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Regenbogenfamilie

Teil 30 - Familienkonferenz

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Informationen

 

Thomas kehrte mit dem bestellten Kuchen aus der Konditorei zurück und erklärte: „Ihr wisst schon, dass es bereits kurz nach vierzehn Uhr ist, und die ersten Familienmitglieder könnten in wenigen Minuten hier eintreffen, wie weit seid ihr denn schon mit den Vorbereitungen?“

„Wir sind fertig, der Tisch ist vollständig eingedeckt, genügend Stühle stehen bereit, die Meute kann einfallen“, das war meine Kurzform des Lageberichts, den ich Thomas gab. „Ach, was ich euch noch sagen will, bitte erwähnt keinem gegenüber, dass Tims Eltern noch vorbei­kom­men, das soll wirklich eine Über­raschung für alle werden“, vergatterte ich die Anwesenden.

Kurz nach halb drei kamen Philipp und Marcus mit Alejandro und Jorge von ihrem Ausflug zum Gutshof zurück. Das erste, was mir auffiel, dass ein anderer Jorge zurückgekommen ist. Völlig verändert und gut gelaunt, so wie ich es bei ihm noch nie gesehen hatte, seitdem ich ihn kenne. Ich fragte Alejandro, was auf dem Gutshof geschehen ist. Er erklärte mir, dass er mir vorerst noch nichts sagen darf, aber er versicherte mir, dass das Geheimnis im Laufe des Nachmittags gelüftet wird. Ich solle mich doch bitte noch ein wenig gedulden. Ich fragte ihn, ob Philipp und Marcus wüssten, um was es sich handelt. „Nein, die beiden haben auf dem Gutshof nichts mitbekommen, die waren mit Aufräumen beschäftigt.“

Gut zehn Minuten später klingelte es an der Haustür und Philipp eilte in den Flur, um die nächsten Gäste einzulassen. Da eigentlich nur noch Martina und Christoph mit ihren Kindern und Thomas' Mutter fehlten, ging ich davon aus, dass sie die­jenigen waren, die geklingelt hatten. Philipp kam ins Wohn­zimmer und meinte, ich solle doch bitte herauskommen, da stehe ein älterer Mann, der mich sprechen will.

Ich folgte ihm und staunte nicht schlecht, da stand Onkel Alois vor mir. Ich reichte ihm meine Hand und begrüßte ihn herzlich. Er erklärte mir, dass meine Mutter und kurz danach seine Schwester ihn ange­rufen und ihn gebeten hatten, bei uns vorbeizuschauen, da ich mit ihm sprechen will. Ich lud ihn ein, ins Haus zu kommen und mit uns Kaffee zu trinken.

Er zögerte, deshalb fragte ich ihn, ob er allein gekommen sei. Er meinte, sein Lebensgefährte warte im Auto auf ihn und den wolle er nicht zu lange warten lassen. Ich sagte, dass er seinen Lebensgefährten gerne mitbringen könne, dieser sei ebenfalls herzlich mit eingeladen. Er überlegte kurz und erklärte, er werde ihn schnell holen und sie freuen sich über unsere Einladung.

Ich meinte, das könne Philipp sicher auch, er solle ihm nur sagen, wie er seinen Lebensgefährten findet. Er erklärte Philipp, wie er ihn findet, und der machte sich sofort auf den Weg, ihn zu holen.

Onkel Alois begleitet mich inzwischen ins Haus, ich nahm ihm seine Jacke ab und hängte sie an die Garderobe. Inzwischen war Philipp mit dem Lebens­gefährten ebenfalls zu uns in den Flur gekommen, auch seine Jacke hängten wir an die Garderobe und gingen dann zusammen ins Wohnzimmer.

Zuerst stellte ich Onkel Alois den Anwesenden vor. Er übernahm es, seinen Lebensgefährten Dietmar Hofer vorzustellen. Ich übernahm die Aufgabe, meinem Onkel und seinem Lebensgefährten die bereits Anwesenden vorzu­stellen.

Der erste, den ich ihm vor­stellte, war Thomas als meinen Lebensgefährten, danach meinen Sohn mit seinem Freund Marcus. Die nächsten beiden waren dann mein Neffe und sein Großneffe Jonas mit seinen Tim, zuletzt waren Alejandro und Jorge an der Reihe, die ich als unsere guten Freunde von der Insel Mallorca vorstellte.

Alois und Dietmars Gesichtern war es direkt anzusehen, dass sie nicht mit so einem massiven Aufgebot Gleichgesinnter gerechnet hatten. Er meinte dann, dass ihm das gestern bei der Beerdigung meines Vaters gar nicht aufgefallen sei, er hatte sich zwar dachte, dass ein schwules Pärchen dabei sein müsste, weil eine der anwesenden Frauen ganz in ihrer Nähe mit dem Pfarrer eine lautstarke Diskussion geführt hatte und dann urplötzlich ver­schwunden ist. Ich erklärte ihm, dass die Frau meine Schwester und seine Nichte sei, zudem sei sie die Mutter von Jonas.

Plötzlich stürmten die beiden Jüngsten, meine Enkelin Katherina und mein Enkel Kevin, ins Wohnzimmer, gefolgt von ihren Eltern und Thomas' Mutter. Ich stellte Alois und Dietmar sowie auch Jonas und Tim meine beiden Enkelkinder Katharina und Kevin, danach meine Tochter Martina und meinen Schwieger­sohn Christoph vor. Zuletzt begrüßte ich meine Schwiegermutter Elisabeth Müller, der ich ebenfalls unsere beiden Neuen vorstellte.

Bevor sich alle an den Kaffeetisch setzten, erhob Onkel Alois seine Stimme und erklärte: „Ich will euch kurz etwas über mich erzählen. Ich bin der jüngere Bruder von Peters Mutter Gerlinde, ihr Mann war also mein Schwager. Ich bin auf dem Gutshof aufgewachsen, zusammen mit meinen Geschwistern.

Als sogenanntes schwarzes Schaf der Familie wurde ich von meinen Eltern zwar toleriert, aber zu der Zeit war gleichgeschlechtliche Liebe unter Männer noch bei Strafe verboten und deshalb bin ich auch früh von zuhause ausgezogen, ich wollte nicht, dass sie wegen meiner Neigung zum männlichen Geschlecht ins Gerede kommen.

Meinen Lebensgefährten Dietmar habe ich bereits während meines Studiums kennengelernt. Während des Studiums haben wir in einer Wohnge­meinschaft zusammen­gelebt. Danach hatten wir jahrelang getrennte Wohnungen und uns nur regelmäßig entweder bei ihm oder bei mir getroffen. Erst nach dem Wegfall des Straf­para­graphen bezogen wir wieder eine gemeinsame Wohnung. Vor rund zehn Jahren haben wir uns verpartnert, wie es auf neu­deutsch heißt. Das war jetzt die Kurzfassung meines Lebens.“

Nachdem sich alles gesetzt hatte, erzählte er weiter: „Es freut uns, dass wir euch heute alle kennenlernen dürfen, in der Vergan­genheit hatten wir immer nur mit Gerlinde und Walter Kontakt, die mir und Dietmar immer wieder auch von euch erzählt haben. Seit sie auf Mallorca lebten, sind leider unsere Kontakte weniger und deswegen sind wir nicht über eure aktuelle Situation auf dem Laufenden. Jetzt ist klar, warum meine Schwester meinte, ich solle mich unbedingt mit euch heute treffen, Dietmar und ich sind nicht die einzigen schwarzen Schafe in der Familie und die sollten wir kennen­lernen.“

Thomas antwortet ihm: „Schwarze Schafe, wir fühlen uns keines­wegs so, wenn du aber damit sagen willst, dass in der Familie mehr als ein männliches Familienmitglied existiert, der Männer den Frauen vorzieht, dem kann ich nicht widersprechen.

Ich weiß, wir beide, Peter und ich, sind erst in einer Zeit zusammengekommen, als die Liebe unter Männern nicht mehr unter Strafe stand, und trotzdem hatten wir auch unsere Probleme. Wenn ich Jonas betrachte, hat er es auch nicht einfach, ihr habt ja gestern selbst erlebt, wie seine Mutter ausgetickt ist.“

Inzwischen hatte Martina begonnen, allen Kaffee einzuschenken und Thomas' Mutter versorgte alle mit einem Stück Kuchen. In den nächsten Minuten war es ruhiger im Raum, die Gespräche verstummten teilweise total. Nachdem fast alle mit ihrem Kuchen fertig waren und die Gespräche wieder einsetzten, standen Alois und Dietmar auf und verabschiedeten sich von allen. Sie wollten heute noch nach Hause fahren und in ihrem Alter dauert das etwas länger, bis sie in Regensburg sind.

Ich brachte die beiden zur Haustür und vereinbarte mit ihnen, dass wir in Verbindung bleiben. Mutter hatte ihm schon meine Telefon­nummer und unsere Adresse gegeben. Wir vereinbarten, dass wir in Zukunft regelmäßig telefonieren und uns auch treffen wollten, da ich mehr über ihn und seine Vergangenheit erfahren wollte. Ich beschloss, meine Mutter ebenfalls über die beiden auszufragen, denn sie und Vater hatten in der Vergangenheit den Kontakt zu ihrem Bruder nie richtig abreißen lassen.

Beim Eintreten ins Wohnzimmer hörte ich schon, dass der Rest der Familie in Diskussionen um Alois und Dietmar verwickelt war, wobei immer wieder die Frage aufkam, warum wir bisher so gut wie nichts über unseren Onkel wussten. Ich mischte mich ein und versuchte zu erklären: „Wie ihr schon von Alois gehört habt, ist er in einer Zeit aufgewachsen, in der Männer, die Interesse am eigenen Geschlecht zeigten, noch strafrechtlich verfolgt wurden.

