zur Desktop-Ansicht wechseln. zur mobilen Ansicht wechseln.

Regenbogenfamilie

Teil 47 - Christians Befreiung

Lesemodus deaktivieren (?)

Informationen

 

Ich wurde durch Geräusche wach, die nicht unbedingt zur normalen Geräuschkulisse gehörten, die einen sonst morgens weckten. Somit stand ich auf und sah, dass der bereits zum Schneepflug umgebauter Traktor die Parkplätze räumte. Die Zufahrtsstraße zum Gutshaus war bereits vom Schnee befreit und ich konnte erkennen, dass Alejandro mit dem kleinen Schneepflug den Weg vom Gutshaus zum Gesindehaus räumte.

Der erste Schnee in diesem Winter. Und das kurz vor Weihnachten. Ich hoffe, dass wir heuer wieder einmal weiße Weihnachten feiern können. Die Temperaturen waren in den letzten Tagen schon im leichten Minus-Bereich gewesen. Das hatte zur Folge, dass der Schnee auch liegenblieb.

Weil ich eh schon aus dem Bett war, ging ich in die Küche und bereitete für uns drei das Frühstück vor. Ich war so weit fertig, dass ich ins Bad verschwinden wollte. Doch unterwegs kam mir Bernhard entgegen, den ich stoppte und meinte, den Weg in die Küche könne er sich ersparen; ich hätte schon alles vorbereitet.

Er fragte, wieso ich schon so früh unterwegs sei. Ich erklärte ihm, dass ich vom Schneeräumfahrzeug geweckt wurde. Wir gingen beide direkt ins Bad und Bernhard als erster in die Dusche. Ich rasierte mich und putzte meine Zähne. Als Bernhard die Dusche verließ ging ich duschen. Zuvor sagte ich noch zu Bernhard, wenn ich noch jung wäre, könnte ich mir vorstellen, dass ich mich in seinen knackigen hübschen Körper verlieben könnte.

Bernhard wurde zuerst rot und erwiderte frech, vielleicht würde er mich gar nicht als Jungspund haben wollen, weil ich ihm als reiferer Mann vielleicht besser gefallen würde. Jetzt schnell in die Dusche, bevor es noch peinlicher werden könnte. Mein Schuss ins Blaue ging voll nach hinten los. Wobei ich es eher als Kompliment betrachtete. Bis ich wieder aus der Dusche kam war Bernhard bereits verschwunden. So konnte ich mich in Ruhe abtrocknen und ins Schlafzimmer gehen.

Bevor ich mich ankleidete, weckte ich Thomas und erzählte ihm, was ich vor wenigen Minuten im Badezimmer erlebt hatte. Thomas grinste und meinte, endlich einer der sich traut, deinem frechen Mundwerk Paroli zu bieten. Du hast es nicht besser verdient. Sprach es, und verschwand in Windeseile ebenfalls im Bad, damit ich ihm keine Widerworte geben konnte.

In der Küche saß Bernhard schon am Frühstückstisch und hatte sich eine Vollkornsemmel aufgeschnitten. Er rührte mit einem kleinen Löffel in seinem Kaffee und meinte, dass er wohl vorher etwas zu frech gewesen wäre.

Ich meinte zu ihm, wer austeilt, muss auch einstecken können. Und immerhin sei ich derjenige gewesen, der damit angefangen habe. Dann hinterfragte ich, wie das gemeint war, dass ich ihm als reiferer Mann besser gefalle. „Ganz einfach, du bist schon seit fast eineinhalb Jahren wie ein zweiter Vater für mich. Wobei ich zu dir sogar mit Problemen kommen würde, die ich mit meinem Vater nie hätte besprechen können“, meinte Bernhard.

„Das Vertrauen, das du in meine Fähigkeiten gesteckt hast, habe ich bei meinen eigenen Eltern immer vermisst. Ja, ich liebe dich, wie man einen Vater lieben kann“. Thomas, der beim letzten Satz von Bernhard die Küche betreten hatte, schaute ihn fragend an und Bernhard erklärte ihm, dass sich das auf unsere Begegnung im Badezimmer heute Morgen bezogen hätte.

Wir frühstückten gemeinsam. Thomas meinte, dass er heute zeitiger losfahren würde, da beim ersten Schneefall der Weg in die Stadt zur Arbeit länger als gewöhnlich dauern könne. Bernhard und ich beschlossen auch zeitig in unsere Büros zu gehen. So früh am Morgen hatte man die Chance noch in Ruhe und ungestört zu arbeiten. Mein erster Weg führte mich ins ehemalige Gesindehaus, um die beiden neuen Büros zu inspizieren. Sie waren komplett schon eingerichtet und warteten nur darauf, bezogen zu werden.

Michael stand plötzlich neben mir und wollte wissen, wieso ich hier wäre. Ich erklärte ihm, dass heute Morgen unser neuer Mitarbeiter Armin als Eventmanager anfangen werde und dieser sein Büro hier im Haus haben wird. Ich bin hier um mich davon zu überzeugen, dass alles vorbereitet ist, wenn Armin nachher eintrifft.

Danach fragte ich Michael, ob er ebenfalls mit seinem Büro hierher umziehen würde. „Vor allem, nachdem ich seit gestern Abend weiß, dass auch Marion unser Team verstärken wird und oben die große Wohnung und eines der Appartements in nächster Zeit bewohnt werden. Sonst wäre Armin allein hier in den Büros, wenn Alexandra nicht im Haus ist. Außerdem arbeitet ihr schließlich zusammen, wenn es um die Seminare und das Rahmenprogramm dazu gehen wird“, war mein Vorschlag.

Michael meinte: „Wenn das so ist, werde ich heute im Laufe des Tages noch umziehen. Vielleicht können mir Alejandro und Armin beim Transport meiner Akten helfen“.

Ich meinte, dass die anderen sicher auch helfen würden. „Wenn du mit deinen Unterlagen in dein neues Büro umziehen wirst, hättest du den nächsten Tagen genug Zeit dich einzurichten. Außerdem bleibt dir dann wenigstens ein zusätzlicher Umzug im Haupthaus erspart“.

Gemeinsam ging es zurück ins Haupthaus. Michael schaute gleich bei Philipp und Marcus ins Büro um ihnen mitzuteilen, dass er ab heute ebenfalls in die Büros im Gesindehaus wechseln werde.

Ich ging zuerst ins Büro von Klaus, unserem Buchhalter und erzählte ihm, was gestern Abend bei unserem Gespräch mit Gerhard Bauer herausgekommen sei.

Wenn wir uns beim Kaufpreis einigen könnten ginge der Deal über die Bühne. In der Finanzabteilung habe Gerhard nur einen Mitarbeiter der derzeit die Buchungen direkt in einem DATEV-System erledigt. Gerhard sieht da kein Problem, wenn wir die Buchhaltung ebenfalls im Januar umstellen würden. Selbst, wenn der Kaufvertrag erst im Februar oder März abgeschlossen wäre.

Gerhard wolle seinen Mitarbeiter heute davon informieren, dass die Buchhaltung zukünftig vollständig ausgelagert wird und seine Stelle in das zentrale Buchhaltungsteam des Gutshofes umgesiedelt wird. Dieser Mitarbeiter könnte heute eventuell vorbeischauen, sofern er nicht eine Kündigung seines Arbeitsvertrages vorzieht.

„Ich habe Gerhard versprochen, dass du dich mit ihm unterhalten wirst und ihm die vielfältigen Aufgaben, die ihn in unserer Buchhaltung erwarten, näherbringst“. Wann er denn denn kommen würde, fragte Klaus. „Das kann ich dir nicht sagen. Gerhard meldet sich, wenn er weiß, dass er überhaupt vorbeikommt.“

Anschließend ging ich in mein Büro, startete mein Notebook und las erst einmal meine Mails. Gegen acht Uhr klopfte es an meiner Türe und Armin kam in mein Büro. Ich begrüßte ihn und wünschte ihm einen schönen ersten Arbeitstag bei uns im Gutshof. „Wie ich dir gestern schon gesagt habe, liegt dein Arbeitsplatz drüben im Gesindehaus. Mit Michael habe ich auch schon gesprochen. Er wird heute im Laufe des Tages ebenfalls nach drüben umziehen.

Gelegentlich wird Alexandra auch in ihrem dortigen Büro auftauchen. Und wenn im Januar wieder die nächsten Schulklassen kommen und die Seminar-Wochenenden starten, wird es dort nicht mehr so ruhig sein wie zur Zeit. Nun gehen wir jetzt in unsere IT-Abteilung. Dort erhältst du dein Notebook und wirst in alle wichtigen Sachen, wie die Dokumentenverwaltung und Speicherung von wichtigen Daten eingewiesen.

Büromaterial kannst du bei unserem Lieferanten für den Bürobedarf bestellen. Die Unterlagen dazu findest du derzeit noch in der Buchhaltung. Ab nächsten Montag wird das bei meiner neuen Assistentin zu finden sein. Wundere dich nicht, wenn du in den nächsten Tagen die Mitarbeiter nicht mehr in ihren derzeitigen Büros findest. Spätestens am Freitag, wenn die neuen Büromöbel geliefert sind, werden einige Abteilungen neue oder erweiterte Räumlichkeiten beziehen. Wir schaffen gerade den Platz für die Buchhaltung der J. Graf GmbH, die spätestens am Jahresanfang hier einziehen wird. Für den Ausbau der IT-Abteilung gibt es ebenfalls zusätzliche Räume. Im ersten Büro links, vom Flur aus gesehen, wird meine Assistentin angesiedelt sein. Ich hoffe, dass die Beschilderung an den Türen kurzfristig angepasst wird“.

Ich brachte Armin zur IT-Abteilung wo er von Marcus in Empfang genommen wurde und als erstes sein neues Notebook erhielt, nachdem er ihn herzlich in den Kreisen der Gutshof Mitarbeiter begrüßt hatte.

Er meinte:“Den Teil mit dem Dokumentenmanagement übernimmt Bernhard, da er dafür inzwischen der absolute Spezialist sei. Alles andere erfährst du von mir oder Philipp. Einer von uns beiden geht nachher mit dir zusammen in dein Büro und lernt dich in die Benutzung deines Telefons und der sonstigen Technik im Gesindehaus ein. Michael hat angefragt, ob wir alle bereit wären ihm später, wenn er alles gepackt hat, beim Umzug in sein Büro im Gesindehaus zu helfen. Ich denke, du bist mit dabei und hilfst uns. Bei der Bestellung der Dienst-Smartphones ist leider etwas schiefgelaufen, sie sollen jedoch spätestens am Freitag geliefert werden. Spätestens am Montag bekommst du dann dein dienstliches Smartphone“.

„Wie ich sehe, braucht ihr mich nicht mehr. Ich bin dann wieder in meinem Büro, wenn noch Fragen sein sollten. Das mit dem Arbeitsvertrag regelt Klaus mit dir, und er wird dir sagen welche Unterlagen er von dir noch benötigt“.

Auf dem Rückweg in mein Büro traf ich auf Klaus, der mir mitteilte, dass ein gewisser Benjamin Dreier auf dem Weg zum Gutshof sei und mit mir sprechen wolle. „Das lässt dir ein Gerhard Bauer ausrichten, der gegen elf Uhr bei dir im Büro aufschlagen will. Dann hat zuvor noch ein Herr Bauer angerufen und gemeint, dass er gegen vierzehn Uhr hier sein will, um die vertraglichen Dinge wegen Armin Schwarz zu klären. Peter, du denkst bitte daran, dass wir vom Buchhaltungsteam morgen voraussichtlich den ganzen Tag im Stadtbüro sind, wegen unserem Umzugsmeeting. Dann hast du nur die Jungs von der IT, die alle Gespräche annehmen müssen“.

Kein Problem meinte ich: Weil wir morgen sowieso die Handwerker im Haus haben, welche die neuen Büromöbel liefern und aufbauen werden, kann es zeitweilig recht laut sein. Da seid ihr in den Büros in der Stadt besser aufgehoben. Nach eurem morgigen Treffen würde ich gerne wissen, wer mit wem zukünftig in einem Büro sitzen wird. Vergesst nicht Benjamin mit einzuplanen. Wenn er heute zusagt lade ihn gleich für morgen zu eurem Treffen in der Stadt ein. Falls die zugesagten fünf Büroräume nicht ausreichen - Michael zieht heute ins Gesindehaus um - somit haben wir wieder ein Büro hier im Haus mehr zu vergeben“.

„Ich habe es schon gehört. Er hat angefragt, ob wir ihm beim Umzug behilflich sein können“ meinte Klaus.

Ich ging in mein Büro und wartete auf Benjamin Dreier, den Gerhard angekündigt hatte. Offenbar wollte er es sich immerhin zumindest anschauen, bevor eine Entscheidung trifft. Bis Benjamin eintreffen würde wollte ich weiter meine Mails abarbeiten. In den letzten beiden Tagen hatte sich doch einiges angesammelt. Und ich hatte wenigZeit in meinem Büro zu verbringen. Am einfachsten, ich lösche erst die Werbemails, dann wird der Berg schon automatisch kleiner.

Beim Durchsehen fiel mir eine Mail vom Jugendamt in Rosenheim auf, die von unserem Treffen mit einigen Leitern von Jugendämtern aus Thüringen und Hessen Wind bekommen hatten. Der Leiter dies hiesigen Jugendamtes wollte gerne dabei sein und seine Kolleginnen und Kollegen aus den beiden Bundesländern kennenlernen, die im Sommer ihre Kinder zu uns auf den Gutshof schicken wollen.

Ich telefonierte kurz mit Michael und wollte wissen, ob es Probleme geben könnte, wenn ich ihn zu diesem Treffen einlade. Er meinte: “Keineswegs, dann können wir ihm und seinen Kolleginnen und Kollegen unsere neuesten Projekte, wie den Stammtisch für Angehörige von schwulen und lesbischen Jugendlichen und das Netzwerk für schwule und lesbische Jugendgruppen vorstellen und um ihre Unterstützung bitten“.

