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Die Liebe und die Freiheit

Tasius

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Informationen

Vorwort

Mein Autorenname ist Rubilamea und ich bin noch ziemlich neu in der Branche, was Geschichten schreiben betrifft. Aber es macht mir jede Menge Spaß, meiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Was mich zu dieser Geschichte bewegt hat, das ist nicht schwer zu erraten. Ich hatte eines Nachts einen Traum gehabt, der genau wie die Geschichte ablief. Nur wie das mit Träumen so ist, vergisst man die Hälfte. Doch dieser Traum hatte die klassische Konstellation, ein Junge und ein Mädchen verlieben sich. Ich hatte mich entschieden es nicht klassisch zu halten, der Traum ließ mich einfach nicht mehr los, er rannte mir noch Tage hinterher. Und somit entschied ich mich, diesen Traum aufzuschreiben, nur das es gleich eine ganze Geschichte wird, damit hatte ich auch nicht gerechnet. An einem Abend hab ich mich hingesetzt und die Personen, die in meiner Geschichte vorkommen, zum Leben erweckt. Sie bekamen Gesichter, Haarfarbe und Namen. Die Länder habe ich erschaffen, in denen sie leben. Es fiel mir nicht sehr schwer Namen und Handlung zu finden. Die Geschichte ist aus meiner reinsten Fantasie entsprungen.

Meine Hauptfiguren sind Prinz Tasius, der in seinem Land Aurelias lebt und es nicht verlassen darf, aber von Freiheit träumt. Er ist ein lebensfroher junger Mann. Bestrebt dazu, eines Tages genauso ein guter König zu werden wie sein Vater, König Fietus.

Prinz Cain, in Kaskur lebend, hat kein gutes Leben. Sein Vater Kieran, macht ihm und dem Volk das Leben zur Hölle. Cain versucht immer wieder seinem Vater gerecht zu werden, was nicht immer gelingt und er mit Strafen rechnen muss. Doch Cain träumt genau wie Tasius von der Freiheit.

Und dann gibt es noch meinen persönlichen Helden, der Knappe Julius. Er ist der beste Freund des Prinzen Tasius, sie machen viel zusammen. Julius richtet sein Leben, ganz nach dem Prinzen. Der Knappe kennt die Freiheit, kann seinen Freund verstehen, doch er stellt sich gegen ihn. Mit dramatischen Folgen.

Ich möchte nicht zu viel erzählen, ihr müsst schon die Geschichte lesen. Es ist spannend, traurig und lustig zu gleich.

Natürlich möchte ich mich auch bei meinen Unterstützern und Motivatoren bedanken. Ein ganz besonderer Dank geht an meinen Lebensgefährten, ohne ihn wäre ich nicht so weit gekommen oder hätte so richtig mit dem Schreiben angefangen. Und an einen Unterstützer, der mit mir zusammen an der Geschichte arbeitet, der seine Ideen einbringt, jemand der der Geschichte eine Seele schenkt. Und ich hoffe, dass wir weiterhin so gut zusammen arbeiten.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen der Geschichte. Über ein Feedback würde ich mich sehr freuen. Vielleicht gibt es Dinge die euch sehr gefallen oder Dinge die ich ändern könnte.

So jetzt ist genug von meiner Seite. Es wird jetzt GELESEN!!!!

 

Aurelias war ein schönes Land im Osten. Es lebten viele Bewohner dort glücklich Tür an Tür. Das Land blühte gerade auf, denn es hatte eine sehr fortschrittliche Wirtschaft, welche den Einwohnern Arbeit gab und sie keinen Hunger leiden ließ.

In den Flüssen, die sich durch das Land schlängelten, tummelten sich zahlreiche Fische. Die Landschaft war atemberaubend schön, selbst im Sommer waren die Seen voll mit klarem Wasser und zwischen ihnen und den hohen Bergen erstreckten sich über viele, viele Meilen Felder, reich an Korn und verschiedenstem Gemüse, sowie saftige Wiesen, auf denen das Vieh weidete. Die Obstbäume in den Tälern waren satt an Früchten. Ein Jedermann hatte sein Auskommen und die Kinder spielten ausgelassen. Kurz, die Bewohner des Landes konnten sich glücklich schätzen hier zu leben.

In der Hauptstadt Lia standen wunderschöne Häuser an gepflasterten Straßen, wie Perlen auf einer Schnur aufgereiht, sorgfältig erbaut und hell gestrichen. Sie schimmerten von außen, wie weißes Gold. Es hallten von überall her Stimmen. In der Mitte der Stadt lag der Marktplatz, dieser war umgeben von schattenspendenden Bäumen, dazwischen Statuen früherer regierender Herrscher. In den vielen Ständen auf diesem Platz boten Händler meist ihre eigenen Waren zum Verkauf an. Vom Marktplatz aus nach Osten hin, sah man einen Palast. Das große Tor in der Palastmauer war aus reinem Messing und stetig bewacht von zwei Soldaten auf jeder Seite. Hinter dem Tor erwartete den Besucher ein großer, prächtiger Garten mit gepflegten Wiesen, Blumen- und Gemüsebeeten, sich hindurch schlängelnden Wegen, eleganten Treppen, sprudelnden Brunnen und Schatten spendenden Bäumen. Der Palast selbst strahlte ebenso, wie die Häuser in der Stadt. Und oben an der Turmspitze leuchtete ein gelb-goldener Stern.

In diesem Palast lebte König Fietus der Erste. Er regierte sein Reich mit Weisheit und Güte. Er liebte sein Volk und sein Volk liebte ihn. Er sorgte für Arbeit und dafür, dass niemand hungern oder unter Armut leiden musste. König Fietus war ein großgewachsener Mann und in der Blüte seines Lebens. Das Regieren seines Reiches begann er schon im Alter von fünfundzwanzig Jahren. Sein rundes Gesicht war umhüllt von den roten Locken seiner Haare und seines schon leicht grau schimmernden Bartes. Man sah ihm Sanftmut und Güte an, seine Augen strahlten in einem hellen Grün.

Seine Königin Rilanja lebte leider schon lange nicht mehr unter ihnen, sie starb bei der Geburt ihres ersten Kindes. Beide lernten sich auf einem Fest kennen. Sie hatte wunderschönes, langes schwarzes Haar, ein liebliches Gesicht, in welchem zwei meerblaue Augen strahlten. Die Bewegungen der Königin waren immer graziös gewesen und dies wirkte, als wäre sie über den Boden geschwebt. Das, was an sie immer erinnerte, waren die Gemälde im Palst, welche die Königin in schönen und zarten Gewändern zeigten und natürlich sie und den König mit ihrem Sohn - Prinz Tasius - auf dem Arm.

