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Sommeropening
Teil 1 - Opening
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Informationen
- Story: Sommeropening
- Autor: Steven Lerch
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Fan Fiction, Lovestory
Vorwort
Diese Geschichte ist ein Fanfiction, die Charaktere, Rai, Max, Tyson, Kenny und Kai wurden von mir verändert, diese und die Geschichte bauen auf die Serie „Beyblade“ von Takao Aoki auf.
Opening
In einem stillen Ort nahe des Tokyo Parks in einer kleinen, aber gut besuchten Eisdiele, saß ein sich ziemlich auffällig verhaltender Junge und sang und summte ein Liedchen vor sich hin.
„Eisgekühlte Cola, Cola eisgekühlt, eisgekühlte Cola, Cola eisgekühlt und dazu ein belegtes Brot mit...!“
Naja, er krächzte eher, als zu singen, doch stoppte er kurz und überlegte, schaute sich um und fuhr mit seinem Ohrenmartyrium fort.
„Ähm. Ein gefüllter Becher mit Eis, Eis im Becher gefüllt...“ So summte er hinfort, bis endlich eine Bedienung erschien und seine Bestellung aufnahm.
Es war eigentlich ein recht schöner Tag, warm, es wehte ein laues Lüftchen, welches die vom Frühling übrig gebliebenen Kirschblüten aus dem nahe gelegenen Park bis zur Eisdiele herüber wehte, dazu schien die Sonne in ihren ersten Sommerstrahlen auf alle, die sich gerade im Freien räkelten. Der Frühling hatte sein Werk vollbracht und nun war der Sommer an der Reihe, die restlichen gefrorenen Herzen aufzutauen, denn kein Herz aus Eis hielt den lieblichen Strahlen der Sommersonne stand.
Doch dies störte den jungen Mann in der Eisdiele nicht, denn er verputzte gerade genüsslich sein Eis.
Auf der anderen Straßenseite machte sich gerade jemand Anderes das schöne Wetter zunutze, um einige Einkäufe zu erledigen. Ein bekanntes Gesicht in Tokyo und noch mehr in dieser Gegend, so bekannt, dass er es nicht wagte, ohne Sonnenbrille auf der Nase und sein graublaues Haar unter einem einfachen Basecap versteckend durch die Straßen zu ziehen.
Auch wenn er einen großen Fehler begangen hatte, nämlich seinen langen weißen Schal nicht zu Hause zu lassen, weswegen ihm schon einige Mädchen unterwegs beinahe um den Hals gefallen wären.
Aber was tat man nicht alles, wenn man eine Feier mit Freunden organisierte, diesmal um einen Geburtstag zu feiern.
Doch was dieser Mensch, der sich mit seinen Einkaufstüten abmühte, und der andere in der Eisdiele, der sich gerade genüsslich seine Cola einverleibte nicht wussten, war, dass der Sommer sie beide schon am selbigen Tag ein ganzes Stück näher bringen sollte.
Denn es ergab sich, dass gerade in diesem Moment ein starker Windzug sich erhob und das Basecap des sich tarnenden Stars empor schweben ließ und somit jede Dame, die in den letzten Monaten eifrig ferngesehen hatte sofort laut schreiend auf ihn zu hetzte.
„Seht da, das ist Kai Hiwatari!!!“ schrien zwei Mädchen, die gleich in der Nähe standen, so dass alle sie hören konnten.
„Ich will ein Autogramm!“ sagte ein wahrer Choral an jungen Damen.
„Ich will Kinder von dir!“ rief wahrscheinlich eine Dame, doch man sollte sich da nie zu sicher sein.
So kam es, dass sich auf der Straßenseite direkt gegenüber der Eisdiele ein Menschenauflauf bildete und sich der Junge, den alle als Kai Hiwatari entlarvt hatten sich zu retten versuchte. Mit minderem Erfolg.
Er hätte Hilfe schreien können, es wäre wohl glatt unter dem Lärm der Groupies untergegangen.
Dies war ein Phänomen, welches auf den wahnsinnigen Erfolg einer Gruppe zurückzuführen war, welche sich Bladebrakers nannten und zu der auch die zu besuchenden Freunde zählten. Ihre Siege in Weltmeisterschaften in der Sportart Beyblade führten wiederum zu Werbeauftritten, die, sagen wir so, genug eingebracht hatten, dass sie alle 4-mal studieren konnten, wenn man die Zinsen und Gebühren für die Werbeeinnahmen und Lagerung auf diversen Konten nicht dazu nahm. So konnten sie ein gutbürgerliches Leben führen. Natürlich, auf der Tatsache, dass sie alle noch nicht volljährig waren und Kai schon aus einem sehr gutbürgerlichen Hause kam, verschleuderten sie nicht das Geld, wie manche Popstars, sondern sparten es. So wie einst Kais Großvater sagte: „Lass das Geld gären, so wird es sich für dich mehren!“ Und das tat es auch, schon seit einem guten Jahr.
Doch nun geschah etwas, was man als kleines Wunder bezeichnen konnte, etwas, womit keiner rechnete, wenn er des Morgens aus dem Bette stieg. Denn der Laune des Schicksals, welches gerade zu wüten schien, war es zu verdanken, dass Kai den Gang einer Dame verfolgen konnte, welche auf der anderen Straßenseite gerade die Eisdiele passierte, wo auch der junge Mann saß.
So ergab es sich, dass Kai gerade zusah, wie der Junge in der Eisdiele gegenüber den letzten Tropfen seiner Cola förmlich absorbierte und wahrscheinlich so elegant wie es keiner vermutete, ein zweites Glas bestellte.
Man konnte sagen, dass das was gerade in Kai vor sich ging eigenartig, befremdlich und wahrscheinlich sehr unwahrscheinlich war. Doch war es für Kai ein schönes Gefühl, den Anderen einfach anzustarren und das Gefühl, dass tausend Hände an ihm zerrten zu verdrängen.
Vielleicht war dieses Gefühl der Bedrängtheit ein oder der Auslöser oder vielleicht doch eher die günstige Konstellation von Ende Frühling, Kirschblütenduft und warmen Sonnenstrahlen mit dem Ausblick auf ein freies ungestörtes Leben. Die Griechen würden dazu sagen, es waren Amors Pfeile in der Luft oder ein Atheist würde meinen, es liegt Liebe in der Luft, denn ja, Kai fühlte sich extrem hingezogen zu diesem anderen Wesen am Tisch der Eisdiele. Er würde es wahrscheinlich so ausdrücken: „Ich hab mich verliebt!“, das säuselte er auch vor sich hin, was unter dem panischen Gezanke der Mädels um ihn vollkommen unterging und sich verlor. Doch in dieser Euphorie an Gefühlen hörte er dann auch noch diesen Klang an Wärme.
Denn dem Jungen, der gerade seine zweite Cola in Empfang nahm, ging langsam dieses Gekeife um diesen Kerl auf den Keks. So schaute er mürrisch rüber, mit einem leicht fragenden Blick, was das alles sollte, und schaute einen kleinen Augenblick zu, wie sich die Damen um erbeutete „Wertgegenstände“ wie Teile aus der Jacke von Kai, Fetzen vom Schal oder ähnlich erbärmlichen Dingen aus der Einkaufstüte prügelten. Bis er endlich seine Stimme erhob und gut hörbar auf der anderen Straßenseite rief: „Lasst den Mann am Leben und gebt endlich Ruhe!“ Diese Ansage wurde murrend und nickend von anderen Passanten unterstützt, doch von den Frauen vollkommen ignoriert.
Nun stand er auf und man sah zur Freude Kais seine blaue Jeans, die nach der Ansicht Kais schick seine Beine betonte, seinen schwarzen Pulli, der leicht im Wind flatterte und sein Gescheiteltes, bis zu den Ohren gehendes, wehendes und besonders ins Gesicht hängendes dunkelblondes, fast schon braunes Haar.
Man sah, wie er immer näher kam, mit mürrischem Gesicht, die Hände in den Hüften abstützte, leise fluchte und dann mit einer künstlich hohen Stimme brüllte „OH, seht da, da ist seine Mütze, ich will sie!“, dann noch etwas anderes: „Nein, sie gehört mir!“
Die Wirkung erfolgte prompt, die Mädchen starrten sofort auf die schon lange auf dem Boden liegende Mütze, sie fixierten sie förmlich, schauten sich rasch um, um zu sehen, woher der Ruf kam und stürzten sich wild auf die Mütze, ohne Rücksicht auf Kai, der hypnotisiert von den Damen überrannt wurde.
Die Hypnose, ausgelöst von der Stimme des Jungen, welche für ihn wie das Zwitschern einer Lerche im Frühling klang, löste sich, als er am Boden liegend sah, dass sich sein Retter schon wieder hingesetzt hatte.
Doch Kai ließ sich nicht abschrecken. Gut, er sah vielleicht ein wenig lädiert aus, aber er fand das machte ihn nur noch wilder vom Aussehen her. So richtete er sich schnell die Haare, sammelte seine restlichen Einkäufe ein, war sicher, dass er nochmal einkaufen gehen müsse, und machte sich auf den Weg zu dem Jungen, der noch am Tisch saß und auf die Bedienung zum Bezahlen wartete.
„Hey, danke, dass du mir geholfen hast!“ sagte Kai und versuchte trotzdem maskulin zu wirken.
„Ach, keine Ursache, ich kann einfach kein Blut sehen, deswegen wollte ich nicht, dass sie Sie zerfleischen!“ konterte er mit einem verschmitzten Lächeln, was Kai beinahe aus den Latschen gehauen hätte.
Kai brauchte einen Moment, er wollte sich das Antlitz seines Helden gut einprägen. Er musterte ihn genau, seine plumpe Haltung, seine durchschnittliche Kleidung, sein pickeliges Gesicht, sein struppiges, im Wind flatterndes Haar und seine blauen Augen, die ihn wie Saphire anstrahlten. Eigentlich ein durchschnittlicher Junge, aber die Augen nahmen Kai sofort in ihren Bann, er sah zu, wie die langen Wimpern auf den Augenlidern sich bewegten, als er sie schließen musste, da ein Kellner ihn mit einem frisch polierten Tablett blendete.
Kai, so konnte man sagen, war verzaubert – und zwar von der Durchschnittlichkeit eines X-beliebigen Jungen.
Der Unbekannte schaut Kai auch musternd an. Nicht weil er ihm so gut gefiel, ja schon, er sah trotz der Kratzer im Gesicht und den zerrissenen Sachen immer noch toll aus, aber das war nicht der Grund, er kannte ihn irgendwoher, er wusste aber nicht woher. Denn er war kein Sportfan und kannte nicht eine Beyblademannschaft, geschweige denn Beyblade. Nein, er war und ist der Typ: „Ich-schau-lieber-Zeichentrick-Komödien-oder-sonst-was-oder-lese-lieber-ein-Buch-als-dass-ich-mir-irgendwelchen-Sport-antue“. Er war zwar nicht dick, aber auch nicht richtig schlank, trotzdem fühlte er sich wohl in seiner Haut.
Aber genau aus diesem Grund kam ihm der Junge, der ihn schon fast penetrant ansah, bekannt vor.
So starrten sich beide an, bis es dem Jungen, der eigentlich bezahlen und gehen wollte zu viel wurde, von Kai so angestarrt zu werden und scheu wegschaute, als sich ihre Blicke endlich mal trafen. Zur selben Zeit wurde er auf einmal rot, was er sich nicht erklären konnte.