Ich rief direkt im Jugendamt an und ließ mich mit dem Leiter verbinden. Ich bedankte mich für seine Anfrage bei dem Treffen dabei sein zu können und erklärte ihm, dass er herzlich willkommen ist. Ich sagte ihm, dass es am Wochenende zwischen Weihnachten und Neujahr stattfindet und die Kolleginnen und Kollegen im Gästehaus übernachten. Falls er ebenfalls übernachten möchte, solle er eine kurze Mail an Michael schicken, der ihm auch das Programm mitteilen kann.

Bei der Gelegenheit erzählte ich ihm, dass wir unser Sozialarbeiterteam im Frühjahr um eine Mitarbeiterin verstärken werden. Marion Habermüller werde spätestens im April bei uns anfangen. Er meinte: „Mit Marion hast du dir eine sehr gute Sozialarbeiterin geangelt. Schade, dass sie nicht mehr zu uns zurück kommt. Wieder eine unserer ehemaligen Mitarbeiterinnen, die nach der Kinderpause nicht mehr in den öffentlichen Dienst zurückkehrt“.

Als es an der Tür klopfte, verabschiedete ich mich von ihm mit den Worten, wir sähen uns dann in zweieinhalb Wochen.

Ich rief herein und ein noch relativ jung aussehendes männliches Wesen betrat den Raum und stellte sich als Benjamin Dreier vor. Ich hatte ich ein gestandenes Mannsbild, so um die Fünfzig, erwartet und nicht so einen jungen Menschen. Er merkte meine Verwunderung an und erklärte mir, dass er erst vor knapp zwei Jahren in Gerhards Firma angefangen habe, nachdem die alte Buchhalterin in den Ruhestand gegangen sei.

Ich stellte mich als Peter Maurer, Chef des Gutshof-Unternehmens vor, und meinte, jeder würde nur Peter zu mir sagen. „Das gilt für alle Mitarbeiter, egal ob sie in der Verwaltung, der Landwirtschaft, im Gemüsebau, im Hofladen, im Restaurant oder im Gästehaus beschäftigt sind. Auch für die Mitarbeiter der J. Graf GmbH gilt das so, die ja ab Januar zu unserem Familienbetrieb dazukommen. Die meisten kennen mich ja noch als ihren ehemaligen Kollegen. Wenn deine Kollegen bei Gerhard dazukommen, gilt das genauso für sie“. Ich meinte, er solle doch etwas über seine bisherige berufliche Laufbahn erzählen.

Er erzählte mir, dass er mit siebzehn Jahren seine schulische Laufbahn mit mittlerer Reife beendet habe und anschließend eine Ausbildung zum Steuergehilfen begonnen hat. Nach Abchluss seiner Ausbildung habe er in seinem Lehrbetrieb eine Festanstellung erhalten. Vor zwei Jahren hatte ihn sein Chef gefragt, ob er Interesse daran hätte bei Gerhard Bauer als Buchhalter anzufangen, da dessen bisherige Buchhalterin in Rente gehen würde. Nach reiflicher Überlegung und einem Gespräch mit Gerhard habe er sich zu diesem Schritt entschlossen und dies bis heute auch nicht bereut. Als Gerhard ihm heute Morgen eröffnet hat, dass er sein Unternehmen verkaufen werde, hatte er zuerst die Befürchtung seinen Job zu verlieren. Gerhard habe ihm dann gesagt, dass er, wenn er wolle, als Mitarbeiter im Buchhaltungsteam im Gutshof die Buchhaltung der Firma weiterführen könne. Gerhard meinte, ich solle mir das zumindest erst einmal anschauen und mich dann entscheiden. Eines wäre ja schon einmal positiv. Mein Weg zur Arbeit wäre etwas kürzer als bisher.

Ich erzählte ihm, dass die gesamte Buchhaltungsabteilung derzeit neu zusammengestellt wird, da ab Januar die Kolleginnen und Kollegen der J. Graf GmbH ebenfalls hier angesiedelt werden. Klaus, mein Chefbuchhalter, habe derzeit die Aufgabe, die Gruppen neu zu organisieren. Kreditoren- und Debitorenbuchhaltung, die Buchhaltung für das Anlagevermögen sämtlicher Unternehmen, die Buchhaltung für sämtliche Mietwohnungen und die Gehaltsbuchhaltung.

„Wir arbeiten zwar mit eigener Software, die jedoch an DATEV angelehnt ist, da im Hintergrund viele weitere Anwendungen laufen, die ihre Daten an die Buchhaltung liefern. Ich habe Klaus schon gebeten, dich zu den nächsten Treffen des Buchhaltungsteams einzuladen, sofern du dich dafür entscheidest in unserem Team mitzuarbeiten. Dort wird alles besprochen was mit dem Umzug und allen Umstellungen zu tun hat. Alle Mitarbeiter im Gutshof können mittags in der Kantine im Gesindehaus ein vergünstigtes Mittagessen einnehmen, das im Restaurant des Gutshofs zubereitet und dort als Mittagsmenü angeboten wird. Außerdem kannst du im Hofladen zu vergünstigten Preisen einkaufen und wir sind dir behilflich, wenn du auf der Suche nach einer neuen Wohnung sein solltest. Wir werden im nächsten Jahr weitere Wohnungen und Appartements im Gutshof einrichten. Auch in der Stadt entsteht derzeit ein größerer Komplex mit unterschiedlichen Mietwohnungen. Bevor ich dich an Klaus weiterreiche, machen wir kurz einen kleinen Rundgang“.

Ich zog meine Jacke an und bat ihn das auch zu tun, da wir als erstes ins Gesindehaus gehen und dort unseren Rundgang beginnen würden. „Den Hofladen und das Café hast du sicher schon bei der Anfahrt gesehen“. Im Gesindehaus angekommen zeigte ich ihm als erstes das Büro von Armin, der als Eventmanager hier arbeiten wird und heute seinen ersten Arbeitstag bei uns hat. „Armin werden wir sicher gleich in der IT-Abteilung treffen, wo er gerade eine Einweisung in unsere Systeme erhält“.

Danach wechselten wir in das zukünftige Büro von Michael und Marion. Ich erklärte ihm, dass hier zukünftig unsere beiden Sozialarbeiter angesiedelt sind. Michael ist schon seit über einem Jahr bei uns und Marion wird im Frühjahr dazukommen. Er wollte wissen, wieso wir Sozialarbeiter beschäftigen. Ich erklärte ihm, dass sie zum einen für unsere Gäste, die aus schwierigen familiären Verhältnissen kommen, als Ansprechpartner dienen sollen. Sie betreuen aber auch die Jugendgruppen, die sich hier oder im Café treffen. Unter anderem auch eine Gruppe von schwulen und lesbischen Jugendlichen sowie unsere Senioren.

Aber auch unsere Mitarbeiter könnten ihre Dienste in Anspruch nehmen, wenn sie Probleme haben. Michael war bisher im Haupthaus untergebracht und zieht heute zusammen mit Armin hier ein.

Im dritten Büro fanden wir Alexandra, die über ihren Belegungsplänen für die Zimmer saß. Ich erklärte ihm: „Sie leitet den Beherbergungsbetrieb und ist mit Sebastian, unserem Koch, fest befreundet. Und nein, sie haben sich nicht erst hier kennengelernt, die beiden waren vorher schon ein Paar“.

Sie meinte, sie hat derzeit zwei Anmeldungen von Schulklassen für den Februar in der gleichen Woche und da könnte es mit den Zimmern in der ersten und zweiten Etage knapp werden, je nachdem wie viele Mädchen und Jungs das jeweils sind.

Ich meinte zu ihr, haben wir nicht ein paar Notbetten? Dann müssten sich halt einige zu dritt ein Zimmer teilen. Sie meinte, das sei nicht so ihr Problem. Die eine Klasse sind Sechstklässler, so zwischen zwölf und dreizehn. Die andere Klasse wäre Zehntklässler, also sechzehn bis achtzehn Jahre alt.

Ich sagte zu ihr: „Gib den Kleineren die erste Etage und den größeren die zweite Etage, dann sollte es auch keine großen Probleme geben“. “Wird wohl das Vernünftigste sein, wenn ich es so aufteile. Die Lehrer der Jüngeren müssen dann ebenfalls oben schlafen“, meinte Alexandra.

Zusammen mit Benjamin ging ich noch in die Kantine, der auch als Speisesaal für unsere Gäste diente. Dabei erklärte ich ihm, dass im Dachgeschoß zwei Wohnungen und weitere zwei Appartements untergebracht seien. Eine Wohnung wird bereits seit längerem von Michael und Andreas bewohnt, in eines der Appartements zieht Bernhard in den nächsten Tagen ein.

Die zweite, größere Wohnung wird im Frühjahr von Marion, unserer zweiten Sozialarbeiterin, mit ihrer Familie bezogen werden. Anschließend ging es zurück ins Gutshaus, wo wir als erstes der IT-Abteilung einen Besuch abstatteten. Ich stellte ihm unsere drei Mitarbeiter vor. Zuerst meinen Sohn Philipp, seinen Freund Marcus und unseren Auszubildenden Bernhard. Ich fragte, wo Armin abgeblieben sei, und Bernhard meinte, der sei mal kurz rausgegangen. Er brauche mal eine kurze Pause, nachdem wir ihn mit reichlich Wissen vollgestopft hätten.

Dabei beobachtete er die ganze Zeit Benjamin. Kannte er ihn irgendwoher oder steckte da etwas anderes dahinter? Ich beobachtete Benjamin, der zwar Bernhards Blick bemerkt hatte, aber zumindest nicht offensichtlich darauf reagierte.

Es ging weiter zu Klaus in die Buchhaltung, wo ich ihn in die Obhut von Klaus übergab. Ich sagte noch zu den beiden, dass ich sie gegen halb eins in meinem Büro erwarte und wir dann heute ausnahmsweise nicht in der Kantine, sondern im Restaurant zu Mittag essen werden. Vermutlich würde Gerhard mit uns zusammen essen, da er ja um elf zu mir kommen will.

Bevor ich in mein Büro ging, führte mich mein Weg noch einmal in die IT-Abteilung. Ich fragte Bernhard, ob er kurz Zeit für mich habe. Wir gingen in mein Büro und nachdem wir uns gesetzt hatten, sagte ich zu Bernhard: „Was war das eben, als ich mit Benjamin bei euch im Büro war?“ Bernhard schaute mich an und meinte: „Nichts“.

Ich setzte nach und erklärte ihm: „Bernhard, ich bin doch nicht blind., Ich würde behaupten du hast Benjamin intensiv angeschaut und ich habe mich sofort gefragt, was da dahinterstecken könne. Kann es sein, dass dir Benjamin gefällt oder hat er dich an jemanden erinnert, den du von früher kennst“.

Bernhard überlegte und antwortete mir: „Ich dachte zuerst, er wäre ein ehemaliger Klassenkamerad von mir. Aber bei genauerem Hinsehen stellte ich fest, dass er schon älter ist. Da er mich nicht erkannt hat, bin ich mir sicher, dass ich mich getäuscht haben muss. Auf der anderen Seite, ich war fasziniert von ihm und habe plötzlich etwas an mir entdeckt, von dem ich überzeugt war, dass es mich nicht treffen kann. Vielleicht bin ich, wie du, bisexuell veranlagt und scheinbar musste erst Benjamin hier aufkreuzen, um mir das zu verdeutlichen. Ich glaube, dass ich mir erst einmal selbst klar werden muss, was ich wirklich will.“ Ich erklärte ihm, dass von mir keiner etwas erfahren wird. Wenn er Fragen habe oder Hilfe benötige, könne er sich jederzeit an mich wenden.

Es klopfte und Gerhard betrat mein Büro.. Er war zehn Minuten früher angekommen, weil er auf den Straßen hierher keine Probleme hatte. Ich meinte zu Bernhard: „Wir können später oder heute Abend weiter reden, wenn du willst“.

Danach widmete ich mich Gerhard und meinte, er solle mir doch erst einmal seine Vorstellungen vom Kaufpreis näherbringen, bevor wir in die Verhandlungen einsteigen. Gerhard lachte und meinte dazu, dass ich wahrscheinlich nicht lange mit ihm verhandeln werde, wenn ich sein Angebot höre. Ich meinte noch, dann lasse ich mich einfach von ihm überraschen.

Gerhard begann mit seinen Ausführungen: „Ich habe gestern auf dem Rückweg in die Stadt mit Johannes noch ein langes Gespräch geführt. Alles, was wir besprochen haben, ist in meine Überlegungen hinsichtlich des Kaufpreises eingeflossen. Johannes hat mir erzählt, dass dein Vater auf Mallorca eine Stiftung gegründet hat, die auf der Insel und auch in Spanien benachteiligten Jugendlichen helfen soll. Dass aber auch Gelder davon nach Deutschland gehen und ebenfalls für soziale Zwecke verwendet werden. Du selbst hast mir von eurem Engagement bei schwulen und lesbischen Jugendlichen berichtet und angekündigt, dass ihr im Januar einen Stammtisch für betroffene Angehörige einrichten wollt. Johannes hat mir auch verraten, dass du Mitarbeitern vergünstigte Mietwohnungen anbietest. Er hat mir von euren Ferien auf dem Gutshof für Kinder aus benachteiligten Familien erzählt, die von Jugendämtern vermittelt werden, wobei er erwähnte, dass ihr das auf weitere Bundesländer ausdehnen wollt. All das hat mich zu der Überlegung gebracht, dir einen verdammt günstigen Kaufpreis anzubieten, um dich auf diese Art und Weise in deiner Arbeit zu unterstützen.“

Den Kaufpreis, den er mir danach nannte, haute mich wirklich fast vom Stuhl. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.