Tasius hatte viel von seiner Mutter geerbt, mit seiner ebenso graziösen Art, den schulterlangen, meist zu einem Zopf gebundenen Haaren und dem lieblichen Gesicht, trug er eindeutig ihre Züge. Dennoch kam der Junge mehr nach seinem Vater, sein versteckter Ehrgeiz, seine klaren, grünen Augen und seine Ausstrahlung verrieten dies. Auch war Tasius schon in jungen Jahren ein sehr aufgeweckter Junge, der es liebte im Garten zu spielen und es vermochte, seinen Vater das eine um das andere Mal um den Verstand zu bringen.

Doch heute, in einem Alter, wo er sich für seine zukünftige Aufgabe, einmal hier das Land zu regieren, interessieren sollte, hatte der junge Mann andere Vorstellungen. Mit zwölf Jahren erlernte er das Kriegshandwerk, er lernte sein Schwert zu führen und mit dem Bogen jedes Ziel zu treffen. Mit seinem Knappen Julius trainierte er jede freie Minute.

Julius lebte seit seinem dreizehnten Lebensjahr am Hofe und hatte sich selbst um die Knappschaft für Tasius beworben. Mit seinem schon recht männlichen Gesichtsausdruck und dem langsam durchdringenden Bart wirkte er streng. Seine langen, blonden Haare fielen ihm ins Gesicht, wenn sie nicht ebenso zum Zopf gebunden waren, wie die von Tasius. Dieser hatte sich sofort in den tiefschwarzen Augen seines Knappen verloren und verbrachte wohl fast die ganze Zeit seines Tages mit ihm.

Besonders das Kämpfen mit dem Schwert machte den Prinzen seelisch frei, hierbei konnte er sich von den immer stärker aufkeimenden Gedanken um seine Zukunft ablenken. Die Schläge, das Parieren und immer wieder neue Schwünge, das Geräusch wie das Schwert die Luft Durchschnitt, die Luft pfiff und die Klinge sang verzauberte ihn und waren sein Element.

Julius war auch ein begnadeter Schwertkämpfer und perfekter Trainingspartner, aber mit Tasius, der jetzt nach vier Jahren Training schon viel besser war als er, konnte Julius fast nicht mehr mithalten. Er musste sich sehr bemühen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. „Macht doch langsamer, Hoheit“, stöhnte Julius völlig außer Atem.

„Langsamer?? Nein, das ist im Krieg auch nicht erlaubt, mein Freund“, erwiderte Tasius.

So schlug der Prinz immer wieder nach seinem Freund. Das Kämpfen lenkte ihn eigentlich immer ab. Er musste nicht an die alltäglichen Dinge eines Prinzen denken. Wie er sich benehmen musste, wie sein Gang aussehen sollte, seine Kleidung immer eines Prinzen würdig. Auch was er alles wissen sollte und die Lehren der alten Weisen, die er verinnerlichen sollte. Bei alldem fühlte Tasius sich nicht wohl. Er mochte diese normale Kleidung, denn sie war bequem. Er liebte die Kämpfe mit seinem Knappen, aber er hasste es dermaßen mit Wissen vollgeladen zu werden, so dass ihm der Schädel brummte. Er schwänzte schon öfter seinen Unterricht, nur um Zeit mit Julius verbringen zu können. Eines Tages äußerte der Prinz seinem Knappen gegenüber den Wunsch, die weite Welt bereisen und andere Sprachen kennenlernen zu wollen. Außerhalb seines Landes Aurelias war Tasius noch nie gewesen, noch nicht einmal außerhalb der Stadt Lia zu Füßen des Palastes, selbst diese kannte er nur durch Fahrten mit der Kutsche, wenn Gäste kamen, die man am Stadttor empfing. Sein Vater hatte ihn nie auf die großen Reisen mitgenommen. Andere Länder, sowie andere Sitten, kannte er nur theoretisch aus den langweiligen Berichten der Gelehrten im Unterricht und aus Büchern, die ihm zum Lesen vorgelegt wurden.

Anscheinend aber doch in diese Gedanken versunken, nutzte dies sein Knappe Julius aus und schlug zu. Plötzlich spürte Tasius einen Luftzug an seinem Kopf, noch gerade rechtzeitig konnte er sich ducken. „Bist du wahnsinnig? Du hättest mir beinahe den Kopf abgeschlagen“, schrie Tasius.

„Wie sagtet Ihr eben? Im Krieg ist alles erlaubt? Also konzentriert Euch! Lasst die Gedanken beiseite und kämpft weiter!“, rief Julius aus seiner Ecke zurück.

Doch Tasius ließ das Schwert sinken und ging in Richtung seiner Räume. Sein Knappe folgte ihm.

„Was ist los mit Euch, heute seid Ihr nicht ganz anwesend im Geiste, was lenkt euch ab?“

Tasius schaute sich um in der Hoffnung, dass sie allein wären.

„Kennst du das Gefühl nicht richtig dazuzugehören? Ich bin an dem Punkt angekommen, dass ich genau das fühle. Ich möchte raus, in die weite Welt. Städte sehen, von denen ich nur gehört habe, Abenteuer bestehen, durch die Landschaft reiten, andere Menschen, vielleicht andere Könige kennenlernen. Mein Vater hält mich hier fest. Seine Aussagen sind immer die gleichen. Der König will mich nicht verlieren, da ich ihn sehr an Mutter erinnere, aber ich ersticke hier.“

Sein Freund schaute ihn entgeistert an. „Das ist nicht Euer Ernst, Ihr wollt den Palast verlassen? Natürlich gibt es dort draußen schöne Orte zu entdecken, aber es gibt auch Gefahren, gefährliche Tiere, auch Feinde, die nur darauf warten, dass Ihr den Palast verlasst. Nicht alles ist so friedlich, wie hier, das könnt Ihr mir glauben“, erwiderte Julius.

Der Prinz schaute ihn an und ging den Gang weiter hinauf bis zu einer großen Treppe: „Meinst du nicht, dass ich auch erfahren muss, was draußen passiert? Eines Tages werde ich König werden, meinen Soldaten ein guter Befehlshaber und meinem Volk ein guter Herrscher sein, so wie es mein Vater derzeit ist. Und wenn ich die Welt dort draußen kennenlernen kann, wünsche ich mir, dass du an meiner Seite bist, denn du bist mein Vertrauter, der einzige Freund, den ich habe.“

Tasius legte eine Hand auf die Schulter seines Freundes. Julius schaute nur bedrückt auf den Boden, denn er wusste, dass sein Prinz Recht hatte. Dieser goldene Käfig hielt ihn gefangen.

