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Regenbogenfamilie

Teil 25 - Vorbereitung für das Begräbnis

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Informationen

 

Am Montagmorgen wurden Thomas und ich pünktlich um drei Uhr morgens vom Wecker aus unserem Schlaf gerissen. Bevor ich ins Bad ging, führte mich mein erster Weg in die Küche, um für uns beide Kaffee zu kochen und das Frühstück vorzubereiten.

Im Bad erwartete mich bereits Thomas, der sich inzwischen schon geduscht hatte und gerade dabei war sich zu rasieren. Ich hüpfte schnell unter die Dusche und rasierte mich danach ebenso. Nachdem wir angezogen waren, über­prüften wir kurz, ob wir nichts vergessen oder übersehen hatten beim Ein­packen, verschlossene unsere Koffer und schleppten sie gemeinsam nach unten, wo wir sie im Flur stehen ließen.

Wir beide frühstückten heute zum ersten Mal in der Küche an dem kleinen Tischchen, das vorne direkt am Fenster stand; Mutter hatte mir bei unserer Ankunft erklärt, dass sie und Vater in den letzten Jahren fast immer dort gegessen hatten, wenn sie allein in der Finca waren, damit sie nicht immer alles erst in die Essecke schleppen mussten.

Bei uns zu Hause würde so ein klei­ner Tisch an manchen Tagen auch ausreichen, meinte ich zu Thomas, der mir aber nur kurz antwortete, das könnten wir uns immer noch für unsere Wohnung überlegen.

Kurz nach halb fünf brachen wir auf. Während Thomas schon die Koffer im Auto verstaute, hatte ich noch unser Frühstücks­geschirr in den Geschirrspüler gestellt. Wie schon die meiste Zeit beim Früh­stück, verlief unsere Anfahrt zum Flughafen eher schweigsam, was vermutlich aber der frühen Stunde geschuldet war.

Die Abgabe des Leihwagens ge­staltete sich so früh am Morgen einfacher, als ich es aus den letzten Jahren in Erinnerung hatte. Wir hatten, kurz bevor wir den Flughafen erreichten, das Auto noch an einer der vielen Tankstellen in Flughafennähe einmal vollgetankt, so brauchten wir nur unser Gepäck aus dem Fahrzeug zu entnehmen und die Schlüssel abzugeben. Die Rechnung kommt in den nächsten Tagen per Mail und die Abrechnung erfolgt über meine bereits hinterlegte Kreditkarte.

Unser nächster Weg führte uns direkt zur Gepäckaufgabe, wo wir beide unsere Koffer abgeben konnten. Da wir ohne Handgepäck unter­wegs waren, gingen wir, nachdem wir uns gleichzeitig eingecheckt hatten, sofort zum Sicherheitsbereich, um in den Abflugbereich zu kommen.

Inzwischen war es bereits nach sechs Uhr dreißig, wir hatten jetzt noch gut eine Stunde, bevor wir ins Flugzeug einsteigen konnten. Wir suchten zuerst unser Abfluggate, bevor wir uns vor dem Flug noch etwas die Beine vertre­ten wollten.

Über den Flug an sich gibt es nichts Nennenswertes zu berichten, vielleicht nur die Tatsache, dass wir pünktlich starteten und überpünktlich den heimat­lichen Flughafen in München erreichten.

Die erste Überraschung erlebten wir, als wir endlich unser Gepäck hatten und das Flughafengebäude verließen: Nicht Martina mit ihren Kindern, sondern mein Schwiegersohn Christoph erwartete uns am Ausgang. Er hatte sich für heute Vormittag frei genommen, damit er uns beide vom Flughafen in München abholen kann.

Während der Fahrt nach Rosenheim zu unserem Zuhause erzählte Christoph, dass sie bereits alle Familien auf der Liste angerufen hätten und zur Trauer­feier mit anschließendem Leichenschmaus eingeladen haben. Vor allem bei den älteren Herrschaften hätten viele sofort die Zusage gegeben, am Freitag am Begräbnis von Vater und am Leichenschmaus teilzunehmen. Bei den jüngeren wollte der Großteil erst abklären, ob sie am Freitag Urlaub bekommen und uns dann endgültig Bescheid geben, ob sie zur Beerdigung kommen.

Ich bat Christoph, alle, die bereits zugesagt hatten, ein zweites Mal anzu­rufen und sie davon in Kenntnis zu setzen, dass sie am Freitag bitte mit ihren Fahrzeugen direkt zum Gutshof kommen sollten. Sie könnten dort ihre Autos problemlos parken und alle würden von dort mit gemieteten Bussen direkt zum Friedhof und nach der Beerdigung wieder zurück zum Leichenschmaus im Gutshof beför­dert werden.