Alois hat sich damals aus eigener Entscheidung von der Familie abgewandt, um keine Schande über die Familie zu bringen. Später, als es für Schwule einfacher wurde, hat er scheinbar mit seinen Schwestern wieder mehr Kontakt aufge­nommen. Unsere Eltern hatten damit kein Problem, aber wie erkläre ich meinen fast erwachsenen Kindern, woher nach so langer Zeit ein Onkel auftaucht und der dann auch noch seinen Freund mitbringt. Um das genauer zu erfahren, sollten wir eure Großmutter bei Gelegenheit befragen.“

„Aber nun zum eigentlichen Grund unseres Zusammentreffens, in den letzten drei Wochen haben sich so viele Neuigkeiten ergeben, die mich veranlasst haben, euch heute zu einer dringlichen Familien­konferenz zu­sammenzurufen. Ich weiß zwar nicht, wo ich anfangen soll, aber ich werde versuchen, es euch der Reihe nach zu erklären.“

Ich machte eine kurze Pause, bevor ich weitersprach: „Wir sind vor fast drei Wochen kurzfristig nach Mallorca geflogen, nachdem Mutter an­gerufen hatte, dass es Vater schlecht gehe und er im Krankenhaus liegt. Dort stellte sich schnell heraus, dass Vater das Krankenhaus wahr­scheinlich nie wieder lebend verlassen würde.

Bei den täglichen Besuchen an seinem Krankenbett hat er mir immer wieder versucht klarzumachen, dass ich zukünftig das Familienoberhaupt sein soll und ich mich zukünftig um die Belange des Familienbesitzes kümmern soll. Er hat mir eine Reihe von Briefen und Aufgaben in schriftlicher Form hinterlassen, die ich gestern mit der Post erhalten habe, nachdem wir diese Unterlagen, die er im Stationszimmer des Krankenhauses für mich hinter­legt hatte, nach seinem Tod dort vergessen haben.

Heute Morgen hat Philipp die Unterlagen zusammen mit der Tageszeitung aus dem Briefkasten geholt. Es sind einige Kuverts, die durch­nummeriert sind, das Kuvert mit der Nummer Eins habe ich heute Vormittag geöffnet. Ich werde auch euch kurz dieses Schreiben vorlesen.“

Während ich Vaters Brief vorlas, beobachtete ich gleichzeitig alle Anwesenden; Jonas und Tim kannten ihn ja schon, Thomas ebenso, für alle anderen war der Inhalt noch neu. Bei manchen Passagen konnte ich ihren Gesichtern entnehmen, dass sie doch etwas überrascht schienen wegen Vaters Worten.

Vor allem als ich den Passus vorlas, in dem es um das bereits ausgezahlte Erbe an meine Geschwister ging, sah ich so manches verwunderte Gesicht. Nachdem ich fertig vorgelesen hatte, legte ich eine Pause ein und trank einen Schluck Wasser.

Jonas nutzte die Pause und meinte, er hätte schon gewusst, dass seine Eltern des Öfteren von Opa entweder Geld oder die eine oder andere Wohnung bekommen hatten, wobei er anmerken müsse, dass seine Mutter vorher immer gejammert habe, wie schlecht es ihnen ginge.

Meine Tochter meldete sich als erstes und wollte wissen, ob ich denn die anderen Kuverts bereits geöffnet und alles gelesen hätte. Ich ant­wor­tete ihr, dass ich bisher nur diesen einen Brief geöffnet habe, da ich davon ausgehe, dass die restlichen Briefe hauptsächlich das beinhalten, was Vater mir und Thomas bereits mündlich auf seinem Sterbebett mitgeteilt hat.

„Eine der Aufgaben wird es sein, einen neuen Pächter für den Gutshof zu finden, da der derzeitige Pächter seinen Vertrag zum Jahresende gekündigt hat. Eine weitere Aufgabe ist, Mutters Umzug von Mallorca zurück auf den Gutshof vorzubereiten und zu organisieren. Für die Finca haben wir bereits eine Lösung gefunden, sie wird zukünftig vermietet und von einem ortsansässigen Verwalter betreut.

Außerdem haben Mutter und Vater die Finca aus dem Familienbesitz herausgelöst und in eine Gesellschaft eingebracht, die nach Mutters Tod in eine Stiftung umgewandelt wird, ich bin derzeit zusammen mit Mutter Geschäftsführer dieser Firma und soll später auch den Stiftungsvorsitz übernehmen.“

Ich legte wieder eine Pause ein, damit alle die Informationen verar­beiten konnten. Um mich nicht zu verzetteln, konzentrierte ich mich als Erstes auf unser wichtigstes Thema für den heutigen Nach­mittag, Mutters Rückkehr nach Deutschland und alle Fragen rund um den Gutshof.

„So, jetzt aber erst mal zum wichtigsten Thema, das wir als Erstes angehen müssen. Das Thema heißt nur Gutshof, denn um den dreht sich alles und hat verschieden Facetten. Zum einen Neuver­pachtung oder anderweitige Nutzung, Mutters Rückkehr ins Gutshaus und alles, was damit im Zusammenhang steht.

Dann kommt hinzu, dass Vater angeregt hat, wir möchten in der aktuell veränderten Situation nochmal unsere Ent­scheidung hinsichtlich des Umbaus des Gutshauses und unseren Umzug dorthin überdenken.“

Ich stoppte meine Ausführung, da ich angenommen hatte, dass jetzt die ersten Wortmeldungen kommen würden. Da keiner reagierte, sprach ich weiter: „Ein weiteres Randproblem, das wir erst seit Mittwoch dieser Woche kennen, sind die beiden Jungs, mein Neffe Jonas und sein Freund Tim. Ihr habt gestern die Aktionen meiner Schwester mitbekommen, zuvor hatte sie Jonas bereits erklärt, wenn er seine Schule beendet habe, solle er so schnell wie möglich von zu Hause ausziehen, da er zum einen volljährig sei und sie in ihrem Haushalt keinen Schwulen länger als gesetzlich notwendig dulden würde.

Wobei sie gestern, während des Leichenschmauses, bei ihrem vorzeitigem Abgang Jonas klargemacht hat, dass sie ihn ab sofort nicht mehr in ihrem Haus sehen will, wobei ich vermute, dass ich daran nicht ganz unschuldig bin, denn ich habe Jonas überzeugt, mit mir die Trauerrede für meinen Vater und seinen Großvater zu halten. Ich vermute, sie ist damit und mit ihrer Überzeugung, dass Schwule lebensunwert sind, nicht klargekommen und hat nach unserem Auftritt entsprechend bösartig reagiert. “

Jonas unterbrach mich und erklärte vor allen anderen: „Ich denke nicht, dass du die Schuld daran allein auf dich nehmen musst, ich hätte ja nein sagen können und dann wäre Thomas, wie ursprünglich geplant, dein Redepartner gewesen, was aber ihre Meinung über Schwule allgemein sicher nicht geändert hätte.

Sie hätte nur ihre Abneigung nicht an mir auslassen können. Ich war fasziniert von der Idee, mit dir die Trauerrede zu gestalten, und bei den Texten, die wir gemein­sam erarbeitet haben, haben wir oft genug die Schärfe herausge­nommen, wenn ich der Meinung war, dass die Worte zu hart sein könnten. Dass meine Mutter derart homophob ist, kann ich einfach nicht verstehen.“

Elisabeth meinte, sie fand unsere Trauerrede die beste von allen, die sie bisher gehört habe: „Ihr habt deinen verstorbenen Vater nicht nur gelobt, sondern auch getadelt, vor allem hattet ihr den Mut zu sagen, dass er ein tole­ranter Mensch war, der keinerlei Probleme mit eurem Liebes­leben hatte.“ Sie redete weiter: „Ich habe zusammen mit meinem Mann den gleichen Fehler gemacht wie deine Mutter, wir haben Thomas damals auch aus dem Haus geworfen. Als uns später klar wurde, dass wir damit den größten Fehler unseres Lebens gemacht haben, wollten wir diesen Fehler rückgängig machen und haben versucht, ihn zu finden, nur blieb das Ganze jahrelang ohne Erfolg.

Nur Peters Kindern und ihrer Hartnäckigkeit, mich zu finden, gab mir eine zweite Chance, ihm zu erklären, dass wir unseren Fehler längst bereut hatten. Er hatte sich in seinem verletz­tem Stolz nie wieder bei uns gemeldet nach seinem übereilten Auszug.“

Beim letzten Satz seiner Mutter zuckte Thomas kurz, als wolle er etwas dazu sagen, ließ es dann doch bleiben, seine Mutter hatte richtig vermutet.

Ich übernahm wieder das Ruder und erklärte weiter: „Die beiden Jungs, also Jonas und Tim, haben mir erzählt, dass sie in Weihenstephan Landwirtschaft und Gemüseanbau studieren wollen, was mich auf die Idee brachte, den beiden einen Vorschlag zu unterbreiten.

Zuerst wollte ich ihnen nur eine Wohnung aus dem Bestand meiner Eltern anbieten für die Zeit ihres Studiums, bis ich plötzlich die Idee hatte, sie könnten langfristig die Verwaltung und den Betrieb des landwirtschaftlichen Bereichs auf dem Gutshof übernehmen. Heute Vormittag habe ich ihnen, im Beisein von Jonas' Vater und seinen Geschwistern und Tims extra angereisten Eltern, diesen Vorschlag unterbreitet, wobei ich der Ehrlichkeit wegen gestehen muss, ich hatte mit den beiden bereits gestern Abend auf der Rückfahrt von der Trauerfeier darüber gesprochen.