Am Abend saß Tasius mit seinem Vater Fietus im Speisesaal. Es war wie immer reichhaltig aufgefahren, die besonderen Früchte des Landes, der beste, erlesenste Wein und ein großes Stück Fleisch, eben eines Herrschers angemessen. Bei diesen familiären Mahlzeiten saß Julius auch mit an der Tafel, eigentlich schon seit Anfang an, seit dem Julius Tasius Knappe wurde. Da hatte sich der Prinz einmal durchgesetzt. Fietus hatte es ganz im Gegensatz zu den höfischen Sitten akzeptiert, denn so erfuhr er doch einiges mehr von oder über seinen Sohn und dessen Vertrauten, hatte beide besser unter Kontrolle. Nur bei Empfängen und Besuchen anderer Staatsoberhäupter wusste Julius, dass es dann nicht gewünscht war und hielt sich im Hintergrund.

Die Bediensteten füllten auch heute die Becher und Teller der Speisenden. Musiker standen in einer Ecke und spielten die Heldentaten vieler Herrscher dieses Landes. Fietus saß in den edelsten Gewändern am Tisch und ärgerte sich, wie sein Sohn am Tisch saß: „Kannst du dich zu Tisch nicht anständig kleiden? Du siehst aus wie ein gewöhnlicher Bauer und nicht wie ein Prinz, der später mal König werden wird. Und wenn ich schon mal dabei bin, wo warst du heute schon wieder den ganzen Tag? Deine Lehrer haben dich gesucht, du bist mal wieder nicht zum Unterricht erschienen. Das kann nicht so weitergehen!“ Dabei blickte er ebenso Julius an, denn schließlich hatte dieser den Auftrag Tasius den ganzen Tag zu begleiten.

Tasius verdrehte die Augen, denn es war immer das gleiche, jeden Abend dieselben Worte seines Vaters: „Ich war mit Julius beim Schwertkampf im Palastgarten, wir haben unsere Techniken verfeinert.“

Der Vater schaute ihn erbost an: „Es ist nun mal deine Aufgabe zum Unterricht zu erscheinen, danach kannst du so viel kämpfen wie du willst. Wie willst du dein Reich später regieren, wenn du es nicht einmal kennst!?“ Julius zuckte bei diesen Worten zusammen, wich den Blicken des Königs aus und schaute lieber verlegen auf seinen Teller.

Tasius sprang auf und machte seinen Vater dafür verantwortlich: „Ihr sagt, ich soll lernen? Wie soll ich lernen, was soll ich lernen? Ich sitze hier nur über Büchern, aber das ich mal raus möchte, mein Volk, die Länder um uns herum kennenlernen möchte, hautnah spüren, wie es woanders ist. All dies nehmt Ihr mir, ich sitze hier fest. Glaubt Ihr nicht, dass ich langsam alt genug bin, um eigene Erfahrungen zu machen, eigene Entscheidungen zu treffen und auch vielleicht aus meinen Fehlern lernen muss? Vater, wollt Ihr mir das alles verbieten.“

Ganz außer Atem stand Tasius an seinem Platz, die Hände fest auf die Tischplatte gepresst. „Ich fühle mich wie ein Gefangener, ich möchte aber frei sein. Abenteuer erleben, Euch von meinen Heldentaten berichten. Ich möchte, dass Ihr eines Tages auf mich stolz sein könnt. Ich möchte so ein König werden wie Ihr, aber hier im Palast, allein zu sein, das macht mich kaputt. Vater, bitte erlaubt, dass ich den Hof verlassen kann. Ich komme auch ganz gewiss zu Euch zurück, bitte, so vertraut mir doch“, setzte Tasius noch nach, wobei seine eben noch so feste, wütende Stimme in eine leisere, eher flehende umschlug.

Der König schaute seinen Sohn teils erschrocken, teils ungläubig, dann schon mit fast glasigen Augen an: „Du sprichst wie deine Mutter, sie hat auch immer versucht mich so zu überzeugen, was ihr meistens gelang.“ Fietus machte eine Pause und setzte erneut an: „Ich vertraue dir mein Sohn, ich denke, wir sollten es versuchen. Dennoch musst du auch hier deinen Pflichten nachkommen. Wenn ich sehe, dass du deine Aufgaben erfüllst, deine Einstellung zum Unterricht mit den Gelehrten änderst, dann kann ich dir bestimmt erlauben, bald mit deinem Knappen …“, dabei blickte er fest in die Augen von Julius, der ebenso aufmerksam an den Lippen des Königs hing, wie jetzt Tasius, „… den Hof zu verlassen. Am Anfang beginnen wir mit der Stadt.“

Tasius traute seinen Ohren nicht, war es wirklich so leicht, seinen Vater zu überzeugen? Wild tanzten seine Gedanken durcheinander. Diesen schnellen Wandel in dem Vater Ansichten hatte er nicht erwartet. Es setzte sich aber auch sogleich die Erkenntnis bei ihm durch, dass er sich doch erst einmal dem fügen musste, was ihm sein Vater aufgetragen hatte und von ihm erwartete. Tasius nickte seinem Vater wortlos aber mit dankendem Blick zu und nahm wieder Platz, um das Essen gesittet zu beenden.

Julius saß am Tisch, schwieg zu dem eben Gehörten, denn es stand ihm nicht an, ohne Aufforderung seine Meinung kund zu tun. So widmete er sich, wie jetzt wieder alle an der Tafel, seinen Speisen, besonders genoss er das Fleisch, welches ihm auf der Zunge zerging.

Später in der Nacht lag Tasius auf seinem Bett noch lange wach und starrte an die hohe Decke. Er dachte über das Leben draußen nach. Wie es wohl sein mochte, unter den Sternen zu schlafen, morgens vom frischen Wind und vom taunassen Gras geweckt zu werden? Ob es wirklich so gefährlich wäre, wie Julius und Vater es erzählten? Könnte er sich mit seinen Fähigkeiten und seinem Schwert, wenn es ernsthaft zum Kampf käme, auch wehren? All diese Fragen spukten ihm im Kopf herum und er fand einfach keine richtigen Antworten, es vergrößerte nur seine Neugier nach dem Unbekannten, seine Sehnsucht auf die Welt außerhalb der Palastmauern. Tasius drehte sich in seinem Bett hin und her, wie gern hätte er jetzt seine Gedanken mit Julius geteilt, doch der schlief in seiner Kammer auf der anderen Seite des Palastes, wie es einem Bediensteten geziemt. Irgendwann fiel er vor Müdigkeit doch in den Schlaf.

