem Wegfahren?”

Michel gab sich betont fröhlich in der Hoffnung, etwas von seinem Enthusiasmus würde auch auf Ben abfärben.

Der jedoch zog es vor, sich noch tiefer in die Kissen zu vergraben und demonstrativ wegzuhören. Er schmollte immer noch ob des von ihm selbst vermasselten Techtelmechtel mit Henne. Es wollte einfach nicht in seinen Kopf hinein, wie er selbst so blöd sein konnte. Dass er bei ihrer gemeinsamen Aktion von Michel gestört wurde, war ihm egal. Er wusste, dass sich Michel, gelinde ausgedrückt, so gar nichts aus Schuhen und Socken machte, weshalb er vermutlich auch kein Interesse daran gehabt hätte, bei ihnen mitzumachen. Und falls doch, wäre es für Ben definitiv ein zusätzlicher Höhepunkt gewesen.

Nein, er ärgerte sich viel mehr, weil er die Waschmaschine mit viel zu viel Waschpulver beladen hatte. Und gerade, als es mit Henne spannend wurde, kam es quasi zu einer riesigen Schaumentladung im Badezimmer, was ihre erotische Zweisamkeit so jäh unterbrach. Henne hatte dort so herausfordernd und verlockend gesessen, dass er am liebsten sofort über ihn, seine Stiefel und Socken hergefallen wäre. Seine ganze Aufmerksamkeit lenkte er auf den kleinen süßen Punk und vergaß vollkommen das Waschmittel.

Und diese kleine Unachtsamkeit versaute ihm den ganzen Abend. Wieder einmal. Er hatte es ein weiteres Mal geschafft, durch seine Tollpatschigkeit alles zu verlieren. Er war sauer. Sauer auf sich selbst und wollte den Rest der Welt gerade vergessen.

„Eigentlich wollte ich gar nicht fahren.”

FX hatte ähnliches vor wie Michel, gab sich jedoch betont desinteressiert. Michel hatte natürlich sofort verstanden, dass er und FX am gleichen Strang zogen, was er ihm mit einem Augenzwinkern bestätigte. Ben, der immer noch unter Kissen vergraben auf dem Sofa lag, konnte sie nicht sehen, wohl aber hören.

„Dein Ernst, Diggi?”

Das hatte gesessen. Natürlich war Ben kein einziges Wort entgangen und schon beim Anklingen des Themas ‚Urlaub‘ war sein ganzer Gram über sich selber vergessen. Ruckartig zog er seinen Kopf aus den Kissen heraus und saß kerzengerade auf dem Sofa.

Den Anfang der vorlesungsfreien Zeit hatte er sich so ganz anders vorgestellt. Die Expedition durch den Tunnel sollte ein Erfolg werden. Nun, der Weg an sich war es auch. Immerhin hatte er es ganz alleine geschafft, drei Personen erfolgreich in die achte Dimension zu bringen und sie so durch den gefährlichen Tunnel zu manövrieren. Eigentlich hätte er darauf stolz sein können. Aber die Enttäuschung über das, was sie am Ende des Tunnels vorfanden, machte alles zunichte.

Er konnte sich definitiv nicht über seinen ganz persönlichen Erfolg freuen, führte er doch nur im wahrsten Sinne des Wortes in eine langweilige Sackgasse. Lediglich ein Haufen Asche und verkohltes Holz erwartete sie am Ende dieses lebensgefährlichen Weges. Mit allem hätte Ben gerechnet, aber nicht mit so einer schwarzen Enttäuschung. Diese Gänge ergaben so gar keinen Sinn.

„Du jagst uns erst durch diesen blöden Tunnel wo am Ende nix is und dann kassierste auch noch die letzte Freude ein, die wir ham? Unseren Urlaub? Sach, dass das nich wahr is, sonst …”

Ben konnte nicht mehr, es brach wie ein Wasserfall aus ihm heraus und er machte seiner Enttäuschung Luft. Die Hände zu Fäusten geballt und in die Hüften gestemmt, blickte er mit funkelnden Augen FX an. Er war außer sich. Wie konnte sein Freund es wagen, ihnen jetzt auch noch den gemeinsamen Sommerurlaub am Strand zu verwehren.

„Sonst was?”

FX unterbrach ihn in seinem Redeschwall, war an das Sofa herangetreten und betrachtete ihn abschätzig im Stehen von ganz weit oben. FX ließ seine Körpergröße ein weiteres Mal spielen und neben ihm wirkte Ben gerade nahezu winzig.

