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Die Liebe und die Freiheit
Teil 7 - Die Flucht
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Informationen
- Story: Die Liebe und die Freiheit
- Autor: Rubilamea
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Abenteuer, Historisch
Darina stand nun aufgeregt vor der Tür. Sie machte sich Gedanken darüber, wie Tyaida wohl sein mochte. Cain hatte sie ihr beschrieben, er selbst hatte sie nach den vielen Jahren nur kurz sehen können. Die Tür wurde geöffnet und die Zofe, Daikins Liebchen, stand vor ihr. Sie bat Darina hinein und schloss die Tür wieder. In dem Raum war es dunkel und die Luft roch feucht, modrig, wenige Kerzen brannten. Es gab nur ein kleines Fenster. Ein beklemmendes Gefühl breitete sich in ihr aus. Die Königin wurde wie eine Gefangene gehalten. Ihre Kammer, denn viel mehr war es nicht, war ebenso spärlich eingerichtet, wie die Räume Cains, nur das nötigste. Darina ging weiter in den Raum hinein, da saß Tyaida. In ihrem Sessel, mit ihren langen blonden Haaren und den blauen Augen. Man sah ihr die körperlichen Misshandlungen an, die sie von Kieran hatte ertragen müssen. Dennoch wirkte sie sehr stark.
„Komm nur herein mein Kind. Ich habe dich schon erwartet. Mein Sohn hat mir von dir geschrieben. Er schreibt mir jeden Tag, seitdem er mich gefunden hat. Hat er dir das erzählt? Natürlich hat er, welche Frage. Komm, nimm doch bitte Platz! Ich freue mich, dass du gekommen bist", sprach Tyaida mit sichererer Stimme.
Darina machte einen Knicks vor Tyaida, sie erinnerte sich, wie Cain ihr das erklärt hatte. Ist ihr Gegenüber im Rang höher als sie selbst, dann macht man einen Knicks.
Sollte er im Rang niedriger stehen, dann genügt ein leichtes Kopfnicken. Sie war jetzt einer Prinzessin gleich zu stellen, Tyaida aber war die Königin. Daraufhin nahm sie Platz, neben Tyaida im Sessel. Die Sessel waren scheinbar das einzig bequeme hier, mit einem rotem Samt bezogen und die Bezüge der Kissen dazu waren kunstvoll bestickt. Darina schaute sich noch mal um, sie konnte es einfach nicht glauben, wie man eine Königin so leben lassen konnte. Tyaida war seit Jahren hier unten, der Zugang zu ihrem Zimmer war sehr versteckt.
„Ich danke Euch, dass Ihr mich empfangt. Ich möchte euch etwas von mir erzählen.
Ich bin sechzehn Sommer alt. Aber wer ich bin und woher ich komme, weiß ich nicht.
Euer Sohn hat mir seine Hilfe angeboten, mich zu erinnern. Doch im Augenblick braucht er erst einmal meine Hilfe. Deswegen bin ich hier, Hoheit", ergriff Darina das Wort.
Tyaida schaute sie an und wartete ob Darina noch was sagen würde. Darina hob den Kopf und erklärte der Königin den Plan, wie sie ihn Cain mit Daikin besprochen hatte.
„Wir kommen hier doch nicht heraus! Kieran hat alles unter Kontrolle, wie wollen wir das schaffen?", antwortete Tyaida, nachdem sie geduldig zugehört und kurz nachgedacht hatte. Sie schüttelte ihren Kopf.
Doch Darina versuchte weiter ihr Bestes, versuchte Tyaida zu überzeugen. „Doch, es gibt eine Möglichkeit. Cain hat uns von einem Geheimgang erzählt, er hatte ihn zufällig gefunden, nur wohin er führt wissen wir nicht", erwiderte das Mädchen hartnäckig.
Jetzt musste sie auf eine Antwort warten.
Die Königin schüttelte immer wieder ihren Kopf, als wollte sie sagen, dass es keinen Sinn machen würde, von hier weg zu kommen. Darina blieb in ihrer fragenden Haltung, sagte aber kein Wort. Sie wollte nichts aufs Spiel setzten, Cain wünschte sich sehr, seine Mutter mit sich zu nehmen.
Tyaida stand aus ihrem Sessel auf und ging auf ihr Fenster zu, da blieb sie stehen und schaute einfach nur starr hinaus. Nach einer Weile drehte sie sich wieder zu Darina um:
„Ich brauche Zeit, ich kann nicht sofort von hier weg. Ich möchte jetzt allein sein, entschuldigt mich bitte."
Darina musste sich mit dieser Antwort zufrieden geben, stand auf, knickste vor Tyaida und ging. An der Tür drehte sie sich noch einmal um und sprach: „Ihr seid die Königin dieses Landes. Es braucht Euch und auch Euer Sohn braucht Euch. Bedenkt das bitte!"
Nach diesen Worten verließ sie Tyaidas Kammer.
Sie schlich den Gang zurück, die Treppe hinauf und weiter zu ihrem Gemach. Dabei bemerkte sie nicht, dass sie unterwegs beobachtet wurde. Dieser Jemand folgte ihr.
An einer Ecke, packte er sie am Handgelenk. Darina wurde an die Wand gepresst. Als sie bemerkte wer es war, versuchte sie an ihren Stiefel zu kommen. Kieran hatte ihr aufgelauert und versuchte sie jetzt wieder zu bedrängen. Aber diesmal blieb Darina die Ruhe selbst, sie ließ sich keine Angst mehr machen, sie war vorbereitet.
„Wieso schleichst du hier herum, zu so später Stunde?", wollte der Angreifer wissen.
„Ich konnte nicht schlafen und habe mir die Beine vertreten, ist das ein Verbrechen?", erwiderte Darina.
Kieran wurde aufdringlicher und versuchte Darinas Hals zu küssen. Doch sie wich ihm immer wieder aus, wand sich wie ein Fisch. Dabei schaffte sie es eine Hand frei zu bekommen. Sie hob langsam das rechte Bein, so leicht, damit Kieran es nicht bemerken konnte. Sie fasste nach ihrem Dolch und lenkte diesen mit einer gekonnten Bewegung an Kierans Kehle. Der König schreckte kurz auf, als er die scharfe Klinge spürte.
„Meinst du, das macht mir Angst Mädchen? Ganz im Gegenteil, es verzehrt mich noch mehr nach dir. Ich mag es, wenn Frauen sich wehren", seine Stimme klang rauh, gierig und kühl.
Doch Darina ließ sich nicht beeindrucken, zu angespannt und wütend war sie: „Lasst mich sofort los und belästigt mich nicht mehr!"
Kieran lachte sie lauthals aus, doch dann plötzlich zuckte er zusammen und verstummte. Es kam jemand den Gang entlang gelaufen. Kieran hatte die Begegnung mit seinem Sohn in Darinas Räumen nicht vergessen. Doch es war nur eine Wache, die ihren Rundgang in diesem Abschnitt des Palastes machte. Die Wache sah die zwei im Gang stehen, erkannte den König, der grimmig blickte, machte augenblicklich kehrt und verschwand. Das war die Untergebenheit und Angst, die die Menschen vor ihrem Herrscher hatten.