Am nächsten Morgen machte sich der Prinz fertig und bereit für Unterricht seiner Gelehrten. Er hatte in der schlaflosen Nacht beschlossen, sich in Geduld zu üben, mit dem Schicksal als werdender König abzufinden, den Anweisungen des Vaters zu folgen und das anzunehmen, was man ihm gab und versprach. Tasius trug ein dem Haus angepasstes Gewand und begab sich zur Bibliothek, in welcher er erwartet wurde. Auf dem Weg dahin kam ihm Julius mit den Schwertern in der Hand entgegen: „Hoheit, wie seht Ihr denn aus? So könnt Ihr aber nicht mit mir in den Garten gehen und kämpfen.“

Tasius schaute sich selbst von oben herab an und stimmte Julius zu: „Ach, Julius mein Freund, du hast meinen Vater doch gestern beim Essen gehört. Wenn ich ihm beweise zu was ich fähig bin, lässt er uns hinaus in die Stadt. Ich weiß, was du jetzt denkst, dass es nicht zu mir passt, aber mir bleibt keine Wahl. Geh du doch schon mal vor, ich komme nach meinem Unterricht hinzu und wir können den ganzen Nachmittag kämpfen.“

Julius staunte, die Worte seines Freundes klangen in seinen Ohren schon sehr erwachsen. So deutete er eine zustimmende Verbeugung an und sah Tasius noch einige Augenblicke hinterher. Julius hatte jetzt also den Vormittag frei, was sollte er tun? So ging schon hinaus in den Garten und legte sich, den Kopf auf seinem Arm liegend, einen langen Grashalm im Mund kauend in das frisch riechende Gras und versank mit den Augen am wolkenlosen Himmel in seinen eigenen Gedanken. Julius dachte an seine Jahre am Hofe, was er und Tasius schon alles miteinander erlebt hatten. Dachte an sein Elternhaus, das außerhalb des Palastes, am Rande der Stadt in der Nähe des Waldes lag. Ob er seine Eltern besuchen könnte, wenn sie in die Stadt dürften, seine Geschwister sehen, die er schon lange vermisste? Ob sie ihn erkennen würden, immerhin trug er jetzt ansehnliche Kleidung, hatte inzwischen langes, zum Zopf gebundenes Haar? Sein Leben in den letzten Jahren hatte sich immer nach Tasius gerichtet, das Los eines Knappen. Doch er hatte es ja so gewollt und er war zufrieden damit. Genoss er doch erhebliches Ansehen bei Hofe, war Vertrauter des Prinzen und des Königs, wie es wohl es nur wenige waren. Und er liebte Tasius, fast wie einen Bruder. Sein Leben würde er für ihn geben. Nicht, weil man es von ihm erwartete, sondern, weil er es niemals ertragen könnte, wenn Tasius etwas zustoßen würde.

So lag er da, träumte und vergaß dabei völlig die Zeit, denn nach einer Weile schaute er nach rechts und sah den Prinzen neben sich liegen, den Kopf auf seinen Arm gestützt, ihn anblickend. „Na, hast du was Schönes geträumt? Du sahst aus, als hättest du die schönsten Gedanken gehabt“, begann Tasius, als er bemerkte, dass Julius aus seinen Träumen erwacht war und ihn fragend anblickte. „Ich sag es dir, der Unterricht war sowas von langweilig, ich könnte jetzt eine Runde Schlaf gebrauchen.“

Doch Julius stand auf, reichte Tasius eine Hand, zog ihn ohne ein Wort zu wechseln empor und übergab dem Prinzen mit einer auffordernden Geste das Schwert. Sie verstanden sich blind, denn beide machten sich an ihr Training, stellten sich gegenüber, erhoben die Schwerter und schlugen zu und parierten gegenseitig perfekt auf den jeweils anderen. Man vernahm nur das Klirren der geschmiedeten Klingen. Vorbei laufende Mägde und Knechte, die ihrem Tagwerk nachgingen, staunten nur, mit welcher Ausdauer und Perfektion die beiden ihre Übungen machten.

Und so vergingen die Tage, immer im selben Rhythmus. Tasius erfüllte die Aufgaben, welche sein Vater ihm gestellt hatte, fühlte sich aber dennoch weiter ferngehalten von der Außenwelt. Julius war Tasius Begleiter in allen Stunden des Tages, in denen der Prinz nicht von den Gelehrten unterrichtet wurde oder in der Nacht schlief. Manchmal in den Wartezeiten fühlte sich Julius aber allein und ein wenig vernachlässigt, obwohl das ja eigentlich nicht der Fall war. Denn Tasius war folgsam, stand des Nachmittags immer pünktlich zu seinen Trainingseinheiten mit Julius im Palastgarten, trainierte ausgiebig mit ihm, tat also seine Pflicht. Dennoch fühlte er aber so, im fehlte die Nähe des Prinzen, sobald sie getrennt waren, in letzter Zeit auch nachts. Doch was konnte er tun, eigentlich war alles so, wie es sein sollte, was spielte sich in seinem Kopf ab? Immer wieder verwarf Julius seine Gedanken und sog dafür umso mehr die Momente in sich auf, in denen sie vereint waren.

Nach einigen Wochen saßen der König und der Prinz allein an der Tafel und aßen zu Abend: „Ich habe eine Neuigkeit für dich mein Sohn. Deine Lehrer erzählten mir, dass du dich im Unterricht sehr wacker schlägst, dass sich dein Benehmen um einiges gebessert hat, du interessierter lernst. Und ich beobachtete, wie gewissenhaft du mit Julius trainierst. Daher erlaube ich dir mit Julius als deinen Begleiter für einen ganzen Tag den Palast zu verlassen, um dir die Stadt näher ansehen zu können. “

Tasius saß nur mit offenem Mund da und traute sich nichts zu erwidern, er war von dieser Neuigkeit so überrascht. Doch plötzlich sprang er auf, lief zu seinem Vater und fiel ihm um den Hals. Er war überwältigt von dieser unerwarteten Erlaubnis: „Danke Vater, darf ich bitte zu Julius gehen und es ihm berichten?“

Der König schob Tasius langsam von sich und nickte ihm lächelnd zu. Diese Art Gefühlsausbrüche war er nicht gewohnt und erzeugte ihm eine leichte Gänsehaut. Tasius bedankte sich noch wortreich, schnappte sich ein paar Äpfel und anderes Obst und rannte los. Der junge Prinz musste über den halben Hof laufen, bis er Julius entdeckte. Er winkte ihm zu, die Freude war dem Prinzen ins Gesicht geschrieben.