„Sonst nix.”

Kleinlaut knickte Ben sofort ein und wandte seinen Blick von FX verlegen zur Seite. FX wiederum drehte sich zufrieden ab und wollte wieder Platz nehmen. Doch kaum hatte er ihm den Rücken zugedreht, setzte Ben noch mit einem frechen Grinsen nach.

„Ich leg mich doch nich mit ‘nem Invaliden an, Diggi!”

Noch ehe Ben auch nur einen weiteren Atemzug machen konnte, vollführte FX aus dem Stand heraus einen Salto rückwärts und landete direkt auf Ben, der es sich wieder auf dem Sofa bequem gemacht hatte, um seinen verbalen Nachschlag zu genießen. Mit seinen Knien drückte FX Bens Arme auf die Sitzfläche, so dass er jetzt wehrlos auf dem Rücken lag und nur noch zappeln konnte. Zu allem Überfluss drückte FX jetzt noch seinen Gipsarm auf Bens Hals, so dass er noch nicht einmal mehr den Kopf bewegen konnte, sondern ausschließlich seinem Widersacher in die Augen starren konnte.

Vor Schreck über diese unerwartete Reaktion von FX hatte Ben Augen und Mund auch weit aufgerissen und blickte vollkommen irritiert zu seinem Freund hinauf. Seine Dreads wippten noch vom Sprung wild umher, sonst bewegte sich sein Freund aber keinen Millimeter.

Allerdings war das von FX lediglich eine gespielte Brachialgewalt. Er achtete peinlich genau darauf, dass Ben weder Schmerzen hatte noch zu wenig Luft bekam. Jedoch sah es für Michel und Henne nach brutalem Ernst aus. Auch Ben, der vor Schreck gar nicht wusste, wie ihm geschah, brauchte einen Augenblick bis er bemerkte, dass ihm wirklich keine Gefahr drohte. Kaum dass die anfängliche Panik verflogen war, was mit einem kurzen Zwinkern von FX quittiert wurde, ließ er sich auf das Spiel ein. Auch wenn er gerade das Opfer war, es war nur gespielt und es bot ihm die Möglichkeit, die beiden Zuschauer ordentlich hinters Licht zu führen. Und das wiederum war ganz in seinem Sinne und hellte seine Stimmung schlagartig auf.

„Wonach riecht die hier wohl?”

FX drückte Ben seine Faust gegen die Nase und presste die Worte leise durch seine geschlossenen Zähne hervor. Dabei blinzelte er ihn durch fast geschlossene Augen an, die voller Wut zu glitzern schienen. Das leuchtende Blau seiner Augen, was sonst so lebensfroh erstrahlte, war einem dunkelgrauen Blau gewichen.

„Riecht nach Friedhof, nicht wahr?”

Ben, der wegen des massiven Gipsarms an seinem Hals kaum zu einer Kopfbewegung fähig war, nickte unmerklich. An Sprechen war gar nicht zu denken, weil FX immer noch mit ganz sanftem Druck dafür sorgte, dass er etwas weniger Luft bekam als sonst. Das reichte Ben als Erinnerung, dass er so tun sollte, als könne er nicht sprechen. Demonstrativ röchelte er etwas, um sicher zu stellen, dass Henne und Michel diese kleine Performance auch glaubten.

„Und meine Faust braucht Deine Lippen nur ganz sanft zu küssen, damit sie von innen an Deinen Schneeketten zerfetzt werden! Du wirst bluten, glaub mir!”

Diesmal war es nicht gespielt, dass die Farbe aus Bens Gesicht wich. Alleine die Vorstellung, einen Fausthieb mitten ins Gesicht zu bekommen und die Schmerzen seiner Lippen, die von innen an seine Zahnspange gedrückt wurden, ließen Ben fast ohnmächtig werden. Schon so manches Mal hatte sich Ben in seiner Tollpatschigkeit irgendwo nur sanft gestoßen und sich dadurch sofort innen die Lippen an den Brackets seiner Zahnspange aufgekratzt. Jedes Mal war das sehr unangenehm gewesen und hatte länger geblutet, als ihm lieb war. Obwohl gar nichts passiert war, spürte er schon wieder diesen charakteristischen Geschmack nach Metall in seinem Mund und ganz instinktiv fuhr er mit der Zunge seine Lippen ab, um sicher zu stellen, dass er nicht verletzt war.