Kieran versuchte weiter an Darina heran zu kommen, doch sie ließ es nicht zu. Als sie merkte, wie seine Hand unter ihr Hemd kroch, schlug sie mit dem Knauf ihres Dolches zu. Sie traf Kieran an der Schläfe. Der große Herrscher sackte wie ein schwerer, dicker Sack zu Boden. Das Mädchen war sehr erschrocken und lief so schnell sie konnte zu Cain.
Völlig erschöpft schlug Darina die Tür hinter sich zu und lehnte sich mit dem Rücken daran. Cain sah sie fragend an: „Was ist passiert? Warum seid Ihr so außer Atem?"
Doch Darina konnte noch nicht antworten, sie rutschte an der Tür hinunter und zitterte am ganzen Körper: „Ich glaube, ich habe Euren Vater umgebracht! Ich weiß nicht wie das geschehen konnte, ich wollte doch nur das er mich in Ruhe lässt. Er griff mich im Gang wieder an."
Cain schaute immer noch fragend und schüttelte dabei den Kopf: „Was? Was erzählst du da? Versuch dich zu beruhigen und dann erzählst du mir alles genau."
Mit diesen Worten half Cain ihr auf und setzte Darina auf sein Bett. Als das Mädchen soweit war, erzählte sie ihm alles, von Anfang an. Vom Besuch bei seiner Mutter, ihre Reaktion. Dann die Begegnung mit Kieran im Gang. „Ich habe ihn ganz sicher umgebracht!"
Cain schüttelte den Kopf: „Mein Vater ist nicht so leicht klein zu kriegen. Ich werde nachsehen."
Darina hielt ihren Prinzen am Arm und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Cain lief dann zur beschrieben Stelle, doch von seinem Vater war keine Spur. Erleichtert kam er zu seinem Mädchen zurück.
Am Morgen trafen sich alle wieder zum Frühstücksmahl. Darina, Cain und Daikin saßen bereits an der Tafel, nur einer fehlte. Ungewöhnlich, denn sonst war er immer der erste im großen Saal. Darina erzählte Daikin was passiert war in der Nacht davor. Plötzlich ein lauter, dumpfer Knall. Die Tür schlug zu und Kieran trat an die Tafel. Alle drei waren sofort still und standen auf. Kieran hatte eine kleine Wunde an der Schläfe, genau wo Darina ihn mit dem Knauf des Dolches getroffen hatte. Er setzte sich ohne ein Wort auf seinem Platz, er würdigte niemanden eines Blickes und begann zu essen.
Cain und Daikin setzten sich wieder, Darina blieb stehen: „Habt ihr mir nicht etwas zu sagen, Majestät?“ Mit selbstbewusster Stimme und eindringlich hatte sie ihr Wort an Kieran gewandt.
Doch Kieran reagierte nicht auf die Worte dieses Weibes. Und genau so waren auch seine verachtenden Blicke zu werten.
Darina war innerlich sehr erzürnt, zügelte aber ihre Wut, setzte sich wieder und fing ebenfalls an zu essen. Innerlich könnte sie platzen, doch es würde nichts nützen.
Trotzdem konnte sie immer noch nicht glauben, dass das, was einen Abend vorher passiert war, nur mit Schweigen beantwortet wurde. Ihre Enttäuschung wuchs immer mehr. Es war falsch gewesen in den Palast zu kommen. Jetzt wollte sie nur noch weg.
Es ekelte sie alles an, Kieran ekelte sie an.
Cain schämte sich sehr für seinen Vater, auch er konnte es noch kaum abwarten, bis er hier weg kommen würde. Das Leid seiner Mutter bedrückte ihn ebenso sehr. Er hoffte immer noch auf ein neues Zeichen von ihr. Wortlos wurde zu Ende gefrühstückt, Kieran stand unvermittelt auf und man dachte, er würde fliehen aus dem Saal, so eilig hatte er es. Darauf verließen die drei ebenso die Tafel und gingen gemeinsam in die Arena, den Daikin wollte wissen, wie es bei Tyaida war.
Darina erzählte noch einmal von dem Gespräch, zwischen ihr und Tyaida. Jetzt lag es nur noch an der Königin selbst, sich zu entscheiden und zu fliehen. Die drei Freunde warteten gespannt auf ein Zeichen.
Während im Palast die Stunden vergingen, tat sich unten in der Stadt etwas. Zwei Fremde betraten die Stadt, Hand in Hand. Es waren ein junger Mann und eine junge Frau, Julius und Tirka, die immer noch nach dem verschollenem Prinzen Tasius suchten. Die beiden waren schon Tage unterwegs, ohne ein weiteres Lebenszeichen von Tasius gefunden zu haben. Es war, als wäre er vom Erdboden verschluckt worden.
Die beiden waren von Dorf zu Dorf gezogen, bis sie nach dem Durchqueren einer endlos scheinenden Ebene die verdorrte Hochebene und diese Stadt erreichten. Dies war noch eine Möglichkeit, den Prinzen zu finden.
„Wir sollten hier Rast machen, denn ich bin müde und Hunger habe ich auch“, klagte Tirka.
Julius nahm sie in den Arm und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Die Reise hatte sie beiden fest zusammen gebracht, sie hatten sich sehr gut ergänzt und oft wusste der eine schon, was der andere dachte, noch bevor es ausgesprochen war. Es war ihm klar, dass er sie nie wieder gehen lassen würde. Ohne sie konnte sich Julius sein Leben einfach nicht vorstellen. So nahm er sie an die Hand und zog sie durch die Straßen, denn er suchte ein einfaches Gasthaus für diese Nacht, um mal wieder in einem Bett anstatt auf dem Boden zu schlafen. Sie fanden eins, aber in diesem war kein Zimmer mehr frei, so konnten sie nur etwas essen und sich ausruhen. Nach ihrer Mahlzeit machten sie sich wieder auf, sie hofften auf nette Menschen, die ihnen einen Unterschlupf gewähren könnten. Julius und Tirka zogen von Tür zu Tür, jeden, den sie trafen, fragten sie nach einem Schlafplatz. Doch niemand schien ihnen zu trauen, es war sogar so, als hätten sie Angst davor, Fremde zu beherbergen, als würden sie bestraft, wenn sie jemanden bei sich aufnehmen würden. Tirka wurde immer mutloser und missgelaunter, bis sie eine Frau vor ihrem Haus sitzen sah. Sie schaute die Frau lange an. Die Alte hatte es sich auf ihrer Bank bequem gemacht und rauchte genüsslich ein Pfeifchen. Tirka musste innerlich lachen, denn es war ganz ungewöhnlich, eine Frau so zu sehen. Sie zog am Umhang ihres Freundes. Julius drehte sich um und sah dann auch, worauf ihn sein Mädchen aufmerksam machen wollte.
Er nickte und sie gingen auf diese Frau zu. „Guten Abend, dürfen wir Euch kurz stören?“ fragte Julius vorsichtig an.