Ich entgegnete Gerhard, ob er sich das gut überlegt habe. Er erklärte mir, seine Kinder wären erwachsen und da keiner von ihnen Interesse gezeigt habe, das Unternehmen zu übernehmen, habe er sich zu diesem Schritt entschlossen. „Eine Bedingung habe ich jedoch, du musst fünfzig Prozent des jährlichen Gewinnes der GmbH für soziale Zwecke einsetzen.

Ich habe noch eine weitere Überraschung für dich, der gesamte Kaufpreis wird in eine Stiftung eingebracht, die die gleichen Ziele wie dein spanischer Ableger erfüllen soll. Ich will zwar kürzer treten, aber in den nächsten Jahren möchte ich noch ehrenamtlich in der Stiftung mitwirken“.

Bei diesem Angebot gab es nichts zu verhandeln, damit hatte Gerhard recht behalten. Deshalb bot ich ihm an, er solle doch im Stiftungsrat mitarbeiten, so könne er auch über die Verwendung der Gelder mitbestimmen.

Während er darüber nachdachte, beschloss ich spontan, die gleiche Summe in die Stiftung einzubringen. Verplant hatte ich sie ohnehin für den Kaufpreis des Unternehmens. Gerhard meinte, die Idee mit seiner Mitarbeit im Stiftungsrat sei gut und er sei dabei.

Ich erzählte ihm von meinem spontanen Entschluss, den Rest, der von mir geplanten Kaufpreissumme ebenfalls in die Stiftung einzubringen, was ihm ein Lächeln entlockte und er dazu meinte, dass er genau das auch erhofft habe.

Im Nachsatz meinte er noch, dass er sich jetzt sicher sei, den richtigen Schritt mit dem Verkauf an den Gutshof gemacht zu haben. Er sagte zu mir: „Wenn du es schaffst, noch vor Weihnachten einen Notartermin zu bekommen, dann bringen wir das Ganze kurzfristig über die Bühne“.

Ich meinte, dass ich kurz mit unserem Notar sprechen würde, vielleicht lässt sich das irgendwie einrichten. Ich bat ihn Klaus und seinen Buchhalter zu uns zu holen, während ich mit dem Notar telefonieren würde. Dann rief ich im Notariat an und meinte, ich müsste dringend den Notar sprechen. Da er gerade keine Beurkundung hatte wurde ich sofort durchgestellt.

Nachdem ich ihm kurz geschildert hatte um was es ging, meinte er, er könne uns noch einen Termin nächste Woche am Donnerstag anbieten, um sechzehn Uhr, wobei wir uns darauf einstellen sollten, dass es bis neunzehn Uhr oder auch etwas länger dauern könne, bis alles unterschrieben sei.

Ohne bei Gerhard zurückzufragen stimmte ich dem Termin zu und der Notar versprach, uns bis spätestens Montag die Vertragsentwürfe zukommen zu lassen. Ich hatte kaum aufgelegt, als Gerhard mit den beiden Buchhaltern zurückkam.

Wir setzten uns in die Besprechungsecke und meine erste Frage richtete ich an Benjamin, da ich wissen wollte, ob und wie er sich entschieden habe. Er meinte, es hätte gar nicht mehr des Gespräches mit Klaus bedurft, da er bereits nach unserem Gespräch und dem Rundgang in der Firma beschlossen habe, das Angebot anzunehmen.

Sein Gespräch mit Klaus habe ihn nur zusätzlich bestärkt das er die richtige Entscheidung getroffen habe. Ich meinte: „Dann bist du morgen dabei, wenn sich das gesamte Buchhaltungsteam im Stadtbüro trifft und das weitere Vorgehen bespricht“.

Für die kleine Überraschung, die wir für die beiden hatten, überließ ich Gerhard den Vortritt. Er erzählte kurz, dass wir uns bereits einig seien über den Kaufpreis und dass wir beide mit dem Kaufpreis und der Aufstockung durch mich bis zum geplanten Budget eine Stiftung gründen werden, die sich, wie unsere spanische Stiftung, um benachteiligte Jugendliche kümmern solle.

Beide schauten uns an, als hätten wir soeben erklärt, die Firma zu schließen. Auf alle Fälle konnten man ihnen die Überraschung ansehen. Klaus fing sich als erster und meinte zu Benjamin: „Jetzt hast du gleich zwei Firmen, die du in Zukunft buchen kannst“.

Benjamin meinte, mit Stiftungen kenne er sich nicht so genau aus, das könne gerne jemand anderes machen. Aber Gerhard sagte: „Benjamin, du bist noch so jung, da kann man alles lernen. Wie wäre es zum Beispiel, wenn du zukünftig beide Stiftungen buchhalterisch betreuen würdest und dich damit zu einem Spezialisten dafür weiterbildest.“

Ich fand die Idee nicht einmal so schlecht, da zur Buchhaltung auch die Verwaltung des Immobilienbestandes dazugehörte. Ich erklärte Benjamin: „Die Buchhaltung der beiden Stiftungen umfasst mehr als nur ein paar Rechnungen verbuchen. Dazu gehört die Mietbuchhaltung mit Nebenkostenabrechnungen für die Mieter, die Verwaltung des Immobilienbestandes mit allen anstehenden Aufgaben bis hin zur Beschaffung von Handwerkern für Reparaturmaßnahmen. Wobei du bei den spanischen Immobilien den Vorteil hast, dass vor Ort ein Verwalter sitzt, der dir einen Teil der Arbeiten abnimmt. Die komplette Buchhaltung wird allerdings hier vor Ort gemacht. Ein oder zweimal im Jahr müsstest du nach Mallorca fliegen, um nach dem Rechten zu sehen. Bei der Vermietung der Wohnungen und Appartements wirst du von Michael Müller unterstützt, der die Verwaltung des restlichen Immobilienvermögens des Gutshofes unter sich hat.“

Benjamin meinte: „Ich möchte mir das zumindest überlegen. Es hört sich eigentlich ganz interessant an. Peter, Gerhard, kann ich mir das bis morgen überlegen? Ich sage euch morgen, ob ich zukünftig die Buchhaltung für die beiden Stiftungen mache oder ob mir Klaus eine andere Aufgabe zuweisen soll. An meinem Entschluss in der Buchhaltung des Gutshofes mitzuarbeiten, wird sich nichts ändern, es ist nur die Frage, welche Aufgabe ich dabei übernehme.“

Gerhard und ich waren uns einig, dass wir Benjamin die Zeit zum Nachdenken geben und bestätigten ihm das auch. Da ich mit Benjamin noch kurz allein reden wollte, fragte ich Gerhard, ob er sich nicht von Klaus unsere Buchhaltungsabteilung zeigen lassen will und seine Fragen an ihn stellen will.

Gerhard verstand sogar, ohne dass wir uns abgesprochen hatten, und ging mit Klaus in die Buchhaltung. Benjamin schaute mich an und meinte zu mir: „Du wolltest allein mit mir sprechen? „

„Dass ich mit dir allein reden wollte, soweit stimmt deine Schlussfolgerung. Aber abgesprochen hatten Gerhard und ich das nicht. Mir ist vorher aufgefallen, dass dich Bernhard intensiv gemustert hat und du ihn auch immer wieder angeschaut hast. Kennt ihr euch zufälligerweise von früher?

Benjamin erzählte mir: „Ja ich kenne ihn von früher. Er war in der gleichen Jahrgangsstufe wie mein kleiner Bruder. Ich habe ihn ein paarmal gesehen, wenn ich meinen Bruder von der Schule abgeholt habe. Da ich meinem kleinen Bruder sehr ähnlich sehe, hat er vielleicht vermutet, dass ich sein Mitschüler sein könnte“.

Ich erklärte ihm: „So weit bin ich schon gekommen. Bernhard hat wirklich vermutet, dass du sein Mitschüler wärst. Nur dein Alter hat ihn zweifeln lassen. Du kannst gerne Bernhard bei Gelegenheit erklären, dass du der ältere Bruder seines ehemaligen Mitschüler bist. Ich habe jetzt aber eine eher private Frage an dich. Liege ich richtig, wenn ich vermute, dass du mit Mädchen und jungen Frauen nicht viel anfangen kannst und du dich schon damals in Bernhard verliebt hast. Wenn dem so wäre, dann bist du hier in bester Gesellschaft. Immerhin mindestens fünf schwule Pärchen arbeiten oder wohnen hier auf dem Gutshof. Auch dein zukünftiger Chef lebt mit seinem Partner Thomas auf dem Gutshof. Sein Partner wird demnächst Geschäftsführer in der J. Graf GmbH. Mein Sohn Philipp und mein Neffe Jonas leben und arbeiten zusammen mit ihren Partnern auf dem Gutshof, um dir nur einmal ein paar Beispiele zu geben.“

Ich konnte Benjamins Gesicht entnehmen, dass er sich von meiner direkten Art doch etwas überfahren fühlte. Vor allem als ich meinte, er sei nicht der Einzige auf dem Gutshof, der dann schwul wäre, sondern er noch mehr Gleichgesinnte finden würde, war dann doch eine noch größere Sensation als mein Überraschungsangriff.

Er schaute mich offenem Mund an und als ich geendet hatte, fiel ihm auch noch die Kinnlade nach unten. Es dauerte einige Minuten, bis er sich wieder gefangen hatte und mir antwortete: „Bis heute hat keiner etwas davon bemerkt. Du bist der Erste, der mir nach so kurzer Zeit des Kennenlernens das so direkt ins Gesicht sagt. Du liegst mit deiner Vermutung richtig.

Ich könnte mit Jungs mehr anfangen, wenn ich nicht so schüchtern wäre.“

Jetzt war es raus. Aber ich sah ihm an, dass es ihn viel Überwindung gekostet hatte, mir gegenüber zuzugeben, dass ich richtig vermutet hatte. Bevor ich noch etwas zu ihm sagen konnte, klopfte es an der Tür und Gerhard kam in mein Büro zurück. Er meinte, wir sollten so langsam ins Restaurant aufbrechen. Er hätte später noch einen wichtigen Termin in seiner Firma.

Er schaute mich und Benjamin an und fragte dann mich, ob es mir gelungen sei, Benjamins Geheimnis zu lüften. Der Angesprochene wurde knallrot wie eine Tomate und stotterte: „Welches Geheimnis?“ Gerhard sah in an und erklärte ihm: „Ich habe dich in letzter Zeit intensiv beobachtet. Nachdem mein Enkel mir erklärt hatte, er sei schwul. Da sind mir bei deiner Art und Weise, wie du dich gibst, gewisse Ähnlichkeiten aufgefallen. Ich hatte mir schon fast überlegt, ob ich dich nicht mit meinem Enkel bekannt machen sollte, um dich aus der Reserve zu locken. Ihr beide wäret ein hübsches Paar gewesen. Nur, als mein Enkel erzählte, dass er sein Herzblatt bereits gefunden hätte, in einer Gruppe gleichgesinnter Jugendlicher, die sich wöchentlich zu einer Art Stammtisch hier im Gutshof treffen, habe ich das schnell wieder verworfen.“

Benjamin schaute Gerhard an und konnte es immer noch nicht fassen, dass wir sein streng gehütetes Geheimnis gelüftet hatten. Er meinte zu mir und Gerhard: „Ich habe immer gehofft, dass ich mich so gebe, dass es keinem auffällt. Aber scheinbar war ich nicht immer vorsichtig genug, so dass ihr es bemerkt habt. Ich kann es nicht ändern, aber trotzdem werde ich es nicht öffentlich machen. Ich hoffe, ihr könnt es erst einmal für euch behalten. Ich werde mich aber in der Zwischenzeit der Jugendgruppe schwuler Jungs anschließen.“

Ich fragte Benjamin noch einmal direkt: „Kann es sein, dass du dich ein wenig in Bernhard verschaut hast? Ich hatte zumindest den Eindruck bei eurem ersten Aufeinandertreffen im Büro der IT, dass es so sein könnte. Ich kann dir nur eines sagen. Bernhards Bruder Andreas lebt mit unserem Sozialarbeiter Michael zusammen. Bernhard wird dich sicher nicht köpfen, wenn du mit ihm darüber reden würdest. Ob er sich auf dich einlassen wird, das kann ich dir nicht beantworten. Er ist auch noch in der Findungsphase, wohin sein Weg gehen wird. Erzähl ihm, dass du dich der schwulen Jugendgruppe anschließen willst und warte ab, wie er sich verhält. Jetzt lasst uns Essen gehen. Dass Thema ist für mich damit abgehakt. Wenn du Schwierigkeiten bekommen solltest, kannst du dich an Gerhard oder mich wenden. Wir werden dir helfen, wenn du es selbst willst“.

Ich schickte Benjamin und Gerhard voraus ins Restaurant und meinte, ich käme gleich nach.

Meinen Jungs vom IT-Team sagte ich, sie könnten für Benjamin gleich einen neuen Rechner fertig machen. Er wird zukünftig im Buchhaltungsteam im Gutshof mitmischen. Geht einmal davon aus, dass er zukünftig vor allem die Buchhaltung für zwei Stiftungen bearbeiten wird und auch auf deren Immobiliendaten zugreifen können müsse. Zwar hat er bisher für die Stiftungen noch nicht fest zugesagt, aber mein Gefühl sagt mir, dass er sich auf dieses Spezialgebiet einlassen wird.

Bernhard kannst du später noch Benjamin einarbeiten, wenn du Armin im Dokumentenmanagement geschult hast. Bernhard grinste und meinte, klar nehme ich mir die Zeit, um ihm alles zu zeigen.