Er wollte wissen, wer von uns auf diese glorreiche Idee gekommen sei; ich erzählte ihm wahrheitsgemäß, dass diese Idee von Thomas stamme, der damit ein mittleres Park- und Verkehrschaos rund um den kleinen Dorffriedhof verhindern will. Benjamin Müller vom Bestat­tungs­unternehmen fand Thomas' Einfall sogar so genial, dass er meinte, warum er nicht selbst auf die Idee gekommen sei. Vor allem bei der zu er­war­tenden Anzahl an Trauergästen sei dies ein genialer Schachzug.

Zuhause angekommen erwartete uns bereits die nächste Überraschung. Bevor ich den Schlüssel ins Schloss stecken konnte, öffnete sich bereits die Haustür und Kevin stürmte sofort auf uns zu. Ich drehte mich kurz zu Christoph und Thomas um, um festzustellen, dass Christoph genauso überrascht schien wie ich, seine beiden Kinder in unserem Haus vorzu­finden.

Hinter Kevin erschien als nächstes seine kleine Schwe­ster Katharina, die sich wie Kevin an mein Bein klammerte. Thomas schnappte sich Kevin, hob ihn hoch, während ich Katharina ergriff und sie ebenfalls in die Höhe stemmte und ihr einen Kuss auf die Stirn gab.

Christoph wollte wissen, wieso sie hier bei Opa im Haus seien und nicht zu Hause. Bevor Kevin antworten konnte, tauchten meine Toch­ter Martina und Thomas' Mutter aus den Tiefen des Hauses auf und sie erklärten uns, dass Thomas' Mutter die treibende Kraft gewesen sei, uns in unserem Zuhause bei unserer Ankunft zu überraschen. Ich stellte meine Enkelin wieder zurück auf den Boden und drückte als nächstes meiner Tochter ebenfalls einen Kuss auf die Stirn.

„Die Über­raschung ist euch gelungen, wenn selbst Christoph nichts davon gewusst hat“, erklärte ich ihr. Thomas hatte zwischen­zeitlich Kevin neben seiner Schwester abgestellt und nahm seine Mutter in den Arm, die zu uns sagte: „Schön, dass ihr endlich wieder zu Hause seid.“

Kevin erzählte, während wir ins Haus gingen, dass sie heute Morgen mit Mama und Oma für uns beim Einkaufen gewesen waren, damit wir nicht verhungern, wenn wir aus dem Urlaub nach Hause kommen. Ich sah ihn dabei an und grinste, bis ich ihm erklärte: „Ich glaube kaum, dass wir ohne euren Einkauf ver­hungert wären, die Geschäfte haben noch lange genug offen, wir hätten doch selbst einkaufen gehen können.“

Wir ließen unsere Koffer im Flur zurück und gingen alle zusammen durchs Wohnzimmer in die Essecke. Dort fanden wir einen gedeckten Tisch vor und meine Schwiegermutter meint: „Setzt euch, ihr seid bestimmt hungrig. Ihr habt schon um kurz nach drei Uhr morgens gefrühstückt und da könnt ihr sicher eine kleine Brotzeit vertragen.“

Etwas hungrig war ich schon von der Reise, nur un­seren eigentlichen Plan konnten wir jetzt vergessen. Wir hatten vorgehabt, kurz unsere Koffer auszupacken und danach in die Stadt ins Café zu Francesco zu fahren, um dort eine Kleinigkeit zu essen und danach in aller Ruhe einkaufen zu gehen.

Martina erzählte uns, dass ihre beiden Kleinen heute schon sehr früh auf­ge­standen seien und dauernd damit genervt hätten, sie möchten mit Christoph zum Flughafen fahren, um uns dort abzuholen. Sie hatte ihnen deshalb versprochen, dass sie für uns einkaufen und uns danach zu Hause überraschen wollen, ohne dass Christoph davon wusste.

An Thomas gewandt erklärte sie weiter: „Deine Mutter hat nur wenige Minuten nach Christophs Abfahrt angerufen und wollte euch ebenso zuhause überraschen. Ich sollte ihr meinen Schlüssel zum Haus geben, damit sie euch bei eurer Ankunft mit einer Brotzeit überraschen könne. Da ich mit den Kindern einen ähnlichen Plan hatte, haben wir vereinbart, dass wir sie zuhause abholen, gemeinsam für euch einkaufen und danach hier auf euch warten.“

Kurz nach zwölf Uhr dreißig konnte meine Tochter ihre Kinder endlich davon überzeugen, dass sie mit ihr und Thomas‘ Mutter wieder nach Hause fahren, wir brauchten unsere Ruhe nach der kurzen Nacht. Christoph war schon früher gefahren, er hatte seinem Chef ver­sprochen, spätestens Mittag wieder im Büro zu sein, nachdem er uns am Flughafen ab­ge­holt und nach Hause gebracht hätte. Kurze Zeit später war es endlich ruhig im Haus; Thomas und ich atmeten mehrmals kräftig durch, als Kevin als letzter aus dem Haus ging.

