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L'amour, c'est bénédiction ou malédiction? (Ist Liebe Segen oder Fluch?)
Prolog & 1. Kapitel
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Informationen
- Story: L'amour, c'est bénédiction ou malédiction? (Ist Liebe Segen oder Fluch?)
- Autor: Roxeanne
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Lovestory
Inhaltsverzeichnis
Prolog
Sein ganzes Leben lang hatte Lucien es sich verboten, zu lieben. Schon als Kind hatte er gelernt, dass Liebe, so schön sie angeblich auch sein konnte, im Endeffekt nichts als Trauer und Unglück brachte. Da waren seine Eltern, die sich andauernd stritten; seine Mutter, weinend auf der zerschlissenen Couch im Wohnzimmer; seine Tante, schluchzend am Grab ihres Mannes; sein bester Freund, selbstmordgefährdet, nachdem das Mädchen seiner Träume ihn verlassen hatte. Und – natürlich – er selbst, der noch nie verstanden hatte, wie Menschen, die das erlebten, immer noch von der Liebe schwärmen und sie in höchsten Tönen loben konnten. Was hatte es für einen Sinn, zu lieben, wenn es doch immer, ausnahmslos, nur in Schmerz endete? Er hatte sich geschworen, dass ihm all dies nie passieren würde. Er hatte sich selbst das Versprechen abgenommen, diesem bösen, unheilbringenden Zauber nie zu verfallen, der die Menschen, jeden Einzelnen von ihnen, andauernd hereinlegte. Er hatte sich vorgenommen, besser, klüger und perfekter als alle anderen zu sein, so wie er schon immer besser, klüger und perfekter gewesen war. Lange Zeit hatte er das auch geschafft; hatte es geschafft, unbefleckt zu bleiben von diesem Fluch, den die Menschen immer noch Liebe nannten. Seine Schulzeit hatte er heil überstanden, schon allein deshalb, weil er die Hälfte seines Teenagerlebens damit verbracht hatte, zu erkennen, dass er dem weiblichen Geschlecht nicht ganz so zugetan war, wie er es sollte. Die andere Hälfte war dadurch in Anspruch genommen worden, dass er sich erst in dem neuen Milieu, in das er sich zwangsläufig hatte begeben müssen, zurechtfinden hatte müssen. Natürlich geriet er mehrmals in Versuchung, sich zu verlieben; doch dort, wo er sich jetzt befand, war es wesentlich leichter, den Fluch der Liebe von körperlichen Begegnungen zu trennen als in der Welt seiner Eltern. Dann, als seine Modelkarriere unerwartet startete, hatte er für nichts anderes mehr Zeit gehabt, als für kurze, zwar aufregende, aber lieblose Affären. So war es lange Zeit geblieben, und hätte von ihm aus auch bis in alle Ewigkeit so bleiben können. Oft war er als kalt und emotionslos bezeichnet worden, und hatte nie verstanden, wieso er dafür verantwortlich gemacht wurde, dass andere, vollkommen Fremde, nur wegen etwas Spaß von ihm verlangten, dass er von nun an an sie gebunden sein sollte. Er hatte es nie verstanden, er hatte auch nie akzeptiert, warum er überhaupt zulassen sollte, etwas über einen Menschen herauszufinden, mit dem er doch nur Spaß haben wollte, warum er einem Menschen, den er nur an Abenden in dunklen Bars und zwischen den weißen Laken eines Bettes zu Gesicht bekam, so etwas wie emotionale Wärme entgegenbringen sollte – schließlich hatte ihm auch nie jemand Wärme entgegengebracht, vor allem nicht die Menschen, von denen er es erwartet hatte. Er verstand nicht, warum er plötzlich verantwortlich gemacht wurde für den emotionalen Zustand eines Menschen, warum er mit den Problemen eines Menschen konfrontiert wurde, den er doch gar nicht kannte. Und mochten sie ihn noch so sehr als kalt und emotionslos bezeichnen – die Trauer, mit der andere täglich konfrontiert wurden, weil sie sich an so etwas zerbrechliches wie Liebe klammerten, hatte er noch nie erlebt.