Nun ging ich rüber in Restaurant und setzt mich zu den beiden und meinte: “Ihr habt die Auswahl zwischen drei Mittagsmenüs, die auch in der Kantine für unsere Mitarbeiter ausgegeben werden. Mit Getränken seid ihr bereits versorgt und Alexandra hat für mich auch bereits ein Getränk bereitgestellt. Ich kann euch alle drei Speisen empfehlen. Sebastian kann hervorragend kochen und die Einführung der gleichen Gerichte im Restaurant als beim vergünstigten Mittagstisch für die Mitarbeiter hat ihm viele neue Stammgäste verschafft“.

Ich teilte Benjamin mit, dass er noch heute sein Notebook erhalten wird, das sein zukünftiges Arbeitswerkzeug in der Buchhaltung sein wird. Bernhard habe sich bereit erklärt, ihn in unsere Datenstrukturen einzulernen.

„Wenn Gerhard dich sofort freistellt, kannst du sofort auch mit der Buchhaltung seines Unternehmens bei uns einsteigen. Bis zum Jahresende buchst du noch über DATEV und ab Januar dann direkt in unserem Buchungssystem. Du bist von Anfang an dabei, wenn in der Buchhaltung die neuen Mandanten eingerichtet werden, und für die neue Stiftung könntest du, von der Stunde null an, alle Aufgaben übernehmen. Wir müssen die Stiftungsgelder sinnvoll anlegen und dazu werden wir in nächster Zeit einige Immobilien kaufen“.

Gerhard Sagte: „In den nächsten zwei Wochen wird bei uns in der Buchhaltung nicht viel geschehen, so dass ich kein Problem sehe, wenn Benjamin sofort in die neue Buchhaltung einsteigt und den Rest bereits hier verbucht. Er muss nur regelmäßig die Unterlagen bei uns abholen. Vielleicht kann ich sie auch mal zwischendurch vorbeibringen und mich über den Fortgang der Stiftung informieren“.

Inzwischen wurde uns das bestellte Essen am Tisch serviert und wir beschäftigten uns mit den servierten Gerichten. Dabei wurde so gut wie nichts gesprochen. Nach dem Essen meinte Gerhard, es wäre an der Zeit, dass er so langsam zu seinem Termin aufbrechen müsste, nachdem er einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr riskiert hatte.

Ich zahlte bei Alexandra und wir drei gingen in mein Büro zurück, wo sich Gerhard seinen Mantel holte und verabschiedete. Ich fragte Benjamin, ob wir eine kleine Betriebsbesichtigung machen wollen und er meinte, dass das nach dem guten Essen eine gute Idee sei. Wir schnappten uns unsere Winterjacken. Und nachdem wir Klaus von unserem Vorhaben informiert hatten, ging es auch schon nach draußen.

Das war heute schon die zweite Führung durch den Gutshof, die ich diesmal mit Benjamin absolvierte. Unser erster Weg führte uns ins Gästehaus, wo Michael bereits dabei war sein Büro einzuräumen. Ich stellte die beiden einander vor und danach schauten wir noch in die beiden anderen Büros, die aber derzeit leer waren.

Ich erklärte: „Ein Büro gehört Armin und das andere teilen sich Alexandra und Sebastian, da im Küchentrakt des Restaurants kein Platz für ein Büro übrigblieb. Darüber befinden sich die beiden Etagen mit den Gästezimmern und im Dachgeschoß sind vier Wohnungen, die wohl demnächst alle bezogen sein könnten“. Einen weiteren Blick warfen wir noch in den Speise- und Aufenthaltsraum, der, wie gesagt, mittags auch als Kantine verwendet wird.

Diesmal war es eine ausführlichere Führung als heute Morgen bei Armin und so führte uns unser Weg am Verwalterhaus vorbei zum Hofladen und Café. Ich erklärte Benjamin, dass im Verwalterhaus die beiden Paare Jonas und Tim, sowie Manuel und Daniel, wohnen und sie auch ihre Büros haben. Die beiden erstgenannten sind im landwirtschaftlichen Bereich des Gutshofes tätig und studieren beide derzeit noch. Die beiden anderen sind für den Gemüseanbau der Winter GmbH zuständig und leiten auch diese Teilbereiche, jeweils zusammen mit mir.

Im Café des Gutshofs trafen wir auf Martina, meine Tochter, und meine beiden Enkelkinder Kevin und Katharina. Kevin saß an einem der Tische und machte seine Hausaufgaben. Ich stellte sie Benjamin vor und wieder schaute er mich verwundert an.

Ich fragte Martina, wie heute die Geschäfte denn so laufen, nachdem es in der Nacht zuvor geschneit hatte. Sie entgegnete: „Fast wie immer. Wir merken da keinen großen Unterschied“. Auf dem Rückweg zum Gutshaus sagte Benjamin zu mir: „Du bist nicht nur ein schwuler Vater, sondern auch noch Großvater von zwei süßen Enkelkindern.“

Ich grinste ihn an und erwiderte ihm: „Noch so eine Überraschung, mit der du scheinbar nicht gerechnet hattest. Stell dich darauf ein, dass es noch nicht die letzte gewesen sein könnte.“ Ich dachte da vor allem an Bernhard, der vorher, als ich ihn bat Benjamin einzuarbeiten, sofort und mit einem Lächeln im Gesicht zugesagt hatte.

Im Gutshaus gingen wir wieder in mein Büro und ich meinte zu Benjamin: „Wenn du willst, dann können wir heute noch mit der Arbeit für die Stiftung beginnen. Für heute Nachmittag ich habe nur einen weiteren Termin vereinbart, der aber höchstens eine halbe Stunde dauern wird. Es sind viele Dinge vorzubereiten, bevor wir nächste Woche den Notartermin für die Stiftung wahrnehmen können. Herr Bauer, von der Zeitarbeitsfirma, wird in wenigen Minuten hier sein. Es geht nur um die Abwicklung der Übernahme von Armin Schwarz, der seit heute auch bei uns ist. Danach können wir uns direkt wieder zusammensetzen.“

Kurz vor vierzehn Uhr klopfte es an meiner Bürotür und ich rief herein. Herr Bauer betrat mein Büro und ich bat Benjamin in der Zwischenzeit in der IT-Abteilung oder bei Klaus vorbeizuschauen.

Ich begrüßte Herrn Bauer offiziell und bat ihn sich zu mir in die Besprechungsecke zu setzen. Er erklärte mir, dass er den Vertrag wegen der Übernahme zu etwas günstigeren Konditionen vorbereitet habe, um uns für den Ärger mit seinem Mitarbeiter etwas zu entschädigen.

Ich meinte zwar, dass das nicht notwendig sei, nehme seinen Vertrag trotzdem so an wie er ihn vorbereitet hat. Da es ansonsten der übliche Vertrag war, ging es nur noch um das Datum der Übernahme. Ich hatte angenommen, dass wir Armin zum ersten Januar übernehmen würden und er bis dahin noch über die Zeitarbeitsfirma abgerechnet wird als Leiharbeiter.

Ich fragte nach, ob er wirklich ab sofort bei uns auf der Lohnliste stehen würde, was Herr Bauer sofort bestätigte und meinte, für die wenigen Tage rentiere es sich nicht mehr extra einen Leihvertrag abzuschließen. Ich unterschrieb den Übernahmevertrag und fragte, ob und welche Konsequenzen es für seinen Mitarbeiter hat, der ihm diese Probleme bereitet hat.

Er erklärte mir, dass er den Mitarbeiter abgemahnt und ihm angeboten habe, dass, wenn er zu einem anderen Arbeitgeber wechseln will, er die Firma umgehend verlassen kann. Ansonsten erwarte er von ihm, dass er in Zukunft diskriminierende Äußerungen in der Firma unterlasse.

Da wir alles geklärt hatten, verabschiedete ich mich noch von Herrn Bauer und begleitete ihn bis zum Ausgang. Auf dem Rückweg ging ich bei der IT-Abteilung vorbei, weil ich da Benjamin vermutete. Ich fand ihn dort nicht, deshalb ging ich weiter zu Klaus ins Büro. Benjamin unterhielt sich gerade mit Klaus, der ihm gerade erklärte, wie viele Mandanten wir derzeit bebuchen.

Ich meinte zu Benjamin, dass wir weitermachen können, uns würde jetzt keiner mehr stören. Er lachte und meinte, hattest du nicht etwas von dreißig Minuten gesagt, es ist jetzt gerade mal eine viertel Stunde her, dass ich dein Büro verlassen habe.

Wir gingen zurück in mein Büro, setzten uns wieder in die Besprechungsecke und setzten unser Gespräch da fort, wo wir vorher durch den Besuch von Herrn Bauer unterbrochen wurden.

Ich erklärte: „Wir brauchen einen Namen für die Stiftung. Und wir werden noch weitere Notartermine vereinbaren, wenn wir aus dem Bargeld Immobilien und Mietwohnungen für die Stiftung generieren. Bankkonten müssen angelegt werden. Konten für das Vermögen der Stiftung, für die Mieteinnahmen, für die getrennt zu verwaltenden Nebenkostenvorauszahlungen und für die Mietkautionen die auch vom sonstigen Vermögen der Stiftung, getrennt zu verwalten sind.“

Benjamin schaute mich an und meinte: “Du kennst dich ja bestens aus. Da kann ja gar nichts schiefgehen, wenn ich mit dir die Verwaltung der Stiftung übernehme. Bei der Buchhaltung muss mir Klaus am Anfang alles Wichtige beibringen, bis ich einigermaßen sicher bin. Warum nennen wir sie nicht einfach Sonneneck-Stiftung, ist doch naheliegend.“

Ich erwiderte ihm darauf: „Sicher wäre es das Naheliegendste, aber vielleicht will Gerhard dass sein Name in der Bezeichnung der Stiftung vorkommt. Wir werden ihn erst dazu befragen, bevor wir uns für einen endgültigen Namen entscheiden. Aber deine Idee ist nicht schlecht und vielleicht gefällt sie auch Gerhard. Doch nun zu den Banken. Mit welcher Bank arbeitet Gerhard bisher zusammen?“

„Wir haben bisher hauptsächlich mit der Sparkasse zusammengearbeitet, nur wenige Bankgeschäfte haben wir bisher mit der Volksbank gemacht“ erklärte mir Benjamin, „Weitere Banken gibt es nicht.“

Ich überlegte und erklärte Benjamin: „Wir waren gestern bei einer der Großbanken, mit denen Johannes bisher zusammengearbeitet hat. Sie würden gerne mehr Geschäfte mit unserem Unternehmen abwickeln und ich habe dem Firmenbetreuer angedeutet, dass wir gerne bei zukünftigen Immobilienprojekten sein Geldinstitut berücksichtigen werden. Die Stiftung wäre eine gute Gelegenheit, um die Bank zu testen, wie sie mit unserem sozialen Engagement umgeht. Wenn du dich meiner Meinung anschließt, werden wir am Freitag gleich die ersten Konten dort eröffnen und ich werde meinen Anteil an der Stiftung dorthin überweisen.“

Benjamin meinte, dass ich ihm das jetzt doch näher erklären sollte. So erzählte ich ihm wie es dazu gekommen war: „Ich hatte für den Ankauf des Unternehmens anhand der Zahlen, die ich von Johannes erhalten habe, einen maximalen Kaufpreis ermittelt, den ich dafür auszugeben bereit bin.

Ich hatte mich schon auf harte Verhandlungen mit Gerhard eingestellt. Nur hat er mit seiner Preisvorstellung meine ganze Kalkulation auf den Kopf gestellt. Er wollte gerade mal knapp die Hälfte der geplanten Summe als Kaufpreis haben. Als er mir dann auch noch erklärte, dass er unser soziales Engagement gut findet und unterstützen will und seinen Kaufpreisanteil in eine Stiftung einbringen möchte. Ich habe mich spontan entschlossen den Rest, den ich nicht mehr als Kaufpreis benötige, ebenfalls in eine gemeinsame Stiftung in Deutschland zu investieren. Die in Spanien ansässige Stiftung wurde von meinem Vater gegründet. Die Hälfte des jährlichen Gewinnes wird als Rücklage angelegt, um das Vermögen der Stiftung zu vermehren. Die andere Hälfte wird in spanische und deutsche Sozialprojekte investiert. Wir werden das mit unserer Stiftung hier genauso machen. Fünfzig Prozent des Gewinnes in die Rücklagen, die anderen fünfzig Prozent wollen wir für soziale Aufgaben verwenden.“

„Jetzt verstehe ich“, meinte Benjamin. „Gerhard hat dir die Firma weit unter Preis verkauft und dir dann erklärt, alles in eine Stiftung stecken zu wollen und du hast dich angeschlossen und den Rest des geplanten Kaufpreises ebenfalls in die Stiftung eingebracht.“

„Richtig,“ erklärte ich, „wobei Gerhard darauf gehofft hatte, dass ich genau diese Entscheidung treffe, wie er mir erzählt hat, als ich meinen Entschluss verkündete. Ich glaube, mit Gerhard in der Stiftung haben wir einen guten Partner, der unsere Aufgabe gut unterstützen wird.

Vermutlich hat sein schwuler Enkel dazu beigetragen, dass er diese Entscheidung getroffen hat. Ich selbst habe ihm nichts von unserem Engagement erzählt. Diese Informationen hat er von Johannes erhalten. Übrigens, dass sein Enkel schwul und in der von Michael geleiteten Gruppe ist, vergisst du am besten ganz schnell wieder.“

Benjamin nickte mit seinem Kopf und sagte: „Dann sollten wir den Versuch bei der Bank wagen“.

Damit war der Punkt abgehandelt. Ich telefonierte kurz mit Klaus und bat ihn, zu uns in mein Büro zu kommen. Zu Benjamin sagte ich: „Du kannst jetzt gleich Klaus erklären, was wir kurzfristig von ihm brauchen, damit wir mit der neuen Stiftung starten können. Als nächsten holen wir dann Bernhard und Marcus, denen du deine Wünsche hinsichtlich der Dokumentenverwaltung und der Nebenbuchhaltung erklären kannst. Anschließend überlegen wir uns welche Immobilien wir für die Stiftung kaufen wollen“.