Die Alte schaute zu ihm hoch, dabei nahm sie ihre Pfeife aus dem Mund, an der sie noch einmal gemächlich gesogen hatte und den Rauch jetzt ganz sacht entweichen ließ: „Ich grüße euch. Ihr stört mich nicht. Ihr seht müde aus, sicher seid ihr auf der Suche nach einem Dach über dem Kopf, richtig?“
Julius antwortete: „Mein Name ist Julius und dies ist meine Gefährtin Tirka. Ja, Ihr habt ganz recht, wir haben eine lange Reise hinter uns und suchen schon eine geraume Zeit nach einem Schlafplatz. Hier will aber, so scheint es, niemand Gäste aufnehmen.
Hättet Ihr ein Nachtlager für uns zwei? Besonders mein Mädchen ist sehr erschöpft von der Reise.“
Die Alte schaute beide eindringlich an, erhob sich freundlich lächelnd von ihrer Bank, ging Richtung ihres Hauses und winkte sie durch die Tür. Die alte Frau zeigte ihnen das Zimmer, in dem sie schlafen konnten. Julius und Tirka bedankten sich mehrere Male.
Das Zimmer war ganz einfach eingerichtet, mit einem Bett, einem Schrank und einem Waschtisch, ganz so, wie man es in diesem kleinen aber gepflegten Haus erwartet hatte. Es hatte ein großes Fenster mit einer Bank drunter. Man konnte sich an das Fenster setzten und weit hinaus, bis hoch zu dem dunklen Palast schauen.
„Wer lebt denn dort oben, in dem Palast?“, fragte Tirka neugierig.
Augenblicklich verfinsterte sich die Gesichtszüge der alten Frau: „Dort oben lebt Kieran der Herrscher dieses Landes mit seinem Sohn Cain.“ Dann blickte sie traurig auf den Schrank und seufzte leicht: „Ruht euch jetzt aus, morgen können wir uns noch lange unterhalten, dann erzählt ihr mir von eurer Reise und was euch hier her führt. Gute Nacht!"
Mit diesen Worten verschwand sie aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Die beiden Gefährten sahen sich an und hatten den gleichen Gedanken, denn diese Frage hätte Tirka lieber nicht gestellt. Die Alte hatte sie traurig gemacht. Doch woher sollte sie das auch wissen.
Also machten es sich bequem in dem für zwei etwas zu schmalen, aber dennoch stabilen Bett, kuschelten sich aneinander und genossen es mit einem Dach über dem Kopf einschlafen zu können. Um einen Plan für den nächsten Tag zu schmieden blieb beiden keine Gelegenheit, ihnen fielen sehr schnell die Augen vor Müdigkeit zu.
Am Morgen erwachte Tirka als erste, es war der Duft vom frisch gebackenem Brot, der sie geweckt hatte. Leise stand sie auf und machte sich frisch, dann weckte sie Julius.
Verschlafen blinzelte er sein Mädchen an, welches strahlend auf der Bettkante saß, ihm die Haare aus dem Gesicht strich und ihm einen Gutenmorgenkuss anbot, welchen er liebend gern annahm. Daraufhin stand er sogleich auf, wusch sich ebenfalls, während Tirka ihn beobachtete. Die beiden verließen das Zimmer, gingen hinaus in die Küche. Dort hatte die alte Frau bereits schon ein Frühstück vorbereitet, das frisch aufgeschnittene Brot dampfte noch. Wann war die gute Frau aufgestanden, dass sie dieses appetitliche Backwerk anbieten konnte, fragten sich die Gäste.
„Guten Morgen, so nehmt doch Platz und stärkt euch. Nebenbei erzählt mir, was euch hier her zu uns getrieben hat“.
Tirka und Julius gehorchten und setzten sich an den Tisch. Sie waren sich unsicher, was sie erzählen sollten. Die Lüge, die sie sich vor einigen Tagen ausgedacht hatten, konnten sie hier nicht benutzen, die Alte würde sie sicher durchschauen. Und so entschied sich Julius, ehrlich zu sein: „Das ist eine lange Geschichte, ich weiß nicht wo ich anfangen soll zu erzählen“.
Die Frau unterbrach ihn: „Ich habe Zeit und am besten du fängst ganz von vorne an“.
Julius nickte und begann zu erzählen. Er erzählte von Anfang bis Ende. Dass er der Knappe von Prinz Tasius sei, von dem Streit, von der Flucht seines Freundes und schließlich von seiner Suche. „Dann begegnete ich Tirka, sie begleitet mich seitdem“, beendete er seine Erzählung.
Die Frau schaute Julius an, sie hatte ihm gespannt zu gehört. „Wie kann ich euch helfen?“, fragte sie schließlich.
Diesmal redete Tirka: „Wir hoffen natürlich den Prinzen hier zu finden, wir wissen sonst nicht, wo wir ihn noch suchen könnten. Vielleicht habt ihr von ihm gehört oder habt ihn gesehen?“
Die Frau antwortete: „Dazu müsste ich wissen, wie euer Prinz aussieht.“
Julius beschrieb der Frau den Prinzen, doch sie hatte keinen jungen Mann dieser Beschreibung gesehen.
Julius war sichtlich enttäuscht. Er stand auf, bedankte sich und verließ das Haus, um Luft zu schnappen. Wie hatte er denn auch erwarten können, dass die Alte Tasius gesehen hätte, kein Mensch sah ihn hier. Er hoffte, dass er sich zumindest halbwegs anständig bedankt hatte. Schon bereute er, aufgesprungen und hinaus gegangen zu sein, was konnte die liebe Alte denn dafür. Immerhin hatte sie Ihnen ein Obdach gegeben und Frühstück hatte sie auch bereitet.
Tirka sah ihrem Freund nach. Dann stand auch sie auf, bedankte sich sehr herzlich für das Frühstück und wandte sich zum Gehen. Die alte Frau hielt sie jedoch auf: "Es liegt ihm sehr viel an Tasius, hab ich recht?"
"Ja, das ist so. Julius ist ein ganz lieber Mensch, er verzeiht es sich nicht, Tasius allein ziehen gelassen zu haben", antwortete Tirka.
"Genau das sehe ich auch. Fast glaube ich, dass da mehr ist, als die Verbundenheit eines Begleiters oder eines Freundes. Es sitzt viel tiefer und es ist mehr, als Julius bereit ist zuzugeben", sprach die alte Frau mit sicherer Stimme.
Das Mädchen stutzte einen Moment: "Jetzt, wo ihr es aussprecht ... Ich habe auch schon lange das Gefühl, dass ihn mehr mit Tasius verbindet. Ich meine, er ist sehr lieb mit mir, auch sorgend. Doch sobald das Gespräch auf Tasius kommt, sehe ich in seinen Augen nur die Sorge um ihn, nicht um mich und überhaupt nicht um sich selbst. Ihr habt recht, da ist mehr."
Tirka bedankte sich nochmals bei der Alten. Und während diese das Mädchen umarmte, sprach sie: „Ihr seid hier immer herzlich willkommen, meine Tür steht auf für euch.“
Tirka sah der Alten dankbar in die Augen und nickte ihr zu, bevor sie hinausging. Julius und Tirka standen vor dem Haus und hielten sich gegenüberstehend an den Händen.