Aber Kai konnte und wollte sich das erklären und lächelte verschmitzt.
„Wie heißt du eigentlich?“ fragte Kai ihn mit einem verführerischen Lächeln.
Er schaute nur verdutzt und fragte: „Wer? Ich?“
Kai musste lachen, so laut, dass einige andere Gäste und die Bedienung aufschreckten.
„Ja, du, oder sitzt hier noch ein Anderer?“
Diese Antwort und das Lachen wurden von dem Jungen sofort mit einem bösartigen Blick bestraft.
Aber auch er konnte austeilen und erwiderte: „Naja, du sitzt noch hier, kamst angestiefelt, bedanktest dich und das auch nur ohne ein Wort um sich vorzustellen!“
Das war zu viel für Kai, denn er hatte es schon lange nicht mehr erlebt, sich vorstellen zu müssen, er war eigentlich weltweit bekannt.
Doch er nutzte die Chance, um ihm mit einem sanften Lächeln, einem tiefen Blick in die Augen und seiner sanften Stimme seinen Namen zu sagen: „Oh, entschuldige, ich heiße Kai Hiwatari!“
Für den jungen Mann waren der tiefe Blick und die fast schon gesäuselte Antwort viel zu nah, sodass er sich weit nach hinten lehnte, als ob er einem riesigen, ekligen Insekt vor sich ausweichen müsste, so weit hinter, dass er mit dem Stuhl rücklings nach hinten kippte und umfiel. Was er mit einem „Au!“ quittierte.
Kai half ihm flugs auf die Beine und stellte nun seine Frage: „Und wie heißt du?“
Kai genoss die Berührung, die er mit seinem Gegenüber hatte, als er ihm aufhalf.
„Lester Vechn!“ kam prompt die Antwort, schneller als Lester eigentlich wollte.
Doch bevor Kai weitermachen konnte, kam schon die Bedienung, um Lester aus der peinlichen Lage zu retten.
„Die Rechnung, bitte sehr!“ sagte sie und schwenkte den Zettel Richtung Tisch.
„Das übernehme ich, als kleines Dankeschön!“ sagte Kai und bezahlte gleich.
„Danke, das wäre aber nicht nötig gewesen, ich hätte auch selbst zahlen können.“
Kai dachte sich, dass das die perfekte Chance war, denn jemanden zu finden, der ihn nicht kannte, nicht wusste, wer er war, war selten und aufregend, so entschloss er sich...
„Leider haben die Fräuleins meinen halben Einkauf mitgenommen, deswegen muss ich nochmal losziehen, würdest du mich begleiten? Sozusagen als Bodyguard“, schlug er mit einer einladenden Geste vor.
Doch Lester, der sich nix dabei dachte und ihn mit einer Mimik anschaute wie: „Was will er jetzt?“, sagte nur: „Nein, sorry, ich bin neu in der Stadt, ich hab noch viel zu tun, wollt mich hier eigentlich nicht so lange aufhalten, ... naja, aber danke für das Angebot, aber ich werde dann mal gehen, vielleicht sieht man sich ja, ich wohn hier in der Nähe, bis dann!“ So reichte Lester Kai die Hand, die Kai auch gleich nahm und am liebsten gar nicht mehr losgelassen hätte, schüttelte sie und zog von dannen.
Der Korb kam für Kai so plötzlich, dass Lester schon verschwunden war, bevor er reagieren konnte.
„Hm, Lester Vechn, ein origineller Name, das wird sicher noch lustig!“ waren die letzten Worte, bis auch Kai die Eisdiele verließ, um sich in Gedanken an Lester seinen Einkäufen zu widmen.
„Mensch, das war mal ’ne Feier!“ sprudelte es fröhlich aus Max heraus, der noch beschwingt und voller guter Laune war.
„Ja, die war echt klasse, Jungs! Das habt ihr toll gemacht, nur schade, dass Ray schon heute nach Hause fliegen muss! Ach Kai, wie geht’s dir denn heute?“ sagte Tyson nicht nur laut, sondern auch mit einem breiten Grinsen, dabei schlug er mit der flachen Hand auf Kais Schulter.
Doch Kai war nicht nach guter Laune zumute, denn nach der durchzechten Nacht und dem übermäßigen Alkoholkonsum hatte er schlechte Laune. Hier sollte natürlich keinerlei Vorurteil gehegt werden, dass russische Bürger viel trinken würden, aber dennoch, vielleicht lag es auch am Umgang mit Tyson und dem Stress bei den Bladebrakers, doch Kai würde da bestimmt eher auf den Stress mit Tyson tippen, aber in dieser Zeit hatte er den Alkohol als guten Freund akzeptiert.
So quälte ihn nicht nur der Kater der letzten Tage, nein, für Kai kam noch das nervige Gequassel Tysons zum Schlechte-Laune-Faktor dazu.
So konnte man Kai kaum verübeln, dass er leicht gereizt Tysons Hand wegschlug und ihn anfuhr: „Mir würde es wesentlich besser gehen, wenn du aufhören würdest zu labern!“
Daraufhin mussten Tyson und Max so lachen, dass sie sich gegenseitig stützen mussten.
Ein ganz normaler Montag fing somit an. Es war ein schöner Montag, genau passend für den Sommer, den blauen Himmel zierten nur vereinzelte Wolken. Es war zwar noch früh, doch Kai und seine Freunde mussten halt noch die letzte Woche vor den Sommerferien zur Schule – was keinem von ihnen sonderliche Freude bereitete.
Die drei hatten den Schulhof passiert, als endlich Max und Tyson mit dem Lachen aufhören konnten und nur noch ein vereinzeltes Glucksen zu hören war. Entgegen Kai, der sich wie üblich ausschwieg, fingen Max und Tyson an über die Party vom Wochenende zu reden.
Es gab zwei Gründe, warum Kai sich ausschwieg: Einer und dazu der Grund, der oft dafür sorgte, dass er in der Gruppe als der Ruhige galt, war, dass es nur wenig Gesprächsthemen gab, über die Kai mit den anderen redete. Das lag zum einen an den Gründen ihrer entstandenen Freundschaft und zum anderen, dass er vor 5 Jahren, bevor er nach Japan kam und bevor er Tyson und die anderen kennen lernte, ein eher zurückgezogenes Leben führte, denn sein Großvater hatte ihn bis zu seinem 12. Lebensjahr sehr isoliert von anderen erzogen.
Seinem Vater - besser gesagt der Familie von Kais Vater - gehörte eine riesige Kette von Spielzeugfabriken, Einkaufsläden, Trainingshallen und Forschungszentren auf der ganzen Welt mit dem Hauptsitz in Russland. So hatte sich die Familie väterlicherseits ein großes Vermögen angehäuft und ihr Name war heute noch in vielen Ländern bekannt.
Doch der Name Hiwatari gehörte seiner Mutter, einer berühmten japanischen Schauspielerin, die auch heute noch einige gute Aufträge bekam, aber jetzt lieber für Kai als Hausfrau zu Hause blieb, was Kai eigentlich nicht mochte.
Wie es zu der Liebe zwischen seinem Vater und seiner Mutter kam war schon purer Zufall, aber war Liebe nicht immer purer Zufall? Denn damals ergab es sich, dass sein Vater nach Japan sollte um dort eine neue Filiale zu eröffnen; dafür wurde auch eine berühmte Schauspielerin engagiert, Kais Mutter. Sie war jung, schön, begabt und so war es kein Wunder, dass sich beide ineinander verliebten.
Das Glück der beiden währte lang und bald wurde ihnen ein Sohn geschenkt, Kai sollte er heißen.
Schon damals gab es viel Streit um ihn. Zwar hatte Kais Großvater noch einen weiteren Sohn, doch hatte der noch keine Kinder. Also versuchte er seinen Sohn und seinen Enkel zurück nach Russland zu zerren, damit Kai eine Ausbildung erhielt, die zur Firma passte. Doch Kais Eltern stellten sich dagegen, heirateten und aus Trotz nahmen sie den Namen Hiwatari an.
Aber das Schicksal meinte es nicht gut, denn als Kai 3 Jahre alt war, passierte etwas Furchtbares.
Als Kais Vater für seine Firma zur Bank ging, wurde er überfallen und man nahm ihn und einige andere Leute als Geisel. 4 Stunden dauerte die Geiselnahme. Natürlich kam darüber reichlich in den Nachrichten, so dass die Bevölkerung und auch Kais Mutter vollkommen besorgt um ihren Mann bangte. Kai selbst war zu jung um zu verstehen, dass sein Vater in Lebensgefahr schwebte.
Als die Polizei endlich eingriff, verloren die Bankräuber die Nerven, es folgte ein Schusswechsel, dann gab es eine kurze Pause, in der einer der Räuber seine Waffe auf einen drei Jahre alten Jungen richtete. Wahrscheinlich durch den Stress löste sich der Schuss. Doch die Kugel traf nicht den Jungen der mit seiner Mutter als Geisel genommen worden war, nein, es traf Kais Vater, der sich schützend vor ihn warf.
Das war ein harter Schlag für die Hiwataris.
Nach dem Tod und der Beerdigung fing Kais Mutter mit dem Trinken an. Das bemerkte auch Kais Großvater und versuchte dann, durch einen gerichtlichen Beschluss die Vormundschaft zu bekommen. Nach einem Jahr hatte er genug Beweise, um Kais Vormund zu werden.
Damit fing Kais Martyrium an! Er wurde von allen isoliert, er musste lernen und trainieren, um stark zu werden und somit die Leitung der ganzen Firma zu übernehmen. Ein Herzstück des Trainings und das einzige was Kai Freude bereitete, war das Beybladen! Hier traf er auch ab und zu Jungs in seinem Alter. Doch wurde er stets gleich nach dem Training wieder isoliert. Nach einiger Zeit, isolierte sich Kai schon von ganz allein und wurde hart und unnahbar, zur einzigen Freude seines neuen Vormunds.
Kai hatte sich damit abgefunden, keine Freunde zu haben, allein zu sein und nur die Einsamkeit zu spüren, er unterdrückte alle Emotionen, weil er nur den Schmerz kannte, was später zur Folge hatte, dass er sich auch für alle anderen Emotionen abschottete.
Als er dann zwölf wurde, schaffte es seine Mutter, wieder die Vormundschaft zu bekommen und sich Kai zurückzuholen. Sie war mittlerweile schon fünf Jahre trocken, denn nachdem man ihr auch noch ihren Kai genommen hatte, arbeitete sie hart daran, clean zu bleiben.
Doch bald musste sie merken, dass das Eis Moskaus Kais Herz vollkommen erfroren hatte. Er war schweigsam, alleingängerisch, undurchdringlich und kalt. Es dauerte lange, bis sich Kai einer festen Gruppe von Freunden anschloss, die er nur in seinem Sport Beyblade fand, den Bladebrakers. Natürlich war seine Mutter immer besorgt, wenn Kai auf Reisen um die Welt und besonders nach Moskau ging, aber er kam immer zurück und zu ihrer Freude immer ein Stück offener!
Für Kai, der nie Freunde hatte, war es eine harte Zeit bei seiner Mutter, da er sich sehr umstellen musste. Er sah sie nicht als Mutter in den letzten Jahren oder jetzt, nein, sie war sein bester und wahrer Freund, er hatte gelernt, dass er sich egal was war und ist an sie wenden konnte. Nur für sie ging er zu Mister Dickenson zu den Bladebrakers und gewann und es hatte sich gelohnt. Auch wenn ihn heute noch einiges annervte an seinen Freunden, an Tyson besonders, aber er hatte wenigstens Freunde und er konnte sagen es waren gute Freunde, auch wenn er ihnen nie das anvertrauen würde, was er seiner Mutter anvertraute.