Die beiden haben diesen Vorschlag heute Vormittag bei der Besprechung mit Tims Eltern und Jonas' Vater mit seinen Geschwistern sofort angenommen und werden ab Januar den landwirt­schaftlichen Bereich des Gutshofes verwalten, ich muss nur noch unseren bisherigen Pächter davon überzeugen, dass er für eine bestimmte Zeit als Verwalter und Ausbilder den beiden Jungs unter die Arme greift.“

Das schien wohl so etwas wie ein Stichwort für Alejandro gewesen zu sein, der sich meldete, weil er dazu etwas beitragen möchte. Ehrlich gesagt, ich war etwas verwundert, dass er gerade zu diesem Themenbereich beitragen wollte, ich hatte eher ge­dacht, dass er bei Mutters Umzug nach Deutsch­land seine Ideen einbringen würde.

„Bevor ich euch unsere Idee zu diesem Vorschlag unterbreite, muss ich euch etwas über uns beide erzählen. Ich selbst bin hier in Deutschland geboren und aufge­wachsen, erst meine Liebe zu Jorge brachte mich dazu, nach Mallorca zu ziehen. Jorge ist auf einem Bauernhof aufgewachsen und als jüngster Sohn konnte und durfte er den elterlichen Bauernhof nicht übernehmen, er würde gerne wieder in der Landwirtschaft arbeiten, wie er mir immer erklärt hat.

Bei unserem Besuch heute Vormittag auf dem Gutshof und einem längeren Gespräch mit dem derzeitigen Pächter, vor allem als dieser uns alles zeigte, konnte ich in seinen leuchtenden Augen erkennen, dass er sich nicht nur in mich, sondern jetzt auch noch in diesen landwirtschaftlichen Betrieb verliebt hat. Wir hatten genügend Zeit, uns darüber auszutauschen, ob es Sinn machen würde, denn er müsste dann fest nach Deutschland ziehen und mit Peter darüber sprechen, dass wir beide den landwirtschaftlichen Betrieb unter seiner kauf­männischen Leitung bewirtschaften können.

Zu diesem Zeit­punkt kannten wir seine Ideen und Pläne noch nicht, ich denke aber, dass Jorge kein Problem damit hat, wenn nicht Peter, sondern die Jungs die hauptsächlich kaufmännische Leitung innehaben und wir gemeinsam den landwirtschaftlichen Betrieb führen. Außerdem könnte der Verwalter dann doch sofort in seinen wohlverdienten Ruhestand gehen, wenn Jorge und ich im Gutshof mitarbeiten.“

Ich beobachte die beiden Jungs und konnte erkennen, dass sie über den Vorschlag nachdachten. Ich hatte meine eigenen Gedanken zu diesem Thema, das Ganze sind jetzt neue Aspekte, denn bisher bin ich davon ausgegangen, dass die beiden Spanier lieber auf Mallorca bleiben wollten. Ich wandte mich an Jonas und Tim und fragte sie, ob sie sich auch so eine Zusammenarbeit vor­stellen könnten.

Tim antwortete mir: „Vorstellen können wir uns alles, was uns beiden hilft, aber im Endeffekt treffen nicht wir die Ent­scheidungen, sondern entweder du, Peter, oder der Familienrat.“

Ich antwortete ihm: „Da ihr beide jetzt zum Familienrat gehört, ist bei allem, was wir diskutieren, eure Meinung ebenso gefragt und erwünscht. Ich habe euch doch erklärt, wenn ihr euch für den Gutshof entscheidet, dass ihr ein Mitspracherecht und eine Stimme haben werdet.

Du, Tim, bist der Freund meines Neffen, damit gehörst du automatisch, so wie Marcus, mit zur Familie und damit zum Familienrat. Für Jonas gilt das sowieso, da er mit seiner Geburt in diese Familie hineingewachsen ist, auch wenn meine Schwester da vielleicht anderer Meinung sein sollte. Aber jetzt zum Angebot von Alejandro und Jorge, ehrlich gesagt hat es mich überrascht. Ich dachte, dass ihr lieber auf Mallorca leben würdet. Vor allem, dass Jorge aus einem Bauernhof stammt, ist mir völlig neu.“

Alejandro meldete sich: „Peter, dass du noch nicht alles von uns beiden weißt, liegt eher darin, dass wir uns jetzt gerade mal gut zwei Wochen kennen. Ich verstehe, wenn du Bedenken hast, aber wir meinen es ehrlich mit unserem Vorschlag. Ich habe das Leuchten in Jorges Augen gesehen, als uns heute der Verwalter alles erklärt und gezeigt hat.“

„Daran zweifle ich auch nicht, Alejandro“, erklärte ich ihm, „wir haben aber noch viel mehr zu klären als nur die Weiterbe­wirtschaftung des landwirtschaftlichen Teils des Gutshofes.“

„Mutter hat beschlossen, zukünftig im Gutshaus zu wohnen, dazu vielleicht auch noch den Umbau des Gutshauses, wenn die Familie sich dafür entscheidet, ganz oder teilweise dorthin umzuziehen. Ich für meinen Teil kann mir sehr gut vorstellen, zusammen mit Thomas ins Gutshaus einzuziehen, wobei ich ihn aber bisher nicht einmal gefragt habe.

Ebenso muss ich mir überlegen, wie es bei mir persönlich weitergehen soll, da ich befürchte, dass mit dem Familienbesitz und dessen Verwaltung um­fang­reiche Aufgaben und Arbeiten auf mich zukommen. Kann ich meinen bisherigen Arbeitsplatz als Abteilungsleiter weiterführen, vielleicht in Teilzeit, oder muss ich meinen bisherigen Job doch ganz aufgeben.“

Nach einer kurzen Pause sprach ich weiter: „Ich weiß nicht, welche Pläne Jonas und Tim haben hinsichtlich des land­wirtschaftlichen Teils, wie bisher Ackerbau und Viehzucht oder eher Gemüsegärt­nerei. Was würde das für euch bedeuten, Jorge und Alejandro, wenn die beiden Jungs nur Gemüseanbau betreiben wollen? All das sind Fragen, die vorher geklärt werden müssen, jetzt zu sagen, dass ihr zusammen mit den Jungs für die Landwirtschaft zuständig seid, ist eben nicht so einfach.

Bevor ich es vergesse, hinzu kommen nicht unerhebliche Flächen, die nur forstwirtschaftlich genutzt sind, auch die waren bisher beim Pächter in seinem Pachtvertrag enthalten. Alles aufzuteilen und verschiedenen Pächtern anzuvertrauen, macht meines Erachtens wenig Sinn. Das würde im Grunde genommen nur noch mehr Arbeit für mich bedeuten, da ich auch jeden Teilbereich gesondert überwachen muss.“

Thomas ergriff das Wort: „Warum hast du bisher nie darüber ge­sprochen, dass du im Grunde genommen ein vermögender Mann bist? Ich bin jetzt doch etwas über­rascht, was du uns hier plötzlich erzählst.“

Darauf antwortete ich ihm: „Ganz einfach, ich bin nie davon aus­ge­gangen, dass ich jemals die Verantwortung für den Familien­besitz übernehmen soll. Ich war immer der Meinung, dass mein älterer Bruder Dieter diese Aufgabe eines Tages übernehmen wird. Dass meine Eltern sich für mich und gegen Dieter entschieden haben und mir diese Aufgabe anvertrauen, weiß ich erst seit unserem ersten Ge­sprächen mit Vater im Kranken­haus auf der Insel Mallorca.

Für mich war das alles genau so überraschend wie für euch. Wenn ich ehrlich sein soll, da ich mich in der Vergangenheit nie damit beschäftigt habe, kann ich euch nicht einmal genau sagen, wie groß der Familienbesitz wirklich ist, den ich als Familienoberhaupt verwalten soll. Das wird sich erst in den nächsten Wochen zeigen, wenn ich, beziehungsweise wir, alle Unterlagen gesichtet haben und einen endgültigen Überblick über den Wohnungsbestand haben. Ich habe mich in der Vergangenheit nie damit beschäftigt, deswegen meine Unwissenheit.“

Mein Sohn Philipp schaute mich an und meinte: „Habe ich das jetzt richtig verstanden, du hast keinen Überblick über den vollständigen Familienbesitz, den du jetzt zu verwalten hast. Woher willst du dann wissen, ob es überhaupt Sinn macht, deinen bisherigen Arbeitsplatz auf­zu­geben?“

„Stimmt“, antwortete ich ihm, „ich hoffe, dass Mutter mir zum einen helfen kann dabei, wichtiger sind jedoch alle geschäft­lichen Unterlagen von Vater, die sich noch immer auf Mallorca befinden. Sicher haben wir einen kleinen Teil davon digitalisiert, aber das wird vermutlich nicht ausreichen, um einen endgültigen Gesamt­überblick über das Familienvermögen zu erhalten.“

In der folgenden Ruhepause traute sich keiner etwas zu sagen, bis Thomas‘ Mutter zu reden anfing: „Ich glaube, Thomas und ich sind nicht die einzigen, für die das eine große Überraschung ist. Ich sehe an euren Gesichtern, dass keiner von euch so richtig gewusst hat, welche Auswirkungen der Tod von Opa Walter für euch haben wird. Ich werde mich mit Gerlinde unterhalten und mit ihr darüber sprechen, inwieweit es für mich Sinn ergibt, zu ihr ins Gutshaus umzuziehen, damit sie dort nicht allein leben muss.“

„Elisabeth“, antwortete ich ihr, „mach das, sie würde sich sicher freuen, wenn du zu ihr ins Gutshaus ziehst. Wie ihr euch da einigt, ist ganz allein eure Sache, da wird euch keiner von uns dazwischenreden.“

Thomas war derjenige, der danach erklärte: „Ich finde auch, dass das eine gute Idee ist, wenn du mit Gerlinde sprichst. Peter, wenn es notwendig ist, dass wir beide ebenfalls ins Gutshaus umziehen, auch wenn du mich bisher nicht dazu gefragt hast, bin ich gerne bereit, mit dir zusammen ebenfalls in den Gutshof umzuziehen. Philipp und Marcus könnten weiter im Reihenhaus bleiben und hätten dann mehr Platz als bisher und du wärest tagtäglich mittendrin im Geschehen am Gutshof. “