Tirka hatte einen verständnisvollen Blick für ihn, den er verstand und dankbar erwiderte. So richtig wussten sie aber jetzt nicht weiter, also gingen sie nochmals durch die Straßen der Stadt und fragten fast jeden, der ihnen begegnete nach ihrem vermissten Freund.
Oben im Palast war Darina wieder mit Cain in der Arena, sie trainierten weiter ihre Kampfkünste. Cain konnte von Darina noch einiges lernen, er war überrascht, wie gut sie mit dem Schwert umgehen konnte. Doch Cain war sehr gelehrig, jede Stunde kamen immer neue Dinge und Erfahrungen hinzu, die er ohne Schwierigkeiten annahm und verinnerlichte. Selbst Daikin war begeistert, wie schnell Cain das Gezeigte für sich umsetzen konnte, obwohl er dessen Lernfähigkeit kannte.
Plötzlich wurde die Arenatür geöffnet, der junge Diener hielt sie auf, nach ihm kam die Zofe der Königin hereingestürmt. Sie hielt einen Brief von Tyaida in der Hand und überreichte ihn Cain.
Cain hatte lange auf diesen Augenblick gewartet. Endlich ein Zeichen seiner Mutter, würde sie mitkommen? Nervös hielt er den Brief in seinen Händen, wie ein ganz besonderer Schatz. Er traute sich zuerst nicht den Brief zu öffnen. Doch dann gab er sich einen Ruck und brach das Siegel, seine Freunde standen gespannt dicht neben ihm. Darina hielt ihre Kette fest in der Hand, wie einen Glücksbringer. Cain las den Brief, dabei bekam er ein breites Grinsen ins Gesicht.
Darina stupste ihn: „Und sag schon, was schreibt sie?“
Cain lies den Brief fallen und hob Darina in die Höhe, wirbelte sie herum und küsste sie: „Du hast es geschafft, sie wird mit uns gehen. Sie sagt, es wird an der Zeit, dass sie sich wehrt, der Schmach ein Ende setzt.“ Er setzte Darina wieder sicher auf dem Boden ab.
Ihr war ganz schwindelig nach diesen Drehungen. Mit solch einem Freudenausbruch hatte sie nicht gerechnet. Alle in der Arena freuten sich, auch die Zofe und der junge Diener, die in geziemten Abstand standen.
Jetzt konnte es los gehen, doch bevor etwas schief gehen könnte, warnte Daikin alle nochmals zur Besonnenheit: "Wichtig ist, dass es jetzt schnell geht. Dennoch müssen wir umsichtig sein. Niemand darf davon erfahren!" Dabei fiel sofort sein Blick auf die beiden Bediensteten, die nun, ob sie es wollten oder nicht, Zeugen des Bündnisses waren. Mit einem Wink wies Daikin Darina und Cain darauf hin.
Cain schaltete sofort. Er ging hinüber, nahm den Diener am Arm und zog ihn in einen Teil der Arena. So schnell konnte der Diener gar nicht denken, wie ihm geschah, denn schon spürte er Cains Klinge am Hals. Bleich vor Schreck und total verängstigt blickte dieser Cain in die Augen. Tränen standen in ihnen und rannen sogleich über das junge, zarte Gesicht des Dieners. Cain fühlte, dass er wohl zu weit gegangen war und nahm das Schwert zur Seite.
Der Junge sackte in sich zusammen. "Es tut mir leid, ich war zu schroff zu dir", sprach der Prinz und nahm ganz entgegen jeglicher Etikette und Standessitte den geschockten Jungen in den Arm und drückte ihn an seine Brust, "Du kannst nichts dafür, bitte verzeih. Du wirst verstehen, dass es hier für uns alle um Leben und Tod geht. Ich weiß, dass du ein hartes Leben führst. Und ich muss dir einen Schwur abnehmen: Kein Wort, von dem, was du vielleicht hier oder anderswo gehört hast, wirst du je weiter tragen! Solltest du diesen Schwur brechen, sei gewiss, dass du nicht nur uns damit gefährdest, sondern auch du wirst keine Freude mehr an deinem Leben haben. Willst du mir, deinem Prinzen schwören zu schweigen, so wahr dir dein Leben lieb ist?!"
Der junge Diener nickte heftig.
"Sprich mir nach: Ich schwöre bei meinem Leben, Prinz Cain meine ewige Treue und unbedingte Verschwiegenheit!"
Mit halb erstickter Stimme sprach der Junge die Worte nach. Cain hob ihn auf und legte ihm sein Schwert auf die rechte Schulter. "Ab sofort bist du mein persönlicher Begleiter. Du wirst nur mir dienen und alle meine Befehle erfüllen!", sprach Cain zu ihm, seinen Blick fest in die Augen des Dieners gerichtet. In ihnen konnte er Erleichterung und die Ernsthaftigkeit des soeben geleisteten Schwurs erkennen. Dann trat Cain einen Schritt zurück, und nickte seinem neuen Diener zu: "Du darfst dich entfernen, warte vor der Arena!"
Mit einer tiefen Verbeugung verließ dieser die Trainingsstätte und postierte sich vor der Tür.
Überaus beeindruckt von dem eben gesehenen wandte sich Daikin an die Zofe.
"Gleiches gilt für dich, diene der Königin und sei dir gewiss, dass wir dich nicht vergessen werden. Ich erwarte eben diese Verschwiegenheit auch von dir. Geh hinaus und bleib bitte vor der Tür!"
Die überraschte Zofe knickste. Sie hatte ihren Liebsten noch nie so ernsthaft zu ihr sprechen gehört und auch nicht diese überzeugende Art des Prinzen erwartet. Höchst beeindruckt verließ auch sie die Arena und wartete draußen.
Diese Szene eben hatte den Verbündeten sehr deutlich gemacht, wie vorsichtig sie sein mussten. Die kleinste Unachtsamkeit könnte das Unternehmen gefährden. Dem Diener gleich, musste auch Darinas Zofe unter Eid genommen werden. Zum einen, weil sie Informationen hatte, die im Wissen anderer gefährlich für die Flüchtenden werden könnten und zum andern, weil auch das Leben der Zofe gefährdet wäre. Somit erhöhte sich zwangsläufig die Zahl der Mitwisser und Fluchtwilligen auf mindestens sieben.
Zu überlegen war noch, wann sie nun zuschlagen würden. „Wir werden das am Abend in zwei Tagen machen, so können wir uns noch vorbereiten. Und wir nehmen nur das Nötigste mit. Wir können uns nicht erlauben, Aufmerksamkeit zu erregen. Und Cain, du musst dir überlegen, wie du deinen Vater außer Gefecht setzt. Das ist wichtig für uns“, sprach Dakin zu den anderen. Alle nickten und dann verließen sie einer nach dem anderen die Arena. Darina und Cain konnten es kaum glauben, dass es nun soweit war. Endlich hier weg, für Cain war es schwer. Immerhin war er hier aufgewachsen und hatte sein ganzes, bisheriges Leben hier verbracht. Aber an den Gedanken, mit seiner Mutter und mit Darina neu anzufangen, hielt er fest, darauf freute er sich.