Das was aber der zweite Grund seiner Stimmung war, hatte er auch nicht seiner Mutter erzählt, es war ihm irgendwie peinlich! Denn in letzter Zeit passierte es des Öfteren, dass er nicht nur an Beyblade oder an seine Mutter so oft dachte, sondern, vielleicht noch öfter, an den Jungen aus der Eisdiele.
Ein kleiner Seufzer entfleuchte ihm.
„Hey, Kai was los?”, war die Frage von Tyson. „Klingst ja fast so, als wärst du verliebt!“ Mit einem riesigen Grinsen wurde Kai diese Aussage dargelegt.
„Was?“, sagte Kai sehr erschrocken, weil Tyson den Nagel auf den Kopf getroffen hatte und das selten genug war.
„Ja, das klang wie ein Liebesseufzer, ich glaub, unser Kai hat sich verliebt!“, das Grinsen Tysons ging gerade Richtung Ohren.
„Ja, stimmt! Es klang diesmal gar nicht deprimiert, eher erwartungsvoll! Tyson, du könntest recht haben!“, meinte Max. „Das ist erstaunlich!“
„Wieso ist das erstaunlich?“, fragte Kai wieder gereizter.
„Naja, ich hab dich noch nie so seufzen gehört!“, sagte Max.
„Und ich dachte, du mürrischer Typ würdest dich nie verlieben!“, lachte Tyson.
Kai wollte gerade etwas erwidern und Tyson drohend die Faust ins Gesicht halten, doch da hörte er etwas. Es war zwar leise, aber schön.
Doch wurde es durch Tysons Lachen jäh unterbrochen.
„Halt die Klappe!“, schrie Kai.
„Eh, nicht so gereizt!“, verteidigte sich Tyson, der auch schon mit der Faust gerechnet hatte.
„Nee Tyson, sei kurz ruhig!“, kam es von Max.
„Hört ihr das?“, fragte Kai.
„Was hören?“
„Schon klar, dass Du nix hörst, wenn du die Klappe halten würdest, könntest du es hören!“, fuhr Kai ihn an.
„Das klingt wie... wie Musik!“, spekulierte Max. „ Ich glaub, sie kommt aus der Richtung des Lehrerzimmers! Los wir gehen mal hin!“
Ja, es war Musik und eine schöne dazu, sie lud förmlich zum Tanzen ein, der Rhythmus, die Melodie war hell, schnell und fröhlich und umso näher die drei dem Lehrerzimmer kamen, umso lauter und schöner wurde sie und man konnte hören, dass es der Klang einer Geige war, welche der Musik ihre Flügel verlieh.
Vor dem Lehrerzimmer hatte sich eine ganze Menge an Schülern angefunden, die mehr mit der Musik wippten, als dass sie standen. Auch Kenny wippte mit!
„Ah, da seid ihr ja!“, rief ihnen Kenny zu.
„Was geht da ab, Kenny?“, fragte Tyson.
„Ich weiß nicht, da steht einer und spielt den Lehrern ein Liedchen, er ist gut!“
„Weißt du, wer das ist?“, fragte Max.
„Nein! Leider nicht, vielleicht ein Künstler für eine Feier, hab keinen Schimmer!“
Tyson versuchte sich durch die Masse an Schülern zu drängeln, um einen Blick zu erhaschen. Doch er kam nicht durch, was ihn verärgerte.
„So ein Mist, die stehen wie die Ölsardinen! Da ist kein Durchkommen, man kann nix sehen!“, meckerte Tyson.
„Hättest auch so nix gesehen, denn die Tür ist zu!“, informierte ihn Kenny.
„Was!? Das sagst du mir jetzt!“, schrie Tyson.
„Naja, du hast ihn ja nicht gefragt!“, sprach ihm Max zu.
Darauf fingen Max und Kenny an zu lachen. Tyson zog nur ein Gesicht und fing an zu diskutieren.
Ein fast normaler Tag für Kai, gut, er war nicht ganz normal, es spielte nicht oft jemand im Lehrerzimmer und auch nicht so gut!
Aber die Zankereien, die waren normal, meistens fand er sie auch lustig, aber selbst dann lachte er nicht, er wollte seinen Ruf als mürrischer Draufgänger nicht verlieren. Er hörte sich noch etwas die Musik an, ging mit dem Rhythmus im Ohr zum Klassenzimmer und ließ die drei wie üblich allein in ihrer Diskussion stehen.
Es war Mittagspause und die Vierergruppe ging auf den Hof, um ihre Esspakete zu verputzen.
Was Kai am wenigsten an diesem Mittag gefiel, war, dass er das Thema des gerade laufenden Gespräches war.
„Das ist erstaunlich!“, sagte Kenny.
„Ach, nicht du auch noch Kenny!“, seufzte Kai diesmal deprimiert.
„Nein, nicht dass du verliebt sein könntest, sondern dass Tyson es herausgehört hat!“
Das war ein treffender Einwand, welcher auch Max zu gefallen schien und als die drei Tyson ansahen, lächelte der nur verschmitzt.
„Ja, woher wusstest du das eigentlich?“, fragte nun Max.
Kai widersprach: „Wieso wissen? Er weiß gar nix, ich bin nicht verliebt!“, sagte er verbissen, wobei seine Gesichtsfarbe in ein warmes Rosa unter den Augen wechselte.
„Ja, ja, Kai! Ich weiß es, weil ich es selbst kenne und Bücher darüber gelesen habe!“, sagte Tyson stolz.
Das war zu viel für Max und Kenny, sie mussten lachen, laut und ausgiebig und auch Kai konnte ein Lachen nicht verhindern, auch wenn es eher wie ein dunkles Kichern klang, aber das zählte.
„Es geschehen heute viele Wunder, erst ist Kai verliebt…“, fing Kenny schallend lachend an.
„Und dann hat Tyson Bücher gelesen, außerhalb der Schule!“, beendete Max mit einem gleich lauten Lachen.
Kai fing sich langsam wieder.
Tyson schaute sie alle mit finsteren Blicken an, bis endlich das Lachen aufhörte.
„Ja und wer ist die Glückliche, Tyson?“, entgegnete Max grinsend.
Alle warteten gespannt auf eine Antwort.
Nur Kenny schaute auf einmal sehr merkwürdig, leicht verstört, als ob er was Falsches gegessen hätte.
„Das verrat ich euch nicht!“, enttäuschte Tyson sie, doch fixierte er dabei Kenny und verfolgte, wie er immer noch irritiert schaute.
„Kennen wir sie?“, fragte Max hartnäckig.
„Ich schweig mich aus!“, dabei immer noch mit dem Blick fest an Kenny genagelt.
Doch ein hoher Ton erlöste Tyson und Kenny, es war ein Geigenton, so hoch und lang gezogen, dass der ganze Hof ihn verfolgen konnte, bis auf das Dach des 3-stöckigen Schulgebäudes.
Hinter der Absperrung des begehbaren Daches stand nur ein Junge mit einer Violine in der Hand und spielte.
Erst langsam und ruhig aus einem Wechsel von hohen und niedrigen Tönen, doch dann wurde es wilder und ein Schwall tiefer Töne schwappte über das Gelände. Melodisch, taktvoll und rhythmisch zogen sich die Töne über den gesamten Schulhof.
Aber dem nicht genug, wechselte er nun in der Melodie immer wieder die Tonlagen und wippte in seinem eigenen Lied.
Der ganze Hof war wie erstarrt, nicht weil es unschön oder ohrenbetäubend war, nein, es war eine faszinierende Musik, schön, schnell, fesselnd und atemberaubend, alle wollten hören und sehen, wer und was da spielte. Der ganze Hof war verzaubert.
Kai stand so günstig, dass er sehen konnte, wer genau da auf dem Dach stand, er kannte das Gesicht, was den meisten auf dem Hof nicht vergönnt war, es war sein Engel, der diese himmlische Musik projizierte. Der Name, wessen Gesicht es zierte, war Lester Vechn.
Ohne dass die anderen ihn hinderten, weil sie selbst noch voll im Taumel der Musik standen, rannte Kai los, er rannte keine Runde durch den Hof um sowas zu schreien wie, „Das ist mein Geliebter Lester Vechn!“, nein, er rannte in Richtung Dach, vorbei an allen, die nur dastanden, um sich in den Klängen der Sonaten zu verirren, vorbei an denen, die nur genießen wollten, indem sie zuhörten. Doch Kai wollte mehr!
Aber sein Plan ging nicht auf, weil vor der Treppe zwei Lehrer standen und ihn aufhielten.
„Wohin mein Junge?“, sagte der eine, Herr Makanaki, Kunstlehrer.
„Das Dach ist die Pause über gesperrt!“, sagt der andere, Herr Isesaki, Musiklehrer.
„Ich würde gerne mit dem Jungen auf dem Dach reden, ich kenne ihn!“, sagte Kai mit einem höflichen Ton.
Lester war ziemlich mulmig zumute, nicht nur, dass er ziemlich hoch stand, nein, er hatte auch noch nie in seinem Leben vor einer ganzen Schule gespielt. Er hatte noch nie allein für mehr als 100 Leute gespielt und auf dem Hof tummelten sich sicher mehr als 200 Schüler.
Doch er legte nicht den Bogen aus der Hand und spielte unbekümmert weiter. Er ließ seine Geige nun ruhige und sanfte Töne singen, was fast wie ein kleiner Chor klang, der ein Sopran sang. Zärtlich streichelte er die Violine mit seinem Bogen, nun wieder tiefere und schnellere Töne, denn nun wollte er zum Schluss seines kleinen Auftrittes kommen.
Kai versuchte immer noch vergeblich, an den beiden Lehrern vorbei auf das Dach zu kommen, aber leider blieben die Lehrer wie zwei Steingötzen an ihren Posten stehen und bewegten sich nicht ein kleines Stück weiter, sie versperrten alles, bis auf den Schall, der immer schneller vom Dach kam. Doch plötzlich, ein lang gezogener Ton, dunkel wie eine dumpfe Kirchenglocke, die wahrscheinlich gerade die ganze Schule aus ihrer Trance geweckt hatte. Als wäre es ein Signal, traten die Lehrer ohne ein Wort beiseite und Kai konnte endlich die Treppe raufstürzen.
Lester klappte seinen Geigenkoffer zusammen, wischte sich mit der Rechten über die Stirn und ging schnurstracks zur Treppe, ohne noch einmal auf die immer mehr werdenden Stimmen und den anschwellenden Applaus vom Hof der Schule zu achten. Auch bemerkte er nicht die hastigen Schritte auf der Treppe, sondern schaute wie ein Reh, welches gerade vor das Auto gelaufen war und unschuldig, mit einem Blick der sagt: „Ich war’s nicht!“ in die Scheinwerfer schaut, auf den herannahenden Jungen, der ihm wieder einmal bekannt vorkam und er wusste nicht woher. Er stand wie das eben beschriebene Reh vor der Treppe und schaute verdutzt zu Kai, welcher sich nicht mehr im Schwung seines Laufens bremsen konnte und somit mit Lester wie ein schwerfälliger Tanker kollidierte.