Das alles entging FX natürlich nicht, weshalb er ihm in der Folge zwar die Faust vor Anspannung zitternd vor das Gesicht hielt, dabei jedoch ganz vorsichtig und unmerklich für die anderen Bens Lippen sanft berührte. FX liebte diesen Dualismus von Kraft und Zärtlichkeit vereint in einem Punkt. Noch dazu gelang es ihm dieses Mal, dass es lediglich für ihn und Ben sichtbar war, während Henne und Michel lediglich die martialische Kraft seiner Faust sahen und auch fast sogar spürten.

Für Ben hingegen ergab sich ein ganz anderer Eindruck, denn im Moment der Berührung floss plötzlich eine warme Welle an positiver Energie von der geballten Faust durch Bens Lippen zunächst in seinen Kopf und dann tief in sein Herz. So eine pure positive Energie hatte er noch nie gefühlt und im selben Moment wusste er, dass ihm jetzt und auch in Zukunft nichts, aber auch rein gar nichts passieren würde, ja passieren konnte. Es war ein Gefühl an Geborgenheit und Sicherheit, wie er sie noch nie in seinem Leben zuvor erfahren hatte.

„So, und jetzt noch einmal? Was hast Du gerade gesagt? Ich hab Dich nicht verstanden! Was willst Du eigentlich? Willst Du mehr davon?”

Die Stimme von FX wurde beim Sprechen zwar leiser, aber gleichzeitig auch immer gewaltiger und mächtiger. Sein letzter Satz hatte eine derart große Kraft, dass man gar nicht weghören konnte oder die Frage gar nicht verneinen konnte.

Ben war noch Herr seiner Sinne, zumindest glaubte er das, aber unabhängig davon wollte er diese eine letzte Frage mit einem lauten JA beantworten. Natürlich aus ganz anderen Gründen als seine zuschauenden Freunde dachten. Ben wollte eine weitere Portion dieser wohligen Wärme, dieser absoluten Sicherheit. Es war schon fast wie eine Droge, die sofort nach dem allerersten Konsum süchtig macht. Er wollte mehr, einfach nur mehr.

Lediglich FX’ Gipsarm hinderte ihn daran, auch nur einen Laut von sich zu geben. Stattdessen setzte er erneut zu einem fast unmerklichen Nicken an.

„Ich hab Dich nicht verstanden! Willst Du mehr davon?”

Erneut näherte sich FX’ Faust den Lippen von Ben und dessen Augen begannen zu leuchten. Ja, Ben wollte mehr. Er wollte unbedingt noch mehr davon. Mehr von diesem Gefühl das er noch nie zuvor gespürt hatte. Er wollte sich fallenlassen in ein samtweiches Bett der Geborgenheit! In der Hoffnung, dass FX sein Zeichen verstehen würde, schloss er seine Augen und lächelte. Natürlich war er sich sicher, dass Henne und Michel das sehen würden und dass spätestens jetzt ihre kleine Show auffliegen würde. Aber die Gier nach diesem unbeschreiblichen Gefühl war viel größer als sein Verlangen danach, seine Freunde zu verarschen.

„Alles klar, kannst Du haben!”

FX hatte Ben nach wie vor auf dem Sofa fixiert. Mit seinen Knien sorgte er dafür, dass Bens Arme unbeweglich niedergedrückt wurden und sein Gipsarm hielt Bens Kopf unbeweglich und raubte ihm den Atem. Nun holte er mit der linken Faust aus, hob sie hoch über den Kopf, spannte sämtliche Muskeln an, bis sie zu zittern anfingen. Und dann ging wieder alles blitzschnell. Seine Faust sauste in Richtung Bens Gesicht. Doch dieser hatte keine Angst, auch wenn er noch nie ein Objekt mit solch einer Geschwindigkeit auf sich zukommen gesehen hatte. Er spürte bereits die Druckwelle von FX’ Faust in seinem Gesicht und bereitete sich innerlich auf einen Kontakt mit ihr vor. Seine Gefühle waren zwiegespalten. Tatsächlich hatte er gerade wieder etwas Angst. Angst, dass ihn die Faust seines Freundes mitten im Gesicht treffen und ihm die Nase brechen würde. Aber andererseits wusste er, dass ihm nichts passieren konnte. Aus dem Tiefen seines Herzens war ihm klar, dass FX ihm kein einziges Haar krümmen würde.

