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Regenbogenfamilie
Teil 88 - Kindesmisshandlung
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Informationen
- Story: Regenbogenfamilie
- Autor: Sonntagskind55
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Coming Out
Heute standen auf alle Fälle zwei wichtige Termine auf meinem Programm. Für die neue Gärtnerei war der Notartermin, bei dem der Verkauf der Gärtnerei Grubmüller an die Stiftung entsprechend den gesetzlich erforderlichen Vorschriften abgeschlossen wird. Der Termin war für neun Uhr morgens angesetzt und sollte rund eine Stunde dauern.
Anschließend geht es weiter zur Hausbank der Gärtnerei Grubmüller, um das Konto umzuschreiben und die Unterschriftsberechtigungen zu ändern. Gleichzeitig wird die Umstellung auf Online-Banking beantragt. Sepp und ich hatten vereinbart, dass ich ihn kurz vor achtuhrdreißig in der Gärtnerei abholen sollte.
Ich war, wie immer, gegen sechs Uhr morgens aufgestanden und hatte das Frühstück vorbereitet. Nach dem gemeinsamen Frühstück machten sich Thomas und unsere schulpflichtigen Jungs fast zeitgleich auf den Weg. Ich hatte noch kurz alles abgeräumt und war dann kurz im Bad verschwunden.
Gegen acht Uhr fuhr ich los zur Gärtnerei Grubmüller. Bei meiner Ankunft stellte ich mit Erstaunen fest, dass bereits einige Fahrzeuge auf den Mitarbeiterparkplätzen standen. Ich ging ins Bürogebäude und in Sepps Büro, wo ich nur Mario antraf, der, wie ich heraushören konnte, mit Manuel telefonierte.
Als er das Gespräch beendet hatte, meinte er: „Peter, du bist etwas zu früh, Sepp ist gerade mit den Mitarbeitern in einem der Gewächshäuser, um mit ihnen die heutigen Arbeiten zu besprechen. Er wollte aber rechtzeitig wieder im Büro sein, damit ihr nicht zu spät beim Notar auftaucht.“
Ich fragte: „Und warum sitzt du hier und bist nicht mit den anderen im Gewächshaus und Sepp macht deine Arbeit?“
Er grinste und antwortete: „Manuel hatte angerufen und das Gespräch dauerte erheblich länger als geplant. So meinte Sepp, er würde heute für mich die Arbeitseinteilung vornehmen, damit ich das Gespräch in Ruhe zu Ende führen kann. Dafür haben Manuel und ich noch einige Planänderungen bearbeiten können und wir werden spätestens nächste Woche bereits mit der Kultivierung der Tomaten-, Gurken-, Peperoni-, Zucchini-, und Paprikapflanzen beginnen und die Mengen, die Manuel in der Gärtnerei Winter anbauen will, werden ebenfalls bei uns mit vorgezogen. Zusätzlich wird Richie vorläufig zu uns abgestellt, sowohl für den gärtnerischen Bereich als auch für die kaufmännischen Sachen. Montag bis Mittwoch ist er bei uns, Donnerstag ist Berufsschule und am Freitag arbeitet er bei Manuel im Büro.“
Durchs Fenster konnte ich erkennen, dass Sepp auf dem Weg ins Büro war, so sagte ich nur noch zu Mario: „Heute Nachmittag, Punkt sechzehn Uhr will ich dich, Manuel, Daniel und Richie in meinem Büro sehen. Haben wir uns da verstanden?“
Mario wollte schon etwas erwidern. Da sich die Bürotür öffnete blieb er jedoch stumm. Sepp kam ins Büro und meinte nur: „Peter, ich hoffe du hast nichts vergessen, was wir beim Notar oder bei der Bank brauchen. Nicht dass die Termine platzen, weil wir uns nicht ausweisen können.“
Ich lachte und meinte: „Personalausweis, Führerschein habe ich immer bei mir. Für heute habe ich sogar alle Dokumente dabei, die mich als Geschäftsführer verschiedener Firmen und als Vorstand der Stiftung ausweisen. Je nachdem was der Notar braucht, die Unterlagen sind heute mit dabei. Ich gehe aber davon aus, dass er die Unterlagen der Stiftung im Amtsgericht eingesehen hat, die mich als Vorstand ausweisen.“
Wir verabschiedeten uns von Mario und Sepp erklärte noch: „Ich habe die Aufgaben für heute verteilt. Wäre aber trotzdem gut, wenn du hin und wieder ein Blick auf deine Leute wirfst. Bei einem oder zwei habe ich die Vermutung, dass sie noch nicht alles verstanden haben.“
Auf der Fahrt zum Notar fragte ich Sepp: „Warum hast Du heute die Arbeitseinteilung übernommen? Du wolltest dich doch eher auf die Einarbeitung von Mario konzentrieren.“
Er lachte und sagte: „Ehrlich gesagt, ich war froh, dass sich heute für mich die Gelegenheit ergeben hat wieder einmal praktisch tätig zu werden. Nur immer über die Firma zu reden ist nicht meine Sache. Aber ein anderes Thema. Derzeit kocht meine Frau wieder, wie früher, das Mittagessen für die gesamte Mannschaft. Mario und Manuel haben mir erzählt, dass wir zukünftig vom Restaurant im Gutshof versorgt werden. Kannst du mir sagen ab wann die Belieferung beginnt, damit ich meiner Frau rechtzeitig Bescheid geben kann?“
Ich schaute ihn verwundert an und erklärte: „Sepp, das Konzept, wie es abläuft und wie das warme Essen zu euch kommt ist von mir bereits abgesegnet und die Kosten für die Umsetzung freigegeben. Den genauen Starttermin kenne ich nicht. Das ist zum einen abhängig davon, wann das Geschirr und die Transportboxen geliefert werden und zum anderen davon, wann die Mitarbeiter für die Bestellung über das Intranet eingerichtet und freigegeben sind. Technisch wird es so ablaufen, dass immer am Vortag das Essen bestellt wird. Manuel kann die vorbereiteten Boxen gegen elfuhrdreißig im Restaurant abholen und in die Gärtnereien Winter und Grubmüller bringt. Unsere Mitarbeiter im Büro der Handwerker hatten schon vor einigen Wochen angefragt. Auch sie werden gleichzeitig mit umgestellt.“
Inzwischen waren wir auf dem Kundenparkplatz des Notariats angekommen und hatten das Auto abgestellt. Ich schnappte mir meine Aktentasche mit den Unterlagen, die ich vorsichtshalber mitgenommen hatte und wir betraten das Notariat. Wir meldeten uns am Empfang und wurden gebeten, noch kurz im Wartezimmer auf unseren Aufruf zu warten.
Wir setzten uns so ins Wartezimmer und beim Blick auf meine Armbanduhr fiel mir auf, dass es noch fünf Minuten bis zum Termin waren. Wir mussten trotzdem zehn Minuten warten, bis wir aufgerufen und ins Büro des Notars gebracht wurden. Er begrüßte uns beide mit Handschlag, und als wir uns gesetzt hatten sagte er: „Herr Maurer, wieder einmal auf Einkaufstour für die Stiftung gewesen und eine stadtbekannte Gärtnerei übernommen?“
Ich antwortete: „So könnte man das auch sehen, aber hinter dem Kauf steckt mehr als nur eine Investition. Sepp hat in seinem Unternehmen fünf junge Mitarbeiter beschäftigt, die zur Gruppe der benachteiligten Jugendlichen gehören. Um ihnen den Arbeitsplatz zu erhalten, aber auch um unsere Biogemüseproduktion und den Verkauf auszuweiten, übernimmt die Stiftung die Gärtnerei rückwirkend zum einunddreißigsten Dezember.“
Er antwortete: „Von der Übernahme der Mitarbeiter steht aber nichts im Vertrag, ist das so gewollt, oder ist es den Damen bei der Vorbereitung des Vertrags durchgerutscht?“
Da ich die Frage nicht beantworten konnte, erklärte Sepp: „Ich wusste nicht, dass die Übernahme der Mitarbeiter ein wichtiger Punkt sein könnte, und von ihrem Mitarbeiter wurde ich bei dem Vorgespräch auch nicht gefragt. Peter und ich sind uns jedoch einig, dass alle bisherigen Mitarbeiter zu vorerst unveränderten Konditionen weiterbeschäftigt werden.“
Der Notar erklärte: „Für die Übernahme des mit der Firma verbunden Grundstücks und die Umschreibung im Grundbuch ist das auch nicht unbedingt notwendig. Doch beim Verkauf der Gesellschaft gehört es zu den wichtigen Punkten, die geregelt sein sollten. Ich werde meine Mitarbeiterin beauftragen, das in den Vertrag mit aufzunehmen. Ich würde sagen, dann erledigen wir zuerst den Grundstücksbereich und anschließend die Übernahme der Gesellschaft.“
Er holte seine Assistentin und bat sie die üblichen Floskeln in den Vertrag aufzunehmen, die bei der Übernahme der Mitarbeiter erforderlich ist. Die beiden Parteien sind sich einig, dass dies ein wichtiger Bestandteil des Kaufvertrags für die Gesellschaft ist.
Während seine Assistentin den Kaufvertrag ergänzte, las er uns die Urkunde für die Änderung des Eintrags im Grundbuch vor. Als er geendet hatte, wollte er wissen, ob es von unserer Seite noch Fragen dazu gebe. Sepp und ich erklärten, dass es von unserer Seite zu diesem Teil keine Fragen gäbe.
Er meinte: „Nun dürfen sie beide die Urkunde an den vorgesehenen Stellen unterschreiben.“
Zuerst unterschrieb Sepp und anschließend ich das Dokument. Zuletzt setzte der Notar seine Unterschrift unter das Dokument.
Wir plauderten noch kurz mit dem Notar, bis die Assistentin mit dem geänderten Vertrag ins Büro des Notars eintrat. Er meint: „Dann sollten wir uns jetzt auf den Kaufvertrag für die Gesellschaft stürzen. Sie wollen sicher nicht bei mir übernachten.“
Er begann den Vertrag vorzulesen. Bis er zum Kaufpreis kam, war alles reine Routine. Als er den Passus mit dem vereinbarten Kaufpreis vorgelesen hatte, bat ich um Unterbrechung, da ich eine abweichende Kaufpreisvereinbarung im Kopf hatte. Ich erklärte dem Notar, dass ich mit Sepp mündlich ein Kaufpreis in Höhe von einer Million und fünfzigtausend Euro vereinbart hatte.
Sepp mischte sich ein und erklärte: „Ich habe den niedrigeren Kaufpreis beim Vorgespräch mit dem Notar so angegeben. Meine Frau und ich haben uns abgesprochen, dass wir den Kaufpreis auf eine Million reduzieren, die fünfzigtausend Euro sollen unser Beitrag zur Finanzierung der Gehälter in der Anlaufzeit verwendet werden. Peter, du hast uns einen fairen Kaufpreis geboten, ohne groß zu handeln und erklärt, dass du auch die Gehälter der übernommenen Mitarbeiter vorfinanzierst, bis die Gärtnerei wieder Einnahmen hat. Meine Frau hat den Vorschlag gemacht, aus unseren Überschüssen des letzten Jahres einen Teil der Gehälter zu übernehmen, da wir sie bezahlen hätten müssen, wenn wir weitergemacht hätten.“
Der Notar schaute mich an und erwartete von mir eine Reaktion. Ich resümierte: „Sepp, ich finde es löblich, dass du dich an den Anlaufkosten beteiligen willst. Aus meiner Sicht wäre es steuerlich sicherer, wenn ich den vollen Kaufpreis entrichte und du deinen Anteil als anteilige Beteiligung der Anlaufkosten deklarierst.“
Sepp schaute mich an und meinte: „Ich habe mit dem Steuerberater gesprochen. Er meinte, es muss nicht unbedingt im Kaufvertrag für die Gesellschaft niedergelegt sein. Es reicht, wenn du die fünfzigtausend Euro von der Stiftung überweist und als Vorlaufkosten deklarierst. Du hast damit sogar den Vorteil, dass du diese Ausgaben als Werbungskosten in voller Höhe abziehen kannst.
Mir bringen diese Werbungskosten im laufenden Jahr keine steuerlichen Vorteile, da bei mir ab sofort keine gewerblichen Einkünfte mehr vorhanden sind. Ich bin der Meinung, wir lassen das einfach so, ohne Erwähnung im Kaufvertrag für die Gesellschaft.“
Der Notar erklärte dazu: „Grundsätzlich sind beide Varianten möglich, wird aber in den seltensten Fällen vertraglich geregelt. Ich bin persönlich der Meinung, dass in den Verträgen nur das geregelt sein muss, worüber sich die Parteien streiten könnten.
Wenn Herr Grubmüller ihnen auf den Kaufpreis einen Nachlass gibt und sie mit ihm mündlich vereinbaren, dass dieser Teil für die Anschubfinanzierung gedacht ist, ist es moralisch ihre Verpflichtung, den Betrag auf das Geschäftskonto der GmbH einzuzahlen. Der Verkäufer kann jedoch nicht auf Einzahlung der Summe klagen.
Ich gehe jedoch davon aus, dass sie zu mündlich geschlossenen Vereinbarungen stehen. Also ist sie kein notwendiger vertraglicher Bestandteil. Können sie das in dieser Form annehmen, dann würde ich mit dem Vorlesen des restlichen Vertrages fortfahren.
Ich nickte nur und so las uns der Notar den Rest des Vertrages vor. Bevor wir zur Vertragsunterschrift kamen, stellte ich fest: „Es gibt eine weitere Vereinbarung, die sich nicht im Vertrage wiederfindet. Wir haben vereinbart, dass das Ehepaar Grubmüller bis zu ihrem Tod, aus der Gärtnerei mit Naturalien, sprich Gemüse, für den persönlichen Bedarf kostenlos versorgt wird.“
Bevor Sepp etwas dazu sagen konnte, erklärte der Notar: „Diesen Passus haben wir aus dem Vertrag herausgenommen, da er in der gewünschten Form nicht vereinbart werden kann. Sie müssen dabei bedenken, dass es für beide Seiten steuerliche Nachteile hat. Der Verkäufer muss das als fiktive Einnahmen versteuern und der Käufer müsste das als ebenfalls als geldwerten Vorteil in seine Steuererklärung einfließen lassen.