Durch den heftigen Aufprall, flog Lester sein Geigenkoffer aus der Hand und der Koffer schlitterte etwas auf den Boden des Schuldaches herum, bevor er zu Ruhe kam. Doch auch Lester, der sich gerade in einer steilen Abwärtsbewegung befand und immer noch ein Gesicht machte, das wahrscheinlich soviel sagte wie: „Was macht der denn hier?!“, fiel nicht einfach. Denn es war Kais Reflexen zu verdanken, dass er seine Arme um ihn legte, sich nach rechts drehte, ihn am Rücken und Hinterkopf, wie ein kleines Kind hielt, sodass nicht Lester sondern er hart auf dem Boden aufkam und Lester weich auf ihm landete.
Natürlich war Lester ein guter Junge, er befreite sich aus der Umarmung und setzte sich auf, sodass er auf Kais Unterleib saß und schlug ihn mit der Faust auf den Kopf, damit Kai wieder aus seiner Benommenheit aufwachte.
„Au!“, war der erste Ton den Kai an diesem Tag zu Lester sagte. „Wieso schlägst du mich?“, fragte er und schaute sich die Pose an, in der er sich gerade mit seinem Gegenüber befand. Es schien ihm zu gefallen, denn Kai versuchte nicht, Lester runter zu schieben, nach dem Motto, so schwer ist er nicht, ich hab noch Spielraum.
„Mir war gerade so danach!“, war die rasche Antwort des Sitzenden, welcher sich gerade erheben wollte, aber da war Kai anderer Ansicht und drückte seine Oberschenkel nach unten, so konnte er sich doch noch nicht nach oben bewegen.
Ein genervtes: „Was machst du hier?“, kam daraufhin von dem dessen Beine auf den Boden gepresst wurden. Wie die Frage gedeutet werden konnte, ob sie nun die Aktion mit den Beinen oder die Aktion mit dem Umrennen meinte, war derzeit dahin gestellt, doch wurde die Frage mit verschränkten Armen und einem giftigen Blick, der wechselnd auf die Hände und in Kais Gesicht zielte, untermalt.
Ein Grinsen umfuhr Kais Lippen, welches schon fast in ein Lachen ausarten würde, doch er konnte sich gerade noch zusammenreißen, ließ Lester aufstehen und schaute ihm nach, als er sich zu seinem Geigenkoffer begeben wollte, doch antwortete er: „Ich geh hier auf die Schule und du? Ich wusste gar nicht, dass du musizierst!“
Langsam, fast schreitend, quittierte Lester die Antwort, strich sich das Haar aus dem Gesicht, es bildeten sich kleine Furchen auf der Stirn, darüber wehte leicht das Haar im Wind.
„Wie war dein Name noch gleich?“, eine leicht irritierende Frage, welche Kai mit einem leicht irritierten Blick vernahm.
Deutlich ging sein Kinn Richtung Erdboden, er konnte sich nicht an eine Person gewöhnen, die sein Gesicht nicht mit seinem Namen zuordnen konnte und ihn sich nicht einmal merkte!
„Also hör mal, Lester! Ich bin’s doch Kai!“
Nun war Lester dran, irritiert zu schauen. Er hob gerade seinen Geigenkoffer auf und schaute nun Kai verwirrt an, in seiner gebückten Haltung. „Woher kennst du meinen Namen?“, fragte er misstrauisch.
Kai lachte nun doch mal gegen jede Gewohnheit laut auf, dass es fast in seinen Ohren klingelte, hatte dieser Junge denn alles vergessen? „Was hat er denn für ein Gedächtnis!“ fragte sich Kai innerlich, wuschelte kurz elegant durch sein blaugraues Haar, legte ein verführerisches Lächeln auf und mit einem gekonnten Hey-Baby-komm-her-Blick fixierte er Lester.
„Hast du das schon vergessen? Ich bin’s, der Kai von der Eisdiele, du hast mich vor dem Schwarm Damen gerettet!“
„Ach, ich erinnere mich, du warst der Heini, auf den die Weiber kreischend eingeprügelt haben!“
Kais Mimik erstarrte. „Heini?“, dachte er sich, „Wieso Heini?“, fragte er ihn.
Doch Lester fuhr wie ein junges, unschuldiges Schulkind aus der ersten Klasse fort.
„Ja, und du gehst hier zur Schule? Haste aber Glück, dass sie dich hier nicht auch zerpflücken, naja gut, dann werde ich mal!“
Damit machte sich Lester auf den Weg zur Treppe.
Kai musste erst mal den Heini verkraften, das war zu viel für ihn, doch ließ er Lester nicht durch, denn als der an ihm vorbei ging, hielt ihn Kai fest und sagte zu ihm: „Ja, ich geh hier auf die Schule und das damals war eine Ausnahme!“ Unter einem bösen Blick Lesters drehte sich Kai mit zuckenden Mundwinkeln und weit geöffneten Augen zu ihm um. „Was hat er denn jetzt?“ fragte sich innerlich der Junge mit dem Geigenkasten.
„Hier in der Schule fallen sie nicht so über mich her!“, er versuchte wieder ein Lächeln aufzusetzen, das klappte aber nicht. Er atmete erst einmal laut ein und aus, bevor er weiter redete.
„Kommst du...?“, doch Lester befreite sich aus seinem Griff und kam ihm verbal zuvor.
“Erstens, ich mag es nicht, wenn man mich an etwas hindert und festhält! Und zweitens, ja, ich komm bald auf diese Schule. Bald, nicht heute, nicht morgen, irgendwann, nächstes Jahr, und übrigens, ich glaube du hast jetzt bald wieder Unterricht!“, um seine Aussage zu unterstreichen, klingelte es auch prompt zur Stunde.
Leicht genervt, aber mit einem fast flehenden Ton und großen Hundeaugen sprang Kai vor Lester.
„Bitte, könntest du noch warten oder gleich mitkommen und warten bis die Stunde rum ist, ich hab noch ein paar Fragen, die ich lieber heute als morgen los werden möchte! BITTE!“
Lester beging den Fehler, wirklich in die Augen Kais zu schauen, eigentlich fand er ihn ja recht süß, wie er da mit flehenden Händen vor ihm stand, ein kaltes, fast höhnisches Grinsen umschloss sein Gesicht, er setzte zu einem „N“ an, doch: „N... Ja, ich komm mit und warte, da kann ich mir gleich den Unterricht anschauen!“, kam noch die Ausrede.
Kais Blick wurde nun freudig und sanft, er fühlte sich wie ein Gewinner, denn trotz des höhnischen Grinsens Lesters fand er doch über dessen Nase, unter den Augen eine leicht rosa Spur.
„So, nun muss ich mich beeilen!“, Kai griff sich das Handgelenk, des Jungen, der nun wieder verblüfft über die schnelle Aktion des anderen dreinschaute, und rannte mit ihm die Treppen runter, bis in den Stock seines Unterrichtsraums.
Mit großen Schritten setzte Kai vor, denen Lester, der etwas kürzere Beine hatte, nur schlecht folgen konnte. Bis sie endlich vor einer Tür stehen blieben, an der Kai anklopfte und um Einlass bat.
Der Lehrer, der freudig sah, dass Kai den Violinisten mitgebracht hatte, ließ beide ohne zu murren rein und verwies Lester auf einen leeren Platz hinten am Fenster, wo dieser einen recht guten Platz zur Begutachtung der Klasse hatte.
Lester fiel auf, dass das Lächeln des Jungen, der sich Kai nannte, sich plötzlich in eine stimmungslose Mimik verwandelte, als er sich zwischen einige Jungs gesetzt hatte, die gleich mit ihm tuschelten und eher auffällig als unauffällig ab und zu zu ihm sahen und mit dem Finger deuteten.
Doch im Allgemeinen verlief die Stunde ruhig, bis die Schüler endlich von der lauten Klingel der Schule vom Unterricht der Chemie befreit wurden.
Nachdem Kai sein Zeug in der Tasche hatte, kam er zu Lester. Ihm folgten drei Jungs, ein blonder mit Sommersprossen und einem breiten Grinsen, ein etwas kleinerer mit braunem Haar, einer Brille und einem Laptop unter dem Arm und ein blauhaariger, der noch breiter als der Blonde grinste und so forsch war, dass er sich gleich selbst vorstellte „Hallo ich bin Tyson, du hast super gespielt!“ Schon kam Lester eine Hand entgegen.
Der war leicht irritiert, weil sich urplötzlich, da die Vierer-Gruppe sich um den Neuen gestellt hatten, eine Horde von Schülern um sie scharte, laut tuschelnd, mit Worten wie, „Das ist der Geiger!“, „Boa, natürlich, die Berühmtheiten kennen sich wieder!“ und ähnlichen, ihn anstarrten. Zögernd und gut den blaugrauhaarigen im Auge behaltend, da der ja der einzige war, den er kannte, wenigstens schon das zweite Mal in seinem Leben gesehen hatte, und darauf achtete, dass dieser nicht verschwand und ihn allein ließ. Denn es breitete sich eine leicht klaustrophobische Angst, die Freud eine gewaltige Platzangst mit Schülerdruck genannt hätte, in ihm aus und wo er wahrscheinlich entflohen wäre, so schnell weggerannt wäre, wie ihn seine Beine tragen konnten.
Doch Lester blieb bei der Etikette, er hatte ja auch schon einige Auftritte gehabt und kannte die Prozedur, am Besten so viele Hände wie möglich schütteln und sich so zum Ausgang vorarbeiten!
So nahm er Tysons Hand, die ziemlich kräftig geschüttelt wurde, aber nur auf Lesters Seite.
„Das ist Tyson!“, erklang es ziemlich brummig von Kai. „Das ist Max!“, deutete er nun auf den Blondschopf.
„Hi, sehr erfreut!“, kam es von dem Sommersprossengesicht.
„Und der Kleine da ist Kenny, unser Spezialist für Technik und Computer!“
Auch er meldete sich, mit einem schüchternen „Hallo!“, zu Wort.
„Ich glaub wir sollten irgendwo hingehen, wo es ruhiger ist.“, empfahl der Brillenträger und rückte seine Brille zurecht, nachdem die drängelnden Schulkameraden, die auch mal einen Blick auf den Geiger werfen wollten, ihn geschubst hatten.
„Ach, wisst ihr, ich will eh gleich los, ich hab ja keinen Unterricht wie ihr, ich werde dann mal lieber gehen!“, Lester brachte es etwas zaghaft hervor, mit einer leichten Betonung, dass er ja keinen Unterricht hat.
„NEIN!“, kam es so laut von den Vieren, am lautesten von Kai, dass die Masse an Schülern aufschreckte.
„Wenn du aber gehen willst,“ fing Kenny an, womit er sich einen ärgerlichen Blick von Kai einfing, „gib uns doch vorerst deine Adresse, oder irgendwas, damit wir dich erreichen können!“
Besänftigt schaute Kai nun auf den grübelnden Lester.
Auch von den billigen Plätzen kamen die Zurufe nach Telefonnummern und Kindern, die Lester ignorierte, laut begann er sein Statement: „ALSO, ich werde niemandem irgendetwas geben! Verstanden?! Ich hab nicht die geringste Lust, dass mir irgendwelche Spinner schon vor meiner Schulzeit auf den Keks gehen, ich hab hier genug zu tun, da brauch ich nicht noch mehr Trubel! Also verzieht euch! ALLE! Ich will jetzt gehen!“, mit diesen Worten kramte er fix in seinem Geigenkoffer, holte einen Zettel raus, kritzelte was darauf und bahnte sich schnaubend seinen Weg, den Zettel aber ließ er zurück, indem er Kais Hand nahm und den Zettel dort verstaute.