Gemeinsam trugen wir unsere beiden Koffer nach oben ins Schlafzimmer. Während Thomas die Koffer ausräumte, telefonierte ich erneut mit Benjamin Müller. Freudestrahlend berichtete er mir, dass er ein Bus­unter­nehmer gefunden habe, das am Freitag die Fahrten vom Gutshof zum Friedhof und später wieder zurück übernehmen kann. Wir brauchten nur noch bei dem Busunternehmen vorbeikommen und die Verträge unter­schreiben. Heute sei das Büro noch bis siebzehn Uhr besetzt, morgen nur nachmittags, ebenfalls bis zur selben Zeit.

Thomas hatte unsere frisch gewaschene Wäsche in den Schränken verstaut und die restliche Schmutzwäsche im Bad entsorgt, als er zu mir sagte: „Wenn das so ist, sollten wir uns sofort auf den Weg zum Busunternehmen machen, dann können wir das noch vor dem Termin beim Caterer erledigen. Einkaufen brauchen wir heute nicht mehr, der Kühlschrank ist sehr gut gefüllt.“

Unser erster Termin, also der beim Busunternehmen, war schnell erledigt, die Unterschrift unter den Beförderungsvertrag war eigentlich nur eine Sache von wenigen Minuten. Ich bat den Busunternehmer nur darum, dass nach der Beerdigung einer der beiden Busse eventuell ein zweites Mal zum Friedhof zurückfahren sollte und dort eventuelle restlichen Trauergäste abholen soll, sofern das erforderlich sei, da wir noch nicht genau wüssten, wie viele Personen genau zu transportieren seien.

Ich wollte noch wissen, ob er auch einen kleineren Bus habe, der am Nachmittag eventuell noch die eine oder andere Gruppe wieder ins Dorf zurückbringen könne. Er sagte uns zu, dass er notfalls selbst diese Touren übernehmen werde. Wir sollten nur Freitagmittag den Busfah­rern Bescheid geben, wenn diese Fahrten überhaupt nötig seien.

Der zweite Termin an diesem Tag, er war beim Caterer, Herrn Baumgartner, gestaltete sich weitaus schwie­riger, da wir zu diesem frühen Zeitpunkt überhaupt keine verlässliche Personenzahl nennen konnten, die zum Leichenschmaus und am Nachmittag zu Kaffee und Kuchen da sein werden. Ich rechnete der Einfachheit halber mit rund einhundertfünfzig Personen zum Mittagessen und die gleiche Anzahl für den Kaffeetisch am Nachmittag. Er erklärte uns, dass am Donnerstagvormittag die Tische und Stüh­le durch den Verleiher angeliefert werden und er mit seinen Leuten am Nachmittag alles aufbauen werde.

Am Freitagmorgen würden die Getränke, das Geschirr und die Gläser geliefert, danach könnten seine Leute während der Beerdigung die Tische eindecken. Er gehe davon aus, dass bis zu unserem Eintreffen alles fertig vorbereitet sei.

Zuletzt besprachen wir unsere Wünsche hinsichtlich des Mittag­essens. Um ihm die Vorbereitungen etwas einfacher zu gestalten, hatten wir uns darauf geeinigt, sowohl Vorspeise als auch Dessert für alle gleich zu wählen, nur beim Hauptgang wollten wir zwei oder drei unterschiedliche Gerichte anbieten. Wir einigten uns auf ein Fischgericht, alternativ Schweinbraten und auf ein fleischloses Gericht. Da er über die größere Erfahrung bei Veranstaltungen in dieser Größenordnung verfügte, sollte er selbst entscheiden, in welchen Mengen die einzelnen Gerichte geplant werden.

Wir versprachen, ihn bis Mitt­woch zu informieren, wenn sich von der geplanten Personenzahl größere Abweichun­gen nach oben oder unten ergeben sollten, da er sowieso immer eine gewisse Reserve bei seinen Planungen berücksichtigt. Ich sagte ihm, dass meine Mutter am Mittwoch von Mallorca zurückkomme und die nächsten Wochen im Gutshaus wohnen werde, somit immer jemand vor Ort sei, wenn am Donners­tag seine Vorbereitungen für den Leichenschmaus beginnen.