Ohne steuerliche Auswirkung bliebe nur eine Vereinbarung, die Familie Grubmüller das Recht einräumt, unverkäufliche Produkte, und sei es nur deswegen, weil es nicht den Normen des Handels entsprechen, privat entnehmen kann, wenn der Rest für soziale Zwecke an einschlägige Institutionen, wie zum Beispiel die Tafeln, weitergegeben wird.“
Sepp und ich schauten uns an und da diese Regelung nicht unserer mündlichen Vereinbarung entsprach, einigten wir uns darauf, dass wir auf eine vertragliche Regelung verzichten. In diesem Fall unterschrieb Sepp zuerst den Vertrag als Verkäufer, die durch meine Unterschrift als Käufer ergänzt wurde. Zuletzt unterschrieb der Notar den Vertrag.
Der Notar erklärte uns, dass er uns sofort eine beglaubigte Kopie des unterschriebenen Vertrages ausfertigen wird, damit wir bei Banken die Finanzierung sicherstellen können. Die offizielle Ausfertigung des Vertrages erhalten wir, wenn der vereinbarte Kaufpreis auf dem Notarkonto hinterlegt ist.
Ich erklärte dem Notar, dass ich keine Bankfinanzierung benötige, da der Kaufpreis aus dem Barvermögen der Stiftung bezahlt wird. Die beglaubigte Urkunde brauche ich jedoch als Nachweis, weil durch die Stiftung die Anzahlung erfolgt ist, bevor die Eintragung im Handelsregister und im Grundbuch vollzogen ist.
Er bat uns ein paar Minuten im Wartezimmer zu warten, bis die zwei beglaubigten Abschriften erstellt sind. Wir verabschiedeten uns und bedankten uns für die zügige Abwickelung unseres Vertragswunsches. Wir setzten uns ins Wartezimmer, wo uns nach rund zehn Minuten die beglaubigte Kopie ausgehändigt wurde.
Auf dem Weg zur Bank fragte ich: „Sepp, gab es einen besonderen Grund, warum du heute Morgen die Arbeitsverteilung vorgenommen. Du solltest doch nur Mario bei der Wiederinbetriebnahme der Gärtnerei helfen?“
Er lachte und erklärte: „Peter, wie ich dir bereits erklärt habe, war ich heilfroh, dass ich die Arbeitsverteilung wieder einmal übernehmen konnte. Nur herum sitzen und mit Mario fachzusimpeln, daran kann ich mich immer noch nicht gewöhnen. Ich hoffe, dass ich gelegentlich die Chance bekomme, aktiv mitzuarbeiten.“
Da das endgültig geklärt war, rief ich bei Gerhard Bauer an und fragte ihn, ob er jetzt Zeit hätte bei unserer Hausbank der Stiftung vorbeizukommen um eine größere Zahlung freizugeben. Er lachte und antwortete: „Ich habe schon gerüchteweise davon gehört, dass du wieder auf Einkaufstour gewesen bist. Ich bin in etwa einer halben Stunde in der Bank, damit du die größere Summe überweisen kannst.“
Jetzt musste ich Sepp doch erklären, dass ich bereits seit gestern wusste, dass heute Vormittag der Termin bei der Bank sein wird: „Sepp, ich hatte gestern mit meinen Jungs einen Termin bei der Bank, wegen der Eröffnung von Taschengeldkonten. Als uns unser Firmenkundenbetreuer empfing, wunderte er sich, warum ich mit den Jungs wegen der Umschreibung der Konten für die Gärtnerei vorbeikomme.
Ich erklärte ihm, dass ich den Termin für meine Jungs vereinbart habe, damit sie ein Taschengeldkonto eröffnen können. Am Ende stellte sich heraus, dass eine Mitarbeiterin die Termine bei der Eintragung im Terminkalender versehentlich vertauscht hatte.“
Inzwischen standen wir bereits auf dem Parkplatz vor dem Bankgebäude. Wir stiegen aus und ich nahm meine Aktentasche mit in die Bank. Unser Kundenbetreuer erwartete uns bereits und er begrüßte zuerst Sepp. Als er mir die Hand drückte, meinte ich: „Im Vergleich zu gestern wissen sie heute, was sie bei diesem Termin erwartet. Ich habe trotzdem eine Überraschung parat. Herr Bauer, vom Aufsichtsrat der Stiftung Sonneneck, kommt gleich vorbei, damit wir den Kaufpreis von einer Million Euro auf das eingerichtete Notaranderkonto überweisen können.“
Als wir uns gesetzt hatten, meinte ich: „Wir können schon anfangen mit dem Konto der Gärtnerei. Gerhard wird frühestens in einer knappen halben Stunde hier eintreffen, um die Unterschrift zu leisten. Das Konto sollte in das Onlinebanking unserer Firmengruppe mit eingebunden werden, damit wir direkt aus unserer Buchhaltung heraus die Zahlungen für die Gärtnerei anweisen können.“
Herr Schmitt schaute mich an und erklärte: „Die Unterlagen habe ich bereits vorbereitet. Aber bevor wir dazu kommen, müsste ich wissen, wie die Unterschriftsregelung für die neue Firma aussehen soll.“
Ich lachte und erklärte: „Im Grunde genommen, so wie bisher. Bis zu einer gewissen Summe, je Einzelposition, darf ein Prokurist des Unternehmens zusammen mit dem Prokuristen der zentralen Buchhaltung unterschreiben. Alles, was darüber hinausgeht, einer der beiden Prokuristen und der Geschäftsführer der Gesellschaft. Im Grunde genommen so wie bei den meisten Zahlungsfreigaben der bisherigen Unternehmen.“
Er grinste: „Die Frage hätte ich mir ersparen können. Sie gilt für alle Unternehmen, deren Konten bei uns sind. Damit hätten wir das auch geklärt. Ich habe hier die Saldenbestätigung des Kontos zum einunddreißigsten Dezember. Darf ich die beiden Herren bitten zu unterschreiben, wenn der aktuelle Saldo an den neuen Eigentümer mit übergeben wird.“
Ich schaut Sepp und Herrn Schmitt an und meinte: „Das hatten wir zumindest vereinbart. Noch könnte sich Sepp das überlegen, da er einen Kaufpreisnachlass von fünfzigtausend Euro der Gesellschaft als Beteiligung an den Anlaufkosten einbringt.“
Sepp schaute uns an und meinte: „Es bleibt dabei. Der bestehende Restsaldo zum Jahresende verbleibt in der Gesellschaft. Einen Teil haben wir bereits verplant für das Saatgut, das wir in den letzten Tagen bestellt haben. Zudem werden wir in den nächsten Tagen weiteres Saatgut bestellen. Da wir mit Manuel vereinbart haben, dass wir einen größeren Teil seiner Jungpflanzen vorziehen werden, die wir erst mit Auslieferung an die Gärtnerei Winter weiter berechnen können, ist ein höherer Betrag bei den Vorlaufkosten zu erwarten.“
Ich erklärte: „Okay, abgehakt, damit brauche ich für unsere Buchhaltung alle Kontobewegungen, die nach dem ersten Januar angefallen sind und die dazugehörigen Grundlagen, wie Rechnungen oder Verträge. Sepp, bitte erinnere mich daran, dass ich Mario auffordere, zukünftig alle eingehenden Rechnung direkt an den Gutshof senden zu lassen, wobei der Rechnungsempfänger trotzdem die Gärtnerei Grubmüller bleiben wird.
Für dich zur Information, bei uns werden die Rechnungen digitalisiert und Mario erhält von der Buchhaltung eine Aufforderung, die Rechnung inhaltlich zu prüfen und digital freizugeben. Die rechnerische Prüfung erfolgt in der Buchhaltung. Vereinfacht wird das Verfahren dann, wenn Ware im System bestellt wird und der Wareneingang verbucht wurde. Dann ist eine gesonderte Prüfung durch die Fachabteilung nicht notwendig.
Wenn es dich interessiert, kann ich dir nachher im Büro alles erklären und zeigen, wie das abläuft. Wenn ich das richtig im Kopf habe, werden wir im Laufe des Jahres allen Lieferanten anbieten, dass sie uns zukünftig digitalen Rechnungen einreichen können, sofern diese über eine eigene Mailadresse erfolgt. Bernhard testet zurzeit mit unseren Handwerkern bereits das System. Die vom Handwerksbetrieb erstellten Rechnungen, welche die Wohnungsverwaltung betreffen, werden elektronisch übermittelt und aus dem Postfach in die Buchhaltung der einzelnen Immobilien übernommen.“
Während meinen Erklärungen betrat Gerhard Bauer das Büro von Herrn Schmitt. Ich begrüßte ihn und sagte: „Gut, dass du so kurzfristig Zeit hattest, zwei wichtige Überweisungen vom Konto der Stiftung gegenzuzeichnen. Herrn Schmitt kennst du bereits. Darf ich dir Josef Grubmüller, genannt Sepp, vorstellen. Er ist der Verkäufer der Gärtnerei Grubmüller, die in das Vermögen der Stiftung übergeht, rückwirkend zum Jahresende.
Wir haben zwei Zahlungen vom Konto der Stiftung zu leisten. Zum einen den Kaufpreis auf das Notaranderkonto über eine Million Euro und auf das Konto der Gärtnerei einen Betrag von einhundertfünfzigtausend Euro, für die Vorlaufkosten. Davon fünfzigtausend Euro aus der Minderung des vereinbarten Kaufpreises um genau diese Summe, die von Sepp beigesteuert wird.“
Während Gerhard sich prächtig mit Sepp unterhielt, bereitete unser Kundenbetreuer die beiden Überweisungen vor. Er erfasste sie direkt im Computer und ließ uns digital unterschreiben, so dass sie noch am gleichen Tag ausgeführt werden konnten. Als alles, auch die Kontoänderungen, erledigt waren, übergab er Sepp und mir jeweils eine Kopie der unterschriebenen Unterlagen. Gleichzeitig erstellte er eine Aufstellung, welche Buchungen nach dem ersten Januar auf dem Konto erfolgten.
Ich prüfte die wenigen Buchungen und fragte Sepp: „Ich sehe hier noch zwei Zahlungseingänge von deinen Kunden, die sollten wir sofort auf dein Privatkonto weiter transferieren.“
Sepp schaut mich an und so zeigte ich ihm die zwei Buchungen mit den eingegangenen Zahlungen. Er meinte: „Peter, die werden wir nicht auf mein Privatkonto umbuchen. Diese bleiben auf dem Konto stehen. Die noch offenen Rechnungen habe ich bereits zu dem hinzugerechnet, was insgesamt von mir als Vorlauf beigesteuert wird. Ich habe vor dem einunddreißigsten knapp eine halbe Million Euro auf mein Privatkonto umgebucht, die ich sonst immer für die Wintermonate angesammelt hatte, um die einnahmensschwache Zeit bis Ende März zu überbrücken. Meine Frau und ich brauchen das Geld nicht, also soll es wieder der Firma zugute kommen. Du bekommst von mir noch eine Liste, welche Rechnungen noch offen sind, und ihr bucht die bei euch als übernommene Forderungen ein.“
Gerhard schaute zu Sepp und meinte: „Mit deinem Engagement unterstützt du die Arbeit der Stiftung. Ist das wirklich das, was du dir vorstellst? Wäre es für dich steuerlich nicht interessanter gewesen, wenn du alles als Spende an die Stiftung deklarierst? So könntest du die Gesamtsumme in deiner Einkommenssteuererklärung ausweisen.“
Sepp erwiderte: „Das habe ich alles mit dem Steuerberater bereits ausgiebig besprochen. Es bringt mir steuerlich so gut wie nichts, da der Reingewinn letztes Jahr, aufgrund des bereits reduzierten Anbaus, geringer ist als in den Vorjahren.“
Ich meinte: „Gerhard, ich habe es bereits verstanden. Wenn Sepp eine Entscheidung getroffen hat bringt es nichts, wenn ich mit ihm darüber diskutieren will. Solang sie nicht zum Nachteil bei der Stiftung führen akzeptiere ich seine Entscheidungen. Hinzu kommt, dass Sepp ausgesprochen froh darüber ist, dass sein Lebenswerk doch noch fortgeführt wird und wir genauso sozial gegenüber den Mitarbeitern eingestellt sind, wie er es war.
Ihm war es in seinen Augen ein sehr wichtiges Anliegen, dass wir alle Mitarbeiter übernommen haben. Wobei ihm noch wichtiger erschien, dass wir auch die körperlich eingeschränkten Mitarbeiter bedenkenlos im Unternehmen behalten wollten. Wir werden im Übrigen die Zusammenarbeit mit Dieter Wegmann und seinen Sorgenkindern weiter ausbauen.
Im Gespräch sind wir wegen eines jungen Mannes, der ein IT-Genie zu sein scheint, aber mit dem Asperger-Syndrom lebt. Ich denke, dass er bestens dafür geeignet ist, bei Bernhard mitzuarbeiten. Eine Entscheidung kann erst gefällt werden, wenn er in der Wohngruppe in Rosenheim lebt und wir sehen, dass Bernhard und der junge Mann miteinander im beruflichen Bereich harmonieren.“
Da bei der Bank alles erledigt war, verabschiedeten wir uns von Herrn Schmitt und auf dem Weg zum Auto fragte mich Gerhard, ob ich direkt zum Gutshof fahren würde. Ich erklärte ihm, dass ich vorher noch mit Sepp zur Gärtnerei fahren würde, da ich Sepp dort abgeholt hatte. Er meinte, er würde uns hinterherfahren. Eine Besichtigung der Gärtnerei würde ihn interessieren.
Während der Rückfahrt zur Gärtnerei sagte Sepp: „Peter, die Vermutung, die du zuletzt Gerhard gegenüber abgegeben hast, entspricht genau der Intuition, warum ich so handle und euch nach Kräften, aber auch finanziell, unterstütze. Für mich fühlt es sich die letzten Tage so an, als hätte ich endlich wieder einen Sinn für mein Lebenswerk gefunden. Sicher hätte ich noch ein oder einige Jahre die Gärtnerei weiter bewirtschaften können. An der Tatsache, dass ich keinen Nachfolger habe, hätte sich nichts geändert. Bei der Stiftung fühle ich meine Gärtnerei in den besten Händen. Vielleicht war es gut so, wie es jetzt gekommen ist. In einigen Jahren hättet ihr sicher keine weitere Gärtnerei für die Stiftung erworben und dann wäre sie für immer geschlossen worden.“
Ich parkte auf einem der Kundenparkplätze und Gerhard stellte sein Auto direkt neben mir ab. Wir gingen ins Büro, wo wir Mario antrafen. Ich stellte ihm Gerhard als Chef des Aufsichtsrats der Stiftung vor, der mit uns bei der Bank war, um die Zahlung des Kaufpreises zu unterschreiben.