„Was ist los, warum rennt Ihr so, Ihr strahlt ja wie ein Glühwürmchen?“, kommentierte Julius, als er dem Prinzen entgegen ging.

„Mein Freund, mein Freund, ich habe gute Neuigkeiten, ich sprach soeben mit meinem Vater und dieser hat uns erlaubt, einen ganzen Tag lang den Palast zu verlassen und uns die Stadt anzusehen. Ist das nicht wunderbar?“

Julius nickte und umarmte seinen Freund. Sofort kamen die lange unterdrückten Gefühle in ihm auf. Jetzt konnte er nach den vielen Jahren mit seinem Freund, dem Prinzen, dem zukünftigen Herrscher des Landes seine Familie besuchen, ihm zeigen, wo er aufgewachsen war, ihn mit seinen Eltern und Geschwistern bekannt machen. All diese Dinge, es würde ein schöner Tag für sie beide werden. Ganz berührt von seinen Gedanken schossen Julius die Tränen in die Augen, er wagte es gar nicht, Tasius in die Augen zu sehen. Schnell sprach er: „Wann wollen wir denn aufbrechen? Denn sollte es zeitig sein, müssten wir uns langsam zum Schlafen bereit machen.“

Tasius schaute Julius an, fuhr mit der Hand unter Julius´Kinn und hob sein Gesicht, so dass Julius ihn ansehen musste. Längst hatte Tasius die Freudentränen bemerkt, war er doch selbst vor Freude seinem Vater um den Hals gefallen: „Am besten sobald die ersten Sonnenstrahlen da sind, dann treffen wir uns am großen Messingtor. Die Wachen wissen auch schon Bescheid, dass wir das Gelände verlassen dürfen.“

Sie verabschiedeten sich mit einer innigen Umarmung und jeder ging in seinen Teil des Palastes, um sich auf den Morgen zu freuen und um etwas Schlaf abzubekommen.

Die ersten Sonnenstrahlen weckten Tasius am nächsten Morgen. Er war noch nie so schnell gewesen, um sich fertig zu machen. Aufregung machte sich breit, denn er wusste nicht, was auf ihn bei dem Ausflug in der Stadt zukommen würde. Der Prinz schlüpfte in die bequemsten Sachen, die er besaß. Jetzt packte er sich seinen Quersack, mit Papier, Stiften, Tüchern, Wasser und Früchten. Die hielten besser in einer Tasche, hatte man ihm gesagt. Und so machte er sich auf zum Tor, wo sein Freund Julius bereits aufgeregt auf ihn wartete.

Julius schien, als hätte er die ganze Nacht kein Auge zu gemacht, er war genauso nervös wie der Prinz. Beide drehten sich zum Tor und bestaunten es von oben bis unten. Sie waren oft im Palasthof gewesen und haben immer dieses Tor gesehen, aber noch nie so nah. Die Wachen, die davor standen, verneigten sich vor seiner Hoheit und stießen das Tor auf. Die jungen Männer schauten sich an und nickten sich zu. Festen Schrittes gingen sie die Straße nun hinunter in Richtung Stadt. Die Sonne schien schon kräftiger und es wehte ein leichtes Lüftchen.

Die Stadt erstrahlte wie immer in ihrer vollen Schönheit. Alles war gepflegt und sauber gehalten. Die jungen Männer gingen den Weg weiter und sie schauen sich jede Ecke, jeden Stein an. Am Marktplatz staunte Tasius mit großen Augen über die vielen Stände mit verschiedenen Waren. An einem Stand verkauften sie Stoffe. An dem nächsten Obst und Gemüse, an weiteren Dinge, die zum täglichen Gebrauch dienten. An wieder anderen gab es sogar Waffen, wie Schwerter, Bögen, Wurfmesser und Lanzen. Dies musste sich Tasius genauer anschauen, denn es konnte sein, dass er eines Tages neue Waffen bräuchte.

„Hoheit, kann ich Euch um einen Gefallen bitten? Ich möchte gerne meine Familie wiedersehen und sie Ihnen vorstellen. Als mein Freund bitte ich Sie, mit mir dorthin zu gehen.“

Tasius nahm Julius an die Hand und nickte. Sie bogen in die linke Seitenstraße ein, dann in die rechte, ein paar Treppen hinunter, ein paar wieder herauf. Vor einem kleinen Haus blieb Julius stehen. Dieses Haus war von Holzlatten umzäunt. An den Fenstern waren Kästen mit Blumen geschmückt, der Vorgarten war zwar klein, aber diese Familie baute darin selbst ihr Gemüse an.

Im Garten spielten zwei Kinder, die sehr jung erschienen, vielleicht gerade einmal sieben Sommer alt. Sie sahen sich sehr ähnlich, dies waren die Geschwister von Julius. Eines der Kinder drehte sich um und sah die jungen Männer. „Juli? Bist du Juli? … Juli ist da! Juli, Hallo!!!“

Das eine Mädchen rannte auf Julius zu und sprang ihm um den Hals. Julius fing sie auf und musste dabei die Hand des Prinzen loslassen, die er noch bis eben hielt. Er schwenkte das Mädchen im Kreis. Das zweite Mädchen rannte hinterher und stürzte sich ebenso auf ihren großen Bruder. Die drei fielen auf den Boden und die Geschwister küssten sich gegenseitig das Gesicht. Der Prinz schaute gerührt und amüsiert zu und konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Mit den Händen im Schoß lachte Tasius sehr laut. Jetzt stürmten auch zwei Erwachsene aus dem Haus. Julius´Eltern. Sie umarmten ihren Sohn und weinten, baten die Jungs mit ins Haus. Die beiden Freunde konnten sich erst mal ausruhen und frisch machen. Jetzt erst stellte Julius seinen Freund vor. „Verzeiht bitte, ich bin ganz überrascht von der Begrüßung“, begann Julius zunächst an Tasius gewandt, worauf er sich seiner Familie zuwendete „ich bin der Begleiter seiner Hoheit Prinz Tasius und er hat mir erlaubt, wärend unseres Ausfluges euch zu besuchen.“ Schlagartig war Ruhe im Haus, der Vater machte eine tiefe Verbeugung vor Tasius, die Mutter knickste tief und die Mädchen taten es ihr gleich. Nacheinander begrüßte Tasius seine Gastgeber und begann ganz nach höfischer Sitte mit dem Herrn des Hauses. Einem nach dem anderen gab er die Hand und zog sie dabei zu sich hoch. Er bedankte sich höflich für die Gastfreundschaft und gestikulierte der Familie, dass sie sich nicht an seinem Geburtsstand stören sollten. Julius übernahm darauf hin wieder die Gesprächsführung. Nach kurzer Zeit war der Schock über den hohen Besuch überwunden, wohl auch, weil Tasius überhaupt keine weiteren höfischen Eigenheiten zuließ, sondern sich ganz normal mit ihnen unterhielt. Die ersten, die wieder zur Normalität übergingen, waren die Mädchen. Beim Essen, welches die Mutter für die Wanderer gezaubert hatte – es waren einfache Dinge, aber es war allemal ausreichend für alle, geschmackvoll angerichtet - sprachen sie über die vergangenen Jahre die Julius nicht bei Ihnen war: „Und mein Sohn, wie ist es dir ergangen? Geht es dir am Hofe gut?“