„Du legst ein schönes Tempo vor, wenn du neue Projekt in Angriff nimmst. Zum einen die Stiftung und davor die Übernahme von Gerhards Firma und ,wenn ich das richtig verstanden habe, war das bei Johannes Firma genauso“.

„Daran wirst du dich gewöhnen müssen, wenn du für mich arbeitest“, meinte ich zu ihm, „Aber es ist nicht immer so, dass mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen sind. Am schlimmsten war es kurz nach dem Tod meines Vaters, als ich als Familienoberhaupt in das Geschäft ohne Vorankündigung einsteigen musste und die komplette Umgestaltung des Familienunternehmens geplant und durchgeführt habe“.

Klaus kam zu uns ins Büro und Benjamin erklärte ihm alles. Ich saß die ganze Zeit daneben und hörte nur zu wie mein neuer Mitarbeiter seine Aufgabe erledigte. Als Benjamin fertig war, meinte Klaus: „Habt ihr das einstudiert? Ich habe das von meinem neuen Mitarbeiter nicht erwartet, dass er mir so präzise und knackig erklärt, was er für seine zukünftige Arbeit benötigt“.

An Benjamin gewandt ergänzte er, dass er ihn scheinbar doch unterschätzt hätte. Der freute sich über das Lob seines neuen Abteilungsleiters in Sachen Buchhaltung. Für die sonstigen Angelegenheiten der Stiftung war ja ich sein Chef.

Klaus meinte, dass sie am Freitag gemeinsam den neuen Mandanten in der Buchhaltung einrichten werden, und, wenn es sein muss, am Samstag weitergearbeitet wird, so dass ab Montag alles startklar sei sofern Benjamin am Samstag Zeit habe. Wegen der sonstigen Software, die du benötigst, musst du mit Marcus oder Philipp sprechen, damit sie dir alles einrichten und die Schnittstellen zur Buchhaltung machen.

Klaus hatte gerade das Büro verlassen, als ich zu Benjamin sagte, dass er jetzt Bernhard in mein Büro einbestellen soll und er sein Notebook gleich mitbringen solle, sofern es vorbereitet sei. Er telefoniert kurz mit Bernhard und erklärte ihm, dass er doch bitte umgehend, zusammen mit Marcus, in meinem Büro erscheinen solle, möglichst mit dem für ihn, Benjamin, eingerichteten Notebook.

Es dauerte nur knapp eine Minute, bis Bernhard in meinem Büro stand, natürlich mit Benjamins Notebook. Als erstes meinte er zu Benjamin,: „Deine Notebooktasche liegt noch bei uns im Büro, die gebe ich dir später und die Docking-Station wird direkt auf deinem neuen Arbeitsplatz aufgebaut“.

Dann fing er an und wollte unserem Neuen alle Funktionen erklären. Benjamin stoppte ihn und meinte, dass können wir später erledigen. Zuerst will ich dir erklären, was ich außer dem Notebook noch alles für meine Arbeit brauche.

Bernhard schaute ihn verwundert an und war gespannt, was Benjamin noch alles für seine zukünftige Arbeit benötige. Da bisher nur wenige Mitarbeiter wussten, dass wir zu den beiden Firmenübernahmen auch noch eine neue Stiftung ins Leben rufen wollten, war es erst einmal an Bernhard zu staunen, als ihm Benjamin die Situation erklärte.

Während Benjamin ihm also erklärte, was er alles für seine Arbeit benötigen würde, beobachtet ich die beiden sehr aufmerksam. Dass es zwischen den beiden gefunkt hatte, war für mich nicht zu übersehen, also würden es die anderen Kollegen auch schnell merken. Jedenfalls hörte Bernhard seinem neuen Kollegen aufmerksam zu und am Ende fasste er kurz zusammen, was Benjamin brauchen würde.

Ich mischte mich ein und meinte, eure Zusammenarbeit in dienstlicher Hinsicht funktioniert bereits hervorragend. Aber ihr solltet darauf achten, dass euch nicht jeder sofort ansieht, dass da mehr sein könnte als nur Kollegialität. Es ist eure Entscheidung wie ihr damit umgehen wollt. Vor allem solltest du, Bernhard, mit deinem Bruder Andreas reden, damit er nicht plötzlich aus allen Wolken fällt, wenn sein kleines Brüderchen ebenfalls mit Jungs mehr anfangen kann als mit Mädchen. Immerhin gehen alle, die dich kennen, bisher davon aus, dass du ein Mädchenschwarm bist.

Die beiden schauten mich an und Bernhard meinte: „Du hast recht, ich sollte zumindest mit meinem Bruder drüber reden. Meinen Eltern werde ich auch erzählen, dass sie von mir keine Enkelkinder zu erwarten haben. Sie haben es bei Andi akzeptiert, also werden sie es auch bei mir verstehen“.

Ich fragte Benjamin, wie es den bei ihm ausschaue, ob er sich bei seinen Eltern schon geoutet habe. Er schaute mich traurig an und meinte:“Bestimmt nicht. So konservativ wie die sind, fliege ich sofort aus dem Haus. Das, was sie mit meinem kleinen Bruder angestellt haben, nachdem er sich bei ihnen geoutet hatte, kann mir nicht mehr passieren, ich bin ja bereits volljährig“.

Nun hatte er mich neugierig gemacht und ich bat ihn mir zu erzählen, was da abgelaufen sei. Es dauerte längere Zeit, bis er mir endlich erzählte: „Christian hat letztes Jahr, kurz bevor die Sommerferien begannen, meinen Eltern erzählt, dass er schwul sei. Statt mit seiner Ausbildung zu beginnen, wurde er von meinen Eltern ihn in ein Sanatorium abgeschoben, in dem man angeblich von dieser Krankheit geheilt werden kann.

Da er noch nicht volljährig ist, kann er das Sanatorium noch nicht auf eigenen Wunsch verlassen. Er will mit seiner Volljährigkeit nächstes Jahr auf alle Fälle die Klinik auf eigenen Wunsch verlassen. Ich bin deswegen bereits auf der Suche nach einer Wohnung für uns beide.

Ich meinte:“ Warum bist du nicht zum Jugendamt gegangen und hast dort um Hilfe für deinen Bruder gebeten“. Benjamin sagte: „Wir wollten unsere Eltern, die eine angesehene Familie ist, nicht in Schwierigkeiten bringen und deshalb haben wir gemeinsam beschlossen, sobald Chris endlich achtzehn ist, uns endgültig von unseren Eltern loszusagen und unser eigenes Leben zu führen“.

Ich fragte ihn, ob er nachtragend wäre und es sich mit seinem Job im Gutshof noch einmal überlegen würde, wenn ich mich mit dem Jugendamt in Verbindung setze und Chris noch vor Weihnachten aus dem Sanatorium heraushole. „Ich verspreche dir, deine Eltern werden sich gegen die Aktion des Jugendamtes nicht wehren, den sonst würde ihr Verhalten in der Öffentlichkeit landen, wenn sie eine Anzeige und Gerichtsverhandlung wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen zu fürchten haben“.

Benjamin schaute mich an und meinte: “ ist du dir sicher, dass das funktioniert? Ich erklärte ihm, dass Chris nicht der Erste wäre, der von den Jugendämtern auf diese Art und Weise aus den Fängen der Sanatorien herausgeholt wird. Ich habe einen guten Kontakt zum Chef des hiesigen Jugendamtes und der weiß genau, was er darf und wie weit er gehen kann, ohne selbst Gesetze zu verletzen. Du musst mir nur sagen in welchem Sanatorium dein Bruder steckt und mir grünes Licht geben, dann starte ich meine Befreiungsaktion für deinen Bruder. Eine Frage habe ich noch, welche Ausbildung wollte dein Bruder damals eigentlich anfangen.

Benjamin meinte, ich glaube er wollte damals irgendetwas mit Gartenbau oder Gärtner machen. Er hatte einen Ausbildungsvertrag bei einer Gärtnerei Winter, wenn ich mich recht erinnere. In diesem Moment fiel mir ein, dass einer von Manuels Auszubildenden letztes Jahr kurzfristig ausgefallen ist, da seine Eltern ihn einfach wieder abgemeldet hatten“.

Ich sagte zu Benjamin, dass diese Gärtnerei zum Gutshof gehört und wir letztes Jahr kurzfristige eine Absage von den Eltern eines Auszubildenden erhalten haben. Könnte das dein Bruder gewesen sein?

Ich telefonierte kurz mit Manuel in der Gärtnerei, der mir bestätigte, dass es sich um einen Christian Dreier gehandelt habe. Er habe sich damals gewundert, dass er wieder abgesprungen ist, da der junge Mann einen sehr interessierten Eindruck hinterlassen habe.

Ich meinte, wenn du Zeit hast, komm bitte rüber in den Gutshof in mein Büro, dann können wir dir näheres dazu erklären. Er meinte, ich wollte heute sowieso noch bei dir vorbeischauen, dann fahre ich gleich los und bringe Daniel mit.

Benjamin wollte wissen, mit wem ich da gerade telefoniert hätte. Ich erklärte ihm, dass dies Manuel gewesen ist, der Chef der Gärtnerei. Ich habe dir doch erzählt, dass er mit seinem Lebensgefährten drüben im Verwalterhaus wohnt.

Bis die beiden bei uns eintrafen erklärte Bernhard seinem neuen Freund die Dokumentenverwaltung im Allgemeinen, die speziellen Dinge für die Stiftung würde er ihm zeigen, sobald alles eingerichtet ist. Ich hatte zwar damit gerechnet, dass Manuel und Daniel länger brauchen würden, bis sie im Büro auftauchten, aber keine zehn Minuten später stürmten die Zwei in mein Büro und staunten nicht schlecht, als sie Bernhard beim Flirten mit Benjamin erwischten; und dass in meinem Beisein.

Manuel schaute mich an, grinste und sagte zu mir: „Sehe ich das richtig, da sitzen zwei Jungs in deinem Büro und flirten, was das Zeug hält, und du merkst das nicht einmal“. In diesem Moment fingen die beiden hinter ihm laut zu lachen an. Manuel drehte sich zu den beiden und wollte wissen, was daran so lustig sei.

„Deine Naivität“ antwortete ihm Bernhard, „du glaubst doch nicht wirklich, dass Peter völlig ahnungslos ist. Er war derjenige, der heute Vormittag schon bemerkt hat, dass ich ein Auge auf Benjamin geworfen habe. Er hat es mir direkt auf den Kopf zugesagt und da konnte ich es einfach nicht mehr verleugnen.“

Benjamin meinte, mich hat er auch damit überrumpelt. Ich verstehe gar nicht wie er meine fast perfekte Tarnung durchschaut hat. Immerhin hat er zumindest mir klar gemacht, dass ich so nicht mehr weitermachen kann und darf. Es geht um mich und meinen jüngeren Bruder Christian, wir sind beide schwul. Mein kleiner Bruder hat sich letztes Jahr bei unseren Eltern geoutet und als Ergebnis wurde er in ein Sanatorium gesteckt, um ihn von seiner Krankheit zu heilen. Ich habe bisher geschwiegen und wollte mit Christian ein neues Leben anfangen, wenn er volljährig ist und sich selbst aus dem Sanatorium entlassen kann. Dies habe ich vorher Peter erzählt und er hat gemeint, mit Hilfe des Jugendamts kann er meinen Bruder kurzfristig aus dem Sanatorium herausholen. Bei dir wollte er seine Ausbildung beginnen. Würdest du ihm noch eine Chance geben, jetzt als Auszubildender einzusteigen?“

Manuel schaut mich an und meinte: ‚Sofort kann Christian nicht beginnen. Aber zum ersten Februar haben wir die Möglichkeit dazu. Peter, unterstützt du uns bei der Handwerkskammer, falls es zu Problem kommt. Ich meinte, wenn es so sein sollte, kannst du mit natürlich mit meiner Unterstützung rechnen.

Benjamin erzählte weiter: „Ich bin derzeit auf der Suche nach einer Wohnung für mich und meinen Bruder. Momentan weiß ich noch nicht wo wir wohnen können, wenn Christian aus dem Sanatorium kommt“.

Daniel schaute mich an und meinte, ob ich eine Idee hätte, die beiden helfen würde. „Leider nicht“, meinte ich.“Gut, Benjamin könnte mit Bernhard oben das Appartement bewohnen, aber für Christian kann ich auf Anhieb nur mein oder Philipps Gästezimmer anbieten“. Manuel meinte, dann könne er auch im Verwalterhaus ins Gästezimmer einziehen. Er würde sowieso immer mit uns in die Gärtnerei fahren, also kann er auch da wohnen, bis sich etwas anderes ergibt.

Ich sah Benjamin an und meinte: „Ich habe eine Idee, die hilft dir und Christian jetzt leider nicht mehr, aber wir werden mit unserer neuen Stiftung Wohnungen schaffen, die genau für solche Zwecke dienen sollen: Jugendlichen, die nicht wissen wohin, eine vorübergehende Bleibe anzubieten. Im konkreten Fall, diese Frage geht jetzt an Bernhard, würdest du Benjamin bei dir aufnehmen, wenn wir für Christian eine andere Lösung finden? Immerhin wären beide am Gutshof untergebracht und können sich regelmäßig sehen. Christian kann dann selbst entscheiden, bei wem er unterschlüpfen will“.

Während die Jungs noch miteinander diskutierten, wo Christian untergebracht werden könne und ob Benjamin sofort zu Bernhard in das Appartement einzieht, setzte ich mich ans Telefon und versuchte den Leiter des Jugendamtes zu erreichen. Da er nicht mehr im Büro war, wurde ich mit der stellvertretenden Leiterin verbunden, die heute auch für den Notdienst zuständig war.