Im Auto überlegten wir, ob wir vielleicht das eine oder andere heute noch anpacken und erledigen könnten. Da uns der Einkauf von Martina und Thomas' Mutter abgenommen worden war, fanden wir nichts, was heute noch dringend zu erledigen wäre. Wir beschlossen deshalb, direkt nach Hause zu fahren und uns auf einen ruhigen Abend einzustimmen. Ich wollte nur noch heute Abend mit meiner Mutter und den Jungs auf Mallorca telefonieren, um zu hören, wie es ihnen geht.

Das mit dem geplanten ruhigen Abend hatte sich schnell von selbst erledigt, als mein Handy klingelte und Martina am Telefon war. Etwas entnervt fragte sie, ob vielleicht Kevin heute bei uns übernachten könne. Die Frage, ob etwas Außergewöhnliches geschehen sei, beantwortete sie damit, dass mein Enkel sie schon seit der Heimfahrt nerve, weil er heute unbe­dingt bei seinen beiden Opas übernachten möchte, und er habe sie doch schon so lange nicht mehr gesehen.

Thomas, der mitgehört hatte, lachte und erklärte: „Wenn wir zwei etwas gegen seine Entzugs­erscheinun­gen unternehmen können und dir damit zu mehr Ruhe im Haus verhelfen, kann er gerne bei uns übernachten. Sollen wir direkt vorbeikommen, wir sind sowieso gerade auf dem Weg nach Hause, dann können wir ihn direkt mitnehmen.“

Martina meinte, dass sie kein Problem damit hat, wenn wir sie von ihrer Nervensäge befreien und Kevin selbst abholen würden. Zehn Minuten später standen wir vor ihrem Haus. Ich klingelte und Martina öffnete mir die Haustüre. „Wo ist denn die kleine, süchtige Nervensäge“, wollte ich von ihr wissen. Sie grinste mich an und erzählte, dass er oben sei und seinen Koffer packen würde. Ich winkte Thomas, dass er doch hereinkommen solle, da das mit Kevin und dem Kofferpacken noch einige Zeit dauern könne.

Ich ging hoch in seine Zimmer, um ihm beim Kofferpacken zu helfen, wobei meine Aufgabe vor allem darin liegen würde, es auf ein Minimum an Gepäck zu beschränken, für eine Nacht bei uns sollte ein Schlafanzug mehr als ausreichend sein. Nach einigen Diskussionen mit ihm schaffte ich es, ihn auf das Nötigste einzuschränken. Statt in einem Koffer hatte jetzt alles in einem kleinen Rucksack Platz gefunden, was er bis morgen brauchen würde.

Martina staunte, als wir nur mit kleinem Gepäck vor ihr standen, hat­te sie doch wirklich befürchtet, dass wir wirklich seinen gepackten Koffer mit­nehmen würden. Ich erklärte ihr, dass ich ihn nach langer Diskussion überzeugen konnte, dass er für eine Nacht bei uns nicht seinen großen Koffer packen müsse.

Sie verabschiedete sich von ihrem Sohn, der ihr noch versprechen musste, sich bei uns ordentlich zu benehmen und brav zu sein. Beim Ver­lassen des Hauses drückte sie mir noch seinen Kindersitz in die Hand, da so etwas nicht zur Standardausrüstung unseres Fahr­zeugs gehörte, und versprach, später noch kurz bei uns anzurufen.

Weitere fünfzehn Minuten später parkte Thomas unseren Wagen in der Garage und stellte den Motor ab. Wir gingen ins Haus und Kevin stürmte mit seinem Rucksack sofort nach oben und stellte ihn ins Gästezimmer. Thomas und ich waren ins Wohnzimmer gegangen und hatten es uns auf der Couch gemütlich gemacht, als er mit unserem Mobiltelefon auftauchte und meinte, ich hätte doch Philipp anrufen wollen.

Ich erklärte ihm, dass es jetzt noch zu früh sei, Marcus und Philipp könnten im Garten oder im Pool sein oder mit Oma unterwegs, um Besorgungen zu erledigen. Wir riefen sie später an, wenn sie beim Abendessen sitzen.

Thomas schaltete den Fernseher ein und suchte nach einem Sen­der, der ein für Kevin geeignetes Programm ausstrahlt. Mein Enkel setzte sich auf meinen Schoß, lehnte sich an mich und gemeinsam sahen wir uns einen Zeichentrickfilm an. Nach ungefähr einer halben Stunde stand Thomas auf und verließ uns in Richtung Küche, um für uns drei das Abendessen vorzubereiten.