Während Thomas das zu mir sagte, hatte ich zu den beiden hingesehen. Schlau wurde ich nicht aus dem, was ich zu sehen bekam, ich denke aber, die Überraschung über diesen Vorschlag hielt sich in Grenzen, deshalb sagte ich zu den beiden: „Ihr müsst euch nicht sofort ent­scheiden, im Moment sind das alles nur Vorschläge, wie es weiter­gehen könnte. Solltet ihr ebenfalls mit umziehen wollen auf den Gutshof, dann wird das Reihenhaus einfach vermietet.“

Philipp erklärte mir dazu: „Wenn ihr beide ins Gutshaus einzieht, warum sollten wir beide dann weiter im Reihenhaus allein wohnen. Auch wenn Marcus und ich das jetzt nicht abgesprochen haben, kann ich mir sehr gut vorstellen, mit ihm zusammen ebenfalls im Gutshof zu wohnen. Platz genug sollte vorhanden sein, da könnte sicher auch Martina mit ihrem Christoph und den beiden Kindern problemlos wohnen. Das müssen die vier aber selbst entscheiden, ob sie das überhaupt wollen.“

„Aber jetzt kurz zu etwas anderem“, erklärte ich. „Ihr seid alle recht herzlich zum Abendessen eingeladen; da wir nicht die Zeit haben, um zu kochen, habe ich bei Francesco einen großen Tisch bestellt. Philipp, könntest du bitte Großmutter am Handy anrufen und fragen, ob sie mit uns heute Abend mitkommen will.“

Er stand auf und verließ den Raum, um sein Handy zu holen und mit meiner Mutter zu sprechen. In der Zwischenzeit erklärten alle Anwe­senden, dass das eine gute Idee sei und sie gerne mitkommen würden. Nach einigen Minuten kehrt ein gutgelaunter Philipp zurück und erklärte uns, dass Oma gerne mitkommt, sie müsste nur abgeholt und wieder nach Hause gebracht werden.

Er habe Großmutter ver­sprochen, dass er persönlich sie abholt und später wieder zurück­bringt, er brauche dafür nur einen Wagen. Das war schnell geklärt, Jonas wollte ihm seinen Wagen überlassen, wenn er und Tim anderweitig mit­ge­nommen werden.

Bevor einer etwas sagen konnte, stellt ich jetzt folgende Frage in die Runde: „Ihr habt jetzt bereits die eine oder andere Idee gehört, wie es weitergehen könnte. Jetzt solltet ihr uns erzählen, welche Vor­schläge von eurer Seite eingebracht werden?“

Alejandro fing als erster an: „Soweit ich das heute Vormittag mitbekommen habe, hat der bisherige Pächter in den letzten Jahren den Betrieb von herkömmlicher Landwirtschaft auf ökologischen Anbau umgestellt. Das sollte bei allen Planungen um den Gutshof be­rücksichtigt werden. Jonas und Tim, wie steht ihr zu diesem Thema?“

Diesmal war es Jonas, der als erster reagierte: „Wenn das so ist, ich finde es gut, denn Tim und ich hatten ähnliche Pläne. Wenn wir nach dem Studium mit Hilfe unserer Eltern einen Bauernhof gepachtet oder gekauft hätten, hätten wir diesen ebenfalls ökologisch be­treiben wollen. Wir werden kaum einen Rückschritt in die Vergangenheit machen, wir würden auf alle Fälle so weiterarbeiten.“

Meine Tochter stellte die nächsten Fragen: „Wollt ihr nur öko­logi­schen Anbau oder den Gemüseanbau ebenfalls ökologisch? Habt ihr euch schon Gedanken über die Vermarktung eurer Produkte gemacht? Wollt ihr einen Hofladen einrichten oder so etwas Ähnliches, wo ihr eure Produkte und andere ökologisch angebaute Produkte von anderen Landwirten direkt verkaufen könnt?

Jetzt war Tim derjenige, der antwortete: „Darüber haben wir uns bisher überhaupt keine Gedanken gemacht, aber du hast recht, darüber sollten wir schleunigst nachdenken, bis zur Übernahme der Verwaltung bleibt jetzt nicht mehr so viel Zeit. Wahrscheinlich macht es Sinn, erst mal die bestehenden Verträge des Verwalters weiterzu­führen und nach und nach neue Wege zu beschreiten. Eigentlich wollten wir beides betreiben, deshalb auch die unterschiedlichen Studienfächer. Hofladen hört sich gut an, aber muss auch gut überlegt sein, um damit Erfolg zu haben. Alternativ könnten wir unsere Produkte in einem bereits bestehenden Hofladen verkaufen lassen.“

Martina hakte nach: „Wie wäre es mit einem Hofladen in Verbin­dung mit einem Gutshof-Café? Ich kann mir vorstellen, wenn meine beiden, Kevin und vor allem Katharina, etwas älter sind, dass mir das sicher gefallen würde, wobei für unsere Kinder sich einiges ändern würde. Das hätte aber zur Folge, dass meine Familie eben­falls auf den Gutshof umziehen müsste. Ich denke, dass ich das aber zuerst mit Christoph in Ruhe besprechen sollte. Philipp hat bereits angedeutet, dass genügend Platz im alten Gutshaus wäre, um uns auch noch unterzubringen.“

Mein Sohn Philipp grinste mich an und erklärte: „Wenn ich mir eure bisherigen Vorschläge so anhöre, dann wollt ihr aus dem Gutshof einen Fami­lienbetrieb mit unterschiedlichsten Angeboten basteln. Wo bleiben Marcus und ich dabei? Wir wollen auch dabei sein. Auch wenn Marcus mich gleich für verrückt erklären wird, aber ich hätte da ganz andere Ideen, wie wir Kindern aus sozial schwächeren Familien einen Urlaub auf dem Bauernhof beziehungsweise auf dem Gutshof anbieten könnten.

Wir brauchten nur auf dem Gelände ein zusätzliches Gebäude, in dem wir die Kinder und Jugendlichen unterbringen könnten. Vielleicht kann auch eines der vorhandenen leerstehenden Ge­bäude vor dem Verfall bewahrt wer­den und dazu umgebaut werden.“

Ich mischte mich ein und meinte: „Warum nur für Kinder und Jugendliche, warum nicht gleich auch noch für ihre Eltern, also Familienurlaub auf dem Bauernhof? Wir müssen das Ganze nur so gestalten, dass die Nutzung nur für Kinder oder auch für Familien möglich ist. Jetzt kommt aber nicht auf die Idee, dass wir dann Ponys oder Pferde brauchen. Viele verschiedene Nutztiere wie Hühner, Ziegen und Schafe reichen da sicher auch. Einen Reiterhof will und kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.“

Thomas lachte mich an und sagte direkt zu mir: „Nein, zum Zirkusdirektor taugst du wirklich nicht“, was die anderen zum Lachen brachte. Nachdem sich alle wieder beruhigt hatten, sprach er weiter: „Ich sehe schon, ihr habt eine Menge Ideen, was man mit so einem alten Gutshof anfangen könnte. Ich mache folgenden Vorschlag: Jeder soll in Ruhe darüber nachdenken und genau in einer Woche treffen wir uns wieder hier, um dann mit den bereits vorhandenen Vor­schlägen und den neu hinzu­kommenden eine große Liste anzu­fertigen und die einzelnen Ideen auf ihre Machbarkeit zu überprüfen. Vielleicht kann Peter im Laufe der Woche schon vorab klären, was von den bisherigen Vorschlägen umgesetzt werden könnte.“

Alle schauten Thomas an und ich ergänzte: „Ich hoffe nicht, dass du unsere Gäste mit deiner Aussage loswerden wolltest, wir können gerne noch weiter darüber reden, aber bis nächsten Samstag habt ihr Zeit, euch noch weitere Gedanken zu diesem Thema zu machen. Ich werde die bisherigen Ideen und eventuell weitere, die entweder von mir oder euch kommen, sorgfältig prüfen und abwägen.“

Thomas grinste und erklärte dann, dass er keinen rauswerfen will, er wollte damit nur andeuten, dass wir heute nichts Endgültiges entscheiden müssen, sondern uns das Thema noch eine ganze Weile beschäftigen wird, selbst über den kommenden Samstag hinaus.

Ich ergänzte: „Gut, über alles werden wir nicht mehr groß nach­denken, die landwirtschaftliche Nutzung durch Jonas und Tim ist bereits endgültig entschieden, egal ob mit oder ohne Alejandro und Jorge.“

Während ich dies erklärte, klingelte unsere Haustürglocke. Tim sprang sofort auf und verließ den Raum, um die Haustüre zu öffnen. Beim Blick auf meine Armbanduhr stellte ich fest, dass es bereits kurz vor siebzehn Uhr war, es konnten eigentlich nur seine Eltern sein, die um diese Zeit kommen sollten.

Nach kurzer Zeit kam er mit seinen Eltern zurück und stellte alle Anwesenden seinen Eltern vor, außer Thomas, mich und Jonas. Wir hatten sie bereits am Vormittag kennengelernt. Ich beobachtete zum einen Christoph und daneben Elisabeth, denn beide hatten sie in Hannover kennengelernt. Elisabeth war dann auch diejenige, die als erstes reagierte.