Julius war froh, dass er sich wieder mit seinen Eltern unterhalten konnte: „Ja, Vater, am Hofe geht es mit sehr gut, Tasius ist nicht nur mein Prinz, er ist mein Freund dort. Ich bin selten allein. Und dieser ungestüme Sohn des Königs macht mir viel Arbeit.“

Tasius wurde leicht verlegen, lachte aber laut und bezeugte der Familie damit, dass er Julius´ Worte als Spaß verstand. So blieb es bei der lockeren Stimmung und Julius war berührt zu sehen, welch gefühlvolles Familienleben bei seinem Freund herrschte. Dieses Leben hatte sein Vater wohl versucht ihm zu geben. Dennoch fehlte ihm aber seine Mutter.

Sie verbrachten noch ein paar Stunden bei der Familie und machten sich dann wieder auf, die Stadt weiter zu erforschen, denn zum Plaudern allein waren sie nicht gekommen. Bei der Verabschiedung wurde auch Tasius von der Mutter und den Mädchen liebevoll umarmt. Die Jungen bekamen auch noch den einen oder anderen Tipp für das Aufsuchen von besonders sehenswerten Stellen in der Stadt mit auf den Weg und den Wunsch für ein baldiges Wiedersehen.

Der Prinz und sein Knappe schauten sich weiter in der Stadt um, gingen den Tipps der Eltern nach. Mit nackten Füßen liefen sie auch durch die Bäche, das kalte Wasser tat ihnen gut auf der Haut. Als es dunkel wurde, machten sie sich auf den Weg zurück zum Palast. Am Tor schauten die jungen Männer noch einmal zurück zur Stadt. In beiden Gesichtern sah man Wehmut aber auch Freude über das Erlebte.

„Ich fand heute den Tag bei deiner Familie sehr schön, Julius, aber weshalb hast du nie von ihnen erzählt, oder lebst dort? So weit sind wir doch nicht auseinander? Du hättest doch jeder Zeit Möglichkeiten gehabt, hier raus zu kommen.“

„Ihr versteht das nicht, es war nicht immer so, ich hatte Streit mit meinen Eltern. Vielleicht war es ähnlich, wie bei euch. Das elterliche Haus genügte mir nicht mehr, ich war unzufrieden und war vielleicht auch zu ungeduldig, das erkenne ich heute. Damals war ausgeschrieben worden, dass für Euch ein Knappe gesucht würde. Ich wollte es auch schließlich sein. Und dann bin ich einfach gegangen. Ich hatte Angst sie zu verlieren, im Streit vielleicht ungerecht zu sein. So tat ich es für sie und für mich selbst, es fiel mir schon sehr schwer. Aber ich konnte es kaum erwarten sie heute wiederzusehen. Und dass sie sich so freuen würden, damit hab ich auch nicht gerechnet.“

Tasius hörte gespannt zu und meinte: „Das machen wir jetzt öfter. Ich sorge für gutes Benehmen, damit wir öfter raus gehen können. Und du sorgst dafür, dass euer Familienleben wieder das alte wird.“

Julius umarmte seinen besten Freund und verabschiedete sich, um in seine Kammer zu gehen, nachdem er ihn bis zu seinen Räumen begleitet hatte. Tasius lag jetzt im Bett und hatte nicht wirklich viel Zeit, um über diesen wunderschönen Tag nachzudenken. Er merkte nicht wie anstrengend das heute draußen war, denn es genügte einmal kurz die Augen zu schließen, schon hatte ihn der Schlaf übermannt.

Am Morgen beim Frühstück berichtete er alles seinem Vater und sein Gesicht strahlte. Die Augen glänzten vom Erzählen: „Vater, es war wunderschön, draußen an der frischen Luft vor dem Palast. Und dann die Stadt erst selbst. Ich hätte nie gedacht, dass sie so groß und weitläufig ist. Die Menschen strahlen eine Zufriedenheit aus. Die Familie von Julius hat mich sehr freundlich aufgenommen, ich spürte, wie sehr sie ihren Sohn lieben.“

„Mein Sohn, ich weiß wovon du sprichst“, antwortete Fietus. „Glaube mir, auch ich hatte in deinem Alter ähnliche Erfahrungen. Doch leider ist die Welt nicht überall so freundlich, wie du sie den einen Tag erlebt hast. Es war auch nicht leicht, unser Land zu dem zu machen, was es heute ist. Was deinen Julius betrifft, haben wir natürlich vorher Erkundigungen eingezogen, er wurde ausgewählt, weil seine Familie so zu ihm steht. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass du dich weiterhin freuen wirst, die Stadt zu besuchen.“

Tasius strahlte: „Oh Vater, soll das heißen, dass ich öfter den Palast mit Julius verlassen darf?“

Der König nickte gütig. Tasius schnappte sich einen Apfel und umarmte erneut seinen Vater. Dann lief er zu seinen Lehrern, um weiter mit ihnen zu lernen. Tag für Tag. Doch Geduld ist nicht alle Tage das, was Tasius auszeichnete. Schnell wurde es wieder dieser langweilige Unterricht. Erdkunde, Geschichte, vornehmes Benehmen, das Regieren eines Reiches, alles schon mal gehört. Aber er musste sich dazu weiter durchringen, um den Anforderungen seines Vaters nachzukommen. Denn er hatte vor, mit Julius weiterhin in die Stadt und seine Familie zu besuchen.