Der Film war gerade zu Ende gegangen, als Thomas uns rief, dass wir zum Abendessen kommen können.

Kurz nach dem Abendessen rief ich dann zusammen mit Kevin und Thomas bei meiner Mutter und den Jungs an und wollte wissen, wie sie den heutigen Tag verbracht hätten. Mutter erzähl­te, dass sie beim Einkaufen gewesen seien und für die Jungs zur Beerdigung angemessene Bekleidung erworben hätten.

Die beiden Jungs wiederum erklärten, dass sie heute bereits ihre schmutzige Wäsche der Waschmaschine anvertraut hätten und morgen früh die Koffer für die Rückreise vorbereitet würden. Beim Waschen fiel Philipp wieder ein, dass sie Marvin vergessen hätten anzurufen und zur Beerdigung einzuladen. Sie hätten das heute nachgeholt und Marvin habe auch zugesagt, er käme sogar mit seiner ganzen Familie und seinem neuen Freund, den er uns bei dieser Gelegenheit vorstellen würde.

Den Rest des Abends verbrachten wir im Esszimmer und spiel­ten mit Kevin Mensch ärgere dich nicht. Gegen einundzwanzig Uhr wurde er langsam müde und ich brachte ihn hoch ins Gästezimmer, wo er schnell einschlief. Thomas hatte bereits alles wieder aufgeräumt, als ich wieder unten ankam. Vorsichtshalber hatte er zusätzlich bereits den Tisch fürs Frühstück eingedeckt, damit uns diese Arbeit morgen früh erspart bliebe.

Im Wohnzimmer unterhielten wir uns noch eine längere Zeit über die Beerdigungs­vorbereitungen und als ein noch relativ neues Thema über die Verantwortung, die ich jetzt für den Fami­lienbesitz übernehmen darf. Bei diesem Gespräch stellte ich fest, dass das gar nicht so einfach werden würde. Da würde ich mir etwas überlegen dürfen, damit ich nicht von allen Aufgaben überrollt werde. Mit dieser Erkenntnis beendeten wir den Tag und verkrochen uns in unserem Bett.

Beim Aufwachen spürte ich sofort, dass heute Morgen etwas anders war, als es ansonsten morgens ist. Als ich meine Augen öff­nete, sah ich auch sofort wieso. Kevin hatte es sich in der Nacht oder heute am frühen Morgen in unserem Bett bequem gemacht und lag zwi­schen mir und Thomas.

Ich kletterte vorsichtig, um die anderen nicht aufzuwecken, aus dem Bett und bereitete für uns drei das Frühstück vor. Für Thomas und mich frisch gebrühten Kaffee, für Kevin heiße Milch mit oder ohne Kakao, so wie er es haben will. Dazu frisches Brot, das Martina und Thomas' Mutter gestern für uns eingekauft hatten.

Zurück im Schlafzimmer, fand ich die beiden immer noch friedlich schla­fend vor. Ohne weiter darüber nachzudenken, verkroch ich mich in mein Bett und wollte mich schlafend stellen, wenn die zwei so langsam aufwachen würden. Der Wille dazu war zwar vorhanden, aber nach einiger Zeit wollte ich nicht länger warten und so fing ich vorsichtig an Kevin zu kitzeln. Nach wenigen Minuten hörte ich von ihm ein vorwurfsvolles „Opa“, und Kevin begann zu lachen.

Ich stoppte mein Kitzeln und Kevin nutzte die ihm gebotene Chance, nun seinerseits Thomas wach zu bekommen. Thomas brummte so etwas wie wer der Eindringling in seinem Bett sei, der seinen Schönheitsschlaf stören würde. Darüber musste sogar ich lachen.

Im Anschluss erklärte er uns, dass er jetzt sofort aufstehen werde und das Frühstück für uns vorbereiten würde. Ich wollte ihm eigentlich sagen, dass das nicht mehr notwendig sei, aber andererseits reizte mich der Gedanke, wie er reagieren würde, wenn er in der Küche feststellt, dass bereits alles für unser gemeinsames Frühstück vorbereitet ist.

Fast zu schnell stand er wieder im Schlafzimmer und beschwerte sich darüber, warum ich ihn nicht von seinem Vorhaben, das Frühstück vorzubereiten, abgehalten hätte, wenn ich schon gewusst habe, dass alles von mir schon fertig hergerichtet sei. Ich lächelte ihn an und erklärte ihm rotzfrech: „Bis heute habe ich es nicht einmal geschafft, dich in deinem Tatendrang einzubremsen, wa­rum sollte es also heute ausnahmsweise einmal anders sein.“

Kevin lege noch eine Schippe obendrauf und sagte zu ihm: „Thomas, nimm es doch sportlich, dass Opa Peter dich hereingelegt hat“, was uns alle zum Lachen brachte.