Darina saß etwas später in ihrem Zimmer allein am Fenster und dachte noch einmal über alles nach. In der Zeit, in der sie hier mit Cain zusammen war, hatte sie keinen ernsthaften Gedanken an ihr altes zu Hause verschwendet. Sie hoffte mit vollem Herzen endlich einen Hinweis an ihr zu Hause zu finden. Ihren Vater wieder zusehen, ihre alten Freunde, all das vermisste sie schrecklich, wenngleich sie sich noch nicht wieder an alles erinnerte. Die nächste Flucht stand ihr nun bevor. Aber sie ist eine starke Frau, war es bisher und sie wird diesmal auch mal wieder sein. Darina schaute bei diesen Gedanken aus ihrem Fenster hinaus über die Stadt und in die Ferne.
Unten in der Stadt liefen Julius und Tirka immer noch umher auf der Suche nach Tasius. Sie kamen keinen Schritt weiter. Egal wen sie fragten, sie bekamen nie eine Antwort, die ihnen hätte weiter helfen können. Den ganzen Tag hatten sie damit verbracht. Niedergeschlagen und müde liefen sie wieder zurück zum Haus der alten Frau, in dem sie schon die letzte Nacht verbracht hatten. Tirka besorgte noch eine Kleinigkeit für das Abendmahl auf dem karg besuchten Markt, denn sie wollte etwas mitbringen, so dass sie sich ein klein wenig für die Gastfreundschaft bedanken konnten.
An dem Haus angekommen, saß die Alte schon in der Küche und wartete auf sie: „Ich wusste das ihr zurück kommt. So wie ihr ausseht, habt ihr nicht gefunden wonach ihr gesucht habt?"
Julius schüttelte mit dem Kopf und ließ sich auf einen Stuhl sinken: „Leider, es ist so, als wäre mein Freund vom Erdboden verschluckt worden. Seit Tagen, Wochen suche ich ihn schon, aber ich finde ihn nicht. Vielleicht sollte ich aufgeben und König Fietus eine Nachricht zukommen lassen, wo ich mich jetzt aufhalte und dass mir alles sehr leid tut. Ich habe versagt.“
Tirka legte eine Hand auf seine Schulter: „Du hast nicht versagt, du hast alles getan was du konntest. Er wollte nicht gefunden werden, das hat er auch geschafft. Und der König kann dir darum auch nicht böse sein. Der Prinz kann stolz sein, einen solchen Freund wie dich zu haben. Du hast den Gefahren ins Auge gesehen und wenn du nicht losgegangen wärst, ihn zu suchen, so hättest du mich nicht gefunden“.
Mit einem Kuss auf seine Stirn beendete sie diesen Satz und machte sich daran, das Abendessen zu bereiten. Die Frau deckte den Tisch und Julius sorgte für Nachschub an Holz für den Herd. Da es aber mit dem Essen noch eine Weile dauern würde, ging er in das Zimmer und setzte sich auf das Bett. Er suchte mit seinen Augen nach etwas, nur wusste er nicht wonach. Vielleicht war es die Neugierde, etwas mehr über die alte Frau herauszufinden, die ihnen half. Er schaute sich genauer um, dann sah er den Schrank, den sie bisher noch nicht geöffnet hatten. Er ging auf den Schrank zu und wollte gerade eine Tür aufmachen, da kam die Alte herein und drückte die Tür des Schrankes wieder zu.
„Ich habe euch erlaubt, hier bei mir zu nächtigen, nicht um hier alles zu durchstöbern. Was fällt dir ein?“, sprach sie schroff, vollendete dann aber ruhiger, nachdem sie sah, dass er sich schämte, "Komm, das Abendessen ist fertig!"
Julius war erschrocken, er konnte nichts sagen, er schaute mit gesenktem Kopf auf den Boden. Die Frau verließ das Zimmer, Julius folgte ihr. Tirka schaute ihren Geliebten an, doch er zuckte nur mit den Schultern. Ihm kam die Reaktion der alten Frau seltsam vor, warum hatte sie so reagiert, es war doch nur ein Schrank, oder hielt sie dort etwas versteckt? Julius kam aus dem Grübeln nicht mehr heraus. Tirka stellte den Topf auf den Tisch und sie begannen zu essen. Nur einer nicht, er saß immer noch versunken da.
„Julius, Julius!!! Was ist los mit dir? Das Essen wird kalt. He, Julius?!“
Tirka stieß ihn unter dem Tisch mit ihrem Fuß an, er zuckte zusammen. Er sah die beiden Frauen an und nahm sich schnell etwas Brot und tat sich einen Kochlöffel voll aus Tirkas Topf in eine Schale.
„Wir können noch hier bleiben Julius, solange bis du König Fietus Bescheid gegeben hast, wo du dich aufhältst, ist das nicht großartig?“, fragte Tirka.
Julius nickte nur. Er wollte einfach nicht mehr weiter machen. Er war am Ende seiner Kräfte und er hatte auch keinen freien Gedanken mehr, alles drehte sich nur noch um Tasius. Er wollte endlich wieder zu Ruhe kommen, doch noch mehr wollte er seinen Prinzen zurück, wollte seinen Freund in die Arme nehmen, ihm sagen, dass er ihn ganz fürchterlich vermisst. Nach dem Essen ging Julius wieder in das Zimmer und setzte sich ans Fenster. Mit Papier und Stift bewaffnet saß er da und wusste nicht, ob er wirklich an Fietus schreiben sollte. Denn bis der Brief bei ihm angekommen wäre, könnte Tasius vielleicht doch aufgetaucht sein, dann wäre die ganze Aufregung umsonst gewesen. Und so entschied Julius nicht zu schreiben, er beschloss nichts unversucht lassen, um Tasius zu finden. Und Julius sollte Recht behalten, denn das Schicksal meint es manchmal wirklich gut zu meinen.
Darina saß in ihrem Zimmer immer noch am Fenster, als Cain dazu kam. „Kommt wir gehen zum Abendmahl, wir sollten so tun, als wäre alles wie immer, kein Aufsehen erregen. Und macht Euch keine Sorgen, es wird alles gut gehen. Wenn wir hier weg sind, dann suchen wir Euer Zuhause. Ich werde Euch helfen, herauszufinden wohin Ihr gehört, das verspreche ich Euch“. Darina nahm ihn am Arm und sie verließen das Gemach. Im großen Saal saß Kieran schon am Tisch und wartete auf seinen Sohn und dessen Gefährtin. Kieran hatte es Darina immer noch nicht verziehen, dass sie ihn so übel zugerichtet hatte, sie es wagte ihn zu demütigen. Doch Darina war es gleich. Sie setzte sich an den Tisch und wartete bis alle anfingen zu essen. Sie nahm sich ein Stück vom Brot und etwas Fleisch dazu. Innerlich fühlte sie sich etwas nervös in der Gegenwart von Kieran.