Michel und Henne standen fassungslos mitten im Wohnzimmer und hatten sich in der Zwischenzeit nicht einen Millimeter vom Fleck bewegt. Anfangs war es pures Entsetzen, wie ihr so geliebter bester Freund zu solch sinnloser Gewalt fähig zu sein schien. Damit hatte wirklich niemand gerechnet. Alles ging so dermaßen schnell und strotzte nur so vor roher Gewalt, dass keiner der Beiden auch nur auf die Idee kam, da einzugreifen, weil sie das Gefühl hatten, sonst sofort tot zu sein. FX war so dermaßen schnell, dass sie nicht die geringste Chance sahen, diese Situation aufzulösen. Ihnen stockte der Atem vor Fassungslosigkeit und sie waren quasi zu Salzsäulen erstarrt. Natürlich wollten sie ihrem Freund Ben zu Hilfe eilen und ihn aus der gefährlichen Situation so schnell wie möglich befreien, aber es ging alles so dermaßen schnell, dass sie dazu verdammt waren, nur Zuschauer eines vermeintlich brachialen und ungleichen Kampfes zu werden.

Doch die Faust berührte Ben nicht. Sie schlug stattdessen neben ihn in das Sofakissen ein. Jedoch spürte er im selben Augenblick die weichen Lippen von FX auf den Seinen. Erst FX’ Lippen auf seinen Lippen. Dann spürte er die Zunge auf seinen Lippen. Diese bohrte sich zaghaft aber unaufhaltsam weiter vor, touchierte seine Zahnspange und setzte ihren Weg fort bis sie schließlich ihr Ziel fand: Bens eigene Zunge und die von FX berührten sich. Nein, sie berührten sich nicht, die Zunge die nur zu Besuch hier war, legte eine unglaubliche Agilität an den Tag und wickelte seine eigene sprichwörtlich ein. Ben bekam Angst, dass sich ihre beiden Zungen verknoten würden, aber da ließ sie auch schon wieder los und zog plötzlich wie wild an seinem Zungenpiercing!

Ben wusste nicht, wie ihm geschah. Sein Gehirn war nur noch ein Brei, so verrückt machte ihn FX mit diesem Zungenkuss. Fassungslos ließ er es über sich ergehen und genoss jeden winzigen Moment. Es war ihm ein Rätsel, wie ein Mensch nur so genial mit einem einfachen Muskel umgehen konnte. Noch dazu ein Muskel, der nur an einem Ende befestigt war. Aber es war ihm egal, warum. Jetzt zählte nur, dass Hier und Jetzt. Die unendliche Liebkosung und Befriedigung, die FX ihm mit seiner Zunge in seinem eigenen Mund bescherte. Er konnte sich gar nicht ausmalen, was dieser Mensch noch alles drauf haben könnte. Er war neugierig und ohnehin nicht in der Lage, irgendetwas zu tun, sondern er ließ es einfach geschehen, was auch immer FX mit ihm vorhatte.

In einer unglaublichen Zärtlichkeit erkundete FX den gesamten Mund von Ben. Kitzelte ihn am Gaumen und streichelte ihn zärtlich am Zahnfleisch. Ben verdrehte die Augen, konnte er es doch nicht glauben, dort kitzelig zu sein. Dann packte FX mit seiner Zunge erneut zu und wickelte die von Ben ein weiteres Mal um seine. Ganz vorsichtig zog FX dann an Bens Zunge und wackelte gleichzeitig am Piercing. Nur ganz langsam zog er dann seine Zunge zurück, stets darauf bedacht, dass beide so lange es ging eng umschlossen blieben.

Als sich schließlich ihre Zungenspitzen voneinander trennten, löste FX auch den Kontakt ihrer Lippen, so dass Ben ein tiefes und langes Stöhnen entwich.

„Ben, ich glaub Du brauchst eine neue Hose.”

FX war von Ben heruntergestiegen und hatte ihn frei gelassen. Unbeweglich lag er flach und langsam atmend auf dem Sofa. FX deutete auf den dunklen Fleck in Bens Schritt und konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen.

„’tschuldigt, Junx, er hat das nicht anders verdient.”

Auf die Idee, dass alles nur Theater war, kamen weder Michel noch Henne, denn auch dieser Wechsel zur Zärtlichkeit kam so unerwartet, dass zum Nachdenken keine Zeit blieb. Stattdessen wurden sie Zeuge eines unglaublichen Lustspiels und konnten die Erregung von Ben an seinem gesamten Körper ablesen. Die Monsterwelle an Emotionen, die Ben dabei ausstrahlte, ließ auch die beiden Freunde nicht kalt. Mit halboffenen und sabbernden Mündern verfolgten sie das Schauspiel und die Erregung von Ben färbte dermaßen stark auf sie ab, dass sie alleine vom Zuschauen ebenfalls einen Zustand maximaler Erregung erlebten.