Als sie sich mit ihrem Namen gemeldet hatte, staunte ich ein wenig, die Mitarbeiterin des Jugendamtes war mir bestens bekannt. Sie war diejenige, die in den ersten Jahren nach dem Tod meiner Frau darauf achtete, ob ich als alleinerziehender Vater alles richtig machte. In dieser Zeit hatte sich ein gutes Verhältnis zu Barbara aufgebaut. Sie wusste auch dass ich mit Thomas zusammenlebe und sah darin keine Gefährdung des kindlichen Wohles.

Ich erzählte ihr was mir Benjamin heute am frühen Nachmittag von sich und seinem Bruder erzählt hatte und wie ihre Eltern auf das schwul sein ihres Sohnes reagiert haben. Sie stellte die gleiche Frage wie ich, warum er nicht zum Jugendamt gekommen sei, und ich erklärte er, dass er Angst gehabt hätte, damit seinen Bruder für immer zu verlieren.

Sie meinte, ich solle ihr die Daten des Sanatoriums und des Jungen durchgeben und wenn es in ihrem Dienstbereich liegt, kann Benjamin wahrscheinlich seinen Bruder noch heute in die Arme schließen. Sie erklärte mir, dass sie ja wisse, wo ich zu finden sei. Da erklärte ich ihr, dass ich jetzt auf dem Gutshof Sonneneck wohne. Als sie mich fragte, ob ich Michael kenne, meinte ich zu ihr, dass er einer meiner Mitarbeiter sei.

Sie versprach, sich sofort um die Angelegenheit zu kümmern und würde mich auf dem Laufenden halten. Ich gab ihr vorsichtshalber noch meine mobile Rufnummer, damit sie mich auf dem Laufenden halten könne.

Zwischenzeitlich hatten sich Benjamin und Bernhard darauf geeinigt, dass sie beide gemeinsam in das Appartement einziehen wollten. Jetzt war nur noch zu klären, wie es bis dahin weitergehen solle.

Ich bat Benjamin, nach Hause zu fahren und sich unter einem Vorwand eine Reisetasche für mehrere Tage zu packen und damit wieder zurückzukommen. Wenn er will, kann er sich mit Bernhard in den nächsten Tagen unser Gästezimmer teilen.

Bernhard meinte, er soll doch einfach sagen, dass er kurzfristig auf eine mehrtägige Dienstreise geschickt werde von Gerhard, da dieser erkrankt sei und er ihn vertreten solle. Bernhard meinte noch, dass sie dann wohl beide mit mir am Wochenende zum Möbelkauf in das schwedische Möbelhaus fahren würden.

Benjamin machte sich auf den Weg zu sich nach Hause, um sich für die nächsten Tage mit dem nötigsten zu versorgen und als er weggefahren war, bat ich die Jungs Michael, Philipp, Marcus, Jonas und Tim zu informieren, dass wir uns in zehn Minuten im Besprechungsraum treffen werden.

Bernhard lief in sein Büro und informierte meinen Sohn und Marcus, Manuel rief im Verwalterhaus an und erklärte Jonas und Tim, dass sie sofort im Besprechungsraum zu erscheinen hätten. Daniel kümmerte sich darum, dass Michael informiert wurde.

Als ich nach knapp zehn Minuten ins Besprechungszimmer eintrat, saßen bereits alle am Tisch und schauten mich erwartungsvoll an. Michael hatte sogar seinen Andreas mitgebracht, da er für heute seine Arbeit bereits erledigt hatte und bei Michael im Büro war.

Ich meinte, einige von euch kennen bereits einen Teil dessen, was ich euch jetzt erzähle, hört trotzdem aufmerksam zu. Philipp fragte, ob das etwas mit dem neuen Benjamin zu tun habe, wobei er mich mit seinen Augen fixierte. Ich meinte, Benjamin spielt bei dem Ganzen eine gewisse Rolle, aber es gehe nicht nur um ihn.

Ich schaute Bernhard an und meinte: Wie alles angefangen hat erzählst am besten du selbst. Nur so viel vorweg, wir haben seit heute einen weiteren Mann in der Buchhaltung, Benjamin Dreier. Er wird zukünftig die Buchhaltung und die Verwaltung der Stiftungen übernehmen. Er kam heute Vormittag in mein Büro, nachdem er von Gerhard Bauer zu mir geschickt wurde. Ich habe mich mit Gerhard Bauer geeinigt über den Kauf seines Unternehmens. Mit dem vollen Kaufpreis, und dem Rest, den ich sowieso verplant hatte für den Kauf, wird eine weitere Stiftung eingerichtet. Da Benjamin bei Gerhard die Buchhaltung erledigt hat, wollte ich ihn schnellstens integrieren, damit er zusammen mit den Buchhaltungsmitarbeitern bei uns und der J. Graf GmbH zusammen am Jahresanfang anfangen kann. Unter Mithilfe von Bernhard gelang es mir, ihm sein dunkles Geheimnis zu entlocken und deshalb sitzt ihr jetzt hier. Aber jetzt soll erst einmal Bernhard weitererzählen.

Bernhard schildert nun aus seiner Sicht die Ereignisse. Er meinte, er habe Benjamin wohl etwas zu intensiv angeschaut und mir sei das aufgefallen. Ich hätte ihn später deswegen angesprochen und er hätte mir erklärt, dass er gemeint hätte, in Benjamin einen ehemaligen Mitschüler erkannt zu haben. Er habe das verworfen, da Benjamin doch etwas älter war als sein Mitschüler. Ihr kennt Peter lange genug, er gab sich mit meiner Antwort nicht zufrieden und er entlockte mir, dass mir Benjamin schon gefallen würde. Vermutlich hat er mit Benjamin das gleiche Spielchen getrieben.

Ich warf ein, da war Gerhard auch daran beteiligt, und dass er zumindest eingeräumt hat, schwul zu sein. Als Gerhard gegangen war, erzählte Bernhard weiter, holte mich Peter in sein Büro und zunächst erklärte mir Benjamin, was er alles für seine zukünftige Tätigkeit brauche.

Peter meinte dann, zu uns beiden, dass wir uns arbeitstechnisch gut verstehen, wir aber doch bitte aufpassen sollten, dass nicht jeder sofort sieht, wie es in uns beiden aussieht. Ich solle doch wenigstens mit meinem Bruder und meinen Eltern reden und ihnen alles erklären.

Peter fragte dann Benjamin, ob seine Eltern wüssten das er schwul sei. Benjamin erzählte uns dann, dass seine Eltern nichts davon wissen und es auch nie von ihm erfahren werden, da er nicht das gleiche Schicksal wie sein kleiner Bruder erleiden wolle. So nach und nach erzählte er uns dann, dass Christian, von ihren Eltern in ein Sanatorium gesteckt wurde, um ihn von dieser Krankheit zu heilen und er nur noch darauf warte, bis sein kleiner Bruder achtzehn sei und nicht mehr gegen seinen Willen im Sanatorium festgehalten werden könne.

Gemeinsam wollten sie sich eine Wohnung suchen und nichts mehr mit ihren Eltern zu tun haben. Peter hat ihn zwar gefragt, warum er nicht zum Jugendamt gegangen sei, um seinen Bruder zu helfen. Auf alle Fälle hat er Peter die Erlaubnis erteilt mit dem Jugendamt über seinen Bruder zu reden. Während wir diskutierten, wo Benjamin und sein Bruder unterkommen könnten, führte Peter ein Gespräch mit dem Jugendamt.

Danach haben wir Benjamin nach Hause geschickt und gemeint, er solle eine Reisetasche packen und seinen Eltern erzählen, dass er für ein paar Tage eine Dienstreise für seinen erkrankten Chef übernehmen soll. Er ist jetzt unterwegs und kommt später wieder zurück. Wir beide bleiben in den nächsten Tagen im Gästezimmer bei Peter und Thomas und ziehen dann in das Appartement um. Ab diesem Zeitpunkt kann Christian dann unser Gästezimmer übernehmen.

So, jetzt wisst ihr, warum ich euch geholt habe, meinte ich. Die Situation macht es erforderlich, dass wir vermutlich bereits für die kommenden Nächte eine Möglichkeit zum Schlafen für Christian brauchen. Barbara vom Jugendamt hat nämlich angedeutet, dass sie möglicherweise bereits heute Abend noch mit Christian hier auftauchen könne, wenn alles nach Plan verlaufe. Sie will mich jedenfalls auf dem Laufenden halten, sobald es Neuigkeiten gibt.

Bitte sagt Benjamin aber noch nichts davon, nicht dass er enttäuscht ist, wenn es heute doch nicht mehr über die Bühne geht. Damit Christian in der Nähe seines Bruders bleiben kann, muss er auf dem Gutshof untergebracht werden. Manuel und Daniel haben schon angeboten ihn im Gästezimmer im Verwalterhaus unterzubringen, ansonsten gäbe es noch die Möglichkeit bei Philipp und Marcus.

Philipp lachte und meinte, ein Leidensgenosse findet bei uns immer Unterschlupf. Aber denkt daran, dass unser Gästezimmer in der Nacht von Donnerstag auf Freitag bereits vergeben ist.

Daran hatte ich nicht mehr gedacht, als ich Philipps Gästezimmer ins Spiel brachte. Andreas meinte, Michael und ich nehmen Christian gerne für ein paar Tage bei uns auf.

Peter, mal eine Frage, könnte er nicht langfristig das zweite Appartement neben unserer Wohnung haben, dann wäre er immer in der Nähe von seinem Bruder und Michael könnte ihm die nötige Hilfe geben, wenn er sie braucht, erklärte uns Andreas noch.

Ich erklärte, dass ich auch schon daran gedacht habe, vermutlich wird es aber länger dauern bis dort eine Küche eingebaut werden kann. Bernhard meinte, dass sei sicher nicht so wichtig. Christian kann sicher bei uns mitessen, ob wir abends und am Wochenende für zwei oder drei kochen, spielt sicher keine Rolle und mittags kann er ja die Kantine benutzen.

Ich meinte, wenn das Jugendamt damit einverstanden ist, lässt sich das sicher arrangieren. Interessant wird das nur mit der Miete, wie ich das Jugendamt kenne werden sie Christians Eltern ganz schön zur Kasse bitten, um das alles zu finanzieren und das alles, bis er seine Ausbildung abgeschlossen hat.

Plötzlich stand Thomas in der Tür und meinte, ich dachte hier wird schwer geschuftet und dann finde ich euch alle im Besprechungszimmer bei einer gemütlichen Plauderei. Bernhard erwiderte frech: „Hier wird schwer geschuftet,. Wir sind gerade dabei das Leben unseres neuen Buchhalters Benjamin für die beiden Stiftungen und seines Bruders Christian zu verplanen“. Thomas schaute uns alle an. Wahrscheinlich hielt er uns in dem Moment auch ein bisschen verrückt, bis wir ihm die Geschichte der Beiden erzählt hatten.

Mein Handy piepste kurz, eine SMS war für mich gekommen, mit folgendem Inhalt: *Wir sind unterwegs mit einer richterlichen Verfügung*. Ich erklärte den Jungs, dass es wohl gut aussehe um Christian. Barbara ist bereits unterwegs zum Sanatorium. Thomas meinte zu mir:“Du meinst aber nicht die Barbara, die dich jahrelang kontrolliert hat, als du alleinstehender Vater warst?“

Doch, genau die ist jetzt unterwegs, um Christian aus dem Sanatorium heraus zu holen und das ganz ohne Vorankündigung. Die werden dort sicher ihren Spaß mit Babara und der Polizei haben. Philipp meinte, an die kann ich mich auch noch gut erinnern, gerade in der ersten Zeit nach Mutters Tod war sie richtig lästig“.

Ich erklärte allen, dass wir im Moment nichts tun können als abzuwarten, wobei es besser wäre, wenn wir alle wieder unserer Arbeit nachgehen würden. Ich werde Alexandra fragen, ob das Nebenzimmer heute Abend frei ist. Wir treffen uns um sieben Uhr im Restaurant, heute essen wir ausnahmsweise dort.

Bis auf Manuel und Daniel verschwanden die Jungs wieder an ihre Arbeit. Manuel meinte ob ich für ihn ein paar Minuten Zeit habe, er würde gerne noch mit mir das gestrige Gespräch vertiefen. Er habe sich heute mit Daniel über die Planungen für das nächste Jahr gesetzt und da ist uns aufgefallen, dass wir unsere Kapazitäten vorerst nicht erweitern müssen, wenn wir die vorhandenen Möglichkeiten besser nutzen.

Um die beiden Kunden zu beliefern haben wir nur unsere Anbaupläne optimiert. Ich habe beiden deshalb bereits zugesagt, sie zu beliefern, aber immer mit dem Risiko, dass in den ersten zwei Jahren manchmal die gewünschten Mengen nicht erreicht werden können. Sie sind damit einverstanden, wenn die Abweichungen nicht zu groß sind. Damit bleibt es bei den bisherigen Plänen für den Neubau und die Erweiterung der Gewächshäuser. Weil damit Manuels Problem gelöst war, verabschiedeten sich die beiden und meinten wir sehen uns nachher im Restaurant.

Thomas war inzwischen bei Alexandra gewesen und hatte für uns den Nebenraum reserviert. Als er zurückkam fragte ich ihn, wie sich sein neuer Assistent denn so mache. Er antwortete mir, überraschend gut, noch nicht perfekt, aber besser als erwartet. Petra und ich haben vereinbart, dass er morgen die Arbeit allein machen soll, um zu sehen, wie er damit zurechtkommt.

Sie wird morgen bereits hier sein und kann dich bei der Überwachung der Möbelbauer unterstützen und dich entlasten. Vielleicht gut so, dann hast du mehr Zeit um dich um Christian zu kümmern. Ich habe vorher mitbekommen, dass Michael und Armin morgen das Wochenende mit den Vertretern der Jugendämter vorbereiten wollen.