Bis jetzt. Dann hatte sich plötzlich dieser Junge in sein Leben gedrängt – oder sollte er sagen, er, Lucien, hatte diesen Jungen dazu gezwungen, an seinem Leben teilzuhaben? Dieser Junge, der in ihm den Wunsch nach "mehr" erweckte, dieses "mehr", vor dem er schon immer geflohen war, das ihm immer schon Angst eingejagt hatte, und es noch immer tat, da es ihn zu einem normalen, liebenden, dummen Menschen machte. Er hatte versucht zu fliehen, bevor es zu spät war, doch dieses eine entscheidende Mal hatte er es nicht geschafft und schaffte es auch jetzt nicht, jetzt, wo er es am Nötigsten hatte. Sein ganzes Leben lang hatte er sich an sein Versprechen gehalten, hatte sich selbst an erste Stelle gestellt, und war glücklich damit gewesen.
Deshalb war er jetzt hier, an dem Ort, den er am meisten hasste, da er ihn mit Tod und Schmerz in Verbindung brachte, emotionalem wie körperlichem Schmerz. Und hier, an diesem Ort, lernte er zum ersten Mal, was es hieß, zu lieben. Er lernte zum ersten Mal, wie es war, zu leiden, ohne körperliche Schmerzen zu haben. Er sah Menschen um sich herum, und sah sie doch nicht; er ging durch hell erleuchtete, steril riechende Gänge und konnte sich nachher kaum daran erinnern. Er hörte jemanden neben sich reden, die Wörter konnten jedoch die unablässig in seinem Kopf kreisenden Sätze nicht unterbrechen. Er war von Menschen umgeben und fühlte sich doch allein, sonderbar ausgeschlossen, als wäre er durch eine Glaswand von den anderen getrennt. Er hoffte zu träumen und wusste, dass er es doch nicht tat. Die Zeit schien stillzustehen und doch rasend schnell zu vergehen, er fühlte sich leer und doch voll von Schmerz und Angst. Er sah ein Gesicht und sah es doch nicht, sah nicht das, was er gewohnt war. Er hörte, wie ihn jemand anschrie, spürte einen Schlag ins Gesicht, spürte Blut aus seiner Nase strömen, warm und metallisch auf seinen Lippen; er schlug zurück, ohne nachzudenken, ohne sich nachher daran zu erinnern. Doch eines war ihm ganz bestimmt in Erinnerung geblieben: Ein lang gezogener, hoher, monotoner Ton, und ein Wort, ein Wort, das sich so fest in sein Hirn eingegraben hatte, dass es sich lange, lange Zeit, als schon alles überstanden war, nicht mehr entfernen ließ: "Herzstillstand."
1. Kapitel
Jean saß auf dem Boden in dem kleinen Gästezimmer, das nun auf unbestimmte Zeit sein neues zu Hause sein würde, und versuchte mit größter Anstrengung, die Tränen zu unterdrücken, die in seinen Augenwinkeln hingen und die Sicht auf seine am Boden verteilten Habseligkeiten verschwommen werden ließen. Sylvain, der ihn lässig am Türrahmen lehnend beobachtete, war ihm dabei nicht gerade von großer Hilfe.
Schniefend zog er die Nase hoch, wischte sich über die Augen und schüttelte den Kopf, als könnte er die düsteren Gedanken dadurch loswerden. Er wusste nicht einmal, warum er plötzlich so traurig war – eigentlich sollte er doch froh sein, froh, endlich selbstständig zu sein, ihn endlich los zu sein, endlich sein eigenes Leben zu beginnen. Trotzdem hatte er, seitdem er seinen Koffer aufgemacht und angefangen hatte auszupacken, ein bedrückendes Gefühl auf der Brust und fühlte sich furchtbar leer, wusste nicht mehr, was er eigentlich hier tat. Es war endgültig, so furchtbar endgültig… doch sollte nicht gerade das erfreulich sein?
Tief in seinem Innern wusste er die Antwort darauf. Er wusste, dass es nicht der Verlust seines älteren Bruders war, der ihn wie eine Woge überrollte. Doch sie waren nicht nur zu zweit gewesen, und sosehr er es auch zu leugnen versuchte, er vermisste seinen Zwillingsbruder jetzt schon. Der verletzte Blick, als er gegangen war, dieser furchtbar verletzte, verzweifelte Blick schien sich in seine Netzhaut eingebrannt zu haben; und die mit tränenerstickter Stimme ausgesprochenen Worte hallten unablässig in seinem Kopf nach: "Du kannst mich doch nicht hier alleine lassen". Und doch hatte er es getan, und fühlte sich jetzt selbst so alleine wie noch nie zuvor in seinem Leben.
"Ihr seid im Streit auseinandergegangen, stimmt's?", fragte Sylvain vorsichtig, leise und riss ihn damit aus den dunklen Erinnerungen. Er blickte mit geröteten Augen zu ihm auf und nickte.