Er fragte: „Habt ihr alles erledigen können, oder sind noch irgendwelche Probleme aufgetaucht?“
Sepp lachte und erklärte: „Ja, Junior, wir haben alles erledigt, damit du die Gärtnerei Grubmüller weiterführen kannst. Auch das mit den Bankkonten ist alles geklärt. Aber um die brauchst du dich nicht zu kümmern, das läuft alles in der Zentralbuchhaltung. Peter wollte dir aber noch genau erklären, wie das alles abläuft. Könntest du mit Peter und Gerhard eine kurze Führung durch die Gärtnerei machen? Ich möchte noch einige Dinge heraussuchen, die ich Peter noch mitgeben will.“
Mario meinte: „Kein Problem, ich muss nur gegen zwölfuhrdreißig wieder hier sein, dann gibt es wie jeden Tag das Mittagessen. Momentan kocht Sepps Frau für alle, bis die Umstellung auf Belieferung aus dem Restaurant kommt.“
Vor dem Bürohaus stoppte ich und erklärte Gerhard: „Du siehst doch die Brachfläche dort drüben. Hier hatte Sepp noch ein Lagerhaus für die Gärtnerei geplant. Die Baugenehmigung ist bereits zwei Jahre alt und wir werden noch in diesem Jahr mit dem Bau beginnen. Den Auftrag dazu habe ich dem Architekturbüro Schreiber bereits erteilt. Als Besonderheit werden über dem Lagerhaus drei weitere Drei-Zimmer-Wohnungen mit Dachterrasse für Mitarbeiter entstehen.“
Während der Führung durch die bereits wieder in Betrieb genommenen Gewächshäuser, erklärte Mario was dort inzwischen angesät wurde. „In etwa sechs Wochen werden wir den ersten Feldsalat und Babyspinat ernten können. Wir werden in den nächsten vier Wochen in weiteren Gewächshäusern Folgeaussaaten vornehmen, damit wir kontinuierlich ernten können. Ab übernächster Woche werden wir, in Absprache mit Manuel, damit beginnen die ersten Salate vorzuziehen, die ab Ende März im Freiland weiterkultiviert werden, sowohl hier bei uns als auch in der Gärtnerei Winter. Anfang Februar beginnen die Aussaat für Gurken, Tomaten, Zucchini, Paprika und Auberginen, die bis zum Spätherbst in den Gewächshäusern wachsen können. Auch hier übernehmen wir die Anzucht für die Gärtnerei Winter mit. Ab April wird einiges an Gemüse direkt im Freiland ausgesät, wo das Vorziehen der Pflanzen im Gewächshaus keinen Sinn macht.“
Beim Wechsel ins nächste Gewächshaus kamen uns einige Mitarbeiter entgegen, die wir grüßten. Ein junger Mann fragte Mario, ob er gleich mit ihnen in die Mittagspause geht. Er antwortete: „Sagt bitte der Chefin, dass ich ein paar Minuten später komme, weil ich gerade noch zwei Besucher durch die Gärtnerei führe.“
Im nächsten Gewächshaus meinte Gerhard süffisant: „Ich dachte, du bist der Betriebsleiter der Gärtnerei und trotzdem bezeichnest du Sepps Gattin als Chefin.“
Mario lachte und erläuterte: „Für die Mitarbeiter bin ich der Chef, aber Sepps Frau ist immer noch die Chefin, da sie, wie früher, täglich das Mittagessen für alle zubereitet. Ich persönlich hab damit keine Probleme, solange Sepp den Chef nicht für sich in Anspruch nimmt. Außerdem bin ich zudem sehr froh darüber, dass mir Sepp momentan noch zur Seite steht, da ich von ihm ich noch einiges dazulernen kann. Vor allem, was den Bereich des biologischen Anbaus betrifft. Wer so, wie ich, aus dem konventionellen Anbau kommt, für den ändert sich doch so einiges, was zu beachten ist. Gut, dass die Mitarbeiter seit Jahren biologisch anbauen. Sie sagen mir immerhin, wenn ich wieder mit altmodischen Arbeitsanweisungen einen Fehler machen könnte.“
Auf dem Rückweg ins Bürogebäude meinte Gerhard: „Peter ich komme mit dir mit zum Gutshof und du lädst mich in die Kantine zum Essen ein, dann können wir noch ein wenig über deine Pläne mit den beiden Gärtnereien plaudern.“
Ich antwortete: „Kein Problem. Ich hatte schon geplant, dich diese Woche anzurufen, da am Wochenende die Entscheidung ansteht, wo wir das diesjährige Zeltlager aufbauen werden. Am Gutshof geht heuer nichts und aktuell sieht es so aus, als wenn wir es an der Ostsee in der Nähe unseres Hotels errichten können. Der Platz gehört dem Landkreis und wird uns kostenlos zur Verfügung gestellt.
Offen sind nur die Fragen, wie es mit der Verpflegung funktioniert und wo wir die nicht ortsansässigen Helfer unterbringen können. Ich bin dafür, einen Teil des Hotels noch für die Helfer geöffnet zu halten. Das versuchen die Architekten gerade zu klären.“
Im Büro angekommen, verzog sich Mario sofort zu den Mitarbeitern im Aufenthaltsraum. Als wir uns von Sepp verabschieden wollten, meinte er, ob wir nicht mitessen wollen. Ich lehnte ab, mit dem Hinweis auf nachfolgende Termine im Gutshaus. Er übergab mir einige Unterlagen und erklärte, dass ich diese dem Chef der Buchhaltung übergeben solle.
Bevor wir losfuhren, vereinbarten wir, dass Gerhard bei mir im Büro oder bei Petra auf mich warten sollte, weil ich mein Fahrzeug gleich in die Garage bringen wollte. Bevor wir zum Essen gehen, wollte ich auch meine Unterlagen noch ins Büro bringen.
Wir trafen uns dann in meinem Büro, da Petra bereits in ihrer Mittagspause war. Ich schaute auf die Uhr und stellte fest, dass es inzwischen schon nach dreizehn Uhr war. Ich warnte Gerhard vor, dass vermutlich während des Essens alle Kids vom Gutshof in der Kantine auftauchen werden. Auch erzählte ich ihm, dass wir in den letzten Tagen drei Neuzugänge hatten. Zwei leben im Verwalterhaus und der dritte im Gutshaus bei Philipp im Gästezimmer. Dabei gingen wir gemütlich ins Gesindehaus. Auf dem Weg zur Kantine lief uns der Lehrer über den Weg, den ich gestern noch mit dem Versprechen abgewimmelt hatte, dass er mir heute die beiden Kids vorstellen könne, die von der Stiftung bezuschusst wurden. Ich erklärte ihm, dass wir uns gerne nach meiner Mittagspause hier mit ihm und seinen beiden Jugendlichen treffen können.
Er erklärte noch, dass er schauen wird, wo die beiden Kids stecken. In einer guten halben Stunde würden wir uns dann in der Lobby treffen. Ich ging mit Gerhard in die Kantine, in der nur noch wenige Mitarbeiter ihre Pause machten. Die Schüler waren doch schon wieder alle verschwunden. Wir versorgten uns mit Essen und setzten uns an einen größeren Tisch.
Wir hatten gerade mit dem Essen begonnen, als die Kids vom Gutshof Sonneneck die Kantine stürmten. Sie holten sich ihr Essen an der Theke und David fragte, ob sie sich zu uns setzen dürften. Da wir extra einen größeren Tisch gewählt hatten, erklärte ich ihnen, dass sie sich gerne setzen konnten. Alle, die Gerhard bereits kannten, begrüßten ihn herzlich.
Die restlichen Drei schauten mich an und so stellte ich sie ihm der Reihe nach vor. Natürlich auch umgekehrt stellte ich ihnen Gerhard als Mitbegründer der Stiftung Sonneneck und aktuellen Vorsitzenden des Stiftungsrats vor. Gerhard meinte zu ihnen: „Ich denke, wir werden uns immer wieder über den Weg laufen, da ich öfter hier bin zu Besprechungen mit Peter.“
Nach dem Essen ging ich mit Gerhard in die Lobby, während die Jungs dahin gingen, wo sie momentan zu Hause waren. Wir trafen auf den Lehrer, der mit zwei Jungs auf uns wartete. Ich stellte ihnen Gerhard als Mitbegründer der Stiftung vor und erklärte, dass er derzeit der Vorsitzende des Stiftungsrats sei, der die Stiftung kontrolliert.
Der Lehrer stellte uns die beiden Jungs vor, Holger Macher und Gero Braun. Danach erklärte er: „Wie gestern bereits angekündigt, dass sind die beiden Jungs, deren Eltern sich anscheinend den Aufenthalt im Landschulheim finanziell nicht leisten können. Mit der Hilfe der Stiftung konnten die Schule und der Elternbeirat genau den Betrag zusammenbringen, damit die beiden Jungs die Reise mitmachen konnten. Die beiden Jungs wollen sich dafür bedanken, dass sie nicht zuhause bleiben mussten.“
Ich schaute sie an und Holger sagte: „Herr Maurer, Herr Bauer, wir möchten uns dafür bedanken, dass wir mit ihrer Hilfe doch an der Klassenfahrt teilnehmen konnten. In der Vergangenheit konnten wir beide schon des Öfteren an solchen Schulveranstaltungen nicht teilnehmen, weil unsere Eltern sich das nicht leisten können.“
Gerhard antwortete: „Es ist schön von euch, dass ihr euch hierfür bedanken wollt. Die Stiftung wurde genau zu diesem Zweck eingerichtet, Kindern und Jugendlichen, die in eurer Lage sind, einen Urlaub, oder wie bei euch beiden eine Klassenfahrt, zu ermöglichen. Es freut mich, dass euch die Stiftung unterstützen konnte, an der Klassenfahrt teilzunehmen.
Ihr seid die Ersten, für die die Schule einen Antrag bei der Stiftung eingereicht hat, euch bei einer Klassenfahrt zu unterstützen. Ich kann nur hoffen, dass sich das herumspricht, dass die Stiftung Schülerinnen oder Schüler wie euch dabei unterstützt eine Klassenfahrt anzutreten.“
Gero sagte: „Genau deswegen wollten wir uns bei euch bedanken, dass die Stiftung uns die Chance gegeben hat, an der Klassenfahrt teilzunehmen. Was wir nicht wussten ist, dass wir die Ersten sind, die von der Stiftung unterstützt wurden.“
Ich erklärte: „Gero, ich muss da einiges berichtigen. Die Stiftung unterstützt schon seit einiger Zeit benachteiligte Kinder und Jugendliche. Wir haben ein großes Zeltlager im letzten Sommer veranstaltet, mit Kindern und Jugendlichen. Wir hatten in den zwölf Wochen insgesamt mehr als zwölftausend Übernachtungen in den Zelten.
Da die meisten Teilnehmer zwei oder drei Wochen hier waren haben wir etwa eintausend benachteiligte Kinder und Jugendliche unterstützt. Davon waren etwa dreißig Kinder aus Spanien hier, die ihren Urlaub im Zeltlager verbrachten. Der Rest waren Kinder und Jugendliche, die gemeinsam mit den benachteiligten Kids einen Teil ihrer Ferien verbringen wollten.
Mit dabei war eine schwule Jugendgruppe, Kids von einem Fußballverein, sowie Jugendgruppen vom Roten Kreuz und vom Technischen Hilfswerk.
Während der Weihnachtsferien hatten wir achtundzwanzig Kinder aus einem Münchner Kinderheim hier. Ihr seid nur die ersten, für die von einer Schule ein Antrag gestellt wurde, eure Klassenfahrt finanziell zu unterstützen.“
Holger antwortete: „Oh, da habt ihr ja schon einigen Kindern und Jugendlichen einen Urlaub ermöglicht. Wir waren also nur die ersten beiden Jungs, die ihr bei einer Klassenfahrt unterstützt habt. Was mich interessieren würde, wieso hat eine schwule Jugendgruppe am Zeltlager teilgenommen?“
Ich erklärte ihm: „Auch schwule und lesbische Jugendliche gehören in die Gruppe der benachteiligten Personen. In diesem Fall war es jedoch etwas anders gelagert. Sie haben uns zusätzlich bei der Betreuung der Kids unterstützt. Hast du ein Problem mit schwulen Jugendlichen?“
Holger erklärte: „Ich hoffe, Gero kann seine Klappe halten und nicht gleich ausposaunen, was ich euch jetzt sage. Ich bin vermutlich ebenfalls bisexuell oder schwul. Nur bin ich mir nur noch nicht zu einhundert Prozent sicher, was ich wirklich bin.“
Gero schaute ihn an und erwiderte: „Ausposaunen werde ich dein Outing sicher nicht. Erwarte aber auch nicht, dass ich dir deswegen um den Hals falle. Mir sind Mädchen nämlich doch lieber als irgendwelche Jungs. Jeder soll so glücklich werden, wie er es für sich entscheidet."
Ich sagte: „Holger, dann herzlich willkommen bei den zehn Prozent aller Männer, die das männliche Geschlecht bevorzugen. Im Bereich des Gutshofes leben allein acht Pärchen, die, wie du, das männliche Geschlecht bevorzugen. Um euch Beide jetzt zu schocken, erkläre ich, dass ich auch dazu gehöre.
Wenn ich euch zudem erzähle, dass ich bereits zweifacher glücklicher Großvater bin und zwei leibliche und zwei adoptierte Kinder zu meiner Familie gehören, werdet ihr mir vermutlich nicht glauben. Seit wenigen Tagen gehören vorübergehend drei Pflegekinder mit zur Familie, von den Jungs ist einer ebenfalls schwul.“
Gerhard hatte die beiden Jungs genau beobachtet und ergänzte: „Ich kann euch Peters Angaben nur bestätigen. Mein schwuler Enkel Ludwig gehört zu den acht Pärchen, die hier leben und er arbeitet in der Stiftung mit. Er hat seinen Partner hier am Gutshof kennengelernt, als er zum Vorstellungsgespräch hier war.