Es gelang ihm, so konnten die zwei Freunde ungefähr jeden dritten Tag bei der Familie verbringen. Sie spielten mit den Zwillingen, aßen zusammen und Tasius machte ihnen viele Geschenke. Dem Vater schenkte er neue Gartengeräte, der Mutter vieles für den Gebrauch, den Zwillingen neue hübsche Sachen und einiges Spielzeug. Es waren schöne glückliche Tage, die beiden Freunde kamen sich immer näher, wurden mit der Zeit unzertrennlich. Bald sah man sie nur noch gemeinsam. Selbst zum Unterricht begleitete Julius seinen Prinzen und nahm auch selbst daran teil.

Die Ausflüge wurden regelmäßig, bald war auch keine extra Einwilligung des Königs von Nöten, wenn Prinz und Knappe in die Stadt laufen wollten. Das alles das machte Tasius sehr froh, aber gleichzeitig auch unglücklich.

Die Reisesehnsucht wurde immer größer. Noch mehr kennenzulernen, außerhalb von Lia. Nicht zu wissen, was hinter der Stadt lag, schmerzte ihn sehr. Und so stürzte er sich noch mehr in die Bücher, um aus den Heldentaten seiner Vorgänger nach Abenteuern zu suchen, die er auch gerne bestehen würde. Es vergingen die Wochen, in denen sich die Sehnsucht weiter steigerte.

An einem Abend nahm Tasius allen Mut zusammen und ging zum Gemach seines Vaters.

„Vater, darf ich Euch stören? Mir liegt etwas auf dem Herzen, was ich gerne mit Euch besprechen möchte.“

Der König winkte ihn herein und deutete mit einer Geste, dass sein Sohn Platz nehmen sollte. König Fietus schaute ihn an und wartete bis Tasius genug Mut gefasst hatte um fortzufahren.

„Vater, wie Ihr wisst, sind mein Knappe Julius und ich des Öfteren bei seiner Familie“, er holte tief Luft. „Und Ihr wisst auch, dass ich gerne mehr sehen würde. Mehr als nur die Stadt, die zu unseren Füßen liegt. Meine Sehnsucht wird größer, Neues zu entdecken. Ich bitte Euch mir zu erlauben, durch unser Land zu ziehen, um es besser kennenzulernen. Die Bücher und Karten reichen mir nicht.“

Der König lauschte seinen Worten und kratzte sich am Bart. Dann schüttelte er nur den Kopf: „Das kann ich dir nicht erlauben, es ist zu gefährlich und ich habe Angst, dass du dich verirrst oder dir etwas passiert. Du bist mein bestbehüteter Schatz.“

Tasius konnte sich zwar denken, dass sein Vater das sagen würde, dennoch hatte er gehofft, dass es ihm gelingen könnte, wie zu seiner ersten Frage nach dem Besuch der Stadt, dem Vater Zustimmung zu entlocken. Mit voller Enttäuschung im Gesicht stand er vom Tisch auf und ging hastig auf und ab: „Ich mache die ganze Zeit was Ihr von mir verlangt. Ich gehe zum Unterricht, trage diese schreckliche Kleidung, ich halte mich an alles. Julius und ich sehen uns fast nur noch, wenn wir seine Familie besuchen gehen, oder gemeinsam lernen. Vater, ich glaube, ich habe ein Recht zu erfahren, wie es draußen in der Welt zugeht. Ihr könnt mich nicht auf ewig hier festhalten, wie Euren Gefangen. Mutter hätte sich das nie für mich gewünscht.“

Dem König war es genug und er schlug mit der Faust auf den Tisch, so dass die Becher umfielen. Das war das Zeichen, dass Tasius es zu weit getrieben hatte. Seine Mutter hätte Tasius hier nicht ins Spiel bringen dürfen. Beide Männer hatten nie über ihren gemeinsamen Verlust geredet. Dass sie es immer noch nicht ganz verwunden hatten, vielmehr, dass es König Fietus noch nicht verwunden hatte wurde hier deutlich. Tasius ballte seine Fäuste so stark das die Knöchel weiß wurden. Tränen schossen ihm in die Augen und er verließ seinen Vater und rannte in seine Räume. Er warf sich auf sein Bett und weinte, er weinte die ganze Nacht. Er konnte nicht glauben, dass sein Vater so streng zu ihm war.

Am nächsten Tag schwänzte er den Unterricht und schloss sich ein. Er wollte niemanden sehen, vor allem seinen Vater nicht. Es klopfte an der schweren Holztür: „Hoheit, seid Ihr dort drin? Kommt, lasst mich doch rein. Ihr könnt mir dann alles erzählen. Wir machen uns alle große Sorgen um Euch, Hoheit, so hört doch.“

Tasius blieb stur und rührte sich kein bisschen in seinem Zimmer. Er wollte jetzt nur noch für sich sein, mit seinem Schmerz und Leid. Er machte sich Gedanken, wohin er gehörte, was er wollte, welches sein Ziel in seinem Leben sein sollte. Und dabei blieb nur ein Wunsch immer offen. Die große Freiheit, der Wunsch hinaus zuziehen.

Es vergingen die Tage, ohne seinen Vater zu sehen oder zu hören. Eines Abends schlich er sich hinaus und suchte Julius auf. Tasius hatte einen Plan geschmiedet und erhoffte sich die Hilfe seines einzigen Freundes. Er suchte ihn am ganzen Hofe, bis er ihn im Garten an einem der unzähligen Brunnen fand. Julius saß dort und schaute dem Wasser zu, wie es seine Füße umspielte. Im Spiegelschein des Wassers erkannte er den Prinzen hinter sich. So drehte er sich um und wartete bis Tasius sprach.

„Es tut mir leid, Julius, ich habe dich sehr vernachlässigt und dich abgewiesen. Aber ich musste erst einmal für mich allein sein. Ich habe viel Nachdenken müssen. Wenn ich es wieder gut machen könnte würde ich es tun, aber ich kann es nicht. Ich habe dich aufgesucht, um mich bei dir zu entschuldigen und dir meinen Entschluss mitzuteilen. Ich hoffe, dass du mich verstehen wirst und nicht so denkst, wie mein sturer Vater.“

Julius grinste: „Das kann man auch von Euch behaupten, noch eine Tugend, die Ihr von eurem Vater geerbt habt. Aber ich verzeihe Euch, ich weiß dass dieses Leben nicht leicht ist, immerhin haben wir fast alles bisher zusammen erlebt. Aber nun erzählt, was Ihr mir mitteilen wollt, ich bin sehr gespannt.“

Tasius setzte sich zu seinem Freund an den Brunnen und streckte seine Füße ebenfalls ins Wasser: „Nun ja, es fällt mir nicht leicht. Wie du weißt, haben sich mein Vater und ich gestritten. Ich sagte ihm, dass ich raus will in die Welt. Dass mir das Leben hier im Palast und in der Stadt zu wenig ist. Dass er mich nicht ewig hier einsperren könne und dass sich das meine Mutter bestimmt nicht für mich gewünscht hätte.“

Julius schaute ihn mit großen Augen an und schüttelte den Kopf. Doch Tasius ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und erzählte weiter.