Mit raschen Schritten und einem lauten aufseufzen verließ der Junge mit dem Geigenkoffer die Schule.
Kai schaute derweilen ungläubig in seine Hand, da lag der Zettel, etwas zerknittert und mit einer krakeligen Schrift, aber leserlichen Buchstaben, die einen Satz bildeten, der wie folgt lautete: „Heute 17 Uhr, gleicher Ort, gleiche Zeit, warte nur 5 Minuten!“
Über seine Lippen kam ein leichtes Lächeln.
„Hey, was hast du da Kai?“, Tyson versuchte, an den Zettel ranzukommen.
„Nichts!“, Kai zerriss den Zettel.
„Du bist echt fies!“, ein mürrischer Ton klang in dieser Feststellung mit.
„Da stand sicher, wie du ihn erreichen kannst oder?“, fragte Kenny.
„Sicherlich!“, bestätigte Max.
„Wir sollten zu Japanisch!“ Gelassen bahnte sich Kai seinen Weg durch die langsam abflauende Schülermasse, die sich nur einzeln, gesprenkelt und interessiert zu den Bladern gesellte. Kai schaute auf die Uhr, zehn vor fünf, ja, er würde es noch rechtzeitig zu seiner Verabredung schaffen. Er war guter Dinge, hatte sich fein rausgeputzt, trug eine graue Jeans und ein weißes Poloshirt. Einfach und trotzdem gut aussehend, die graublauen Haare hatte er sich aus dem Gesicht gekämmt und schlenderte lässig die Straße Richtung Eisdiele entlang.
An der Diele angekommen, schaute er sich um, doch konnte er Lester noch nicht ausmachen. So setzte er sich hin, draußen, wo er einen guten Blick auf den Park mit den Kirschbäumen hatte.
Einige Zeit später wollte Kai gerade etwas bestellen, als die Kellnerin stolperte, gegen ihn stieß, sodass er vom Stuhl fiel, in Richtung Park, und mit dem Kinn auf die Straße knallte. So sah Kai auch, wie im warmen Licht der Sonne Lester aus dem Kirschbaummeer heraus in seine Richtung gelaufen kam.
„Hey, liegst du eigentlich gern auf dem Boden?“
Kai lag immer noch leicht benommen auf der Straße, sah nach oben, woher die Stimme des Jungen kam, er betrachtete ihn von unten her, sah, dass er wie üblich in dunklen Tönen gekleidet war und einen auffallend großen Rucksack auf dem Rücken trug, mit dem er sich nach unten beugte.
„Los, komm steh auf!“, warf ihn Lester entgegen.
Kai rieb sich das etwas aufgeschrammte Kinn und stand auf, setzte sich auf den Stuhl und bot Lester den gegenüberstehenden an, woraufhin sich der unscheinbare Junge setzte.
„Ich hab mich gefreut, dass du dich mit mir treffen wolltest! Also, willst du was trinken?“, Kai versuchte wieder verführerisch zu klingen und setzte ein gekonntes Lächeln auf.
„Naja, ich bin nicht hier, um mit dir zu plaudern, ich hab einige Fragen“, auf diese Ansage hin kramte Lester in seinem Rucksack, um zum Erstaunen Kais einen Block und einen Stift heraus zu holen.
„Ich soll dir nur ein paar Fragen beantworten? Das ist alles?“, fragte Kai sehr ungläubig und seine Gesichtszüge gingen zu einem erstaunten Gaffen über.
„Ja! Wieso?“
„Naja, ich hab gehofft, dass wir uns etwas unterhalten könnten, über dies und das. Gut, ein Vorschlag, du stellst deine Fragen und ich frage danach zurück, einverstanden?“, er umhüllte seine Frage mit einem reizenden Lächeln.
Der Befragte schaute misstrauisch zu seinem Gegenüber, überlegte kurz, willigte dann mit einem Kopfnicken ein, blätterte kurz und setzte den Stift zum Schreiben an.
„Also, wie ist das mit den Schulzeiten ...?“, so begann Lester mit seinen Fragen, die Kai so gut wie möglich versuchte zu beantworten und welche sich Lester fix notierte.
Kai beobachtete genau die Schriftführung seines Gegenübers, dessen Anblick sein Herz höher hüpfen ließ. Er wusste immer noch nicht warum, war es die Ausstrahlung, dieses niedliche Lächeln, diese tiefen blauen Augen, die für ihn wie Saphire wirkten, er schaute seinen Gesichtszügen hinterher, bis über den Hals und die Schulter auf die Hände, mit denen er das aufschrieb, was Kai sagte. Seine Schrift, krakelig, nicht ohne weiteres zu lesen, aber auf eine merkwürdige Weise trotzdem ansprechend.
Nach etwa zehn oder doch eher 15 Minuten hatte Lester endlich keine Fragen mehr und wollte schon seine Zettel wegpacken, doch Kai hinderte ihn daran, indem er seine Hand festhielt.
Lester sah ihn mit einer Mischung aus einem giftigen Todesblick und einem fragenden „Hey-was-soll-das-du-Idiot“-Blick an.
Doch Kai ließ sich nicht beeindrucken, er beließ seine Züge auf sanft und lieblich.
Bevor Lester Kai irgendetwas an den Kopf werfen konnte, erwiderte Kai: „So, nun bin ich an der Reihe!“ Er entriss Lester den Block und seinen Stift, riss ein Stück ab und fing an, seine Fragen zu stellen. Wie aus der Pistole geschossen kamen sie wohlformuliert aus Kais Mund, als ob sie schon seit Jahrzehnten in ihm Zeit hatten zu reifen.
„Also, fangen wir mal an, ich möchte erst mal wissen, wie dein vollständiger Name ist!“
Der Angesprochene schaute noch verdattert über den fixen Verlust seiner Schreibutensilien.
„Lester Vechn.“, klanglos wie ein kaputtes Mikro und wie in Trance.
„Gut, und wo wohnst du Lester? Telefonnummer? Handynummer? Sonst irgendwelche Erreichbarkeiten? Vorlieben? Hobbys? Lebensgeschichte?“ zählte Kai seine Liste für ihn interessanter Dinge auf.
Doch Lester gewann langsam seine Fassung wieder.
„Wieso willst du das wissen?“
„Reines Interesse an dir!“, wieder ein Satz, der eher ausgesprochen war, als Kai auch nur denken konnte, es war fast ein Reflex, genau wie sein Sweetheart-Lächeln, was schon einige harte Frauenherzen hatte schmelzen lassen. Es wirkte nur anscheinend nicht so ganz bei Lester.
Denn der schaute ziemlich irritiert, wie ein Biber, der statt in einen Baum in Plastik gebissen hatte und es ihm zu schmecken schien. Lester konnte es sich nicht erklären, kaum einer zeigte je Interesse an ihm, er war ein vollkommen durchschnittlicher Junge, gut, er spielte Geige, machte das so interessant? Aber wieso besonders bei ihm, sein Gegenüber war ein gut aussehender, schicker und heiß begehrter Junge, dieser Gedanke bereitete ihm Unbehagen, wieso dachte er an sowas? Jedenfalls war unbestreitbar, dass er gerade vollkommen perplex war und nun mechanisch antwortete.
„Handy, sowas besitze ich nicht! Telefonnummer 073891125634, wenn du den Park in Blickrichtung immer geradeaus läufst, dann kommst du an einer Straße raus, der gegenüber ein Hochhaus steht, 4. Etage, Wohnung 225.“
Während er seine Aufzählung und die Beantwortung der gestellten Fragen vornahm, färbte sich sein Gesicht von Fleischfarbenrosa in ein dezentes Kirschrot. Vielleicht lag es an der Peinlichkeit, seine persönlichen Daten hier so plump aufzuführen, oder doch eher daran, dass Kai ihn unvermindert anlächelte.
„Meine Hobbys sind meine Geige und mich nicht von solchen Leuten wie dir ausfragen zu lassen!“, Gott sei Dank war er wieder bei Bewusstsein.
Charmeur Kai ließ sich von der rauen Art des Jungen nicht abschrecken, die er selbst von sich gegenüber anderen gewöhnt war und so keinerlei Furcht vor solcherlei Abweisung besaß.
„Schade, also ich finde es wichtig, irgendwas zu wissen von dem anderen, mit dem man sich unterhalten will!“, sanft lächelnd und im beruhigenden Ton versuchte er, Lester etwas runterzuschalten.
Lester befreite sich mit einem gewaltigen Schütteln von seiner Benommenheit.
„Unterhalten?“
„Ja, unterhalten, miteinander Reden, ein Gespräch führen, plaudern, ...!“, verschmitzt zählte Kai die Redensmöglichkeiten auf.
Doch der Widerspenstige schaute noch misstrauisch.
„Aha, ein Gespräch, dann unterhalten wir uns halt!“, tief durchatmend war nun Lester an der Reihe, auch einmal nett zu schauen, was Kai ziemlich erfreute.
So startete endlich eine muntere Unterredung der beiden, wobei Kai sich und Lester was zu trinken bestellte.
Einige Meter weiter, hinter einem Gebüsch eines Hotels in der Nähe der Eisdiele, versteckten sich 3 Jungs und beobachten das Geschehen in der Eisdiele.
Diese drei Jungs waren nicht minder bekannt wie Kai, denn es waren ja seine besten Freunde, welche mit ihm schon einige Schlachten in ihrem Sport gewonnen hatten und sich natürlich für das geheimnisvolle Treiben in dem Laden, wo Kai gerade gemeinsam mit dem Neuen, Lester, ein Eis verputzte, interessierten.
Das Trio, wenn man Kennys Computer dazu zählte sogar ein Quartett, stand schon länger dort und hatte gespannt zugesehen, wie Kai sich hingelegt hatte, als der Geiger aus dem Park gelaufen kam oder wie er ihn anstarrte, wie der Schlächter die Kuh vor der Schlachtbank. Auch sahen sie zu, wie Kai Lester entwaffnete und selbst anfing zu schreiben, nur hatten die drei Komparsen ein Problem. Dizzy, so nannte Kenny seinen Rechner, beschrieb es ganz passend: „Ich kann zwar das Bild ranzoomen, aber ein Lippenleseprogramm hab ich nicht!“
„Mensch, der trifft sich halt mit dem Typen dort! Was ist daran so interessant?“, motzte Tyson die anderen an.
„Ach, Tyson, findest du das gar nicht seltsam, seit der da hier ist, kann man fast sagen, dass Kai...“, Kenny fehlten irgendwie die Worte, es sah so aus, als ob er ein bestimmtes Wort mit Kai in einem Satz zu nennen, nicht in der Lage war.
„So fröhlich?“, versuchte Max Kenny auszuhelfen.
„Genau!“, stimmte Kenny dankend zu.
„Ist das nicht egal? Was erhofft ihr euch denn davon? Und außerdem, von hier hinten sehen wir kaum was und vom Verstehen wollen wir nicht reden!“, Tysons Laune ging ziemlich in den Keller, dabei starrte er stur zu Kenny.
Kenny, der aufgrund der ihn bedachten Blicke leicht errötete, drehte seinen Kopf wieder zu den zwei Jungs, die schwatzend in der Diele saßen. „Ach, du verstehst das nicht, wir machen uns doch nur Sorgen!“
„Ja, Tyson, seit der Typ dort an der Schule ist und das ist er ja erst seit ein paar Stunden, hat sich Kai fast um 180° geändert, seitdem er Kai irgendeinen Zettel in die Hand gestopft hat, welchen Kai vor unseren Augen zerrissen hat, warum? Wieso sollten wir nicht wissen, dass er sich mit ihm trifft? Das ist doch eigentlich nix Schlimmes?“, erläuterte Max.