Sie stand auf und ging zu Tims Eltern und gegrüßte ihre ehemaligen Nachbarn recht herzlich und sagte danach zu ihnen: „Ich habe schon einige Zeit darüber nach­gedacht, weil mir Tim irgendwie bekannt vorkam, aber da er sich in den letzten gut drei Jahren von einem Teenager zu einen jungen Erwachsenen weiterentwickelt hat, war ich mir einfach nicht sicher, aber bei euch beiden, da bin ich mir sicher, dass wir uns kennen, ihr seid in Hannover meine Nachbarn gewesen und Reinhard hat uns beim Einladen der Möbel geholfen, als ich hierher umgezogen bin vor gut drei Jahren.“

Tim grinste und meinte zu Elisabeth: „Ich hatte darauf gehofft, dass du mich nicht so ohne weiteres wiedererkennst, wir sind uns ja gestern auf der Beerdigung schon einige Male über den Weg gelaufen. Ich hatte dich sofort wiedererkannt, nur hatte ich den Vorteil, dass ich bereits seit heute Vormittag wusste, dass du heute Nachmittag da sein würdest.

Ansonsten hätte ich mich wahrscheinlich nicht so gelassen an den Tisch setzen können. Mit Jonas war ich damals schon befreundet, er hat mich auch hin und wieder besucht, auch da bestand die Gefahr, dass du ihn eventuell erkennen konntest. Ich habe Thomas damals leider nicht kennengelernt, bei deinem Auszug in Hannover war ich am Wochenende bei Jonas über Nacht geblieben, aber meine Eltern konnten sich gut an Thomas erinnern.“

Christoph hatte Reinhard Bauer, Tims Vater, ebenfalls erkannt und ging auf ihn zu, um ihn freundschaftlich zu begrüßen. Er sagte: „Ich hätte nie gedacht, einen der freundlichen Nachbarn, die uns beim Umzug von Elisabeth geholfen haben, hier im Hause meines Schwieger­vaters wieder zu treffen, noch dazu als die Eltern von Jonas‘ Freund. Immerhin ist Jonas der Neffe meines Schwieger­vaters.“

Reinhard meinte dazu: „Ob du es glauben willst oder nicht, ich war heute Vormittag schon auch etwas verwundert, als Thomas vor mir stand. Wir haben damals vergessen Elisabeth zu fragen, wohin sie umziehen würde, und von den anderen Nachbarn wusste es auch keiner genauer. Es war nur bekannt, dass sie in die Nähe ihres Sohnes ziehen würde, der lange Zeit als verschollen gegolten hatte.“

Christoph reagierte prompt und erklärte Reinhard: „Verschollen hört sich gut an, aber ich denke, das trifft nicht so richtig die Wahrheit. Verschwunden würde ich es eher bezeichnen. Nachdem Thomas ihnen gebeichtet hatte, dass er schwul sei und Männer liebe und mit Frauen oder Mädchen so gar nichts anfangen könne, haben sie ihn aus dem Haus geworfen.

Meine Frau Martina und ihr Bruder Philipp hatten sich in den Kopf gesetzt, Thomas wieder mit seinen Eltern zu versöhnen, und haben sich hartnäckig auf die Suche nach ihnen gemacht. Sie wollten seine Eltern bereits zu seinem vierzigsten Geburtstag finden. Wenige Wochen nach dem Geburtstag konnten sie endlich die aktuelle Anschrift von Elisabeth ausfindig machen und Martina, Kevin und ich haben sie dann an einem Wochenende in Hannover besucht.

Zuerst wollte sie sofort mit uns mitkommen, um ihren Thomas wiederzusehen, wir konnten sie jedoch überzeugen, dass zu Peters fünfzigstem Geburtstag die bessere Gelegenheit sei, ihren Sohn wieder in ihre Arme zu schließen. An diesem Wochenende hat sie sich spontan entschieden hierher zu ziehen, sie hatte ja plötzlich Enkelkinder und Kevin als Urenkel. Darum ist sie damals so kurzfristig und wohl auch überhastet aus Hannover weg­gezogen.“

Gabi, Reinhards Frau, schaute Elisabeth an und fragte sie fast vor­wurfsvoll: „Stimmt das alles, was Christoph eben erzählt hat?“

Elisabeth antwortete ihr nach kurzem Zögern: „Im Grunde genom­men stimmt das so weit, nur mein Mann und ich haben schon nach kurzer Zeit erkannt, dass wir mit seiner spontanen Entscheidung einen riesigen Fehler begangen haben. Seine Versuche, Thomas wieder zu finden, waren nicht erfolgreich. Gerade mit unserem Fami­lien­namen gestaltete sich das nicht einfacher. Irgendwann hatten wir dann aufgegeben und nur noch gehofft, dass Thomas eines Tages von allein zu uns zurückkommen würde.

Nach dem Tod meines Mannes bin ich extra nach Hannover gezogen, damit mich die alte, vertraute Um­gebung nicht mehr an unseren Fehler erinnern konnte. Die Hoffnung, meinen Sohn wieder in die Arme zu schließen, hatte ich längst aufgegeben. Ich erinnere mich gut an diesen Samstag, als die drei plötzlich vor meiner Haustüre standen und mir erklärten, sie würden Thomas kennen.

Zuerst glaubte ich, sie wären Betrüger, die es auf mein mühsam erspartes Geld abgesehen hätten. Sie haben mir an diesem Tag viel über ihren Vater, ihre verstorbene Mutter und meinen Thomas erzählt. Ich schämte mich für mein Verhalten und darum habe ich euch und auch sonst niemandem in Hannover die wahre Geschichte erzählt.“

Gabi meinte danach: „Ich habe selbst gemerkt, wie schwer es ist, wenn einem sein eigener Sohn erzählt, dass er einen Jungen lieben würde und kein Mädchen. In der ersten Zeit wollten wir ihm sogar den Umgang mit Jonas verbieten. Wir haben gottseidank sehr schnell begriffen, dass das an der Situation nichts ändern würde, nachdem wir uns im Internet zu diesem Thema informiert hatten.

In diesen Berichten stand immer wieder, dass viele der Jungs von zu Hause ausgerissen und für immer verschwunden und dabei teilweise auf die schiefe Bahn geraten oder auf dem Straßenstrich gelandet sind. Andere wiederum sind mit der Tatsache, dass sie schwul sind, nicht klargekommen und haben Selbstmord verübt.

Da wir unseren Sohn Tim trotz allem immer noch lieben, mussten wir die Tatsache akzeptieren. Was mich heute Vormittag mächtig wütend gemacht hat, ist das Benehmen von Jonas‘ Mutter, aber auch die Tatsache, dass beide Jungs uns nie davon erzählt hatten. Von meinem Sohn hatte ich schon etwas mehr Vertrauen erwartet.“

Während sie die letzten beiden Sätze sagte, schauten sich Tim und Jonas an, bevor Jonas erklärte: „Ich war derjenige, der nicht wollte, dass ihr davon erfaährt. Mit unserem Entschluss, unser Studium nicht in Hannover, sondern in Weihenstephan zu absolvieren, haben wir versucht, dieser Tatsache aus dem Weg zu gehen.

Mit Mutters Versuch, mir zu verbieten, Tim zur Beerdigung meines Großvaters mitzu­nehmen und mir dabei frech zu erklären, ich müsste bei meinem Onkel im Gästezimmer übernachten, da sie kein Hotelzimmer für mich hätte finden können, hat sie im Grunde genommen den Stein ins Rollen gebracht.

Onkel Peter und wohl auch Thomas haben, nachdem ich mit Tim bei ihnen aufgetaucht bin, sofort geahnt, dass da irgendetwas nicht stimmen kann, und uns ausgequetscht wie zwei überreife saftige Zitronen. Als wir ihnen das Wichtigste erzählt hatten, haben sie uns sofort ihre Hilfe angeboten. Als das Ganze gestern auf der Beerdigung auch noch eskalierte, hat Tim euch angerufen und ihr habt sofort erklärt, dass ihr hierherkommt, um uns beizustehen.“

Tims Vater, der die ganze Zeit zugehört hatte, sagte zu den Jungs: „Ich bin der Meinung, dass es egal ist, wann und wie wir es erfahren haben. Wichtiger ist, dass ihr Jungs jetzt wisst, dass ihr mit allen Problemen immer sofort zu uns kommen könnt, egal, ob zu Peter und Thomas oder zu mir und Gabi. Wir werden euch helfen, wo wir können, und wenn ich das heute Vormittag richtig deute, wird selbst der Vater von dir, Jonas, jederzeit bereit sein euch zu unterstützen, gegen den Willen seiner Frau.“

Inzwischen war es fast halb sechs Uhr geworden und ich erinnerte Philipp daran, dass er langsam losfahren sollte, um meine Mutter abzuholen. Er und Marcus standen auf und Jonas drückte ihm seine Autoschlüssel in die Hand. Kurz danach verließen die beiden das Haus und ich konnte noch hören, wie sie wegfuhren. Nachdem die beiden unterwegs waren, forderte ich den Rest auf, sich ebenfalls für die Fahrt zu Francescos Café fertig zu machen. So kurz vor sechs Uhr waren wir dann in vier Autos unterwegs in die Stadt.

Jorge und Alejandro saßen bei mir im Wagen, Jonas und Tim fuhren mit Tims Vater hinter uns, Thomas hatte nur seine Mutter mit im Auto und bei Christoph saßen Martina und ihre Kinder im Wagen. Auf dem Weg zu Francesco ergab sich die Mög­lichkeit, dass ich mich mit den beiden ungestört unterhalten konnte. Alejandro erzählte noch einmal von ihrem Besuch auf dem Gutshof am Vormittag, vor allem davon, dass Jorge leuchtende Augen hatte, als der Verwalter ihnen alles gezeigt und erklärt hat. Jorge habe ihm auf Spanisch, damit der Verwalter nichts verstehen konnte, schon versucht klarzumachen, dass ihm das besser gefallen würde als sein derzeitiger Job auf Mallorca.