Zusammen gingen wir nach unten und frühstückten in aller Ruhe. Zum Ende unseres Frühstücks fiel mir ein, dass Martina gestern Abend noch anrufen wollte, der Anruf aber nicht mehr gekommen war. Ich hatte kaum den Gedanken daran zu Ende gebracht, als unser Telefon zu klingeln begann.

Kevin hüpfte vom Stuhl, holte sich den Apparat und meldete sich: „Kevin Weber bei Opa Peter Maurer“, was mir ein herzhaftes Schmunzeln bescherte. Ich erkannte schnell, dass nur Martina am Telefon sein konnte, da die Antworten, die er ihr gab, den typischen Fragen einer besorgten Mutter entsprachen. Plötzlich hielt er mir das Telefon entgegen und meinte, seine Mama möchte unbedingt noch mit mir sprechen.

Ich griff nach dem Telefon, hielt es an mein Ohr und sagte zu ihr: „Dein alter Herr ist dran, und was kann ich für dich tun?“, was Kevin mit einem Kichern begleitet. Sie wolle nur wissen, ob und wann wir Kevin vorbeibringen würden oder ob sie ihn im Laufe des Vormittags bei uns abholen muss. Ich versprach ihr, meinen Enkel Kevin vorbeizubringen, wenn wir später zu Benjamin Müller ins Beerdigungs­institut fahren würden.

Bevor wir nach oben ins Bad gingen, erklärte ich Kevin, dass er in den nächsten Tagen nicht mehr bei uns schlafen könne, da Alejandro, Jorge unterschlug ich vorsichtshalber, aus Mallorca bei uns übernachten würden, wegen Opas Beerdigung.

Zuerst schaute er mich nur fragend an, bis er meinte: „Ist das Uropas Mann für den Swimmingpool im Garten?“ Ich nickte und dazu erklärte er mir, dass er sich freue, ihn wieder zu sehen, weil er letztes Jahr versucht habe, ihm das Schwim­men beizubringen.

Drei Männer, zwei große und ein kleiner, in unserem nicht gerade großen Bad war dann doch eine Herausforderung für uns, Thomas schlüpfte als erster in die Dusche, während ich mich rasierte und Kevin sich seine Zähne putze. Kaum war Thomas aus der Dusche, sprang Kevin hinein und wollte mit mir zusammen duschen. Ich seifte zuerst ihn mit Dusch­gel und danach mich selbst ein, bevor ich zur Brause griff und den Schaum wieder abspülte. Thomas hatte sich zwischen­zeitlich ebenfalls rasiert und wartete mit einem großen Handtuch darauf Kevin abzutrocknen. So konnte ich mich gleichzeitig abfrottieren.

Frisch angezogen fuhren wir mit Kevin zu seiner Mutter und lieferten meinen Enkel samt Kindersitz fürs Auto wieder bei ihr ab. Ich erklärte ihr noch, dass sie in den nächsten Tagen nicht zu befürchten habe, dass er erneut bei uns schlafen will, da ab morgen Alejandro und sein Ehemann Jorge das Gästezimmer bis zum Wochenende belegen würden. Sie sah mich an und sagte: „Alejandro kenn ich, er reinigt alle vierzehn Tage Opas Pool, aber dass er schwul sei, ist mir bisher nie aufgefallen.“

Auf der Weiterfahrt zu Benjamin Müller wollte Thomas von mir wissen, warum Martina vorher so komisch geschaut hatte. Ich er­klärte ihm, dass ich ihr von Alejandro und Jorge erzählt habe, die bei uns in den nächsten Tagen übernachten, und sie meinte, dass ihr das nie aufgefallen sei, dass er schwul sein könnte. Thomas lachte und meinte, dass das schon komisch sei, da sie von einigen Schwulen umgeben sei, die sich nicht tuntig beneh­men würden oder dem sonst üblichen Klischee entsprachen.

Die nächste Überraschung gab es bei Benjamin Müller, der zwar wusste, dass ich Gabriele geheiratet hatte und diese wenige Jahre später verstorben war. Als ich ihm jedoch Thomas als meinen Lebens­partner vorstellte, kippte sein Kinnlade nach unten und es dauerte eine geraume Zeit, bis er sich wieder gefangen hatte.