Geangelt hat er sich Christian, der von seinen Eltern in einer Klinik untergebracht war, bei der schwule Jungs angeblich geheilt werden können. Er wurde von Peter mit Hilfe des Jugendamtes befreit, nachdem Peter dessen älterem Bruder dieses Geheimnis entlocken konnte. Wenn Peter einem Jugendlichen, egal ob schwul oder nicht, helfen kann und derjenige das auch will, setzt er alle Hebel in Bewegung.“
Ich hatte die beiden Jungs genau beobachtet, als Gerhard ihnen von meinen Aktivitäten berichtete. Sie hatten sich gegenseitig angeschaut und danach den Blick intensiv auf mich gerichtet. Wieder einmal hatte ich sofort das Gefühl, dass die beiden ein Geheimnis verband, dem ich auf die Spur kommen sollte. Noch war mir nicht klar, wie ich es herausfinden könne.
Der Lehrer meinte: „Danke für Eure Zeit, wir haben euch lange genug von eurer Arbeit abgehalten. Ihr Beide habt euch für die Unterstützung bedankt. Nun sollten wir auch langsam wieder zur Klasse zurückkehren.“
Der Lehrer und die beiden Jungs standen auf und verabschiedeten sich, wobei der Lehrer sich unverzüglich entfernte. Ich sagte zu den Beiden: „Ich kann euch ansehen, dass ihr ein Vier- oder Sechs-Augen-Gespräch mit mir führen wollt. Wenn dem so ist, erwarte ich euch in zehn Minuten in meinem Büro im Gutshaus. Ich denke, ihr wollt eurem Lehrer sicher nicht erklären, warum ihr mit mir sprechen wollt. Erklärt ihm deshalb, ich hätte euch eingeladen, mehr über die Arbeit der Stiftung zu erfahren und ihr deshalb in zehn Minuten in meinem Büro erscheinen sollt.“
Die beiden Jungs nickten nur und entfernten sich langsam. Ich ging mit Gerhard zurück in mein Büro und unterwegs fragte er mich, wieso ich den Jungs ein Gespräch angeboten habe und sie deshalb ihren Lehrer belügen sollten.
Ich antwortete: „Gerhard, als du den Jungs von meinen Hilfsaktionen erzählt hast, haben sich die beiden gegenseitig intensiv angeschaut und danach mich richtiggehend fixiert. Ich hatte sofort das Gefühl, dass die beiden Jungs dringend Hilfe brauchen könnten. Deshalb mein Angebot und die damit verbundene Notlüge dem Lehrer gegenüber. Ich bin mir sicher, sie werden in zehn Minuten bei mir im Büro stehen.“
Gerhard schaute mich an und meinte: „Ich erinnere mich daran, wie du mir vertraulich, aber nicht direkt gesagt hast, dass mein Enkel Ludwig in einen Jungen verliebt ist, was ich selbst nicht einmal bemerkt habe. Oder nehmen wir Benjamin, dem du sein Geheimnis um seinen kleinen Bruder entlockt hast, in den sich Ludwig verknallt hat. Halte mich auf dem Laufenden, sofern du richtig vermutest.“
Im Büro holte Gerhard nur seine Sachen und als wir wieder auf dem Flur standen und uns verabschiedeten, waren die beiden Jungs bereits auf dem Weg in mein Büro. Gerhard verabschiedete sich noch einmal von den Jungs. Ich bat die Beiden mir zu folgen. Wir gingen über Petras Büro in mein Büro und ich meinte noch zu ihr, dass ich auf keinen Fall gestört werden will, während ich mich mit den Jungs unterhalte.
Wir setzten uns in die Besprechungsecke und ich eröffnete das Gespräch: „Nachdem ihr Zwei gekommen seid, gehe ich davon aus, dass ihr mir etwas anvertrauen wollt und ich euch eventuell helfen soll. Wer von euch will reden?“
Sie schauten sich an und nach kurzer stummer Kommunikation erzählte Holger: „Peter, es geht um meinen besten Freund Gero, aber nicht, dass er ebenfalls schwul wäre. Gero, am besten du zeigst Peter, über was wir reden wollen.“
Ich unterbrach ihn und erklärte: „Bevor Gero mir etwas zeigt, würde ich gerne, zu meiner eigenen Sicherheit, eine weitere Person hinzuziehen. Ich bin mir im Grunde genommen sicher, dass ihr mir keine Falle stellen wollt, aber ich möchte mich trotzdem gern absichern. Ihr könnt wählen zwischen meiner Assistentin Petra oder Ludwig, Gerhards Enkel und Mitarbeiter in der Stiftung. Beide wissen, was in meinem Büro besprochen wird ist vertraulich und nicht für die Allgemeinheit bestimmt.“
Gero meinte, wenn schon ein Zeuge dabei sein soll, dann würde ich mich lieber für Ludwig entscheiden. Gerhard hat einen sehr vernünftigen Eindruck bei mir hinterlassen.
Ich stand auf, ging zur Tür von Ludwigs Büro, klopfte an und bat ihn, in mein Büro zu kommen. Er kam unverzüglich und ich schloss die Tür. Da bat ich ihn, er solle sich doch zu uns in die Besprechungsecke setzen. Wir wollen etwas besprechen, das Ludwig unbedingt vertraulich behandeln solle. Nun stellte ich ihm die beiden Jungs kurz vor und meinte, Gero könne loslegen.
Gero stand auf und sagte zu uns: „Was ihr gleich zu sehen bekommt wird euch vermutlich schocken. Ich will euch nur vorwarnen. Zuerst entledigte er sich der Winterjacke, die er noch anhatte. Im zweiten Schritt trennte er sich von seinem Sweatshirt und ein nackter Oberkörper kam zum Vorschein. Als er sich umdrehte hört ich von Ludwig: „Wer war das? Derjenige oder diejenigen gehören hinter Gitter! Peter, da musst du sofort eingreifen.“
Inzwischen hatte sich Gero so weit gedreht, dass ich mir selbst ein Bild von den Striemen machen konnte, die seinen Rücken bedeckten. Sie schienen etwa zwei oder drei Tage alt zu sein. Ich sagte: „Gero, du kannst dein Sweatshirt wieder anziehen. Das, was ich gesehen habe, reicht für mich aus, dir meine Hilfe anzubieten. Ich kann dir jedoch nur helfen, wenn du das auch selbst willst. Ohne deine Zustimmung sind mir die Hände gebunden.“
Während Gero wieder sein Sweatshirt anzog, erklärte Holger: „Peter, hier geht es nicht allein um Gero. Sein kleiner Bruder Randolf sieht meist ähnlich oder sogar noch schlimmer aus. Wenn, dann muss beiden Brüder geholfen werden. Gero will seinen kleinen Bruder nicht allein bei seinem Vater zurücklasse,Denn dann müsste der es ausbaden, dass Gero sich Hilfe geholt hat.“
Ich sagte: „Gero, wenn es so ist, dass dein Bruder Randolf ebenfalls davon betroffen ist, gilt die Zusage, dass ich dir helfe, natürlich auch für ihn. Ich verspreche dir, wenn ich Barbara vom Jugendamt einschalte, dass dein Bruder vermutlich heute Abend bereits hier am Gutshof sein wird. Ich brauche nur deine Zustimmung, dass ich das Ganze in die Hand nehmen darf.“
Er kommunizierte wieder mit Blicken zu Holger und erklärte dann: „Okay Peter, ich vertraue dir, dass du meinen kleinen Bruder in die Hilfe mit einbeziehst und stimme zu, dass du uns Beiden helfen darfst.“
Ich schnappte mir mein Handy und wählte die Nummer von Barbara. Als sie das Gespräch annahm erklärte ich ihr, dass hier bei mir ein äußerst dringender Notfall im Büro sitzt und sie doch bitte sofort kommen möge, da Gefahr in Verzug sei. Sie lachte und meinte: „Peter ich bin schon unterwegs, wenn du anrufst und Hilfe anforderst, dann kann ich mir sicher sein, dass du mich nicht auf den Arm nehmen willst. Ich bin in fünfzehn Minuten bei euch.“
Als ich mein Gespräch beendet hatte sagte ich zu den Jungs: „Barbara wird in fünfzehn Minuten hier sein und dann lassen wir die Hilfe für dich und deinen jüngeren Bruder anlaufen. Ich denke, das war aber nicht alles, was ihr mit mir besprechen wolltet. Soll uns Ludwig wieder verlassen oder kann er dabeibleiben.“
Holger meinte: „Ich habe kein Problem. Ludwig denkt so wie ich, dass Geros Vater hinter Gitter gehört, aber das wird nicht so einfach sein.“
Gero nickte nur zustimmend und erklärte: „Der zweite Punkt betrifft Holger, er ist bisher bei seinen Eltern nicht geoutet. Er hat Angst davor, dass er von seinem Vater ebenso verprügelt wird, wie mein Vater das für gewöhnlich im Suff macht, oder er womöglich von ihm aus dem Haus geworfen wird.“
Immerhin nickte Holger zustimmend, was Ludwig dazu brachte, sich wie folgt zu äußern: „Peter, ich denke, wir brauchen keinen zweiten David, der von seinen Eltern aus dem Haus geworfen wurde und auf dem Münchner Straßenstrich gelandet ist. Du darfst es gar nicht erst dazu kommen lassen.“
Ich schaute Holger an und erklärte: „So einfach wie bei Gero und seinem Bruder Randolf ist es sicher nicht. Du und Gero solltet uns dazu Hintergrundinformationen liefern, die ein sofortiges Eingreifen erforderlich machen. Ansonsten kann ich dir nur anbieten, wenn dich deine Eltern nach deinem Outing aus dem Haus werfen sollten, kannst du jederzeit hier auftauchen und dann kümmern wir uns sofort um dich.“
Holger wollte gerade etwas sagen, als heftig an die Tür geklopft wurde und, ohne abzuwarten, sofort geöffnet wurde. Barbara stand in der Tür und meinte: „Peter, du hast mir einen Notfall gemeldet, für wen kann ich etwas tun.“
Ich erklärte ihr: „Barbara es geht um den jungen Mann mit dem grünen Sweatshirt, das ist Gero. Gero kannst du kurz Barbara deinen Rücken zeigen, ich denke nicht, dass du dein Sweatshirt komplett ausziehen musst.“
Er hatte sein Sweatshirt nur gut zur Hälfte nach oben geschoben, als Barbara erklärte: „Gero das reicht, was ich gesehen habe. Du kannst dein Shirt wieder herunterlassen. Ich würde nur gern von dir wissen, wer dich so zugerichtet hat.“
Gero schaute Barbara und sagte: „Peter hat mir versprochen, dass er meinem jüngeren Bruder genauso helfen wird, der von meinem Vater ebenfalls grundlos verprügelt wird. Kannst du bestätigen, dass du ihm auch helfen wirst?“
Barbara lächelte ihn an und antwortete: „Keine Sorge, wenn Peter dir das versprochen hat, gilt das auch für mich. Peter und Thomas haben mir schon so oft geholfen, wenn es um die Unterbringung von Problemfällen ging. Wenn dein Bruder genauso darunter leidet wie du, gehört es zu meinen Pflichten und Aufgaben, ihm die gleiche Hilfe zu gewähren.“
Ich schaute Barbara an und erklärte: „Für die beiden Jungs die aus München kommen biete ich dir an, dass sie vorerst hier am Gutshof untergebracht werden können. Sie können nicht in München bleiben. Thomas und ich würden sie als weitere Pflegekinder bei uns aufnehmen.“
Sie fragte Gero nach seinem genauen Wohnort und dem Alter ihres Bruders. Danach griff sie zum Smartphone und telefonierte mit dem Jugendamt in München. Ich bekam mit, dass sie sich mit dem Leiter des Jugendamts verbinden ließ und ihm zuerst von ihrem Notfall berichtete. Weiter erklärte sie, dass sein jüngerer Bruder Randolf ebenfalls vom Vater regelmäßig und grundlos verprügelt wird, wenn er betrunken sei.
Sie erklärte ihm, dass sie bereits Pflegeeltern für die beiden Jungs hätte und es geschickt wäre, wenn Randolf noch heute nach Rosenheim zu seinem Bruder und den Pflegeeltern gebracht wird. Da die beiden Jungs hier zur Schule gehen sollen, sollten doch bitte auch die Schulsachen und weitere Bekleidung von Gero mitgebracht werden.
Nach dem Ende des Gesprächs erzählte sie: „Mein Kollege, der Chef des Münchner Jugendamtes, wird sofort alles in die Wege leiten und Randolf noch heute hierher bringen lassen. Als ich ihm erklärte, wo ich euch unterbringe, hat er sofort der Verlegung nach Rosenheim zugestimmt.
Er hat mir noch mitgeteilt, dass zwei Mitarbeiter und ein Amtsarzt zusammen mit der Polizei in der nächsten halben Stunde bei deinen Eltern aufschlagen werden, um vor Ort die von mir geschilderten Tatsachen festzustellen. Er wird seinen Mitarbeitern meine mobile Rufnummer mitgeben, damit sie mich auf dem Laufenden halten können. Wir können jetzt nur abwarten, bis sie sich melden.“
Habt ihr Geros Lehrer davon informiert, dass ihr wegen seiner Verletzungen das Jugendamt eingeschaltet habt?“ Sie schaute dabei mich intensiv an und so antwortete ich Barbara: „Nein, haben wir noch nicht, was aber daran liegt, dass die Jungs nicht wollten, dass die Lehrer davon erfahren.“
Barbara erklärte; „Dann sollten wir das schleunigst nachholen. Nicht dass eure Lehrer Probleme bekommen hinsichtlich einer möglichen Verletzung der Aufsichtspflicht.“
Ich sagte: „Holger, würdest du bitte ins Jugendhotel gehen und den Lehrer holen, der heute Mittag bei dem Gespräch mit dabei war, damit Barbara ihres Amtes walten kann.“
Als Holger den Raum verlassen hatte, fragte Gero; „Was machen wir mit Holger und seinem Problem. ich möchte ihn nicht in München allein zurücklassen. Mir ist bewusst, dass Holger nicht will, dass ich über sein Elternhaus ohne ihn spreche. Aber nur so sehe ich die Chance, dass ihr alle Informationen bekommt. Holger kommt aus einem rechtsradikal angehauchten Elternhaus. Sein Vater ist meines Wissens ein bekanntes Gesicht aus der rechten Szene. Wenn er sich zu Hause outet, kann das meiner Meinung nach nur in einer Katastrophe enden. Barbara, kannst du vielleicht herausfinden, wie hoch das Risiko für Holger ist, wenn er sich eines Tages zu Hause outen sollte und ob ihr ihn, so wie meinen Bruder und mich, aus seinem Elternhaus herausholen und anderweitig unterbringen könnt?“
Barbara schaute Gero an und meinte: „Ich kann mich über seine Eltern schlau machen und wenn das Risiko als sehr hoch eingestuft wird, kann ich mir durchaus vorstellen, dass das Jugendamt tätig wird.“
Dass die Angelegenheit innerhalb von zwei Tagen eskalieren könnte ahnte zu diesem Zeitpunkt noch keiner. Aber alles der Reihe nach. Kaum hatte Barbara geendet, klopfte es und Holger betrat mit dem Lehrer, Herrn Morgenstern, mein Büro.