Der Herrscher hatte glücklicher Weise immer noch nichts von den Plänen seines Sohnes mitbekommen. Er wog sich in Sicherheit. Das Abendmahl lief ohne ein Gespräch ab. Die Stille, die sie an der Tafel umgab, hatte schon etwas gespenstisches. Lediglich die Geräusche, die die Bediensteten machten und die beim Essen entstanden, waren zu vernehmen. Man konnte regelrecht das Knistern in der Luft hören, jederzeit bereit sich zu entladen und in einem Gewitter zu enden. Kieran hatte seinen Hunger gestillt, stand auf und ging ohne ein Wort in sein Gemach zurück, einen grimmigen Blick warf er zuvor noch auf Darina.
Die beiden Freunde blieben zurück, sie schauten sich an. Und Cain ergriff das Wort: „Ob er gemerkt hat, was hier vor sich geht? Ich hoffe nicht. Ich will nicht, dass er uns zuvor kommt“.
Darina versuchte ihn zu beruhigen: „Nein, das hat er sicher nicht. Er ist nicht der Zurückhaltende und hätte sonst schon längst was unternommen. Umso gefährlicher wird es werden, wenn er merkt, was vor sich geht. Da sollten wir schon weit weg und außer Reichweite sein.“
Die zwei Tage vergingen wie im Fluge, Darina und Cain waren mit den Vorbereitungen beschäftigt, Daikin instruierte die Helfer von außerhalb, die sich in der Stadt unauffällig aufhielten.
Julius und Tirka waren unten in der Stadt immer noch auf der Suche und in geringer Hoffnung Tasius zu finden. Tirka wurde jeden Tag etwas schwermütiger, sie bekam Weinkrämpfe, ihr war auch hin und wieder schlecht, manchmal konnte sie auch das Essen nicht bei sich behalten. Das kannte sie von sich überhaupt nicht, wusste nicht was mit ihr los war, deshalb besprach sie das mit der alten Frau.
Die Alte hörte Tirka an, nahm sie liebevoll bei der Hand, schaute ihr in die Augen und lächelte: „Ich glaube, nach deinen Beschreibungen urteilen zu können, dass du in guter Hoffnung bist“. Tirka wusste zunächst mit ihren Worten nichts anzufangen. Als ihr die Alte jedoch noch vorsichtig über den Bauch strich, fielen ihr die Augen fast heraus, so überrascht war sie. Sie in guter Hoffnung, jetzt? Das muss was anderes sein. Sie schüttelte den Kopf: „Ich nein, das kann nicht sein. Doch nicht jetzt, das kann nicht sein“.
Doch die Frau versuchte sie zu beruhigen: „Nun, du bist eine gesunde Frau, stark, im besten Alter und ganz sicher hattest du die Gelegenheit, genau das zu tun, was Verliebte nun mal tun, wenn sie verliebt sind. Mach dir also keine Sorgen, das ist doch etwas Freudiges. Julius wird sich bestimmt mit dir freuen, glaube mir“.
Etwas verzweifelt sprach Tirka: „Versprecht mir bitte, dass Ihr ihm noch nichts nicht davon erzählt. Ich werde dies tun, sobald wir seinen Freund Tasius gefunden haben. Er würde sich sonst unnötig Sorgen um mich machen und die kann er sicher gerade jetzt nicht gebrauchen. Außerdem soll er sich zu nichts verpflichtet fühlen. Bitte!“
Die alte Frau wiegte ihren Kopf hin und her, erklärte sich dann aber einverstanden, denn immerhin musste Tirka damit zurechtkommen und nicht sie.
Am Abend saßen die drei gemeinsam am Tisch, aßen und unterhielten sich. Julius war sehr unglücklich darüber, dass es keinerlei Hinweise zu Tasius' Verbleib gab. Tirka versuchte vorsichtig herauszufinden, welche Speisen sie vertrug und die Alte unterhielt die beiden Gäste mit Erzählungen aus ihrer Kindheit und lenkte sie damit von ihren Sorgen ein klein wenig ab.
Während die drei sich unten in der Stadt im Haus der Alten unterhielten, ging es oben im Palast darum, den Fluchtplan in die Tat umzusetzen.
Darina war in ihrem Zimmer damit beschäftigt, sich für die Flucht fertig zu machen. Sie tauschte ihr Kleid gegen Hose und Hemd, welche sie sich von Cain geholt hatte. Das Hemd steckte sie in die Hose, die Stiefel saßen fest an ihren Füßen, aber bequem. Die Haare hatte sie zusammen geflochten und hochgesteckt. Wenn es zu einem Kampf kommen würde, wollte sie sich ungehindert bewegen können. Ihren Dolch steckte sie diesmal an ihren Gürtel. Fertig vorbereitet schlich sie sich zu Cain ins Zimmer. Der saß am Tisch, mit verschiedenen Fläschchen und Kräutern. Cain mischte selbst ein Schlafmittel, einmal natürlich für seinen Vater, aber auch für die Wachen. Er kam auf die Idee diese in kleine Fläschchen zu füllen. Wenn sie an den Wachen unbemerkt vorbei wollten, würden sie ihnen die Fläschen vor die Füße werfen. Sobald sie zerbrachen, würde die sich darin befindliche Flüssigkeit verdampfen. Eingeatmet würde das Gas die Wachen betäuben. Darina war beeindruckt, sie hatte nicht geahnt, welch schlauer Erfinder Cain war. Anscheinend hatten ihm seine Lehrer mehr als Ahnenkunde und Arithmetik gelehrt, wohl auch die dunklen Künste der Giftkräuterverwendung. Sehr vorsichtig ging Cain mit den Mitteln um. Nachdem Cain seine Mischungen fertig abgefüllt und behutsam verkorkt hatte, machte er sich auf den Weg zum Gemach seines Vaters. Er hatte sich auch schon einen Grund ausgedacht, warum er ihn sprechen wollte und Kieran ihn anhören würde. Zuvor übergab er Darina sein Schwert und gab ihr einen Kuss. Sie schaute ihm noch einige Augenblicke nach und machte sich dann selbst auf den Weg zu Tyaida. Darina wollte bei Tyaida sein, während Cain in die Höhle des Löwen ging. Es war auch geplant, dass die Frauen dort abgeholt werden sollten, wenn die List gelingen sollte und der Weg für die Flucht frei wäre. Unbeobachtet war Darina im Gemach Tyaidas angekommen und ging dort nun nervös auf und ab.
Zur gleichen Zeit war Cain bei seinem Vater im Großen Saal, er verneigte sich und bat ihn um ein vertrauliches Gespräch: „Vater, ich habe ein Anliegen, welches ich mit euch besprechen möchte, allein.“
Kieran zog zunächst seine Augenbrauen zusammen und machte ein finsteres Gesicht.
Doch angesichts dieser besonderen Bitte und den anwesenden Bediensteten, erhob er sich und winkte seinem Sohn ihm zu folgen. Sie gingen in einen kleinen Raum neben dem großen Saal, dort stand ein Tisch mit mehreren Stühlen. Kieran setzte sich. Cain war seinem Vater seit Ewigkeiten nicht mehr so nahe gekommen, wie in diesem Moment. Im Raum stand auch ein Schränkchen mit Getränken und Bechern. Cain ging drauf zu und fühlte zwei Becher. Geschickt tat er in den einen etwas hinein von dem Schlaftrunk, den er zuvor gemischt hatte.