"Vielleicht solltest du zurückgehen und dich mit ihm aussöhnen…", fing sein Freund an, verstummte aber sofort, als Jeans zorniger Blick ihn traf.
"Nein. Ich bleibe hier", erklärte er bestimmt und, wie er missgelaunt feststellte, mit dünner Stimme, in der eine große Portion Trotz mitschwang.
Sylvain seufzte, fuhr sich durch die kurzen, hellbraunen Haare und lächelte leicht, was sein ohnehin schon friedliches Gesicht noch friedvoller machte.
"Das habe ich ja gar nicht gemeint", sagte er. Fragend sah Jean, der gerade dabei war, sein Gewand auf verschiedene Haufen zu schichten, zu ihm auf.
"Du solltest, wenn du dich beruhigt hast – wenn ihr euch beide beruhigt habt – zu ihm gehen und mit ihm reden. Sich im Streit zu trennen, ist nie gut."
Seine Stimme war so mitfühlend, dass der Junge das Gefühl hatte, ein Therapeut würde zu ihm reden. Es tat unwillkommen gut.
"Ich bin vollkommen ruhig", klärte er den anderen, nun mit etwas festerer Stimme, auf.
"Und da er mein Bruder und nicht mein Freund ist, haben wir uns auch nicht getrennt", fügte er hinzu, wobei er das letzte Wort nachäffte. Der junge Mann im Türrahmen verdrehte die Augen, schwieg einen Moment und entgegnete dann langsam:
"Also, ich denke trotzdem…"
Er wurde von einem schrillen Klingeln unterbrochen, welches durch die Wohnung zu ihnen herauf drang. Sylvain zuckte zusammen und griff sich an den Kopf.
"Lucien!", rief er erschrocken aus, stieß sich von der Tür ab und fuhr auf dem Absatz herum. Als er schon auf dem kurzen Weg den Flur entlang zur Treppe war, drehte er sich noch einmal zu dem vollkommen verdatterten Jean um und beendete den Satz mit einiger Verspätung: "…ihr solltet das nicht so zwischen euch stehen lassen." Einen Moment lang sah er den Jungen verwundert an und war sich scheinbar nicht darüber im Klaren, warum dieser ihn vollkommen perplex anstarrte. Dann schien es ihm langsam zu dämmern.
"Ich wollte mich heute mit Lucien treffen. Ein Freund von mir. Richte dich mal hier ein, ich muss ihm absagen, bin gleich wieder da."
Während Jean noch langsam nickte, polterte er schon die Treppe hinunter.
Der Junge starrte ihm mit offenem Mund nach, die letzten Worte seines Freundes hallten noch in ihm nach.
"Lucien…"
Er schüttelte abermals den Kopf, wie um den furchterregenden Gedanken, der in ihm aufkeimte, zu vertreiben. Im Moment hatte er wirklich genug Probleme, da musste er sich nicht noch selbst welche machen.
Während er damit fortfuhr, seine Kleider auf verschiedene Stapel zu schichten, hörte er von unten, wie die Tür aufgemacht wurde und Sylvain stammelte: "Lucien, es tut mir ja so Leid, es gab da einen kleinen Zwischenfall… ich habe darauf total vergessen dich anzurufen."
Ein belustigtes Lachen war von unten zu hören, ein Lachen, bei dem ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief, und er hasste Sylvain schon jetzt dafür, dass er in einer so verdammt hellhörigen Wohnung lebte und seine Zimmertür offengelassen hatte.
"Da merkt man wieder, wer seine wahren Freunde sind…", sagte eine tiefe Stimme, und Jean vergaß alle Gedanken an seine Familienprobleme und hasste Sylvain dafür, dass dieser ihm nie von dieser Bekanntschaft erzählt hatte, und sich selbst, dass er sich nie näher über Sylvains Freundeskreis erkundigt hatte.
"Was ist denn Schlimmes passiert, das sogar wichtiger ist als ich?"
Jean hatte nun vollkommen mit seinen Aufräumarbeiten aufgehört, saß auf den Knien in seinem Zimmer inmitten eines Haufens Gewand und lauschte mit angehaltenem Atem dem Gespräch im Vorzimmer.
"Ein Freund von mir… er… also… hat einige Probleme…", stotterte Sylvain, und Jean nahm sich vor, mit ihm einmal darüber ein ernstes Gespräch zu führen, wem er alles so freiheraus über sein Privatleben erzählen durfte. Nämlich niemandem.