Barbara schaute ihn an und erklärte: „Ich bin Frau Wegmann vom Jugendamt Rosenheim und wurde von Herrn Maurer zu einem Notfall zum Gutshof geholt. Ich teile ihnen hiermit offiziell mit, dass Gero Braun ab sofort unter staatliche Betreuung durch das Jugendamt Rosenheim gestellt wurde. Wenn sie wissen wollen, warum wir uns zu diesem Schritt genötigt sahen: Gero wurde mehrfach schwer misshandelt. Gero kannst du deinem Lehrer deinen Rücken zeigen.“
Gero schaute Barbara an, stand dann doch auf und schob sein Sweatshirt nach oben. Ich beobachte neugierig, welche Reaktion der Lehrer zeigen würde, wenn er die Striemen auf Geros Rücken sehen würde. Er wirkte komplett überrascht und entsetzt als er den Rücken Geros sah. Als Gero seinen Rücken wieder bedeckt hatte, meinte er: „Gero, warum hast du dich nie einem Vertrauenslehrer anvertraut? Wenn du nur einmal etwas gesagt hättest, wir hätten sofort reagieren und das Jugendamt einschalten müssen.“
Barbara erklärte: „Sie sollten weder Gero noch sich selbst Vorwürfe machen. Den meisten Betroffenen fällt es sehr schwer in die Öffentlichkeit zu gehen. Sie sollten eher Peter danken, der ein sehr gutes Gespür dafür hat, wenn bei einem Jugendlichen etwas nicht stimmt und er sie dazu bringt, sich ihm anzuvertrauen. Bei ihm hatte er das notwendige Vertrauen und konnte sein Probleme abladen.“
Barbaras Smartphone klingelte und sie nahm das Gespräch sofort entgegen. Sie lauschte dem Gesprächspartner und lächelte vor sich hin. Das Gespräch dauert sicher gut fünf Minuten und als Barbara aufgelegt hatte, erklärte sie: „In München sieht es gut aus, Gero, dein Bruder wird definitiv noch heute vom Jugendamt nach Rosenheim gebracht. Die Kollegin erklärte mir, dass sie mit der Polizei mehr oder weniger überfallartig bei deinen Eltern aufgetaucht sind. Nach der Untersuchung von Randolf durch den Amtsarzt stand fest, dass er ebenfalls regelmäßig misshandelt wird. Sie packen gerade deine und seine Sachen und den Eltern wurde erklärt, dass ihnen mit sofortiger Wirkung das Sorgerecht für ihre beiden Söhne entzogen wurde. Beim Gericht wird in den nächsten Tagen ein Annäherungsverbot angestrebt, dass euren Eltern untersagt, näher als fünfhundert Metern an euch heranzukommen.“
Gero schaute Barbara verwirrt an und sagte: „Habe ich das jetzt wirklich richtig verstanden, dass Randolf noch heute Abend hier eintreffen wird? Ich wollte Peter nicht glauben, dass Barbara das ermöglichen könnte. Ich freue mich jetzt schon darauf, wenn ich ihn in meine Arme schließen kann.“
Barbara lachte ihn an und erklärte: „Ich war mir auch nicht von Anfang an sicher, dass er heute noch hier landet. Doch mit dem Anruf der Münchner Kollegin haben wir die definitive Zusage, dass sie unterwegs sein werden, wenn sie eure notwendigen Dinge eingepackt haben.“
Sie blickte wieder zum Lehrer und ordnete an: „Da Gero jetzt dem Jugendamt Rosenheim unterstellt ist, ist die Klassenfahrt für ihn beendet. Er wird spätestens an Montag hier in Rosenheim zur Schule gehen. Gero, du kannst inzwischen deinen Koffer packen und kommst dann anschließend damit wieder ins Büro von Peter. Ich werde in der Zwischenzeit die Details über eure Unterbringung mit Peter klären.
Herr Morgenstern, könnten sie bitte veranlassen, dass die schulischen Unterlagen von Gero, aber auch von Randolf, sofern beide die gleiche Schule besuchen, an die entsprechende Schule in Rosenheim weitergeleitet werden, oder soll ich meine Münchner Kollegin damit beauftragen.“
Der Lehrer antwortete: „Ich werde gleich meine beiden mitgereisten Kollegen informieren und morgen Vormittag werde ich unseren Direktor auffordern, die Unterlagen umgehend nach Rosenheim zu übersenden. Jungs, kommt ihr, damit Gero seinen Koffer packen und sich von seinen Mitschülern verabschieden kann.“
Barbara schaute ihn an und meinte: „Herr Morgenstern, sie können mit Gero schon allein vorausgehen, Holger benötigen wir noch kurz hier, um einige Fragen zu klären. Sobald alles geklärt ist, kommt er ins Jugendhotel zurück.“
Ludwig, der die ganze Zeit nur stumm dabeigesessen war, meinte: „Ich sollte mich auch langsam wieder verkrümeln und meiner Arbeit nachgehen. Peter, bevor ich es vergesse, Bernhard will bei dir einen Termin, da die Voraussetzungen für die Vermarktung der der Plan-/Dokumentenverwaltung erfüllt sind.“
Ich erklärte: „Wir werden uns nächste Woche mit diesem Thema beschäftigen, wenn mit dem Zeltlager alles geklärt ist und die Aufgaben verteilt sind. Vor allem will ich vorher wissen, wie weit die Planungen mit der Außenstelle an der Ostsee sind.“
Da wir jetzt nur noch zu dritt bei mir im Büro saßen, fragte Barbara: „Holger, dein Freund Gero hat mir schon einige Informationen zukommen lassen, Jetzt will ich aus deiner Sicht hören, warum du dich nach einem Outing bei deinen Eltern dort nicht mehr sicher fühlen kannst.“
Holger zögerte, bevor er erklärte: „Ich habe keine Ahnung, was ihnen Gero erzählt hat. Mein Vater ist eine bekannte Persönlichkeit aus dem rechtsradikalen Lager. Damit sollte ihnen klar sein, warum ich mich vor einem Outing zu Hause fürchte. Wenn ich das Gespräch zuvor richtig einordne, bleibt mir erst einmal nur die Möglichkeit, meine Klappe zu halten, und mit Erreichen der Volljährigkeit, von zuhause auszuziehen. Nur das hilft mir auch nicht viel weiter, da ich mir von meiner Ausbildungsvergütung keine eigene Wohnung leisten kann.“
Barbara schaute ihn lächelnd an und sagte: „Ich wüsste schon eine weitere Möglichkeit. Du machst doch in wenigen Monaten deinen Schulabschluss. Mit einem Ausbildungsplatz, der weit weg von München ist, könntest du im Sommer in ein Jugendwohnheim gehen, das in der Nähe deines Ausbildungsplatzes liegt.
Hier wird im Sommer diesen Jahres ein neues Jugendwohnheim eröffnet, aber dazu müsstest du dich im Raum Rosenheim bei einem Unternehmen bewerben, das auch eine Unterbringung von auswärtigen Jugendlichen anbietet. Peter bietet diese Möglichkeit, nur hat er seine Ausbildungsplätze bereits alle vergeben. Welche Berufsausbildung hast du denn ins Auge gefasst?“
Holger schaute zwischen Barbara und mir hin und her, bevor er sagte: „Ich habe in München mehrere Bewerbungen für eine Ausbildung zum Bürokaufmann bei verschiedenen Unternehmen abgegeben. Von einigen habe ich bereits eine Absage erhalten, ein paar sind noch offen.
Wenn Peter für seine Unternehmensgruppe bereits alle Ausbildungsplätze vergeben hat, wird es wohl sehr schwierig werden, hier für mich noch etwas passendes zu finden, um in dem neuen Jugendwohnheim unterzukommen. Immerhin wäre ich in der Nähe meines besten Freundes Gero.“
Barbara schaute mich an und erwartete von mir ein Statement dazu. Ich überlegte lange, bevor ich antwortete: „Holger, aktuell kann ich dir keine feste Zusage für einen Ausbildungsplatz geben. Wenn du dich kurzfristig bei uns bewirbst, werde ich mit Florian, unserem Ausbildungsbeauftragten, noch einmal prüfen, ob wir dich vielleicht doch irgendwie unterbringen können. Dazu solltest du aber konkret äußern, in welchem Bereich du die Ausbildung machen möchtest. Wir bieten bei den Bürokaufleuten Ausbildungsplätze im Handwerk, in der Buchhaltung, in der Stiftungsverwaltung, in der Personalverwaltung, in der Wohnungs- und Mietverwaltung, in der IT, sowie eine allgemeine Ausbildung zum Bürokaufmann an. Keine Panik, in weiten Teilen ist die Ausbildung für alle Teilbereiche gleich, du lernst nur zusätzlich auch fachbezogenes Wissen.“
Er schaute mich überrascht an und sagte: „Ich bin davon ausgegangen, dass die Ausbildung für alle Bürokaufleute die gleiche ist. von Spezialisierung war bisher nirgends die Rede bei meinen Vorstellungsgesprächen.“
Ich erklärte: „Das kann ich mir gut vorstellen, wenn du dich als Beispiel bei einem reinem Handwerksbetrieb bewirbst, ist automatisch das Fachwissen aus dem Handwerk deine Spezialisierung. Bei uns gibt es mehrere Fachbereiche und deshalb auch die Unterscheidung nach den einzelnen Bereichen, aus denen du wählen kannst.“
„Okay,“ antwortete Holger, „spätestens nächste Woche liegt meine Bewerbung auf deinem Schreibtisch. Ich hoffe für mich, dass ich dann im Sommer meine Ausbildung hier beginnen kann.“
Mir war in dem Moment bewusst, dass ich auch für Gero noch einen Ausbildungsplatz finden musste, da er ab sofort zur Gutshoffamilie gehören würde. Holger verabschiedete sich und ging zurück ins Jugendhotel, fragte aber noch, ob er sich in den nächsten Tagen noch mit Gero treffen darf, oder ob das ab sofort verboten sei.
Barbara grinste und meinte: „Selbst wenn ich es verbieten würde, ihr würdet trotzdem einen Weg finden, um mein Verbot zu umgehen. Solange du noch mit deiner Klasse auf Klassenfahrt hier bist, sehe ich keinen Grund ein sofortiges Kontaktverbot auszusprechen.“
Barbara schaute mich an, nachdem wir endlich allein im Büro saßen und erklärte: „Ich will gar nicht wissen, wo du die beiden Jungs unterbringen willst. Mir ist bekannt, dass es noch einige freie Gästezimmer im Gutshaus gibt, auf die du zurückgreifen kannst.“
Ich lachte und erklärte: „Barbara, ich überlege schon die ganze Zeit, ob ich die beiden Jungs aufteilen kann. Randolf würde ich versuchen bei Florian unterzubringen. Die Beiden dürften in etwa gleich alt sein, und Gero darf sich ein Zimmer mit Pit teilen. Mario wird in den nächsten vierzehn Tagen in die Betriebsleiterwohnung der Gärtnerei Grubmüller umziehen. Die einzige Alternative wäre die, beiden Brüder bei Philipp im Gästezimmer unterzubringen.
Alles nur Lösungen bis im Sommer die Jugendwohnungen und die sonstigen Wohnungen fertiggestellt sind, danach gibt es wieder massig Platz für neue Kids. Bei mir ziehen Felix und Dennis aus, bei Philipp wären es Pit und Gero und im Verwalterhaus Richard und Pete. Ich befürchte, David und Tobias werden versuchen, ebenfalls ins Jugendwohnheim zu kommen.“
Barbara lachte und sagte: „Peter, du wirst schon die richtige Entscheidung treffen, wie du alle Jungs vernünftig unterbringst. Was deine beiden Adoptivsöhne angeht, würde ich die Unterbringung im Wohnheim ablehnen, die beiden haben bei euch geordnete Verhältnisse und leben nicht mehr in einem Kinderheim.“
Wieder klingelte Barbaras Smartphone und als sie die Rufnummer sah, grinste sie und nahm das Gespräch entgegen. Ich deutete ihr, dass ich kurz raus gehe und gleich wieder hier sein werde. Sie nickte nur, so dass ich in Petras Büro ging und dort Philipp anrief. Als er abnahm meinte er: „Petra, was kann ich für dich tun, willst du dein Telefon zu uns umstellen.“
Ohne meine Stimme zu verstellen, antwortete ich: „Ja du kannst etwas für mich tun, dein Vater erwartet dich und Marcus kurzfristig in seinem Büro.“ Er antwortet nur: „Sind schon unterwegs.“
Petra, die alles mitbekommen hatte, meinte: „Hat der alte Charmeur schon wieder zugeschlagen.“ Ich grinste nur und ging wieder zurück in mein Büro. Barbara telefonierte immer noch mit dem Anrufe.,Ich bekam nur mit, dass sie mit dem Jungen ins Gutshaus kommen solle und dort ins Büro vom Chef der Gutshofverwaltung gehen soll.
Kaum hatte sie das Gespräch beendet, klopfte es und Philipp und Marcus stürmten in mein Büro. Als sie Barbara erblickten, begrüßten sie unseren Besuch. Philipp grinste frech und fragte: „Bist du hier, um für einen weiteren Jugendlichen um Asyl bei meinem Vater zu bitten und der soll vermutlich in unserem zweiten Gästezimmer untergebracht werden?“
Ich grinste und Barbara antwortete: „Seit wann bist du Hellseher, Philipp. Ja, es geht sogar um die Unterbringung von zwei Brüdern, vierzehn und siebzehn Jahre alt. Die beiden kommen aus München und wurden von ihrem Vater schon längere Zeit schwer misshandelt. Nur bin nicht ich auf deinen Vater zugekommen, sondern er hat mich angerufen und bei mir die schweren Misshandlungen bei dem Siebzehnjährigen angezeigt.