Mein Blick zu Uhr verriet mir, dass Benjamin so langsam wieder hier auftauchen könnte, sofern alles nach Plan abgelaufen sei. Thomas und ich gingen in mein Büro zurück, wohin sich Bernhard schon während meines Gespräches mit Manuel und Daniel verzogen hatte. Er saß in der Besprechungsecke und richtete für ihn bereits die ersten Programme ein, die Benjamin für seine Arbeit neben der Buchhaltung brauchen werde.

Die meisten Büros waren bereits verwaist. Immerhin war es inzwischen kurz nach achtzehn Uhr. Fünf Minuten später kam Benjamin ins Büro und meinte, sein Koffer stehe draußen auf dem Flur. Die ganze Aktion sei völlig unproblematisch verlaufen, da seine Eltern nicht zuhause waren. Er habe ihnen nur einen Zettel hinterlassen, dass er in den nächsten Tagen mit seinem Chef auf einer mehrtägigen Geschäftsreise sei und voraussichtlich am Samstagnachmittag zurückkehren werde.

Bernhard stellte seine Arbeit ein und wir sprachen darüber, dass wir am Samstag nach München fahren wollen, um Möbel bei einem schwedischen Möbelhaus zu besorgen für das Appartement, das jetzt nicht nur von Bernhard, sondern ihnen beiden bewohnt werde.

Bernhard meinte, du musst unbedingt mitkommen, damit wir uns gemeinsam die Einrichtung aussuchen können. Unsere erste gemeinsame Wohnung soll ja uns beiden gefallen und nicht nur meinem Geschmack entsprechen.

Die Küche habe ich leider schon ausgesucht, sie wird am Freitag geliefert und aufgebaut. Benjamin meinte, dass komme jetzt sehr überraschend. Als ich ihm jedoch erklärte, dass wir unsere Einkaufstour nach München bereits am Sonntag beschlossen hatten, erklärte er sich einverstanden damit.

Wieder piepste mein Smartphone und nachdem ich die eingegangene Nachricht gelesen hatte, meinte ich Bernhard solle doch mit Benjamin schon einmal hochgehen und den Koffer nach oben ins Gästezimmer bringen und seine Kleidung in den Schrank einräumen. Er kann seine Toilettenartikel bereits im Bad unterbringen, Platz sei noch vorhanden.

Bernhard ahnte, warum ich die beiden erst einmal los sein wollte, und machte sich mit Benjamin auf den Weg nach oben, mit der Drohung in zwanzig Minuten seien sie wieder hier, wenn wir alle zum Essen gehen.

Thomas meinte, wieso ich es so eilig hatte, die beiden loszuwerden. Als ich ihm sagte, dass Barbara in Kürze hier eintrifft, lachte er nur und sagte: „Du änderst dich wirklich nicht mehr.“

Thomas und ich zogen unsere Jacken an und gingen nach draußen, um Barbara und Christian in Empfang zu nehmen. Die fünf Minuten, von denen sie geschrieben hatte, waren fast um. Draußen stellten wir fest, dass bereits ein Fahrzeug auf dem Parkplatz des Restaurants am Einparken war, das konnten nur die Beiden sein.

Wir gingen zum Fahrzeug und als Barbara uns sah stieg sie aus dem Auto aus und begrüßte uns recht herzlich. Christian stieg auf der Beifahrerseite aus und sah uns etwas verwundert an, er hatte wohl gehofft, dass sein Bruder ihn in Empfang nehmen würde. Mit uns beiden hatte er nicht gerechnet.

Ich erklärte ihm, dass er seinen Bruder bald sehen werde. Er sei derzeit oben in unserer Wohnung und räumt seinen Koffer aus. Er wisse bisher nichts davon, dass er bereits heute aus dem Sanatorium geholt wurde.

Barbara öffnete den Kofferraum und holte Christians Koffer heraus. Gemeinsam gingen wir in mein Büro und setzten uns in die Besprechungsecke. Ich erklärte Christian, dass sein Bruder ab sofort bei uns die Buchhaltung für seinen bisherigen Arbeitgeber weiter bearbeiten werde, weil wir uns auf den Kauf des Unternehmens geeinigt hätten. Nachdem er mir heute Nachmittag von deinem Schicksal erzählt hat, habe ich beim Jugendamt angerufen und gebeten, dich möglichst schnell dort rauszuholen.

Barbara, die ich schon viele Jahre kenne, hat mir versprochen alles menschenmögliche zu unternehmen, dass du heute noch deine Freiheit genießen kannst. Ich fragte ihn, ob er den seine Ausbildung zum Gärtner noch antreten wolle, nachdem seine Eltern ja kurzfristig abgesagt hätten.

Er schaute mich fragend an, woher ich all das wüsste. So erklärte ich ihm, dass sein Ausbildungsbetrieb, die Gärtnerei Winter, inzwischen ebenfalls zum Gutshof gehöre und ich deshalb diese Informationen habe. Manuel, mit dem du damals gesprochen hast, ist bereit dich als Auszubildenden aufzunehmen. Du könntest Anfang Februar mit deiner Ausbildung beginnen. Jetzt war Barbara diejenige die mich fragend ansah, bevor sie meinte:,“Ihr nehmt mir ja die ganze Arbeit ab mit dem jungen Mann“.

Ich erklärte ihr, dass es noch mehr Überraschungen für sie gebe. „Sein Bruder Benjamin bezieht mit seinem neuen Freund Bernhard, der ebenfalls am Gutshof arbeitet, in den nächsten Tagen eines der Appartements im Dachgeschoß des ehemaligen Gesindehauses. Das Appartement daneben ist noch frei und dort könne Christian einziehen, wenn er das wolle.

In einer der beiden größeren Wohnungen, ebenfalls im Dachgeschoß, lebt Michael, unser Sozialarbeiter, mit seinem Lebensgefährten Andreas, Bernhards älterem Bruder. Michael hat sich bereit erklärt, Christian bei allen auftauchenden Problemen zur Seite zu stehen. Du kannst aber auch auf mich und Thomas zukommen, wenn du Hilfe brauchst, meinte ich noch“.

Ich sagte zu Barbara: „Hoffentlich hast du noch etwas Zeit mitgebracht. Wir treffen uns gleich im Restaurant mit einem Teil meiner Truppe, die alle wie Christian schwul sind und ihm helfen wollen wieder in ein normales Leben zurückzukehren. Wundere dich aber nicht. Mein Sohn Philipp gehört auch zu dieser Gruppe.“

So sprachlos hatte ich Barbara noch nie erlebt. Es dauerte etwas, bis sie antwortete: „Ich wusste schon, dass Michael die Gruppe der schwulen und lesbischen Jugendlichen betreut, aber dass euer Engagement darüber hinaus geht, war mir bis heute nicht bekannt“ . Ich konnte ihr gerade noch erklären, dass wir im Januar einen monatlichen Stammtisch zum Erfahrungsaustausch für die Eltern von schwulen und lesbischen Jugendlichen einrichten wollen, als es an der Tür klopfte.

Ich rief herein und Bernhard trat als erster ein. Hinter ihm folgte Benjamin, der, als er seinen kleinen Bruder erblickte aufschrie und sich sofort auf ihn stürzte. Die beiden fielen sich in die Arme und ich sah sofort, dass bei beiden die schwere Last der langen Trennung fast im Nichts verschwand. Nachdem sich Benjamin wieder von seinem Bruder gelöst hatte, erklärte er ihm, dass Bernhard sein neuer Freund sei.

Als er Bernhard genauer betrachtete, merkte er, dass es sich um seinen ehemaligen Mitschüler handelt und stürzte sich auf ihn und drückte ihn fest an sich mit den Worten: „Dich hätte ich hier niemals erwartet, noch dazu als den Freund meines Bruders, du warst doch immer der Schwarm aller Mädchen aus unserer Klasse.“ Bernhard grinste ihn an und meinte: „So kann man sich täuschen. Aber erst einmal herzlich willkommen am Gutshof, dein Bruder und ich freuen uns, dass du endlich hier bist.“

Barbara war von diesem Auftritt so überrascht, dass sie mich fragte: „Und das hast du natürlich auch schon gewusst, dass die beiden zusammen in eine Klasse gegangen sind?“

„Zwangsläufig“ antwortete ich ihr, „denn das war auch der Auslöser, dass Benjamin uns die Geschichte von Christian erzählte.“ Ich meinte wir sollten so langsam ins Restaurant gehen, wir werden dort sicher bereits von allen anderen erwartet. Bernhard und Benjamin nahmen Christian in ihre Mitte und gingen voran. Thomas und ich machten das gleiche mit Barbara und folgten ihnen.

Am Eingang zum Nebenzimmer wurden wir bereits von Alexandra und der ganzen Meute erwartet. Christine vom Service bot uns allen einen kleinen Aperitif an. Ich stellte Barbara, Christian und Benjamin den Anwesenden und anschließend die anwesenden Bewohner des Gutshofes der Reihe nach vor. Philipp begrüßte Barbara und sagte ihr, dass er sich freue sie einmal wiederzusehen nach so langer Zeit. Sebastian tauchte auch auf und so erklärte ich Barbara, dass er und Alexandra das Restaurant und unseren Beherbergungsbetrieb leiten, in dem auch während der Ferien die benachteiligten Kinder und Jugendlichen untergebracht sind. Sie meinte, das Projekt kenne sie und ihr Chef habe ihr erzählt, dass demnächst eine Abordnung aus Hessen und Thüringen hier ist, um zu prüfen, ob sie einige Kinder und Jugendliche während der Ferien hier unterbringen können.

Alexandra meinte wir sollten uns doch setzen, Sebastian hat extra für euch gekocht und ihr bekommt alle das Gleiche. Lasst euch einfach überraschen, was wir euch servieren. Christine bringt euch gleich die Getränke, ich nehme jetzt eure Bestellungen entgegen.

Barbara, Michael, Andreas, Thomas und ich setzten uns zusammen, die Jüngeren bildeten die weitere Gruppe. Ich bekam mit, wie Manuel zu Christian sagte, dass er sich freuen würde, wenn er jetzt seine Ausbildung bei ihm beginne. Er würde aber auch verstehen, wenn er sich jetzt für einen ganz anderen Ausbildungsberuf interessieren würde. Christian erklärte, dass er immer noch Gärtner werden will und es ihn besonders freue, dass er trotz aller Widrigkeiten bei ihm seine Ausbildung beginnen könne.

Nachdem unsere Getränke geliefert wurden, erzählt Barbara mir und Michael, dass die Polizei inzwischen bei Christians Eltern gewesen sein dürfte und ihnen die einstweiligen Verfügungen zugestellt wurden. Für sie besteht vorerst ein absolutes Besuchsverbot. „Sie dürfen Christian derzeit nicht mehr sehen. Des weiteren hat der Richter angeordnet, dass sämtlicher Privatbesitz und alle ihn betreffenden Urkunden und sonstigen Unterlagen dem Jugendamt auszuhändigen sind. Wenn ich sehe, wie die beiden Brüder aneinanderhängen und eure Bemühungen ihm zu helfen, habe ich keine Sorge, dass Christian sein Trauma nicht schnell überwindet. Was mich nur wundert, warum Benjamin nicht das gleiche widerfahren ist.“ „Ganz einfach“, sagte ich, „er hat seinen Eltern bis heute nichts davon erzählt, dass er schwul ist. Er wird von sich aus zu Hause ausziehen, da er und Bernhard bei uns ein Appartement beziehen werden“.

Als Vorspeise servierte uns die Küche eine Maronencremesuppe, die ich schon lange nicht mehr gegessen hatte. Sie schmeckte hervorragend. Auch Barbara meinte, die Suppe schmecke fantastisch, und kam er anschließenden Frage, ob das die Küche das mit dem Hauptgang noch toppen könne. Ich meinte nur, sie solle sich einfach überraschen lassen.

Bevor der Hauptgang serviert wurde, meinte Barbara: „Ich bringe es nicht übers Herz, Christian wieder mitzunehmen und ihn in einer Einrichtung des Jugendamtes unterzubringen. Auch wenn es nicht unserer üblichen Vorgehensweise entspricht, ich lasse Christian in deiner und Michaels Obhut. Er ist hier besser aufgehoben als in unserem Jugendheim“.

Ich grinste sie an und meinte, dass wusstest du doch vorher schon, sonst hättest du gar nicht Christians Koffer aus deinem Auto geholt.

Inzwischen wurde der Hauptgang serviert und ich konnte Barbaras Gesicht ansehen, dass Sebastian die Überraschung gelungen war. Es gab Kalbsrahmbraten mit handgeschabten Spätzle, dazu eine fein abgeschmeckte Sauce mit einer leichten Whiskey-Note und frischem Gemüse, dass aus Manuels Gärtnerei angeliefert wird.

Nach dem ersten Bissen meinte sie:,“Alle Achtung, ich habe die Küche völlig unterschätzt. Der Hauptgang toppt die Vorspeise wirklich“. Wir ließen es uns allen schmecken und erst als die Ersten ihren Teller geleert hatten, setzten die Tischgespräch wieder langsam ein. Benjamin meinte: „Das war hervorragend. Ich war heute Mittag schon vom Kantinenessen überrascht, das annähernd so gut geschmeckt hat“.

Selbst das Dessert war der Küche hervorragend gelungen und wurde von allen am Tisch sitzenden nur gelobt. Barbara meinte, sie müsse jetzt aufbrechen, sonst gibt ihre Kollegin am Notfall-Telefon noch eine Vermisstenanzeige auf, weil sie so lange nicht mehr ins Büro zurückgekommen ist oder sich gemeldet hat.

Sie verabschiedete sich von uns allen und wünschte uns noch einen schönen Abend. Thomas meinte, wir sollten die gemütliche Runde auflösen und, nur wir fünf, zu uns in die Wohnung gehen.