„Was war das denn gerade?”

Michel rang nach Luft und japste vollkommen außer Atem.

„Scheiße, ich habe seit fast zwei Jahren wieder einen Orgasmus gehabt!”

Auch in Hennes figurbetonter Trainingshose zeichnete sich ein dunkler Fleck im Schritt ab.

„Mist.”

Henne stellte mit einem prüfenden Blick in seine Hose ähnliches fest und wollte sich ein breites Strahlen im Gesicht nicht verkneifen.

„Ich glaube, in der Waschmaschine ist noch genug Schaum für eine weitere Ladung an Schmutzwäsche.”

Ben lag nach wie vor unbeweglich auf dem Sofa und war geistig gerade ganz weit weg. Seine Augenlider waren halb geschlossen und er starrte die Decke an, ohne irgendeinen konkreten Punkt zu fixieren.

„Macht Euch keinen Kopf”, quittierte FX den leicht umsorgten Blick seiner Freunde, „der ist bald wieder bei uns. Stellt Euch einfach vor, dass er hundert Mal stärkere Eindrücke hatte als Ihr.”

Nach einer ausgiebigen gemeinsamen Dusche lagen schließlich wieder alle auf dem Sofa Arm in Arm und hatten die Augen geschlossen.

„Und Du, FX? Was war mir Dir?”

Henne wollte sich aufrichten und FX prüfend in die Augen schauen, wurde aber von FX Umarmung festgehalten, so dass er nach kurzem Zögern weiter liegen blieb.

„Hattest Du den Eindruck, dass es mir nicht gefallen hat?”

„Ich … weiß … nicht.”

„Sei unbesorgt, Henne. Wenn ich Michel zitieren darf: Sex findet im Kopf statt!”

Es konnte zwar niemand sehen, aber Michel grinste von einem Ohr zum anderen, bevor er sich ruckartig aufsetzte, weil ihm der Anfang der Show plötzlich wieder in den Sinn kam.

„Das Vorspiel, das war aber nur ein Spiel, oder?”

„Natürlich.”

„Das sah so … ” Michel traute sich nicht, seinen Satz zu vollenden, tat es aber schließlich doch: „… so echt aus.”

„Das war es auch. Es war ein echtes Spiel. Ich war mir sicher, dass es Ben gefallen würde. Hat es doch, oder?”

Aus der Richtung, wo Ben lag, kam ein weiterer tiefer Seufzer.

„Nein, das meine ich nicht.”

„Sondern?”

„Ich mein’ ... Du bist … Du kannst … Du hast …”

Michel wusste nicht, was er wie sagen sollte.

Schließlich hatte FX ein Einsehen und beendete den Satz für Michel.

„Ich kann auch anders. Ganz anders. Ja. Und ich hoffe, dass das nie jemand von Euch sehen muss! Aber das hier, das war nur ein Spiel. Und zwar ein sehr geiles!”

Da sich betretenes Schweigen breit gemacht hatte, was alle gleichermaßen als unangenehm empfanden, fuhr FX wenig später fort.

„Und ich meinte es vorhin übrigens ernst, als ich sagte, dass ich nicht fahren wollte.”

Er blickte in ratlose Gesichter.

„Diggi, ich bin jetzt leer, also bitte nich noch mal diese Nummer. Wobei das schon krass geil war! Dange Diggi!”

Für einen Augenblick schweiften Bens Gedanken wieder ab und er lag da unter FX begraben und ganz von ihm vereinnahmt. Aber dann besann er sich eines Besseren und rief sich selbst zur Räson.

„Also, Diggi, wie jetzt? Nich fahren? Kein Urlaub? Kein Sommer? Kein Strand? Das geht nich, Diggi. Wir haben uns das alles verdient. Wir müssen doch in Urlaub fahren!”

„Junx, Ruhe bewahren!”

FX wollte die entspannte Stimmung nach ihrem guten Sex unbedingt erhalten, weshalb er seine Freunde nicht weiter auf die Folter spannen wollte.

„Ich hab nur gesagt, dass ich nicht FAHREN wollte. Aber ich will natürlich unbedingt auch nach Tarragona an den Strand! Eggsy hat uns eine riesige schwule Strandparty versprochen.”

„Nun sag schon. Wie kommen wir da hin? Fliegen oder was? Das kann ich mir nicht leisten.”