Er habe Jorge dann sogar vorgeworfen, dass er doch schon viel früher zu ihm nach Deutschland hätte kommen können und Alejandro sich den Umzug auf die Insel hätte ersparen können. Jorge hätte dann nur frech geantwortet: „Dann hätten wir Peter und Thomas nie kennengelernt und wären auch nicht auf dem Gutshof gelandet.“

Ich versuchte den beiden zu erklären: „Euer Angebot kam über­raschend und ohne Vorwarnung. Ich bin davon ausgegangen, dass ihr auf Mallorca bleibt und regelmäßig dort nach der Finca schauen könnt. Das heißt aber nicht, dass ich über euren Vorschlag nicht nachdenken werde.

Euch ist sicher bewusst, dass wir endgültige Entscheidungen erst in den nächsten Wochen treffen werden. Wie habt ihr euch das eigentlich vorgestellt? Für Jorge ist es einfacher, seinen Arbeitsplatz zu kündigen, aber wie soll das bei dir laufen? Machst du einfach deinen Poolservice dicht oder versuchst du, einen Nachfolger zu finden? Vor allem, wann wollt ihr hier mit eurer Arbeit im Gutshof beginnen?“

Alejandro dolmetschte erst für Jorge, bevor er versuchte, meine Fragen zu beantworten. „Stimmt, Jorge hat es ganz einfach, er braucht nur seinen Job zu kündigen und das war es dann für ihn. Bei mir wird es schwieriger, ich habe meinen Poolservice in den letzten Jahren mühevoll aufgebaut. Wenn ich einfach aufgebe, dann haben viele meiner Kunden das Problem, einen neuen Dienstleister zu finden, da auf der Insel die Pools wie Pilze aus dem Boden schießen.

Am besten wäre es, wenn ich einen Nachfolger finde, der meinen Poolservice übernehmen und weiter ausbauen kann. Wenn er nicht vom Fach ist, braucht er eine Ausbildung, die es aber in Spanien gar nicht gibt. Ich würde in selbst ausbilden müssen. Wobei, wenn ich so darüber nachdenke, eventuell wüsste ich einen jungen Mann, der das übernehmen könnte, er hat mich vor einigen Wochen gefragt, ob ich einen Mitarbeiter brauchen könnte.

Ich werde am Montag sofort mit ihm Kontakt aufnehmen und ihn fragen, ob er noch Interesse an dem Poolservice-Geschäft hat. Vielleicht will er meine Firma und die gesamten Aufträge über­nehmen, wenn ich ihm erkläre, dass ich nach Deutschland zurückkehren will.“

Wir standen inzwischen vor Francescos Café, ich hatte den Wagen gerade eingeparkt, als an die Autoscheibe geklopft wurde. Ich drehte mich zum Fenster und erblickte Philipp. Wieso stand er schon hier vor dem Café? Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass mich alle anderen Fahrzeuge überholt hatten und nicht mehr hinter uns fuhren.

War ich so langsam dahingeschlichen, dass er bereits vor mir mit Mutter angekommen ist? Ich öffnete die Autotür und Philipp fragte sofort: „Wo seid ihr so lange gewesen, wir wollten schon fast eine Fahndung nach euch auslösen.“ Ich antwortete ihm: „Wir sind ganz normal gefahren, ich hatte nur ein längeres Gespräch mit Alejandro und Jorge, kann sein, dass wir uns einfach vertrödelt haben, aber jetzt lass uns reingehen und die anderen nicht noch länger warten lassen.“

Wir betraten gemeinsam das Café und gingen sofort an den großen Tisch, den Francesco für uns vorbereitet hatte. Francesco meinte noch: „Hattest du nicht von fünfzehn Personen gesprochen, die zum Essen kommen wollen?“ Ich antwortete ihm: „Ent­schuldige, ich habe vergessen meine Mutter mitzuzählen. Ach, wie hat dir das Essen gestern beim Leichen­schmaus geschmeckt, als Fachmann? Gestern hatten wir kaum Ge­legenheit, miteinander zu sprechen, ich wollte dich eigentlich schon gestern Nachmittag dazu befragen.“

„Für einen Caterer, der hauptsächlich große Kantinen beliefert, hat es hervorragend geschmeckt. Wenn sein Kantinenessen nur annähernd so gut schmeckt wie das, was wir gestern vorgesetzt bekamen, dann wundert mich nicht, warum er derzeit so erfolgreich ist. Da war nichts ver­kocht, alles war auf den Punkt gegart“, erklärte er mir.

Nun setzte ich mich zu den anderen an den Tisch, Thomas hatte mir zu seiner rechten Seite einen Platz freigehalten. Neben mir saß meine Mutter und daneben Elisabeth, links von Thomas hatten Alejandro und Jorge ihren Platz. Ganz außen, neben Elisabeth, saßen Tims Eltern. Ihnen gegenüber sah ich Jonas und Tim, daneben mein Sohn und Marcus und neben den beiden meine Tochter, ihre beiden Kinder Kevin und Katharina und Christoph.

Bevor Francesco die Bestellung aufnehmen wollte, bat ich alle An­we­­senden, den Abend für ein besseres Kennenlernen zu nutzen und wenn möglich alle Gespräche zu vermeiden, die an den heutigen Nachmittag anknüpfen könnten: „Über dieses Thema will ich erst wieder mit euch allen am kommenden Samstag weiter­sprechen. Ausgenommen davon sind Alejandro und Jorge, mit den beiden werden morgen Vormittag, noch vor ihrem Rückflug nach Mallorca, Jonas, Tim und ich, eventuell auch Thomas, noch ein längeres Gespräch führen. Hauptthema mit den beiden wird morgen der Umzug aller Akten und Unterlagen von Mallorca nach Deutschland in den Gutshof sein. Vielleicht ergibt sich bei diesem Gespräch eine Möglichkeit, eine endgültige Entscheidung, was die vier betrifft, zu fällen.“

Francesco fragte diejenigen, die bisher noch nichts zum Trinken hatten, nach ihren Wünschen und verteilte gleichzeitig die Speisekarten. Bevor er sich auf den Weg zum Tresen machte, erklärte er, dass er, wenn wir ihm vertrauen würden, ein Menü für uns zusammenstellen würde, mit dem alle zufrieden sein würden.

Während wir noch darüber diskutierten, brachte er bereits die Getränke an den Tisch. Ich für meinen Teil hätte kein Problem gehabt, Francesco die Auswahl zu überlassen, aber die jüngere Generation sprach sich dagegen aus. So studierten wir doch die Speisekarte und nachdem sich alle ent­schieden hatten, was sie essen wollten, winkte ich Francesco zu uns, damit jeder seine Wünsche äußern konnte.

Während Francesco noch die Bestellungen aufnahm, fragte ich Mutter, wie es ihr denn so den ganzen Tag ergangen sei. Sie meinte, alles sähe wieder so aus, als hätte das Ganze am Freitag gar nicht stattgefunden. Herr Baumgartner war ständig dabei gewesen und habe seine Leute immer wieder gut auf Trab gehalten, damit sie bis zum Abend alles erledigt hätten. Kurz vor fünf Uhr sei der letzte Wagen vom Hof verschwunden, nachdem sich Herr Baumgartner noch von ihr verab­schiedet hatte und sich noch einmal für diesen Auftrag bedankt hatte.

Anschließend erzählte ich ihr von den Überlegungen von Jorge und Alejandro, die gerne zukünftig auf dem Gutshof mitarbeiten wollten. Sie schaute mich dabei mit großen Augen an und sagte zu mir: „So etwas Ähnliches hat mir unser Pächter auch erzählt, als er am Nachmittag kurz bei mir vorbeischaute. Ich wollte ihm das nicht glauben, aber wenn du mir jetzt das Gleiche erzählst, scheint es wohl doch so zu sein.

Wenn ich das vorher richtig verstanden habe, ist eine Entscheidung noch nicht gefallen, da du morgen Vormittag noch ein Gespräch mit den vier Beteiligten führen willst. Du weißt, dass ich dir vertraue, egal, welche Entscheidung du treffen wirst. Dein Vater hat mit meiner Zustimmung festgelegt, dass du zu seinem Nachfolger wirst und deine in der Vergangenheit getroffenen Entscheidungen sind immer zu Gunsten der Familie ausgefallen.“

Ich antwortete ihr: „So viele Entscheidungen musste ich bisher noch nicht treffen und bei den beiden Jungs hätte ich mich auch, ohne Familienoberhaupt zu sein, dafür entschieden, den beiden zu helfen. Dass sie später die Landwirtschaft übernehmen, auf die Idee bin ich erst wegen ihrer Studienwünsche gekommen.“

Plötzlich hörte ich Christoph sagen: „Hallo Sebastian, schön, dich wieder einmal zu sehen, wieso bist du hier?“ Ich schaute mir den jungen Mann etwas genauer an und erkannte in ihm Francescos Sohn, der früher, noch als kleiner Junge, oft hier im Lokal gewesen ist.

Dieser antwortete ihm: „Vater hat heute Nachmittag zuhause an­ge­­rufen und gemeint, er würde für heute Abend unsere Hilfe im Café benötigen, da sich kurzfristig eine größere Gesellschaft zum Abend­essen angemeldet habe. Als er dann erklärte, dass es sich dabei um euch handelt, haben Mutter und ich sofort zugesagt.

Meine Schwester, die nicht zu Hause war, hat nach ihrer Rückkehr ebenfalls gemeint, dass sie Mutter in der Küche helfen werde. Ich hatte ursprünglich für heute andere Pläne, ich wollte mit Alexandra ins Kino gehen, sie ist auch mit dabei und sitzt dort hinten am Tisch.“

Christoph meinte dann frech zu ihm: „Und warum stellst du uns deine kleine Freundin nicht vor?“ Sebastian drehte sich zu seiner Freundin und deutete ihr, dass sie doch bitte herkommen solle. Sie stand auf und näherte sich unserem Tisch.