Von Tyson kam nur ein abwertender „Pf“-Ton.
Kenny schüttelte den Kopf. „Findest du das gar nicht komisch, er war den ganzen Tag überhaupt nicht mehr mürrisch, was du jetzt wahrscheinlich von ihm übernommen hast!“, Kenny schaute nun Tyson etwas missbilligend an.
„Ich bin nicht mürrisch!“, wehrte sich Tyson. „Ich versteh euch nur nicht, gut, Kai war mal guter Laune, lasst ihn doch! Oder habt ihr was dagegen?“
Die beiden anderen schauten ihn nun scharf an.
„Weißt du irgendetwas?“, ein misstrauischer Ton lag nun in Kennys Stimme.
„Rede! Was verheimlichst du uns?“, auch Max ließ sich von der Tonlage Kennys anstecken.
„Äh! Ich weiß gar nix! Ach, macht doch, was ihr wollt! Ich fand nur halt, naja, dass wir ihn ruhig hätten..., Mensch, schaut mich nicht so an, ach...!“, der Rest war nur noch unverständliches Gebrabbel, er drehte sich um, damit niemand sah, dass er nun an roter Farbe im Gesicht gewann.
„Was ist heute nur los?“, fragte Max Kenny.
„Ich hab keinen Schimmer!“
Und so fingen die beiden und gezwungenermaßen auch Tyson wieder mit der Observation der zwei jungen Männer an, die zusammen friedlich und nichtsahnend da in der Eisdiele saßen und ihren Plausch hielten.
Die beiden waren gerade beim Thema letzte Schultage und Ferienplanung.
Kai hatte schon erfahren, dass Lester erst vor einigen Tagen in diese Gegend gezogen war, dass er am liebsten Pasta aß und dass er für diese Woche noch ne Menge vorhatte.
„Dann muss ich noch zur Bank, checken ob alle Überweisungen richtig laufen und aufs Amt muss ich auch noch, ja und dann...“, Lester versuchte, seinen Wochenplan Punkt für Punkt abzugehen und jede detaillierte Einzelheit sich ins Gedächtnis zu rufen.
Für Kai war es ein herrliches Gespräch, so nah und so lange war er noch nie an ihm dran, nein, noch besser, wie selbstverständlich plauderten sie vollkommen ungezwungen. Er schaute zu, wie sein Gegenüber lachte, die Lippen schürzte oder das Gesicht verzog, wenn ihm etwas Unangenehmes einfiel.
Selbst ihn zu sehen, wie er sein Eis genüsslich verspeist hatte, es war einfach der Wahnsinn für Kai, so ein warmes, kribbliges und wohliges Gefühl hatte er noch nie gespürt und er konnte einfach nicht den Blick abwenden. Er musste einfach jede Geste, jeden Blick, ja sogar jeden Moment förmlich einsaugen, nichts, rein gar nichts würde Kai davon abhalten, diesen Jungen, nein, diesen Mann oder eher diesen jungen Mann für sich einzunehmen. Zwar wusste Kai nicht genau, wieso, aber er wollte es jetzt, hier sofort, ohne Umschweife.
Kai packte Lesters Hände und schaute ihm tief in die Augen. Lester starrte ihn nur verwirrt an, auch als Kai langsam mit dem Gesicht näher kam, war er noch wie verdutzt. Es war eine langatmige Bewegung, die man, wenn man nicht direkt daneben oder davor stand, gar nicht mitbekommt, wie zum Beispiel die Kellnerin, die gerade eine riesige Portion Eis schwer mit sich rumschleppte. Es war dieselbe Kellnerin, die Kai schon einmal aus dem Konzept geworfen hatte und man konnte fast sagen, sie hatte ein Talent für solche Dinge, denn sie stolperte über ein Tischbein und das kalte Eis landete mitten in Kais Gesicht.
Das kribbelnd warme Gefühl verwandelte sich in Kälte, klebrige, süße Kälte. Der Annäherungsversuch an sein verwirrtes Gegenüber war vereitelt durch eine extra Portion Sahne.
Kai stand wortlos auf, ohne noch einmal in die tiefblauen Augen des irritierten Jungen zu sehen, der entsetzt feststellte, was gerade mit dem großen Eisbecher, der nicht für sie bestimmt war, passiert war.
Etwas scheu lachend, fast schon kichernd, verfolgte er den in die Gästetoilette stürzenden Jungen, aber auch die Entschuldigungsversuche der Kellnerin.
Das Wasser rauschte über Kais Gesicht, mit einem Handtuch, welches er vom Personal bekommen hatte, um die Reste der süßen Überraschung aus seinem Gesicht und seiner Kleidung zu wischen. Mit nur kläglichem Erfolg, denn es blieben immer noch große sichtbare Flecken der Eisportion.
Als er dann der Meinung war, das Beste für seine Sauberkeit getan zu haben und weil das Handtuch das Maximum aufgenommen hatte, was es an Schmutz aufnehmen konnte, ging er tief seufzend wieder raus zu seinem wartenden Angebeteten.
Einige Häuser weiter, immer noch in ihrer Deckung, hielten sich drei Jungs die Bäuche vor Lachen.
„Sowas Lustiges hab ich lang nicht mehr gesehen!“, lachte Tyson.
„Wie er dann aufgestanden ist, wie von einer Tarantel gestochen!“, kicherte Max.
„Mein Gott, wär mir das peinlich!“, gackerte Kenny.
„Wartet, er kommt wieder raus!“, versuchte Tyson sein Lachen zu unterdrücken.
„Sieht aus, als hätte er sich in Eis gewälzt, mal sehen was er jetzt macht!?“, gluckste Max noch etwas.
„Er setzt sich, dachte er würde gehen, ich wär schreiend nach Hause gerannt, typisch Kai, ja keine Blöße geben, cool bleiben und stur weitermachen!“, bemerkte Tyson mit einem verzerrten Lächeln.
„Mal sehen, wer zuerst geht, ich schalt bei Dizzy mal die Stoppuhr an!“, mit einem hämischen Grinsen betätigte Kenny die Tasten.
Die anderen beiden rieben sich ebenso hämisch die Hände.
„Es tut mir wirklich Leid, ich wollte zwar die Rechnung übernehmen, aber nicht einen solchen Eisbecher!“, Kai versuchte zu lächeln, auch wenn es ihn ziemlich nervte, dass seine Sachen an ihm klebten und vollkommen eingesaut waren, wo er doch toll aussehen wollte, da er sich doch mit seinem selbst ernannten Herzblatt treffen wollte und alles perfekt sein sollte.
Lester konnte sich das Schmunzeln nicht verkneifen, er sah belustigt zu, wie Kai an sich ziepte und zupfte. Kein schlechter Anblick, die nassen und klebrigen Sachen schmiegten sich an Kais Körper, wie Lester bemerkte. Durch das Hemd sah man recht gut die breiten Schultern, die durchtrainierte Brust und wenn Lester sich gerade hinsetzte, sah er auch noch leicht einen Teil der Bauchmuskeln, die sich filigran unter der Brust entlang zogen, er musste einfach hinsehen, er konnte gar nicht wegsehen, was dachte er da, schnell schaute er wieder hoch.
Auch Kai schaute in sein Gesicht, da er aber an seinen Sachen rumgespielt hatte, hatte er verpasst, wie Lester ihn schon fast förmlich mit den Blicken ausgezogen hatte. Doch er schaute ihn wieder sanft und freundlich an, tief blickte er in das saphirblaue Meer der Augen.
Das war wieder zu viel für Lester, sein Rotpegel im Gesicht ging leicht ins Karottenfarbene, er schaute weg, zur Bedienung, die diesmal keinen Abstecher zu den beiden, sondern erstaunlicherweise einen weiten Bogen um sie machte.
Das störte Kai nicht, er war zu verzückt zu sehen, wie sich sein liebliches Gegenüber verhielt, wie er die Farbe um die Nase wechselte und den Blickkontakt scheute. Doch dabei wollte er es nicht belassen, er war schon so weit gekommen, doch war er noch nicht am Ziel, er wollte ihm noch näher sein, so nah, wie er noch nie einer Person war. Als erstes galt es, das Schweigen nach dieser Peinlichkeit wieder zu unterbrechen.
„Also, weißt du schon was du machen wirst, so in den Ferien?“, fragte er Lester, noch leicht eingeschüchtert durch das Missgeschick.
„Öhm? Nein, wollte arbeiten gehen und noch bissel was verdienen, aber so direkt hab ich noch nix vor. Wieso?“, er schaute nun Kai wieder an, zwar wich kurz das Rot, doch als Kai ihn wieder so hoffnungsvoll anlächelte, da kam es prompt wieder.
Denn für Kai war das fast schon ein Freibrief, ja, seine Liebe. Sie hatten Zeit, nun galt es schnell zu planen, die Woche war schon fast vorbei, doch es würde eine neue anbrechen und die galt es zu erwischen. Das war seine Chance!
„Da können wir ja was zusammen unternehmen!“, ein Blick der Hoffnung schoss Lester entgegen.
Doch seine Gesichtszüge wurden starrer.
„Naja, weißt du, ich wollte eigentlich arbeiten gehen.“, seine Stimme wurde zum Ende leiser, denn Kai legte einen sehr verzweifelten und traurigen Blick auf.
Diesen Blick, entwickelt für eine Werbung für Versicherungen, in der er für eine Kinderversicherung einen kleineren Jungen spielen sollte, als er noch in Russland lebte, es aber aus Protest in einer Phase, in der er sich abriegelte dann doch nicht gemacht hatte, setzte er nun ein, denn er hatte ihn sich gut gemerkt. Auch wenn es ihm früher nichts brachte, ließ sich so vielleicht das Herz des jungen Mannes vor ihm erweichen.
Der Blick verfehlte nicht sein Ziel, man sah, dass die Konturen weicher wurden und ein mildes Lächeln entstand.
„Ok, ich schau mal und wir bleiben in Kontakt, man sieht sich auch sicher und, naja, ich werd dich sicher noch ab und zu mal fragend besuchen, wenn ich hier Hilfe brauche.“
„Ja, natürlich!“, er nahm noch einmal Lesters Block, mit der linken schlug er sich gegen das Gesicht, er schrieb schnell eine Nummernfolge auf und darüber war dann zu lesen, Handy- und Festnetznummer. „Wenn irgendwas ist und du weißt nicht wohin, ruf mich an!“
Kai drückte Lester den Block wieder in die Hand, dabei hielt er dann die Hand seines Gegenübers fest.
Erst schauten sie beide auf die Hände und dann trafen sich ihre Blicke, als sie wieder hochschauten, fast zeitgleich. Kai versuchte es wieder, er rutschte näher, doch diesmal merkte das Lester, er entzog Kai den Block und schmiss ihm das Ding gegen den Kopf.
Es wurde für die drei immer interessanter, es war so interessant zu sehen, wie Kai sich schlug und aus irgendeinem Grund eins mit dem Schreiblock über den Kopf bekam, dass es sie förmlich aus den Schuhen warf, aber sie fielen nur über ihren Busch und purzelten aus ihrem Versteck, mit einem lauten Plumps.
Die Geräusche in der Nähe ließen natürlich auch Kai und Lester aufschrecken, die ihrerseits interessiert zu dem schmerzjammernden Knäuel des Rests der Bladebrakers schauten.
Lester eher erstaunt und verwundert.