Es ist einer der Schüler, die aktuell im Jugendhotel zu Gast sind. Ich habe eben den Anruf erhalten, dass sein jüngerer Bruder ebenfalls schwer misshandelt wurde und die Mitarbeiterin vom Jugendamt in München mit ihm bereits unterwegs sei zum Gutshof. Sie wird vermutlich in etwa dreißig bis vierzig Minuten bereits hier eintreffen. Als ich ihr erklärte, wo sie mich finden würde, meinte sie, sie sei im letzten Jahr bereits hier gewesen und habe Tobias damals für das Schnupper-Wochenende bei uns abgeliefert.“
Es klopfte wieder und Gero trat in mein Büro mit seinem Koffer. Er stellt ihn neben die Tür und setzte sich zu uns. Ich stellte ihm meinen Sohn Philipp und seinen Ehepartner Markus vor und ergänzte, dass er vermutlich mit seinem Bruder das zweite Gästezimmer bei ihnen bewohnen wird. Das andere Gästezimmer wird ebenfalls von zwei Brüdern genutzt, wobei Mario, der ältere der beiden, demnächst in die Betriebsleiterwohnung der Gärtnerei Grubmüller umziehen wird.
Philipp sagt zu Gero: „Herzlich Willkommen bei uns. Hier gibt es keine körperliche Misshandlung, aber du kannst für deine Selbständigkeit viel lernen. Wir teilen uns die Arbeit in der Wohnung gerecht auf. Du lernst, wie du deine Wäsche wieder sauber bekommst und wir kochen öfter gemeinsam. Wobei, beim Waschen darfst du alles waschen, auch die Bekleidung von Marcus und mir oder von Pit und Mario.“
Gero grinste und meinte: „Ich fürchte, ich gehe doch wieder zu meinen Eltern zurück. Dort gibt es nur Prügel. Aber keine Arbeit, die von mir erwartet wird. Ade schönes bequemes Leben, bei dem man sich um nichts kümmern musste. Auf der anderen Seite, wenn ich in eine eigene Wohnung einziehen will sollte ich wissen, was mich erwartet.“
Marcus meinte zu Gero, ob er ihnen auch zeigen würde, was Peter dazu veranlasst hatte Barbara auf den Plan zu rufen. Gero grinste und meinte dazu, inzwischen bin es ja bereits gewöhnt ständig meinen Rücken vorzuzeigen. Gleichzeitig drehte er sich um und zeigt den beiden Jungs seine Rückseite.
Philipp erklärte: „Da hätte selbst ich Barbara sofort angerufen und sie gebeten einzugreifen. Wie kann ein Vater nur so grausam sein und sich an seinen eigenen Kindern vergreifen. Wahrscheinlich hörst du das heute nicht zu ersten Mal, aber solche Menschen gehören hinter Gitter.“
Gero sagte: „Ja und nein, früher war er ganz anders, erst seit er seinen Job verloren hat und mit dem Trinken angefangen hat, hat er sich so verändert und damit angefangen mich und meinen Bruder teilweise grundlos zu verprügeln. Wahrscheinlich würde es ausreichen, wenn er wieder einen Job hätte und keinen Alkohol mehr trinken würde. Aber davor wird vermutlich erst einmal ein langwieriger Alkoholentzug stehen.“
Mit den Gesprächen hatte ich nicht mehr auf die Zeit geachtet und wir wurden vom Anklopfen an der Bürotür gestört. Ich rief herein und die Tür öffnete sich. Durch die Türrahmen kam Randolf, Geros jüngerer Bruder. Als er ihn erblickte, ließ er seine Tasche fallen und stürzte sich auf seinen Bruder. Sie fielen sich um den Hals und Gero meinte: „Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du hier neben mir stehst. Vor knapp vier Stunden habe ich Peter von unserem Problem erzählt.
Er hat sofort angeboten uns zu helfen. Er hat mir sogar erklärt, wenn alles perfekt ablaufen würde, dass du noch heute Abend hier sein würdest. Ich wollte ihm das nicht glauben, aber anscheinend stimmt das, was von ihm behauptet wird. Wenn er einen Problemfall anpackt, geht es grundsätzlich gut für das Opfer aus.“
Ich meinte: „Hallo Randolf, ich bin Peter, glaube ihm nur die Hälfte seiner Lobhudelei. Ich habe nur meine Beziehungen zum Jugendamt genutzt, um dir und deinem Bruder zu helfen. Die Arbeit haben die Mitarbeiter vom Jugendamt und die Polizei erledigt. Das du hier bei deinem Bruder in Rosenheim und nicht in einem Münchner Kinderheim gelandet bist, das ist auf meinem Mist gewachsen, das gebe ich ehrlicherweise zu.
Aber was jetzt wichtiger ist, ich sollte mich um das Abendessen kümmern. Philipp, Marcus, könntet ihr zwei bei Alexandra für neunzehn Uhr einen Tisch bestellen. Lass mich kurz durchrechnen wie viel Personen wir sein werden. Ihr beide, Pit und Mario, bei uns sind es sechs Personen, Barbara und Beate, Gero und Randolf, dazu aus dem Verwalterhaus die drei Kids. Ich würde sagen siebzehn Personen.
Ich rief im Verwalterhaus an und als Florian das Gespräch annahm, erklärte ich ihm: „Florian, dich, Richie und Pete erwarte ich um neunzehn Uhr im Restaurant zum Abendessen.“ Der nächste Anruf ging nach oben in unsere Wohnung, wo ich David erklärte, dass alle Familienmitglieder, also auch Dennis und Felix, um neunzehn Uhr im Restaurant zum Essen erscheinen sollen, da es wichtige Neuigkeiten gibt.
Nachdem das mit dem Abendessen geregelt war, konnten wir uns wieder den Fragen der beiden Jungs widmen, die als neue Pflegekinder in unsere Familie gekommen sind. Barbara erklärte ihnen: „Vorerst sind Peter und sein Ehepartner Thomas eure Pflegeväter, bis sich bei euren Eltern eine neue Situation ergibt. Wobei, bei Gero wird das keine große Rolle mehr spielen, da er zu diesem Zeitpunkt vermutlich bereits volljährig ist. Er kann dann für sich selbst entscheiden. Gero, ich habe noch eine wichtige Frage an dich. Hast du bereits in München einen Ausbildungsplatz oder bist du noch auf der Suche?“
Gero erklärte: „Ich habe einige Bewerbungen in München abgeschickt, aber zu einem Ausbildungsvertrag ist es bisher nicht gekommen. Ich werde mich in nächster Zeit in Rosenheim umsehen, wie es hier mit Ausbildungsplätzen aussieht.“
Barbara erklärte ihm: „Das, was ich dir jetzt sage, habe ich bereits Holger vorher erklärt. Die Unternehmen der Gutshofgruppe bilden ebenfalls aus, das Problem ist nur, hier wurden vor etwas mehr als einer Woche, alle Ausbildungsplätze für den kommenden September vergeben. Wenn mich nicht alles täuscht, wurden rund fünfunddreißig Auszubildende eingestellt.
Peter hat Holger erklärt, dass er sich gern noch bewerben kann, er aber keine Garantie abgeben kann, dass er auch angenommen wird. Es können Ausbildungsplätze wieder frei werden, wenn einer der ausgewählten Bewerber von sich aus absagt. Er sieht aber auch die Möglichkeit, dass in einzelnen Bereichen noch zusätzlicher Bedarf entstehen kann. Wofür hattest du dich bisher beworben?“
Gero grinste und antwortete: „Wenn Holger noch eine kleine Chance hat, gilt das auch für mich. Ich will auf alle Fälle einen kaufmännischen Beruf erlernen. Ich konnte mich bisher nur nicht entscheiden, in welche Richtung es gehen soll. Ich bin flexibel und würde einfach das nehmen, was angeboten wird. Mit einer soliden kaufmännischen Ausbildung hat man am Ende für viele Branchen eine gute Ausgangsbasis oder eine gute Ausgangslage für ein späteres Studium.“
Ich schaute die beiden Jungs an und fragte sie: „Gero, Randolf, ihr seid jetzt gefragt. Ich habe zusammen mit Thomas angeboten, euch beide als weitere Pflegekinder aufzunehmen. Die Entscheidung liegt aber letztendlich bei euch. Wenn ihr lieber woanders untergebracht werden wollt, wird euch Barbara sicher auch in einem Kinderheim oder bei einer anderen Pflegefamilie unterbringen können. Wichtig ist nur, dass ihr in Sicherheit seid und eine gewisse Distanz zu euren Eltern vorhanden ist.“
Randolf schaute mich verwundert an und sagte: „Peter, wenn Gero sich dir anvertraut hat, und dir unsere vollständige Leidensgeschichte erzählt hat, kann ich mir kaum vorstellen, dass er einen Rückzieher macht und woanders untergebracht werden will. Ich vertraue meinem Bruder, dass er für uns die richtige Entscheidung getroffen hat.
Ich habe aber eine Frage zu Florian, mit dem du vorher telefoniert hast. Ich kenne einen Florian Hübner aus dem Münchner Kinderheim, der mit mir in eine Klasse gegangen ist. Wir haben gestern früh erfahren, dass er ab sofort nicht mehr im Kinderheim lebt, sondern bei einer Pflegefamilie im Raum Rosenheim untergekommen ist, die ihn auch adoptieren will.“
Barbara, Beate und ich schauten uns stutzig an, bis Barbara sagte: „Wie kommst du auf die Idee, dass Florian hier untergekommen sein könnte.“
Randolf erklärte dazu: „Ganz einfach, Rosenheim, Pflegefamilie, Adoption, sind drei Begriffe, die mit einer Ausnahme, der Adoption, auch auf meinen Bruder und mich zutreffen. Somit ergibt sich für mich die logische Schlussfolgerung, dass Florian hier leben könnte oder du als Mitarbeiterin vom Jugendamt wissen könntest, wo er untergekommen ist.“
Ich schaute Randolf an und meinte. „Du musst ein schlaues Köpfchen sein, wenn du aus den drei Begriffen ableitest, dass Florian möglicherweise hier untergekommen sein könnte. Ich will dich auch gar nicht länger auf die Folter spannen. Ja, Florian lebt seit Samstag hier am Gutshof.
Derzeit ist er im Verwalterhaus in einem der Jugendzimmer untergebracht. bei den beiden Jungs, die ihn auch adoptieren werden. Er ist bei Thomas und mir als Pflegekind geparkt, bis das Adoptionsverfahren abgeschlossen ist. Du wirst nachher beim Abendessen auf ihn treffen.“
Randolf lachte und meinte: „Ich habe gegenüber Gero einen Vorteil, einen der Mitbewohner kenne ich bereits länger, da wir in die gleiche Klasse gegangen sind. Ich freue mich, wenn ich ihn nachher sehe. So wird mir die Umstellung sicher leichter fallen als meinem großen Bruder.“
Ich erklärte: „Nach dem Abendessen werden wir noch die Frage der Unterbringung von euch klären, dann ist für heute Schluss. Beate möchte sicher nicht zu spät nach Hause kommen. Vorher sollten aber noch die Kisten aus Beates Auto in mein Büro gebracht werden. Beate wird sie sicher nicht wieder nach München mitnehmen wollen.“
Wir gingen nach draußen zu Beates Auto und luden die üblichen Umzugskisten mit der Aufschrift Jugendamt aus dem Kofferraum ihres Kombis und brachten sie in mein Büro. Als wir gerade wieder nach draußen wollten, um die weiteren Kisten hereinzuholen, kamen unsere vier Jungs mit Thomas nach unten.
Ich meinte zu den Jungs, könnt ihr kurz mit Gero und Randolf nach draußen gehen und die letzten Kisten hereintragen. Wir sortieren inzwischen die Kisten danach, ob sie Gero oder Randolf gehören. Während die Jungs nach draußen gingen, stellten wir Geros Kisten zu seinem Koffer und auf einen weiteren Stapel die Kisten von Randolf.
Mit den letzten Umzugskarton kamen die Jungs ins Büro und ich bat sie ihre Kisten zum jeweiligen Stapel dazu zu stellen. Ich bat Gero und Randolf zu prüfen, ob alle Kisten vorhanden seien. „Ich habe meine sechs Umzugskarton“, meinte Randolf: „Und bei Gero stehen fünf Kisten und sein Koffer. Elf Kisten haben wir mitgebracht. Es sind alle hier.“
Beate kam wieder ins Büro, wollte sich von uns verabschieden und zurück nach München zu fahren. Ich erklärte ihr, dass sie mit uns zum Essen mitkommen solle, sonst würde es doch sehr spät werden, bis sie heute ihr Abendessen bekommen würde. Zu Zehnt ging es ins Restaurant, nachdem ich mein Büro abgeschlossen hatte.
Im Restaurant wurden wir im Nebenzimmer von den drei Jungs aus dem Verwalterhaus und von Daniel und Manuel empfangen. Als Florian Randolf entdeckte eilte er auf ihn zu und fragte: „Hi, Randolf, wie kommst du hier auf den Gutshof? Dich hätte ich hier nie erwartet. Warum hat mich keiner vorgewarnt, dass du hier aufkreuzt.“
Tobias stellte sich zu den Beiden und fragte: „Randolf, bist du mit Beate hierhergekommen? Hätte nicht gedacht, dass ich Beate noch einmal auf dem Gutshof Sonneneck sehen würde.“
Randolf grinste Florian und Tobias an und sagte: „Ich wurde entführt und hierher zum Gutshof verschleppt. Logisch war das Beate, oder siehst du sonst jemanden, der das getan haben könnte? Ich sehe dir doch an, ihr seid neugierig, warum ich hier bin. Nachdem bisher mein großer Bruder immer seinen Rücken hinhalten musste, werde ich euch zeigen, warum wir hier sind.“
Er drehte sich um und zog sein Sweatshirt nach oben. Zwischen dem, was ich bei Gero gesehen hatte und den Striemen von Randolf war kein großer Unterschied zu bemerken. Als er sein Shirt wieder nach unten geschoben hatte und sich wieder umdrehte, sah er in die verschreckten Gesichter von acht fast gleichaltrigen Jungs.