Als sie nahe genug war, schlang er seine Arme um sie und sprach: „Das hier ist Christoph, mein Cousin, der Sohn von Onkel Albert, daneben seine beiden Kinder und seine Frau Martina. Gegenüber sitzt der Vater von Martina mit seinem Lebens­gefährten Thomas und seiner Mutter. Neben ihr sitzt Elisabeth, die Mutter von Thomas. Neben Christoph sitzen noch Philipp und Marcus, Philipp ist der Sohn von Peter und etwa im gleichen Alter wie wir. Beim Rest muss ich passen, gehören wohl auch zur Familie, aber ich habe sie bisher noch nicht kennen­gelernt.“

Philipp grinste mich an, stand auf und wandte sich an Alexandra und Sebastian: „Auch ich bin erfreut, dich nach längerer Zeit wiederzu­sehen und dass du uns deine Freundin mitgebracht hast. Neben mir und Marcus sitzen mein Cousin Jonas mit seinem Freund Tim und gegenüber siehst du die Eltern von Tim; Jonas' Vater und seine beiden Geschwister sind leider heute Mittag schon nach Hause gefahren, sonst hätten wir sie auch mitge­bracht.

Die beiden, die neben meinem Vater und Thomas sitzen, sind Alejandro und Jorge, sie kommen aus Mallorca. Alejandro ist der Mann vom Poolservice auf der Insel Mallorca und ein guter Freund unserer Familie, er und Jorge sind verheiratet und wenn ich das richtig verstanden habe, würden die beiden gerne nach Deutschland kommen und zusammen mit Jonas und Tim die Bewirt­schaftung des landwirtschaftlichen Teils des Gutshofes übernehmen.“

„Ich denke, wenn es später etwas ruhiger ist, habt ihr sicher noch Zeit, euch zu uns zu setzen“, erklärte ich. „Wir sollten Sebastian vorläufig nicht von seiner Arbeit abhalten und deshalb Ärger mit Francesco bekommen.“

Sebastian lachte und meinte: „Rauswerfen wird mich mein Chef nicht, wenn ich jetzt mit euch rede, aber wie lautet ein nicht ganz unbe­kanntes Sprichwort: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Wir reden später weiter.“

Er brachte seine Freundin wieder an ihren Tisch und danach bediente er zusammen mit seinem Vater weiter die Gäste im Café. Bei uns am Tisch servierte er mit seinem Vater zuerst die Vorspeisen und an­schließend die bestellten Essen. Von den Ge­sprächen, die am Tisch stattfanden, bekam ich nicht allzuviel mit, ich war wieder mit meinen Gedanken in die Vergangenheit abgetaucht.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als uns Francesco das erste Mal seine Familie vorgestellt hat. Das war bei einem unserer letzten gemeinsamen Essen, das zusammen mit Gabi und den Kindern bei Francesco stattfand. Unsere beiden Kinder hatten sich schnell mit Francescos Kindern angefreundet und alle vier tobten durchs Lokal, bis Francesco sie bat, doch ein wenig Rücksicht auf die anderen Gäste zu nehmen.

Er packte die vier an einen Tisch und legte ihnen Papier und Buntstifte bereit, damit sie etwas malen konnten. Ich glaube, die Zeichnungen der beiden liegen heute noch bei uns zuhause in einer Schublade. In den letzten Jahren habe ich Francescos Kinder kaum mehr im Lokal gesehen, meist nur dann, wenn es etwas voller war und die beiden mithalfen.

Ich höre schon eure Frage, warum ich nicht eher davon erzählt habe, dass Francescos Familie zu meiner angeheirateten Ver­wandtschaft gehört. Zum einen fand ich es bisher nicht wichtig genug, zum anderen spielte es bisher in meiner Geschichte auch keine Rolle. Wir haben erst auf Martinas Hochzeit mit Christoph erfahren, dass Francesco sein angeheirateter Onkel, der Mann der Schwester seines Vaters, ist.

Ich habe nur den unbestimmten Verdacht, dass sich das zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht doch noch ändern könnte. Außerdem, wenn sich gerade so eine schöne Gelegenheit bietet, warum sollte ich die nicht nutzen und euch ein wenig mehr von Christophs Verwandtschaft erzählen.

Thomas hatte mich angestoßen und mich aus meinen Gedanken wieder in die Gegenwart zurückgeholt. Ich hörte, wie Martina erklärte, dass sie mit den Kindern und Christoph nach Hause fahren wollte, weil es Zeit wird, ihre beiden ins Bett zu bringen.

Sie verabschiedete sich von der ganzen Familie, wobei Kevin wieder einmal bettelte, er möchte gerne wieder bei Opa und Thomas übernachten. Martina erklärte ihrem Sohn, dass da nichts zu machen sei, da bei Opa kein freier Schlafplatz wäre. Der kleine Lauser Kevin erklärte seiner Mutter doch eiskalt, dass er seine Sachen packen werde und, wie Jonas und Tim, bei seinem Großvater einziehen werde.

Bevor ich reagieren konnte, meinte Thomas zu Kevin: „Ich fürchte, da gibt es ein Problem, wir können dir nur noch eines der Zimmer im Keller als Kinderzimmer einrichten, da kannst du dann einzie­hen.“ Kevin schaute ihn an und murmelte „Du spinnst doch, Onkel Thomas, da ziehe ich niemals ein, aber vielleicht können ja Tim und Jonas mit mir tauschen.“ Ich hoffte nur, dass die beiden Thomas' Plan verstanden hatten.

Jonas spielte mit und erklärte Kevin: „Du kannst gerne in unser Zimmer einziehen, aber erst im nächsten Jahr, wenn ich mit Tim im Verwalterhaus auf dem Gutshof wohne. Du kannst dir das aber überlegen, vielleicht willst du dann sogar bei uns im Verwalterhaus wohnen und ein Zimmer werden wir schon für dich finden.“

Kevin schaute ihn böse an, zeigte ihm den Vogel und sagte: „Bei euch ziehe ich bestimmt nicht ein, das ist so weit weg, wenn ich Mama und Katharina oder Papa besuchen will. Dann bleibe ich doch lieber bei Mama und Papa.“ Philipp, der die ganze Zeit schon grinste, bekam auch noch einen Kommentar von Kevin hingeworfen: „Grins nicht so dämlich, sonst sage ich Opa, er soll euch rauswerfen und ich ziehe dann in dein und Marcus' Reich im Dachgeschoß ein, das würde mir sowieso besser gefallen als ein Zimmer im Keller oder das Gäste­zim­mer.“

Bevor Philipp etwas darauf erwidern konnte, deutete ich ihm still zu sein, so nach dem Motto „nicht weiter provozieren“. Nicht, dass mir der Kleine noch auf die Idee käme, er könne bei mir und Thomas im Bett schlafen.

Zumindest fuhr Kevin jetzt mit seinen Eltern ohne weitere Dis­kussion nach Hause. Ich rief ihnen noch nach, dass wir in den näch­sten Tagen telefonieren und spätestens am Samstag­nachmittag sähen wir uns zur nächsten Familienkonferenz. Sie wollten zwar Thomas' Mutter mitnehmen, aber Philipp meinte, dass er Elisabeth heimfahren werde, wenn er Mutter zum Gutshof bringt.

Viele der anderen Gäste hatten ihr Essen beendet und waren bereits aufge­brochen, so dass wir den größeren Anteil der ver­bliebenen Gäste im Lokal darstellten. Sebastian hatte schon vor einer Weile seinen Dienst eingestellt und saß bei seiner Alexandra. Die restlichen Gäste konnte Francesco allein bewältigen.

Ich winkte die beiden zu uns an den Tisch und als sie sich gesetzt hatten, fragte ich Sebastian: „Habe ich das noch richtig in Erinnerung, dass du eine Kochlehre machen wolltest. Was ist aus deinen Plänen geworden? Dein Vater hat nie viel über dich gesprochen und wir haben uns wirklich schon längere Zeit nicht mehr getroffen.“

„Stimmt“, sagte Sebastian, „ich habe eine abgeschlossene Aus­bildung zum Koch, danach packte mich der Ehrgeiz und ich be­schloss, eine Ausbildung zum Hotelfachmann hinterher­zuschieben, die ich hof­fent­lich nächstes Jahr zusammen mit Alexandra erfolgreich ab­schließen werde. Wir beide haben uns auf der Berufsschule kennen­gelernt und irgendwann hat es auch gefunkt zwischen uns beiden.

Sie ist diejenige, mit der ich jetzt schon am längsten zusammen bin. Feste Heiratspläne haben wir noch nicht geschmiedet. Diese Entscheidung wollten wir erst treffen, wenn wir nächstes Jahr mit unserer Ausbil­dung fertig sind. Vielleicht ergibt sich für uns die Möglichkeit, dass wir beide im selben Betrieb arbeiten können.“

Tims Eltern erklärten, dass es für sie auch langsam Zeit werde, ins Bett zu gehen, sie seien immerhin heute Morgen kurz nach drei Uhr aufgestanden und von Hannover hergefahren. Sie verabschiedeten sich von uns und meinten, sie würden am Vor­mittag noch kurz bei uns vorbeikommen, bevor sie die Heimreise zurück nach Hannover antreten würden.

Meine Mutter unterhielt sich die ganze Zeit mit Elisabeth und einzelnen Gesprächsfetzen konnte ich entnehmen, dass Sie über­legten, ob sie nicht gemeinsam einen Teil des Gutshauses be­wohnen sollten. In diese Diskussion wollte ich mich auf keinen Fall ein­mischen, das Ergebnis würde ich noch früh genug erfahren.

Während ich mich geistig wieder aus den Gesprächen rund um mich ausklinkte, war vor allem die jüngere Generation weiter aktiv, ich bekam noch mit, dass Jonas und Tim ihre Geschichte Sebastian und Alexandra sowie Miriam, Sebastians Schwester, erzählten.