„Und Sohn, was möchtest du mit mir besprechen? Geht es um deine Gespielin?“, fragte Kieran immer noch grimmig.
Cain drehte sich mit den Bechern in der Hand zu seinem Vater um: „Ich möchte nicht, dass Ihr so über sie sprecht. Ich weiß, dass ihr beide nicht gut miteinander zurechtkommt. Darina hat mir von Euren Annäherungen erzählt und auch, dass sie Euch verletzt hat. Hierfür möchte ich mich entschuldigen. Ihr Verhalten war falsch, ich hoffe Ihr verzeiht ihr das. Aber ja, es geht um Darina.“
Cain überreichte seinem Vater einen der Becher und nahm selbst einen kräftigen Schluck aus seinem Becher. Kieran hob seinen Becher, zögerte einen Augenblick. Als Zeichen, das er die Entschuldigung annahm, fragte er: „Nun Sohn, was ist denn dein Begehr?“ Und nahm dann auch einen Schluck aus seinem Becher.
Cain schaute seinen Vater an und sprach weiter: „Wie Ihr bestimmt wisst, sind Darina und ich uns näher gekommen, daher wollte ich um Eure Erlaubnis bitten, dieses Mädchen zu meiner Frau machen zu können“. Die Worte klangen selbstbewusst, sodass Kieran es zu glauben schien.
Mit einem weiteren Schluck von seinem Met nehmend, antwortete Kieran zügig: „Du scheinst zu wissen, was du willst. Doch ich bin nicht davon überzeugt, dass sie die richtige für dich ist. Sie passt nicht zu uns, außerdem weiß niemand, wer sie ist.“
Der Herrscher fing an sich heiß zu reden: "Und überhaupt, das erstbeste Weib, was einem unter Hände kommt, das heiratet man nicht. Sie lässt dich einmal naschen und schon bietest du ihr unser Reich an? Teste Sie! Probiere sie aus, von mir aus probiere noch zwei, drei andere. Lass dir Zeit, werde erst mal ein ordentlicher Mann. Sollte sie dann immer noch deinem Willen folgen, frag mich noch einmal!"
Mit jedem Wort, welches er sprach wurde es dem Herrscher wirklich heißer und auch unwohler, er konnte sich kaum noch aufrecht halten, denn inzwischen war er aufgesprungen und hatte während seiner Worte wild mit den Armen gefuchtelt. Jetzt stützte er sich auf den Tisch, das Stehen fiel ihm plötzlich schwer und deshalb setzte er sich wieder. In seinem Kopf fing es an sich zu drehen, er konnte kaum seine Augen offen halten.
Cain ging in seiner Rolle voll auf, er tat, als wolle er Kieran helfen: „Was ist los mit Euch, fühlt Ihr Euch nicht wohl?“
Der Herrscher stand mit letzter Kraft noch einmal auf und sackte in Cains Arme: „Du verdammter Bastard, du hast mich vergiftet. Das wird dich das Leben kosten.“
Das waren seine letzten Worte, bevor er ohnmächtig wurde. Cain hatte ihn auf den Boden gleiten lassen, das Schlafmittel hatte seine Wirkung gezeigt. Nun verließ er den Raum. Davor standen zwei Wachen, ihnen warf eines der kleinen Flaschen vor die Füße und hielt sich selbst ein feuchtes Tuch vor Nase und Mund. Die zwei Wachen sahen es zischen und atmeten automatisch das sich sehr schnell entwickelnde Gas ein. Sie sackten einfach in sich zusammen und waren betäubt. Dann lief Cain in Richtung des Gemachs seiner Mutter. Jede Wache, die ihm im Weg stand wurde eingeschläfert. So war später niemand da, der sie an der Flucht hindern würde. Tyaida und Darina warteten schon voller Aufregung auf den jungen Mann.
Daikin wartete draußen im Hof auf ein Zeichen, dass seine im hörigen Helfer den Palast stürmen konnten. Alle hatten sie feuchte Tücher vor Mund und Nase gebunden, um sich selbst vor dem Schlafgas zu schützen, auch wenn es sich sehr schnell verflüchtigte. Die Hilfe der Nachbarländer waren sie sich sicher gewesen, die rückkehrenden Boten hatten in den letzten beiden Tagen nur unterstützende Zusagen überbracht.
Da, ein dumpfes Hämmern an Tyaidas Tür. Darina ging hin und machte auf, es war Cain. Sie fiel ihm in die Arme. Darina war sichtlich erleichtert, dass ihrem Freund nichts geschehen war. Jetzt entdeckte Cain seine Mutter und nahm sie stürmisch in die Arme, dabei weinte er wie ein kleines Kind. Das waren die Tränen die er immer verbergen musste. Tyaida weinte auch, sie war sehr stolz auf ihren Sohn. Beide freuten sehr sich zu sehen und in den Armen zu halten, nur blieb ihnen keine Zeit sich länger zu unterhalten, sie mussten endlich hier weg. Cain nahm sein Schwert, welches Darina für ihn bereit hielt und dann verließen sie gemeinsam das Gemach seiner Mutter. Die Frauen gingen hinter ihm her, erst seine Mutter, dann ihre Zofe und Darina folgte zum Schluss. So konnten sie sich nach vorne und hinten verteidigen, wenn sie angegriffen werden sollten. Sie liefen erst den einen Gang hoch, der führte in den Hauptflur.
Diesem folgten sie in eine Weile, immer vorsichtig und leise. Am Ende des Flures konnte sich Cain erinnern, dass es da nach unten ging, viele Stufen mussten sie hinunter gehen. Es waren Wachen zu sehen und zu hören, doch Cain konnte sie alle mit dem Schlafmittel handlungsunfähig machen. Auch die Frauen trugen, wie Cain, ein feuchtes Tuch vor Mund und Nase. Darina passte auf, damit ihnen niemand folgen konnte. Die Wachen, die schon durch das Mittel schliefen, räumten sie zur Seite, damit es nicht gleich auffiel, keiner Alarm schlagen konnte. Tyaida war sehr aufgeregt, aber versuchte keinen Laut zu machen und niemandem zur Last zu fallen.
Ruckartig blieb Cain stehen, sie waren an dem Geheimgang angekommen, dieser war hinter einer Statue versteckt. Nicht zu entdecken, wenn man nicht von ihm wusste. Er deutete Darina an, Daikin das Zeichen zugeben. Sie schaute sich nach einem Fenster um, doch nirgends war eins zu sehen, so war sie gezwungen wieder zurück zu laufen.
Sie lief die Stufen wieder hinauf, bis sie ein Fenster erreichte. Sie öffnete es und pfiff wie ein Vogel. Dies war das Zeichen für Daikin mit seinen Anhängern den Palast zu stürmen. Darina lief wieder zu Tyaida und Cain zurück. Sie nickte ihnen zu und dann verschwanden sie im Geheimgang hinter der Statue. Keiner wusste wohin dieser Weg führte, sie hofften auf ein Wunder, darauf, dass er wirklich im Freien, vor dem Palast enden würde. Untersucht hatten sie ihn nicht, dafür hatten sie zu wenig Zeit gehabt.