„Entschuldigt bitte meine Reaktion, ich dachte immer, du hättest dich nach dem Tod von Gabriele nie wieder auf eine neue Partner­schaft eingelassen. Dass du jetzt mit einem Mann dein Glück gefunden hast, hat mich irgendwie verwirrt“, versuchte er uns zu erklären.

„Benjamin, kein Problem, ich lebe inzwischen fast fünfzehn Jahre mit Thomas zusammen. Wir haben uns in der Arbeit kennengelernt und glaube mir, ich selbst habe in der Anfangszeit nicht im Traum daran gedacht, dass wir beide einmal ein Paar werden würden. Thomas war derjenige, der mir immer zur Seite stand, wenn ich wieder einmal in meine Depressionen wegen Gabis Tod gefallen bin.

Erst nach langer Zeit habe ich es begriffen, dass er so etwas wie ein Ruhepol für mich ist. Wobei das lange gedauert hat, selbst, nachdem sich Thomas bei mir als schwul geoutet hatte und mir gestanden hatte, dass er sich in mich verliebt habe. Wichtig war dabei auch, dass meine beiden Kinder ihn vom ersten Augenblick an in ihr Herz ge­schlossen hatten, was mir die Entscheidung für Thomas am Ende einfacher gemacht hat. Wenn dich die ganze Geschichte in­teressiert, komm doch einfach mal bei uns zum Kaffee vorbei, du bist herz­lich eingeladen.“

Nach kurzer Pause antwortete er: „Ich nehme eure Einladung gerne an, würde aber gerne meine Frau mitbringen. Ich glaube, eure Geschichte und das Gespräch mit euch beiden wird uns beiden guttun. Wir haben eine Menge Probleme mit unserem jüngsten Sohn, von dem wir vermuten, dass er schwul sein könnte. Wir fürchten, dass er uns einfach zu wenig vertraut, um mit uns darüber zu sprechen.“

„Kannst du ihn überreden, am Freitag an der Beerdigung und am Leichenschmaus teilzu­nehmen?“, fragte ich ihn.

„Warum?“, wollte er von mir wissen.

Ich schaute ihn lange an, bevor ich ihm antwortete: „Wir werden nicht das einzige schwule Pärchen sein, das du auf der Beerdi­gung an­treffen wirst. Mein Sohn Philipp hat sich vor drei Jahren endlich seinen Jugendfreund Marcus geangelt, dazu kommt Vaters Pool­pfleger aus Mallorca, der ebenfalls mit einem Mann verheiratet ist.

Aus dem Freundeskreis meines Sohnes kommt noch Marvin mit seinem neuen Freund. Vielleicht hilft es ihm, sich euch anzuvertrauen, wenn er sieht, dass er nicht der einzige Schwule ist und ihr ungezwungen mit der Situation umgeht.“

„Ein Versuch kann nicht schaden“, antwortete er, „ich rede aber zuerst mit meiner Frau darüber. Wenn sie der gleichen Meinung ist, versuchen wir ihn zum Mitkommen zu überreden.“

Damit war zumindest das Thema erst einmal abgeschlossen. Wir sprachen noch über die Trauerfeier, wobei er mir klarmachte, dass sich sein Vater ohne Rücksicht als erster Trauerredner eingetragen habe.

„Bevor ich es vergesse, ich habe heute Morgen schon ein Fax erhalten, in dem mir mitgeteilt wurde, dass die Leiche deines Vaters bereits heute Abend am Flughafen in München eintreffen wird. Mit meinen Leuten ist bereits alles abgesprochen, wir werden rechtzeitig am Flug­hafen in München sein, um den Sarg dort zu übernehmen.

So viel Zeit für die Vorbereitungen einer Beerdigung bleibt mir sonst nie“, verriet er uns noch, „und die Kollegen aus Spanien haben hervorragend gearbeitet und nicht zu viel versprochen mit ihrer Ankündigung, dass der Sarg spätesten am Mittwoch eintrifft.“

Da heute keine weiteren wichtigen Termine anstanden, war es auch kein Drama, dass wir uns bei Benjamin viel zu lange aufhielten. Unsere Ge­spräche waren längst vom geschäftlichen Teil in unsere private Vergan­gen­heit abgedriftet, wo Thomas so nebenbei weitere bisher ihm nicht bekannte Details über meine Jugend erfuhr. Als ich merkte, dass ich langsam doch hungrig wurde, drängelte ich Thomas zum Aufbruch.