"Ah, ich verstehe. Du hast Besuch", klang wieder die tiefe Stimme von unten herauf, und diesmal schwang ganz deutlich ein anzüglicher Unterton in dem letzten Wort mit. Er konnte sich wahrhaft vorstellen, wie Sylvain unten rot anlief, und plötzlich hasste er den Fremden – er nahm sich vor, so zu tun, als ob er das wäre, bis er ihn gesehen hatte – dafür, dass er seinen Freund, der doch immer versuchte, es allen Recht zu machen, so sehr quälte. Und er setzte noch eins drauf.
"Du hast dir doch keinen Stricher ins Haus geholt?"
Die Stimme klang gespielt entsetzt, doch Sylvains Entsetzen wirkte echt, als er stammelte: "Was redest du denn da? Natürlich nicht, er ist nur ein Freund von mir. Er ist bei mir eingezogen, hat Probleme bei sich zu Hause."
Jean nahm sich vor, wirklich mal ein ernstes Wort mit seinem neuen Mitbewohner über solche Dinge wie Privatsphäre zu reden.
"Soll ich gehen?"
Nun klang die Stimme vollkommen ernst, und Jean schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Bitte sag ja, bitte… doch das brachte Sylvain mit seinem gottverdammten Gewissen natürlich nicht zustande.
"Nein, auf keinen Fall… mach's dir doch bequem, ich komm gleich wieder, dann können wir gehen."
Schnelle Schritte waren zu hören, und Jean tat schnell wieder so, als wäre er möglichst beschäftigt. Er fragte sich, was für einen Sinn das Ganze hatte – der kleine Schrank, der gegenüber dem Bett stand, sah nicht so aus, als wäre er in der Lage, seinen gesamten Vorrat an Gewand aufzunehmen. Aber er hatte ja auch nicht seinen gesamten Vorrat an Gewand mit, fiel ihm im nächsten Moment wieder ein. Er musste also auf jeden Fall noch einmal zurück… Bei der Vorstellung stülpte sich sein Magen um.
"Geh nur mit deinem Freund weg", meinte er teilnahmslos, als der Braunhaarige wieder in der Tür erschien, "ich komme hier schon allein zurecht."
Er sah kurz auf und bemerkte gerade noch den skeptischen Blick, mit dem ihn sein Freund musterte.
"In diesem Zustand? Ganz sicher nicht. Wir bleiben hier."
"Ihr bleibt…", wiederholte Jean, und erst langsam sickerte die Bedeutung der Worte zu ihm durch. Nun konnte er nicht länger schauspielern; er sprang auf und wollte Sylvain, der ihn vollkommen verdattert anstarrte, gerade wütend anfahren, als ihm wieder einfiel, wie viel er von dem Gespräch unten mitbekommen hatte.
"Weißt du überhaupt, wer das da unten ist?", zischte er leise. Ein Grinsen schlich sich auf Sylvains Gesicht.
"Oh, ich wusste gar nicht, dass du dich in der Modelwelt so gut auskennst", meinte er fröhlich, und viel zu laut. Jean sprang über die verschiedenen Kleiderstapel, zog den anderen vollständig ins Zimmer und schloss die Tür.
"Tu ich auch nicht", erklärte er ausdrücklich – Sylvains Gesichtsausdruck nach zu schließen, glaubte ihm dieser kein Wort.
"Er ist –" und dann fiel ihm ein, dass sein Freund es ja gar nicht wissen konnte, weil er es ihm nie erzählt hatte. Also bahnte er sich einen Weg durch seine verschiedenen Wäschestapel und ließ sich mit einem leisen Seufzer auf das Bett fallen. Sylvain folgte ihm und sah ihn fragend an.
"Also, was hat es mit unserem lieben Lucien auf sich?"
Jean ignorierte den anziehenden Unterton in der Stimme des anderen und beschloss, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
"Naja… ich habe ihn geküsst."
"Ernsthaft?"
Der Braunhaarige sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen, doch sichtlich belustigt, an.
"Nein, eigentlich hat er mich geküsst", korrigierte sich Jean todernst, woraufhin der andere ihm einen genervten Blick zuwarf.
"Und wie ist es dazu gekommen?"
"Reicht das nicht?", stöhnte Jean, der schon ahnte, was ihm nun drohte.
"Was denkst du denn? Natürlich nicht! Ich will alles wissen, und zwar schnell. Wir wollen deinen zukünftigen Lebenspartner ja nicht allzu lange warten lassen!"
Jean stieß ihm mit dem Ellbogen in die Seite, ließ sich auf den Rücken fallen, holte tief Luft und begann zu erzählen.
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