Nur Cain war einige hundert Schritte hinein gegangen, konnte aber nicht bis zu einem Ausgang gelangen. Inzwischen stürmten Daikin und seine Anhänger den Palast, viele Wachen stellten sich ihnen nicht in den Weg. Cain hatte gute Arbeit geleistet. Einige Wachen wurden festgenommen und entwaffnet oder sie verloren ihr Leben im Zweikampf. Daikin lief weiter in Richtung des großen Saales, wo Kieran seinen Thron stehen hatte. Ein paar Männer folgten ihm, die anderen hielten die Gegner in Schach. In dem Saal war Kieran nicht zu entdecken, doch wusste er von dem kleinem Raum nebenan. Kieran kam gerade wieder zu sich, er fasste sich an den Kopf und versuchte aufzustehen.
Jetzt kam auch Daikin dazu: „Es ist vorbei, Kieran! Deine Herrschaft findet heute ihr Ende!“
Noch ganz benebelt vom dem Schlafmittel, zog Kieran sein Schwert: „Niemals, da musst du mich erst besiegen. Und wenn ich dich fertig gemacht habe, ist mein verfluchter Sohn dran.“
Daikin machte sich zum Kampf bereit. Beide Männer standen sich gegenüber. Kieran war voller Wut. Er hatte sich hier immer in Sicherheit gewogen, dass ihm im eigenen Palast etwas passieren würde, kam ihm nie in den Sinn. Dafür hatte er auch immer gesorgt, mit einer Härte das Reich regiert, so wie vor ihm noch kein Herrscher. Er hatte sein Volk in Angst leben lassen, sollte seine aufgebaute Schreckensherrschaft jetzt umsonst gewesen sein? Nein das konnte nicht sein. Kieran ging zum Angriff über, doch Daikin konnte ausweichen und hob sein Schwert zum Schlag aus. Kieran konnte diesen Schlag parieren. Die Männer kämpften unermüdlich gegeneinander, nur war Kieran immer noch nicht richtig bei sich, er kämpfte mechanisch, sein Kopf wollte da noch nicht mit. Das Mittel, was ihm sein Sohn verabreicht hatte, hielt ihn noch geschwächt. Einen Moment hatte der Schreckensherrscher nicht aufgepasst und lag nun rücklings auf dem Boden, entwaffnet und mit Daikin´s Schwertspitze an der Kehle.
„Ich habe dir eben gesagt, es ist vorbei! Heute endet alles. Ich würde dir gerne die Kehle durchschneiden, aber du hast einen gutmütigen Sohn. Er möchte, dass du am Leben bleibst, in einem dunklen Kerker.“ Daikin deutete seinen Anhängern, dass sie Kieran festnehmen sollten. Kieran’s Schwert wurde eingezogen. Nun war es soweit, das Land Kaskur war frei. Kieran wurde abgeführt.
Daikin versuchte nun Tyaida, Cain und Darina ausfindig zu machen, dabei wurde er jetzt von Cains jungem Diener und Darinas Zofe unterstützt, sie folgten Daikin durch den Geheimgang.
...
Unten in der Stadt bekam kein Anwohner mit, was sich im Palast abspielte. Julius und Tirka saßen mit der alten Frau draußen vor dem Haus. Tirka hatte Julius immer noch nicht erzählt, was mit ihr los war, denn Julius hatte sowieso nur seine Gedanken bei seinem Freund Tasius. Sie waren schon zu lange getrennt. Der Knappe glaubte nicht wirklich mehr dran den Prinzen und auch besten Freund zu finden, umso mehr schmerzte ihm sein Herz.
Die Frau rauchte genüsslich ihre Pfeife. Auf einmal bemerkten sie merkwürdige Geräusche, sie konnten nicht genau hören, woher sie kamen. Julius und die zwei Frauen machten sich auf die Suche. Die Alte schaute sich im Haus um und Julius und Tirka taten es draußen.
„Woher kommt das? Das hört sich sehr seltsam an, normale Ratten sind das aber nicht“, fragte Tirka.
Julius gab zurück: „Nein, das sind sicher keine Ratten. Das sind Schritte, Schritte die schnell sind, als wäre jemand auf der Flucht. Komm wir schauen weiter“.
Julius und seine Freundin schauten sich draußen weiter um, währenddessen suchte die alte Frau in der Küche, in ihrem Schlafraum und zum Schluss in dem Zimmer, wo Julius und Tirka die Nächte verbrachten. Sie ging zu dem Schrank, denn das Laufen und Trapsen war in Hämmern und Klopfen übergegangen und wurde immer lauter. Die Alte sperrte die Schranktüren auf, doch nichts war zu sehen, nur das Klopfen wurde lauter. Die Alte zitterte am ganzen Körper. Sie wusste, was es mit dem Schrank auf sich hatte, nur sie ahnte nicht, was genau passieren würde. So blieb sie davor stehen und wartete ab. Dann auf einmal öffnete sich die Rückwand des Schrankes mit einem großen, lauten Knall. Daraus stürzte ein junger Mann mit Schwert, hinter ihm kamen zwei Frauen. Ihnen folgte noch ein Mann mit Schwert.
Nein, kein Mann eine junge Frau in Männerkleidern. „Darina? Darina bist du das?“, fragte die überrasche Alte, die immer noch da stand und alles beobachtete, vorsichtig nach.
Das Mädchen schaute sich um und fand sie in einer Ecke stehend. Sofort fiel sie der alten Frau in die Arme. Darina fing heftig an zu schluchzen, sie hatte sie sehr vermisst.
Cain und seine Mutter machten sich erst nach einer kurzen Weile bemerkbar, sie wollten die zwei nicht in ihrer Freunde stören.
Die alte Frau ließ Darina los und ging auf Tyaida zu. Diese sah sehr mitgenommen aus und auch sie ging auf die Alte zu. Beide schauten sich in die Augen und hielten sich die Hände. Tyaida sprach nur: „Ich bin wieder zu Hause“.
Darina und Cain schauten sich fragend an, auch sie waren erleichtert dass sie es geschafft hatten, aber was meinte Tyaida mit „Zu Hause“?
Jetzt kamen auch Julius und Tirka in das Haus gestürmt, die das Gepolter von drinnen mitbekommen hatten. Sofort hatte Julius Cains Schwert an der Kehle, doch die Alte drückte das Schwert zur Seite: "Das sind meine Gäste, Julius und Tirka!"
Daraufhin ließ Cain sein Schwert sinken und nickte Julius zu, der dies mit seinem Nicken erwiderte. Julius hatte noch keinen Überblick, es waren zu viele neue Gesichter. Er blickte in die Runde, von einem zum andern. Auch Darina schaute nach den zweien, die den Raum gerade betreten hatten.
Und da trafen sich ihre Blicke, Darina und Julius starrten sich an.
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