Henne, der in FX’ Arm lag, kuschelte sich dichter an seinen Freund heran und war so entspannt, dass ihm die Antwort im Prinzip sogar egal war.

„Wir nehmen einfach eine Tür.”

„Hä?”

Nun richtete sich Henne doch auf, blickte fragend zu FX hinab und kratzte sich an seinen rasierten Schläfen.

„Na kommt, eigentlich müsstet Ihr auch von alleine drauf kommen. Ihr habt alle Infos, die Ihr braucht. Das ist nichts neues, nur etwas Transferleistung. Also, strengt Euch mal ein Bisschen an.”

„Mit Verlaub, FX, aber wir drei hatten gerade den vermutlich besten Sex unseres Lebens.” Michel hatte sich nun ebenfalls aufgerichtet und blickte anklagend auf FX herab. „Und zwei von uns haben sogar nur zugeschaut und fanden es nicht minder gut! Also, gönn uns bitte eine kleine Verschnaufpause.”

„Alles Weicheier! Dabei hab ich mich so auf eine zweite Runde gefreut!” Demonstrativ rollte FX mit den Augen. „Aber wer nicht will, der hat bekanntlich schon. Also: Wie Ihr wisst, führen Türen ins Weiß. Und Ihr wisst auch, dass es im Weiß unzählige Türen gibt, die auch wieder hinaus führen. In andere Ecken dieser Welt zu anderen Zeiten in dieser Welt. Und auch in andere Welten. Theoretisch könnten wir also eine Tür nehmen, ins Weiß gehen und durch eine andere Tür wieder hinaus an den Strand.”

Man merkte den Freunden an, dass sie sich gerade sehr konzentrieren mussten, um FX’ Ausführungen zu folgen. Dennoch ließ er nicht locker, seine Junx mussten irgendwann auch lernen, dass es mal anstrengend und komplex werden kann in seiner Welt.

„Was man aber auch machen kann ist, dass man die Ein- und Ausgangstür direkt miteinander verbindet! Dann geht man durch eine Tür hindurch und kommt, statt in einem anderen Zimmer woanders auf dieser Welt durch die dortige Tür heraus! Kapiert? Man spart sich quasi den Gang durch das Weiß. Ist ja auch nicht so aufregend dort, wenn man nicht gerade skaten möchte.”

„Diggi, Du willst uns also folgendes weiß machen: Du verbindest beispielsweise unsere Klotür hier im Apartment mit der Klotür von Eggsy hinter der Strandbar und wenn wir hier reingehen, dann kommen wir dort wieder raus?”

Nun hatte sich auch noch Ben aufgesetzt und alle Drei blickten verwirrt auf FX herab.

„Ja.”

War die einsilbige Antwort von FX.

„Du spinnst!”

„Total verrückt!”

„Diggi, was rauchst Du? Wasn, wenn da jemand aufs Klo geht. Kommt der bei uns wieder raus oder was?”

„Och Junx, nun stellt Euch doch nicht dümmer als Ihr seid! Glaubt Ihr wirklich, jeder, der will, kann durch so eine Tür gehen? Nein, natürlich nicht! Das ist nur sehr wenigen Menschen vorbehalten. Zweiundvierzig, um genau zu sein, können diese Türen nutzen oder die Erlaubnis dazu erteilen. Und vielleicht sind Toilettentüren auch nicht die besten Türen für solche Abkürzungen. Andererseits sind stille Örtchen immer gut, wenn man möglichst wenig Aufmerksamkeit erregen möchte. Nur sollte man dann nicht gleich mit vier Personen durch eine Tür schreiten, das könnte dann wohl zu Missinterpretationen führen. Besonders auf einer schwulen Party!”

„Diggi, ich bin gerade zu doof dafür. Sag mir einfach wann ich durch welche Tür muss und gut is.”

Ben war sichtlich genervt.

„Okay, auf Wunsch eines einzelnen Herren nehmen wir also wirklich diese beiden Klotüren hier und am Strand. Ich hätte ja etwas nettere Türen gewählt, aber es ist egal. Das WELCHE hätten wir schon einmal. Und nun das WANN?”

„Eigentlich ...” Michel schien so langsam wieder aufzuwachen. „Eigentlich ist es doch egal, ob wir heute Nacht hier auf dem Sofa schlafen, oder am Strand an der Costa Brava, oder?”

„Ist es nicht!” Endlich war auch bei Henne der Groschen gefallen. „Natürlich schlafen wir heute Nacht am Strand und nicht hier in der langweiligen Uni! Also, worauf warten wir noch?”

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