Doch Kai, der war, sagen wir sehr entsetzt und erzürnt, fast ausrastend, aber sicherlich wütend.
„Was macht ihr denn hier?“, diesmal in brummiger, zorniger Stimme, welche Lester fast schockierte.
„Ähm!“, stotterten sie, mit dem Gefühl des Ertapptseins.
„Ich fass es nicht, dass ihr mir nachgestiegen seid! Was soll das? Hä? Antwortet!!“, wutentbrannt funkelte er die drei an.
Tyson rappelte sich als Erster auf und musste folglich auch Rede und Antwort stehen.
„Naja, wir haben uns Sorgen gemacht, weil..., weil, naja, du hast dich in letzter Zeit so merkwürdig verhalten und da dachten wir..., wir dachten, Jungs...?“, versuchte er noch die anderen einzuspannen.
Unter dem grausig wütenden Blick Kais versuchte Max einzusetzen.
„Also, dass du unsere Hilfe brauchst, weil wir dachten, dass du ein Date hättest und da du ja noch nie verliebt warst oder Erfahrungen mit Frauen hattest, dachten wir, wir schauen mal nach und helfen dir, weil wie wir ja gesehen haben, dass du bei einem Date voll untergegangen wärst, nachdem du im Eis gebadet hattest!“, Max klang Wort für Wort sicherer.
Kenny schlug sich nur mit der flachen Hand gegen das Gesicht, denn er sah, was Kai dachte und das war Wut! Kenny konnte nur nicht wissen, dass für Kai der Nagel auf den Kopf getroffen wurde.
Denn ja, das war sein erstes Date, was er vollkommen verpatzt hatte, doch Kai hatte es noch nie gemocht, wenn man ihm seine Patzer auch noch präsentierte, es machte ihn fast rasend und dann noch vor ihm, Lester, den er doch eigentlich beeindrucken wollte.
Etwas schallte, es war keine Glocke, kein Auto war in ein anderes gefahren, und Kai hatte die drei „Spanner“ nicht vermöbelt, nein, es war der Schall des Jungen, welcher doch von Kai beeindruckt werden sollte, es war Lester der laut und ausgiebig über die Situation lachte.
Lester fand die gesamte Situation nur amüsant, wie Kai dastand, bekleckert und klebrig süß, vor den drei zwar jetzt stehenden, aber vorher aufeinander gestapelten Jungs und die Tatsache, dass sie das hier für ein Date gehalten hatten und Kai sich so herrlich darüber aufregte und auch vielleicht, dass Kennys Brille immer noch recht schief hing.
Sein Lachen war so laut, dass man es noch mitten im Park wahrnehmen konnte, aber es reichte schon, dass Kai und seine Freunde in der Nähe standen, nicht nur Kai wechselte die Gesichtsfarbe in Rot, auch seinen besten Freunden lief die Schamesröte ins Gesicht.
Lester bekam sich nicht mehr ein, keuchend lag er halb auf dem Tisch und kugelte sich vor lachen, doch nach einigen Minuten ging ihm die Luft aus und es war nur noch ein Kichern zu vernehmen.
Die vier Statuen fingen sich langsam wieder und drehten sich zu Lester, der krampfhaft nach Luft rang.
Sie gingen wortlos zum Tisch, Kai setzte sich auf seinen Platz, die anderen holten sich einen Stuhl, wie einstudiert verlangten die vier ein Wasser.
Das löste eine neue Lachsalve bei Lester aus.
Die Bedienung kam auch gleich mit vier Wassergläsern und stellte sie auf den Tisch. Lester atmete schwer, versuchte sich wieder zu beruhigen.
„Ist nun wieder gut?“, fragte ihn Tyson.
Lester rieb sich die Schläfe. „Ja, alles ok?“ – „Jungs, ihr seid einfach lustig!“, lachte er kurz auf.
„Hey, also hör mal, weißt du nicht, wen du vor dir hast?“, brüllte ihn Tyson an.
Lester schaute den Jungen mit den blauen Haaren verwirrt an.
Merkwürdig ruhig sagte Kai zu Tyson. „Nein, weiß er nicht!“
„Nicht? Aber, wieso? Wir sind doch?“, nun schaute Tyson ziemlich verdattert, denn er genoss seinen Ruhm im Gegensatz zu Kai und war förmlich geschockt über diese Nachricht.
Auch die anderen nuckelten frustriert an ihrem Wasser.
„Sollte ich was wissen? Hab ich etwas verpasst?“, schaute er sie ratlos an.
„Nein, es ist alles in Ordnung!“, sagte Kai gelassen, irgendwie wunderte es die anderen, Kais Ruhe, für sie war es zwar nichts Neues, dass Kai ruhig war, aber dass er dabei so gelassen auf eine Person reagierte, statt ins Leere zu starren, denn er ließ den Blick nicht von Lester, das war neu für sie. So schauten die anderen immer zwischen ihm und Lester hin und her, bis auf Tyson, der nach kurzer Zeit seinen Schock überwunden hatte und anfing zu schmunzeln, als wüsste er, was los war.
Der junge Dunkelblonde bemerkte die Blicke und es wurde ihm langsam zu viel.
„Kai es wird langsam spät!“, gut, es war kurz vor 19 Uhr, es war aber Sommer und deshalb noch ziemlich hell, aber Kai verstand den Wink, auch er hatte keine Lust, länger mit seinen nervigen und peinlichen Freunden mit seinem Schatz zu flirten, er nickte nur.
Lester erhob sich, winkte allen, und lief nach Hause.
„Wenn was ist, du hast meine Nummer!“, rief ihm Kai nach.
„Was, der hat deine Nummer? Der ist keinen Tag hier und hat deine Telefonnummer?“, Max war entsetzt.
„Ja, wir haben zwei Jahre gebraucht, um überhaupt zu erfahren, dass du auch ein Handy hast, von der Nummer ganz abgesehen!“, fügte Kenny hinzu.
„Ach, wisst ihr!“, Kai bekam seine für seine Freunde gewohnte Stimmung wieder, er wollte eigentlich nicht darüber reden.
„Mensch, lasst ihn doch!“, warf Tyson ein und grinste schelmisch.
Kai sah sich Tyson perplex an, er war es nicht gewohnt, ausgerechnet von ihm, der größten Nervensäge der Welt in Schutz genommen zu werden, er verzog eine Augenbraue und schaute ihn misstrauisch an, abwartend, was jetzt kam.
Auch die anderen Jungs wussten nicht, was Tyson auf einmal hatte, schon heute in der Schule hatte Tyson diesen Tick, dass er auf einmal Kai verteidigte, den er ja sonst am liebsten in die Pfanne haute. Es war heute alles ziemlich mysteriös für Max und Kenny, auch sie blickten verwirrt und fragend zu Tyson.
Dieser sah sich in der Runde um, leicht erschrocken von der Aufmerksamkeit der anderen.
„Ja was denn? Darf man nicht mal mehr seine Meinung frei sagen, ohne gleich von allen so angestarrt zu werden? Ich hab doch nur sagen wollen, naja, dass es Kais Sache ist, mit wem er sich so umtreibt!“, mit einem Nicken rundete er seine Aussage ab.
Kai, der sich vom Schock namens Tyson erholt hatte, sagte: „Und dass es euch auch überhaupt nichts angeht!“, er stand auf, ging in den Laden, bezahlte, und machte Anstalten, mit seinen klebrigen Sachen nach Hause zu gehen.
„Wo willst du denn hin?“, rief ihm Max hinter her.
„Ich geh nach Hause!“, rief er zurück und winkte ihnen, doch blieb er nicht stehen.
„Was sollte das denn?“, fragte Kenny.
„Was?“, fragte ihn Tyson verwirrt zurück.
„Ich mein alles, dich heute, dass du Kai verteidigst, Kais Verhalten und diesen Jungen und wir wissen immer noch nicht, wie er heißt! Das nervt mich an und Kai, der redet mal wieder nicht mit uns!“
So begann eine Diskussionsrunde zwischen Kenny und Max, sie debattierten über Kai, seine Heimlichtuerei und Tysons sonderbares Verhalten, dann noch über den Fremden und gesellschaftskritische Themen.
Das war auch Tyson zu viel, er bezahlte und ging.
Lester saß in seiner kleinen Wohnung, sie war nicht großartig eingerichtet, wenn man durch die Tür kam, stand man schon im Wohnzimmer, ein paar Schritte weiter und durch eine Tür kam man ins Schlafzimmer und die nächste Tür führte in das kleine Bad. Das Wohnzimmer war von einem Tresen mit der Küche getrennt. Eingerichtet war das Wohnzimmer mit einem Sofa in der Mitte des Raumes, einer Kommode an der Seite der Eingangstür, direkt gegenüber stand der kleine Fernseher, welcher gar keinen Anschluss hatte, und die Bücherregale standen beiderseits vom Fernseher. Die Bücherregale waren vollgestopft mit Literatur.
Auf einem der beiden Hocker vor dem Tresen saß Lester über einem Meer aus Zetteln vertieft.
Pflanzen gab es keine. Lester beschäftigte sich mit einigen Haushaltsbilanzen und grübelte darüber, woran er noch sparen könnte.
„Für das Telefon, den Strom und das Wasser bekomm ich Subventionen, 50%, dafür trag ich die Miete, Schulgeld bezahl ich ja nicht, die Möbel sind noch die alten, den Umzug, hab ich den schon bezahlt?“, murmelte er vor sich hin und kramte in seinen Unterlagen, die verstreut auf dem Tresen lagen.
“Gut! Also, ich hab noch, ja genau, und wenn ich jetzt arbeiten gehe und etwas vorarbeite, ja, aber was mach ich, wenn ich zur Schule muss? Ha! Dann arbeite ich freitags, montags und mittwochs und kann beim Amt Arbeitshilfe beantragen oder vielleicht Mietübernahme oder -senkung!“, er rieb sich hämisch die Hände und auch ein kleines Lachen entwich ihm.
„Dann werd ich morgen gleich dort mit meinen Rechnungen antanzen!“
Da klingelte plötzlich das Telefon. Lester schreckte auf. Er hatte schon lange keinen Anruf mehr bekommen. Seit er eingezogen war, rief nur ab und zu das Amt an, aber sonst keiner.
Das lag auch daran, dass ja keiner seine Nummer hatte und im Telefonbuch stand er auch nicht, trotzdem klingelte das Telefon. Die Uhr hatte schon 20 geschlagen. Das Amt hatte schon lange geschlossen.
„Hab ich irgendjemandem meine Nummer gegeben?“ fragte er sich und schaute auf den immer noch klingelnden Apparat.
Er ging ran. „Ja? Hallo!“
„Ah! Endlich erreich ich dich!“, sagte eine fröhliche, leicht tiefe Stimme. Doch auf Anhieb kam sie Lester nicht bekannt vor.
„Wer spricht denn da?“, fragte Lester irritiert.
Auch die Stimme war irritiert, da man sie nicht erkannte. „Ich bin’s, Kai!“
„Wer?“
„Kai! Der Junge, der eine Riesenportion Eis ins Gesicht bekommen hatte! Vorgestern! Hast du das schon ver...?“, ein lautes Gelächter beantwortete seine Frage.
„Ach ja! KAI!“, lachte Lester.
Kai saß auf dem Bett in seinem Zimmer. In einem halben Schneidersitz, leicht über die Kante des Bettes mit dem linken Bein gelehnt. Mit der linken Hand hielt er sein drahtloses silberschwarzes Telefon an sein Ohr. An seinem rechten Knie kauerte eine kleine schwarze Kurzhaarkatze mit großen gelbgrünen Augen. Als er telefonierte, streichelte er seine Katze liebevoll hinter den Ohren.