Während alle anderen bereits auf dem Weg in ihre Wohnungen waren, gingen Thomas, Bernhard, Benjamin, Christian wieder rüber ins Büro, um Christians Koffer zu holen. Auf dem Weg nach oben erklärten Bernhard und Benjamin, dass Christian in den nächsten Tagen bei ihnen schlafen werde, Philipp hat versprochen, das Notbett gleich vorbeizubringen.

Es sprach nichts dagegen, wenn, wie geplant, am Wochenende die Möbel gekauft und aufgebaut werden, könnten die drei ab Sonntag in den Appartements schlafen. Philipp und Marcus standen bereits bei uns im Gästezimmer und bauten das Notbett auf.

Es wurde etwas eng im Zimmer, aber für die paar Nächte wird das schon gehen. Wir gingen ins Wohnzimmer und setzten uns auf unsere Wohnlandschaft. Ich meinte zu Christian: Wir haben dich vorher in meinem Büro mit jeder Menge an Informationen überfallen. Hast du schon über das Ganze nachgedacht?“. Er antwortete mir: „Sicher, mir ist in den letzten eineinhalb Stunden klar geworden, dass Benjamin für uns beide eine fast perfekte Lösung unseres Problems gefunden hat. Was ich nur immer noch nicht verstehe, wie du Peter, es geschafft hast, dass er sich dir gegenüber geöffnet hat und dir unsere Probleme so offen geschildert hat.“

Benjamin hatte mitgehört und erklärte seinem kleinen Bruder: „Wenn ich ehrlich bin, ich weiß es selbst nicht. Heute Morgen, als mir mein Chef erklärt hatte, dass er die Firma verkauft, hatte ich die Befürchtung, dass ich zukünftig nicht mehr gebraucht werde. Er meinte, ich solle mir doch meinen neuen Arbeitsplatz erst einmal anschauen und mit meinem zukünftigen Chef und den neuen Kollegen reden.

Ich bin mit gemischten Gefühlen hierher gefahren und war von der offenen Art, wie ich empfangen wurde, völlig überwältigt. Beim Rundgang durch die Firma bin ich mit Bernhard zusammengetroffen und ich habe sofort gespürt, das wäre der Richtige für mich. Wir haben uns beide zu offensichtlich gemustert. Peter ist das sofort aufgefallen und er hat mit uns beiden, getrennt voneinander, gesprochen.

Wobei, bei meinem Outing gegenüber Peter, war Gerhard, mein bisheriger Chef mit dabei, der mir dann erklärte, seit er wusste, dass sein Enkel schwul ist, hätte er das bei mir ebenfalls vermutet. Im weiteren Gespräch ,ohne Gerhard, aber dann mit Bernhard, und nachdem ich sicher wusste, dass du zusammen mit Bernhard in eine Klasse gegangen bist, habe ich mich irgendwann durchgerungen den beiden die ganze Wahrheit zu erzählen. Zu dem Zeitpunkt war Bernhard und mir bereits klar, dass wir beide es zusammen versuchen wollen. Nachdem Peter deine Geschichte gehört hat, hat er mit meiner Zustimmung, sofort alles unternommen, um dich auf den schnellsten Weg aus dem Sanatorium zu holen. Dank seiner guten Beziehungen zum Jugendamt und dem besonderen Draht zu Barbara, war es möglich, dich noch heute in meine Arme zu schließen.

Auf Peters anraten hin, bin ich am späten Nachmittag nach Hause gefahren und habe mir eine Reisetasche für eine mehrtägige Dienstreise gepackt. Unseren Erzeugern habe ich nur die Nachricht hinterlassen, dass ich am Samstag wieder zurück sei. Während meiner Abwesenheit hat die Truppe, die du beim Abendessen kennengelernt hast, zusammengesessen und beraten, wie sie uns beiden am besten helfen können. Alle wussten, dass du noch heute Abend hier sein wirst. Aber keiner hat es mir verraten. Die Überraschung ist ihnen wirklich geglückt.“

Bernhard ergänzte: „Im Grunde genommen hat es Benjamin auf den Punkt gebracht. Mit einer Ergänzung: ich war mir bis heute nicht sicher, ob ich nur bi oder schwul bin. Beim Aufeinandertreffen mit Benjamin, heute Vormittag, war auf einen Schlag diese Unsicherheit verschwunden. Ich spürte, den oder keinen.,Deswegen hatte ich mich nicht unter Kontrolle, was Peter sofort aufgefallen ist.“

Ich meinte zu Christian: „Ich gehe einmal davon aus, dass du dir Gedanken gemacht hast, wie es jetzt mit dir weitergehen kann. Sicher sind eure ursprünglichen Pläne, durch die heutigen Ereignisse durcheinander gekommen. Aber ich hoffe, dass du mit der veränderten Ausgangslage zurechtkommst. Kannst du dir vorstellen, hier am Gutshof zu wohnen? Mit deinem Bruder und seinem Freund als Nachbarn, dazu Michael und Andreas, und im Frühjahr wird noch eine Familie mit zwei Kindern dazukommen. Wenn ja, dann sollten wir noch heute Abend das Appartement kurz anschauen.“

Christian meinte dazu: „Es hat mich zwar keiner nach meiner Meinung gefragt, aber eure Pläne gefallen mir. Wenn es euch nichts ausmacht, können wir uns gerne noch das Appartement anschauen.“ Sein Bruder meinte: „Ich habe die Appartements auch noch nicht gesehen und ich bin ebenfalls neugierig darauf zu sehen, wo ich mit Bernhard wohnen werde“.

Wir zogen unsere Jacken an.,Ich ging voraus nach unten ins Büro, um die Schlüssel zu holen. Thomas meinte, er gehe nicht mit, sondern besorgt inzwischen Getränke, weil wir sicher noch einige Zeit miteinander reden werden. Kaum stand ich mit den Schlüsseln auf dem Flur im Erdgeschoß, als die drei dazukamen.

Wir gingen rüber ins Gesindehaus und sofort nach oben. Zuerst gingen wir in das Appartement, das für Christian vorgesehen war. Er schaute sich um und meinte, dass gefällt mir. Aber bis ich einziehe, kann es ja noch dauern. Ich habe ja nicht einmal Möbel für die Wohnung. Bernhard grinste mich an, verriet aber noch nicht, was wir für Samstag geplant hatten. Ich versprach Christian, dass wir uns morgen als erstes um seine Küche kümmern würden.

Danach ging es nach nebenan, in das zukünftige Reich von Bernhard und Benjamin. Benjamin sah dort die Eimer mit den Farben, die Bernhard bereits ausgesucht und mitgebracht hatte. Er meinte, die Farben gefallen mir, aber hier gibt es ja auch noch keine Küche. Bernhard erklärte ihm, dass am Freitag die neue Küche geliefert wird und morgen Nachmittag mit Hilfe von Alejandro die Wände gestrichen werden.

Plötzlich standen Michael und Andreas im Appartement, die durch unseren Lärm angelockt wurden. Andi fragte Bernhard: “Bist du jetzt glücklich mit der neuen Situation?“ Bernhard antwortete: „Beinahe, ich muss nur noch meinen Eltern beibringen, dass auch ich ihnen ebenfalls keine Enkelkinder bescheren werde.“

Andi grinste und meinte, darüber sollte er sich keine Gedanken mehr machen, sie wüssten bereits von ihrem Glück, dass sie einen weiteren Schwiegersohn bekommen. Ich habe vorher mit ihnen telefoniert und da ist es mir rausgerutscht, als sie mich fragten, wie es dir so ergehe.

Und wie haben sie reagiert? wollte Bernhard wissen. Sein Bruder machte plötzlich ein ernstes Gesicht und erklärte: „Papa hat gemeint, er würde sofort losfahren und dich übers Knie legen. Du hättest eine ordentliche Tracht Prügel verdient, weil sie von mir erfahren mussten, dass du dich Hals über Kopf in einen Jungen verliebt hast.“

Bernhard schaute ihn ungläubig an, bis Michael zu lachen anfing und Bernhard aufklärte: „Glaubst du wirklich, dass dein Vater so etwas gesagt hat, Andi wollte dich nur auf den Arm nehmen und wie ich sehe, ist ihm das perfekt gelungen.“

Jetzt lachten alle, auch Christian amüsierte sich köstlich und meinte dazu, dann hätte er aber Benjamin ebenfalls verhauen müssen, denn er ist derjenige, der Bernhard den Kopf verdreht hat.

Andi meinte, bevor ich es vergesse. Sie kommen am Sonntagnachmittag zum Kaffee und wollen Benjamin kennenlernen. Da habe ich erzählt, dass sie dann auch gleich seinen kleinen Bruder Christian kennenlernen werden, der wahrscheinlich auch auf dem Gutshof einziehen will.

Sicher wusste ich es noch nicht, aber ich gehe davon aus, dass es inzwischen so ist. Da wir alles gesehen hatten meinte ich, wir gehen wieder zu uns und dort können wir in Ruhe alles Weitere besprechen.

Thomas empfing uns mit einer Flasche Champagner und erklärte, jetzt wollen wir erst einmal auf die geglückte Befreiungsaktion und die Wiedervereinigung der beiden Brüder, aber auch auf unseren Bernhard anstoßen, der buchstäblich über Nacht seinen Traumtypen gefunden hat. Oder soll ich sagen, dass er ihm zugelaufen sei?

Wir lachten alle und stießen auf die Jungs an. Bernhard meinte, er komme gleich wieder und schon war er kurz verschwunden. Er kam mit seinen Unterlagen, die er für seine Wohnung gesammelt hatte, zurück. Wir setzten uns wieder in die Essecke und er zeigte Benjamin als erstes die Bilder und Pläne von der Küche, die er sich ausgesucht hatte. Christian meinte dazu, so in der Art würde mir meine Küche auch gefallen.

Bevor Bernhard dazu kam, allen seine weiteren Überlegungen zur Einrichtung zu erklären, war es an der Zeit, sie über unsere Pläne für den Samstag zu unterrichten. Ich erklärte, dass wir für Samstag einen Ausflug nach München, in das schwedische Möbelhaus geplant hatten, da Bernhard sich dort seine Möbel aussuchen wollte. Dass die Beiden mitkommen, setze ich voraus und dann kann Christian auch für seine Wohnung Möbel aussuchen. Benjamin meinte, dass er sich mit seinen Ersparnissen am Kauf der Möbel beteiligen will, auch für sein Brüderchen. Philipp und Marcus kommen ebenfalls mit.,Sie fahren den Transporter, um die Einkäufe nach Hause zu bringen.

Je nachdem, wann wir wieder zurück sind, kann noch am Samstag, spätestens aber am Sonntag der Aufbau der Möbel beginnen. Ich denke, ihr werdet viele Helfer haben, so dass am Sonntagabend alles fertig sein wird. Wir müssen uns nur überlegen, wie wir das mit dem Kaffee am Sonntagnachmittag machen, wenn Bernhards Eltern nach ihrem Sohn sehen.

Thomas meinte, die große Wohnung für Jens und Marion steht doch noch leer, da findet sich sicher ein Platz für ein paar Biertische und Bänke und wir feiern gleichzeitig eure Einzugsparty mit allen Helfern. Sebastian liefert uns sicher ein Büffet für Mittag und den Kuchen holen wir im Hof Café. Für den Kaffee können sich Andreas und Michael etwas einfallen lassen und zusammen mit euren Kaffeemaschinen, die wir am Samstag kaufen sollten, dürfte das kein Problem sein.

Endlich hatte Bernhard die Gelegenheit seinem Benjamin zu erklären, welche Vorstellungen er von der Einrichtung das Appartements habe. Der wiederum meinte, als er sich alles angeschaut hatte, dass er das meiste ähnlich gemacht hätte und ihm das gut gefiel, was Bernhard bereits ausgesucht habe.

Ich meinte: „Denkt daran, ihr braucht nicht nur Möbel. Auch solltet ihr euch auch Lampen, Teppiche, Geschirr, Töpfe und alles, was sonst im Haushalt gebraucht wird besorgen, damit ihr auch wohnen könnt und nicht nur schlafen. Wobei, verhungern werdet ihr nicht, hier gibt es genügend Leute, die das zu verhindern wissen“.

Was Bernhard dann noch loswerden musste, zauberte mir und Thomas doch etwas Farbe in unser Gesicht. Er erklärte den beiden, dass sie sich nichts denken sollten, wenn plötzlich drei Mann unbekleidet im Bad stehen würden.

Das sei hier im Haus völlig normal, bei Philipp und Marcus wurde er zum ersten Mal, mit dieser Situation konfrontiert und bei Peter und Thomas ist das nicht anders. Es sieht dich auch keiner schief an, wenn Klein-Benjamin oder Klein-Christian einen Aufstand versuchen. Ihr dürft euch hier wie zu Hause fühlen, wobei ich eher glaube, dass es bei euch eher konservativ zugegangen ist.

Christian schaute Benjamin frech an und erklärte, Klein-Christian probt bereits jetzt einen Aufstand, wenn er nur daran denkt, euch heute noch nackt zu sehen. Thomas meint, Bernhard sei vorsichtig mit deinen Aussagen, denk daran, dass du vorgestern deinen Urwald gefällt hast, nachdem du es bei Marcus und Philipp, aber auch bei uns beiden gesehen hast. Benjamin und Christian kicherten und meinten, dass sie neugierig seien, wie das bei ihm aussehe.

Wir saßen noch eine Weile beisammen, bis ich erklärte, es wird Zeit in die Betten zu verschwinden.,Morgen gäbe es viel Arbeit für uns alle. Die Jungs waren die ersten im Bad und da es zu lange dauerte, bis sie es wieder räumten, gingen Thomas und ich ebenfalls dort hin und konnten noch sehen, dass bei den beiden jetzt ebenfalls Kahlschlag anzutreffen ist.

Lesemodus deaktivieren (?)