Er sagte: „So ähnlich sieht auch Geros Rücken aus! Seid ihr noch nie in eurem Leben von eurem Vater verprügelt worden?“
David meinte: „Man hat mich auch gelegentlich verprügelt, aber nie so heftig wie bei dir. Es waren aber nicht meine Eltern, sondern einige perverse Freier, die mich auf dem Straßenstrich verprügelt haben. Mein Rücken hat zumindest nie so ausgesehen als das, was du uns gezeigt hast.“
Inzwischen waren auch Philipp, Marcus und Pit eingetroffen und erklärten, dass Mario nachkommen werde. Er sei bereits auf dem Weg von der Gärtnerei hierher.
Alexandra betrat den Raum und fragte, warum wir uns noch nicht gesetzt hätten. Ich meinte: „Wir wollten gerade eine Vorstellungsrunde machen und warten noch auf Mario. Außerdem brauchen wir noch zwei weitere Plätze, wir sind jetzt doch neunzehn Personen.“
Nachdem Alexandra zwei weiter Stühle dazu gestellt hatte, setzten wir uns an den Tisch und ich bat alle: „Stellt euch kurz vor und erklärt, warum ihr am Gutshof lebt. Ich beginne, und dann geht’s im Uhrzeigersinn weiter. Mein Name ist Peter Maurer. Die meisten hier kennen mich schon länger. Fast alle wissen, dass ich mit meinem Nachbarn auf der rechten Seite verheiratet bin, der dann der Glückliche ist, sich als letzter vorstellen zu dürfen.“
Links neben mir saß David, der sich als nächster vorstellte. Ich werde euch jetzt nicht damit langweilen und euch die einzelnen Lebensläufe noch einmal vorstellen. Ihr habt im Laufe der bisherigen Geschichte alles über die Anwesenden erfahren.
Zwischendurch störte Alexandra und wollte zumindest schon einmal die Getränkewünsche aufnehmen. In dem Moment kam auch Mario zu unserer Runde hinzu und da er sich neben seinen Bruder setzte, war er der nächste nach Pit, der sich vorstellen durfte. Noch einmal unterbrach Alexandra die Vorstellungsrunde und nahm die Essensbestellungen der Einzelnen auf. Während des Essens sagte David zu mir: „Papa, bleiben die beiden Jungs für immer bei uns oder kann es sein, dass sie in wenigen Wochen wieder in ihre Familie zurückkehren werden?“
Ich antwortete: „Wenn es nach der Prognose von Barbara geht, wird Gero nicht vor seiner Volljährigkeit in diese Situation kommen. Er kann dann selbst entscheiden, ob er zurückkehren will. Wenn er in Rosenheim seine Ausbildung macht und im Jugendwohnheim wohnt, kann ich mir vorstellen, dass er nicht so schnell wieder zu seinen Eltern zurückkehren wird.
Bei Randolf kann ich da keine Prognose abgeben. Aber wenn es länger dauern sollte, beginnt er ebenfalls eine Ausbildung in Rosenheim. Damit hätte sich das Nachdenken dann auch erledigt. Weil ihr Vater schwer alkoholkrank zu sein scheint ist eine Rückkehr erst wieder möglich, wenn er den Entzug vollständig durchgezogen hat und mindestens ein halbes Jahr trocken geblieben ist.“
Bevor es um die Bestellung des Nachtischs ging, verabschiedete sich Beate. Sie bedankte sich für die Einladung und erklärte, dass sie sich gefreut hat, Tobias wieder getroffen zu haben. Sie würde doch gern nach Hause fahren, sonst würde es einfach zu spät, meinte sie.
Nach dem Essen schnappte ich mir Thomas, Gero und Randolf und wir setzten uns an einen kleinen Tisch. Ich erklärte: „Jungs, wir haben mehrere Alternativen, wie wir euch unterbringen können. Die Lösungen gelten vorerst bis etwa Mitte August, weil dann die Jugendwohnungen fertiggestellt sind und viele zukünftige Auszubildenden dorthin umziehen werden. Betroffen sind davon Felix und Dennis, sowie Richie, eventuell auch Pit und Pete. Mario wird demnächst bereits in die Betriebsleiterwohnung der Gärtnerei Grubmüller umziehen. David und Tobias bleiben bei uns, da sie unsere Adoptivsöhne sind.
Möglichkeit Eins wäre, ihr beide zieht in das Gästezimmer bei meinem Sohn Philipp hier im Gutshaus in der zweiten Etage ein. Möglichkeit Zwei, nur Gero zieht vorübergehend ins zweite Gästezimmer bei Philipp. Randolf und Florian teilen sich das Zimmer im Verwalterhaus, sofern beide der Lösung zustimmen.
Dritte Möglichkeit, Gero und Pit ziehen in ein Zimmer, wenn Mario ausgezogen ist. Randolf bleibt bei Florian. Wenn ihr der Meinung seid, euch mit einem Gleichaltrigen das Zimmer zu teilen, setzt das natürlich voraus, dass beide Parteien mit dieser Lösung einverstanden sind. Das würde bedeuten, dass wir die beiden Betroffenen zu unserer Gesprächsrunde hinzuziehen.“
Die beiden schauten sich an und Gero meinte: „Mir gefällt Lösung eins noch am besten, da wir uns bisher zuhause auch immer ein Zimmer teilen mussten. Ich will aber nicht meinem Bruder vorgreifen, er kann selbst für sich entscheiden, ob er sich weiter ein Zimmer mit mir teilen oder lieber mit Florian in einem Zimmer sein möchte.“
Randolf überlegte und erklärte: „Reizen würde es mich schon mit einem anderen Jungen das Zimmer zu teilen. Auf der anderen Seite, wenn wir weiter zusammenleben, ändert sich für uns nichts. Da du dich dafür ausgesprochen hast, dass du mit mir zusammenbleiben willst, lassen wir es dabeibleiben. Wenn wir uns auf den Wecker gehen sollten, können wir immer noch mit Peter reden und alles ändern.“
Ich winkte Philipp und Marcus zu mir und als die Beiden bei uns am Tisch saßen erklärte ich: „Die beiden Jungs haben sich entschieden, sich miteinander ein Zimmer zu teilen. Das bedeutet, dass sie bei euch ins zweite Gästezimmer einziehen werden. Im Sommer wird Randolf dann zu uns umziehen, wenn Felix und Dennis in ihre Wohnung umziehen. Wie es mit Pit weitergeht, kann ich euch noch nicht sagen, das werden uns die nächsten Monate zeigen. Ich denke ,wir werden jetzt gleich aus meinem Büro die Umzugskarton in die zweite Etage bringen lassen. Ihre Sachen in die Schränke einräumen können sie morgen. Um acht Uhr erwarte ich Gero und Randolf in meinem Büro. Sie durchlaufen die gleiche Prozedur wie alle Neuankömmlinge.
Keine Panik Jungs, Ich zeige euch alles Wichtige vom Gutshof. Beispielsweise, wie das mit dem Mittagessen von Montag bis Freitag abläuft. Ihr könnt bei Philipp und Marcus frühstücken oder zu uns zum Frühstück kommen. Wir sollten zumindest wissen, wo ihr frühstücken wollt. Randolf, hast du deinen Kinder- oder Personalausweis bei dir oder liegt der noch bei deinen Eltern? Die gleiche Frage an Gero. Bei dir ist aber der Personalausweis gefragt.“
Die Jungs schauten mich an und Gero antwortete: „Ich für meinen Teil habe meinen Personalausweis bei mir, Randolf hat noch einen Kinderausweis, der aber durch einen Personalausweis ersetzt werden sollte. Unsere Mutter hat mit Randolf zusammen den neuen Personalausweis Anfang Dezember letzten Jahres beantragt. Wozu brauchst du den unsere Ausweise?“
Ich schaute sie an und erklärte: „Ihr bekommt, wie alle Jungs die in unserer Familie leben, bei der Bank ein Taschengeldkonto eingerichtet. Wir überweisen euch monatlich euer Taschengeld auf eure Konten. Mit der Karte könnt ihr euren Einkauf bezahlen, Bargeld vom Konto abheben oder Online-Banking machen. Was ihr nicht könnt, ist euer Konto zu überziehen. Um die Konten anzulegen, brauchen wir von Barbara die Bescheinigung, dass ihr unsere Pflegekinder seid und eure Ausweise.“
Randolf meinte: „Noch habe ich meinen Kinderausweis, da noch keine Benachrichtigung für den Ausweis gekommen ist. Der Kinderausweis ist noch bis zu meinem fünfzehnten Geburtstag gültig. Vermutlich kommt die Benachrichtigung kurz vor meinem Geburtstag. Der Ausweis ist irgendwo in einem Karton.“
Okay“ meinte ich, „Dann müssen wir Barbara davon in Kenntnis setzen, dass sich die Münchner Kollegen um deinen neuen Personalausweis kümmern. Wenn der Brief an deine Eltern geht, erfahren wir nie, wann dein Ausweis zur Abholung bereit liegt. Wir können zumindest mit deinem Kinderausweis dein Taschengeldkonto anmelden, solange er noch gültig ist.“
Damit war alles geklärt, und wir gingen zurück an den Tisch und ich sagte: „So Jungs, Gero und Randolf haben sich entschieden. Sie werden vorerst bei Philipp und Marcus einziehen. Vorerst bedeutet aller Voraussicht nach bis zum Sommer, da diejenigen, die eine Ausbildung beginnen in die neuen Jugendwohnungen umgesetzt werden.
Wir brauchen ein paar kräftige Helfer, die die Kisten aus meinem Büro in die Wohnung im zweiten Stock bringen. Dort stehen aktuell elf Umzugskarton und ein Koffer. Anschließend treffen wir uns bei uns im Wohnzimmer. Ich zahle inzwischen unser Abendessen bei Alexandra.“
Ich gab Thomas meinen Schlüssel, damit er mein Büro aufsperren konnte, nachdem alle aufgestanden waren und sich in Richtung Bürotrakt bewegten. Als ich bei Alexandra bezahlt hatte und im Treppenhaus stand, kam mir bereits Thomas entgegen, der mein Büro bereits wieder abgeschlossen hatte. Er meinte, mein Büro wäre wieder frei von den Umzugskisten. Wir sollten nach oben gehen.
Ich verabschiedete mich von Barbara und bat sie, mir die Unterlagen als Pflegeeltern kurzfristig zukommen zu lassen, damit wir für die beiden Jungs ein Taschengeldkonto eröffnen können. Auch erklärte ich Barbara, dass für Randolf von seiner Mutter ein Personalausweis beantragt wurde und sie sich bitte darum kümmern möge, dass der Personalausweis nach Rosenheim kommt.
In der ersten Etage stand unsere Wohnungstür sperrangelweit offen und von oben kamen die Nächsten nach unten. Wir gingen ins Wohnzimmer und die Ersten saßen bereits auf dem Sofa. Ich lachte und meinte: „Hier werden nicht alle Platz haben. Wir sollten ins Esszimmer gehen, dort ist genug Platz am Esstisch.“
Als letzte tauchte Randolf und Gero auf und Randolf: „Ich habe meinen Kinderausweis schon gefunden. Ich vermutete, in welcher Kiste er sein könnte. Wir können morgen problemlos zur Bank fahren, sofern von Barbara die Papiere vorliegen.“
In den nächsten rund zwei Stunden erfuhren die Neuankömmlinge fast alles, was für sie von Wichtigkeit sein sollte. Es war schon weit nach zweiundzwanzig Uhr, als Thomas meinte: „Leute, ich will ja nicht unhöflich sein. Aber ich bin überzeugt davon, dass einige von euch morgen sehr früh aufstehen wollen oder müssen, wie auch immer. Wir sollten für heute unsere gemütliche Zusammenkunft so langsam beenden. Gero und Randolf werden auch in den nächsten Tagen noch hier am Gutshof sein. Demnächst werden sie sogar mit Einigen von euch fünfmal die Woche in die Schule fahren und wieder zurück.“
Manuel schaut Thomas an und sagte: „Thomas, ich fürchte, mit dem früh aufstehen hast du auch von uns gesprochen. Ich denke, der wilde Haufen aus dem Verwalterhaus sollte mit gutem Beispiel vorangehen und langsam abziehen. Flo, Richie, Pete, wir sollten langsam los. Morgen früh ist wieder Schule und Arbeit in der Gärtnerei angesagt.“
Randolf meinte: „Ich sollte auch so langsam ins Bett. Der Tag heute war doch stressig für mich. Am Morgen noch in München zur Schule, am Nachmittag die Polizeiaktion in unser Wohnung. Meine Sachen kurzfristig in Umzugskisten packen, die Fahrt nach Rosenheim. Hier erfahre ich endlich, warum das alles so abgelaufen ist, lerne eine Menge neuer Leute kennen und höre, dass ich hier, zusammen mit meinem Bruder bei Peter und Thomas als Pflegekind unterkomme, aber bei seinem Sohn im Gästezimmer untergebracht werde. Viel zu viel für einen Tag.“
Die elf Jungs verabschiedeten sich. Fünf traten den Weg ins Verwalterhaus an. Sechs gingen eine Etage höher in die Wohnung von Philipp und Marcus. Mit Gero und Randolf vereinbarte ich, dass sie morgen früh um sechsuhrdreißig bei uns zum Frühstück erscheinen sollten. David und Tobias meinten, da sie morgen das Frühstück vorbereiten würde es langsam Zeit, dass auch sie sich zurückziehen. Nur Dennis und Felix blieben noch bei uns sitzen und wir sprachen noch eine Weile über die Ereignisse des Tages, da sie beide von der ganzen Aktion am wenigsten mitbekommen hatten.
Der Mittwoch entpuppte sich als der ruhigste Tag der Woche. Er begann mit einem gemütliche Frühstück zu acht am großen Esstisch. Ich lachte, als Gero erklärte, so etwas kenne er von zu Hause überhaupt nicht. Früher war sein Vater immer schon weg zur Arbeit und später hat er seinen Vollrausch ausgeschlafen. Nach dem Frühstück erklärte ich Gero und Randolf, dass sie bis acht Uhr ihre Sachen in ihrem Zimmer einräumen können, dann sollen sie bitte zu mir ins Büro kommen.
Ich war um kurz vor siebenuhrdreißig wie immer im Büro und begann mit meiner Arbeit. Beim Bearbeiten meiner Emails trudelte kurz vor acht Uhr das Mail von Barbara mit dem Anhang, dass Thomas und ich die Pflegeväter der beiden Jungs sind. Ich druckte sofort den Anhang aus, da ich ihn später für den Bankbesuch brauchen würde.