Doch als er Lesters Lachen vernahm, ließ er sich nach hinten fallen, dabei schlug er sich mit der flachen rechten Hand auf die Stirn und hielt das Telefon etwas vom Ohr weg. Sodass er das: „Ach ja! Kai!“, schon gar nicht mehr gehört hatte.
„Oh mein Gott, kann man so vergesslich sein?!“, sagte er eher zu sich und so, dass der andere Gesprächsteilnehmer es nicht hörte.
„Ob er immer so ist?“, fragt er sich in Gedanken, „Ist aber irgendwie süß.“ Bei diesem Gedanken musste er schmunzeln, er blickte zur Decke. Langsam zog er das Telefon wieder zu sich, er hörte die verwirrte Stimme Lesters.
„Hallo? Hallo? Noch da Kai?“
„Ja ja, ich bin noch dran!“, er schmunzelte immer noch.
Er streckte seine Beine aus und blieb bequem auf dem Bett liegen. Seine Katze kletterte über seine Beine, sprang auf die große Topfpalme und dann mit ihren dreckigen Pfoten auf den großen aus Massivholz gefertigten Schreibtisch. Sie tapste am ersten Fenster vorbei, an dem Flachbildschirm ließ sie ihren Schweif vorbei streichen, tippelte über die Tastatur und sprang auf den Kratzbaum, der vor dem großen Kleiderschrank stand. Mit ihren großen Augen schaute sie aus dem Fenster, vor dem der Kratzbaum stand. Gegenüber Kais Bett, an der Wand wo auch der große Kleiderschrank ankantete, stand eine weitere Zierpflanze. Einen Schritt weiter rechts zeigte sich ein weiter Schrank, welchen Kai für die Schulsachen nutzte. Ein offenes Stehregal zwischen Tür und Schrank, dabei stand es weit genug ab, dass man darum herumgehen konnte, beherbergte die Beybladetrophäen und Ausrüstungsgegenstände, wie auch CDs und anderen Krimskrams.
Doch der Katze war das egal, sie schärfte sich lieber die Krallen!
Aber Kai interessierte sich gerade nicht für das Treiben seiner Katze, sondern allein für die zarte Stimme am anderen Ende des Apparates und für die auf einmal kunstvoll gestrichene Decke, die merkwürdigerweise gerade wunderschön aussah. Sein Herz pochte wie wild, nur von dem puren Gedanken, wie Lester wohl gerade saß und mit seiner sinnlichen Stimme seine Worte in den Hörer hauchte.
„Naja, weißt du, ich wollte dich mal wieder hören, ähm, mal anrufen und fragen, was du so vorhast und ob du Zeit hättest für mich!“, Kai setzte den letzten Teil fast nachlässig an.
Lester hatte sich mit seinem Telefon auf sein Sofa gesetzt, hatte es sich bequem gemacht und blätterte in seinen Unterlagen herum.
„Also, weißt du, das ist grade schlecht, die nächste Woche auch, hmm, mal sehen!“
Von Kai hörte man einen kleinen traurigen Seufzer. Kai war entrüstet, er fühlte keinen Puls mehr und packte schnell mit der freien Hand an die Halsschlagader. „Wieso hat er nie Zeit für mich?“, fragte er sich.
„Schade, weil ich wollte, wollte dich doch besser kennen lernen!“, sagte er in einem Ton, wie ein kleines Kind, das seinen Lolli nicht bekam.
„Ach, vielleicht find ich ja mal Zeit und wenn ich nächste Woche in der Eisdiele arbeite, ist es ja möglich, dass man sich sieht!“, doch schnell bereute Lester seinen leichtfertigen Ton.
„Wieso hab ich ihm das nur gesagt. Das geht ihn doch gar nichts an.“, schimpfte er mit sich.
„Echt!“, fast schreiend, aber fröhlich kam es ihm aus dem Hörer entgegen. „Und wann bist du da so auf der Arbeit?“
Lester seufzte. „Montags und dienstags als Kellner von 10 bis 14 Uhr, danach helfe ich auch noch im Altersheim aus, ungefähr zwei Stunden. Mittwochs und donnerstags arbeite ich von 16 bis 20 Uhr im Café, hab früh ein paar Auftritte. Und am Freitag spiel ich von 10 bis 18 Uhr in der Eisdiele Geige. Werd mich wahrscheinlich am Wochenende in der Gegend nach kleineren Jobs umgucken.“
„Cool! Dann sehen wir uns sicherlich! Hab nur alle zwei Tage Training, weißt du?“
„Nee! Woher auch?“, antwortete Lester salopp.
Kai musste lachen und kugelte sich etwas auf seinen Bett, nachdem er sein Bettzeug zerwühlt hatte. Derweilen wunderte sich Lester am anderen Ende der Leitung über die Lachlaute, dann hatte sich Kai wieder einigermaßen gefangen.
„Ja, schon klar!“, kicherte er noch leicht.
„Also, ich mach Beybladen!“
„Ist das überhaupt ein Sport?“, fragte Lester in der Blüte seiner unwissenden Unschuld.
Kais Gesichtszüge vereisten, seine Gedanken kreisten um die letzten Worte seines Gesprächspartners. Er hielt das Telefon etwas weg, ballte die Faust und sprach mit knirschenden Zähnen vor sich hin: “Ob Beybladen ein Sport ist! Ob Beybladen ein Sport ist!!“ Langsam zählte er bis Zehn und zog das Telefon wieder ran, mit einem leichten wütenden Unterton, aber mit kontrolliert sanfter Stimme: „Ja, das ist ein Sport, ein ziemlich berühmter! Schaust du oft Fernsehen?“
„Nö! Hab gar keine Zeit! Meine Hobbys schlucken ne Menge Zeit!“
„Naja, dann versteh ich einiges!“, Kais Hand schloss sich fester um das Telefon, die Hülle knirschte verdächtig.
„Hab ich was Falsches gesagt? Wenn ja, dann tut mir das Leid, das wollte ich nicht, ich hab von diesen B-e-i-play-den noch nie was gehört!“
„Beybladen!“, warf Kai ein.
Doch die sorgenvolle und weiche Stimme Lesters besänftigte den doch verliebten Kai. „Kann ihm ja nicht ewig böse sein“, dachte er sich.
„Ach was, ist nicht so schlimm!“, versuchte er Lester zu beruhigen, auch wenn seine Stimme noch etwas wütend zitterte.
„Gut, das freut mich, aber was macht man denn da so?“, sagte Lester wieder mit fröhlicher Stimme. Er blätterte gerade in ein paar Büchern rum und schaute zu dem Fernseher, der mal wieder von Staub befreit werden müsste.
Kai atmete einmal tief durch. „Wenn du willst, kann ich dir das ja mal zeigen! Versprochen!“
„Naja, vielleicht, mal sehen, aber wie trainierst du eigentlich? Und was macht ihr da? Ist das ein Mannschafts- oder Einzelsport?“
Nun schlug Kais Stunde, denn nun konnte er triumphieren und Lester in ein stundenlanges Gespräch verwickeln. Denn über das Beybladen konnte er ja eine Menge erzählen, über seinen Lieblingssport! Hier konnte er sein ganzes Wissen offenbaren, sich damit brüsten und so das Herz seines Schatzes mit kleinen Details für sich gewinnen.
„Naja, in diesem Sport geht es um Koordination, Ausdauer, Kraft und Geschicklichkeit. Ja und ich gehöre zu den Weltbesten!“, sagte er voller Stolz.
„Aha, naja, siehst auch sportlich aus!“, sagte Lester etwas verlegen, da er nicht wusste, was er antworten sollte oder wie er allgemein zu dem Gespräch beitragen konnte.
„Findest du, dass man das sieht?“, er wusste, dass er eine athletische Figur hatte, ja, die Mädchen in seiner Klasse freuten sich immer, wenn sie ihn im Schwimmbad sehen konnten.
„Hab auch schon lange was dafür getan, kommt ja nicht von ohne! Aber naja, man will ja nicht prahlen!“, was er gerade zwar machte und was auch Lester merkte, ihn aber nicht so störte, da er gerade seine Zettelchen aufräumte und sortierte, doch Kai musste weitermachen, er wollte sich weiter mit ihm unterhalten.
„Aber, naja, was machst du da nun direkt? Was ist Beybladen und was machst du da nun genau?“, fragte Lester nun interessiert, weil er sich nicht vorstellen konnte, wozu er all diese Fertigkeiten brauchen würde.
„Naja, …!“, auf einmal war ihm mulmig, aber wieso? Es war ja sein Lieblingssport, um den es ging, aber was störte ihn dann? „Also, wir kämpfen um Ausdauer, wer als Erstes zu Boden geht, der hat verloren! Da gibt’s auch tolle Moves! Das musste mal sehen!“, sagte er leicht verunsichert.
„Wie macht ihr das denn? Ist das wie ein Tanz oder Boxen?“, Lester konnte sich das gar nicht vorstellen.
„Nein! Das macht man mit Hightechkreiseln!“, sagte er, durch das Interesse von Lester ermutigt.
„Warte mal kurz!“, er musste den Hörer weg legen, damit er ausgiebig lachen konnte, doch hörte Kai das Gelächter, was ihn wirklich nicht gerade aufmunterte. „Ok, hab mich wieder, aha, also mit Kreiseln, aha, naja und auch mit Schnur oder wie macht ihr das?“, er versuchte ernst zu bleiben.
Seine Stimme klang leicht verunsichert. „Also, naja, nein, nicht ganz, das ist etwas schwer zu sagen, so übers Telefon!“, er bekam sich wieder unter Kontrolle. „Es ist wirklich besser, wenn du mal vorbei kommst und mir beim Training zuschaust!“, in seiner Stimme konnte man den Ergeiz hören.
„Naja, mal sehen, so sehr interessiert es mich nicht. Ich rechne es jedem an, der sich sportlich betätigt und du scheinst es ja wirklich lang gemacht zu haben!“, sagte er fast beiläufig.
Kai war ziemlich am Ende. Lester hatte ihn ziemlich geschockt mit seinen Aussagen, doch noch war er nicht gewillt aufzugeben, nein, er klammerte sich weiter an das Gespräch. „Naja, das war halt nur eine Idee, aber ich werde dich sicher mal besuchen kommen!“
Lester erinnerte sich das er Kai ja erzählt hatte, wo er arbeitete. „Kannst du machen, würde mich sehr freuen!“, es klang aber nicht so begeistert, doch Kai jauchzte leise am anderen Ende auf.
Lester schaute auf die Uhr. „Oh mein Gott, es ist spät, ich muss Schluss machen und du solltest doch auch lieber ins Bett, morgen ist ja noch Schule, also tschau!“
Kai hat die Zeit vergessen, wollte es auch, doch als Lester hastig auflegen wollte, sagte er schnell noch: „Ja tschüss und ich ...“, da hatte er schon aufgelegt.
Kai seufzte und ließ sich nach hinten fallen. Er fragte sich ob er noch mal dazu kommen würde, ihm seine Gefühle zu gestehen? Aber wollte er das denn wirklich? Er war sich nicht sicher, aber er wusste, dass wann immer er ihn sah, er fast wahnsinnig wurde. Doch Lester hatte Recht, er musste ins Bett, es war spät!
Er ging duschen und machte sich bettfertig.
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