Vor unserer Rückfahrt in die Stadt aßen wir zu Mittag in einem kleinen Landgasthof im Ort. Während des Essens fragte ich Thomas, ob er ein Problem damit habe, wenn wir noch kurz zum Gutshof meiner Eltern fahren würden. Ich gestand ihm, dass ich den Termin mit dem bisherigen Pächter beinahe vergessen hätte.

Nach dem Essen fuhren wir gemeinsam zum Gutshof, wo wir im Verwalterhaus den Pächter antrafen. Ich stellte ihm ebenfalls Thomas als meinen Partner vor und im Gespräch erfuhr ich weitere Details, warum er zum Jahresende aus dem Pachtvertrag aussteigen wollte.

Ich fragte ihn, ob er sich vorstellen könne, ein oder zwei Jahre zu verlängern, wenn wir nicht sofort einen neuen Pächter finden würden. Dies lehnte er kategorisch ab, also bohrte ich weiter mit der Frage, ob er bereit wäre, vor­übergehend den Gutshof als angestellter Verwalter fortzuführen.

Darüber könne er vielleicht nach­den­ken, je nachdem, welche Konditionen damit verbunden wären. Ich versprach ihm, dass wir bei nächster Gelegenheit ausführ­licher darüber sprechen würden und er sich danach endgültig entscheiden könne.

Während der Rückfahrt wollte Thomas wissen, mit welchem Hin­­ter­gedanken ich Vaters bisherigem Pächter diese Fragen gestellt hätte. „Ohne Hintergedanken“, antwortete ich ihm, „mich interessierte eher, ob es noch eine Chance gibt, den Pachtvertrag zu verlän­gern. Die zweite Frage war eher rhetorisch, da ich derzeit noch keine Möglichkeit sehe, wie die landwirtschaftliche Nutzung lang­fristig weitergeführt werden könnte, ohne einen neuen Päch­ter.“

Es war bereits nach sechzehn Uhr, als wir zu Hause eintrafen. Wir beschlossen, den gestern ausgefallenen ruhigen Abend heute nachzuholen. Thomas fragte, wie groß mein Hunger sei, wobei er gleich erklärte, dass er nach unserem üppigen Mittags­mahl keinen großen Hunger verspüre. Da ich selbst keinen großen Hunger hatte, einigten wir uns auf einen kleinen Imbiss, den wir gegen neunzehn Uhr zu uns nehmen wollten.

Kurz vor achtzehn Uhr klingelte unser Telefon, ich ging ran; neu­gierig, wie ich nun manchmal bin, wollte ich sofort wissen, wer etwas von uns wolle. Es meldete sich meine Schwester Gerlinde, von der ich schon länger nichts mehr gehört hatte. Sie konnte mir bis heute nicht verzeihen, dass ich mich nach dem Tod meiner Frau auf Thomas eingelassen hatte und seitdem mit ihm zusammenlebe.

Wenn sie sich jetzt so direkt bei mir meldete, dann musste sie das einige Überwindung gekostet haben, mich anzurufen. Ich fragte deshalb, was ich oder wir für sie tun könnten. Sie erklärte mir, dass sie trotz intensivster Bemühungen für ihren Jüngsten, also für Jonas, kein Hotelzimmer mehr auftreiben konnte und ob er deshalb für ein oder zwei Tage, voraussichtlich ab Donnerstag oder Freitag, bei uns übernachten könne.

Thomas hatte mitgehört und nickte mit seinem Kopf. Ich sagte ihr sofort zu, dass ihr Sohn bei uns problemlos zwei oder drei Nächte bleiben könne. Sie verabschiedete sich hastig und legte viel zu schnell auf, was nicht nur mir, sondern auch Thomas sehr unangenehm auffiel.

Thomas grinste und erklärte mir: „Das stinkt gewaltig gegen den Himmel, darum habe ich dir ange­deutet, dass du zusagen sollst. Ich glaube, da steckt eine völlig andere Motivation dahinter, und der sollten wir zwei auf den Grund gehen.“

Heute wollte ich mich nicht mehr mit diesem Thema auseinan­dersetzen, was ich Thomas auch gleich so erklärte. „Warten wir ab, bis Jonas am Donnerstag oder Freitag zu uns kommt, dann können wir ihm auf den Zahn fühlen und vielleicht herausfinden, warum sich seine Mutter so eigentümlich verhalten hat.“

Danach blieb es endgültig ruhig und wir hatten unseren erhofften ruhigen Abend, bis wir kurz vor Mitternacht in unseren Betten verschwanden. Wir mussten morgen nicht so früh aufstehen, da der Flug mit Mutter, unseren beiden Jungs und Alejandro mit seinem Jorge erst mittags in München landen würde.

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