Kurz danach schaute Petra in mein Büro und wollte wissen, was heute alles ansteht, da bisher keine Termine eingetragen seien. Ich erklärte ihr gerade, dass ich mit unseren neuen Pflegekinder nachher kurz zur Bank fahren würde, genau in dem Moment tauchten die beiden Brüder in meinem Büro auf, so dass ich sie ihr kurz vorstellte und erklärte, dass sie derzeit bei Philipp und Marcus untergebracht sind.
Beim Verlassen des Büros meinte sie noch, dass sie sich um die Kantinenchips für die beiden Jungs kümmern würde. Ich setzte mich zu den Jungs in die Besprechungsecke und erklärte ihnen die wichtigsten Dinge, wobei ich sie darauf hinwies, dass sie das meiste im Laufe der nächsten Tage kennenlernen würden. Als ich wissen wollte wie es ihnen mit einräumen ihrer Sachen ginge, meinten sie, die Hälfte sei bereits aus den Kisten ausgepackt.
Ich machte mit den beiden eine große Führung, durch den Gutshof und zeigte ihnen, was er alles anzubieten hat. Gegen elf Uhr waren wir auf der Bank und eröffneten die Taschengeldkonten für die beiden Jungs.
Wieder zurück im Büro fragte ich: „Gero, Randolf, habt ihr im momentan Fragen an mich? Ich will euch alles beantworten, was ihr wissen wollt. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass sich nach der Besichtigung und dem Besuch bei der Bank, für euch noch einige Fragen ergeben haben.“
Randolf meinte: „Peter, ich habe zumindest eine Frage, aber die bezieht sich nicht unbedingt auf das, was du uns gezeigt hast. Mich würde interessieren, warum setzten du und Thomas euch so ein für Kids, die in Schwierigkeiten stecken. Wenn ich daran denke, was David gestern erzählt hat und wie unmöglich er sich euch gegenüber am Anfang gezeigt hat, verstehe ich nicht, warum ihr trotzdem weiterhelfen wollt?“
Ich schaute ihn an und sagte: „Randolf, gerade David ist der beste Beweis dafür, dass unsere Hilfe gebraucht wird. Sicher ist er mit seinen Äußerungen mir gegenüber negativ aufgefallen, was aber eher daran lag, dass er nach seinem Lebensabschnitt auf der Straße keinem Menschen mehr vertrauen konnte und wollte. Inzwischen ist das alles Schnee von gestern, sonst hätten wir ihn nicht adoptiert.
Bei euch beiden ist in eurem Gefühlsleben derzeit auch nicht alles in Ordnung. Ich bin mir sicher, dass Gero sich gestern schwer überwinden musste um mir die volle Wahrheit, über eure Erlebnisse mit eurem Vater zu berichten. Es zeigt mir aber, dass er von Anfang an gespürt hat, dass wir euch helfen können. Vergiss nicht, Barbara und ich hätten euch mit ihren Münchner Kollegen aus dem Elternhaus herausholen können, normalerweise währt ihr in einem Münchner Kinderheim gelandet.
Weil ich aber Geros Vertrauen gespürt habe, kam das Angebot euch bei uns aufzunehmen. Ihr hättet euch auch für einen Platz in einem Kinderheim entscheiden können. In einer Familie untergebracht zu werden, ist immer besser als in einem Kinderheim zu landen. Solange wir einen Platz finden, wo wir Kids wie euch in unserem Umfeld unterbringen können, wird unsere Entscheidung immer wieder so ausfallen.“
Nach dreizehn Uhr tauchten unsere Kids auf, die der Schulbus am Gutshof abgeliefert hatte. Diejenigen, die im Gutshaus wohnten, deponierten ihre Schulranzen wie immer in meinem Büro und gemeinsam ging es in die Kantine im Gesindehaus. Während des Essens fragte mich Gero: „Da sind ja mindestens vier jüngere dabei, die wir gestern noch gar nicht kennengelernt hatten.“
Ich erklärte ihnen: „Einer der vier ist mein Enkelkind Kevin, der Sohn meiner Tochter, er wohnt in der anderen Wohnung in der zweiten Etage. Die beiden Jungs, die ihre Schulranzen mitgeschleppt haben, sind die Brüder Raphael und Stephan. Sie sind die Kinder von unserer Sozialarbeiterin Daniela und wohnen im Dachgeschoss des Jugendhotels.
Der letzte ist Rafael Sanchez, er wohnt im Dachgeschoss des Gutshauses bei seinem Onkel Jorge und seinem Ehepartner Alejandro, die ihn vor einem halben Jahr adoptiert und nach Deutschland geholt haben. Seine Eltern mussten ihn auf Druck ihrer Eltern als Baby zur Adoption freigegeben. Seine Adoptiveltern verstarben und er lebte einige Jahre in einem Kinderheim in Madrid. Er war einer der dreißig Kids aus Spanien, die im Sommer am Zeltlager teilgenommen hatten, wo Jorge die Ähnlichkeit zu seinem Bruder feststellte. Die anderen fünf Jungs kennt ihr bereits seit gestern.“
Ich war kaum mit dem Essen fertig als meine Smartphone klingelte.
Ich sah, dass Barbara anrief und nahm das Gespräch entgegen. Sie erklärte mir, dass die Unterlagen der Schule für Gero und Randolf erst am Freitag in Rosenheim sein werden und sie mit der Rektorin vereinbart hat, dass die beiden erst am Montag von dir angemeldet werden. Bei Gero kein Problem, da er diese Woche sowieso im Schullandheim ist mit seiner Klasse.
Auf dem Rückweg ins Büro erklärte ich den beiden Jungs, dass sie mit den anderen nach oben gehen können und ihre Sachen weiter einräumen sollten. Falls ihr wissen wollt, wie die neue Schule ist, könnt ihr euch mit den Jungs zu diesem Thema austauschen.
Der Rest des Nachmittags ist kurz erzählt. Ich hatte das gestern Nachmittag ausgefallene Gespräch mit den Jungs aus der Gärtnerei nachgeholt und dem Plan, dass Richie einen Teil seiner Ausbildung in der Gärtnerei Grubmüller absolviert, meine Zustimmung erteilt. Wobei ich darauf bestand, dass Richie ab September vollständig in die Gärtnerei Grubmüller umgesetzt wird und Pit seine Ausbildung bei Manuel absolvieren sollte.
Gleichzeitig erklärte ich Richie, dass er sich von Mario den Plan für das Appartement im Bürogebäude der Gärtnerei geben lassen soll, da er im Sommer dorthin umziehen wird und nicht hier im Wohnheim unterkommen würde. Er solle sich schon einmal überlegen, wie er sich einrichten möchte. Wenn er Anregungen haben will, soll er die Jungs, die im Dachgeschoss des Jugendhotels wohnen, ansprechen und sich ihre Appartements zeigen lassen.
Ansonsten konnte ich einiges erledigen, was in den letzten Tagen etwas zu kurz gekommen war. Ich führte noch ein längeres Gespräch mit Florian, unserem Ausbildungsbeauftragten, und bat ihn noch einmal nachzufragen, ob wir noch zwei weitere Bürokaufleute unterbringen könnten. Wobei ich meinte, dass wir vermutlich in der Stiftung weitere Verstärkung brauchen werden.
Als er nachfragte, warum und wieso, erklärte ich ihm, dass wir seit gestern zwei weitere Mitbewohner haben, von denen einer für den September einen Ausbildungsplatz braucht. Der zweite ist sein bester Freund, der möglichst schnell von seinen Eltern weg will, da er sich bei ihnen aus familiären Gründen nicht outen kann, da sein Vater ein bekannter Rechtsradikaler ist.
Abends kam Randolf zu uns in die Wohnung und erzählte, dass er am Nachmittag noch bei Florian gewesen sei und sich mit ihm auch über die Schule unterhalten habe. Dabei hat ihm Florian angeboten, dass er doch bei ihm einziehen könne, wenn er das will. Er habe festgestellt, dass ich mit Florian bisher nicht darüber gesprochen hätte, sondern Florian, von sich aus, ihm das Angebot unterbreitet hat.
Ich erklärte ihm: „Stimmt, ich habe mit Florian nicht darüber gesprochen. Das hätte ich erst getan, wenn du dich für Florian entschieden hättest. Ich war mir von Anfang an sicher, dass Florian dich bei sich aufnehmen würde, was mir mit deiner Aussage bestätigt wird. Randolf, du kannst dir das in Ruhe überlegen. Wir können das immer noch ändern.“
Der Donnerstag begann wieder sehr ruhig und um kurz nach acht Uhr standen Gero und Randolf wieder in meinem Büro. Ich meinte, die beiden Jungs sollen mir doch bitte folgen. Ich hätte eine kleine Überraschung für sie. Da sie ihre Winterjacken dabei hatten gingen wir in die neuen Räumlichkeiten der IT-Abteilung in Philipps Büro.
Er grinste, als er mich mit den beiden Jungs sah und sagte: „Papa, du brauchst für sie die Notebooks nicht extra zu bestellen. Bernhard hat bereits gestern den Auftrag erhalten, zwei Geräte für die Jungs vorzubereiten. Gero, Randolf, ich gehe davon aus, dass ihr beide kein Smartphone besitzt. Deshalb haben wir für jeden ein Smartphone vorbereitet, die ihr jetzt von mir bekommt.“
Als Gero widersprechen wollte und meinte, sie bräuchten kein Smartphone und auch kein Notebook, erklärte ihm Philipp: „Vergiss das ganz schnell, du gehörst als Pflegekind zur Gutshoffamilie und solange Peter dein Pflegevater ist, gehört das zur Grundausstattung jedes Pflegekinds. Keine Sorge, ihr werdet damit nicht überwacht.
Vielleicht hast du schon einmal was davon gehört, dass alle Kinder und Jugendlichen in einer Familie gleichbehandelt werden sollen. Da alle anderen Pflege- oder Adoptivkinder ein Smartphone haben, bekommt ihr auch eins, so einfach ist das. Dasselbe gilt auch für das Notebook. Ihr sollt es für die Schule verwenden und seid mit einer eigenen Mailadresse für jedes andere Familienmitglied erreichbar. Außerdem wirst du es brauchen, wenn du Online-Banking betreiben willst, oder deine Kontoauszüge online bei der Bank abrufen willst.“
Randolf grinste und meinte: „Gero, wir sind in einer Familie gelandet, die sich wirklich als Familie versteht. Keiner wird hier bevorzugt oder benachteiligt. Besser, du gewöhnst dich schnell an die Tatsache, dass du hier kein Außenseiter mehr bist, weil deine Eltern sich so etwas nicht leisten können.“
Ich erklärte: „Jungs, Philipp hat euch erklärt, warum das so ist. Als Ergänzung von mir: Diese Dinge werden von dem Geld finanziert, dass ich vom Jugendamt für euch erhalte. Ich will mich nicht daran bereichern. Dieses Geld wird mir anvertraut, um für euch zu sorgen und nicht, um meine Taschen zu füllen.“
Philipps Telefon klingelte, und nachdem er abgehoben hatte und kurz gesprochen hatte, meinte er zu mir: „Peter, du sollst dringend ins Jugendhotel kommen. Dort ist vor wenigen Minuten ein Mann aufgetaucht, der versucht zu randalieren und nach seinem Sohn brüllt. Alexandra hat bereits die Polizei angerufen.“
Ich meinte: „Jungs, dann lasse ich euch in der Obhut von Philipp und seinen Leuten. Und werde mich um den randalierenden Mann im Jugendhotel kümmern.“
Auf dem Weg ins Jugendhotel rief ich Barbara an und informierte sie, dass wir einen weiteren Störenfried im Jugendhotel hätten und sie doch kurzfristig kommen sollen, da vermutlich wieder einer der Jugendlichen zum Notfall werden könnte. Ich sagte ihr noch, dass die Polizei bereits informiert sei und sie meinte, dass sie schon so gut wie unterwegs sei.
Als ich in die Lobby eintreten wollte, hörte ich den Mann herumtoben, aber auch dass die Polizei sich bereits unüberhörbar näherte. Ich warte kurz, bis die Herren von der Polizei neben mir standen und erklärte ihnen, was ich bisher wusste und dass ich vorsichtshalber bereits das Jugendamt informiert hätte.
Als der eine Polizist mich erkannte, meinte er: „Herr Maurer, gut dass sie auch hier sind. Verstärkung kommt gleich noch nach. Wir werden jetzt trotzdem mit ihnen zusammen ins Jugendhotel gehen und versuchen für Beruhigung zu sorgen.“
Wir gingen ohne Hektik in die Lobby und hörten: „Holger, du schwule Sau, ich will dich auf der Stelle hier in der Lobby sehen. Du kommst sofort mit nach Hause. Dir werde ich dein „Schwul sein“ schon austreiben.“
Der Polizist drehte sich zu mir um und sagte: „Die gleiche Ausgangslage wie letzte Woche, nur diesmal ein Vater, der mit der Situation nicht klarkommt.“
Ich schaute ihn an und erklärte: „Ich befürchte, wir haben eine andere Ausgangslage. Ich vermute, dass es sich um den Vater von Holger Macher handelt, einen rechtsradikalen Zeitgenossen, der hier randaliert. Holger hat sich vorgestern mir gegenüber geoutet und die Befürchtung geäußert, dass sein Vater durchdrehen könnte, wenn er erfährt, dass er schwul oder bisexuell sei. Was mich nur wundert, woher er die Erkenntnis hat, dass dem so ist. Außer Barbara vom Jugendamt und seinem besten Freund ist keiner informiert.“
Er erklärte, wenn dem so sei, sollten wir sehr vorsichtig vorgehen. Er wäre mir jetzt nicht mehr sicher, ob wir ohne Verstärkung vorrücken sollten. Das hatte sich innerhalb von Sekunden erledigt, da bereits die nächsten Kollegen hinter uns auftauchten. Er brachte die Neuankömmlinge auf den aktuellen Stand und sie beschlossen, mit gezückten Waffen weiter vorzudringen. Ich sollte ihnen auf alle Fälle erst in sicherem Abstand folgen.
Sie bereiteten sich kurz vor und stürmten die Lobby und mit lautem Ruf forderten sie Herrn Macher auf, sich zu ergeben. Als ich nur kurze Zeit später in die Lobby eintrat, hatten sie dem Randalierer bereits die Handschellen angelegt. Als ich den Mann näher betrachtete, konnte ich eine gewisse Ähnlichkeit mit Holger feststellen. Ich hatte also aller Wahrscheinlichkeit nach richtig vermutet.
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