„Ich wünsche mir, dass wir zusammen hier weggehen und das Land erforschen, uns umschauen in der Welt und unsere Freiheit genießen. Ich möchte dich an meiner Seite wissen. Du bist nicht nur mein Knappe. Julius, du bist der Einzige, den ich hab und der mich versteht. Komm bitte mit mir, lass uns zusammen verschwinden.“

Julius konnte nicht glauben was er da hörte, er sprang auf, zog sich seine Stiefel an und ging auf und ab, versuchte die richtigen Worte zu finden: „Nein!“

„Wie? Nein?“, fragte der Prinz.

Sein Knappe war ziemlich nervös, denn er hatte immer gewusst, dass sowas passieren und ihn vor eine Entscheidung stellen würde, die ihm nicht gut täte. Und jetzt es war soweit: „Ich kann nicht mit Euch gehen. Mein Leben ist hier am Hofe mit Euch. Meine Familie lebt hier in dieser Stadt. Ich hab sie einmal verlassen und das werde ich kein zweites Mal tun. Ebenso bin ich Eurem Vater verpflichtet, ich darf und kann ihn nicht hintergehen, das wäre nicht richtig. Es tut mir leid, Hoheit, aber das könnt Ihr nicht machen, alleine da draußen. Ihr wisst doch nicht, wie es da ist, was Ihr dazu alles benötigt. Wovon wollt Ihr euch ernähren und leben? Und jetzt bitte ich Euch als euer Freund, bleibt hier bei mir. Hier im Palast und wir werden Abenteuer hier bestehen und bestimmt in Zukunft auch weiter hinaus dürfen. Bitte, Hoheit, ich brauche Euch hier und nicht dort draußen.“

Tasius hatte das Gefühl, das ihn gerade eine Horde Pferde überrannt hätte. Er konnte nicht fassen, was er sich da anhören musste. Der Prinz sprang auf, schubste Julius so kräftig von sich weg, sodass der Knappe vor ihm hinfiel: „Ich werde mich morgen in der Nacht aufmachen und von hier fort gehen! Ich warne dich es zu verraten, wenn du mitkommen willst, dann um Mitternacht im Stall nahe des Tores. Ansonsten war es das mit uns. Dann gibt es keinen Knappen mehr für mich und auch keinen Freund, den ich je liebte. Du hast die Wahl, mir zu folgen oder hier allein zu bleiben.“

Mit diesen Worten verschwand der junge Prinz.

Tasius war voller Wut, er knallte seine Türen, schmiss alles von seinem Tisch, verwüstete sein halbes Gemach. Mit verweinten Augen stand er mitten in seiner Kammer und bekam kaum Luft, so wütend war er auf Julius. Er fing an seinen Quersack zu packen, mit allem was er auf seiner Reise brauchen würde. Den Proviant würde er sich erst aus der Speisekammer holen, wenn er sich wegschleichen würde. So wartete Tasius auf den Abend, um zu verschwinden.

Kurz vor Mitternacht machte Tasius sich auf. Langsam öffnete er seine Tür und schaute sich im Gang um. Niemand zu sehen, dachte der Junge und schlich zur Speisekammer.

Julius lag währenddessen auf seinem Bett und machte sich Sorgen um seinen Prinzen. Das konnte er doch nicht wirklich ernst gemeint haben, aber wenn doch? So machte er sich auf, um ihn in seinem Gemach zur Rede zu stellen. An Tasius´Tür lauschte er ob etwas zu hören sei. Nichts war zu hören und so ging er hinein. Die Räume des Prinzen waren leer. Der Quersack verschwunden. Anscheinend machte Tasius doch ernst. Julius wurde nervös, er musste den Prinzen finden. Er rannte los, in der Hoffnung den Prinzen aufhalten zu können.

In der Speisekammer angekommen, musste Tasius aufpassen, denn es konnte sein, dass hier noch ein Wächter unterwegs war. Tasius hatte Glück, kein Mensch zu sehen. Er packte alles, was sich für eine lange Reise gut halten würde, ein. Trockenfleisch, Brot, Käse, Früchte. Ein paar Münzen hatte er sich auch eingesteckt in der Hoffnung vielleicht doch nicht draußen schlafen zu müssen. Und so voller Mut und Anspannung schlich er zum Stall nahe des Tores und hoffte, dort Julius zu finden: „Julius bist du da?“ Es kam keine Antwort, also hatte sein einziger Freund ihn doch im Stich gelassen. „Was für ein feiger Hund“, erwischte sich Tasius sagen. Und so machte er sich an der Mauer entlang, um einen Spalt zu finden, wo er durchklettern konnte.

Die Wachen um das Gelände herum waren sehr aufmerksam. So musste der Prinz sehr aufpassen. Gehen, wenn sie gingen, damit man seine Schritte nicht hörte. Da, ein Schlupfloch. Tasius drehte sich noch mal zum Palast um, ihm stiegen Tränen in die Augen, er suchte mit den Augen nach Julius, aber er war immer noch nicht zu sehen. „Mach es gut, mein Freund!“ flüsterte er eher für sich, als dass er annahm gehört zu werden.

Julius lief derweil durch den Garten und schaute sich aufmerksam um, flüsterte leise den Namen seines Prinzen, seines Freundes. Doch er hörte keinen einzigen Laut. Plötzlich hörte er Schritte auf sich zu kommen. Zwei Wachen, die etwas wahrgenommen hatten, suchten nach der Quelle der Geräusche. Julius musste sich so schnell wie möglich ein Versteck suchen, er drehte sich um und sprang in das nächste Gebüsch. Die Wachen drehten sich suchend hin und her, liefen die Wege auf und ab. Als sie nichts fanden, gingen sie weiter. Julius huschte aus dem Gebüsch heraus und macht sich weiter auf, Tasius zu finden. Er fand seinen Freund aber nirgendwo hier. Dann erinnerte er sich, er sollte Tasius zu Mitternacht im Stall, nahe des Tores zur Stadt treffen.

Immer noch an der Mauer stehend, holte Tasius tief Luft und verschwand durch den Spalt.

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