Ich stellte mir gerade vor, dass Sebastian und Alexandra vielleicht in eines unserer Projekte rund um den Gutshof einsteigen könnten. Ich wusste nur noch nicht genau, wie ich das anstellen sollte. Eines war mir jedoch klar, wenn ich sie einbinden will, dann so früh wie möglich. Vielleicht konnten die beiden dazu sogar ihre eigenen Ideen mit einbringen.

Am besten, ich lade sie ein, wenn sie morgen Nachmittag Zeit haben, zum Kaffee zu uns zu kommen und dann könnten wir darüber reden und ihr Interesse erkunden, abweichend von meiner vorher ausgesprochenen Ankündigung, dass ich bis nächsten Samstag keine weiteren Gespräche zum Thema Gutshof führen möchte.

Wieder zurück aus meinen eigenen Gedanken, merkte ich, dass Mut­ter und Elisabeth immer noch über dasselbe Thema sprachen. Jonas hatte die Erzählung seiner Geschichte beendet und wurde von Sebastian und Alexandra mit ergänzenden Fragen beschäftigt. Thomas unterhielt sich mit Alejandro und Jorge, Haupt­thema war ihr Rückflug nach Mallorca morgen am frühen Nachmittag.

Ich erfuhr, dass meine Mutter Alejandro einen Schlüssel zum Haus gegeben hatte, damit er jederzeit nachschauen konnte, ob alles in Ordnung sei. Diese Tatsache wollte ich nutzen, um möglichst schnell an die fehlenden Unterlagen, die im Büro meines Vaters standen, heranzukommen. Die beiden mit der Digitalisierung der Unterlagen zu be­auftragen, machte meines Erachtens wenig Sinn.

Aber sie könnten die Akten in Kisten verpacken und mit einer Spedition nach Deutschland bringen lassen. Gleichzeitig könnten sie feststellen, wie alles andere aus dem Haus, das nicht von den Feriengästen gebraucht wird, ebenfalls günstig hierhergebracht werden könnte. Dabei fiel mir ein, dass wir für das Auto meiner Eltern ebenfalls noch eine Entscheidung brauchten. Es auf Mallorca verkaufen und hier ein neues Fahrzeug erwerben oder mit der Fähre aufs Festland und dann bis hierher fahren. Falls die beiden am Gutshof arbeiten wollten, stand ihnen ebenfalls ein Umzug ins Haus und dafür konnten sie damit bereits die nötigen Erfahrungen sammeln.

Ich mischte mich in die Unterhaltung von Thomas, Jorge und Alejandro ein und fragte ihn: „Alejandro, du hast doch von Mutter einen Schlüssel für das Haus auf Mallorca bekommen. Ich weiß, du bist bisher nur bei deinen Besuchen im Haus gewesen und kennst dich nicht perfekt aus.

Trotzdem will ich dich bitten, den gesamten Inhalt von Vaters Büro in Kisten zu verpacken und dafür zu sorgen, dass alles so schnell wie möglich in meine Hände kommt. Wobei mit alles nicht die Möbel gemeint sind, die können an Ort und Stelle bleiben, aber den Com­puter, den Drucker und vor allem alle Akten und sonstigen tech­nischen Geräte brauchte ich dringend hier.“

Er erklärte auf Spanisch Jorge, um was ich ihn gerade gebeten hatte. Jorge fing zu grinsen an und sagte etwas zu Alejandro. Der übersetzte uns sinngemäß: „Jorge sieht darin kein Problem, Es gibt mehrere Fähren, die von Mallorca zum Festland fahren. Mit der Fähre über Toulon in Frankreich wäre das die kürzeste Fahrstrecke hierher, trotzdem sollte man zwei Tage dafür einplanen.“

„Wir rufen euch in den nächsten Tagen an und berichten euch von unseren Fort­schritten“, versprach uns Alejandro. „Ich bedan­ke mich für dein Vertrauen, das du uns gegenüber zeigst, und hoffe, dass wir dich nicht enttäuschen.“

Ich lächelte und versuchte ihm zu erklären: „Ich glaube kaum, dass ihr uns enttäuschen werdet, ihr wollt zukünftig auf dem Gutshof ar­bei­ten, da wollt ihr eher beweisen, dass ihr die Aufgabe perfekt er­ledigt, um eure Chancen zu steigern. Ich kann euch jetzt schon sagen, dass die aktuelle Aufgabe überhaupt nichts mit dieser Entscheidung zu tun haben wird.“

Thomas meinte, wir sollten auch langsam aufbrechen und nach Hause fahren, morgen wird noch einmal ein anstrengender Tag und am Montag geht es wieder in die Arbeit. Philipp und Marcus waren die ersten, die losfuhren, mit unseren Müttern, zuerst bei Elisabeth vorbei und dann meine Mutter zum Gutshof. Ich bat Francesco um die Rechnung und zahlte unsere Zeche mit meiner Kreditkarte.

Danach schnappte ich mir Sebastian und seine Freundin Alexandra und fragte, was sie morgen vorhaben. Nach­dem beide meinten, sie hätten am Sonntag noch nichts geplant, lud ich sie zu einem Gespräch und zum Kaffee ein. Ich meinte, es wäre günstig, wenn sie bereits so gegen zwölf Uhr mittags da sein könnten. Alexandra war neugierig und wollte wissen, um was es gehen würde. Ich erklärte ihr, sie solle einfach bis morgen abwarten und sich doch einfach über­raschen lassen.

Bei mir im Wagen saßen diesmal die beiden Jungs Jonas und Tim, Alejandro und Jorge durften mit Thomas nach Hause fahren. Diesmal kamen wir gleichzeitig zu Hause an, ich hatte nicht mehr getrödelt. Wir setzten uns ins Wohnzimmer und warteten auf Marcus und Philipp. Währenddessen frage Jonas: „Onkel Peter, ich habe noch mitbe­kommen, dass du Alexandra und Sebastian für morgen eingeladen hast zum Kaffee und zu einem Gespräch. Geht es dabei auch um den Gutshof?“

„Ja“, antworte ich ihm, „du hast doch mitbekommen, dass Sebastian gelernter Koch ist und er und seine Freundin derzeit eine Lehre als Hotelkaufleute absol­vieren. Wenn wir ein Guts­hof-Café und die Idee von Philipp mit dem Urlaub auf dem Bauernhof verwirklichen, brauchen wir zumindest einen guten Koch. Seine Freundin könnte eventuell den Teil des Beher­bergungsbetriebes managen. Aber ge­naues werden wir erst morgen wissen, wenn wir mit ihnen gespro­chen haben. Ich habe noch eine weitere Idee, die werde ich aber erst im Beisein von Alexandra und Sebastian verkünden. Vielleicht haben die beiden selbst auch brauchbare Ideen.“

Thomas, der meine Antwort auf Jonas' Frage mitgehört hatte, erklärte mir: „Peter, welcher Plan steckt hinter dem Ganzen, wenn du die beiden eingeladen hast, an den Gesprächen teilzunehmen, dann hast du dir bereits mehr Gedanken durch den Kopf gehen lassen; das, was du da gerade erklärt hast, ist die Minimalversion deines Planes. Ich kenne dich lang genug, um zu wissen, dass da mehr dahintersteckt, als das, was du uns gerade erzählt hast.“

Philipp, der mit Marcus gerade ins Wohnzimmer kam, grinste, nach­dem er Thomas' letzten Satz gehört hatte. Er sah Thomas an und meinte: „Nicht nur du kennst meinen Vater gut, ich kenne ihn noch länger und ich stimme dir zu, wenn er einen Plan hat, werden von ihm alle Register gezogen, um ihn bestmöglich umzusetzen.“

„Jetzt übertreibt nicht, ihr zwei, so schlimm bin ich nun auch wieder nicht, aber heute werdet ihr nichts mehr erfahren. Morgen Nach­mittag werde ich das Geheimnis lüften, wenn alle da sind, die ich für meine Pläne brauche.“ Und damit beendete ich die Diskussion um dieses Thema.

Alejandro und Jorge hatten dem Gespräch gelauscht und ich konnte ihnen sofort ansehen, dass sie mit unserem Wortwechsel nichts anfangen konn­ten. Ich meinte zu ihnen: „Ihr habt doch schon auf Mallorca mitbekommen, dass wir uns gelegentlich gegenseitig auf den Arm nehmen oder necken. Das gehört bei uns einfach mit dazu.

Daran solltet ihr euch gewöhnen, wenn ihr mit auf dem Gutshof arbeiten wollt. Ich weiß zwar nicht, wie das bei Jonas und Tim ist, das können dir die beiden selbst erklären. Ich denke jedoch, da Jonas zur Familie gehört, dass ihm das nicht absolut fremd ist.“

Nach kurzer Rücksprache mit Tim erklärte er, dass zwischen ihnen beiden gelegentlich auch solche Gespräche stattfinden.

Ich schlug dann vor, doch langsam ins Bett zu gehen, da morgen doch einiges vor uns liege; Alejandro und Jorge müssen mittags zum Flug­hafen gebracht werden, vorher wollte wir noch ein letztes Gespräch mit ihnen führen. Vor allem mussten die beiden auch noch ihre Koffer packen.

Jonas und Tim bleiben noch bis zum kommenden Wochenende, bevor sie vorübergehend wieder nach Hannover zurück­kehren. Tims Eltern kommen auch am Vormittag oder Nachmittag vorbei, bevor sie ebenfalls nach Hause zurückfahren. Am Nach­mittag dann die große Runde mit den Teenagern, die ich in das Projekt einbinden wollte.

Zwanzig Minuten später lagen alle in ihren Betten. Thomas und ich kuschelten wie immer in unserem Bett aneinander und sprachen noch einige Zeit miteinander, vor allem über alles, was sich im Laufe dieses Tages ereignet hatte. Irgendwann fielen uns doch die Augen zu und wir schliefen ruhig in den Sonntag.

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